Frischeisen-KöhlerBecherVolkeltNelson | |||||
Der Wirklichkeitsgedanke [6/13]
IX. Die Wirklichkeit können wir als vierdimensionale Mannigfaltigkeit ansehen; jede Stelle in ihr ist durch vier Koordinaten - Abstände von drei aufeinander senkrecht stehenden Ebenen und von irgendeinem Zeitpunkt - eindeutig bestimmt. Wir sehen zunächst vom zeitlichen Verlauf ab und beschränken uns auf die räumlichen Beziehungen. Damit nehmen wir keine willkürliche Abstraktion vor, sondern bleiben auf dem Boden der psychischen Tatsachen. Vielfach nämlich, so meistens gegenüber den Wahrnehmungsinhalten, hat das Wirklichkeitsbewußtsein keinerlei Beziehung zu irgendwelchen Zeitvorstellungen, wir nehmen die Wirklichkeit als räumlich ausgedehnt hin, ohne an Wandlungen, die mir ihr vorgehen können, zu denken. Es ist das der W-Vorgang in seiner einfacheren Form, ohne Hinzutritt der Komplikationen, die der Wirklichkeit die vierte Dimension verleiht. Nachträgliche Reflexion kann die in diesem einfacheren Sinn als wirklich geltenden Objekte als dauern bezeichnen, ein Ausdruck, der freilich im allgemeinen noch eine weitere, später zu behandelnde Nuance enthält als die bloße Negierung jener Komplikationen. Welchen Inhalten legen wir nun in dem angegebenen einfachen Sinn objektive Wirklichkeit bei? Zunächst, wie wir gesehen haben, der Gesamtheit des sinnlich Gegebenen. Doch zeigt dieser Satz, wiewohl er die Grundlage des Wirklichlichkeitsgedankens enthält, auf einer höheren Stufe der Entwicklung bemerkenswerte Ausnahmen. Viele dieser Ausnahmen sind freilich nur scheinbar. Nehmen wir Objekte wie den Regenbogen, Spiegelbilder, fata morgana und dgl.; man könnte glauben, daß hier ein sinnlich Gegebenes und doch nicht für wirklich Gehaltenes vorliegt? Ich behaupte jedoch, daß dem nicht so ist. Also optische Bilder - und nur als solche wirken sie auf den Sinn - sind sie in der Tat ebenso wirklich wie ein farbiges Tuch oder eine bemalte Leinwand, die ich vor mir sehe. Die Nichtwirklichkeit fängt erst bei der möglicherweise gleichzeitig vorhandenen Tastvorstellung an, die aber nicht wahrgenommen, sondern nur reproduziert sind. Erst wenn ich den Regenbogen für eine Brücke halte oder hinter dem Spiegel ein Zimmer annehme wie das, in dem ich mich befinde, gelange ich zu Vorstellungen, denen die Wirklichkeit abgesprochen wird. Die Ursache, weswegen wir geneigt sind, hier an eine Täuschung über die Wirklichkeit zu glauben, liegt in der Auffassung, die wir später als irrtümlich erkennen werden, daß "Wirklichkeit" gleichbedeutend sei mit "möglicher Gegenstand von Tastempfindungen" und daß die optischen Bilder nur insofern für das Wirklichkeitsbewußtsein Bedeutung hätten, als sie Anzeichen für das Vorhandensein von betastbaren Gegenständen seien. Aber es gibt andere Ausnahmen von unserer Regel, die sich nicht gut wegdisputieren lassen und die unserer Theorie gefährlich erscheinen; als solche nennen wir das Doppelsehen, Lichtpunkte bei der Erschütterung des Sehnerven, Ohrenklingen, Halluzinationen bei nervösen, jedoch nicht mental erkrankten Personen (bei letzteren würde die allgemeine Regel wieder gelten, falls nämlich die Halluzinationen für objektiv wirklich gehalten werden) und dgl. Wie lassen sich nun diese Fälle, in denen die Beziehungen oder vielmehr das Fehlen von Beziehungen zwischen dem fraglichen Inhalt und der überwiegenden Mehrheit des sinnlich Gegebenen die Wirklichkeitsgeltung entscheidend beeinflußt entscheidend beeinflußt, mit unserer Theorie von der unmittelbaren Wirklichkeitsgeltung des Wahrgenommenen vereinen? Sind sie nicht ein deutlicher Beweis, daß die absolute Theorie, wie wir sie vorgetragen haben, unhaltbar ist? Natürlich dürfen wir uns nicht über die Schwierigkeit hinwegsetzen, indem wir einfach die genannten Fälle für Ausnahmen erklären, die bei normalem Funktioneren des Nervenapparates nicht eintreten können; denn eben das ist ja die Frage, wie diese Ausnahmen überhaupt möglich sind, bzw wie wir ihnen durch Modifizierung der Theorie Rechnung tragen können. Dagegen können wir auf anderem Wege die Spannung zwischen Theorie und Tatsachen in einfacher Weise beseitigen, indem wir nämlich auf die Entwicklung des Wirklichkeitsgedankens hinweisen. Unsere Behauptung, daß das Wahrnehmen bereits das Fürwirklichhalten sei, gilt unbedingt nur für den Wirklichkeitsgedanken in den Anfängen der Entwicklung. Nachdem wir jedoch gelernt haben, die reproduzierten Inhalte auf ihren Wirklichkeitswert hin zu prüfen, was, wie wir gesehen haben, nur möglich ist aufgrund der unmittelbaren Wirklichkeitsgeltung des Wahrgenommenen, gewöhnen wir uns unvermerkt daran, diejenigen Assoziationsprozesse, die dem Reproduzierten Wirklichkeitsgeltung verliehen, auch auf das Wahrgenommene anzwenden. Die unmittelbare Wirklichkeitsgeltung des Wahrgenommenen ist und bleibt Voraussetzung für jeden W-Vorgang, aber nachdem sich aufgrund dieser Voraussetzung eine neue Art von W-Vorgängen entwickelt hat, die sich zunächst auf reproduzierte Inhalte beziehen, werden dieselben schließlich, wenn sie hinreichend eingeübt sind, auch auf Wahrgenommenes selbst bezogen. Der Wirklichkeitsgedanke diesen letzteren Inhalten gegenüber erfährt so, indem zum ursprünglich absoluten Vorgang ein relativer hinzutritt, eine Bereicherung, aber auch eine Zweideutigkeit, deren wir uns freilich im allgemeinen nicht bewußt werden, da sie fast immer ohne praktische Bedeutung ist. Nur ganz ausnahmsweise tritt ein Konflikt ein, nämlich dann, wenn wir Inhalte wahrnehmen, die wir nicht so, wie wir es seitens des Wirklichen gewohnt sind, zu assoziieren vermögen, da wir durch frühere Wahrnehmungen in keiner Weise darauf vorbereitet sind. Wie später genauer auszuführen sein wird, finden wir die Wahrnehmungsinhalte fast durchweg in Übereinstimmung mit gewissen Typen, die zwar sehr allgemein und dehnbar sind, aber doch keineswegs alles überhaupt Denkbare umfassen. Wo nun das Wahrgenommene ganz außerhalb dieser Typen steht, gerät der W-Vorgang ins Stocken und wir sehen uns vor die Entscheidung gestellt, ob wir mehr Gewicht auf das Vorhandensein der Wirklichkeitsfarbe oder auf das Nichtvorhandensein des Assoziationsvorganges legen wollen; in welchem Sinn diese Entscheidung ausfähllt, hängt im wesentlichen von der geistigen Kultur ab. Je weiter diese vorgeschritten ist, umso mehr sind wir geneigt, auf das Vorhandensein bzw. Fehlen der Beziehungen das Hauptgewicht zu legen und umgekehrt: ein Neger z. B. der dieselben sinnlichen Erlebnisse hat, wie die bekannten von NIWLAI beschriebenen, würde die wahrgenommenen Gestalten wahrscheinlich für objektiv wirklich, etwa für böse Geister halten, während der Mann der Aufklärung keine Bedenken trägt, sie als rein subjektive Erzeugnisse anzusehen. Wie sich die Entwicklung des Wirklichkeitsbewußtseins beim Kind gestaltet, ist kaum mit Sicherheit festzustellen; ich denke sie mir folgendermaßen:
2. Stufe. Es treten Reproduktionen hinzu und zwar zunächst von den begehrten Dingen, z. B. der Flasche beim Hunger. Diese Inhalte gelten im Gegensatz zum Wahrgenommenen als nicht daseiend. 3. Stufe. Unter den Reproduktionen wird das Wirkliche vom Nichtwirklichen unterschieden. 4. Stufe. Auch das Wahrgenommene wird auf seinen Wirklichkeitswert hin geprüft. Weit unvollkommener in den genannten Beziehungen ist der Drucksinn. Die Zahl der unterscheidbaren Qualitäten ist bei ihm verhältnismäßig gering, schon deshalb, weil seine Inhalte meist mit Gefühlen verbunden sind, die die Aufmerksamkeit auf sich lenken; gering ist aber auch die Anzahl der tatsächlich gleichzeitig gegebenen Inhalte; sie beschränken sich meist auf Drucke an den Fußsohlen, im Rücken, wenn man sich anlehnt, in den Ellenbogen, wenn man sich auflehnt, ferner auf höchst unbestimmte Berührungsempfindungen, die durch die Kleidung veranlaßt werden. Lokalzeichen sind auch bei ihm vorhanden, aber sie sind in doppelter Hinsicht weit weniger geeignet, Assoziationen zu unterstützen als die Lokalzeichen des Gesichtssinnes. Erstens sind sie weniger fein, was in der Tatsache zum Ausdruck kommt, daß benachbarte Eindrücke, die optisch sehr bequem getrennt werden, durch den Tastsinn nicht auseinandergehalten werden können, zweitens erfährt hier die Assoziationstätigkeit eine starke Hemmung durch die Lückenhaftigkeit des Druckfeldes, soweit wir es von deutlichen Empfindungen ausgefüllt finden. Eine Assoziation von zwei räumlich getrennten Druckempfindungen ist, wenn sie ausschließlich durch andere Druckempfindungen vermittelt werden soll, nur dann möglich, wenn derjenige Teil meines Körpers, der zwischen den beiden zu verbindenden Druckstellen liegt, in seiner ganzen Ausdehnung gleichfalls vom Objekt gedrückt wird. Ist das nicht der Fall, so bleiben die Drucke zunächst isoliert; um sie zu verbinden, muß man entweder Gesichtsbilder zu Hilfe nehmen oder Druck- oder Tastempfindungen (das sind Komplexe von Druck-, Muskel-, Sehnen-, Gelenk- und ähnlichen Empfindungen) reproduzieren, was natürlich wegen der Unbestimmtheit dieser Reproduktionen ein sehr mangelhaftes Auskunftsmittel ist. Aber in einer anderen Hinsicht hat doch auch dieser Sinn etwas für sich voraus, insofern nämlich, als seine Wahrnehmungen, wie öfters hervorgehoben, sich in besonders hohem Maße Wirklichkeitsgeltung erzwingen. Mir ist es begegnet, daß Laien, denen ich den Kartesianischen Zweifel an der Wirklichkeit der Objekte klar zu machen suchte, erwiderten: "aber ich fühle doch alle diese Dinge, wenn ich sie anfasse." Der Ausdruck "greifbare Wirklichkeit" ist aus derselben Auffassung hervorgegangen. Desgleichen spiegelt sie sich in der Entwicklung der Wissenschaft wieder. Die alte Atomistik sieht Härte oder Undurchdringlichkeit als innerstes Wesen des Objektiven an, die Naturphilosophen des siebzehnten Jahrhunderts stehen im wesentlichen auf demselben Standpunkt und erklären außerdem das optisch Wahrnehmbare ausdrücklich als sinnliche oder sekundäre Qualität, d. h. als etwas, das objektiv nicht vorhanden ist. Dieselbe Auffassung teilen mehr oder weniger bewußt die meisten Physiker der Gegenwart, wofern sie nicht durch allgemeinere Spekulationen an ihr irre geworden sind. Wir brauchen hier natürlich nicht die Schlüsse, die zur Entwicklung der wissenschaftlichen Überzeugung geführt haben, zu erörtern, dagegen fragen wir uns, worauf denn die, von jeder Wissenschaft unabhängige, besonders intime Natur des Wirklichkeitsbewußtseins, das sich an Druck- und Tastempfindungen knüpft, beruth. Hier kann man zunächst an den Standpunkt DILTHEYs (1) erinnern, nach welchem hauptsächlich den Tastempfindungen der Charakter des Zwingenden zukommt. Ich will z. B. meine Hand vorwärts strecken und stoße dabei an ein Hindernis. Ich setze meine Bemühungen fort, verdopple sie vielleicht sogar; das Gefühl der Anstrengung bleibt, aber statt der erwarteten Muskel- und Gelenkempfindungen, die ich mit der Vorwärtsbewegung verknüpft weiß, tritt eine Verstärkung der durch Berührung mit dem hemmenden Körper erzeugten Druckempfindungen ein. Diese Verstärkung schreibe ich nun einer fremden Gewalt zu, die meinen eigenen Willen daran hindert, sein Ziel zu erreichen, die meiner Person als ein außer ihr liegendes Etwas gegenübertritt. (2) Wenn sich auch gegen diese Theorie im ganzen vieles einwenden läßt, so ist doch zuzugeben, daß sie Erfahrungen wiedergibt, die auf keinem anderen Wahrnehmungsgebiet als dem des Druck- und Tastsinns gemacht werden und die daher sehr wohl dazu beitragen können, den von diesen Sinnen gelieferten Inhalten eine besonders hohe Wirklichkeitsgeltung zu verleihen. Außerdem dürfte die im wahrsten Sinne des Wortes alltägliche Erfahrung von Einfluß sein, daß mit dem Hereinbrechen der Dunkelheit die Farben und schließlich auch die Umrisse der sichtbaren Gegenstände verschwinden, ohne daß wir ihre Weiterexistenz an einer anderen Stelle des Raumes wahrzunehmen vermöchten, während die Tastwahrnehmungen sich jederzeit realisieren lassen. Dadurch müssen die letzteren im Gegensatz zu den flüchtigen optischen Phänomenen den Charakter einer besonderen Zuverlässigkeit erhalten. Ferner kann man daran erinnern, daß der Mensch weit mehr Täuschungen seitens des Gesichts, als seitens des Druck- und Tastsinns ausgesetzt ist. Visionen z. B. sind meistens "Gesichte", allenfalls "Stimmen", höchst selten Berührungsphänomene. Man vergleiche die charakteristische Stelle im Johannes-Evangelium, Kapitel 20, 25. Eine weitere Bemerkung zur vorliegenden Frage wird später gemacht werden. Allgemein läßt sich sagen, daß das Wirklichkeitsbewußtsein beim Tastsinn mehr auf der Beschaffenheit der Einzelempfindungen, beim Gesichtssinn mehr auf den assoziativen Beziehungen beruth. Derjenige Sinn, dessen Wahrnehmungen nächst den genannten am meisten mit dem Charakter des objektiv Wirklichen ausgestattet sind, ist das Gehör. Daß wir auch seine Vorstellunge dem Wirklichkeitszusammenhang an bestimmten Stellen einzuordnen vermögen, beruth auf zwei Tatsachen. Erstens hat auch dieser Sinn seine Lokalzeichen, die wenigstens bei sehr nahen Tonquellen fast nie täuschen, zweitens finden wir bisweilen Klänge und auch Geräusche mit der sicht- und tastbaren Wirklichkeit in fester Verbindung. Wir sehen das Vibrieren der klingenden Glocke, dem Blitz des gelösten Schusses, die schüttelnde Bewegung des über das Steinpflaster rollenden Lastwagens u. ä. Aber immerhin sind die Lokalzeichen doch ziemlich unsicher und Erfahrungen über die Zusammenhänge der genannten Art sind nicht so häufig wie über die Zusammenhänge zwischen den Wahrnehmungen anderer Sinne. So tragen die akustischen Wahrnehmungen zwar noch deutlich den Charakter des objektiv Wirklichen, aber wir bemerken doch schon ein leichtes Verblassen desselben, eine leise Annäherung an das nur subjektiv Wirkliche. Bei der Musik z. B. vergessen wir bisweilen fast ganz, daß wir es mit Wahrnehmungsobjekten zu tun haben, aber auch sonst scheinenuns die Töne dem Geistigen näher verwandt als die schärfer umrissenen Wahrnehmungsobjekte des Tast- und Gesichtssinns, sie sind demgemäß am ehesten geeignet, innere Vorgänge zum objektiven Ausdruck zu bringen. "Töne sind die Brücke von Seele zu Seele," sagte NIETZSCHE im Zarathustra, damit in feiner Weise die innige Beziehung der Töne zum inneren Leben zum Ausdruck bringend. Was endlich die beiden niedersten Sinne anbetrifft, so ist bei ihnen der Charakter des objektiv Wirklichen noch mehr verblaßt. Zwar bezeichnen wir noch den Zucker als süß, die Rose als duftend, aber beides doch mit einem gewissen Bedenken. Nach einigem Zureden pflegt sich auch der Laie nicht der "Erkenntnis" zu verschließen, daß jene Eigenschaften gar nicht in den Objekten, sondern eigentlich in seiner Seele enthalten seien. Charakteristisch ist es ferner, daß die Verben "riechen" und "schmecken" sowohl transitiv als auch intransitiv gebraucht werden, man zweifelt also, ob man es mit einer Tätigkeit des Subjekts oder einer Eigenschaft des Objekts zu tun hat. Der wahre Grund für die Unsicherheit der Auffassung liegt zunächst in der großen Unsicherheit der Lokalzeichen. Der Geruch erfüllt die Luft so gleichmäßig, daß man schon aus diesem Grund nicht imstande ist, seinen objektiven Ursprung anzugeben, höchstens kann die Abhängigkeit seiner Stärke von Lagenänderungen des Körpers in manchen Fällen einen ungefähren Anhalt geben; der Geschmack der an ein eng begrenztes, ziemlich gleichförmiges Organ gebunden ist, enthält noch weniger Zeichen, die die einzelnen Empfindungsinhalte räumlich voneinander unterschieden. Zweitens ist der Geruch mit keinerlei direkt wahrnehmbaren objektiven Vorgängen verknüpft, der Geschmack lediglich mit dem abwechslungslosen und daher an sich höchst uninteressanten Vorgang des Hinabgleitens der Speise über die Zunge. Diese beiden Momente machen die Assoziation der fraglichen Empfindungen mit der sonst anerkannten Wirklichkeit völlig unsicher und bewirken somit den Ausfall der einen Seite des W-Vorgangs. Daß wir trotzdem diesen Empfindungen objektive Geltung beilegen, daß wir sie keineswegs mit den Gefühlen auf gleiche Stufe stellen, die wir für bloße Erlebnisse halten, ist ein neuer Beweis dafür, daß das Wahrnehmen für sich allein bereits ein Fürwirklichhalten sei. Schon bei der Charakterisierung der einzelnen Sinnesgebiete mußten wir gelegentlich auf ihr Zusammenwirken hinweisen, wir wollen über dasselbe noch einige weitere Bemerkungen machen. Am wichtigsten ist das Zusammenwirken von Gesichts- und Tastempfindungen. Daß Empfindungen beider Art in fester Verbindung miteinander stehen, ist die erste große Erkenntnis, die das Kind gewinnt. Indem die einzelne Empfindung nicht nur mit Empfindungen desselben, sondern auch des anderen Sinnes in assoziative Beziehung tritt, gewinnt das Wirklichkeitsbewußtsein die größte Bestimmtheit und Lebendigkeit, deren es fähig ist.
1) WILHELM DILTHEY, Sitzungsberichte der Berliner Akademie, 1890 2) Eine der DILTHEYschen ähnliche Auseinandersetzung findet sich auch bei JERUSALEM: Die Urteilsfunktion, Seite 219 und 220 |