F. EulenburgR. LiefmannW. SombartR. Liefmann | |||
(1866-1945) Theoretische Sozialökonomie [4/4]
Erstes Buch Allgemeiner Überblick über die Volkswirtschaft Erstes Kapitel Die Wirtschaft im allgemeinen § 5. Die stationäre Wirtschaft Wir wollen also zunächst die stark vereinfachende Voraussetzung machen, daß der gesellschaftliche Produktionsprozeß im Laufe der Zeit vollständig unverändert bleibt. Wir wollen uns dabei auch vorstellen, daß die Zahl der Menschen in der betreffenden Wirtschaft und deren individuelle Bedürfnisse, somit also auch die gesamten Bedürfnisse der Wirtschaft konstant bleiben. Wir haben dann eine stationäre Wirtschaft. Die Bedürfnisbefriedigung vollzieht sich hier vollständig unverändert nach Form und Umfang, alle wirtschaftlichen Phänomene verbleiben somit konstant. Es liegt auf der Hand, daß diese Wirtschaft die beste Gelegenheit gibt, die allgemeinsten und grundlegenden wirschaftlichen Erscheinungen zu studieren. Im statischen Produktionsprozeß befindet sich zu einer gegebenen Zeit ein bestimmte Menge von dauerhaften materiellen Gütern, die bei der Produktion mitwirken und von Materialien und Verbrauchsgütern auf verschiedenen Stadien ihrer Verarbeitung und diese Menge ist unveränderlich, behält zu allen Zeiten eine und dieselbe Zusammensetzung. Das Vorhandensein dieser Gütermenge ist ein notwendige Bedingung dafür, daß die Produktion in derselben unveränderlichen Weise fortgesetzt werden kann. Es ist also für die stationäre Wirtschaft eine notwendige Aufgabe, diese Gütermenge stets unverändert zu erhalten. Die Produktion in der stationären Wirtschaft ist folglich ein Prozeß, der erstens die Gesamtmasse der in demselben befindlichen materiellen Güter erhält, zweitens auch unaufhörlich fertige materielle Güter und Dienste der Bedürfnisbefriedigung der Menschen zur Verfügung stellt. Wir haben jetzt zu untersuchen, wie diese Aufgaben des Produktionsprozesses gelöst werden. Mit Bezug auf die erste Aufgabe ist es natürlich von Bedeutung, unsere Unterscheidung der materiellen Güter in dauerhafte Güter und Verbrauchsgüter zu beobachten. Zunächst gilt es also zu untersuchen, wie die Menge der dauerhaften Güter, die sich im Produktionsprozeß befinden, unverändert erhalten wird. Dabei können wir von vornherein den Grund und Boden ausschließen, da wir von ihm annehmen dürfen, daß er in seinen wirtschaftlich wichtigen Eigenschaften bei der Anwendung unverändert bleibt und folgliche die genannte Aufgabe mit Bezug auf den Boden nicht vorliegt. Der Produktionsprozeß reicht nach unserer Begriffsbestimmung (§ 1) bis dahin, wo die unmittelbare Bedürfnisbefriedigung beginnt. Demgemäß hat man also zu bestimmen, welche dauerhaften Güter als im Produktionsprozeß befindlich angesehen werden sollen. Zu dieser Kategorie gehören in erster Linie alle Werkzeuge, Maschinen und Gebäude, die in der Produktion Verwendung finden; ferner Schiffe und Transportanlagen, Beleuchtungs- und Fernsprechanlage usw., also dauerhafte Güter, die in der Produktion mitwirken, ohne Rücksicht darauf, ob sie der Herstellung materieller Güter dienen oder Dienste für die unmittelbare Bedürfnisbefriedigung liefern; schließlich auch Wohnhäuser und ähnliche, der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung dienende dauerhafte Güter; nicht aber persönliches Eigentum, wie Kleider und dgl. (vgl. § 7). Damit dürfte die Begrenzung des Begriffs der "dauerhaften Güter, die sich im Produktionsprozeß befinden", mit genügender Schärfe bestimmt sein. Wenn wir von diesen den Grund und Boden ausscheiden, wird der Rest von den produzierten dauerhaften Gütern im Produktionsprozeß dargestellt. Diese Güter wollen wir als festes Realkapital bezeichnen. Die zunächst vorliegende Frage lautet also jetzt so: wie wird das feste Realkapital in der stationären Wirtschaft durch den Produktionsprozeß unverändert erhalten? Die dauerhaften Güter, aus denen das feste Realkapital besteht, sind zum weitaus größten Teil einer mehr oder weniger schnellen Abnutzung unterworfen. Diese Abnutzung wird wohl durch angemessene Unterhaltung der Güter etwas verlangsamt, man kann aber meistes nicht verhindern, daß die Güter allmählich vollständig abgenutzt werden und also ihre wirtschaftlichen Aufgaben nicht länger erfüllen können. Sie scheiden dann aus dem Vorrat der dauerhaften Güter aus, werden wie alte Häuser abgebrochen oder wie untaugliche Maschinen auf den Schrotthaufen geworfen. Soll nun der Vorrat solcher Güter unverändert erhalten bleiben, so müssen offenbar neue Güter derselben Art immer wieder produziert werden und zwar in der stationären Wirtschaft in demselben Tempo, wie die abgenutzten ausgemustert werden. Denken wir uns z. B., daß in einer abgeschlossenen Wirtschaft die Wohnhäuser alle von demselben Typus sind, daß sie je hundert Jahre dauern und daß der Vorrat von Wohnhäusern durch Neubauten immer auf gleicher Höhe erhalten wird! Wir können dann in dieser stationären Wirtschaft in einem gegebenen Augenblick eine Gruppe von hundert Häusern ins Auge fassen, von denen das älteste hundert Jahre alt und also eben zum Abbrechen reif ist, das jüngste im letzten Jahr gebaut wurde, die übrigen alle Altersklassen dazwischen vertreten. Diese Gruppe von Häusern wird durch den Produktionsprozeß dadurch unverändert erhalten, daß jedes Jahr ein neues Haus gebaut und ein altes abgebrochen wird. Die übrigen Häuser des Vorrats rücken im Laufe des Jahres ein Jahr vorwärts in ihrer Lebenszeit, durch den Neubau wird aber erreicht, daß der ganze Vorrat am Ende des Jahres genau dieselbe und in derselben Weise abgestufte Abnutzung wie am Anfang des Jahres zeigt. Wenn wir eine stationäre Wirtschaft von hinreichend großem Umfang betrachten, kann offenbar der ganze Vorrat an dauerhaften Gütern in dieser Weise durch Unterhaltung und Neuproduktion, mit einem Wort durch den fortlaufenden Produktionsprozeß, in einer praktisch genommen unveränderten Zusammensetzung erhalten werden. Man nennt diesen Prozeß, durch welchen das feste Realkapital der stationären Wirtschaft unverändert erhalten wird, den Reproduktions- oder Umsatzprozeß des festen Realkapitals. Kehren wir nun unsere Aufmerksamkeit auf die Verbrauchsgüter, so haben wir zunächst festzustellen, welche von diesen sich im Produktionsprozeß befinden. Das sind erstens alle Materialien, die als aus der Natur geholte Rohstoffe in den Produktionsprozeß eintreten, um dann nach einer Reihe von Umwandlungen schließlich als Bestandteile der dauerhaften Güter oder der eigentlichen Verbrauchsgüter aus dem Produktionsprozeß auszuscheiden. Die eigentlichen Verbrauchsgüter verlassen den Produktionsprozeß, da sie verbraucht werden, also da sie entweder wie Dampfkohle und Maschinenöl im Produktionsprozeß selbst oder wie Brot in der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung Verwendung finden. Wenn nun die Produktion immer in denselben Bahnen fortgesetzt wird und sich selbst in denselben Formen beständig wiederholt, wird dieser ganze Vorrat von materiellen Gütern in der stationären Wirtschaft unverändert erhalten. Eisenmaterial wird z. B. für verschiedene Zwecke täglich in einer gewissen Menge verbraucht, dafür wird aber auch täglich einge entsprechende Menge Eisenerz zutage gefördert und das Material, das sich auf dem zwischenliegenden Stadium befindet, einen Schritt vorwärts im Veredelungsprozeß geführt, wodurch das gesamte Material in diesem Produktionszweig nach Menge und Zusammensetzung unverändert erhalten wird. Jeden Tag gehen auch reife Verbrauchsgüter aus dem Produktionsprozeß in die Konsumtion über oder werden im Produktionsprozeß selbst definitiv verbraucht, gleichzeitig rückt aber die ganze Menge von Zwischenprodukten einen Schritt vorwärts und es wird mit neuen Produktionsreihen begonnen, alles mit dem Ergebnis, daß die im Produktionsprozeß vorhandene Menge von Zwischenprodukten sich unverändert bewahrt und täglich wieder dieselben Mengen von Verbrauchsgütern der Produktion oder Konsumtion zur Verfügung stehen. Das Endergebnis ist alos, daß die Gesamtmasse der im Produktionsprozeß befindlichen Materialien, Halbfabrikate und Produkte in allen Stadien sowie auch die Gesamtmasse der der Produktion selbst dienenden Verbrauchsgüter in der stationären Wirtschaft konstant bleibt. Diese Gütermasse nennen wir das bewegliche Realkapital der Wirtschaft. Der Prozeß, durch welchen dies unverändert erhalten bleibt, bezeichnen wir als den Reproduktions- oder Umsatzprozeß des beweglichen Realkapitals. Die Gesamtmasse des festen und beweglichen Realkapitals, also die Gesamtmasse der materiellen Güter des Produktionsprozesses mit Ausnahme des Grund und Bodens, bildet das Realkapital der Wirtschaft und der Prozeß, durch welchen dieses Realkapital unverändert erhalten wird, ist der Reproduktions- oder Umsatzprozeß des Realkapitals. Die gesamte Masse der materiellen Güter einer Wirtschaft nennt man das Realvermögen. Das Realvermögen umfaßt somit außer dem Realkapital sowohl den Grund und Boden, wie auch die an die Konsumtion übergegangenen dauerhaften Güter. Die Produktion der stationären Wirtschaft ist nach dem jetzt Gesagten ein Prozeß, der beständig dafür sorgt, daß die materiellen Mittel für seine unveränderte Fortsetzung in unveränderter Menge erhalten bleiben, der sich also dadurch selbst unterhält und der gleichzeitig einen stetigen und unveränderlichen Strom von Diensten und materiellen Gütern der menschlichen Bedürfnisbefriedigung zur Verfügung stellt. Diesen Strom von Diensten und materiellen Gütern, die die wirtschaftenden Menschen aus der Produktion für ihre Bedürfnisbefriedigung empfangen, nennt man das Realeinkommen der Wirtschaft. Das Realeinkommen besteht also teils aus direkt der Bedürfnisbefriedigung dienenden Leistungen anderer Personen, wie z. B. den Leistungen der Ärzte oder des häuslichen Dienstpersonals, teils aus Verbrauchsgütern, wie Lebensmitteln, teils aus Nutzungen dauerhafter Güter, die noch als dem Produktionsprozeß zugehörig anzusehen sind, also z. B. aus den Diensten der Wohnung, der Personentransporte usw., teils schließlich aus den dauerhaften Gütern, die, wenn sie fertiggestellt sind, in die Konsumtion übergehen und nicht länger dem Produktionsprozeß zugerechnet werden, z. B. unsere Kleider. Für die Wirtschaftswissenschaft ist es von einer gewissen Bedeutung, alle ihre Begriffe in ihrer Relation zur Zeit mit völliger Klarheit festzustellen. Sehr viel Verwirrung und zahlreiche unnötige Kontroversen sind lediglich auf den Mangel auch der allernotwendigsten zeitlichen Fixierungen der wirtschaftlichen Begriffe zurückzuführen. Vor allem ist es nötig, zu unterscheiden, ob ein wirtschaftlicher Begriff sich auf einen Zeitpunkt oder auf eine Zeitperiode bezieht. Das erste trifft zu für die Begriffe des Realkapitals und des Realvermögens. Will man die in einer Wirtschaft befindliche Menge von materiellen Gütern feststellen, muß man notwendig einen bestimmten Augenblick für die Inventaraufnahme auswählen. Ein solches Inventar der Wirtschaft wird nur eine gewisse Menge materieller Güter in der Wirtschaft vorfinden, aber keine Dienste. Das materielle Gut existiert nämlich als solches in einem gegebenen Augenblick, der Dienst dagegen wird in einer gewissen Zeitperiode vollzogen, im gegebenen Augenblick sind nur die Personen und die Güter vorhanden, welche die Dienste leisten. Das ist die Ursache, warum die Dienste nicht im Realvermögen mitzählen, wohl aber einen Teil des Realeinkommens bilden. Die Dienste, die der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung dienen, schaffen also nichts, das je in der Inventaraufnahme wiedergefunden werden könnt. Man irrt sich kaum, wenn man die oben kritisierte Lehre von der Unproduktivität solcher Dienste in Verbindung mit diesem Umstand setzt. Das Realeinkommen dagegen bezieht sich begrifflich auf eine gewisse Zeitperiode. Die Menge der Dienste und materiellen Güter, die aus der Produktion an die Konsumtion übergehen, kann nur in Relation zu einer kürzeren oder längeren Zeit angegeben werden. Beispielsweise kann man dieses Einkommen auf das Jahr beziehen und also von einem Jahreseinkommen sprechen. Das Realeinkommen der stationären Wirtschaft, sagen wir pro Jahr gerechnet, kann nur unter der Voraussetzung immerfort erhalten werden, daß der Produktionsprozeß unverändert fortgesetzt wird. Die unveränderte Fortsetzung des Produktionsprozesses unter Aufrechterhaltung des einmal vorhandenen Realkapitals ist aber keineswegs eine mechanische Notwendigkeit, sie erfordert vielmehr eine darauf gerichtete Leitung der Produktion. Die ganze stationäre Wirtschaft ist von diesem Gesichtspunkt das Ergebnis einer bestimmten Willensrichtung der wirtschaftenden Menschen. Die notwendigen Bedingungen des fortgesetzten Beziehens eines bestimmten konstanten Realeinkommens sind also folgende:
2. Das Vorhandenseine eines gewissen Realkapitals 3. Eine solche Leitung des Produktionsprozesses, die das Realkapital unverändert erhält. 4. Eine gewisse Jahresmenge von Arbeitsleistungen. Die stationäre Wirtschaft ist eine erste Abstraktion, deren Studium eine wichtige Bedeutung hat für die Klarlegung einiger für jede Wirtschaft fundamentalen Vorgänge. Indessen gibt es auch einige für die Wirtschaft im allgemeinen sehr wichtige Erscheinungen, die in der stationären Wirtschaft nicht hervortreten, die vielmehr mit dem Fortschritt wesentlich verknüpft sind und deshalb nur in der fortschreitenden Wirtschaft beobachtet werden können. Indem wir jetzt dazu übergehen, die fortschreitende Wirtschaft zu untersuchen, ist es aber noch immer notwendig, unseren Untersuchungen möglichst vereinfachte Voraussetzungen zugrunde zu legen. Zunächst haben wir festzustellen, was unter "Fortschritt" zu verstehen ist. Dieser Ausdruck soll wie unsere ganze wirtschaftswissenschaftliche Terminologie eine vollständig ungefärbte, möglichst rein quantitative Bedeutung haben. Ob eine quantitative Vergrößerung der Wirtschaft und speziell der Produktion auch von einem tieferen ethischen oder ästhetischen Gesichtspunkt als wirklicher Fortschritt anerkannt werden kann, ist wohl an sich eine interessante und praktisch wichtige Frage, die aber nicht zur Domäne der reinen theoretischen Ökonomie gehört und deshalb hier außer Betracht gelassen werden muß. Es ist gut, daß dieses Prinzip für die Begrenzung der uns vorliegenden Aufgaben von Anfang an mit völliger Klarheit anerkannt wird. Der Fortschritt ist also hier lediglich in quantitativem Sinne als eine in einer gesteigerten Produktioin zutage tretende Bewegung aufzufassen. Eine allgemeine Ursache zu einem Fortschritt in diesem Sinne ist die Volksvermehrung. Soll eine Bedürfnisbefriedigung für eine vermehrte Bevölkerung in unverändertem Umfang möglich sein, muß offenbar eine entsprechende Steigerung der Produktion stattfinden. Es ist denkbar, daß dabei die Produkton in unveränderten Bahnen, mit denselben Methoden fortgesetzt wird und daß der Fortschritt also lediglich in einem stets im Verhältnis zum Bevölkerungszuwachs erweiterten Umfang der Produktion besteht. Bei konstanter Bevölkerung muß der wirtschaftliche Fortschritt in einer Steigerung der Produktion pro Kopf, also in einer verbesserten Bedürfnisbefriedigung hervortreten. Eine solche Steigerung kann wohl bis zu einem gewissen Grad durch Erhöhung der quantitativen Arbeitsleistung pro Person ermöglicht werden. Offenbar sind aber für eine solche Entwicklung sehr enge Grenzen gezogen. Ein stetiger Fortschritt ist bei konstanter Bevölkerung nur dann möglich, wenn die Produktionsmethoden unaufhörlich verbessert werden. Dabei wird aber der ganze Produktionsprozeß, in den meisten Fällen auch die Zusammensetzung der Bedürfnisbefriedigung, immer wieder verändert. Der Fortschritt ist dann eine ziemlich komplizierte Erscheinung und die vereinfachende Voraussetzung der Gleichmäßigkeit des Fortschritts stößt, jedenfalls im gegenwärtigen Stadium unserer Untersuchung, auf gewisse Schwierigkeiten. Wollen wir eine möglichst einfache Form des wirtschaftlichen Fortschritts betrachten, so haben wir den Fall ins Auge zu fassen, wo die Produktion in unveränderten Bahnen und mit der gleichen Arbeitsleistung des einzelnen fortgeführt und somit lediglich in demselben Verhältnis wie die Bevölkerung vergrößert wird. Setzen wir dabei außerdem noch einen gleichmäßigen Bevölkerungszuwachs voraus, so haben wir den einfachsten Fall einer gleichmäßig fortschreitenden Wirtschaft. Ist das jährliche Zuwachsprozent der Bevölkerung gegeben, so muß dieses auch für den ganzen Fortschritt der Wirtschaft maßgebend sein und man kann von einem bestimmten für die betreffende Wirtschaft charakteristischen Fortschrittsprozent sprechen. Damit die Produktion mit dem so gegebenen jährlichen Fortschrittsprozent steigt, muß offenbar das Realkapital der Wirtschaft mit demselben Fortschrittsprozent wachsen. Da das Realkapital nach seiner relativen Zusammensetzung unverändert bleibt, ist dieser Zuwachs einfach als ein gleichmäßiger Zuwachs der Menge jedes einzelnen der konkreten Bestandteile des Realkapitals aufzufassen. Nur durch einen solchen Zuwachs kann das Realkapital mit der Vermehrung der persönlichen Arbeitskräfte und mit den in gleichem Verhältnis wie die Bevölkerung steigenden Ansprüchen der Bedürfnisbefriedigung gleichen Schritt halten. Dieser Zuwachs des Realkapitals ist natürlich nur durch eine darauf gerichtete Produktion möglich. Der Produktionsprozeß in der hier betrachteten gleichmäßig fortschreitenden Wirtschaft hat also drei verschiedene Aufgaben, nämlich:
2. die Vermehrung des Realkapitals um einen bestimmten Prozentsatz im Jahr; 3. die Versorgung der Konsumtion in einem mit der Zahl der Konsumenten steigenden Umfang. In unserer fortschreitenden Wirtschaft sind demnach die Produktionsmittel in jedem Augenblick in reichlicherer Menge vorhanden, als sie für die Bedürfnisbefriedigung im jeweiligen Umfang derselben zu sein brauchten. Man darf also annehmen, daß in jedem Augenblick mit den tatsächlich aufgewandten Produktionsmitteln eine reichlichere gegenwärtige Bedürfnisbefriedigung oder jedenfalls bei unveränderter gegenwärtiger Bedürfnisbefriedigung eine verkürzte Arbeitszeit, eine Herabsetzung der Anforderungen auf persönliche Arbeitsleistungen möglich wäre. Die Verwendung eines bestimmten Teiles der Produktionsmittel zu einer stetigen Vermehrung des Realkapitals bedeutet somit ein Opfer, das in einer Beschränkung der sonst möglichen Bedürfnisbefriedigung oder in einer Steigerung der persönlichen Leistungen über das für die gegenwärtige Bedürfnisbefriedigung nötige Maß hinaus hervortritt. Eine solche Beschränkung der Bedürfnisbefriedigung, durch welche eine Produktion von Realkapital zur Vermehrung des schon vorhandenen Vorrats an Realkapital ermöglicht wird, nennt man Sparen. Die Vermehrung des Realkapitals, für welche durch das Sparen Produktivkräfte freigestellt werden, nennt man Kapitalbildung in konkretem Sinne.' Die Notwendigkeit eines Sparens und einer Kapitalbildung ist, wie überhaupt alle in diesem Kapitel behandelten Tatsachen und Vorgänge, von der Organisationsform der Wirtschaft vollständig unabhängig, besteht also für jede fortschreitende Wirtschaft. In der geschlossenen Bauernwirtschaft z. B. ist der Fortschritt nur dann möglich, wenn persönliche Arbeitskräfte und andere Produktionsmittel, wie z. B. Pferde, der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung entzogen und zur Vermehrung des Realkapitals, z. B. zum Bau von neuen Gebäuden oder zum Roden neuen Landes verwendet werden. Die Bedingung des Fortschritts ist also eine Beschränkung der sonst möglichen Bedürfnisbefriedigung bzw. eine Anstrengung über das für die tatsächliche Bedürfnisbefriedigung nötige Maß hinaus, also ein Sparen und eine Verwendung der so freigestellten Produktivkräfte zur Produktion von Realkapital, also eine Kapitalbildung im konkreten Sinne. Die Vorgänge sind hier wesentlich dieselben wie die entsprechenden Vorgänge in einer modernen, ein ganzes Land oder die ganze Welt umfassenden Wirtschaft. Nun kann man sagen, daß auch in der stationären Wirtschaft ein gewisses Opfer gebracht werden muß, um ein genügendes Maß von Produktivkräften der fortdauernden Erhaltung des Realkapitals in unveränderter Menge und Zusammensetzung zu widmen. Könnte man sich von dieser Aufgabe befreien, würden man ohne Zweifel für den Augenblick Produktivkräfte für eine augenblickliche Erhöhung der Bedürfnisbefriedigung freistellen können. So handelt z. B. der Bauer, der wegen der laufenden Lebensmittelversorgung seiner Wirtschaft keine Zeit findet, seine Gebäude zu unterhalten. So haben auch im Weltkrieg die kriegführenden Staaten gehandelt: durch Versäumnis des laufenden Unterhalts des festen Realkapitals (Gebäude, Eisenbahnen, Eisenbahnmaterial, Schiffe und dgl.), sowie auch des Ersatzes des verzehrten beweglichen Realkapitals (Materialvorräte, Vieh) sind Produktivkräfte für die Kriegführung freigestellt worden. Auf die Länge muß aber eine solche Wirtschaft ärmer, ihre Bedürfnisbefriedigung knapper werden. Diejenige Verwendung der Produktivkräfte, durch welche das Realkapital unverändert erhalten wird und somit eine Verarmung der Wirtschaft eben nur verhindert wird, kann nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch nicht als Sparsamkeit bezeichnet werden, ist aber offenbar eine Leistung derselben qualitativen Art wie die Sparsamkeit, die zu wirklicher Kapitalvermehrung führt. Eine solche Wirtschaftsführung kann unter Umständen sehr große Ansprüche auf Selbstbeherrschung und Rücksicht auf die Zukunft stellen. Für die Fixierung des Begriffs des Sparens im wirtschaftlichen Sinne müssen wir immerhin an der eben gezogenen Grenzlinie festhalten: das Sparen im eigentlichen Sinne beginnt mit der Vermehrung des Realkapitals. Das Sparen, wie es hier aufgefaßt wird, besteht in einer bestimmten Disposition der Produktionsmittel. Diese Auffassung des Sparens ist mit der fortdauernden Wirtschaft, die allen unseren Betrachtungen zugrunde liegt, notwendig verknüpft. Man findet aber auch häufig eine andere Auffassung. Nach dieser ist das Sparen ein gewisses Sichenthalten vom Verbrauch eines Vorrats von fertigen Gütern, welche übrigens meistens als Verbrauchsgegenstände gedacht werden, also eine gewisse Disposition über eine gegebene Menge von Konsumtionsartikel, nach welcher vielleicht gewisse Teile derselben verbraucht, andere dagegen "gespart", d. h. für eine künftige Konsumtion reserviert werden. Ein Sparen dieser Art ist natürlich immer notwendig, sobald ein Vorrat von Verbrauchsgütern vorhanden ist und für eine bestimmte Zeit vorhalten muß: der Verbrauch des Vorrats muß mit einer gewissen Gleichmäßigkeit auf die ganze Zeit verteilt werden. Das ist z. B. besonders der Fall mit Bezug auf die Ernte. Für die Auffassung der Produktion, die wir zu Beginn von § 4 charakterisiert haben und die den technischen Prozeß, durch welchen das einzelne Gut hergestellt wird, von Anfang bis Ende verfolgt, mag es natürlich sein, beim Studium der Konsumtion die Aufmerksamkeit vorzugsweise auf den durch diesen Produktionsprozeß geschaffenen Vorrat des Gutes und auf die allmähliche Konsumtion desselben zu richten und somit die Disposition über die vorhandenen Vorräte der fertigen Güter in den Vordergrung zu stellen. Hat man aber wie wir die Wirtschaft als einen stets in wesentlich denselben Formen und mit wesentlich demselben Inhalt fortdauernden Prozeß aufgefaßt, so verliert diese Betrachtung der vorhandenen Vorräte von fertigen Gütern ihre vorwiegende Bedeutung, denn in der fortdauernden Wirtschaft wird das Ergebnis der Produktion von einem stetigen Strom von fertigen Gütern, die gleich in die Konsumtion übergehen, nicht von einem auf einmal geschaffenen Gütervorrat, der nachher in einer längeren Zeit allmählich aufgezehrt wird, dargestellt. Die Bedeutung der etwa zufällig vorhandenen kleinen Vorräte von fertigen Gütern tritt in der fortdauernden Wirtschaft vollständig in den Hintergrund im Vergleich mit dem stetigen Strom von fertigen Gütern, dessen Fortdauer durch die Produktion gesichert wird. Das ist besonders unter modernen Produktions- und Transportverhältnissen in hohem Grad der Fall. Unter diesen Voraussetzungen kann aber eine bestimmte Leitung der Konsumtion wesentlich nur als eine Disposition der zur Verfügung stehenden Produktionsmittel aufgefaßt werden. Für diese Auffassung gibt es nichts, was in konkretem Sinn aufgespart wäre, wie das der Fall ist, wenn man das Sparen als ein Nichtkonsumieren eines angesammelten Vorrats von fertigen Gütern auffaßt. Die fertigen Güter, die in der fortdauernden, im Gleichgewicht befindlichen Wirtschaft der absichtlichen Beschränkung der Bedürfnisbefriedigung zufolge nicht konsumiert werden, werden überhaupt nicht produziert. Einen konkreten Gegenstand des Sparens als eines Nichtverbrauchs gibt es also nicht. Bei der Auffassung des Sparens als einer Nichtkonsumtion eines Vorrats von fertigen Gütern bedarf die Kapitalbildung in konkretem Sinne noch einer besonderen Erklärung. Denn eine Vermehrung des vorhandenen Realkapitals ist offenbar nicht durch das Unterlassen einer Konsumtion möglich. Die konkrete Kapitalbildng wird bei dieser Auffassung des Spares als ein vorheriges Ansammeln eines Vorrats von materiellen Gütern betrachtet, die später in der Produktion zur Unterhaltung der Mitwirkenden, speziell der gewöhnlichen Lohnarbeiter, vielleicht auch als Material und Werkzeuge zur Anwendung kommen. Diese Betrachtungsweise steht indessen den wesentlichen Grundzügen der fortdauernden Wirtschaft vollständig fremd gegenüber. In der fortdauernden im Gleichgewicht befindlichen Wirtschaft gibt es im großen und ganzen kein Ansammeln eines Vorrats von fertigen Gütern, aber auch kein Ansammeln im angegebenen Sinn von Materialien und Werkzeugen für spätere Anwendung, überhaupt in einem gegebenen Augenblick keine unwirksamen Gütervorräte, die zur Vorbereitung eines künftigen Produktionsprozesses aufgespeichert sind. Die fortdauernde Wirtschaft besitzt, wie oben entwickelt worden ist, ein Realkapital, das normal stets beschäftigt ist. Dieses Realkapital wird in der fortschreitenden Wirtschaft durch die Produktion stets vermehrt, aber die verschiedenen Güter, die in dieser Weise dem Realkapital nach und nach zugeführt werden, werden normal nicht für einen künftig anzufangenden Produktionsprozeß aufgespeichert, sondern treten unmittelbar in ihre verschiedenen Funktionen als Realkapital ein, werden verbraucht oder verarbeitet oder, wenn sie dauerhaft sind, benutzt. Die Darstellung der Kapitalbildung in konkretem Sinne als einer Aufspeicherung eines für künftige Zwecke reservierten Gütervorrats gibt demnach ein falsches Bild von den wesentlichen Vorgängen der fortdauernden Wirtschaft. In der gleichförmig fortschreitenden Wirtschaft ist die Leitung der Produktion im allgemeinen und speziell die Verteilung der Produktivkräfte auf die drei verschiedenen Hauptaufgaben der Produktion unveränderlich. Es wird demnach immer dieselbe relative Menge von Produktionsmitteln, also eine stets mit dem allgemeinen Fortschrittsprozent der Wirtschaft wachsende absolute Menge, für die Vermehrung des Realkapitals bestimmt. Das Sparen ist somit eine beständige Tätigkeit, die mit dem Fortschritt der Wirtschaft proportional ausgedehnt wird und die also für die Wirtschaft immer dieselbe Bedeutung behält. Nach der früheren Auffassung des Sparens war dieses Verhältnis sehr schwer zu verstehen. Wenn einmal ein Gütervorrat aufgespart war, mußte er später auch einmal verbraucht werden. Ein immer fortgesetztes Sparen, das im Umfang unaufhörlich und in unverändertem Tempo ohne jede zeitliche Begrenzung wuchs, das waren Dinge, die dieser Auffassung als reine Unmöglichkeiten erscheinen mußten. Sowohl in der Wissenschaft wie in populären Darstellungen findet man auch immer wieder die Behauptung, ein unbegrenzt fortgesetztes Sparen (lies "Aufspeicherung von Gütern") der gesamten wirtschaftenden Menschheit sei unmöglich. Daß solche Vorstellungen auf die Würdigung des Spares und damit auf die allgemeine ökonomische Auffassung eine sehr starke Einwirkung gehabt haben, ist unverkennbar. Es ist deshalb von großer Bedeutung, daß die wirkliche Natur und die Funktion des Sparens in der fortschreitenden Wirtschaft vollständig klargelegt werden. Ein nicht nur stets fortgesetztes, sondern auch mit der Steigerung der Produktion gleichen Schritt haltendes Sparen ist nicht nur vollständig möglich, sondern stellt sogar eine absolut notwendige Bedingung des gleichmäßigen Fortschritts einer jeden Wirtschaft dar. Erst durch ein solches Sparen sind eine mit dem konstanten Fortschrittsprozent wachsende Kapitalbildung und damit eine gleichmäßige Vergrößerung des gesamten Realkapitals und eine in demselben Tempo erweiterte Produktion und Bedürfnisbefriedigung möglich. Der Begriff des Realeinkommen muß für die fortschreitenden Wirtschaft erweitert werden. Das Realeinkommen muß hier in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Sprachgebrauch als die Summe des dem Verbrauch dienenden Realeinkommens und der Vermehrung des Realkapitals in der betreffenden Einkommensperiode definiert werden. Der erste Teil dieser Summe muß in der fortschreitenden Wirtschaft als die Menge der Dienste und der materiellen Güter, die die fortschreitende Produktion den wirtschaftenden Menschen innerhalb einer Einkommensperiode für ihre unmittelbare Bedürfnisbefriedigung zur Verfügung stellt, aufgefaßt werden. Der zweite Teil der Summe entspricht der konkreten Kapitalbildung der Wirtschaft. In der gleichmäßig fortschreitenden Wirtschaft wächst das Realeinkommen ebenso ewie seine beiden Teile, die Konsumtion und die Kapitalbildung mit der allgemeinen Zuwachsgeschwindigkeit, welche die Wirtschaft im ganzen charakterisiert. Eine notwendige Bedingung für ein fortgesetztes Beziehen eines in dieser Weise wachsenden Einkommens ist nach dem Gesagten eine in derselben Weise wachsende Kapitalbildung, also eine solche Verteilung der Produktivkräfte auf die verschiedenen Aufgaben der Produktion, die diese Kapitalbildung sichert. Diese Verteilung der Produktivkräfte repräsentiert neben den persönlichen Arbeitsleistungen der bei der Produktion mitwirkenden Menschen die immer fortdauernde Tätigkeit, die für die Aufrechterhaltung der fortschreitenden Wirtschaft notwendig ist. Außerdem ist im Ausgangspunkt - und ein jeder gegebene Augenblick kann als Ausgangspunkt betrachtet werden - das Vorhandensein eines gewissen Realkapitals als eine notwendige Bedingung dieser Wirtschaft zu betrachten. Das Sparen bedeutet, wie schon hervorgehoben, immer ein Opfer, das dem Fortschritt gebracht wird. Im speziellen Fall einer fortschreitenden Wirtschaft, den wir hier besonders betrachtet haben, wo Tempo mit der Volksvermehrung besteht, wird das Opfer des Sparens ausschließlich für die Volksvermehrung gebracht. Diese Beobachtung ist von Interesse, insofern, als sie zeigt, daß die Volksvermehrung etwas mehr kostet, als das Gebären und Aufziehen der Kinder, die den Bevölkerungszuwachs bilden. Wenn die Bedürfnisbefriedigung des einzelnen auf konstanter höhe erhalten werden soll, muß das Realkapital in demselben Tempo wie die Bevölkerung vermehrt werden und für diesen Zweck ein bestimmter Teil der vorhandenen Produktivkräfte beständig in Anspruch genommen werden. In erster Linie und allgemein kommt das Bauen von neuen Wohnhäusern für den Bevölkerungszuwachs in Betracht, ferner aber auch unter modernen Verhältnissen die Ausrüstung der Wirtschaft mit Transportmitteln, Fabrikgebäuden, Maschinen usw. im Verhältnis zum Bevölkerungszuwachs. Die Produktivkräfte, welche für diese Vermehrung des Realkapitals gebracht werden, sind der laufenden Bedürfnisbefriedigung entzogen und diese Bedürfnisbefriedigung wird demnach in jedem Augenblick knapper sein, als sie ohne den Bevölkerungszuwachs zu sein bräuchte. |