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CURT LIEBMANN
Die Logik von Port Royal
[im Verhältnis zu Descartes]
[1/2]

"Es ist sehr wesentlich, sich die Abhängigkeit Descartes' von der Scholastik klar zu machen. Das Wesen der Scholastik ist bestimmt durch die Voraussetzung der unbedingten Wahrheit der kirchlichen Lehren, wodurch ihr nur noch die eine Aufgabe blieb, philosophisch diese gegebenen Wahrheiten zu beweisen. Die Kirche wußte ihr Herrschaftsgebiet zu wahren und mit Feuer und Schwert für die Reinhaltung der Lehre zu sorgen."

"Da der Philosophie die Materie und das Resultat ihrer Untersuchungen (durch die Kirche) gegeben war, so blieb ihr nichts übrig, als durch alle möglichen syllogistischen Beweisformen die Richtigkeit des gegebenen Resultates nachzuweisen. Die Grundlage dafür bildete immer Aristoteles, aber nicht in seiner ursprünglichen Gestalt, sondern zum großen Teil entstellt. Die auf diese Weise ausgebildeten dialektischen Spitzfindigkeiten waren jedoch nicht ohne große Bedenken, denn sie befähigten den Menschen schließlich dazu, alles Mögliche zu beweisen, und mußten deshalb bei vielen zu einem vollständigen Skeptizismus führen; denn konnte man von allem das Gegenteil beweisen, so konnte man natürlich auch an allem zweifeln."

"cogito ergo sum: Die Kenntnis der Entstehung dieses Satzes bildet die Voraussetzung zu einem vollen Verständnis, mit ihm ist die Tatsache gesichert, daß unser Geist aus sich heraus Erkenntnisse gewinnt, an denen ein Zweifel unmöglich ist. Dem Empirismus Bacons setzt Descartes so seinen Rationalismus entgegen, der auch in unserer Logik vertreten ist."

"Immerhin besteht bei Descartes noch eine Möglichkeit, daß wir auch hier (cogito ergo sum) getäuscht werden könnten von einem höheren Wesen, von Gott; aber Gott, dessen Existenz gewiß ist, weil wir von ihm den klaren und deutlichen Begriff in uns haben und jede Idee eine Ursache haben muß, welche mindestens die gleiche Realität hat, kann, wenn es schon seine Macht ihm erlaubt, uns doch nicht täuschen wollen, denn täuschen wollen verrät eine Bosheit, Gott aber ist gütig."

1. Einleitung

Bedeutung des Klosters Port-Royal des Champs im 17. Jahrhundert. In dem alten Frauenkloster "Port-Royal" hatte sich bald nach seiner Übersiedlung nach Paris (1626) ein Zentrum geistigen Lebens gebildet. Zunächst auf theologischem und religiösem Gebiet ging von hier aus ein neuer, frischer Zug, man kämpfte gegen die jesuitische Veräußerlichung des kirchlichen Lebens und strebte demgegenüber zur alten Einfachheit und Sittenstrenge des biblischen Christentums zurück. Vorbildlich waren dabei neben den Evangelien selbst die Kirchenväter, vor allem AUGUSTINUS. Seine Lehre ist die Wahrheit, sie zu erweisen das höchste Ziel. Die Beschäftigung mit diesem bedeutendsten Kirchenvater brachte es aber von selbst mit sich, daß auch philosophische Fragen stark erörtert wurden, denn selten sonst findet sich Theologie und Philosophie so stark verschmolzen, wie bei AUGUSTINUS. Außerdem suchten in Port-Royal nicht nur Theologen ihre Zuflucht, sondern geistig hoch bedeutsame Männer aus den verschiedensten Lebensstellungen glaubten hier ihr Seelenheil zu finden, das ihnen das Weltgetriebe nicht zu bieten vermocht hatte. Freilich blieb dabei stets die Theologie die Hauptsache; alle Männer, die in Port-Royal gelebt haben, zeigen einen außerordentlich tiefen, religiösen Sinn (besonders charakteristisch sind hierfür die Werke PASCALs vor und nach seiner Zugehörigkeit zu den "Solitaires" [jansenistische Einsiedler - wp]). Die Philosophie hat nur soweit Raum, als sie zur Stütze der religiösen Wahrheiten dienen kann. Aus diesem Grund hauptsächlich fand unter den neueren philosophischen Systemen dasjenige DESCARTES' hier treue Anhänger. Die Philosophie DESCARTES' wurde bei den Zusammenkünften der Solitaires eingehend besprochen, die Übersetzung seiner Meditationen durch den Herzog von LUYNES ging von hier aus. Die Bedeutung des Klosters nahm noch zu, als man durch Gründung von Schulen die neuen Ideen der Jugend vermittelte. Für die Schulen von Port-Royal wurden eine große Anzahl Lehrbücher verfaßt, in denen eine "Anleitung zum Unterricht nach neuer Methode" gegeben wurde (1). Auch die sogenannte Logik von Port-Royal ist zunächst als Lehrbuch entstanden.

Entstehung der Logik von Port-Royal. Wie der dem Werk vorausgeschickte avis (2) berichtet, erzählte bei einer Unterhaltung über die Logik einer der Anwesenden, er habe in seiner Jugend einen Lehrer gehabt, der ihn in 14 Tagen befähigt hat, über einen großen Teil der Logik zu reden. Ein anderer von den Anwesenden - nach übereinstimmenden Berichten ARNAULD -, von dem es heißt, er habe keine große Achtung vor dieser Wissenschaft gehabt (3), wollte sich verpflichten, den anwesenden Herzog von CHEVREUSE, den Sohn des Herzogs von LUYNES, in weitaus kürzerer Zeit alles in der Logik Wissenswerte zu lehren. Da sich aber ein zu diesem Zweck geeignetes Lehrbuch nicht finden ließ, entschloß man sich, selbst ein solches zu verfassen, eine Arbeit, die man an einem Tag vollenden zu können glaubte. Bei der Ausführung drängte sich jedoch eine ganze Reihe neuer Momente auf, über die man sich etwas eingehender zu handeln veranlaßt sah, so daß erst nach vier- bis fünftägiger Arbeit das vorliegende Werk in seinen Grundzügen fertig war. Der beabsichtige Zweck wurde damit vollkommen erreicht, der junge Herzog, der allerdings besonders befähigt war, lernte in vier Tagen diesen Abriß. Das Werk, das ursprünglich nur diesem einen Zweck dienen sollte, scheint dann auch in den Schulen von Port-Royal als Lehrbuch benützt worden zu sein. Es wurden bald zahlreiche Auszüge gemacht und man mußte befürchten, aufgrund eines solchen einen unvollständigen und fehlerhaften Druck erscheinen zu sehen. Dem wollte man zuvorkommen, und man entschloß sich deshalb, die Logik nach einer gründlichen Durcharbeitung, durch welche sie um ein Drittel ihres ursprünglichen Umfangs erweitert wurde, selbst zu veröffentlichen. So erschien in Paris 1662 die erste Ausgabe unter dem Titel "La Logique ou l'art de penser, contenant outre lés régles communes plusieurs observations nouvelles propres á former le jugement" (4). Der eigentlichen Logik ist ein discours (später premier discours) vorausgeschickt, "où l'on fait voir le dessin de cette nouvelle logique" [wo wir den Entwurf dieser neuen Logik zeigen - wp] (Seite 5). Derselbe enthält kurze Angaben über den Wert der Logik, über das Verhältnis der vorliegenden zu den früheren, sowie über die Quellen, wenn auch hier Namen nur sehr wenig genannt sind. Die späteren Auflagen erfuhren noch Verbesserungen und Zusätze, die aber für uns wenig Bedeutung haben. Erwähnt sei nur der second discours, der von der zweiten Auflage an hinzugekommen ist und die Antworten auf die Haupteinwände enthält, die man gegen diese neue Logik vorgebracht hatte. Hier wird vor allem noch einmal ganz deutlich das Verhältnis zu ARISTOTELES klargelegt und Front gemacht gegen den übertriebenen Kulturs, der mit diesem Philosophen getrieben wurde.

Wie sich sehr schnell zeigte, war die Art, in der man die Logik angelegt hatte, außerordentlich glücklich; das Werk fand sehr großen Beifall und bildete bald das bevorzugte Lehrbuch der Logik. Bis zum Jahr 1736 waren bereits 10 Französische und ebensoviele lateinische Ausgaben erschienen (5). Neben der Klarheit der Sprache hat dazu wohl vor allem die starke Berücksichtigung praktischer Interessen beigetragen, sowie das feine Verständnis für die Schwächen und die Eigentümlichkeiten der menschlichen Natur, das überall zum Ausdruck kommt. JOURDAIN sagt in der Einleitung zu seiner Ausgabe (Seite XIII):
    "L'art de penser ist in ihrer Art ein Meisterwerk. Man kann in die Darlegung der trockenen Vorschriften der Logik nicht mehr Ordnung, Eleganz und Klarheit bringen, wie Arnauld, eine geschicktere Unterscheidung von dem, was gesagt werden muß, und dem was überflüssig ist, eine glücklichere Wahl von instruktiven Beispielen, eine genauere Kenntnis der menschlichen Natur und der Dinge, die geeignet sind, das Urteil zu bilden."
Verfasser. Die Logik von Port-Royal erschien ebenso wie die übrigen Lehrbücher anonym, jedoch werden als Verfassser derselben übereinstimmend ARNAULD und NICOLE genannt, ohne daß sich der Anteil, den jeder am Werk gehabt hat, im Einzelnen feststellen ließe. RACINE hat in einem Anhang zu seinem "Abrégé de l'histoire de Port-Royal" die Verfasserfrage für diese Werke zu lösen versucht. Nach ihm stammten die Vorreden unserer Logik, sowie alle "additions" allein von NICOLE, der vierte Teil allein von ARNAULD, während der erste, zweite und dritte Teil das Produkt gemeinsamer Arbeit sein soll (6). Auch SAINTE-BEUVE (Bd. 1, Seite 402 und Bd. 3, Seite 504) nennt NICOLE als Verfasser der beiden discours und des avis [Vorwort - wp]; die Idee und der gesamte Grundstock (corps) des Werkes stammt nach ihm von ARNAULD, während NICOLE hierbei nur die redaktionelle Arbeit zukommen soll. Diese Ansicht, die also wesentlich darauf hinausläuft, daß die Gedanken der Logik von ARNAULD, die Bearbeitung derselben von NICOLE stammt, scheint die richtigere zu sein und ist auch deshalb vorzuziehen, weil sie dem Verhältnis der beiden Verfasser, soweit wir es kennen, besser entspricht.

ANTOINE ARNAULD (1612-1694) gehörte zu den bedeutenden Persönlichkeiten seiner Zeit. Sein Vater war Advokat und auch der Sohn (das 20. Kind) beabsichtigte, die juristische Laufbahn einzuschlagen, wurde jedoch durch den frühen Tod seines Vaters daran gehindert und widmete sich deshalb dem theologischen Studium: seine glänzende Befähigung trat frühzeitig hervor, zunächst nur in theologischen Fragen, mit denen er überhaupt die Hauptkräfte seines Lebens verbrauchte. Er besaß einen über das Durchschnittsmaß hinausreichenden Charakter und wußte auch Gefahren gegenüber stets wacker stand zu halten. Bekannt ist namentlich seine Stellung in dem durch JANSENs "Augustin" hervorgerufenen Streit. Unter den Solitaires von Port-Royal spielter er eine hervorragende Rolle.

Ihm gegenüber ist sein jüngerer Freund NICOLE (1625-1695) von weitaus geringerer Bedeutung. Zunächst zwar war das intime Freundschaftsverhältnis, welche beide verband, ein ungetrübtes. Man pflegte, beide Männer nur als ein Ganzes zu betrachten; die meisten Schriften, die ARNAULD verfaßt hatte, wurden von NICOLE noch bearbeitet und zum Teil gemäßigt, er war überhaupt immer zum Nachgeben und zum Frieden geneigt. Er zeigte in seinem Wesen eine gewisse Unselbständigkeit und versuchte sogar, als ARNAULD 1679 verbannt wurde, statt ihm zu folgen, seinen Frieden mit den Jesuiten zu machen, ein Schritt, den er allerdings bald darauf bitter bereute (7). Wir sehen NICOLE immer mehr als einen bloßen Mitarbeiter ARNAULDs, und wir dürfen deshalb wohl auch ARNAULDs Beziehungen zu DESCARTES näher betrachten, soweit sie in früheren Schriften von ihm zum Ausdruck kommen, und daraus dann Schlüsse für unsere Logik ziehen.

ARNAULD wandte sich früh der neuen Philosophie zu. Den "Discours de la méthode" hat er offenbar frühzeitig kennengelernt und in sich aufgenommen, denn schon in seinem "Conclusiones philosophicae" (1639, als 2 Jahre nach dem Erscheinen des discours) finden sich namentlich auf physikalischem Gebiet kartesianische Prinzipien vertreten (8). Ganz besonders jedoch zeigte sich sein großes Verständnis speziell für diese neue Philosophie bei der Besprechung von DESCARTES' Meditationen. DESCARTES hatte dieses sein Hauptwerk vor der Veröffentlichung durch den Pater MERSENNE auch den Doktoren der Sorbonne zugehen lassen, doch keiner von ihnen mochte sich dieser Arbeit unterziehen. Nur der damals erst 28-jährige ARNAULD, der den Grad eines Lizentiaten bekleidete, wagte sich daran und schrieb sein Objektionen, die in der Ausgabe an vierter Stelle veröffentlicht sind. Diese Objektionen enthalten freilich kaum einen ernsthaften Einwand gegen die neue Philosophie, in vielen Punkten spricht der Verfasser sogar ausdrücklich seine Zustimmung aus, nur vom theologischen Standpunkt aus hat er einige Bedenken. DESCARTES merkte an diesen Objektionen sofort, daß hier seine Lehre auf fruchtbaren Boden gefallen war, und er zollte deshalb in einen Respensionen dem Verfasser derselben höchste Anerkennung, weil er in allen wichtigen Punkten auf volles Einverständnis schließen konnte. Der gleichen hohen Wertschätzung scheint sich ARNAULD auch im Kreis der Anhänger des DESCARTES erfreut zu haben. Hiervon legt besonders Zeugnis ab ein im Dezember 1642 von MERSENNE an VOETHIUS gerichteter Brief, in dem es heißt: "cum nobilem quartarum objectionum auctorem, qui totius adademiae Parisiensis subtilimus habetur philosophus et theologiae doctor, regarem, num rursus vellet contra responsiones insurgere, mihique respondisset, se nihil prorsus habere sibique penitus esse satisfactum ipseque docuisset et publice sustinuisset eandem philosophiam." [als ich den edlen Verfasser der vierten Einwände, der als der subtilste Philosoph und Theologielehrer der gesamten Pariser Akademie gilt, fragte, ob er sich wider die Antworten erheben würde, antwortete er mir, er habe gar nichts dagegen, und sei mit sich selbst vollkommen zufrieden, daß er selbst dieselbe Philosophie gelehrt und öffentlich vertreten hatte. - wp] (9) Wir erkennen aus diesen Worten gleichzeitig, daß ARNAULDs Bedenken durch die Antworten DESCARTES vollständig zerstreut worden waren. Allerdings hatte ja auch DESCARTES die wohlgemeinten Ratschläge ARNAULDs zum größten Teil befolgt (10). Trotz alledem hat man diesem zum Teil sein rasches Nachgeben als Fehler angerechnet und ihm einen Mangel an Selbständigkeit vorgeworfen (11), sicher mit Unrecht, denn wenn ARNAULD nachgab, so geschah es nur aus Überzeugung, nicht aber in blinder Anbetung. Diese Philosophie war für ihn namentlich deshalb so brauchbar, weil sie sich trefflich als Stütze für religiöse Wahrheit verwenden ließ. (12)

Quellen. Wenn wir nunmehr noch kurz von den Quellen handeln, so darf dabei nicht eine erschöpfende Aufzählung aller Autoren erwartet werden, deren Bekanntschaft in unserer Logik zutage tritt, denn ihre Zahl ist unendlich groß, ihre Kenntnis dagegen für die vorliegende Arbeit so gut wie nutzlos. Es mag nur erwähnt sein, daß die Verfaser in der klassischen Literatur der Griechen und der Römer vollständig zu Hause sind, daß wir bei ihnen eine eingehende Kenntnis der Bibel, der Kirchenväter und auch der neueren geistlichen wie profanen Schriftsteller antreffen. Über einige dieser benützten Quellen gibt der premier discours (Seite 13) Aufschluß, genannt wird vor allem PASCALs "de l'esprit géométrique", der im 12. Kapitel des ersten Teils und im 3. Kapitel des vierten Teils benützt ist. Für uns ist hier nur wichtig, die beiden Hauptquellen, die dem Werk zugrunde liegen, festzustellen. Denn daß das jetzt vorliegende Gesamtwerk aus zwei Hauptbestandteilen zusammengearbeitet ist, sagt schon der Titel "contenant outre les régles communes plusieurs observation nouvelles" [mehrere neue Beobachtungen zusätzlich zu den allgemeinen Regeln enthalten - wp]. Der erste discours führt dies näher aus, die régles communes enthalten das, was die Scholastik über die Logik lehrte, sie gehen also in letzter Hinsicht auf ARISTOTELES, den Schöpfer der Logik zurück. Mit diesen althergebrachten Regeln hat aber nun unsere Logik - und das ist ihr ganz besonderes Verdienst - neue Erwägungen verbunden, die sich von selbst aufdrängten, aber gleichwohl nicht alle vom Verfasser selbst herrühren, sondern "die man den Werken eines berühmten zeitgenössischen Philosophen entnommen hat, der ebensoviel Geistesklarheit (netteté d'esprit) besitzt, als man bei den übrigen Verwirrung antrifft." Gemeint ist damit ohne Zweifel DESCARTES, dessen Name seltsamerweise aber nicht genannt wird; auch im Werk selbst begegnet uns trotz der häufigen Benützung der Name Descartes nur zweimal (13). Über die Benützung der aristotelischen Logik soll im nächsten Kapitel kurz gehandelt werden, das Verhältnis der Logik von Port-Royal zu DESCARTES versucht die vorliegende Arbeit näher zu beleuchten. Diese Aufgabe wird wesentlich dadurch erleichtert und gefördert, daß wir uns im allgemeinen das Verhältnis sowohl DESCARTES als auch der der Logik von Port-Royal zu ihren Vorgängern klar machen.


2. Descartes und die Logik von Port-Royal
im Verhältnis zu ihren Vorgängern

a. Verhältnis zur Scholastik und zu Aristoteles (14) Wir wollen bei der Behandlung dieser Frage von DESCARTES ausgehen und müssen bei der Wichtigkeit derselben etwas länger dabei verweilen. Selbstverständlich können wir von einem Verhältnis DESCARTES zu ARISTOTELES selbst nicht gut reden, die Ausgangspunkte beider sind zu verschieden, als daß sie sich gemeinschaftlich behandeln lassen. Wohl aber ist es sehr wesentlich, sich die Abhängigkeit DESCARTES' von der Scholastik klar zu machen. Das Wesen der Scholastik ist bestimmt durch die Voraussetzung der unbedingten Wahrheit der kirchlichen Lehren, wodurch ihr nur noch die eine Aufgabe blieb, philosophisch diese gegebenen Wahrheiten zu beweisen. Die Kirche wußte ihr Herrschaftsgebiet zu wahren und mit Feuer und Schwert für die Reinhaltung der Lehre zu sorgen. Da der Philosophie die Materie und das Resultat ihrer Untersuchungen gegeben war, so blieb ihr nichts übrig, als durch alle möglichen syllogistischen Beweisformen die Richtigkeit des gegebenen Resultates nachzuweisen. Die Grundlage dafür bildete immer ARISTOTELES, aber nicht in seiner ursprünglichen Gestalt, sondern zum großen Teil entstellt. Die auf diese Weise ausgebildeten dialektischen Spitzfindigkeiten waren jedoch nicht ohne große Bedenken, denn sie befähigten den Menschen schließlich dazu, alles Mögliche zu beweisen, und mußten deshalb bei vielen zu einem vollständigen Skeptizismus führen; denn konnte man von allem das Gegenteil beweisen, so konnte man natürlich auch an allem zweifeln. DESCARTES selbst zeigte, wie man mit Hilfe der Dialektik alles beweisen kann und er machte sich daran, die augenscheinlichste Wahrheit zu widerlegen, das, was augenscheinlich falsch ist, zu beweisen (nur nach den Regeln der Schullogik) (15). Die Reaktion hiergegen setzte dann auch schon ziemlich früh ein, ohne jedoch zunächst zu neuen großen Gedankenbildungen zu führen. vielmehr wandte man sich zunächst den anderen großen Systemen des Altertums, deren Bekanntschaft der Humanismus erschlossen hatte, zu, vor allem PLATO. Auch ARISTOTELES konnte jetzt in seiner Urform studiert werden.

Dem gegenüber versucht DESCARTES
nur auf eigener Grundlage ein neues System zu errichten. Indem er die Untersuchungen über die Form der Schlüsse teils nur für nutzlos, teils sogar für schädlich erklärt (16), will er neue Grundlagen für die Materie der Erkenntnis schaffen. Wie aber der Architekt, wenn er einen einheitlichen Bau aufrichten will, allein den Plan dazu arbeiten muß, so kann auch der Denker nur ganz durch eigenes Denken zu einem einheitlichen System kommen (17). Wenn auch hier über das so gewonnene System kein Urteil gefällt werden soll, so muß doch gesagt werden, daß die Absicht nicht erreicht ist; DESCARTES war viel zu sehr das Kind seiner Zeit, als daß er sich ganz von ihr hätte losreißen können. So bleibt für ihn die Voraussetzung der Scholastik schlechthin bestehen, daß die kirchliche Lehre wahr ist. Er versucht zwar auch hier durch seine Theorie von der einen Wahrheit, die naturgemäß auf beiden Gebieten dieselbe sein muß, sich zu helfen, tatsächlich ist er doch in diesem Punkt nicht viel weiter gekommen, wenn er sich auch von dogmatischen Fragen prinzipiell fernhält. Aber auch Erklärungen wie die "Les Principes De La Philosophie, I 76" abgegeben: "Et quamvis forte lumen rationis quam maxime clarum et evidens aliud quid suggerere nobis videtur, soli tamen auctoritati divinae potius quam proprio nostro judicio fidem esse adhibendam" [Und obwohl uns vielleicht das Licht der Vernunft etwas anderes so klar und offensichtlich wie möglich vorzuschlagen scheint, müssen wir doch allein der göttlichen Autorität vertrauen und nicht unserem eigenen Urteil. - wp] dürften in DESCARTES' System keinen Raum haben. - Von der scholastischen Syllogistik finden wir bei DESCARTES nichts, er bringt als Ersatz dafür die bekannten vier subjektiven Regeln (18).

Betrachten wir nunmehr von demselben Gesichtspunkt aus unsere Logik, so bemerken wir gleich in der ersten Beziehung dasselbe starre Festhalten an der Voraussetzung, daß über aller Philosophie die göttliche Offenbarung steht, ja in unserer Logik muß sogar die Philosophie dazu dienen, einzelne kirchliche Dogmen zu stützen. Diese theologischen Rücksichten, die die Philosophie zu nehmen hat, machten sich schon in den Objektionen ARNAULDs geltend, in unserer Logik sind nur die Konsequenzen daraus gezogen (19). - Etwas schwieriger ist die Stellung zu bestimmen, die die Logik von Port-Royal der aristotelisch-scholastischen Logik gegenüber einnimmt. Von einem starren Festhalten an ARISTOTELES kann selbstverständlich nicht die Rede sein, gegen den Kultus, der hier getrieben worden ist, wird energisch zu Felde gezogen, ja es werden häufig direkte Fehler bei ARISTOTELES aufgedeckt. Aber man ist trotzdem nicht entfernt so weit gegangen wie DESCARTES, wegen einiger Fehler oder weil mancherlei nutzlos ist, den ganzen ARISTOTELES über den Haufen zu werfen, im Gegenteil "il n'ya point en effet d'auteur, dont on ait emprunté plus de choses dans cette logique que d'Aristote, puisque le corps des préceptes lui appartient" [Es gibt in der Tat keinen Autor, von dem mehr Dinge in dieser Logik entlehnt worden sind als von Aristoteles, da ihm das Fundament der Grundsätze gehört. - wp] (Seite 15). Auch wird es für notwendig erklärt, beim gegenwärtig um ARISTOTELES brennenden Streit Stellung zu beziehen (Seite 25). Die Art und Weise, wie dabei verfahren worden ist, ist allerdings teilweise etwas seltsam. Zunächst wird als Prinzip aufgestellt, nur das direkt Nützliche aufzunehmen (Seite 13), ein Prinzip, gegen welches natürlich gar nichts einzuwenden ist. Dann heißt es aber weiter:
    "Es gab andere Dinge, die wir für ziemlich nutzlos hielten, wie Kategorien und Belegstellen; aber weil sie kurz, einfach und üblich waren, hielten wir es nicht für notwendig, sie wegzulassen, und warnten dennoch vor dem Urteil, das wir über sie fällen müssen, damit wir sie nicht für nützlicher halten, als sie sind."
Und schließlich wird noch ein dritter Gesichtspunkt vorgebracht, indem es für wünschenswert erklärt wird, daß die Logik selbst über die Dinge Aufschluß gibt, welche für dieselbe überhaupt keinen Wert besitzen, weil sie durch die Persönlichkeit ihrer Vertreter berühmt geworden sind; denn "es ist vernünftig, durch die Mühe, die man sich damit macht, diese Fragen kennen zu lernen, das Recht zu ihrer Verachtung (mépriser) zu erwerben" (Seite 16). Man erkennt aus allem deutlich, daß die alte aristotelisch-scholastische Logik sich bei den Verfassern der l'art de penser keiner besonderen Wertschätzung zu erfreuen hat. An manchen Stellen kommt es einem fast so vor, als würde die scholastische Logik nur darum berücksichtigt, weil es zum guten Ton gehört, sie zu kennen, um mit darüber reden zu können (20). Das größte Interesse bleibt doch immer dem Neuen zugewandt (nouvelles réflexions, qui en font la plus grande et peut-être la plus considérable partie [neue Überlegungen, die den größten und vielleicht bedeutendsten Teil davon ausmachen - wp], Seite 12)

b. Verhältnis zu Augustinus. Ein wichtiges Problem für die vorliegende Arbeit bildet auch das Verhältnis unserer Logik, sowie DESCARTES' zu AUGUSTINUS. Ein kurzer Überblick über die Logik von Port-Royal zeigt uns, daß kein Autor mit größerer Vorliebe genannt wird, als AUGUSTINUS (21), daß an allen wichtigen Punkten das Bestreben hervortritt, die aufgestellten Thesen durch AUGUSTINUS' Autorität zu stützen, und daß sogar das berühmte "cogito ergo sum" DESCARTES' als ein Satz von AUGUSTINUS erscheint. Diese ganze Frage ist allerdings viel zu kompliziert, als daß sie hier erschöpfend behandelt werden könnte, wir müssen uns vielmehr auf das Notwendigste beschränken. Die Ansicht, daß DESCARTES in seinem System nur eine Erneuerung der alten Lehre des AUGUSTINUS gebracht hat, ist schon früh aufgetreten, ARNAULD selbst hat ja mit einem Hinweis auf diese Übereinstimmung seine Objektionen begonnen. Infolgedessen hat man vielfach die Frage aufgeworfen, ob DESCARTES bei der Aufrichtung seines Systems das System AUGUSTINUS' gekannt und benützt hat. Wir müssen wohl das eine entschieden bejahen, das andere verneinen, zumindest soweit es sich um eine bewußte Benützung handelt. Wenn uns DESCARTES im ersten Abschnitt seines discours von seinen Jugendstudien erzählt, wie er alle Bücher, deren er habhaft werden konnte, eifrig gelesen, wie er überall die Wahrheit zu finden sich bemüht hat, so dürfen wir es sicher für ausgeschlossen halten, daß er AUGUSTINUS, der damals schon im Mittelpunkt des Interesses stand (22), nicht gekannt hat (23). Andererseits dürfen wir auch nicht von einer bewußten Benutzung reden, wenn sich manches Übereinstimmende findet. DESCARTES konnte bei der Art der Entstehung seiner Philosophie keine Autorität brauchen, nur in seinem Geist wollte er die Prinzipien suchen, allein das Gebäude der gesamten Philosophie errichten. Wenn er dann später, nachdem man ihn aufmerksam gemacht hatte, seine Freude darüber zum Ausdruck kommen läßt, daß eine so große Autorität wie AUGUSTINUS zu denselben Resultaten gekommen ist, so ist das absolut kein Beweis dafür, daß er ihn vorher nicht gekannt haben sollte. Und sein Charakter bleibt dabei auch völlig makellos, denn die Art seiner neuen Philosophie schloß es aus, für einzelne Punkte Autoritäten zu nennen, nicht aber, an einzelnen Punkten mit Vorgängern übereinzustimmen. Was die Übereinstimmung DESCARTES' mit AUGUSTINUS angeht, so mag dafür hier nur auf Desc. Epist. II, Seite 350 hingewiesen werden:
    "Ich bin Ihnen dankbar für die Stelle beim göttlichen Augustinus, mit dem ich daher dieses mein Prinzip in gewisser Weise zu vereinbaren glaube; ich habe es heute in der Bibliothek dieser Stadt gelesen, und ich sehe wirklich, daß er es benutzt, um die Gewissheit unserer Existenz zu beweisen und dann zu zeigen, daß es ein Bild der Dreieinigkeit in uns gibt; insofern wir sind, wissen wir, daß wir sind, und wir lieben dieses Wesen und dieses Wissen, das in uns ist; Aber ich benutze es, um zu beweisen, dass ich denke, dass eine immaterielle und eine unkörperliche Substanz zwei verschiedene Dinge sind."
Etwas schwieriger ist die Beantwortung des zweiten Teils unserer Frage, warum die Logik von Port-Royal nicht DESCARTES, sondern AUGUSTINUS als Autorität für die betreffenden Punkte anführt. Wir können hier nur aus dem Charakter der damaligen Zeit heraus diesen eigentümlichen Umstand erklären und zu verstehen suchen, einer Periode, die AUGUSTINUS in den Vordergrund ihres Interesses gerückt hatte (24); wir müssen auch hier berücksichtigen, wie gerade ARNAULD, der Hauptverfasser unserer Logik, die Werke AUGUSTINUS' zum Gegenstand des eifrigsten Studiums gemacht hatte. Endlich darf auch noch darauf hingewiesen werden, daß die ganze Richtung, die man mit dem Namen Port-Royal bezeichnen könnte, sich ganz besonders an AUGUSTINUS anschloß (25). Alle diesem Momente mögen dazu beigetragen haben, daß DESCARTES' Name hier gegen den AUGUSTINUS so sehr zurücktritt.


3. Einteilung und Hauptinhalt
der Logik von Port-Royal

Ehe wir uns nun der Vergleichung der einzelnen Lehren DESCARTES' mit denen unserer Logik zuwenden, wollen wir noch kurz Aufgabe und Inhalt derselben betrachten. Die Logik wird definiert als "die Kunst, seine Vernunft in der Erkenntnis der Dinge gut zu leiten, sowohl um sich selbst als auch andere zu unterweisen." (Seite 27) Diese Definition ist beachtenswert, denn mit ihr steht die spätere Unterscheidung der beiden wissenschaftlichen Methoden in Forschungs- und Lehrmethode in engstem Zusammenhang. Fast überall gibt es zwei Wege, einen wahren und einen falschen, und unsere Vernunft (raison) muß zur Erkenntnis des wahren Weges führen (Seite 5). Naturgemäß gilt dies für sämtliche Zweige des menschlichen Wissens, d. h. für alle Einzelwissenschaften; daher finden wir in unserer Logik Beispiele aus allen Gebieten herangezogen, mit besonderer Vorliebe z. B. aus der Physik, die durch die bahnbrechenden Forschungen und Entdeckungen jener Zeit ein ganz anderes Aussehen gewonnen hatte. Manche Gesetze, die man früher für unumstößlich feststehend gehalten hatte, waren jetzt gänzlich über den Haufen geworfen und man gewann so den deutlichsten Beweis für die Unsicherheit aller Erfahrungserkenntnis. Die Beispiele, die außerdem zumeist der Rhetorik, Moral, Metaphysik und Geometrie entnommen sind, sollen aber nicht nur den Zusammenhang all dieser Wissenschaften mit der Logik zeigen, sondern auch das Buch vor dem Schicksal vieler seiner Vorgänger bewahren, nicht gelesen bzw. nicht behalten zu werden. Schon hierin bekundet sich der praktische Zug, der dem ganzen Werk in so hervorragendem Maß eigen ist. Die Logik hat überhaupt einen höheren Zweck, als den, Dialektiker heranzubilden, sie soll die Menschen " gerecht, urteilskräftig" machen "in allen Reden, in allen ihren Taten und in allen Geschäften, die sie abwickeln, und das müssen sie besonders üben und gestalten" (Seite 6) Dies ist das letzte und höchste Ziel nicht nur der Logik, sondern aller Wissenschaft überhaupt, denn die Menschen sind nicht dazu geboren, um mit dem Messen von Linien, mit Untersuchungen über die Beziehung von Winkeln etc. ihre Zeit zu verbringen, vielmehr ist alle Einzelforschung nur Mittel zu dem höchsten Zweck, der rein praktisch ist.

Es ist interessant, schon bei diesen allgemeinen Erörterungen einen Vergleich mit DESCARTES einzuschalten. Wir finden namentlich in der von diesem zuerst veröffentlichten Schrift, dem Discours, (im 6. Abschnitt) ganz analoge Gedanken, ja es handelt sich für DESCARTES hier nicht nur um das innere Leben, sondern seine Methode will auch den Weg zeigen, das leibliche Leben in jeder Weise zu verbessern und zu fördern und zu dauernder Gesundheit bis ins höchste Alter verhelfen.

In der Ausführung ihres Planes hat unsere Logik das Alte mit dem Neuen geschickt verknüpft, indem sie alles unter die vier Tätigkeiten (opérations) des menschlichen Geistes, zu konzipieren, zu urteilen, zu argumentieren und zu ordnen, teilt. Dem entsprechen auch die vier Teile des Werkes. Im ersten wird über das Konzipieren gehandelt, d. h. "die bloße Ansicht, die wir von Dingen haben, die uns in den Sinn kommen ... ohne uns ein ausdrückliches Urteil zu bilden" (Seite 27) oder über die Form, unter der begriffen wird, die Idee. Die Ideen werden betrachtet nach ihrem Ursprung und ihrer Natur, nach dem Hauptunterschied der durch sie vorgestellten Objekte, nach ihrer Einfachheit oder Zusammensetzung und nach ihrer Klarheit und Verworrenheit. Die zweite Denktätigkeit besteht im urteilen, wodurch mehrere Ideen miteinander verbunden werden, d. h. die eine von den anderen ausgesagt oder geleugnet wird. Dieser Abschnitt handelt von den Satzteilen, sodann von den verschiedenen Arten von Sätzen. Durch das argumentieren wird aus mehreren Urteilen ein neues gebildet; wir finden in diesem dritten Teil vor allem die Regeln der Syllogistik einschließlich genauer Angaben über fehlerhafte Schlüsse und endlich ein sehr ausführliches Kapitel (Seite 260-295) "über schlechte Schlüsse, die man im bürgerlichen Leben und in den gewöhnlichen Unterredungen begeht". Eine Vereinigung dieser Tätigkeiten findet durch das ordnen statt, welches Begriffe, Urteile und Schlüsse in methodischer Weise darzustellen hat, da ja die zuerst genannten drei Operationen kaum einzeln auftreten, sondern die Teile eines größen Ganzen bilden (26). In diesem vierten Teil wird zunächst das Wissen (science) nach seinen verschiedenen Seiten betrachtet, sodann werden die Lehren und Regeln für die beiden Methoden aufgestellt. Die letzten Kapitel handeln vom Glauben in göttlichen und menschlichen Dingen, vom Glauben an Wunder, sowie vom Verhalten historischen Überlieferungen und Prophezeiungen für die Zukunft gegenüber.


4. Ursprung und Natur
unserer Vorstellungen
(27)

"Da wir nur durch die Ideen, die in uns sind, wissen können, was außerhalb von uns ist, sind die Reflexionen, die über unsere Ideen gemacht werden können, vielleicht das Wichtigste in der Logik, weil sie die Grundlage von allem anderen ist." Mit diesen Worten, mit denen er erste Abschnitt unserer Logik beginnt (Seite 30) wird von vornherein der in derselben vertretene erkenntnistheoretische Standpunkt genau gekennzeichnet. Von der Außenwelt erhalten wir eine Kenntnis nur unter Mitwirkung der unserem Denken immanenten oder angeborenen Vorstellngen (28).

a. Der Ursprung unserer Vorstellungen. Betrachten wir zunächst die Entstehungsweise der hier vertretenen Anschauung. Die Unsicherheit und Trüglichkeit aller durch Erfahrung und durch die Sinne gewonnenen Erkenntnisse war schon früh erkannt worden, und so hatten schon die Sophisten den Keim zum späteren Skeptizismus gelegt. Dieser ist es aber gerade, der nach unserer Logik so sehr verderblich für die Menschen ist, und gegen den sie immer wieder Front machen zu müssen glaubt. Andererseits freilich kann auch die Unsicherheit aller Erfahrungserkenntnisse nicht genug betont werden. "Die Erfahrung und die Sinne trügen" ist auch der Ausgangspunkt, den DESCARTES für seine Philosophie genommen hat. Wir müssen uns, um sie ganz verstehen zu können, die Entstehung derselben kurz vergegenwärtigen. Wir sehen dabei, daß der Ausgangspunkt zunächst ein rein negativer ist, und doch gibt gerade der Satz: "alle durch Erfahrung und alle durch Autoritäten gewonnenen Erkenntnisse bieten keine Gewähr für ihre Wahrheit" die Mittel an die Hand, zu einer ersten gewissen Erkenntnis und zu einem Kriterium für die Gewißheit zu kommen. Es handelt sich darum, zumindest eine Erkenntnis, einen Satz zu finden, dessen Wahrheit ohne Erfahrung und ohne Autoritäten feststeht, um dann von diesem archimedischen Punkt aus das ganze Gebäude zu errichten. DESCARTES fand so in der bekannten Weise mit Hilfe des methodischen Zweifels als Forschungsmittel seinen berühmten ersten gewissen Satz, das cogito ergo sum. Die Kenntnis der Entstehung dieses Satzes bildet die Voraussetzung zu einem vollen Verständnis, wie nochmals betont sein soll, mit ihm ist die Tatsache gesichert, daß unser Geist aus sich heraus Erkenntnisse gewinnt, an denen ein Zweifel unmöglich ist. Dem Empirismus BACONs setzt DESCARTES so seinen Rationalismus entgegen, der wie wir sahen, auch in unserer Logik vertreten ist.

Jedoch unterläßt unsere Logik vollständig, eine nähere Ableitung dieses Satzes zu geben, vielmehr begnügt sie sich damit, zu konstatieren, daß es Kenntnisse gibt, die zweifellos gewiß sind, daß aber Erfahrung diese Kenntnisse nicht verschaffen kann. Im Gegenteil, der Sensualismus ist absurd und "steht im Widerspruch mit der Religion und mit jeder wahren Philosophie" (Seite 36f), denn nichts begreifen wir deutlicher, als unser eigenes Denken und kein Saatz ist uns klarer als der: "je pense, donc je suis" [Ich denke, also bin ich. - wp] (Seite 37) Hier wird das erste Prinzip schneller gewonnen als bei DESCARTES und dadurch die Sache etwas unklarer, da das Zwischenglied des Zweifels fehlt (29); es bleibt von der Argumentation des DESCARTES nichts bestehen, vielmehr tritt an deren Stelle folgende Begründung: Erfahrung und Sinne bieten keine sichere Erkenntnis; wir haben aber gewisse Erkenntnisse, wie das cogito ergo sum; das Denken muß demnach aus sich heraus zu solchen Erkenntnissen kommen können (d. h. wir wir gleich sehen werden, sie müssen angeboren sein (30).

b. Die Vorstellungen (Ideen), besonders die angeborenen. Ehe wir die Konsequenzen, die sich aus der ersten Erkenntnis ergeben, weiter verfolgen, wollen wir den Begriff der Idee im Allgemeinen betrachten. Seite 32f heißt es:
    "Wenn wir also von Ideen sprechen, appelieren wir mit diesen Substantiven nicht an phantasievolle Bilder, sondern an das, was uns vorschwebt, wenn wir mit Sicherheit sagen können, daß wir uns in irgendeiner Weise ein Ding vorstellen, daß wir es entwerfen."
Wollen wir dies etwas näher erläutern, so könnten wir sagen, daß zur Idee jeder Vorgang in unserem Geist gehört, der zu Bewußtsein kommt; wir haben also im Geiste eine Idee, wenn wir ein Wort aussprechen (Seite 33), wir haben auch eine Idee, wenn wir irgendetwas sehen oder zu sehen glauben; ob das Wort, welches wir aussprechen, diese Idee vollständig zum Ausdruck bringt, oder ob dem, was wir zu sehen meinen, ein übereinstimmendes oder überhaupt ein Objekt entspricht, ist dabei zunächst ganz gleichgültig. Daß die Idee zu Bewußtsein kommen muß, ist von den Verfassern unserer Logik nicht ausdrücklich gesagt, aber in den Worten "wenn wir ... sagen können" enthalten, abgesehen davon auch ganz selbstverständlich. Diese Definition entspricht ziemlich genau der von DESCARTES gegebenen (31). Auch bei DESCARTES gehört zur Idee alles, was bewußt vom Geist vorgestellt wird. Er unterscheidet 3 Arten von Ideen, angeborene, hinzugekommene und selbstgebildete (ideae innatae, adventitiae und factitiae oder factae, Med. III Ep. II, Seite 54, 184). Über die angeborenen Ideen soll dann gehandelt werden, sie sind weitaus die wichtigsten. Der Unterschied von den beiden anderen Arten ist nicht ganz klar. Zunächst gehören zu den ideae adventitiae alle aufgrund von sinnlichen Wahrnehmungen entstandenen Ideen, zu den ideae factae dagegen solche, die aufgrund der in unserem Geist vorhandenen "hinzugekommenen" Ideen, von diesen selbst gebildeten neuen Ideen. In der dritten Meditation werden unter der ersten von diesen beiden Gruppen z. B. die Begriffe Feuer, Sonne aufgeführt, für die zweite der Begriff Sirenen. Da es sich hierbei aber nicht um Phantasiegebilde nur handelt, wie man infolge des Begriffs "Sirenen" leicht annehmen könnte, zigt die schon erwähnte Stelle (Ep. II, 54, Seite 184). Hier wird der idea adventitia von der Sonne, d. h. der aufgrund des sinnlichen Bildes von der Sonne entstandenen Idee die Idee von der Sonne entgegengestellt, die wir aufgrund astronomischer Forschung uns selbst bilden und neben der sinnlichen in unserem Geist haben. Zu den ideae factae gehören demnach alle lediglich durch eigenes Denken gebildeten Ideen, und man darf sie nicht wie FOUILÈE (Seite 43, Anm. 2) mit den in unserer Logik Seite 43 erwähnten être de raison [Richtigkeit - wp] versteht man eine Idee, die nur im Denken ist, gewöhnlich die Verbindung zweier ansich wahrer Ideen, die aber in ihrer Verbindung in Wirklichkeit nicht existieren (32). Auch die Bezeichnung idées accesoires [Nebensächliches - wp] läßt sich mit den idées adventitiae nicht zusammenbringen, da es sich bei jenen um zufällig mit bestimmten Wörtern verbundene Nebenvorstellungen handelt, wie unter "König" jeder den in seinem Land herrschenden König denkt (15. Kapitel des ersten Teils). Gleichwohl ist die Scheidung der Ideen bei DESCARTES den Verfassern unserer Logik bekannt, wie deutlich aus Seite 37 hervorgeht. Hier werden "Denken", "Sinn" etc. als eingeborene Ideen nachgewiesen, denn sie können nicht auf sinnlichem Weg in den Geist gekommen sein (= ideae adventitiae) und ebensowenig aus den vorhandenen (sinnlichen) Ideen gebildet sein (ideae factae).

Gehen wir nun zu der wichtigsten Gruppe, den eingeborenen Ideen, über. Um ihr Wesen und die Entstehung des Begriffs "eingeborene Idee" besser zu verstehen, wollen wir zu dem Grundprinzip zurückkehren, dem cogito ergo sum. Dieses wurde, wie wir sahen, unabhängig von aller Erfahrung und von den Sinnen gefunden, enthält aber selbst wiederum Begriffe, wie "Denken" und "Sein", über deren Herkunft man zunächst im Zweifel sein könnte. Die Antwort war ziemlich einfach: da sie auf keine Weise durch Erfahrung und Sinne in den Geist gekommen sein können, da dieser sie auch nicht selbst bilden konnten (Seite 37), so sind sie eben eingeboren oder angeboren. Dieser Begriff muß aber noch näher erläutert werden. In den Hauptschriften DESCARTES (ebenso in der "Untersuchung über die Wahrheit des natürlichen Lichts", O pusc. posth. 1701) erscheinen dieselben immer als ein schlechthin vorhandener Besitz, spätere Stellen jedoch weisen darauf hin, daß er diesen Begriff entweder umgebildet hat oder doch zumindest anders verstanden wissen wollte. So sagt er in den Responsiones (IV, Seite 88):
    "non intelligimus illam (sc. ideam innatam) nobis semper observari; sic enim nulla prorsus esset innata; sed tantum nos habere in nobis ipsis facultatem, illam eliciendi." (33)
Hier ist also der Begriff des Vorhandenseins (als tatsächlich bewußter Begriff) aufgegeben und dem Geist nur noch die Fähigkeit gelassen worden, die sogenannten angeborenen Vorstellungen ohne Mitwirkung der Sinne hervorzubringen. In diesem Sinne erscheinen sie auch in unserer Logik, in der sie sich ebenfalls als unbedingt notwendige Konsequenz aus der aprioristischen Gewißheit des je pense donc je suis ergeben (Seite 37f). Diese Begriffe sind da, sie sind nicht durch die Sinne gekommen, deshalb sind sie angeboren, d. h. der Geist muß die Fähigkeit haben, aus sich heraus diese Begriffe hervorzubringen. Dabei ist es im einzelnen Fall möglich, daß ein sinnlicher Reiz die Veranlassung zu ihrer zeitweiligen Bildung gibt, so kann durch den Anblick des Lautgebildes pensée der Begriff "Denken" hervorgerufen werden, aber das hat mit ihrer Entstehung ansich nichts zu tun. Ebensogut ist es möglich, daß ein Maler durch das Geld, welches man ihm bietet, veranlaßt wird, ein Gemälde zu malen, und doch wird niemand behaupten wollen, daß in diesem Fall die Idee des Gemäldes vom Geld stammt. - Freilich könnte man auch bei dieser Erklärung immer noch die Frage aufwerfen, woher der Geist die Fähigkeit hat, die sogenannten angeborenen Vorstellungen zeitweilig ins Bewußtsein treten zu lassen. Für DESCARTES, welcher die denkende Substanz von Gott geschaffen sein läßt, ist damit schon die Antwort gegeben: die Fähigkeit stammt von Gott. In unserer Logik wird nicht ausdrücklich erwähnt, daß Gott der Schöpfer ist, da aber der Gottesbegriff sonst in der Hauptsache mit dem von DESCARTES übereinstimmt, so dürfen wir wohl auch für unsere Logik Gott in diese Lücke treten lassen.

Unter die angeborenen Vorstellungen gehören nun zunächst alle die, denen kein sinnliches Objekt entsprichtf, "Ding", "Wahrheit", "Denken", "Sein" etc., sodann die Axiome, ja in letzter Linie ist all das angeboren, was unsere Seele überhaupt denken kann. So heißt es bei DESCARTES im oben erwähnten notae, Seite 159:
    "keine Vorstellungen von Dingen, wie wir sie in Gedanken bilden, werden uns von ihnen (den Sinnen) präsentiert: d. h., daß es in unseren Vorstellungen nichts gibt, was nicht dem Geist oder der Denkfähigkeit angeboren wäre."
und ganz ähnlich in unserer Logik (Seite 39):
    "Es ist daher falsch, daß alle unsere Ideen von unseren Sinnen kommen; wir können im Gegenteil sagen, daß keine Idee, die in unserem Geist ist, ihren Ursprung in den Sinnen hat, es sei denn durch Zufall."
Durch die Sinneseindrücke, die wir empfangen, entstehen nämlich in unserem Gehirn Bewegungen, die die Seele veranlassen, die betreffende Idee zu bilden. Gewiß kann man sagen, sie würde diese Vorstellungen trotz der Einwirkungen von außen nicht bilden können, wenn sie nicht die Fähigkeit dazu hätte, aber man geht entschieden zu weit, wenn man hier noch von angeborenen Ideen spricht (34). Diese Anschauung ist auch weiterhin nicht mehr so streng durchgeführt, im Gegenteil, es wird scharf geschieden zwischen Erkenntnis, die ohne Mitwirkung der Sinne und solcher, die durch die Sinne erworben wird.

c. Intellectus und imaginatio. Der Scheidung der Ideen in angeborene und hinzugekommene - von der dritten Gruppe dürfen wir hier absehen - enstpricht eine Scheidung des Denkvermögens in intellectus (pure intellection) und imaginatio. Diese beiden auseinanderzuhalten ist höchst wichtig, denn die imaginatio stellt uns Objekte dar, die den wirklich vorhandenen Objekten meist sehr unähnlich sind (Seite 39). Von den beiden Erkenntnisvermögen erkennt der intellectus die eingeborenen Ideen, die imaginatio bildet die ideae adventitiae. Der Unterschied läßt sich sehr leicht durch das bei DESCARTES und in unserer Logik gebrauchte Beispiel klar machen (Med. VI, Seite 31, Log. Seite 31). Wenn ich mir ein Dreieck vorstelle, so habe ich zunächst eine rein begriffliche Idee, die ich mit dem Intellekt denke. Daneben bin ich aber von Jugend her gewöhnt, mir alles auch bildlich darzustellen, und so bilde ich mir neben dem Begriff Dreieck auch eine bildliche Vorstellung von einem Dreieck. Diese letztere ist bei einfachen Objekten ziemlich klar und stimmt z. B. bei einem Dreieck ziemlich mit der begrifflichen Idee überein. Ihre Klarheit und Übereinstimmung nimmt ab, je komplizierter das Objekt wird; das zeigt sich schon beim Fünfeck, von welchem ich nur noch eine höchst unvollkommene sinnliche Vorstellung habe. Will ich mir vollends von einem Tausendeck eine bildliche Vorstellung machen, so sehe ich ein Gebilde, welches eine große Anzahl von Seiten etc. hat, das aber ebensogut ein Zehntausendeck oder sonst ein beliebiges Polygon sein könnte. Anders ist es mit der Idee des Tausendecks in meinem Intellekt. Diese ist vollkommen klar und deutlich, denn ich kann aus ihr genau die wesentlichen Eigenschaften des Tausendecks bestimmen, wie z. B. seine Winkelsumme berechnen. Wir sehen hieraus, daß die Erkenntnis durch den Intellekt der durch die Sinne bei weitem überlegen ist (Seite 300f); und doch bietet auch sie keine unbedingte Garantie, auch im Intellekt gibt es Gewißheit und Ungewißheit.

d. Kriterium der Gewißheit. Es handelt sich deshalb darum, ein unbedingtes Kriterium für die Wahrheit unserer Vorstellungen zu finden. Das Material hierzu mußte der zunächst allein unbedingt wahre Satz an die Hand geben, das cogito ergo sum. Indem DESCARTES diesen näher untersuchte, fand er, daß derselbe so "klar und deutlich" ist, daß irgendein Zweifel an ihm schlechterdings ausgeschlossen war, und daraus glaubte er schließen zu können, daß jede Erkenntnis, die mit der gleichen Klarheit und Deutlichkeit auftritt, ebenso wahr sein muß. Dasselbe Kriterium entnimmt unsere Logik dieser ersten Erkenntnis:
    "et de cette connaissance claire comme vraies toutes les pensées qu'il trouvera claires, comme celle-lá lui paraît."
Es ist dabei interessant, wie unsere Logik immer mit dem Begriff der Klarheit und Deutlichkeit den der Unbezweifelbarkeit verbindet, wodurch ihre Abhängigkeit von DESCARTES deutlich offenbar wird. Wir wollen hier das Ungenügende dieses Kriterium nicht weiter erörtern, da es sich nur um einen Vergleich der Logik von Port-Royal mit DESCARTES, nicht um eine Kritik der Philosophie des DESCARTES handelt, immerhin mag betont werden, daß wenn einmal der Ausgangspunkt als richtig zugestanden wird, es kaum möglich sein dürfte, ein anderes Kriterium zu finden, und daß dieses andererseits entweder als unbedingt gültig anerkannt oder als unbedingt ungenügend verworfen werden muß. Entweder wir sagen mit DESCARTES und unserer Logik, jede Erkenntnis, die klar, deutlich und unbezweifelbar ist, ist wahr, verlegen also das Kriterium nur in das Subjekt, oder wir sagen, dieses Kriterium genügt nicht, und dann ist es überhaupt kein solches mehr.

e. Der Gottesbegriff. Immerhin besteht bei DESCARTES noch eine Möglichkeit, daß wir auch hier getäuscht werden könnten von einem höheren Wesen, von Gott; aber Gott, dessen Existenz gewiß ist, weil wir von ihm den klaren und deutlichen Begriff in uns haben und jede Idee eine Ursache haben muß, welche mindestens die gleiche Realität hat, kann, wenn es schon seine Macht ihm erlaubt, uns doch nicht täuschen wollen, denn täuschen wollen verrät eine Bosheit, Gott aber ist gütig. Der Gottesbegriff selbst gehört zu den angeborenen Vorstellungen, er ist namentlich für das System des DESCARTES sehr wichtig, und wenn auch nach dem eben erwähnten Axiom seine Existenz schon gewiß ist, so werden doch noch andere Beweise dafür vorgebracht. In unserer Logik fehlen diese Beweise, Gottes Existenz ist hier ebenfalls schon daraus gewiß, daß wir seinen Begriff in uns haben:
    "Aber wenn wir nicht die Vorstellung von Gott hätten, worauf könnten wir all das stützen, was wir von Gott sagen: daß es nur einen gibt, daß er ewig, allmächtig, allgütig, allweise ist." (Seite 34)
Dieser Begriff muß aber angeboren sein, denn ebensowenig, wie die oben besprochenen Begriffe "Denken", "Sein" etc. kann er durch irgendwelche Sinne in uns gekommen sein (Seite 33f). Zum Begriff "Gott" gehören auch die von seinen Eigenschaften, seiner Ewigkeit, Allmacht, Allweisheit, Allgüte, oder von seiner unendliche Macht, Weisheit, Güte usw. Sind die Vorstellungen von allen diesen Eigenschaften nicht vielleicht nur daraus entstanden, daß man die entsprechenden menschlichen Eigenschaften ins Unendliche erhoben hat, zu einer Höhe, die über die menschliche Erkenntnisfähigkeit hinausgeht, daß wir demnach Gottes unendliche Eigenschaften nicht klar und deutlich erkennen, sondern nur dunkel ahnen? Diese Frage wird von DESCARTES und unserer Logik ziemlich übereinstimmend beantwortet. Zunächst zumindest erklärt sich DESCARTES mit aller Entschiedenheit gegen die Auffassung, daß Gottes Eigenschaften nur durch Negation aus den menschlichen entstanden sind; im Gegenteil entstehen die menschlichen Eigenschaften umgekehrt durch Limitation aus den göttlichen, die uns zunächst, da sie bedeutend einfacher (weil ohne Schranken) sind, ganz klar und deutlich sind. Dann verwickelt sich aber DESCARTES mehr oder weniger in Widersprüche (wahrscheinlich will er nicht mit der Kirche in Konflikt kommen). In den Responsionen auf CATERUS' Einwände (Seite 52) sagt er, daß die Gotteserkenntnis "sub quadam tantum comparatione" [nur unter einem bestimmten Vergleich - wp] ein uns ist und beruft sich hier sogar auf THOMAS von AQUIN; er fährt fort:
    "aber diejenigen, die auf ihre individuellen Vollkommenheiten achten und sie nicht so sehr begreifen, als von ihnen ergriffen werden, und versuchen, alle Kräfte ihres Verstandes in Anspruch zu nehmen, um sie zu betrachten, sie finden darin sicherlich eine viel größere und leichtere Sache der Klarheit und deutlicheres Wissen als in allen erschaffenen Dingen." (35)
Immerhin nimmt die Untersuchung über die Existenz und den Begriff Gottes einen breiten Raum in der Philosophie von DESCARTES ein. Anders in "l'art de penser". Seite 66 wird die Idee von Gott in gewissem Sinn für Klar, in einem andern für dunkel und höchst unvollkommen erklärt, für klar, insofern sie genügt, uns an Gott eine große Anzahl Eigenschaften erkennen zu lassen, von denen wir sicher sid, daß sie sich nur an Gott finden, für unklar aber und unvollkommen, da das Unendliche von uns als endlichen Wesen nur höchst unvollkommen erkannt werden kann. Derselbe Gedanke ist von DESCARTES in einen "Princ. philos." I, Seite 19 ausgesprochen: "quia scilicet est de natura infiniti, ut a nobis qui sumus finiti, non comprehendatur" [weil es in der Natur des Unendlichen liegt, daß sie von uns, die wir endlich sind, nicht begriffen wird - wp]. Unsere Logik hat nun hieraus gewissermaßen die Konsequenz gezogen, wenn sie jede weitere Spekulation über Gott für nutzlos erklärt, der menschliche Geist "se perd et s'éblouit dans l'infinité et demeure accablé sous la multitude des pensées contraires qu'elle fournit" [verliert sich geblendet von der Unendlichkeit, überwältigt von der Vielzahl der gegensätzlichen Gedanken, die dabei auftauch. - wp](Seite 302). In diesen Dingen heißt es sich bescheiden, es gibt eben Dinge, die unbedingt gewiß sind und absolut nicht begriffen werden können (36), deshalb ist es überhaupt am vorteilhaftesten, bei derartigen metaphysischen Fragen, die zu weit von allen klaren und bekannten Prinzipien entfernt sind, sich mit einem "je n'en sais rien" [Ich weiß nicht - wp] zu begnügen und dafür umso mehr Fortschritte zu machen in Dingen, die unser Geist zu fassen vermag.

f. Die Unterscheidung der oben erwähnten klaren und deutlichen Ideen von den dunklen und verworrenen ist für die Erkenntnistheorie des DESCARTES' von Wichtigkeit. Er bezeichnet (princ. philos. I, Seite 45) diejenige perceptio als "clara, quae menti attendenti praesens et aperta est" [die klar und gegenwärtig ist für den aufmerksamen Geist - wp] als "distincta" [unterschiedlich - wp] dagegen diejenige, "quae cum clara sit, ab omnibus aliis ita sejuncta est, ut nihil plane aliud quam quod clarum est, in se contineat;" [das, wenn es klar ist, so von allen anderen getrennt ist, daß es nichts anderes in sich enthält als das, was klar ist - wp]. Daraus ergibt sich, daß eine Vorstellung sehr wohl klar sein kann, ohne distincta zu sein, nicht aber umgekehrt.

Wie wir sahen, gehören beide zusammen, um die Wahrheit einer Sache zu erweisen. Unsere Logik übernimmt diese Begriffe und handelt im 9. Kapitel des ersten Teils "de la clarté et distinction des idées et de leur obscurité et confusion" [von der Klarheit und Unterscheidung von Ideen und ihrer Dunkelheit und Verwirrung -wp]. (Seite 64f) Eine Idee ist klar, "quand elle nous frappe vivement quoiqu'elle ne soit pas distincte" [wenn sie uns stark berührt, obgleich sie nicht deutlich ist - wp]. Eine Vorstellung, sagten wir, kann klar und dabei doch confusa sein. DESCARTES3 (Princ. I, Seite 46) wie "l'art de penser" führen hierfür dasselbe Beispiel an: die Vorstellung des Schmerzes. Wenn ich z. B. in der Hand eine Schmerzvorstellung habe, so ist dieselbe ansich ganz klar, denn sie ist deutlich von anderen Vorstellungen verschieden, sie ist aber andererseits höchst verworren, denn sie stellt mir den Schmerz in der Hand vor, während er tatsächlich im Geist ist. Demnach scheint unter distinctio verstanden zu werden, daß man über die einzelnen Momente und das gesamte Wesen einer Vorstellung völlig im Klaren ist. Unsere Logik faßt diese Begriffe etwas zusammen und begreift unter klaren Vorstellungen diejenigen, welche nach DESCARTES klar und deutlich, unter dunklen die, welche dunkel und verworren sind, und unternimmt eine Aufzählung der hauptsächlichsten klaren und dunklen Vorstellungen (Seite 65). Klar ist zunächst die Idee, die ein jeder von sich selbst als einer denkenden Substanz hat, und ebenso von allem, was zum Denken gehört (Zwecke unseres Denkens), wie urteilen, schließen, zweifeln, wollen, wünschen, fühlen, sinnlich vorstellen. Ebenso klar ist die Vorstellung der ausgedehnten Substanz und dessen, was zu ihr gehört, wie Figur, Bewegung, Ruhe; wir sehen, daß es sich dabei ausschließlich um Begriffe handelt, deren Vorhandensein DESCARTES aus der Klarheit und Deutlichkeit ihrer Idee in uns erwiesen hatte. Hinzu kommen noch die Begriffe être, existence, durée, ordre, nombre [Sein, Existenz, Dauer, Ordnung, Zahl - wp], allerdings unter der Voraussetzung, daß wir diese als Modi an einer Substanz betrachten. Es braucht hier nur auf die beinahe wörtliche Übereinstimmung mit "Princ. philos." I, Seite 54f hingewiesen zu werden, um die Abhängigkeit von DESCARTES zu zeigen. Alle diese Ideen sind so klar, daß ein Versuch, sie näher zu erklären zu wollen, sie nur noch verdunkeln würde. Eine Mittelstellung nimmt, wie schon gezeigt wurde, der Gottesbegriff ein. - Zu den dunklen Vorstellungen gehören in erster Linie alle Vorstellungen von den Sinnesqualitäten, von Farben, Tönen, Gerüchen, Geschmäcken, von Wärme, Kälte, Gewicht etc., ebenso von unseren Körpererregungen (appétits), wie Hunger und Durst. Die verschiedensten Umstände haben mitgewirkt, uns hier falsche Vorstellungen zu erregen; einen großen Teil davon nehmen wir als ein Vermächtnis unserer Kindheit mit ins spätere Alter hinüber. Wir sind als Kinder noch nicht fähig, die einzelnen Momente einer Vorstellung zu trennen, wir nehmen bloß wahr, daß bestimmte Gefühle immer durch bestimmte äußere Objekte hervorgerufen werden, wie z. B. das Gefühl der Süßigkeit durch eine Berührung von Zucker mit unserer Zunge, und dadurch kommen wir dazu, zu sagen, der Zucker ist süß, indem wir das Gefühl, welches wir in uns haben, in das Objekt verlegen, durch welches dasselbe hervorgerufen wird. Das oben erwähnte Beispiel von einem Schmerz kann uns dabei recht deutlich zeigen, wie wunderlich hier verfahren wird. Wärme und Schmerzgefühl infolge übergroßer Wärme sind eigentlich nur zwei Gefühle in verschiedener Intensität, von denen wir seltsamerweise das eine, die Wärme, ins Feuer verlegen, das andere, das Schmerzgefühl, welches entsteht, wenn wir die Hand allzusehr dem Feuer nähern, in die Hand. Tatsächlich ist allerdings auch der Schmerz nicht in der Hand, sondern im Geist. (Seite 67f) (37)

g. Der Irrtum. Sind so die Vorstellungen häufig dunkel und verworren, so liegt hierin wiederum nach der übereinstimmenden Lehre des DESCARTES und der Logik von Port-Royal noch nicht der Grund zum Irrtum. Vielmehr sind Vorstellungen als solche immer wahr. Der Satz klingt etwas seltsam, ist aber ganz richtig. Es ist darunter zu verstehen, daß, um bei dem obigen Beispiel zu bleiben, die Vorstellung, welche mir den Schmerz in der Hand vorstellt, tatsächlich noch keinen Irrtum in sich schließt, da ich doch wirklich glaube, den Schmerz in der Hand zu empfinden. Erst wenn ich durch ein Urteil ausspreche, daß der Schmerz tatsächlich in der Hand ist, ist dies ein Irrtum. Oder wenn wir noch das oben erwähnte Beispiel von der Sonne wiederholen sollten, so liegt kein Irrtum vor, wenn ich sage, ich sehe die Sonne als eine runde Scheibe mit einem Durchmesser von vielleicht ca. ½m etc., dieser entsteht vielmehr erst, wenn ich aufgrund dieser Vorstellung das Urteil bilde: Die Sonne ist eine runde Scheibe etc. (38)

Wir wollen uns zunächst nun vergegenwärtigen, wie DESCARTES dieses Problem zu lösen versucht hat. Er unterscheidet zwei Tätigkeiten des Geistes, die bei einem Urteil zusammenwirken, Intellekt und Wille. Der Intellekt gibt Vorstellungen, der Wille gibt oder versagt dem Vorgestellten seine Zustimmung. Der Intellekt hat nun, wie wir sahen, nicht nur klare und deutliche, sondern auch verworrene und dunkle Vorstellungen, ja in manchen Dingen ist er überhaupt nicht fähig, völlig klare und deutliche Vorstellungen zu bilden (beim Unendlichen z. B.), der Wille dagegen reicht weiter als der Verstand, er strebt danach, Urteile zu bilden, auch wenn der Intellekt noch nicht klar erkannt hat. Der letzte Grund des Irrtums liegt also in der dem Menschen von Gott gegebenen Willensfreiheit. Das einzige Mittel, den Irrtum zu vermeiden, ist das, daß man den Willen dahin leitet, daß er nur über klar und deutlich Erkanntes urteilt, der Mensch ist demnach fähig, den Irrtum zu vermeiden, der ja nichts Positives ist, sondern nur eine Beschränkung des mir von Gott verliehenen Urteilsvermögens. Unsere Logik scheint im Ganzen diese Theorie über die Entstehung des Irrtums zu billigen, sie erklärt zunächst mit DESCARTES, daß es gewiß ist,
    "daß es weder in allem, was in den Organen des Leibes vorgeht, noch in der bloßen Wahrnehmung unserer Seele, die nur eine bloße Befürchtung ist, Irrtum oder Falschheit geben kann, sondern daß aller Irrtum nur von dem herrührt, was wir für falsch halten" (Seite 84f),
sodann wird auch auf die Zusammenwirkung von Intellekt und Wille im Urteil hingewiesen, denn wir würden keine falschen Urteile bilden, "wenn der Wille den Intellekt nicht veranlaßt, ein übereiltes Urteil zu bilden, wenn er noch nicht genügend aufgeklärt ist" (Seite 277), jedoch wird auf die Theorie selbst nicht näher eingegangen. Sehr wahrscheinlich haben dazu religiöse Momente beigetragen. Die denkende Substanz ist von Gott geschaffen, und wenn ihre beiden Teile, Intellekt und Wille nicht genau zusammenstimmen, wenn der Wille sich weiter erstreckt als der Intellekt, so würde doch immer die Tatsache bestehen bleiben, daß der Irrtum in letzter Linie auf Gott zurückgeht. DESCARTES selbst will dies natürlich nicht behaupten, aber es ist doch die notwendige Konsequenz aus seiner Lehre: ist Gott der Schöpfer des Geistes, und ist er allmächtig, so ist er auch für Mängel in seiner Schöpfung verantwortlich. Dem jungen ARNAULD scheint schon in einen Objektionen diese Sache nicht recht zu passen, er bringt zwar keine positiven Einwände, befürchtet aber, diese Frage würde zu den schwerwiegendsten Einwendungen Veranlassung geben. Die ganze Stelle macht den Eindruck, als wenn ihm dabei nicht sonderlich behaglich zumute gewesen ist (Objectiones, IV, Seite 102).

Unsere Logik begnügt sich dann auch in dieser Hinsicht mit einem bloßen Hinweis, kann aber sonst nicht genug auf die mittelbaren Quellen des Irrtums hinweisen, nämlich die falschen Vorstellungen, denen der Wille seine Zustimmung gibt. Erwähnt wurde schon der große Anteil, den die aus der Kindheit überkommenen falschen Vorstellungen dabei haben, desgleichen der Anteil aller auf sinnlicher Grundlage entstandenen Ideen. Diese letzteren umfassen auch diejenigen falschen Vorstellungen, die sich mit den Lautgebilden verbinden (Seite 86). Ihrem praktischen Ziel entsprechend hat "l'art de penser" den Irrtümern, die im praktischen Leben vorkommen, eine außerordentlich eingehende Untersuchung zuteil werden lassen. Das 20. Kapitel des dritten Teils handelt erstens von den Irrtümern, die in uns ihren Grund haben (des sophismes d'amour propre, d'intérêt et de passion [Irrtümer des Selbstwertgefühls, des Eigeninteresses und der Leidenschaft - wp]) und sodann von denen, deren Grund in den Erkenntnisobjekten liegt. Dieses Kapitel zeigt ein außerordentlich feines Verständnis für die menschlichen Schwächen und Eigentümlichkeiten.
LITERATUR - Curt Liebmann, Die Logik von Port Royal im Verhältnis zu Descartes [Inaugural-Dissertation] Leipzig 1902
    Anmerkungen
    1) Über die Geschichte von Port-Royal handelt: Sainte-Beuve, Port-Royal, 3 Bde., Paris 1867; über die Bedeutung des Klosters in 7-facher Hinsicht daselbst, Bd. 1, Seite 12f, über die Schulbücher Bd. 3, Seite 504f. Vgl. Jean Racine, Abrégé de lhistoire de Port-Royal, Ausgabe von Paul Mesnard, Bd. 4, Paris 1865, Seite 399f. Über die Bedeutung von Augustinus für Port-Royal siehe Juleville, "Hist. d. l. langue et l. litt. fr. IV, Paris 1897, Seite 560f.
    2) Seite 3f der Aufgabe von Alfred Fouillée, Paris 1879, nach der hier stets zitiert wird.
    3) Dieser Zusatz kann nur auf die Regeln der Schullogik bezogen werden; sonst würde man zu großen Widersprüchen mit der im Werk betonten Wichtigkeit des behandelten Gegenstandes kommen.
    4) Arnauld, Oeuvres philosophiques par Charles Jourdain, Paris 1843, Seite 21.
    5) Bibliothéque raisonnée t. XVI p. 480, cf. Jourdain, a. a. O., Introd. p. XI.
    6) Jean Racine par Paul Mesnard, Bd. 4, Paris 1865, Seite 608
    7) Über die beiden Männer handelt Sainte-Beuve, Port-Royal, livre IV und V, über ihr Verhältnis livre V, Kap. VIIf (vol. IV p. 411f) p. 423 Nicole c'est, si l'ou veut (et toute proportion gardée entre la grandeur des rôles historiques) c'est le Melanchton d'Arnauld [Nicole ist (unter Wahrung der Proportionen der historischen Rollen beider) Arnaulds Melanchton - wp].
    8) Francisque Bouillier, Histoire de la philos. Cartésienne, Paris 1854, Bd. 2, Seite 144f.
    9) Renati Descartes epistulae, Frankfurt am Main, 1692, P. II, p. 0.
    10) a. a. O. III, Seite 343
    11) z. B. Hermann Schultz, Antoine Arnauld als Philosoph, Dissertation, Bern 1896, Seite 7f. "Die Arnauldsche Auffassung der kartesianischen Philosophie entbehrt einer originellen Färbung; von einer selbständigen Durchdringung und Weiterbildung der kartesianischen Gedanken kann nicht gesprochen werden: den Anlauf zu einer selbständigen Stellung hatte er in den Objektionen unternommen, aber wie bald schwand seine Opposition vor den Worten des Meisters."
    12) vgl. hierzu das nächste Kapitel
    13) Seite 51 ein Zitat aus der Dioptrik und Seite 317 die bekannten 4 Regeln für die Methode.
    14) Hertling, Descartes' Beziehung zur Scholastik, Sitzungsbericht der königlich-bayerischen Akademie der Wissenschaften, München 1898/99.
    15) Kuno Fischer, Geschichte der neueren Philosophie, Bd. 1, vierte Auflage, Seite 181. "Er will gezeigt haben, daß aus unbewiesenen Gründen nichts für wahr oder falsch gelten darf und Scheingründe nichts beweisen, daß alles bisherige Philosophieren nur auf Scheingründen beruth."
    16) bes. Epistula ad Voethium in der Ausgabe der "Meditationen", Amsterdam 1692, Seite 328f.
    17) Dissertatio de methodo in Descartes' "Specimina Philosophiae", Frankfurt am Main 1692, Seite 6f.
    18) Diss. de methodo, a. a. O., Seite 10. (siehe Heinze-Überweg, Grundriß der Geschichte der Philosophie, Bd. 3, Seite 90, Anm.)
    19) So findet sich die Anwendung der philosophischen Lehren auf das Fegefeuer Seite 70, auf die Eucharistie Seite 104 und 148f. Hierher gehört auch die Polemik gegen die hérétiques de ce temps [Ketzereien der Zeit - wp], die Anrufung der Heiligen, Reliquienverehrung etc. für Erfindung des Teufels halten Seite 252, dgl. 221f Erbsünde.
    20) vgl. auch Seite 45, "Hier sind die zehn Kategorien von Aristoteles, aus denen man so viele Geheimnisse macht, obwohl sie das Urteil selbst betreffen, welches ja das Ziel der wahren Logik ist. Aus zwei Gründen wird aber derselben eher geschadet, was zu bemerken wichtig ist."
    21) Augustinus wird zitiert, Seite 31, 46 und 68f (Die Schmerzen sind nicht im Körper, sondern in der Seele), Seite 91 (Definition), Seite 131 (Wesen der Seele), Seite 222 (Erbsünde), Seite 228, 295, 298 (niemand kann bezweifeln s'il est, s'il pense, s'il vit [daß er ist, daß er denkt, daß er lebt - wp]), Seite 299 (no est judicium veritatis in sensibus [Es gibt kein Urteil über die Wahrheit in den Sinnen - wp]), Seite 348f (Begründung und Glaube), Seite 351.
    22) siehe z. B. die einleitenden Kapitel von Bd. 3 in Otto Willmanns, Geschichte des Idealismus, 1897.
    23) Windelband, Geschichte der Philosophie, Freiburg 1892, Seite 309 neigt der Ansicht zu, daß Descartes Augustinus vor der Abfassung seiner Meditationen nicht gekannt hat; siehe besonders Anmerkung 1. Vgl. auch Johann Heinrich Löwe, Das spekulative System des René Descartes, seine Vorzüge und Mängel, in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie, philosophisch-historische Klasse, Bd. XIV, 1854, Seite 279 Anm. "So unglaublich es klingt, daß die philosophischen Lehren des Augustinus Descartes ganz fremd geblieben sein sollten, so muß es doch noch schwerer fallen, kein Vertrauen in seine ausdrücklichen Versicherungen zu setzen, und das Andenken dieses Mannes zu verunglimpfen, indem wir ihn einer so tadelnswürdigen Schwäche bezichtigen."
    24) Otto Willmann, Geschichte des Idealismus, Bd. 3, Seite 140: wo eine Abneigung gegen die mittelalterliche Schulform bestand und das Streben, eine christliche Spekulation von neuer Form zu suchen, bot sich Augustinus als die Grundlage dafür dar. Die Frische und Unmittelbarkeit seiner Darstellung gab das freudige Bewußtsein, daß man christlich philosophieren kann, ohne scholastische Quästionen und Respensionen.
    25) Petit Juleville, Histoire de la langue et de lo littérature francaise, IV Paris 1897, Seite 561
    26) Diese Einteilung zuerst bei Petrus Ramus (siehe Überweg-Heinze, Grundriß der Geschichte der Philosophie, Bd. 3, neunte Auflage, Seite 37.
    27) Bei der Eigenart der in unserer Logik vertretenen Philosophie hängen die Untersuchungen über Ursprung und Natur unserer Vorstellungen mit der Methodenlehre so eng zusammen, daß eine strenge Scheidung nur sehr schwer durchführbar ist. Sie ist hier im Anschluß an die Einteilung unserer Logik gegeben.
    28) "Vorstellung" bezeichnet in der vorliegenden Arbeit nur den rein geistigen Begriff ohne alle sinnliche Anschauung.
    29) Seite 314 wird die Sache vollständiger dargestellt, doch können wir diese Stelle hier nicht heranziehen, da es sich dort um die Auffindung der ersten Erkenntnis handelt, sondern nur der Inhalt von Descartes' "Meditationen" als Beispiel einer analytischen Methode angeführt wird.
    30) 1. Teil, 1. Kapitel, besonders Seite 36f.
    31) bes. Ep. II, IV, Seite 184: "me per nomen ideae sumere quidquid in cogitatione nostra versari potest, triaque illius genera distinxisse" [Ich nenne Idee, womit sich unser Denken beschäftigen kann, und habe drei Arten davon unterschieden - wp] (Responsiones, ad. se. obj. Seite 74f). "cogitationis formam illam, per cujus immediatam perceptionem ipsius ejusdem cogitationis conscius sum." [diese Form des Denkens, durch deren unmittelbare Wahrnehmung ich mir eben dieses Gedankens bewußt bin - wp]
    32) Für die astronomische Idee der Sonne trifft dies keineswegs zu.
    33) zu vergleichen hiermit besonders "Notae in programma quoddam" in der Ausgabe der Meditationen, Seite 158f ad XII und XIII. (vgl. Eduard Grimm, Zur Geschichte des Erkenntnisproblems, 1890, Seite 200f)
    34) Das Wesen der Seele liegt eben doch im Denken.
    35) vgl. Principia philosophiae I, Seite 14f
    36) "choses incompréhensibles dans leur maniére et certaines dans leur existence" [unbegreifliche Dinge in ihrer Art, Gewissheit und Existenz - wp] (Seite 303)
    37) Descartes, Princ. philos. I, Seite 66f: Die Sinnesqualitäten sind in uns, nicht in den Objekten.
    38) Theorie des Irrtums in Descartes' Meditationen IV, Seite 22f und Princ. philos. I, Seite 31f.