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WILHELM WUNDT
L o g i k
[11/12]
    Einleitung
Von der Entwicklung des Denkens
Die logischen Verbindungen der Vorstellungen
Die Entwicklung des Gedankenverlaufs
Die Entwicklung der logischen Normen
Von den Begriffen
Die Arten der Begriffe
Die Verhältnisse der Begriffe
Die Beziehungsformen der Begriffe
Von den Urteilen
Die Formen der Urteile
Die Relationsform des Urteils

"Das logische Verhältnis von glücklich und unglücklich ist durchaus kein anderes, als das von gut und böse."

D r i t t e r  A b s c h n i t t
V o n   d e n   U r t e i l e n

Zweites Kapitel
Die Formen der Urteile

Indem die scholastische Logik alles Urteilen unter dem Gesichtspunkt der Subsumtion der Begriffe bringt, ergeben sich aus diesem ohne weiteres die beiden Prinzipien, deren sie sich bei der Klassifikation der Urteile bedient. Zuerst frägt es sich, ob eine Subsumtion überhaupt ausgeführt werden soll oder nicht: so entsteht das bejahende und verneinende Urteil; dann handelt es sich darum, ob die Subsumtion eine vollständige sei oder bloß eine teilweise: im ersten Fall ist das Urteil allgemein, im zweiten partikular. Neben der so gewonnenen Haupteinteilung in allgemein bejahende und partikular bejahende, allgemein verneinende und partikular verneinende Formen geht sodann noch der aus der aristotelischen Urteilslehre herübergenommene Gesichtspunkt der Möglichkeit, Zufälligkeit, Notwendigkeit und ihrer Gegensätze einher, wozu endlich als dritter Bestandteil die seit der ersten Verbindung logischer und grammatischer Studien allgemein angenommene Unterscheidung der hypothetischen und disjunktiven von den einfachen kategorischen Urteilen hinzukommt. Diese  disjecta membra  [aus ihrer ursprünglichen Ordnung gerissen - wp] sind von KANT vereinigt worden in seiner Tafel der Urteilsformen, deren architektonisches Äußere uns nicht verleiten darf zu glauben, daß sie nach einem systematischen Prinzip abgeleitet sei. (1) Geht man, wie es noch bei KANT geschieht, vom Gesichtspunkt der Subsumtion aus, so liegt allerdings ein fundamentaler Unterschied darin, ob diese Subsumtion eine vollständige oder nur eine teilweise ist. Aber eine dritte Stufe im Grad der Subsumtion gibt es nicht; wenn daher KANT unter der Kategorie der Quantität den allgemeinen und besonderen noch Einzelurteile anreiht, so entspricht dieses dritte Glied der Hereinmengung eines fremden Gesichtspunktes, nämlich der bloßen Erwägung der Ausdehung des Subjektbegriffes, ganz unabhängig davon, welches seine Relation zum Prädikat sei. (2) Mit Rücksicht auf die Subsumtion gibt es bloß allgemeine und partikulare Urteile; die Einzelurteile sind in dieser Beziehung den allgemeinen gleichwertig. Die unter der Kategorie der  Qualität  eingeführte Unterscheidung bejahender und verneinender Urteile bildet vom Standpunkt der Subsumtion aus insofern die Ergänzung zu den quantitativen Unterscheidungen, als beim verneinenden Urteil die Subsumtioni als eine überhaupt nicht vollziehbare hingestellt wird. Die Aufstellung der unendlichen Urteile dagegen beruht auf einer unhaltbaren Unterscheidung. Das Urteil  A  ist  non-B  (z. B. die menschliche Seele ist nicht-sterblich) unterscheidet sich nach KANT von dem anderen  A  ist nicht  B  (die menschliche Seele ist nicht sterblich) dadurch, daß im letzteren Fall  B  in Bezug auf  A  schlechthin nur verneint, im ersteren dagegen irgendwohin in die unendliche Sphäre außerhalb  A  verlegt werde. Nun ist aber gerade das letztere die Definitioin der Verneinung und damit verschwindet also die ganze Unterscheidung. (3)

Völlig neue Gesichtspunkte bringt die Kategorie der  Relation  herbei. Der einfachen Subsumtion, welche KANT im kategorischen Urteil voraussetzt, treten hier gegenüber das Verhältnis von Grund und Folge im hypothetischen, von Teil und Ganzem im disjunktiven Urteil. Von der Unterscheidung dieser freilich wichtigen, aber aus keinem bestimmten Einteilungsprinzip abgeleiteten Urteilsformen springt dann das Verzeichnis plötzlich auf die Modalität über, indem es problematische, assertorische [als gültig behauptete - wp] und apodiktische [logisch zwingende, demonstrierbare - wp]Urteile unterscheidet, als diejenigen Formen, welche die verschiedenen Grade der Sicherheit des Urteils bezeichnen sollen. (4)

Wenn diese Einteilung unverkennbar den Charakter einer gewissen Zufälligkeit an sich trägt, so dürfte das vor allem daraus entspringen, daß sie nicht vom Wesen des Urteils selber ausgeht, sondern verschiedene Gesichtspunkte an die Prüfung desselben von außen heranbringt. Nun besteht das Urteil in der Gliederung eines Gedankens in seine beiden Hauptbestandteile, Subjekt und Prädikat.  Drei  Momente können daher bestimmend sein für die Verschiedenheit der Urteilsform:
    1) die wechselnde Beschaffenheit des Subjektbegriffs,

    2) die wechselnde Beschaffenheit des Prädikatbegriffs und

    3) das wechselnde Verhältnis (die Relation), welches zwischen diesen beiden Begriffen stattfindet.
Von vornherein werden wir vermuten dürfen, daß diejenigen Unterschiede des Urteils, welche aus dem wechselnden Verhältnis zwischen Subjekt und Prädikat hervorgehen, die wichtigsten sind. Immerhin bezeichnen aber auch die verschiedenen Eigenschaften des Subjekt- und Prädikatbegriffs charakteristische Unterschiede der Urteilsfunktion. Wir gewinnen so  drei Klassen von Urteilsformen.  Es gegebenes Urteil kann jeder dieser drei Klassen zugehören, da im allgemeinen ein jedes Urteil in Bezug auf die Beschaffenheit seines Subjektes, seines Prädikates und in Bezug auf das Verhältnis beider zueinander untersucht werden kann. Wir werden daher die Subjektsform, die Prädikatsform und die Relationsform eines gegebenen Urteils unterscheiden können. Dabei kommt aber in Betracht, daß aus früher angegebenen Gründen das Verhältnis zwischen Subjekt und Prädikat sich nur dann bestimmen läßt, wenn beide der nämlichen Kategorie angehören, daher, wo das nicht der Fall ist, die Feststellung der Relationsform eines Urteils stets die Überführung des Prädikatbegriffs in einen Gegenstandsbegriff, beziehungsweise die Hinzufügung eines solchen zum adjektivischen Prädikat voraussetzt. Selbst wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, entspricht jedoch nicht immer einer bestimmten Subjekts- und Prädikatsform ein bestimmtes Verhältnis zwischen diesen beiden Hauptbestandteilen, sondern es kann der Ausdruck des Urteils die nähere Beschaffenheit der Relationsform unbestimmt lassen. Es muß daher zwar jedes Urteil eine der unten aufzuzählenden Subjekts- und Prädikatsformen besitzen, die Relationsform dagegen kann entweder unbestimmt bleiben oder, wegen der kategorialen Verschiedenheit der Begriffe, ganz fehlen. Daher werden wir im letzteren Fall von Subjekts- und Prädikatsformen im engeren Sinn reden können, während überall da, wo diese beiden Hauptbegriffe in eine der früher bestimmten allgemeinen Begriffsrelationen zu bringen sind, die Relationsform die vorwiegende Bedeutung gewinnt. Hier hat dann die verschiedene Form des Subjekts und Prädikats meistens nur die Aufgabe, eine bestimmte Relation zum Ausdruck zu bringen. So hat z. B. in dem Urteil "alle  S  sind  P"  das Mehrheitsattribut "alle" lediglich die Bedeutung einer Unterordnung aller einzelnen  S  unter  P.  Würde diese bestimmte Relationsform verschwinden, so würde jenes Urteil die unbestimmte Form "viele  S  sind  P"  annehmen müssen. Demgemäß werden wir in beiden ersten Klassen vorzugsweise die  reinen  Subjekts- und Prädikatformen berücksichtigen.


1. Die Subjektsformen des Urteils

Da das Subjekt des Urteils stets ein Gegenstandsbegriff ist, mag nun derselbe ursprünglich gegeben oder erst durch kategoriale Umwandlung entstanden sein, so bleiben die einzigen Gesichtspunkte, nach denen verschiedene Subjektsformen unterschieden werden können, diese: ob das Subjekt ein  bestimmter  Gegenstandsbegriff ist oder nicht und ob es ein  einziger  Begriff oder aus einer  Mehrheit  von Begriffen zusammengesetzt ist. Demnach unterscheiden wir
    1) das  unbestimmte  Urteil, in welchem der Subjektbegriff unbestimmt gelassen wird,

    2) das  Einzelurteil,  in welchem das Subjekt aus einem einzelnen Begriff besteht, und

    3) das  Mehrheitsurteil,  in welchem das Subjekt aus mehreren Begriffen zusammengesetzt ist.

a) Das unbestimmte Urteil

Das Subjekt des unbestimmten Urteils pflegt grammatisch durch das Neutrum des Pronomens der dritten Person,  es, il, it  und dgl. oder in Sprachen mit lebendig erhaltener Flexion, wie im Griechischen und Lateinische, durch das Flexionssuffix der dritten Person des Singulars angedeutet zu werden. Man hat derartige Urteile, wie "es blitzt", "es regnet", "es wurde geschossen", als  subjektlose  Urteile bezeichnet. Diese Name ist aber offenbar unrichtig; denn es fehlt jenen Urteilen keineswegs das Subjekt, sondern dieses ist nur unbestimmt gelassen. Gerade zum Ausdruck eines unbestimmten Subjekts ist aber das neutrale Demonstrativpronomen oder das ihm äquivalente Flexionssuffix der geeignete Ausdruck: es kann auf jeden möglichen Gegenstand, also auch auf einen solchen hinweisen, den wir nicht kennen und darum unbestimmt lassen müssen. Die Unkenntnis des Subjekts, dem ein Prädikat beigelegt wird, ist denn auch im allgemeinen der Grund der unbestimmten Urteile. Jede Modifikation im Ausdruck des unbestimmten "es", welche auf eine noch so ungefähre Kenntnis des Subjekts hinweist, hebt auch das unbestimmte Urteil auf: so, wenn an die Stelle des Neutrum ein Maskulinum oder Femininum oder wenn an die Stelle des Singular der Plural tritt. In solchen Fällen vertritt regelmäßig das Demonstrativpronomen ein bestimmtes Subjekt, welches entweder in vorausgegangenen Urteilen bezeichnet oder vom Urteilenden hinzugedacht wird.

Wir lassen vorzugsweise das Subjekt dann unbestimmt, wenn das zugehörige Prädikat ein Verbalbegriff ist, der ein vorübergehende oder wechselnde Erscheinung bezeichnet. Das ist begreiflich genug: der wechselnde Vorgang zieht die Aufmerksamkeit auf sich, während sich doch das handelnde Subjekt der Beobachtung gänzlich entziehen kann. Ein dauernde Eigenschaft werden wir dagegen kaum denken, ohne sie an einen bestimmten Gegenstand zu binden und ein Gegenstandsbegriff wird als Prädikat ebenfalls nur einem Subjekt beigelegt werden, das zuvor schon als Gegenstand gedacht ist. Nicht alle unpersönlichen Sätze sind daher unbestimmte Urteile, sondern häufig versteckt sich hinter dem scheinbar unbestimmten Demonstrativpronomen eine bestimmte Vorstellung. Nicht in demselben Sinne, in welchem wir urteilen "es blitzt", "es regnet", "es wurde geschossen", sagen wir: "es ist rot", "es ist Johann" oder "es war eine gute Handlung". Das "es" steht hier nicht mehr in völlig unbestimmter Bedeutung, sondern es weist auf eine bestimmte Vorstellung hin, welche aber im Prädikat erst näher bezeichnet werden soll. Dieses fühlt auch die Sprache, die es in solchen Fällen angemessener findet, and die Stelle des unbestimmten "es" das bestimmter hinweisende Demonstrativpronomen "dies" zu setzen, welches, eben wegen seiner bestimmteren Bedeutung, für die wirklich unbestimmten Urteile seltener Anwendung findet. Es wird hier höchstens dann gebraucht, wenn auf die Beschaffenheit der Prädikatvorstellung sehr energisch hingewiesen werden soll.

Indem man die Tatsache, daß das unbestimmte Urteil im Prädikat einen Verbalbegriff fordert, mit der aus der Entwicklungsgeschichte der Sprache erschlossenen Voraussetzung zusammennahm, daß die ursprünglichen Begriffe überhaupt Verbalbegriffe gewesen seien, die dann erst allmählich zur Bezeichung von Gegenständen und Eigenschaften verwendet wurden, lag es nahe im unbestimmten Urteil gewissermaßen die embryonale Form alles Urteilens zu sehen. (5) Doch, selbst wenn wir die Richtigkeit jener Vordersätze zugeben, so folgt aus ihnen nicht das Behauptete. Man übersieht, daß es zahlreiche Urteile gibt, deren Subjekte nicht bestimmt bezeichnet sind, ohne deshalb im logischen Sinn unbestimmt zu sein. Hierher gehören nicht nur alle jene unpersönlichen Sätze, in denen gleichwohl das Demonstrativpronomen auf eine bestimmte Vorstellung hinweist, sondern vor allem alle jene Urteile, in die persönliche und hinweisende Pronomina von nicht neutraler Natur als Subjekte eingehen. Das  ich  und  du,  das  er  und  sie,  sowie die Pluralformen dieser Pronomina, gehören zu den bestimmtesten Subjekten unseres Denkens. Höchstens kann man also vermuten, daß in unseren ursprünglichen Urteilen die Prädikate verbaler, die Subjekte pronominaler Natur gewesen seien. In der Tat wird nun diese letztere Annahme durch die Analyse der Sprache wahrscheinlich gemacht, da nach ihr alle inhaltreicheren Sprachwurzeln eine ursprünglich verbale Bedeutung besitzen, während neben ihnen nur die Pronominalwurzeln vom gleichen Alter zu sein scheinen. (6)


b) Das Einzelurteil

Alle diejenigen Urteile, in denen das Subjekt ein bestimmter einzelner Begriff ist, bezeichnen wir als Einzelurteile. Vermöge der Entwicklung der Urteilsfunktion sind aber hier zwei Fälle möglich. Das Subjekt kann  erstens  ein  primärer  Gegenstandsbegriff sein: dann entsteht das  konkrete Einzelurteil,  welches zu seinem Subjekt einen  einzelnen Gegenstand  der äußeren oder inneren Erfahrung hat. Urteile wie "ich gehe spazieren", "dieser Tisch ist rund", "Karl der Große starb im Jahr 814" sind demnach zu den konkreten Einzelurteilen zu rechnen. Das Subjekt kann aber auch  zweitens  ein  sekundärer  Gegenstandsbegriff sein, der erst aus der kategorialen Umwandlung einer anderen Begriffsform hervorgegangen ist und weiterhin eine Bedeutungsentwicklung erfahren haben kann, die ihn mehr oder weniger weit von der konkreten Vorstellung entfernt: so entsteht das  abstrakte Einzelurteil,  dessen Subjekt ein einzelner mehr oder weniger abstrakter Gegenstandsbegriff ist. Hierher gehören Urteile wie "der Kampf beginnt", "die Gabe ehrt den Geber", "die Tugend macht glücklich", "die Kausalität ist das allgemeinste Naturgesetz" und dgl. Meistens rechnet man nur die erste dieser Formen, wo also das Subjekt in einer einzelnen Vorstellung verkörpert gedacht werden kann, zu den Einzelurteile. Aber logisch ist zwischen der ersten und zweiten Form kein Unterschied. Auch bei dieser ist das Subjekt ein  einzelner  Gegenstand des Denkens. Genetisch obwaltet allerdings der bedeutende Unterschied, daß ein ursprüngliches Denken nur konkrete Einzelurteile kennt, da die abstrakten selbstverständlich erst mit der an die kategorialen Umwandlungen sich anschließenden Entwicklung der abstrakten Begriffe möglich werden.


c) Das Mehrheitsurteil

Die Mehrheitsurteile unterscheiden sich von den Einzelurteilen dadurch, daß sie zum Subjekt entweder eine Mehrheit einzelner Begriffe oder den Begriff einer Mehrheit einzelner Gegenstände des Denkens haben. Aus dieser Definition geht schon hervor, daß auch hier wieder zwei Fälle zu unterscheiden sind, nämlich erstens Urteile mit  mehreren Subjekten  und zweitens Urteile mit  einem Mehrheitssubjekt.  (7) Im  ersten  Fall sind die Begriffe, welche das Subjekt bilden, voneinander verschieden und können daher auch nicht unter einen gemeinsamen Ausdruck gebracht werden. Diese Urteile haben daher die allgemeine Form:  S1  und  S2  und  S3  usw. sind  P,  z. B.: "die Moose, Flechten und Algen gehören zu den blattlosen Kryptogamen", "Präpositionen, Konjunktionen und Adverbien erfahren keine Flexion" und dgl. Solche Urteile mit mehreren Subjekten bezeichnen entweder eine zum Zweck der Abkürzung des Denkens für mehrere verwandte Begriffe gleichzeitig vollzogene Verbindung mit einem für sie alle gültigen Prädikat oder sie bilden die Vorbereitung zu einer induktiven Generalisationi. So benützt man das Urteil, daß gewisse Wörter keine Flexion erfahren, um eine grammatische Kategorie, die der Partikeln, aus ihnen zu bilden. Die Gliederung des Subjektbegriffs ist in allen diesen Fällen keine logische, sondern durch assoziative Verbindung mehrerer Begriffe entstanden. Die Zahl der Glieder ist daher auch eine völlig unbestimmte. Der Charakter dieser Verbindung schließt aber nicht aus, daß nicht logische Motive bei ihr mitgewirkt haben können. Solche pflegen in der Tat gerade bei den induktiven Generalisationen regelmäßig der Assoziation vorauszugehen. Die logische Zerlegung der einzelnen Begriffe liefert die Merkmale, nach denen dieselben sodann durch Assoziation verknüpft werden.

Die  zweite  Form der Mehrheitsurteil, das Urteil mit einem  pluralen  Subjekt, entsteht aus der ersten, wenn die mehreren Subjekte  S1, S2, S3  usw. als identisch erkannt werden. Das mehrfache  S  wird dann als solches entweder durch einen bestimmten Zahlenausdruck oder durch ein unbestimmtes Mehrheitsattribut, einige, mehrere, viele, vom einfachen Subjekt  S  unterschieden. So lange es sich um  reine Subjektsformen  des Urteils handelt, dürfen aber die unbestimmten Mehrheitsattribut nicht in dem Sinne verstanden werden, als ob in ihnen irgendetwas über das  Verhältnis  zwischen Subjekt und Prädikat ausgesagt sei. Der sprachliche Ausdruck läßt dies zweifelhaft. Das Urteil "einige  S  sind  P"  kann bedeuten, daß  mindestens  einigen  S  das Prädikat  P  zukomme und es dahingestellt bleibe, ob das nämlich noch mit anderen, ja vielleicht mit allen  S  der Fall sei; in diesem Sinne handelt es sich um eine bloße Subjektsform des Urteils. Der Ausdruck kann aber auch meinen, daß  nur  einigen  S  das Prädikat  P  zukomme und es dahingestellt bleibe, ob das nämliche noch mit anderen, ja vielleicht mit allen  S  der Fall sei; in diesem Sinne handelt es sich um eine bloße Subjektsform des Urteils. Der Ausdruck kann aber auch meinen, daß  nur  einigen  S  das Prädikat  P,  anderen  S  aber dasselbe nicht zukomme: dann bezeichnet er zugleich eine Relationsform und zwar speziell das Verhältnis der Interferenz oder Kreuzung des Subjekt- und Prädikatbegriffs. In der Tat schwankt nun auch die Auffassung der Logiker zwischen diesen beiden Deutungen, wenn auch die Mehrzahl, gemäß dem Streben alles Urteilens als ein vollständiges oder unvollständiges Subsumieren anzusehen, das Urteil "einige S sind P" als Relationsform anzusehen pflegt. Wir werden aber notwendig beide Bedeutungen voneinander scheiden müssen, da jede ihre Berechtigung hat und eine bestimmte logische Funktioni erfüllt. Es sei also die reine Subjektsform oder das Urteil mit einem pluralen Subjekt ausgedrückt durch: "mindestens einige S sind P", die Relationsform aber oder das Kreuzungsurteil, auf das wir unten zurückkommen werden, durch:  "nur  einige  S  sind  P". 

Das Urteil mit einem pluralen Subjekt oder das  plurale Urteil  hat nun, ähnlich wie meistens das Urteil mit mehreren Subjekten, die Funktion eine induktive Generalisation vorzubereiten. Sobald wir finden, daß einem Gegenstand  S  in mehreren Fällen ein Prädikat  P  zukommt, entsteht die Frage, ob ihm dieses Prädikat nicht in allen Fällen zukomme, oder welche Umstände vorhanden sein müssen, um ihm dasselbe zu sichern. Unser Denken strebt daher, das Urteil "mindestens einige  S  sind  P"  in dieser reinen pluralen Form nicht bestehen zu lassen, sondern die Entscheidung zwischen den zwei möglichen Fällen, die hier offen bleiben, zu treffen, indem es entweder die angefangene Generalisation widerstandslos vollendet und so zum  allgemeinen  Urteil gelangt: "alle  S  sind  P",  oder indem es diese Generalisation als eine nicht völlig vollziehbare zurückweist im  partikularen  Urteil: "nur einige  S  sind  P".  Wie das letztere, so gehört aber auch das allgemeine Urteil niemals zu den bloßen Subjektsformen, sondern es ist ein Relationsurteil, welches das Verhältnis der vollständigen Unterordnung des Subjekts unter das Prädikat bezeichnet. Das plurale Urteil steht somit  genetisch  zwischen diesen beiden Relationsformen in der Mitte, indem es fortwährend in eine derselben überzugehen strebt,  logisch  aber gehört es selbst darum nicht zu den Relationsformen, weil es völlig unentschieden läßt, welche der beiden möglichen Relationen, ob die vollständige oder die teilweise Subsumtion, vollziehbar sei.

Besteht demnach eine wichtige Funktion der beiden Formen der Mehrheitsurteil in der Vorbereitung einer Generalisation, so bezeichnet aber zugleich jede dieser Formen wieder eine andere Richtung derselben. Indem sich beim pluralen Urteil die Generalisation an einem einzigen, aber in der Mehrzahl gegebenen Denkobjekt vollzieht, handelt es sich bei ihm lediglich darum, Data zu sammeln, welche die Frage, ob die Relation zum gegebenen Prädikatbegriff eine konstante sei oder nicht, schließlich entscheiden sollen. Am deutlichsten tritt diese Sammlung einzelner Data dann hervor, wenn zum Objekt nicht ein unbestimmtes Mehrheitsattribut, sondern ein bestimmter Zahlausdruck hinzutritt: Wo das plurale Urteil in der Wirklichkeit zum Zweck des Ausdrucks teilweiser Generalisation angewandt wird, da sind solche Zahlbestimmungen ein nützliches Hilfsmittel, um ermessen zu lassen, wie weit die Sammlung von Tatsachen, die zur Generalisation führen soll, fortgeschritten ist. So soll denn auch der unbestimmte Ausdruck "mindestens einige  S  sind  P"  endigen. Wann aber dieses als vollziehbar gelten soll, das zu entscheiden hängt von erkenntnistheoretischen Bedingungen ab, auf die wir erst später eingehen können. Anders beschaffen ist der Entwicklungsgang des Urteils mit mehreren Subjekten. Die Generalisation, zu deren Vorbereitung es dienen kann, ist hier vermöge der Verschiedenheit der zusammengefaßten Subjekte immer so beschaffen, daß das Prädikat als ein Gattungsbegriff hingestellt wird, welcher die einzelnen Subjekte als seine Arten umfaßt. Die Generalisationi, zu deren Vorbereitung diese Urteilsform dient, besteht also speziell in der Bildung allgemeiner Gattungs- oder Klassenbegriffe. So bilden wir aus den Moosen, Flechten, Algen, Pilzen die botanische Klasse der blattlosen Kryptogamen, so aus den Adverbien, Präpositionen und Konjunktionen vermöge der an ihnen allen vorgefundenen Unfähigkeit der Flexion die grammatische Klasse der Partikeln. Indem das Urteil mit mehreren Subjekte in dieser Weise auf einen allgemeinen Gattungsbegriff oder Klassenbegriff zusteuert, bildet es zugleich die Vorbereitung zu einer  Klassifikation.  Die Subjekte des Mehrheitsurteils sind Untergattungen der allgemeinen Gattung, die im Prädikatbegriff bezeichnet wird. Aber an und für sich will auch hier das Mehrheitsurteil, so lange es bloße Subjektsform bleibt, über das Verhältnis des Subjekts zum Prädikat nichts bestimmtes aussagen. Diese Unbestimmtheit findet darin ihren Ausdruck, daß wir dem Urteil die Form geben: "  S1, S2  und  S3  gehören zu  P",  wobei der Ausdruck der Zugehörigkeit unentschieden läßt, ob es noch weitere Glieder gibt, die zur Klasse  P  gerechnet werden müssen. Sind wir sicher, wirklich alle Glieder der Klasse  P  aufgezählt zu haben, so geht auch hier das Urteil in ein Relationsurteil über. Das letztere ist aber in diesem Fall nicht bloß ein allgemeines Subsumtionsurteil, sondern es enthält neben der Subsumtion zugleich eine  Koordination  der untergeordneten Begriffe. Solchen Urteilen kann man nicht mehr die Form geben:  "S1, S2, S3  usw. gehören zu  P",  da diese Form unbestimmt läßt, ob auch wirklich alle Glieder des allgemeinen Gattungsbegriffs  P  aufgezählt sind. Man tauscht daher die Stellen von Subjekt und Prädikat und gewinnt so die Form des  einteilenden  oder  disjunktiven  Urteils: "S zerfällt in  P1, P2, P3  usw." Das disjunktive gehört aber, gleich dem generellen, zu den unten zu besprechenden Relationsformen der Urteile.

Wenn so die Mehrheitsurteile in vielen Fällen nur die Vorbereitung zu bestimmten Relationsformen bilden, so ist das aber keineswegs immer zutreffend, sondern nur dann, wenn von vornherein schon im Mehrheitsurteil eine bestimmte Relationsform als eine möglicherweise vollziehbare Ausssicht genommen ist. Nur deshalb können in der Tat diese vorbereitenden Mehrheitsurteile den  reinen  Subjektsformen der Urteile zugerechnet werden, weil bei ihnen die  Art  der Relation noch unbestimmt bleibt, so daß sich das Urteil darauf beschränkt, lediglich einer gewissen Zahl von Subjekten ein Prädikat zuzuerkennen, davon absehend, welches die allgemeine Relation sei, die zwischen Subjekt und Prädikat festgestellt werden kann. Daneben existieren aber andere Mehrheitsurteile, bei denen von vornherein gar nicht die Absicht existiert, durch die Erstreckung des Urteils über eine Vielzahl von Subjekten ein allgemeines Relationsurteil vorzubereiten. Solche Absicht ist vor allem immer dann ausgeschlossen, wenn das Urteil eine einmalige, zu einer bestimmten Zeit geschehene oder geschende Tatsache berichtet, bei der schon wegen der Beziehung auf ein bestimmtes, vereinzeltes Ereignis an eine allgemeingültige Relation zwischen Subjekt- und Prädikatbegriff gar nicht zu denken ist. In allen  erzählenden  Urteilen ist also die Mehrheit bloße Subjektsform. In solchen Urteilen wie "OCTAVIAN, ANTONIUS und LEPIDUS teilten sich in die Herrschaft" oder "drei Reiter ritten zum Tor hinaus" wird weder an eine Einteilung unter einen übergeordneten Begriff noch an eine Subsumtion gedacht, sondern es soll einfach von mehreren Subjekten eine Tatsache prädiziert werden. Anders verhält es sich schon in denjenigen Fällen, in denen as mehreren Subjekten beigelegte Prädikat ein Eigenschaftsbegriff ist, also bei den  beschreibenden  Urteilen. Hier kann unter geeigneten Umständen das gemeinsame Merkmal dazu dienen, einen allgemeinen Gattungsbegriff zu bilden, unter den die Subjekte entweder generell oder in koordinierter Form geordnet werden; namentlich ist das dann der Fall, wenn das Prädikat mehrere Eigenschaften als gemeinsame aufzählt. Aber ehe so ein beschreibendes Mehrheitsurteil in ein wirkliches Relationsurteil übergeht, sei es in eine generelle Unterordnung, sei es in eine Einteilung, muß stets das Prädikat in einen Gegenstandsbegriff umgewandelt, oder es muß an die Stelle der prädizierten Eigenschaft ein allgemeiner Gegenstandsbegriff gesetzt werden: Subjekt und Prädikat müssen also auf gleiche Kategorie gebracht sein. Daraus ist zu ersehen, daß von vornherein diejenigen Mehrheitsurteile am meisten dem Übergang in Relationsurteile zustreben, bei denen schon ursprünglich das Prädikat in einem Gegenstandsbegriff besteht. Das sind jene Urteile, welche wir unten als  erklärende  kennen lernen werden. So sind demnach diese Verhältnisse unmittelbar an Eigentümlichkeiten der Urteile gebunden, welche auf der verschiedenen Beschaffenheit des Prädikats beruhen.


2. Die Prädikatsformen des Urteils

Während das Subjekt des Urteils stets ein ursprünglicher oder durch kategoriale Verwandlung entstandener Gegenstandsbegriff ist, kann das Prädikat jeder der drei Kategorien angehören. Demnach lassen sich drei Prädikatsformen des Urteils unterscheiden, welche zugleich die drei allgemeinsten Richtungen der Urteilsfunktion bezeichnen. Ist das Prädikat ein  Zustandsbegriff,  so entsteht das  erzählende  Urteil; ist es ein  Eigenschaftsbegriff,  so entsteht das  beschreibende  Urteil; ist es endlich ein  Gegenstandsbegriff,  so kommt es zum  erklärenden  Urteil. Alles was im Prädikat überhaupt ausgedrückt werden kann, läßt sich auf eine dieser Hauptfunktionen, Erzählung, Beschreibung oder Erklärung, zurückführen.


a) Das erzählende Urteil

Das erzählende Urteil enthält in seinem Prädikat eine Aussage über ein Ereignis, einen Zustand oder über eine Reihe von Ereignissen, die als vorübergegangen, gegenwärtig oder zukünftig oder auch als dauernd, eintretend oder vollendet vorgestellt werden. Das Subjekt, auf welches das erzählende Prädikat bezogen wird, kann ein unbestimmter oder bestimmter Gegenstand oder eine Mehrheit von Gegenständen sein. Das Prädikat des erzählenden Urteils ist stets eine Verbalform mit bestimmter Zeitbeziehung oder es besteht, wenn mehrere Ereignisse von ein und demselben Subjekt erzählt werden, aus mehreren entweder unmittelbar oder durch die Konjunktion "und" verbundenen Verbalformen. Es läßt sich aber ein in dieser Weise aus mehreren Prädikaten bestehendes Urteil stets als eine assoziative Verbindung mehrerer Urteile mit gemeinsamem Subjekt betrachten. Das Urteil "CÄSAR ging über den Rubikon und rückte gegen Rom vor" ist eine assoziative Verbindung der beiden Urteile "CÄSAR ging über den Rubikon" und "CÄSAR rückte gegen Rom vor". Die Konjunktion "und", als Ausdruck der assoziativen Verbindung, hat im erzählenden Urteil einen zweideutigen Sinn: sie kann Gleichzeitigkeit oder Aufeinanderfolge bezeichnen, den beiden Formen der mittelbaren Assoziation entsprechend. Bedeutet sie Gleichzeitigkeit, so gilt als Regel, daß das wichtigere Ereignis voransteht; bedeutet sie Aufeinanderfolge, so hat selbstverständlich das frühere Ereignis den Vortritt, denn die Erzählung reproduziert im allgemeinen in ihrer eigenen Aufeinanderfolge die Aufeinanderfolge der erzählten Begebenheiten. Soll die in der bloßen Aneinanderreihung gelegene Zweideutigkeit vermieden werden, so wird entweder dem betreffenden Glied eine adverbiale Zeitbestimmung, wie  dann, nachher  und dgl. beigefügt oder das Urteil in ein zusammengesetztes mit Vorder- und Nachsatz aufgelöst, wobei Konjunktionen, wie "nachdem, als, worauf, während" und nötigenfalls Tempusunterschiede des Verbums zur näheren Bezeichnung dienen.

Nie hat sich bei diesen Urteilen die Kopula aus dem verbalen Prädikat abgesondert. Schon oben wurde bemerkt, daß Urteile mit unbestimmtem Subjekt, wie "es blitzt", "es regnet" und dgl. immer erzählender Art sind. Die einfachen mit einem Personalpronomen verbundenen Verbalformen des Indikativs sind an und für sich erzählende Urteile, im Singular mit einem einzelnen, im Plural mit einem pluralen Subjekt.

Ein wesentliches Kriterium des erzählenden Urteils ist die  Zeitbestimmung des Prädikats.  Sie kann nach der treffenden Unterscheidung von GEORG CURTIUS in einer  doppelten  Form vorkommen: als Bestimmung der  Zeitstufe,  indem der erzählte Vorgang in die Gegenwart, in die Vergangenheit oder in die Zukunft verlegt wird und als Bestimmung der  Zeitart,  indem der Vorgang als ein dauernder, als ein eintretender oder also ein vollendeter dargestellt wird. (8) Unsere neueren Sprachen drücken im allgemeinen in der Verbalform selbst nur die Zeitstufe aus und lassen entweder die Zeitart unbestimmt oder deuten sie durch adverbiale Zusätze an. Es entspricht dies offenbar einer Denkweise, welche auf den  Zeitmoment,  in welchem sich ein Ereignis vollzieht, vor allem Wert legt und daher in der Verbalform selbst nur darauf, nicht aber auf die  Dauer  des Ereignisses Rücksicht nimmt. Es gibt aber noch eine entgegengesetzte Denkweise - und sie wird beispielsweise durch die semitischen Sprachen vertreten - bei der vor allem feste Ausdrucksformen für die  Dauer  der Handlung geschaffen werden. Auch ältere Schwestersprache des Deutschen, wie das Griechische und Sanskrit, berücksichtigen wenigstens in gewissem Maße neben der Zeitstufe die Zeitart und es ist daher die Vermutung nicht ungerechtfertigt, daß unser neueres Zeitbewußtsein, welches beim Erzählen einer Handlung vor allem Gewicht legt auf die Zeit, zu welcher sie geschehen ist, sich allmählich aus einer älteren Form desselben hervorentwickelt hat, welches die Hauptunterschiede des Geschehens darin sah, ob eine Handlung vollendet ist, ob sie noch andauert oder erst eintritt. Eine derartige Umwandlung des Zeitbewußtseins, welche auch auf die Beschaffenheit des erzählenden Urteils Einfluß hat, ist psychologisch wohl verständlich. Wie der veränderliche Zustand früher das Bewußtsein fesselt als die dauernde Eigenschaft und daher überhaupt das erzählende Urteil zweifellos die älteste Urteilsform ist, so richtet sich wiederum auf die  zeitliche Beschaffenheit  des erzählten Ereignisses früher die Aufmerksamkeit, als auf den  Zeitpunkt,  zu welchem es geschehen ist. Der Naturmensch, ohnehin wenig haushälterisch mit seiner Zeit, beachtet kaum, ob zwischen dem Vorgang seiner Erzählung eine kürzere oder längere Zeit liegt; die Phantasie mach dem Erzähler Vergangenheit und Zukunft zur Gegenwart. Aus der Beobachtung des objektiven Geschehens entwickelt sich allmählich erst jenes subjektive Zeitmaß, das alle Ereignisse nach der Entfernung mißt, in denen sie sich vom momentanen Zeitbewußtsein des Erzählers befinden. So ist jene Unterscheidung nach den drei Zeiten der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, die gegenwärtig alle unsere erzählenden Urteile beherrscht, erst das Erzeugnis eines abstrakteren Zeitbewußtseins, für welches die Zeitvorstellung nicht mehr völlig mit dem konkreten Geschehen verschmilzt, sondern welches eine unabhängig gedachte Zeitanschauung gleichsam von außen an die Ereignisse heranbringt, um diesen nun ihre Stelle in einer solchen abstrakten Zeit anzuweisen.

Auch das Subjekt des erzählenden Urteils erfährt mit dem abstrakter werdenden Denken Veränderungen, indem anstelle der ursprünglichen Gegenstandsbegriffe andere eintreten, die erst durch kategoriale Verwandlung entstanden sind. So bilden sich Urteile, die zwar noch die erzählende Form besitzen, aber vielfach, insofern sie in der Präsensform des Verbums nicht ein gegenwärtiges Ereignis, sondern eine allgemein gültige Beziehung aussprechen, in ihrer Funktion den Urteilen der dritten Prädikatsform, den erklärenden, sich nähern: so z. B. Urteile wie "die Tugend beglückt", "das Gute wird belohnt", "das Verbrechen findet seine Strafe", "Gleichees zu Gleichem gibt Gleiches" und dgl. Man kann solche Urteile als eine Übergangsform von den erzählenden zu den erklärenden ansehen: sie erzählen ein Ereignis, das  stets  mit dem Vorhandensein des Subjektbegriffs verbunden ist und auf diese Weise eine allgemeingültige Bestimmung desselben abgibt. Wo es sprachliche Gewohnheiten erlauben, da gestatten daher diese Urteile ohne Änderung des Sinnes die Aussonderung der Kopula, womit dann das Prädikat in einen Gegenstandsbegriff und das ganze Urteil vollständig in ein erklärendes übergeht. So würden wir z. B. ohne Veränderung des Sinnes sagen können: "die Tugend ist ein beglückender Seelenzustand", "die Summe von Gleichem und Gleichem ist Gleiches" usw.


b) Das beschreibende Urteil

Das beschreibende Urteil legt einem oder mehreren Gegenständen eine Eigenschaft oder eine Mehrheit von Eigenschaften bei. Das Subjekt ist stets ein  bestimmter  Gegenstand oder eine Anzahl bestimmter Gegenstände, wenn es auch nur durch ein hinweisendes Fürwort bezeichnet sein sollte. Das Prädikat ist eine Eigenschaft oder eine Mehrheit von Eigenschaften. Wie für das Prädikat des erzählenden Urteils das Verbum, so ist daher für dasjenige des beschreibenden das Adjektivum die charakteristische grammatische Form. Wenn eine Mehrheit von Eigenschaften einem Subjekt zugeschrieben werden soll, so bilden die entsprechenden Adjektive einfach aneinander gereiht oder durch die Konjunktion "und" verbunden das Prädikat. Auch hier sind solche zusammengesetzten Urteile assoziative Verbindungen, die sich in ebenso viele einfache Urteile auflösen lassen, als das Prädikat Glieder enthält. Die Reihenfolge, in welcher diese aneinander gereiht werden, ist hier eine weniger fest bestimmte als bei erzählenden Urteil, weil bloß die räumliche Assoziation die Quelle der Verbindung ist; im allgemeinen gilt die Regel, daß die wichtigere Eigenschaft der unwichtigeren voransteht; welche aber die wichtigere Eigenschaft sei, ob bloß die sinnenfälligere oder diejenige, die für den Gesamtbegriff des Gegenstand entscheidender ist, das hängt vom Standpunkt ab, auf welchem das beschreibende Urteil steht und vom Zweck, welchen es hat. Regelmäßig ist im beschreibenden Urteil das verbum substantivum "sein" in seinen verschiedenen Temporalformen als der einzige verbale Bestandteil des Prädikats übrig geblieben. Nicht in allen beschreibenden Urteilen ist aber eine eigentliche Kopula zu finden. Selbst die Präsensform "ist" kann in ihnen zuweilen noch eine zeitliche Beziehung enthalten, indem die Eigenschaft nur als eine gegenwärtig dem Gegenstand zukommende aufgefaßt wird, so z. B. meistens in Urteilen wie "er ist müde", "er ist bereit etwas zu tun" und dgl. Freilich hat man hier durchgängig Urteile vor sich, die nur scheinbar beschreibender Art sind. Wenn die Eigenschaft als eine nur gegenwärtig vorhandene und also vorübergehende gedacht wird, so ist sie eben ein Zustand, daher auch in solchen Fällen immer dem Prädikat eine verbale Form gegeben werden kann, wie z. B. "er ist ermüdet", "er hat sich bereit erklärt", wodurch dann von selbst das Urteil zu einem erzählenden wird. Wenn wir einem gegenwärtigen Objekt eine Eigenschaft zuschreiben, so pflegen wir nicht daran zu denken, ob diese Eigenschaft eine bleibende sei oder nicht und der Ausdruck wird daher hier kein anderer, als dort, wo wir die Eigenschaft als eine solche bezeichnen wollen, die in allgemeingültiger Weise dem Gegenstand zugehört. Hat das beschreibende Urteil die Form  "A  ist  B",  so kann daher dieses "ist" stets als die wirkliche Kopula angesehen werden. Wir können aber einem Gegenstand auch eine Eigenschaft zuschreiben, wenn entweder er selbst nicht in der Gegenwart existiert oder wenn die Eigenschaft als eine vorübergegangene oder zukünftige dargestellt werden soll. In diesen Fällen haben wir es mit einem  gemischten Urteil  zu tun, das beschreibend und erzählend zugleich ist: beschreibend, insofern es einem Gegenstand eine Eigenschaft beilegt und erzählend, insofern es damit eine zeitliche Bestimmung verbindet. So sind Urteile wie "der Himmel ist blau", "diese Farbe ist rot", "der Tisch ist lang" beschreibend; die Urteile "der Himmel war blau", "diese Farbe war rot", "der Tisch wird lang sein" sind beschreibend und erzählend zugleich.

Rechnen wir Urteile, die den Zweck der Beschreibung und Erzählung verbinden, nicht den beschreibenden Urteilen im eigentlichen Sinn zu, so bleiben als solche nur diejenigen übrig, die einem Gegenstand eine Eigenschaft ohne Rücksicht auf zeitliche Bedingunen beilegen. Daher dient denn auch das beschreibende Urteil vorzugsweise dazu, um von einem Gegenstand solche Eigenschaften auszusagen, die ihm in allgemeingültiger Weise zukommen und in dieser Verwendung ist es z. B. die wissenschaftliche Ausdrucksform der beschreibenden Definitioin.

Wie das erzählende Urteil, so bezieht sich auch das beschreibende vorzugsweise auf wirkliche Gegenstände der Anschauung. Es kann dann aber auch übergehen auf Objektbegriffe des abstrakten Denkens, um von diesen in allgemeingültiger Weise Eigenschaften auszusagen: immer sind hier zugleich die Eigenschaftsbegriffe selbst von abstrakterer Natur, so z. B. in den Urteilen: "Strafen sind nützlich", "aller Anfang ist schwer", "Gründe sind wohlfeil". Indem aber das beschreibende Urteil so seiner ursprünglichen Funktion entfremdet wird, nähert es sich in seiner Bedeutung ebenfalls, wie das schon beim erzählenden der Fall war, einem erklärenden Urteil. Aussagen, wie die obigen haben zwar die Form der Beschreibung, in Wahrheit aber enthält der Prädikatbegriff gar keine eigentliche Eigenschaft des Subjekts, da von solchen abstrakten Subjektbegriffen Eigenschaften, an denen sie etwa wiederzuerkennen wären, gar nicht aufgezeigt werden können. Wie von einem abstrakten Begriff nichts erzählt werden kann, so kann er auch nicht beschrieben werden. Die einzige Funktion, die ihm gegenüber das Urteil noch erfüllen kann, ist die, daß es eine Erklärung entweder von ihm gibt oder über ihn, bzw. über sein Verhältnis zu anderen Begriffen, abgibt. Für ein erklärendes Urteil ist nun, wie wir sogleich sehen werden, die normale Form eine solche, daß Subjekt und Prädikat beide zu den Gegenstandsbegriffen gehören. So wird denn auch der logische Sinn solcher Eigenschaftsurteile wie der obigen besser getroffen, wenn man zum Eigenschaftsprädikat einen Gegenstandsbegriff ergänzt denkt: "Strafen sind nützliche Einrichtungen", "aller Anfang ist ein schweres Unternehmen", "Gründe sind wohlfeile Auskunftsmittel". In Wahrheit denken wir uns bei jenen Urteilen an und für sich schon in unbestimmterer Weise einen derartigen Begriff dazu; wir denken sie also gar nicht als beschreibende, sondern von vornherein als erklärende Urteile.

Auch in denjenigen Fällen, in denen sich die beschreibenden Urteile auf wirkliche Gegenstände der Anschauung beziehen und also die ursprüngliche Funktion der Beschreibung bewahrt haben, sind sie immer leichter, als es bei den erzählenden Urteilen der Fall ist, in die erklärende Form überzuführen. Auch hier erfährt freilich der Sinn des Urteils eine Verschiebung: die Beschreibung verwandelt sich eben in eine Erklärung über das Verhältnis des Gegenstandes zu einem anderen als bekannt vorausgesetzten, zu dem er Beziehungen darbietet; immerhin ist diese Veränderung im vorliegenden Fall eine minder gewaltsame, als beim erzählenden Urteil. Das Mittel der Umwandlung besteht aber wiederum darin, daß das Prädikat in einen Gegenstandsbegriff übergeführt oder zu einem Gegenstandsbegriff ergänzt wird. So verwandeln sich die beschreibenden Urteile "der Wasserstoff ist elektropositiv", "der Diamant ist stark lichtbrechend" in die erklärenden: "der Wasserstoff ist ein elektropositives Element", "der Diamant ist ein stark lichtbrechender Kristall". Auf diese Weise bildet die dritte Prädikatsform der Urteile, zu der wir nunmehr übergehen, die allgemeinste; die anderen können nötigenfalls sämtlich in sie übergeführt werden. Die beschreibenden Urteile nehmen aber genetisch zwischen der primitivsten Form, der erzählenden und der logisch entwickeltsten, der erklärenden, eine mittlere Stelle ein, denn die Unterscheidung bleibender Eigenschaften an Gegenständen setzt eine dauernde Beschäftigung der Aufmerksamkeit voraus als die Auffassung der momentanen Veränderung oder des augenblicklichen Zustandes; andererseits weist sie auf eine minder verwickelte logische Reflexion hin, als sie einer Erklärung über das Verhältnis eines gegebenen Gegenstandes zu anderen vorausgehen muß.


c) Das erklärende Urteil

Wir nennen ein Urteil ein erklärende, wenn es irgendeinen Gegenstand oder eine Mehrheit von Gegenständen des Denkens auf andere bereits bekannte Gegenstandsbegriffe zurückführt. Das erklärende Urteil unterscheidet sich daber von den beiden vorangegangenen Formen dadurch, daß in ihm Subjekt und Prädikat der nämlichen Kategorie, derjenigen der Gegenstandsbegriffe, angehören. In seiner einfachsten Form enthält das erklärende Urteil nur  einen  Subjekt- und  einen  Prädikatbegriff, die von einfacher oder zusammengesetzter Beschaffenheit sein können. Derartige einfachste Erklärungsurteile wie "dies ist der König", "jenes Buch ist ein Roman", " THUKYDIDES ist der größte griechische Historiker" dienen entweder der Benennung eines als unbekannt vorausgesetzten Subjektes oder sie zeigen den wesentlichen Inhalt des Subjektbegriffes an. Eine zusammengesetztere Beschaffenheit kann das erklärende Urteil teils dadurch gewinnen, daß es mehrere Subjekte enthält, teils dadurch, daß das Prädikat in mehrere koordinierte oder auch voneinander abhängige Begriffe zerlegt ist. Eine derartige Zerlegung des Prädikats tritt namentlich regelmäßig bei denjenigen Urteilen ein, in denen eine erschöpfende Erklärung über den Inhalt des Subjektbegriffs versucht wird: sie bildet daher die regelmäßige Form der wissenschaftlichen Definition und der Analyse eines Begriffs in die ihn konstituierenden Elemente. So z. B. ist der Satz "die soziale Assoziation ist eine freiwillige Vereinigung von Individuen, welche entweder egoistische oder allgemeine, politische, kirchliche oder humane Zwecke verfolgen kann" ein erklärendes Urteil, welches, um den Inhalt des Subjektbegriffes auseinanderzusetzen, zahlreiche als bekannt angenommene Begriffe in das Prädikat aufnimmt. Ein in dieser Weise zusammengesetztes Urteil läßt sich nun zwar immer in eine Mehrheit einfacher Urteile zerlegen und in der Tat setzt es ja auch immer viele gesonderte Denkakte voraus, die erst vereinigt werden mußten. Nichts desto weniger entspricht die Vereinigung aller dieser Prädikatbegriffe einem logischen Bedürfnis, denn die Aufklärung, die wir über die Natur eines Begriffs empfangen, ist umso vollständiger, je mehr es uns gelingt, die Hauptbestimmungen desselben in  einem  Denkakt zusammenzufassen.

Im erklärenden Urteil hat die Kopula in ihrer eigentlichen Bedeutung vorzugsweise ihre Stelle. Wo sie daher ursprünglich in demselben nicht vorhanden ist, da kann sie leicht nicht nur ohne Veränderung des logischen Sinnes hergestellt werden, sondern es erhält im Gegenteil hierdurch das Urteil in höherem Grad der erklärenden Charakter, als es zuvor der Fall war. Namentlich in erklärenden Urteilen von zusammengesetzter Beschaffenheit kommt es nicht selten vor, daß wenigstens einige Teile des Urteils beschreibender Art sind, andere die erzählende Form besitzen. Viele Definitionen z. B. zeigen äußerlich durchaus nicht jene reguläre Form "A ist  B, C, D",  wo  B, C, D  in eine Reihe von Gegenstandsbegriffen bedeutet, mit denen  A  in Relation gebracht ist. Aber immer läßt sich in diesen Fällen die Definition leicht in eine solche Form umwandeln und eine derartige Umwandlung gewährt, auch wenn sie zuweilen den sprachlichen Ausdruck unbequem macht, stets zugleich den Vorteil, daß sie das Verhältnis der einzelnen Prädikatbegriffe zum Subjektbegriff verdeutlicht und für alle erklärenden Urteile eine übereinstimmende Form herstellt. So haben z. B. die Sätze: "der Kalkspath ist ein vorwiegend aus kohlensaurem Kalk bestehendes Mineral, er ist farblos oder weiß, kristallisiert in Rhomboeder und bricht das Licht doppelt" zweifellos die Bestimmung einer Erklärung. Aber nur der erste Teil, welcher die chemische Klassifikation angibt, verbindet Gegenstands- mit Gegenstandsbegriff durch die Kopula, der zweite ist ein beschreibendes Urteil und die beiden letzten haben sogar die Form der Erzählung. Besonders beschreibende Urteile werden in dieser Weise sehr häufig als Bestandteile zusammengesetzter Erklärungen verwendet. Gleichwohl haben dieselben in dieser Verbindung eine etwas andere logische Bedeutung, als wenn sie für sich allein auftreten und das verrät sich darin, daß der Sinn der beschreibenden Prädikate dort nicht verändert, sondern im Gegenteil erst in das richtige Licht gestellt wird, wenn man dem Eigenschaftswort einen ergänzenden Gegenstandsbegriff beifügt. Wenn ich statt des einfach beschreibenden Urteils: "dieser Berg ist hoch und steil" sage: "dieser Berg ist ein hoher und steiler Berg", so habe ich durch die Wiederholung des Gegenstandsbegriffes etwas hinzugefügt, was zwar die Richtigkeit des Urteils nicht verändern kann, aber woran doch in der einfachen Beschreibung nicht gedacht war, denn diese beabsichtigte keineswegs den gegebenen Berg unter eine allgemeine Klasse von Bergen zu subsumieren. Wenn ich dagegen in der Definition des Kalkspaths sage, er sei ein weißes oder farbloses Mineral, so entspricht das dem Zweck der Definition, die dem Kalkspath jene Eigenschaft nicht an und für sich, sondern lediglich als Unterscheidungsmerkmal von anderen Mineralien zuschreiben will. Daß endlich solche Urteile wie: "er kristallisiert in Rhomboedern" nur deshalb eine erzählende Form besitzen, weil sie eine Eigenschaft aussagen, die als Resultat eines Vorgangs angesehen werden kann, wurde schon hervorgehoben; wir haben sie darum bereits als Zwischenform zwischen den erzählenden und beschreibenden Urteilen bezeichnet, bei denen aber der wirkliche Zweck die Beschreibung ist, daher ihr eigentlicher Sinn besser getroffen wird, wenn man sie geradezu mittels Ersetzung des Verbums durch die Kopula und ein Verbalnomen vollständig in die beschreibende Form überführt. Im gegenwärtigen Fall unterliegen aber außerdem diese in erzählender Form beschreibenden Urteile der nämlichen Bemerkung wie die beschreibenden Urteile überhaupt: durch die Überführung in die erklärende Form, d. h. durch die Ergänzung eines geeigneten Gegenstandsbegriffs, wird ihre Funktion nicht verändert, sondern deutlicher dargestellt. Daß übrigens auch solche Urteile, deren Zweck nicht in einer Erklärung, sondern in einer Beschreibung oder Erzählung besteht, durch kategoriale Verwandlung des Prädikatbegriffs oder durch ergänzende Hinzufügung eines Gegenstandsbegriffs in erklärende Urteile übergeführt werden können, wurde schon hervorgehoben. So verwandelt sich das erzählende Urteil: " KRÖSUS war König von Lydien" in das erklärende: " KRÖSUS ist ein gewesener König von Lydien", so das beschreibende: "die Wiese ist grün" in das erklärende: "die Wiese ist eine grüne Fläche", und dgl. Diese Fähigkeit des erklärenden Urteils, daß es seine Form allem aufzuprägen vermag, was überhaupt Gegenstand eines Denkaktes sein kann, beruth darauf, daß der Standpunkt der Erklärung wirklich der allgemeinste ist, den unser Denken den Gegenständen gegenüber einnimmt. Darum können wir ein historisches Ereignis definieren und die Eigenschaften eines Gegenstandes zu einer erklärenden Begriffsbestimmung benützen, während wir einer Erklärung nur in den besonderen Fällen die Form der Erzählung oder Beschreibung zu geben vermögen, wo wirklich ein Geschehen oder Eigenschaften, die sich beschreiben lassen, zugrunde liegen. Diese allgemeine Anwendbarkeit des erklärenden Urteils darf aber nicht verführen, in demselben die  allgemeingültige  Form zu sehen, welche die Logik anstelle aller anderen Urteilsformen zu setzen habe. Unbewußt ist das geschehen, indem man die Kopula als einen allgemeinen Bestandteil der Urteile und indem man jede Verknüpfung einer Eigenschaft mit einem Gegenstand als eine Subsumtion des letzteren unter einen allgemeineren Begriff ansah. Dieser allgemeinere Begriff mußte dabei notwendig wieder als Gegenstandsbegriff gedacht werden, da Gegenstände nicht Eigenschaften untergeordnet werden können. Erzählende und beschreibend Urteile ändern ihren Sinn durch die Umwandlung in die erklärende Form: sie verwandeln sich in Erklärungen über das Geschehene und in Urteile über das Verhältnis eines Gegenstandes zu einem allgemeineren Gegenstandsbegriff von übereinstimmender Eigenschaft. Begreiflich ist gleichwohl jene Bevorzugung, welche die Logik dem erklärenden Urteil angedeihen ließ. Überall, wo es sich darum handelt, das erworbene Wissen in zusammenhängenden Sätzen niederzulegen, da hat jenes Urteil das unbeschränkte Gebiet seiner Anwendung. Sobald eine  theoretisch  Wissenschaft insoweit zu einem Abschluß gelangt ist, daß sie auf gewissen allgemein anerkannten Grundsätzen ihr System aufzubauen vermag, spielt daher die erklärende Urteilsform die Hauptrolle. Aber auch hier erinnert noch häufig genug die Aufnahme solcher Bestandteile, die in erzählender oder beschreibender Form einen bestimmten Gedankeninhalt vortragen, daran, daß die Erklärung sich stets auf die Beobachtung des Geschehens und der Eigenschaften der Dinge stützen muß. Auch die theoretische Wissenschaft bedarf der Erzählung und Beschreibung, um erklärende Sätze vorzubereiten. Selbst die Arithmetik und Geometrie erörtern die Eigenschaften der Zahlen- und Raumgebilde in beschreibenden oder, indem sie auf die Erzeugungsweise der Größen zurückgehen, in erzählenden Urteilen, während freilich das gewonnene Resultat notwendig immer die Form, in der auf mathematischem Gebiet stets bestimmte Resultate dargestellt werden, die  Gleichung,  in allen Fällen die Bedeutung eines erklärenden Urteils besitzt. Zu dem oft gegen die Logik erhobenen Vorwurf, daß sie nur geeignet sei ein fertiges Wissen darzustellen, nicht aber zu lehren, wie man Erkenntnis erlangen könne, hat in hervorragender Weise auch jenes Einzwängen aller Urteile in die übereinstimmende Form des erklärenden Urteils beigetragen. Immerhin bleibt dieser Form, abgesehen von der Funktion, welche die Erklärung an sich für unser Wissen besitzt, die große Bedeutung, daß sie die einzige ist, in welcher Subjekt und Prädikat unmittelbar vergleichbar gemacht sind und daher in Bezug auf ihr gegenseitiges Verhältnis geprüft werden können. Darum ist es die Form der erklärenden Urteile allein, welche die ganze dritte Klasse von Urteilsformen, die  Relationsformen,  aus sich hervorgehen läßt.
LITERATUR: Wilhelm Wundt, Logik [Eine Untersuchung der Prinzipien der Erkenntnis und der Methoden wissenschaftlicher Forschung], Bd. I (Erkenntnislehre), Stuttgart 1893
    Anmerkungen
    1) KANT, Kritik der reinen Vernunft, 2. Auflage, Seite 95
    2) Vgl. Kants Logik, Seite 283
    3) Daß auch für Formen wie "unsterblich", "unglücklich" KANTs Definition der unendlichen Urteile nicht zutreffen würde, bedarf wohl kaum mehr der Erinnerung, nachdem wir oben gesehen haben, daß dieselben durchaus nur positive Begriffe bedeuten, daß also z. B. das logische Verhältnis von glücklich und unglücklich durchaus kein anderes ist, als das von gut und böse.
    4) Über die Bedeutung dieser Modalitätsformen vergleiche den Schluß des vorliegenden Kapitels.
    5) TRENDELENBURG, Logische Untersuchungen, 2. Auflage, II, Seite 213
    6) Vgl. E. WINDISCH, Untersuchungen über den Ursprung des Relativpronomens, in CURTIUS' Studien II, Seite 402
    7) Auch SIGWART hat diese beiden Formen als  plurale Urteile  behandelt und die erste als  kopulatives,  die zweite als  plurales Urteil im engeren Sinn  unterschieden. (Logik I, Seite 166)
    8) CURTIUS, Erläuterungen zu seiner griechischen Schulgrammatik, 3. Auflage, Prag 1875, Seite 179