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L o g i k [4/12]
III. Die Entwicklung des Gedankenverlaufs (Sukzessive Verbindungen des Denkens) a) Verhältnis der sukzessiven zu den simultanen Denkakten Die sukzessiven Verbindungen der Apperzeption unterscheiden sich von den soeben besprochenen Simultanverbindungen dadurch, daß die miteinander verknüpften Vorstellungen stets ihre Selbständigkeit bewahren, niemals also in eine einzige Vorstellung verschmelzen können. Eine scharfe Grenze zwischen beiden Formen kann aber nicht immer gezogen werden. Was in einem bestimmten Fall in einen Denkakt zusammengefaßt wird, das kann in einem anderem sich in einen Gedankenverlauf gliedern. Auch dürfen wir uns die Entwicklung des Denkens keinesfalls derart vorstellen, als wenn zuerst einzelne Begriffe sich bildeten und dann diese Begriffe zu Urteilen aneinander gefügt würden. Vielmehr entwickeln sich diese verschiedenen Formen apperzeptiver Vorgänge notwendig vollkommen gleichzeitig. Begriffe setzen Urteile voraus, ebenso wie Urteile Begriffe. Die ersten Sprachäußerungen des Kindes haben schon die Bedeutung von Urteilen, wenn auch eine solche Äußerung manchmal nur aus einem einzigen Wort besteht, zu dem, als dem Subjekt oder Prädikat, die übrigen Bestandteile des Satzes in Gedanken ergänzt werden müssen. Auch in denjenigen Sprachen, in denen sich weniger als in der unsrigen die Satzbildung den feineren logischen Unterscheidungen angepaßt hat, können Wortverbindungen, die uns nur einen einzelnen Begriff bedeuten würden, zum Ausdruck eines ganzen Gedankens genügen. Eine Wortverbindung wie "meine Gabe" kann die Bedeutung der vollen Urteile "ich gebe" oder "ich habe gegeben" besitzen. Ebenso bezeichnet die Sprache zuweilen beiderlei Verbindungen durch Wortverschmelzungen, die sich äußerlich nicht unterscheiden. "Homo" und "fero" sind beides Worteinheiten und doch bedeutet das erstere nur einen Begriff, das zweite [bei sich tragen - wp] aber ein einfaches Urteil. Man wird darum auch beiden Worteinheiten nicht den nämlichen psychologischen Wert zusprechen dürfen. Der wesentliche Unterschied dieser Fälle besteht sichtlich darin, daß beim Begriff nur eine einzige herrschende Vorstellung sich aussondert, während schon zum einfachsten sukzessiven Denkakt zwei herrschenden Vorstellungen erforderlich sind, die jedoch ebenfalls miteinander, wie das die Bildung der untrennbaren Worteinheit bezeugt, noch zu einer einzigen Gesamtvorstellung verbunden sein können. Wird der Begriff durch die Formel hA ausgedrückt, so wird daher ein Erzeugnis sprachlicher Synthese, welchem die Bedeutung eines Urteils zukommt, durch eine Formel von der Form h1 h2 A dargestellt werden können. Die verbale Form "fero" z. B. ist ebensogut wie "homo" aus einer einzigen Vorstellung A hervorgegangen. Wie sich in meinem Bewußtsein ein Bild des Menschen gebildet hat, so die Vorstellung einer von mir selbst getragenen Last. In Bezug auf diese erste Grundlage existiert also für Begriff und Urteil kein Unterschied. Dieser tritt erst hervor, wenn die herrschenden Vorstellungen sich auszusondern beginnen, wo sich sofort zeigt, daß die Gesamtvorstellung, die dem urteilenden Denkakt zugrunde liegt, einer Zweigliederung unterworfen ist. Treffend bezeichnet daher das deutsche Wort Urteilen den psychologischen Vorgang. Es handelt sich hier wirklich um ein ursprüngliches Teilen der Vorstellungen. Das primitive Urteil findet so gut wie der Begriff seinen Ausdruck in einer ursprünglichen Worteinheit. Doch immer werden innerhalb derselben zwei Vorstellungen unterschieden, die durch die Gesamtvorstellung, von der sie sich abheben, miteinander in Beziehung gesetzt sind. Auch das einfache Urteil wird daher durch eine simultane Gesamtvorstellung im Bewußtsein vertreten und ähnliche Agglutinationen, wie sie beim Aufbau zusammengesetzter Begriffe entstehen, können darum die Funktion von Urteilen besitzen (vgl. die oben angeführten Beispiele). Simultane und sukzessive Denkakte hängen also nahe miteinander zusammen. Die ersteren gehen bei der Agglutination der Vorstellungen überall aus einer ursprünglich sukzessiven Verbindung hervor, während sich andererseits die einfachsten Formen der letzteren durch die Gliederung einer Gesamtvorstellung entwickeln. Das unterscheidende Kennzeichen des sukzessiven Denkaktes bleibt aber dieses, daß in ihm immer getrennte Bestandteile innerhalb der Gesamtvorstellung unterscheidbar bleiben, während die der Begriffsbildung dienenden Agglutinationen stets die Tendenz besitzen, in vollständige Synthese überzugehen. An den sprachlichen Ausdrucksformen gibt sich das darin zu erkennen, daß bei denjenigen Verbindungen der Wurzeln und Wortstämme, welche der Begriffsbildung dienen, die lautliche Kontraktion und Korruption unbeschränkt stattfinden kann, während bei den verbalen Flexionsformen die Abschleifung des Wortes nie so weit geht, daß nicht die herrschenden Vorstellungen deutlich empfunden würden. Wo die Sprache in ihrer Entwicklung auf dieser Stufe angelangt ist, da greift darum nun jener früher geschilderte Zerfließungsprozeß der Vorstellungen Platz, der sich äußerlich an der Zerlegung der ursprünglich einheitlichen Verbalformen zu erkennen gibt. Die Vereinigung des Gedankens lockert sich dadurch allmählich, wogegen die Bestandteile schärfer unterschieden und feiner gegliedert werden. Der Vorgang, der sich uns hier äußerlich in der sprachlichen Zerlegung des primitiven Urteils darstellt, muß aber notwendig im Verhältnis der Bestandteile desselben schon vorgebildet sein, ehe diese äußere Zerlegung eintritt und umgekehrt wird die Zusammenfassung in eine Gesamtvorstellung noch fortbestehen, auch wenn sich das Wort in einen Satz gegliedert hat. Denn es ist ja nicht eine innere Veränderung des Urteilsprozesses, durch welche jene Erscheinungen hervorgerufen wurden, sondern einzig und allein die Nötigung, für den Ausdruck des nämlichen Gedankens andere Formen zu finden, nachdem die bisherigen durch die Prozesse der Kontraktion und Korruption der Laute und der damit Hand in Hand gehenden Verwischung ihrer Bedeutung unbrauchbar geworden sind. Wenn wir davon ausgehen, daß die Urteilsverbindungen psychologisch immer den nämlichen Grundcharakter besitzen müssen, so werden wir demnach wohl annehmen dürfen, daß die Sprache auf den verschiedenen Stufen ihrer Entwicklung immer nur verschiedene Seiten dieses Grundcharakters zum Ausdruck bringt. Auf einer ersten radikalen Stufe - wenn wir eine solche voraussetzen dürfen - werden die einzelnen herrschenden Vorstellungen, aus denen eine Gedankenverbindung besteht, deutlich in ihrer Sonderung hervorgetreten sein. Die später sich bildenden fester verbundenen Flexionsformen prägen vorzugsweise die Einheit der Anschauung aus, welche bei jedem einheitlichen Gedanken vorausgesetzt wird. Die daran zuletzt sich anschließende Zerlegung der zusammengesetzen Flexionsformen bringt endlich abermals die einzelnen Bestandteile zur Geltung, indem sie zugleich mit Hilfe der abstrakteren Wortteile, die sich indessen gebildet haben, den Zusammenhang und die wechselseitige Beziehung dieser Bestandteile hervorhebt. Darum ist diese Stufe in logischer Beziehung die vollkommenste, wenn ihr auch die lebendige Anschaulichkeit verloren ging, die gerade durch die unmittelbare Zusammenfassung aller Teile einer Vorstellung in ein Bild zustande kommt. Ist ein Gedankenverlauf von zusammengesetzter Beschaffenheit, so wird dann aber freilich die Gesamtvorstellung undeutlicher werden, obgleich auch in solchen Fällen logisch unentwickelte Sprachen, wie die amerikanischen, durch die Bildung äußerst zusammengesetzter Worteinheiten noch auf eine einheitliche Vorstellung hinweisen. Immerhin werden hierbei stets die einzelnen Bestandteile des Gedankens erst während der Zerlegung klarer hervortreten, ähnlich wie wir uns jede verwickeltere Vorstellungen deutlicher vergegenwärtigen, indem wir sukzessiv ihre einzelnen Teile apperzipieren. Die Gesamtvorstellung selbst bildet in solchen Fällen während des zusammenhängenden Gedankenverlaufs bloß den Gegenstand einer unbestimmten Perzeption. Sind aber die einzelnen Glieder der Reihe erst durchlaufen, so steht dann am Schluß derselben auch das Ganze klarer vor uns als zu Beginn. Denn der innere Blickpunkt hat die Eigenschaft, daß er durch sukzessive Apperzeption fähig wird, allmählich einen größeren Kreis von Vorstellungen zu beherrschen. (1) In unserem Denken gibt es daher vor allem zwei Momente, wo wir einen zusammengesetzten Gedanken ganz überblicken: den Moment vor und den Moment nach der Zerlegung desselben. Dort steht er aber dunkler, hier klarer in unserem Bewußtsein. Während des Ablaufs bleibt er uns zwar gegenwärtig, doch tritt er hinter den gerade apperzipierten Elementen in die Dunkelheit zurück und bleibt nur stark genug, um das vereinigende Band zu bilden, das den Zusammenhang lebendig erhält. Während nun aber ein Gedanke abläuft, kann sich außerdem an irgendeinen Bestandteil desselben ein neuer Gedankenverlauf anknüpfen, der sich dann entweder vollzieht, sobald der erste abgelaufen ist oder auch in diesen eingeschaltet wird. Hier tritt, angeregt durch die vermittelnden Elemente, zunächst wieder eine neue Gesamtvorstellung in das Bewußtsein, deren Zerlegung in der nämlichen Weise geschieht. Es schließen sich so mehrere Gedanken zu einer Gedankenkette aneinander. Die analytische Natur des psychologischen Prozesses, welcher dem Gedankenverlauf zugrunde liegt, tritt endlich besonders noch darin hervor, daß derselbe nicht selten unmittelbar aus jenem früher besprochenen Zerfließungsprozesse besteht, der an die Verbindung und Verdichtung der Vorstellungen sich anschließt. (2) Indem durch diesen Prozeß ein Begriff in seine Elemente zerlegt wird, nehmen die Produkte einer solchen Zerlegung die Form von Urteilen an und der Begriff selbst spielt dabei die Rolle der Gesamtvorstellung, welche den Gedankenverlauf zusammenhält. Vorstellen und Denken stehen zueinander im Verhältnis des weiteren Begriffs zum engeren. Als Denken bezeichnen wir jedes Vorstellen, welches einen logischen Wert besitzt, als einen Gedanken jeden Zusammenhang von Vorstellungen, dem eine selbständige logische Bedeutung zukommt. Für die psychologische Analyse des Denkens ist aber dieser logische Wert desselben ein aus den inneren Vorgängen resultierendes Ergebnis, welches über die Natur dieser Vorgänge lediglich in Bezug auf seine tatsächliche Beschaffenheit zu prüfen, indem sie frägt: wie unterscheidet sich derselbe von anderen Formen der Aufeinanderfolge unserer Vorstellungen, vor allem also von der sukzessiven Assoziation? Die Antwort auf diese Frage wurde oben schon angedeutet: die sukzessive Assoziation verläuft als Reihe von unbestimmter Begrenzung, der apperzeptive Gedankenverlauf aber folgt in allen seinen Teilen dem Gesetz der Zweigliederung. Wir wollen dies zunächst an den einfachsten sukzessiven Denkakten und dann an solchen von zusammengesetzterer Beschaffenheit erläutern. Die einfachste Form eines Gedankens oder eines in sich abgeschlossenen apperzeptiven Vorstellungsverlaufs ist dann gegeben, wenn eine Gesamtvorstellung nur in zwei miteinander verbundene Teile zerlegt wird. Dies geschieht im einfachen Urteil. Deuten wir allgemein die apperzeptive Verbindung aufeinander folgender Vorstellungen durch das Zeichen an, so ist das psychologische Symbol des einfachen Urteils. Sobald die Gesamtvorstellung, aus deren Zerlegung ein Gedankenverlauf entspringt, in drei oder mehr Einzelvorstellungen getrennt wird, so ist er ein zusammengesetzter. Hierbei geschieht nun niemals die Verbindung der einzelnen Teile in gleichförmiger Weise, so also daß etwa die Form sich über eine größere Zahl von Gliedern erstreckt , sondern stets geschehen diese zusammengesetzteren apperzeptiven Verbindungen so, daß zunächst, wie beim einfachen Gedanken, die Gesamtvorstellung in zwei Einzelvorstellungen geschieden wir, worauf dann wieder eine der letzteren oder jede derselben in zwei weitere Einzelvorstellungen gegliedert werden kann usw. Hierin liegt der wesentliche Unterschied der apperzeptiven Verbindungen von den Assoziationen. Deuten wir die assoziative Verbindung sukzessiver Vorstellungen durch das Zeichen über der Zeile an, so kann eine Assoziationsreihe beliebig viele Glieder enthalten. Dagegen vollzieht sich der apperzeptive Gedankenverlauf stets in Formen wie den folgenden: Von allen diesen durch das Gesetz der Dualität regierten grammatischen Verbindungen ist nun eine für jeden zusammenhängenden Gedanken unerläßlich: die prädikative. Sie vermittelt für sich allein den einfachsten sukzessiven Denkakt; in allen zusammengesetzten kommt sie aber wieder als das Grundverhältnis vor, in welches die anderen sich einordnen. Von ihnen kann jedes fehlen und jedes vorhanden sein, je nachdem dieser oder jener Teil des zusammengesetzten Gedankens eine weitere Gliederung erfahren hat. Es frägt sich daher, ob alle diese Verbindungen, abgesehen vom Verhältnis der Über- und Unterordnung, in dem sie stehen, ein wesentlich gleiches oder ähnliches Verhältnis ihrer Glieder zueinander enthalten, ob also z. B. das Verhältnis des Gegenstandes zu seinem Attribut seiner psychologischen Bedeutung nach ein ähnliches ist wie dasjenige der Handlung zu ihrem Objekt und ob jedes dieser beiden Verhältnisse wieder der allgemeinen Beziehung des Subjekts zum Prädikat entspricht. Zur Beantwortung dieser Frage wird es erforderlich sein, zunächst alle Verbindungen mit einer einzigen zu vergleichen und zwar mit der prädikativen, da diese das einzige Grundverhältnis darstellt, das zu jedem Denkakt erfordert wird. Um aber eine solche Vergleichung auszuführen, müssen wir jede andere Verbindung unter die nämliche Bedingung bringen, unter der sich die prädikative an und für sich schon befindet: diese besteht darin, daß sie keiner anderen Verbindung mehr untergeordnet ist. Mit anderen Worten, um irgendeine der untergeordneten apperzeptiven Verbindungen in Bezug auf ihren unabhängigen Gedankenwert zu prüfen, müssen wir sie von den ihr übergeordneten Verbindungen loslösen, an die sie im zusammengesetzten Denkakt gekettet ist. Isolieren wir auf diese Weise die attributive Verbindung, so wandelt sich das Verhältnis des Gegenstandes A zu seinem Attribut B in ein prädikatives um: die Verbindung wird zu einem einfachen Denkakt, dem wir die sprachliche Form des Urteils geben: A ist B. die attributive Verbindung "ein guter Mann" wird zum einfachen Urteil: "der Mann ist gut". Denn dieses Urteil stellt offenbar den Gedankenwert dar, der in der attributiven Verbindung, wenn sie für sich genommen wird, enthalten ist. Nehmen wir als zweiten Fall an bedeute die adverbiale Verbindung, A die Handlung und B die nähere Bestimmung derselben, so gewinnt diese Verbindung für sich abermals eine prädikative Bedeutung, indem die Handlung A zum Subjekt, die adverbiale Bestimmung B aber zum Prädikat wird. Die adverbiale Verbindung "gut handeln" wird isoliert gedacht äquivalent dem Urteil: "ein Handlen ist gut." Wird endlich durch die objektive Verbindung ausgedrückt, so nimmt wiederum durch die Trennung das Verhältnis die prädikative Form an, wobei aber diesmal das Objekt zum Subjekt, die Handlung zum Prädikat wird unter Umwandlung der aktiven in die passive Verbalform. Jeder solche durch Zerlegung gewonnene Denkakt enthält einen Teil des ganzen Gedankens. Dieses Ergebnis, wonach alle apperzeptiven Verbindungen, die ein zusammengesetzter Denkakt einschließt, isoliert genommen in eine und dieselbe Form der Verbindung, die prädikative, übergehen, zeigt deutlich, daß diese Verbindungen in den Eigenschaften, die ihnen an und für sich zukommen, übereinstimmen und daß die Unterschiede derselben lediglich durch die Stellungen veranlaßt sind, die ihnen in einem zusammengesetzten Gedanken angewiesen werden. Wir können uns daher nun auch die Gliederung des zusammengesetzten Gedankens so vorstellen, daß wir uns eine Reihe einander ursprünglich äquivalenter prädikativer Verbindungen in ein Verhältnis sukzessiver Unterordnung gebracht denken, wodurch sie dann erst ihre näheren Eigenschaften gewinnen. Angenommen z. B., die beiden Hauptvorstellungen S und P des Gedankens seien in der Weise gegliedert, daß S in eine Gegenstandsvorstellung s und deren Attribut a, P in eine Verbalvorstellung v und deren adverbiale Bestimmung a' zerfällt, worauf nun weiterhin die Vorstellung v sukzessiv in ein entfernteres und ein näheres Objekt o und o' nebst den entsprechenden Verbalvorstellungen v' und v" zweiter und dritter Ordnung getrennt werden kann, so lassen sich die untergeordneten Glieder s, r, o ... als Subjekte s1, s2, s3 einfacher Denkakte, die Glieder a', v', v" ... aber als deren Prädikat p1, p2, p3 ... darstellen. Es ist also z.B. Auf dem nämlichen Verhältnis beruth es, daß die Subjektsvorstellung in allen den Fällen vorangeht, wo die innere Beziehung der Bestandteile des Gedankens unmittelbar auch den äußeren Verlauf der Vorstellungen bestimmt. Aber jene Beziehung ist hier nicht das allein maßgebende. Die Reihenfolge der Elemente des einfachen Urteils ist veränderlich, indem ebensowohl das Prädikat dem Subjekt, wie dieses jenem vorangehen kann. Diese Umkehrbarkeit, die freilich wesentlich von Gewohnheiten der Sprache mitbedingt ist, erstreckt sich dann auch auf die übrigen binären Verbindungen, die attributive, adverbiale, objektive. In alen diesen Fällen wird sichtlich jedesmal die vorangestellte Vorstellung in der Apperzeption bevorzugt. Je nach der Natur dieser Vorstellung gewinnt dann das Denken einen eigentümlichen Charakter. So bewirkt das Vorausgehen des Prädikats eine größere Lebendigkeit des Ausdrucks, indem hierbei jene Vorstellungen, welche sich auf ein Handeln oder Geschehen beziehen, durchweg energischer und daher vor den anderen apperzipiert werden. Eine größere Anschaulichkeit gewinnt dagegen der Gedanke, wenn das Hauptwort seinem Attribut, das Zeitwort den zu ihm gehörigen adverbialen Bestimmungen voransteht, weil zur Anschaulichkeit vor allem erforderlich ist, daß die Vorstellungen der Gegenstände und Handlungen sich deutlich von den zu ihnen gehörigen näheren Bestimmungen sondern und daher bevorzugt werden in der Apperzeption. In bewundernswerter Weise haben die klassischen Sprachen vermöge der Freiheit der syntaktischen Bewegung, die sie sich gestatten, Anschaulichkeit und Lebendigkeit miteinander zu vereinen gewußt, indem sie im allgemeinen der Regel folgen, in einfachen Urteilen, also immer in den verbalen Flexionsformen, häufig aber auch in einfacheren Sätzen, das die Handlung ausdrückende Prädikat, bei längeren Gedankenverbindungen dagegen das den Gegenstandsbegriff enthaltende Subjekt voranzustellen. Bei den attributiven und adverbialen Bestimmungen und ebenso beim Objekt lassen sie dagegen die Stellung wechseln, je nachdem diese oder jene Vorstellung stärker apperzipiert werden soll. In den meisten modernen Sprachen sind die Forderungen der Anschaulichkeit und Lebendigkeit überhaupt zurückgetreten, sie kommen fast nur noch in poetischen Redeformen zur Geltung; dafür ist die oben hervorgehobene innere Beziehung der Bestandteile des Gedankens, also der logische Gesichtspunkt, vorzugsweise entscheidend geworden. Ein verwandtes Hilfsmittel, um dem Denken und seiner äußeren Form Anschaulichkeit und Lebendigkeit zu verleihen, besteht darin, daß Verschlingungen des Gedankens eintreten, indem die zusammengehörigen Elemente der Subjekts- und der Prädikatvorstellung voneinander getrennt werden. Vermöge solcher Verschlingungen wird die Zusammengehörigkeit aller Teile des Gedankens ungleich deutlicher empfunden, namentlich dann, wenn zugleich das herrschende Subjekt und herrschende Prädikat an Anfang und Ende des Satzes gestellt werden, so daß sie alle die zu ihnen gehörigen Nebenbestandteile umschließen in der Form: Das Gesetz der Zweigliederung, welches auch unter diesen speziellen Bedingungen seine Gültigkeit bewahrt, kann seine psychologische Erklärung nur in den allgemeinen Eigenschaften der Apperzeption finden und es ist seinerseits geeignet, diese Eigenschaften heller ins Licht zu setzen. Zunächst hat das Gesetz die Bedeutung, daß in einem Gedankenzusammenhang je eine Vorstellung mit einer anderen näher verbunden ist, als mit allen übrigen. Aber da die Zweigliederung regelmäßig in Untergliederungen vorwärts schreitet, so liefert sie außerdem den direkten Beweis für die schon oben berührte Voraussetzung, daß jeder Gedanke zuerst in unserem Bewußtsein als ein Ganzes enthalten ist, das sich dann sofort in seine Bestandteile sondert, indem es sich zunächst in zwei Teile gliedert, worauf sich dann an jedem dieser Teile der nämliche Vorgang wiederholen kann, usw. Da dieser Vorgang stets nur in einer Zwei teilung besteht, so weist er endlich unmittelbar darauf hin, daß in einem gegebenen Zeitmoment nur ein einziger logischer Denkakt möglich ist. Das Gesetz der Zweigliederung fordert demnach die beiden Annahmen:
2) der logische Gedankenverlauf ist ein rein sukzessiver. Jede einmalige Teilung eines Ganzen ist aber notwendig eine Zweiteilung und der Satz, daß jeder Gedanke nach dem Prinzip der Zweiteilung aufgebaut ist, schließt also unmittelbar das Nebeneinander mehrerer zerlegender Denkakte aus. Dieser sukzessive Verlauf des Denkens ist es, was man nach dem Vorgang von LEIBNIZ als dessen diskursive Beschaffenheit bezeichnet hat, ohne jedoch über Form und Bedingungen derselben Rechenschaft abzulegen. Wir werden künftig unter diesem Ausdruck stets die Gesamtheit der hier erörterten Verhältnisse verstehen. Nicht alle Gliederungen des Gedankenverlaufs, welche uns im sprachlichen Ausdruck entgegentreten, lassen sich jedoch auf eine Zweiteilung zurückführen und selbst nicht alle Zweiteilungen, die wirklich vorkommen, stammen von jenem Prinzip her, das die apperzeptiven Verbindungen des diskursiven Denkens beherrscht. Solche Ausnahmen entstehen regelmäßig dadurch, daß auch assoziative Vorstellungsreihen in einen logischen Gedankenverlauf aufgenommen werden können. Prüfen wir z. B. einen Satz wie den folgenden: "Petrus und Paulus predigten und schrieben Briefe," so könnte es scheinen, als wenn hier zunächst sowohl das Subjekt wie das Prädikat eine Zweiteilung erfahren habe und dann noch einmal der zweite Teil des Prädikats in Verbum und Objekt zu gliedern sei. Eine derartige Darstellung würde aber psychologisch nicht zutreffen. Vielmehr sind es offenbar vier selbständige Gedanken, die hier in einen zusammengezogen sind und die wir darstellen können durch die Formeln: Auf diese Weise wird zwar der eigentliche Aufbau des Gedankens stets vermittelt durch die logischen Verbindungen der Vorstellungen, aber neben ihnen spielen doch auch Assoziationen eine wichtige Rolle, indem sie vielfach die Gliederung und Zusammenfassung der Bestandteile im einzelnen bestimmen. Auch die Sprache trägt dieser Rolle Rechnung, indem bestimmte Wortformen nur aus dem Bedürfnis der assoziativen Verknüpfung hervorgegangen sind. Es sind vor allen Dingen die Konjunktionen, welche ursprünglich diese Funktion besitzen. Indem sie zunächst die sinnliche Bedeutung eines Zusammenseins oder Folgens in Raum oder Zeit haben, sind sie geeignet, die Gedankenbewegung auf mehrere assoziativ miteinander verbundene Gesamtvorstellungen zu erstrecken. Doch haben einzelne Konjunktionen im Laufe der Entwicklung eine logische Bedeutung angenommen und sind dadurch dann auch in den Dienst der apperzeptiven Gedankengliederung übergetreten. (3) Wenn mehrere einfache oder zusammengesetzte Denkakte miteinander in eine innere Verbindung treten, so ensteht eine Verkettung der Gedanke. Sie kann entweder dadurch bewirkt werden, daß ein erster Denkakt durch Assoziation einen zweiten hervorruft oder es kann die Verbindung eine apperzeptive sein, indem sie auf den nämlichen aktiven Energie beruth, welche die Gliederung der Vorstellungen in den einzelnen Denkakten beherrscht. Zur Unterscheidung beider Formen gibt es keine sicheren objektiven Merkmale. Ein ursprünglich durch Assoziation entstandene Verbindung kann nachträglich logische Bedeutung gewinnen, ja wahrscheinlich ist das die gewöhnliche Art, in der Verkettungen der zweiten Form entstehen. Denn das entscheidende Kriterium für die letztere besteht darin, daß sich bei ihr die Apperzeption nicht an diejenigen Vorstellungen bindet, welche in einem gegebenen Fall die Assoziation am meisten begünstigt, sondern daß sie denjenigen auswählt, welche durch ihre logische Beziehung bevorzugt sind. Man hat auch diese Art der Beziehung als eine logische Assoziation den übrigen Formen der letzteren anzureihen gesucht. Dabei kommt aber der wesentliche Unterschied gar nicht zur Geltung, daß solche von logischen Rücksichten bestimmte Verbindungen stets vom unmittelbaren Bewußtsein einer spontanen Denkhandlung begleitet werden, während wir, wenn reine Assoziationen entstehen sollen, möglichst passiv den in uns auftauchenden Vorstellungen uns überlassen müssen. Hieraus ist aber auch klar, daß zwar gewisse Verbindungen schon objektiv ihren assoziativen oder apperzeptiven Charakter verraten werden, daß aber der entscheidende Punkt stets der subjektive Zustand unseres Bewußtseins ist. So wird z. B. die Verbindung der beiden Urteile "Gold ist gelb, Gold ist glänzend" dann als eine assoziative Gedankenkette anzusprechen sein, wenn der zweite Denkakt lediglich der gewohnheitsmäßigen Assoziation der Vorstellung "glänzend" mit den beiden vorangegangenen Vorstellungen seinen Ursprung verdankt und abgesehen davon, daß unter anderen gleich möglichen Assoziationen diese zuerst verfügbar wurde, keine dieselbe begünstigende Bedingung stattgefunden hat. Dagegen wird die Verbindung "Gold ist ein Metall, Gold ist schmelzbar" dann eine apperzeptive sein, wenn entweder der zweite Denkakt den ersten in Bezug auf einzelne dem Gold zukommende Eigenschaften näher zu erläutern sucht oder wenn man durch Eigenschaften, die sich am Gold darbieten, die wesentlichen Eigenschaften eines Metalls finden will. Im allgemeinen wird man in solchen Fällen die folgende Apperzeption als das Resultat einer Wahl zwischen mehreren Denkakten betrachten können, die sich gleichzeitig durch Assoziation darbieten. Wo zufällig eine solche Wahl nicht nachweisbar ist, sondern unmittelbar die Apperzeption des logisch Passenden stattzufinden scheint, da wird man doch den Prozeß als einen im wesentlich übereinstimmenden ansehen dürfen, da jenes unmittelbare Bewußtsein aufgewandter Denkenergie sich in solchen Fällen ebenfalls vorfindet. Die assoziativen Verkettungen der Urteile können wir hier unberücksichtigt lassen. Es genügt die Bemerkung, daß sie den nämlichen Regeln folgen wie die Assoziationen der Vorstellungen, indem sie sich von diesen eben nur dadurch unterscheiden, daß sich nicht einzelne Vorstellungen, sondern Urteilsverbindungen nach inneren oder äußeren Beziehungen aneinander schließen. Die apperzeptiven Gedankenketten aber lassen sich in einfache und zusammengesetzte unterscheiden. Einfach werden wir eine Verkettung nennen, die sich bloß zwischen zwei einzelnen Denkakten, mögen diese selbst nun einfach oder zusammengesetzt sein, gebildet hat: zusammengesetzt eine solche, die sich über eine größere Anzahl von Denkakten erstreckt. Zwei miteinander verbundene Urteile können nun diese ihre Verbindung entweder irgendwelchen einzelnen Vorstellungen, die sie enthalten oder aber einer Beziehung verdanken, welche nur zwischen dem gesamten Inhalt der Urteile besteht, ohne daß irgendwelche einzelne Elemente miteinander übereinstimmten. Die beiden Verbindungen können also, wenn wir die Verkettung symbolisch durch einen Bogen unter der Zeile andeuten, die Formen besitzen: Verkettungen von mehr als zwei Denkakten können sich entweder in solcher Weise bilden, daß der erste mit einem zweiten, dieser mit einem dritten verbunden ist, usw., oder aber so, daß irgendeiner der späteren Denkakte mit mehreren vorangegangenen gleichzeitig in Verbindung steht. Wir können das letztere eine Verwebung der Gedanken nennen. Eine fortschreitende Verkettung würde z. B. folgendermaßen dargestellt werden: Ein charakteristischer Unterschied der apperzeptiven Verbindungen von den Assoziationen tritt hier, wie in den vorigen Fällen, darin zutage, daß die Assoziation am ungestörtesten dann vonstatten geht, wenn sie zu immer neuen Vorstellungen überführt, wie dies z. B. die zeitliche Assoziation der Zahlreihe zeigt. In der apperzeptiven Verbindung der Gedanken dagegen sind wir immer bestrebt, nicht bloß den neuen Denkakt an den unmittelbar vorangegangenen, sondern zugleich an die früheren, womöglich an den Anfang der Gedankenreihe anzuknüpfen und so die bloße Verkettung in eine Verwebung der Gedanken umzuwandeln. Schon bei der einfachsten, aus bloß zwei Denkakten bestehenden Gedankenkette geschieht das dadurch, daß wir einen dritten Denkakt hinzufügten, der jene Verwebung herstellt. Es sind uns gegeben zwei irgendwie verkettete Urteile , sei es, daß dieselben durch die Anregung der äußeren Erfahrung oder durch willkürliche Kombination von Vorstellungen entstanden sind, - immer wird unsere Apperzeption in diesem Fall geneigt sein, von sich aus einen dritten Denkakt oder hinzuzufügen, der die einfach fortschreitende Kette zu einer rückkehrenden macht und so eine Verwebung erzeugt. Diese Wirkung der aktiven Apperzeption ist derjenige psychologische Vorgang, welcher dem Syllogismus zugrunde liegt. Es ist bemerkenswert, daß die dreigliedrige Form des einfachen Schlusses abermals nur eine Folge jenes Gesetzes der Zweigliederung ist, unter dessen Herrschaft wir das Denken überall fanden. Dieses Gesetz fordert, daß der abschließende Denkakt, welcher die Verwebung einer Gedankenkette herstellt, wie jeder andere Denkakt, aus zwei Hauptvorstellungen besteht, die miteinander in Beziehung gesetzt sind. Der einfachste Fall dieser Art ist aber dann gegeben, wenn die Gedankenkette, zu der er hinzutritt, selbst nur aus zwei Gliedern zusammengesetzt ist. Natürlich ist die Bildung von Verwebungen der Gedanken hierauf nicht beschränkt. Eine Gedankenkette kann durch mehrere Glieder hindurch fortschreitend sein und dann erst zu einem Element des Anfangsgliedes zurückkehren, also etwa die Form haben: Die aus Totalverbindungen hervorgehenden zusammengesetzten Gedankenketten tragen ursprünglich in der Regel den assoziativen Charakter an sich. Wir verknüpfen eine größere Reihe von Denkakten, die kein Element miteinander gemein haben, vor allem dann, wenn durch dieselben eine Anzahl zeitlich oder räumlich verbundener, aber verschiedenartiger Tatsachen ausgedrückt wird. Eine zusammenhängende Erzählung oder Beschreibung erfolgt also z. B. in der Form der Reihe: Auch darin verrät diese Verkettung ihren Ursprung aus der Assoziation, daß sie häufiger die Beschaffenheit einer fortschreitenden Reihe behält. Wo es aber geschieht, daß sie zur rückkehrenden Reihe wird, da kann dies nicht durch die bloße Wiederkehr einzelner Elemente, sondern nur durch diejenige ganzer Verbindungen bewirkt werden, also z. B. Begriffsbildung und dem Gedankenverlauf Indem das Wesen des Begriffs seiner psychologischen Entwicklung gemäß darin besteht, daß derselbe mehrere Vorstellungen zueinander in Beziehung setzt, tritt die Bildund der Begriffe notwendig in einen innigen Zusammenhang mit der Entwicklung des apperzeptiven Gedankenverlaufs. Denn auch die einzelnen Vorstellungen, die in den letzteren eintreten, werden durch das Denken zueinander in Beziehung gebracht. Jede Vorstellung, die am Gedankenverlauf teilnimmt, gewinnt dadurch schon, abgesehen von der Bedeutung, die ihr an und für sich zukommen mag, einen begrifflichen Charakter. Hieraus geht zugleich hervor, daß jene beiden Vorgänge, welche wir hier zunächst einer getrennten psychologischen Analyse unterwerfen mußten, in Wirklichkeit notwendig gleichzeitig sich entwickeln. Diese Wechselbeziehung findet nun noch weiterhin darin ihren Ausdruck, daß einerseits der Gedankenverlauf die Bedingung ist für die Weiterentwicklung der Begriffe und daß andererseits eigentümliche Formen des Gedankenverlaufs aus der Zerlegung der Begriffe hervorgehen. Als die primäre psychologische Form, in der Begriffe in uns entstehen, ist schon nach den Zeugnissen der Sprache stets die früher geschilderte Synthese einer herrschenden Vorstellung mit einer Reihe einzelner Vorstellungen vorauszusetzen, woran dann jene Vorgänge des Bedeutungswechsels und der Verdrängung der herrschenden Vorstellung durch Sprachlaut und Schriftbild sich anschließen, durch welche aus dem anfangs noch in der sinnlichen Anschauung befangenen Begriff ein immer brauchbareres Hilfsmittel des Denkens gemacht wird. Nachdem aber auf diese Weise das Wort zu einem Symbol von willkürlich veränderlichem Wert geworden ist, kann der logische Gedankenverlauf benützt werden, um entweder vorhandene Begriffe unzuwandeln oder neue Begriffe zu bilden. Vor allem sind es jene Reihen, welche der induktiven Gedankenentwicklung zugrunde liegen, die in dieser Weise zur Vervollständigung vorhandener Begriffe und zu neuer Begriffsbildung führen. Wenn z. B. die oben AB, AC ... A'B, A'C ... die einfachen Wahrnehmungsurteile bedeuten: "Pflanzen bewegen sich, wachsen, pflanzen sich fort, sterben ab ..." "Tiere leben, wachsen usw.", so hat der resultierende Denkakt die Bedeutung: Pflanzen und Tiere gleichen sich in den angegebenen Eigenschaften. Hierdurch entsteht nun das Bedürfnis, diese gemeinsamen Eigenschaften in einen neuen Begriff zusammenzufassen. Dies geschieht, indem zunächst eine derselben als herrschende Vorstellung ausgesondert wird. offenbar haben sich die Begriffe Tier und Pflanze selbst schon auf diesem Wege eines diskursiven Denkens gebildet, da, wie die geschichtliche Entwicklung der Sprache bezeugt, der Mensch Jahrtausende lang einzelne Tiere zu bezeichnen wußte, ehe er einen Ausdruck für die Gesamtheit der Tiere fand. (4) Bei den wissenschaftlichen Begriffen ist das jedenfalls die regelmäßige Entstehungsweise. In der Bezeichnung solch künstlich gebildeter Begriffe schließt sich aber die Wissenschaft ganz und gar dem ursprünglich von der Sprache geübten Verfahren an. Sie wählt eine einzelne Eigenschaft, die keineswegs eine konstante zu sein braucht, als herrschende Vorstellung. Wir nennen einen "Organismus", was in gewissen Fällen der Organe entbehrt, viele der in der Biologie sogenannten "Zellen" sind solide Gebilde, von zahlreichen "Fixsternen" wissen wir, daß sie eine eigene Bewegung besitzen. Der einzige Unterschied von den ursprünglichen Begriffen besteht somit darin, daß die Verbindung der Vorstellungen nicht aus Assoziation und apperzeptiver Synthese, sondern aus diskursiven Gedankenreihen hervorgegangen ist. Von da an verläuft dann die Begriffsbildung in der allgemein gültigen Weise und insbesondere sind es auch hier die Verdichtungen und Verschiebungen der Vorstellungen, welche in ausgiebiger Weise benützt werden, um die Begriffe zu modifizieren und den sich verändernden Bedürfnissen des praktischen Lebens oder der Wissenschaft anzupassen. Wie nach dem vorigen aus dem Gedankenverlauf eine Begriffsbildung entspringen kann, so können umgekehrt aus einem Begriff Gedankenreihen hervorgehen, die regelmäßig, da sie durch den ursprünglichen Begriff zusammenhängen, die Form der Verkettung und häufig außerdem, wenn die Reihen rückläufig werden, die Form der Verwebung der Denkakte besitzen. Eine solche Gedankenentwicklung aus Begriffen ereignet sich immer dann, wenn ein im Denken festgehaltener Begriff sukzessiv mit einer Reihe anderer Begriffe in Beziehung gesetzt wird. Jedem einzelnen Denkakt liegt, wie wir sahen, eine Gesamtvorstellung zugrunde. Bald kann nun aber die Verbindung diese Gesamtvorstellung sein, die in A und B als ihre Teile gegliedert wird, bald ist jene in A oder B schon enthalten, worauf dann im ersten Fall B; im zweiten A von ihr ausgesondert wird. Sobald nun A, das erste Element eines Denkaktes , die Gesamtvorstellung ist, zu der das zweite B besonderer Bestandteil gehört, kann immer leicht eine Reihe ähnlicher Denkakte usw. gebildet werden, in denen sukzessiv andere Bestandteile C, D E ... der Vorstellung A zusammengehalten wird. Eine solche Kette ... stellt die Zerlegung eines Begriffs in seine Teile dar. Bilden dagegen die beiden Glieder einer solchen Kette gesonderte Gesamtvorstellungen, die aber sämtlich das Element A miteinander gemein haben, so drückt jeder Denkakt der Reihe eine Bezieung des Begriffs A zu den anderen Begriffen aus. Eine Gedankenkette dieser Art hat dann die Bedeutung, daß sie einen Begriff durch eine Reihe anderer Begriffe bestimmt, mit denen derselbe in irgendeinem Denkverhältnis steht.' An und für sich kann eine Kette, die auf diese oder jene Weise ein gemeinsames Element enthält, beliebig viele Glieder besitzen und diese können in jeder möglichen Ordnung aufeinander folgen. bei einem planmäßigen Gedankenverlauf werden aber immer die Glieder der Kette nach einer gewissen Regel geordnet. Diese Regel besteht darin, daß die Reihenfolge, in welcher die mit A verbundenen Begriffe B, C, D, E ... auftreten, in absteigender Stufenfolge die Verwandtschaft bezeichnet, die zwischen ihnen und jenem ursprünglichen Begriff A vorgestellt oder erkannt wird. Eine in dieser Weise regelmäßig gebildete Reihe ist für unser Denken die naturgemäße, da dasselbe die näheren Beziehungen im allgemeinen vor den entfernteren auffinden wird. Insbesondere ist das letztere dann notwendig der Fall, wenn das Denken auf die Verbindung zwischen zwei Elementen A und C erst durch diejenigen Verbindungen geführt wird, in denen sich beide zu einem zwischen ihnen gelegenen Element B befinden. In diesem Fall kann zwischen den Denkakten und immer ein mittlerer Denkakt ergänzt werden, welcher zwar in unserem psychologischen Denken wegbleiben mag, aber doch hinzugefügt werden muß, wenn wir uns darüber deutliche Rechenschaft geben wollen, warumm wir von zu gelangt sind. Die durch diese Ergänzung entstandene dreigliedrige Reihe bildet die Grundform des einfachen Schlusses. Psychologisch entspringt demnach der begriffliche Schluß aus einer Gedankenkette, die durch einen Hauptbegriff (A) zusammengehalten und bei welcher der Übergang vom ersten zum letzten Glied durch einen oder mehrere zwischenliegende Denkakte vermittelt wird. Ist es nur ein Denkakt, der diese Vermittlung herbeiführt, so ist der Schluß ein einfacher; sind dazu mehrere Denkakte erforderlich, so entsteht dei Form des Kettenschlusses. Nicht notwendig braucht aber diese Einschaltung in unserem psychologischen Denken wirklich vollzogen zu werden. Von einer Verbindung können wir ohne weiteres zu einer anderen fortschreiten, indem die vermittelnde nicht als ein gesonderter Akt in den diskursiven Gedankenverlauf eintritt, sondern höchsten während apperzipiert wird, in die dunkleren Regionen des Bewußtseins eintritt. Überall geschieht das, wo der Übergang sich leicht vollzieht, sei es weil auch ohne das vermittelnde Zwischenglied auf übergleitet, sei es weil nur leise auf unser Bewußtsein zu wirken braucht, um alsbald den erstrebten Denkakt herbeizuführen. So kommt es, daß, wo sich die Verbindungen ungehemmt vollziehen, in der Regel unser psychologisches Denken die eine der Prämissen des Schlusses unterdrückt. In der aus dem Begriff hervorgehenden Gedankenentwicklung bildet übrigens der Schluß zwar ein wichtiges, aber keineswegs das allein logisch bedeutsame Gebilde. Vielmehr haben alle Verbindungen des Urteils, in denen sich eine planmäßige auf bestimmte Zwecke des Denkens gerichtete Ordnung kundgibt, ihren logischen Wert. So ist, um unter diesen Verkettungen der Gedanken nur die ausgezeichnetsten zu nennen, jene einfache Verbindung von Denkakten, die durch einen gemeinsamen Begriff A hergestellt wird, also die Kette Zusammengesetzte Gedankenketten liegen den systematischen Formen der Klassifikation und Beweisführung zugrunde. Beide sind dadurch unterschieden, daß bei der ersteren stets bloße Verkettungen, bei der letzteren außerdem Verwebungen in die Gedankenreihen eintreten. Bei der Einteilung eines Begriffs wird derselbe zuerst als Gesamtvorstellung apperzipiert und es werden dann mit ihm die einzelnen Teile verbunden, in die er sich zerlegen läßt. Der Begriff als Gesamtvorstellung wird so zum Subjekt, die Teilvorstellungen zusammen werden zum Prädikat eines Urteils. In der Regel sind hierbei die Teile des Prädikats zunächst assoziativ mit einander verbunden und die Begriffszerlegung entpricht also ursprünglich der allgemeinen Formel Aus der Einteilung geht eine der Klassifikation entsprechende Bewegung des Denkens hervor, wenn sich der nämliche Vorgang, der beim Subjektbegriff A stattfand, sukzessiv an allen oder einzelnen der Glieder B1, B2, B3 ... des Prädikats wiederholt, so daß hier neue Einteilungsurteile entstehen von der Form usw. Doch sind diese Vorgänge durchweg schon so sehr durch die logische Kultur des Geistes beeinflußt, daß ihre nähere Betrachtung in die logische Darstellung zu verweisen ist. |