tb-1R. KronerPhilosophisches WörterbuchÜber WahrheitJ. H. Witte    
 
AUGUST MOELTZNER
Salomon Maimons erkenntnistheoretische
Verbesserungsversuche der Kantischen Philosophie


"Daß Kant in der Aufstellung eines Ding ansich inkonsequent verfahren ist, hatte schon 3 Jahre vor Maimons  Transzenden- talphilosophie  Jacobi entdeckt, der in seiner Schrift über  David Hume  gegen den Kantischen Ding-ansich-Begriff polemisierend ins Feld zog und den Widerspruch nachzuweisen suchte, in den sich die Vernunftkritik als transzendentaler Idealismus notwendig verwickeln muß, wenn sie die Realität der Außenwelt, der Dinge-ansich verneint, aber doch einen wirklichen Eindruck derselben auf das erkennende Subjekt statuiert."

Einleitung

Vorliegende Arbeit ist hervorgerufen durch das Interesse an einem Mann, der, nun beinahe ein Jahrhundert tot, wohl einer der seltsamsten Autodidakten und originellsten Denker gewesen ist, welche je die Geschichte der Philosophie aufzuweisen gehabt hat. Man muß staunen, wie dieser Mann, der in den drückendsten und elendsten Jugendverhältnissen aufgewachsen, als elfjähriger unreifer Knabe verheiratet, sogar einen Teil seines Lebens als zerlumpter Betteljude vagabondierend durch die Welt zu ziehen gezwungen war, ohne jede philosophische Vorbildung, aber mit zäher und eiserner Willenskraft versehen, eine solche Geistesschärfe erlangte, daß KANT ihn als den bedeutendsten und scharfsinnigstens unter seinen Gegnern anerkannte und FICHTE vor seinem Talent eine "grenzenlose Achtung" bezeugte.

Daß dieser Mann trotzdem bereits an der Schwelle des 19. Jahrhunderts, also kurz nach seinem Tod so gut wie vergessen war und nur noch eine lobende Erwähnung seitens SCHELLINGs wegen seiner "Neuen Logik" fand, hat seinen Grund wohl hauptsächlich darin, daß er infolge seiner späten Erlernung der deutschen Sprache einen sehr schwerfälligen, in seinen Werken auch schwer verständlichen, oft inkorrekten Stil schreibt, und daß ferner seine Verbesserungsversuche der kritischen Philosophie eben meist nur Versuche geblieben sind, die wohl den Weg bahnten, auf dem die Lösung des Problems vor sich gehen mußte, diese Lösung selbst aber nicht erreichten.

Den Ruhm, Salomon Maimon dem Dunkel der Vergessenheit entrissen zu haben, kann J. E. ERDMANN mit Recht in Anspruch nehmen, der uns in seiner "Geschichte der neueren Philosophie" eine ziemlich ausführliche Darstellung des MAIMONschen Systems bietet. MAIMON ist ferner behandelt in dem größeren geschichtsphilosophischen Werk von KUNO FISCHER, von EDUARD ZELLER (Geschichte der deutschen Philosophie und von WITTE in einer Abhandlung "Salomon Maimon. Die merkwürdige Schicksale und die wissenschaftliche Bedeutung eines jüdischen Denkers." Berlin 1876. Sie gibt eine ausführliche Biographie MAIMONs, sonst aber über das Maimonsche System nichts, was nicht schon in den eben angeführten Werken sich vorfände. Interessante Erörterungen in MAIMONs Schriften, die den modernen philosophischen Standpunkt streifen, vor allem die mit seiner Philosophie verwobenen Vorahnungen eines erkenntnistheoretischen Monismus sind der nähere Anlaß gewesen die MAIMONschen erkenntnistheoretischen Verbesserungsversuch in dieser Arbeit zu beleuchten.

Doch ehe wir hierzu selbst übergehen, wird es zum leichtern Verständnis dienlich sein, wenn wir zur vorläufigen Orientierung über den Stand des Erkenntnisproblems die beiden Hauptpunkt der Kantischen "Kritik der reinen Vernunft", welche vor allem der Nachkantischen, also oauch der MAIMONschen Philosophie entwicklungsbedürftig schienen, kurz angeben:

KANT hatte in der "Kritik der reinen Vernunft" zur Beantwortung der Frage nach dem Zustandekommen unserer Erkenntnis zwei Stämme unseres Erkenntnisvermögens angenommen, Sinnlichkeit und Verstand, deren gemeinschaftliche einheitliche Wurzel er wohl ahnte, (1) die er aber nicht anzugeben vermochte. Der erstere der beiden Faktoren, die Sinnlichkeit galt als das Vermögen der Rezeptivität d. h. als der Vermögen Eindrücke zu empfangen, zu empfindenn oder auf mannigfaltige Art affiziert zu werden; und diese Sinneseindrücke bilden den Stoff der Erscheinungen, unser Erkenntnismaterial, welches der andere Faktor, der Verstand als das Vermögen der Spontaneität nach den ihm innewohnenden Gesetzen zu ordnen hat und zu anschaulichen Gegenständen verknüpft.

Diese Trennung von Sinnlichkeit und Verstand als Stämmen unserer erkennenden theoretischen Vernunft, und das Streben dieselben auf ihre gemeinsame Wurzel zurückzuführen und damit unserem Wissen ein einheitliches, sicheres Fundament zu geben, ist der eine Punkt des Problems, dessen Lösung sich die MAIMONsche Philosophie zur Aufgabe stellt: der andere ist die Beseitigung des Kantischen "Ding ansich", das sich für KANT ergab bei der Frage nach der Ursache und der Quelle jener Sinneseindrücke und Sinnesempfindungen. Da diese den Stoff zu den Erscheinungen und den sinnlich erkennbaren Objekten ausmachen, kann ihre Quelle selbst keine Erscheinung, kein erkennbarer Gegenstand sein, es muß dann dieser unbekannte und unerkennbare Gegenstand sein, es muß dann dieser unbekannte und unerkennbare Gegenstand ein außerräumliches und außerzeitliches Substrat der Erscheinungswelt sein, das transzendentale  X,  das "Ding ansich", das jenseits der Grenze unserer Erkenntnistätigkeit einer jeden Erscheinung zugrunde liegt.

Es lag in der Natur der Sache, daß an diese beiden Punkte, welche die grundlegenden Momente des Erkenntnisproblems waren, die kritische Philosophie notwendig in ihrer Weiterentwicklung anzuknüpfen hatte: an das einheitliche Erkenntnisprinzip, das Bewußtsein als positiven, und an das "Ding ansich" als negativen Faktor unserer Erkenntnis. Und zwar boten sich dem ersten Blick wohl drei Wege, auf denen eine Weiterentwicklung möglich scheinen mußte, während freilich nur einer derselben in Wirklichkeit zum richtigen Ziel führen konnte.

Entweder man läßt das Ding ansich in seiner Unerkennbarkeit bestehen, so liegt für die skeptische gegen die kritische Philosophie der Einwurf klar auf der Hand: Wenn wir das Ding ansich gar nicht kennen, warum wird es dann überhaupt gesetzt? und es wäre damit die kritische Philosophie auf die Klippen des Skeptizismus zurückgeschleudert, die sie doch glücklich umschifft zu haben meinte. Oder es wird das Ding ansich als erkennbar gesetzt, dann würde die kritische Philosophie in den alten dogmatischen Realismus zurückfallen, mit dessen Vernichtung und Überwindung sie sich doch gerade brüstete.

Auf diesen beiden Wegen also konnte die Fortbildung der kritischen Philosophie nicht vor sich gehen: Es blieb nur die dritte Möglichkeit übrig, das Ding ansich in seiner Geltung vollständig zu beseitigen, so daß  das Bewußtsein allein als Erkenntnisprinzip  übrig bleibt, welches alles Seiende in sich faßt und nichts neben und außer sich bestehen läßt. Diesen  befreienden  Schritt vollzieht MAIMON, und wir wollen nun sehen, in welcher Weise er seine Aufgabe gelöst hat.



I.
Bewußtsein überhaupt und Ding ansich

"Der oberste Gattungsbegriff, die allgemeinste und daher unbestimmteste Funktion" (2) unseres Erkenntnisvermögens, die allen seinen Äußerungen zugrunde liegt, und ohne welche alle übrigen Funktionen unmöglich sind, ist für MAIMON das "Bewußtsein oder das Wissen überhaupt", welches in unserer Sprache eben darum, weil es die allgemeinste Funktion ist, durch keinen adäquaten Ausdruck bezeichnet werden kann (Log 244) (3). Dies tut aber auch, mein MAIMON, nichts zur Sache, denn der Begriff ist einmal da und kündigt sich bei einem jeden  denkenden  Wesen von selbst laut genug an. Dieses Bewußtsein selbst, welches MAIMON auch einmal als  "Denken im weitesten Sinne  des Wortes, als  Denken überhaupt"  bezeichnet, (Trph 16) drückt nicht die einfache sich auf alle Gegenstände beziehende Handlung des Erkenntnisvermögens aus, sondern schließt zugleich das Subjekt, welches sich eines Etwas bewußt ist, und das Objekt, dessen es sich bewußt ist, mit ein.  Was kein Gegenstand eines möglichen Bewußtseins ist, ist auch kein Gegenstand des Erkenntnisvermögens überhaupt.  (Log 15 und Kat 100)

MAIMON trifft hier in der Tat in der Analyse des Bewußtseins die enge und notwendige Verbindung von Denken und Sein, von vorstellendem Seiendem und vorgestelltem Seienden als die unzertrennlichen Momente des Bewußtseins; und es ist dies eine tiefe Einsicht MAIMONs, das  "Bewußtsein überhaupt"  als  die unentbehrliche Grundlage,  die unerläßliche Bedingung aufgestellt zu haben, daß überhaupt für den erkennenden Menschen eine Welt existieren kann. Nicht für sich allein hat es Geltung und Bestand, sondern es schließt zugleich das Bewußtseins-Subjekt wie auch das Bewußtseins-Objekt in sich ein, und eine Welt, d. h. alles, was da ist, würde keine Existenz haben, wenn sie nicht eben in diesem erkennenden Bewußtsein enthalten wäre.

Mit Recht folgert MAIMON dann weiter: Alle Funktionen des Erkenntnisvermögens (empfinden, denken, vorstellen, erkennen etc.) gehören zum "Bewußtsein überhaupt", welches sich in einer jeden von ihnen auf besondere Art äußert; und alle diese besonderen Äußerungen desselben können als seine besonderen Arten betrachtet und erklärt werden, während  es selbst nicht erklärt  werden kann. Denn da es der höchste Gattungsbegriff aller unserer Erkenntnisfunktionen ist, eine "Definition aber ein  genus proximum  und die  differentia specifica  erfordert, so ist zu ersehen, daß das Bewußtsein überhaupt nicht zu definieren ist, ebensowenig, wie es sich als Tatsache  durch Merkmale  darstellen läßt, den ein jedes Merkmal, das man zu seiner Erklärung angeben wollte, setzt dasselbe schon voraus." (Streif 195, Log 16)

Dieses  "Bewußtsein überhaupt"  (4) als die allgemeinste Form unseres Erkenntnisvermögens kann nun, wenn es abgesehen von den bestimmten Objekten, auf die es sich richtet, betrachtet wird, als das "unbestimmte Bewußtsein" bezeichnet werden, welches erst zu einem "bestimmten Bewußtsein" wird durch das Objekt, den Gegenstand, auf den es sich bezieht, d. h. die Erkenntnis dieses Objekts macht erst ein  bestimmtes  Bewußtsein aus. das unbestimmte Bewußtsein liegt einem jeden bestimmten Bewußtsein, d. h. einer jeder besonderen Erkenntnis  zugrunde;  "es ist das unbekannte  X,  das in einem jeden bestimmten Bewußtsein einen bestimmten Wert  a b c d  etc. erhält." (Kat 143) Die  besondere Bestimmung  in einem jeden bestimmten Bewußtsein ist der  Gegenstand  desselben, welcher durch Reflexion als etwas vom "Bewußtsein überhaupt" Verschiedenes, aber doch  ohne dasselbe Unmögliches  gedacht wird.

Dieses MAIMONsche "Bewußtsein überhaupt", welches also die notwendige Bedingung ist für eine jede Operation des Erkenntnisvermögens, ohne welches keine Anschauung, keine Vorstellung, kein Gedanke und kein Begriff möglich ist, ist nur das zentrale Erkenntnisprinzip, welches die Kantischen Erkenntnisquellen Sinnlichkeit und Verstand vereinigt und ihren prinzipiellen Gegensatz aufhebt. Es kann in dem Sinne, daß es einen jeden Denkakt notwendig begleiten und ihm zugrunde liegen muß, mit der Kantischen "synthetischen Einheit der Apperzeption" verglichen und zusammengestellt werden, welche, mit SCHOPENHAUER gesprochen, "gleichsam das  ausdehnungslose Zentrum  der Sphäre aller unserer Vorstellungen, deren Radien zu ihm konvergieren, das Subjekt des Erkennens, das Korrelat aller unserer Vorstellungen" ist. Daß KANT mit dieser "synthetischen Einheit der Apperzeption" das Gleiche, was MAIMON mit seinem "Bewußtsein überhaupt" zum Ausdruck bringt, hat sagen wollen, geht aus allen seinen Äußerungen hervor; daß er es aber nicht klar und präzise zur Darstellung gebracht hat, zeigen schon die schwankend wechselnden Ausdrücke "Selbstbewußtsein", "transzendentale Apperzeption", "transzendentale Einheit des Selbstbewußtseins" etc. Es ist natürlich, daß KANT auch nicht in und mit dieser "synthetischen Einheit der Apperzeption" den prinzipiellen Gegensatz zwischen Sinnlichkeit und Verstand aufheben konnte, ohne seine Erkenntnistheorie, die ja gerade auf diesen gebaut war, von Grund auf umzustoßen, während es für MAIMON leicht wurde - wie wir später sehen werden - diesen prinzipiellen Gegensatz auf einen nur graduellen zurückzubilden.

Neben den MAIMONschen Versuchen, ein einheitliches Erkenntnisprinzip anzunehmen, sind übrigens ähnliche auch von den Zeitgenossen unternommen, ohne daß freilich von ihnen behauptet werden könnte, sie hätten irgendeinen Einfluß auf die MAIMONschen Untersuchungen gehabt oder hätten überhaupt nur eine Anregung zu denselben gegeben. Die Ersten, welche in der Annahme zweier Erkenntnisquellen einen Mangel der Kantischen Kritik der reinen Vernunft erblickten, sind die sogenannten Gefühls- oder Glaubensphilosophen; und unter diesen wiederum ist als der erste HAMANN zu bezeichnen, der bereits 1784 in seiner "Metakritik über den Purismus der Vernunft" die obige Trenung als eine unberechtigte Dichtotomie [Aufspaltung - wp] bezeichnete und mit der Ansicht hervortrat, daß "die beiden Stämme abgelöst von ihrer gemeinsamen Wurzel ausgehen und verdorren müßten." Da HAMANN selbst aber nicht imstande ist, diese gemeinsame Wurzel anzugeben, da ferner diese seine Schrift - weshalb, ist hier nicht der Platz zu erörtern - erst im Jahre 1800 veröffentlicht wurde, so kann von ihm aus  kein  Einfluß auf MAIMON konstatiert werden.

Auch JACOBI, der 1787 in seinem "David Hume über den Glauben oder Idealismus und Realismus" alle unsere Erkenntnis auf eine letzte unmittelbare Gewißheit, den "Glauben" zurückzuführen sucht, dessen Tatsächlichkeit weiter nicht zu beweisen sie und nach dessen Entstehung wir nicht zu fragen haben, kann  keine  direkte Einwirkung auf MAIMON ausgeübt haben, da wir nirgends in MAIMONs Schriften eine Hindeutung auf JACOBI und seine Philosophie finden, währen er doch sonst alle die Männer, mit derem Studium er sich beschäftigt hat, zumal in jener Periode, wo er begierig in jedes sich ihm darbietende Buch einzudringen suchte, in seiner Selbstbiographie namentlich anführt.

Ebensowenig wie von HAMANN und JACOBI läßt sich auf MAIMON ein Einfluß REINHOLDs annehmen, der, wohl durch die Gefühlsphilosophen angeregt, unsere Erkenntnisfunktionen auf eine einzige zentrale Tätigkeit zurückzuführen suchte. Seine erste diesbezügliche Schrift "Versuch einer neuen Theorie des Vorstellungsvermögens" erschien im Jahre 1789, also ein Jahr vor MAIMONs "Transzendentalphilosophie". Wenn wir aber erwägen, daß eine ziemlich lange Zeit vergangen war, ehe dieses erste MAIMONsche Werk im Druck erschien - denn das Manuskript befand sich vorher in KANTs Händen, dem es von MARCUS HERZ zur Durchsicht übersandt worden war, und der wegen seiner vielen Arbeiten erst nach geraumer Zeit sein Urteil darüber abgab - so können wir mit Sicherheit annehmen, daß MAIMON REINHOLDs "Theorie des Vorstellungsvermögens"  vor  der Ausarbeitung seiner "Transzendentalphilosophie" nicht gekannt, vielmehr jenen Mangel der Kantischen Kritik der reinen Vernunft aus dem Geist derselben selbst eingesehen hat. Wenn auch diese MAIMONsche Erstlingsarbeit nicht klar, methodisch und geordnet entwickelt ist, so läßt sie doch seinen Standpunkt schon erkennen: so weist er Seite 63, 182 auf die Schwierigkeiten hin, die die Kantische Trennung von Sinnlichkeit und Verstand bereitet und gibt im Prinzip dem LEIBNIZ-WOLFFischen System den Vorzug, welches  diese  Trennung vermeidet.

Später, als er die Reinholdische Philosophie kennenlernte, ist es einer der hauptsächlichsten von REINHOLD aufgestellten Punkte, das einheitliche Erkenntnisprinzip, das Reinholdische "Bewußtsein als Vorstellungsvermögen", gegen das MAIMON, besonders in seinen "Streifereien im Gebiet der Philosophie" oft sogar in ziemlich ausfallendem Ton polemisiert. Der Satz des Bewußtseins nämlich, den REINHOLD seiner Philosophie zugrunde legt: "Im Bewußtsein wird die Vorstellung durch das Subjekt vom Subjekt und Objekt unterschieden und auf beide bezogen" kann nur vom Bewußtsein einer Vorstellung, nicht aber vom "Bewußtsein überhaupt" gelten. Dieses Bewußtsein als Vermögen aller Vorstellungstätigkeit ist für REINHOLD ein allgemeines und notwendiges Faktum, das sich nicht erklären, sondern durch Zerlegung in seine Bestandteil (Subjekt und Objekt) als Tatsache beschreiben läßt.  Vorstellung  ist also nach REINHOLD das Allgemeinste, Erste im Erkenntnisvermögen; Empfindung, Anschauung, Begriff, Idee: Alles läßt sich bei ihm auf den Allgemeinbegriff "Vorstellung" zurückführen, während sie bei MAIMON gerade als das Letzte unter den Erkenntnisoperationen anzusehen ist (KU 61).

Nach MAIMON ist nämlich die Vorstellung eines Objekts eine "Teildarstellung", welche nur ein oder mehrere Merkmale des Objekts angibt, und die Anschauung und das Denken des Objekts voraussetzt. (Streif 95, KU 60)

So ist z. B. ein Gemälde eine Vorstellung, weil es irgendeinen Gegenstand (z. B. eine Landschaft) darstellt: Da nun aber auf dem Gemälde nicht  alle  die Merkmale, welche die Landschaft selbst in ihrer Wirklichkeit, d. h. abgesehen vom Gemälde charakterisieren und welche ja der Einfluß der Zeiten auch verändert, angegeben werden können, sondern nur ein Teil von ihnen, so ist die Vorstellung des Gemäldes nur eine Teildarstellung, deren Merkmale wir aber vermöge unserer Einbildungskraft mit den noch fehlenden der Landschaft selbst vereinigen und so das Gemälde auf die Landschaft selbst als dessen "Urbild", wie ein Teil aufs Ganze beziehen (Log 242).

Wenn nun das MAIMONsche "Bewußtsein überhaupt" erst zu einem bestimmten Bewußtsein d. h. Empfindung oder Vorstellung, Anschauung oder Denken wird durch das Objekt oder den Gegenstand, auf den es sich bezieht, so fragt es sich im Hinblick auf die Kantische Lehre: Was ist dieser Gegenstand für das MAIMONsche "Bewußtsein überhaupt"? Ist er Erscheinung oder "Ding ansich" oder Zusammensetzung von beidem; und wie verhält sich MAIMON überhaupt zum "Ding ansich"?

Dieses nach der Kant-Reinholdischenn Philosophie außerhalb unseres erkennenden Bewußtseins liegende und unsere Sinne affizierende "Ding ansich" läßt sich nach MAIMON nicht nur nicht beweisen, sondern ist sogar eine begriffliche Unmöglichkeit.

"Was zwingt überhaupt diese Philosophen (Idealisten, Dualisten, Materialisten) frägt MAIMON, die Existenz eines transzendenten Objekts, von dem sie doch gar nichts wissen, anzunehmen oder die Modifikationen des Bewußtseins auf etwas außer demselben zu beziehen? Zu dieser Annahme eines solchen transzendenten Objekts nötigt uns gar nichts, weil wir uns in der Tat darunter nichts vorstellen können." (Trph 161)

Was soll dieses "außer uns" bedeuten? Anschauung eines Objekts heißt doch nicht Anschauung eines Objekts außerhalb des Bewußtseins. Denn das hat gar keine Bedeutung. Die rote Farbe z. B. ist eine Anschauung. Aber was wird dadurch angeschaut? Doch nicht das Ding außerhalb des Bewußtseins, denn dieses Ding außerhalb des Bewußtseins, das im Bewußtsein rot sein soll, ist ein Unding. (Streif 48, Kat 173) Daß man doch geneigt ist, die Anschauung so vorzustellen, beruth nach MAIMON auf einer leicht zu erklärenden Jllusion der Einbildungskraft - wie er sie sich erklärt, läßt er allerdings nicht erraten - durch die rote Farbe wird eben nichts anderes angeschaut, als die rote Farbe.

Also etwas "außer uns" ist nicht etwas mit uns in einem Raumverhältnis sich Befindendes, sondern dieses "außer uns" bedeutet nur etwas, "bei dessen Vorstellung wir uns keiner Spontaneität bewußt sind, d. h. (in Anbetracht unseres Bewußtsein) bloßes Leiden, aber keine Tätigkeit in uns." (Trph 203) So vollzieht MAIMON mit voller Konsequenz die Vernichtung des außerhalb unseres Erkenntnisvermögens existierenden Ding ansich, indem er von ihm jegliche Realität abstreift und es als ein nacktes Phantasiegebilde stehen läßt. Das Ding ansich, welches für die Kantische Weltanschauung "sozusagen der realistische Eckstein ... zu gleicher Zeit aber auch ein idealistischer Grenzstein" war (REHMKE, "Die Welt als Wahrnehmung und Begriff", Einleitung: Kants Ding ansich) verliert für MAIMON nicht nur seine Realität, es kann auch keine Verwendung als Grenzbegriff finden: Es wird zu einem bloßen Hirngespinst. Das ist MAIMONs philosophische Bedeutung, daß er mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln dem Kantischen Ding ansich und der darauf sich gründenden Zweiweltentheorie den Garaus zu machen suchte.

Wenn wir bei der Betrachtung des Ding-ansich-Begriffs absehen von unserem erkennenden Bewußtsein sowie von den Bedingungen der Erkenntnis, so erscheint dieser Begriff möglich, wie jeder andere Begriff; in Beziehung auf das Bewußtsein hingegen ist er ein Unbegriff, ein Nichts. Die erstere Betrachtungsart gilt in der allgemeinen, die zweite in der transzendentalen Logik. Es ist deshalb notwendig die MAIMONsche Unterscheidung dieser beiden Arten der der Logik (auf die wir später noch ausführlicher eingehen werden) kennen zu lernen:

Die transzendentale Logik verhält sich zur allgemeinen wie die Algebra zur Buchstabenrechnung. Die letztere bezieht sich auf Größen überhaupt und auf ihre möglichen Verhältnisse zueinander. Die erstere hat zwar noch immer einen hohen Grad von Allgemeinheit, weil sie von allen gegebenen Größen abstrahiert, aber sie ist nicht absolut allgemein, weil sie sich auf Bedingungen der als Objekte erkennbaren Größen einschränkt. "Der Begriff eines Dings ansich, von den Bedingungen einer möglichen Darstellung abstrahiert, ist so gut ein Gegenstand der allgemeinen Logik wie der Begriff von  √ - a  ein Gegenstand der Buchstabenrechnung ist." Die Algebra gebrauch zwar auch den Begriff von  √ - a,  aber nicht um dadurch ein Objekt zu bestimmen, sondern gerade umgekehrt, um die Unmöglichkeit eines solchen Objekts, dem dieser Begriff zukommt, darzutun. Ebenso könnte auch die transzendentale Logik von einem Ding ansich spreche, aber bloß in der Absicht ihm alle objektive Realität abzusprechen". (KU 191)

Daß KANT in der Aufstellung eines Ding ansich inkonsequent verfahren ist, hatte schon 3 Jahre vor MAIMONs "Transzendentalphilosophie" JACOBI entdeckt, der in seinem "David Hume etc." gegen den Kantischen Ding-ansich-Begriff polemisierend ins Feld zog und den Widerspruch nachzuweisen suchte, in den sich die Vernunftkritik als transzendentaler Idealismus notwendig verwickeln muß, wenn sie die Realität der Außenwelt, der Dinge-ansich verneint, aber doch einen wirklichen Eindruck derselben auf das erkennende Subjekt statuiert. Da er selbst aber die Annahme einer außer uns existierenden Welt beibehält, von deren Gewißheit uns der in unserem Gefühl gegründete Glaube, eine wunderbare unmittelbare Offenbarung, Kunde gibt, so predigt er in dieser seiner Welterklärung den schroffsten Dualismus, den MAIMON durch die vollständige Beseitigung des Dings ansich außerhalb unseres Bewußtseins vermeidet.

Wie schon früher gesagt, hat auch MAIMON zu  der  Zeit, als seine "Transzendentalphilosophie" erschien in welcher er hauptsächlich das "Ding-ansich" bekämpft, und vielleicht, da auch seine späteren Schriften JACOBI nicht erwähnen, überhaupt gar nicht die Jacobische Philosophie gekannt, so daß sie ihm als Anknüpfungspunkt hätte dienen können. Und gesetzt auch den Fall, daß er sie wirklich gekannt hätte, MAIMON hätte sich doch nicht, ebensowenig wie durch die früheren in anderer Hinsicht berührten Philosophen beeinflussen lassen, da er den Kern der Sache viel tiefer und rationaler erfaßte und auch annehmbare positive Veränderungen vornahm.

So müssen wir also MAIMON die Anerkennung zuteil werden lassen, daß er der erste unter den Kantianern gewesen ist, der ernsthaft mit jener Spukgestalt "Ding-ansich" außerhalb unseres Bewußtseins aufzuräumen begann.

Durch die Vernichtung des Begriffs eines außerhalb unseres Erkenntnisvermögens existiereden realen Objekts ist nunmehr der alten dogmatischen Welterklärung jeder Fußbreit Boden genommen. Als einen solchen Dogmatiker bezeichnet MAIMON auch REINHOLD, der zwar die Dinge ansich als unerkennbar und unvorstellbar, aber doch als außerhalb des Bewußtseins befindlich statuierte, um wenigstens eine Erklärung für den Stoff unserer Vorstellungen zu bekommen; eine Auffassung, die fast gleichzeitig mit Maimon durch AENESIDEMUS-SCHULZE mit skeptischen Einwürfen bekämpft wurde:

Da die Einwirkung des Dings-ansich als unerläßliche Bedingung, d. h. als Ursache für die sinnlichen Empfindungen und somit für die Erfahrung vorausgesetzt wird, das Ding-ansich uns aber völlig unbekannt sein soll, so ist dies nach AENESIDEMUS eine ganz grundlose Behauptung der kritischen Philosophie. Den wenn uns das Ding-ansich unbekannt ist, so können wir ja überhaupt gar nicht wissen, ob es wirklich existiert und die Ursache von etwas sein kann. Mit welchem Recht kommen wir also dazu, solche Dinge-ansich als Bedingung der Erfahrung anzusehen? Mit welchem Recht wenden ferner die kritischen Philosophen den Kausalitätsbegriff, der doch nur für Erscheinungen gelten soll, auf das Gemüt als Quelle unserer Erkentnis an, da dies doch ein Ding-ansich, ein Noumenon oder eine Idee ist?

Wenn nun aber AENESIDEMUS weiter folgert, daß Vorstellungen ohne Objekt und ebenso das reale Objekt ansich abgesehen vom vorstellenden Subjekt existiert und mit demselben weder entsteht noch untergeht, wie z. B. ein Baum wächst, Blätter und Stamm, Größe und Qualität ohne unser Zutun hat, so zeigt ihm MAIMON daß schon, diese Annahme auf einer Täuschung der reproduktiven Einbildungskraft beruth, welche mit Hilfe des Gedächtnisses beständig Vorstellungen als solche auf die wahrenommenen Objekte bezieht, worin sie als Merkmale enthalten sind, und daß die Dinge-ansich keine Realität außerhalb des Erkenntnisvermögens besitzen können.

Da MAIMON die bisherige Kantische Annahme eines außerhalb des Bewußtseins existierenden Dings-ansich, auf das als ihren Grund sich die Empfindungen beziehen sollen, beseitigt hat, so sucht er nun auf andere Weise den Stoff unserer Vorstellungen, dessen unser Denken freilich auch nach ihm der Erkenntnis bedarf, zu gewinnen und findet, daß dieser Stoff nicht vom Bewußtsein produziert ist, daß es ihn vielmehr in sich als etwas  "Gegebenes vorfindet, als etwas, dessen Ursache nicht nur, sondern auch dessen Entstehungsart uns unbekannt ist und von dem wir bloß ein unvollständiges Bewußtsein haben. (Trph 203) Diese Unvollständigkeit des Bewußtseins aber kann von einem bestimmten Bewußtsein bis zum völligen Nichts durch eine abnehmende unendliche Reihe von Graden gedacht werden: folglich ist das bloß Gegebene, d. h. dasjenige, was alles bewußte Denken als nicht aus dem Erkenntnisvermögen  ableitbar  vorfindet, eine bloße Idee von der Grenze dieser Reihe, zu der wie etwa zu einer irrationalen Wurzel man sich immer nähern, die man aber nie erreichen kann. (Trph 419)

Die Auflösung dieses ursprünglich Gegebenen in seine  letzten  Elemente, die "Differentiale des Bewußtsein" wie sie MAIMON nennt, würde die verschiedenen mannigfaltigen primitiven Empfindungen ergeben, die selbst "noch nicht" ins Bewußtsein treten, sondern nur Ideen, Grenzbegriffe sind, denen ein endlicher Verstand sich bloß annähert, die er aber nie vollständig erreicht. (Trph 27f und 193)

Diese verschiedenartigen primitiven Empfindungen finden sich also ungeordnet als Mannigfaltiges ohne verknüpfende Einheit in unserem Bewußtsein vor. Wird aber das Mannigfaltige mittels einer Synthese, in der nach MAIMON der Erkenntnisprozeß vor sich geht, zu einer Einheit verknüpft, so entstehen daraus die Anschauungen, die also bereits in das Bewußtsein treten, aber da sie den Empfindungen am nächsten stehen, den untersten Rang unter Operationen des Erkenntnisvermögens einnehmen.

Die MAIMONschen Erörterungen über das "Gegebene" zeigen Anklänge an die LEIBNIZ'sche Philosophie. Wie bei diesem die Bewußtseinsenergie von einem deutlichen und klaren Bewußtsein bis zu einem total verworrenen durch eine unendliche Stufenreihe hindurch abgeschwächt auftreten kann, so daß die letzten unendlich kleinen Vorstellungen sich nur unbewußt in uns vorfinden, so zeigt sich auch bei MAIMON die Unvollständigkeit des Bewußtseins vom Gegebenen in einer unendlichen Reihe von Graden bis herab zu den primitiven Empfindungen, die selbst noch nicht ins Bewußtsein, also unbewußt auftreten.

Zu der Annahme, daß MAIMON hier auf LEIBNIZ zurückgreift, zwingt uns neben eigenen MAIMONschen Andeutungen umso mehr der Umstand, daß er nur in seinem Erstlingswerk, seiner "Transzendentalphilosophie", die wie er selbst sagt, aus einem Koalitionssystem der LEIBNIZ-HUME-KANTischen Philosophie besteht, jene Erörterungen über das "Gegebene" vorgebracht, in seinen späteren Schriften hingegen sie nie mehr berührt hat.

Bei der MAIMONschen Erklärungsweise des "Gegebenen" bleibt nun in unserer Erkenntnis ein Rest übrig, ein unerklärter und für MAIMON unerklärbarer Rest. Er befindet sich zwar im Bewußtsein und gehört somit zum Bewußtseinsinhalt; da wir aber seine Entstehungsart nicht kennen, seine Ursache uns unbekannt ist und bleibt, so spielt in dieser "Ursache" doch wieder der Kantische Ding-ansich-Begriff, dem zwar durch MAIMON die metaphysische Realität, welche er noch bei REINHOLD besaß, genommen ist, der aber trotzdem in seiner irrationalen Geltung aus unauflösliches Objekt im Bewußtsein weiter existiert.

Daß MAIMON eine Ursache für die Erklärung jenes Restes forderte und gegen seine ausdrückliche Behauptung doch wieder unwillkürlich auf das Ding-ansich zurückgeworfen wurde, zeigt eben, daß er in dieser Hinsicht den Boden Kantischer Auffassung noch nicht ganz verlassen und den Standpunkt seines Meisters noch nicht vollständig überwunden hatte. In der Unauflöslichkeit jenes Restes ist aber von MAIMON zugleich der der Folgezeit das Problem gestellt und der Weg gezeigt, auf dem die kritische Philosophie weiter fortzuschreiten hatte. Die Lösung des Problems, die Erklärung jenes für MAIMON unerklärbaren Restes übernimmt FICHTE; und es lohnt sich den bis jetzt erörterten Standpunkt MAIMONs mit dem FICHTEschen, soweit er hier in Betracht kommt, einem kurzen Vergleich zu unterziehen.

Als  einheitliches Prinzip,  aus dem alle unsere Erkenntnis hervorgehen soll, war von MAIMON, indem er die getrennten Kantischen Erkenntnisquellen vereinigte, das  "Bewußtsein überhaupt"  aufgestellt worden. Das Erkenntnismaterial, welches nach der Kant-Reinholdischen Auffassung die Dinge außerhalb des Erkenntnisvermögens durch eine Affizierung unserer Sinne lieferten, verlegte MAIMON in das Bewußtsein, es sollte für dasselbe nichts Fremdartiges mehr geben,  alle Wirklichkeit  sollte  im  Bewußtsein enthalten sein. MAIMON hatte dadurch die Grenze der theoretischen Vernunft erreicht, FICHTE gesellte ihr den freitätigen, schöpferischen Willen hinzu, der in einem jeden Menschen als Prinzip aller Tätigkeit verborgen, alles aus sich selbst heraus erzeugt. Das MAIMONsche "Bewußtsein überhaupt", das den Hintergrund und Untergrund aller Denkoperationen bildet, die notwendige Bedingung, daß überhaupt eine Erkenntnis, ein Gedanke vor sich gehen kann, wird für FICHTE zur reinen Selbsttätigkeit, in jedem Augenblick mit einer bestimmten Vorstellung beschäftigt, welches dadurch, daß es sich selbst denkt und vorstellt, zur Selbstanschauung, zum Selbstbewußtsein, zur Ichheit wird. Es ist dies aber nicht das empirische, individuelle Bewußtsein, wodurch sich ein Individuum vom anderen unterscheidet, sondern das absolute Ich, welches sich durch eine Selbsthandlung in die beiden identischen Bestandteile des Ich als vorstellendes Subjekt und Ich als vorgestelltes Objekt zerlegt, d. h. es ist das Ich, welches sich selbst vorstellt, sich selbst setzt.

Dadurch, daß nun das Ich, das Bewußtsein sein Selbst jedem Anderen entgegensetzt und somit durch diesen Gegensatz sich seiner vollkommen inne wird, schafft das Ich aus sich heraus die Welt als seine Schranken, das Ich setzt das Nicht-Ich.

Bei KANT existieren sowohl die Vorstellungswelt wie die Ding-ansich-Welt dualistisch nebeneinander, jene im Bewußtsein, diese unerkannt außerhalb des Bewußtseins; MAIMON beseitigt diese Scheinwelt und den damit ausgesprochenen Dualismus:  für ihn gibt es nur eine Welt, die Bewußtseinswelt,  die uns aber vermöge der graduellen Einteilung unseres Bewußtseins  nur so weit  bekannt ist, als sie von uns mit  Bewußtsein produziert  ist, in ihrem  "Gegebensein"  hingegen nicht erklärt werden kann. Bei FICHTE wird die Welt der Objekte aus dem Bewußtsein heraus und durch dasselbe erst hervorgebracht, es hat diese Welt nicht nur als ein Anderes sich gegenüber, sondern schließt sie als ein Anderes schon von vornherein in sich ein, kennt sie demnach auch in ihren letzten Gründen, so daß von ihr  kein  erklärungsbedürftiger Rest im FICHTEschen Bewußtsein übrig bleibt.
LITERATUR: August Moeltzner,Salomon Maimons erkenntnistheoretische Verbesserungsversuche der Kantischen Philosophie, Greifswald 1889
    Anmerkungen
    1) Das "vielleicht" am Schluß der Einleitung der "Kritik der reinen Vernunft" ... , daß es 2 Stämme der menschlichen Erkenntnisgabe, die  vielleicht  aus einer gemeinschaftlichen, aber unbekannten Wurzel entspringen" ... legt die Vermutung nahe, daß KANT diese Wurzel ahnte.
    2) Wenn MAIMON zur Bezeichnung des Bewußtseins überhaupt den Ausdruck "Funktion" gebraucht, so könnte die Möglichkeit vorhanden sein, daß er denselben, da er sich sehr viel mit Mathematik beschäftigte, aus diesem Gebiet in die Philosophie herüber genommen hätte. In der Mathematik bezeichnet ja die Funktion eine unbestimmte veränderliche Größe, welche erst durch die Beziehung auf eine andere veränderliche einen bestimmten Wert bekommt. Wahrscheinlicher aber ist es, daß er sie im Kantischen Sinn von "Tätigkeit" gebraucht hat, so daß sie also die allgemeinste Tätigkeit des Erkenntnisvermögens bedeutet, welche dessen besondere bestimmte Tätigkeiten (empfinden, anschauen etc.) in und unter sich befaßt.
    3) Zitiert werden in dieser Arbeit Stellen aus folgenden MAIMONschen Schriften:
      1) Trph = Versuch über die Transzendentalphilosophie
      2) Log = Versuch einer neuen Logik oder Theorie des Denkens
      3) KrU = Kritische Untersuchungen über den menschlichen Geist
      4) Progr = Über die Progressen der Philosophie
      5) Streif = Streifereien im Gebiet der Philosophie
      6) Kat = Die Kategorien des Aristoteles
    4) Es ist möglich, daß MAIMON den Ausdruck "Bewußtsein überhaupt" aus der Kantischen Philosophie, wo derselbe zweimal vorkommt (Kr. d. r. V. ROSENKRANZ-Ausgabe, Supplem. XIV. § 20, Seite 741 und Prolegomena § 23) herübergenommen und für seine Philosophie fruchtbar gemacht hat.