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JOHANNES REHMKE
Lehrbuch der
Allgemeinen Psychologie

[ 6/9 ]
    Vorwort
§ 1. Psychologie als Wissenschaft überhaupt
§ 2. Die Psychologie als Fachwissenschaft überhaupt
§ 3. Die Psychologie als besondere Fachwissenschaft
§ 4. Der Ausgangspunkt
§ 5. Geschichte des Seelenbegriffs
§ 6. Der altmaterialistische Seelenbegriff
§ 7. Der spiritualistische Seelenbegriff
§ 8. Der neumaterialistische Seelenbegriff
§ 9. Der spinozistische Seelenbegriff
§ 10. Die zwei Arten von Konkretem
§ 11. Das Konkretum "Seele"
§ 12. Die Fehlerquelle der geschichtlichen Seelenbegriffe
§ 13. Die Behauptung von unbewußtem Seelischen
§ 14. Das konkrete Bewußtsein als das Seelengegebene überhaupt
§ 15. Die Bedingung des Bewußtseins im unmittelbar Gegebenen
§ 16. Die Wechselwirkung zwischen Seele und Dingwirklichem
§ 17. Das Zusammen von Seele und Leib

"Wer nun das Gegebene überhaupt in zwei gesonderte Gruppen, Dingliches und Seelisches, auseinanderlegt, für den kann  Ding  und  gewußtes Ding  nicht ein und dasselbe Gegebene sein, jenes muß ihm der Seinsgruppe  Dingwelt,  dieses der anderen Seinsgruppe des Seelischen angehören; dieses ist ihm also tatsächlich kein Ding, sondern gehört ausschließlich zur Seele; er nennt es aber  gewußtes Ding,  um damit zu bezeichnen, daß er in diesem das eigentliche Ding  weiß.  Wie aber kann er dieses Wissen verstehen? Das Wissen ist ein Haben; was ist denn das Gehabte, das sogenannte  gewußte Ding,  da es nicht selber ein Ding sein soll?"

Erster Teil
Das Seelenwesen

§ 15.
Die Bedingung des Bewußtseins
im unmittelbar Gegebenen

Zwar bedeutet Ding und Bewußtsein schlechthin verschiedenes Konkretes, zwar sind Dingliches und Seelisches (Bewußtes [1]) die zwei Begriffe, in welche alles Gegebene aufgeht, aber es ist verkehrt, in Ding und Bewußtsein das Gegebene überhaupt so aufzuteilen, daß es gesondert wäre in zwei auseinander gegebene Welten, die dingliche und die seelische, die Außen- und die Innenwelt, welche in starren Grenzen gegeneinander ständen. Die Bedingung der Möglichkeit von konkretem Bewußtsein überhaupt besteht gerade darin, daß ein und dasselbe Gegebene Dingliches und Seelisches, daß Dingliches auch zugleich Seelisches sein kann.



Wer die zwei Konkreten überhaupt, Seele und Ding, in ihrer begrifflichen Eigenart erfaßt hat, für den ist es klar, daß ihre kennzeichnenden Begriffe  Bewußtsein  und  Ausdehnung  sind. Bezeichnend ist es, daß die völlige Verschiedenheit der beiden Konkreten dadurch herausgestellt wird, daß vom Ding nur eines seiner allgemeinen Bestimmtheiten genannt zu werden braucht, um schon jedes Mißverständnis auszuschließen, während die Seele durch den allgemeinen Begriff, welcher  alle  ihre einzelnen Momente umfaßt, bezeichnet werden muß, soll anders mit Sicherheit jedes Mißverständnis ausgeschlossen und jeglicher materialistischen Verirrung vorgebeugt sein. Zwar dürfte demjenigen, welcher die Seele richtig als konkretes Bewußtsein erkannt hat, auch schon eines ihrer Momente, Subjekt oder Denken usf., genügen, um die Eigenart der Seele für sich zu kennzeichnen, aber wie wenig Sicherheit für allgemeines richtiges Verständnis dadurch geboten ist, lehrt die Erfahrung, da man über dem "Subjekt" die Bewußtseinsbestimmtheit (Denken usf.) und über dem "Denken" das Bewußtseinssubjekt zu vergessen geneigt ist und vor der Gefahr steht, die Seele ins Dingliche oder gar in undingliches Unbewußtes [1] zu verzerren.

Den Satz, daß Ding und Seele oder Bewußtsein völlig verschiedenes Konkretes sind, nehmen wir jetzt als wissenschaftlich begründeten an. Es ist der Satz, welchen sich der Spiritualismus zwar zur wissenschaftlichen Aufgabe stellte, den er sich aber nicht hat sichern können, da wir ihn bei der Verfolgung seiner Arbeit doch tatsächlich die völlige Verschiedenheit der beiden Konkreten wieder aufgeben sehen.

Zwar scheint es auf den ersten Blick, daß das  völlige Anderssein  von Seele und Ding kaum besser gezeichnet werden kann, als es CARTESIUS, der Vater der neuzeitlichen spiritualistischen Psychologie, getan hat, indem er das  Gegebene überhaupt,  welches ja auch nach unserer Auffassung in die zwei Begriffe Dingliches und Seelisches  völlig  aufgeht, in  zwei schlechtweg gesonderte Gruppen,  Dingliches und Seelisches, ausgedehnte und denkende Substanz,  auseinander  schied: dort Dingwelt, hier Seelenwelt, dort Natur, hier Geist.

In diese Einteilung des Gegebenen zeigt sich ja auch heute der Gebildete noch so ganz eingelobt, daß er von ihr nicht lassen zu können meint, ohne auch zugleich die völlige Verschiedenheit von Seele und Ding mit preiszugeben; die Cartesianische Sonderung des Gegebenen ist ihm die sicherste Gewähr, daß sich die Begriffe Seele und Ding unvermischt auseinander halten. Aber wie reimt sich das damit, daß der spiritualistische Psychologe CARTESIUS trotz alledem ein Kryptomaterialist ist und daß der Cartesianer LOCKE auf die Vermutung, das Ding denke möglicherweise selber, kommen kann?

Man irrt, wenn man in jener Sonderung den sicheren Schutz gegen materialistische Anschauung zu haben meint, diese muß vielmehr gerade aus jener erwachsen, so daß, wenn eben an den beiden besonderen Konkreten Ding und Seele festgehalten wird, die behauptete völlige Verschiedenheit von Seele und Ding in die Brüche geht.

Wollen wir uns nämlich auf ein gesondertes Gegebensein von Seele und Ding einen Reim machen, so können wir es nur, indem wir denselben Weg, auf den sich bekanntlich auch die Spiritualisten gedrängt sehen, betreten und Seelenkonkretes als Anschauliches d. h. als Ding begreifen. Diese Nötigung wird verständlich, wenn man erwägt, daß, um Gegebenes einzuteilen, der Einteilungsgrund ein den  Einteilungsgliedern gemeinsamer  Begriff sein muß. Nun haben die beiden Einteilungsglieder  nach der Voraussetzung  keinen gemeinsamen Begriff, da sie ja begrifflich ganz verschieden sein sollen. Und daß sie beide Konkretes sind, kann selbstverständlich nicht den Einteilungsgrund hergeben für den Zweck, das Gegebene überhaupt in zwei auseinander liegende Gruppen zu sondern, weil sich der gesuchte Einteilungsgrund ja als Begriff auch in jedem  Augenblicks gegebenen, d. h. in jeder  Augenblicks einheit von Seele und Ding finden muß - Augenblickseinheit des Gegebenen ist aber ein  abstraktes  Individuum.

Nach der Voraussetzung von der völligen Verschiedenheit der Seele und des Dings bedeutet aber der Begriff des Konkreten das Einzige, welches den beiden gemeinsam ist; wird sie also aufrecht erhalten, so ist ein Einteilungsgrund, das Gegebene überhaupt in diese zwei gesonderten Gruppen zu scheiden, schlechtweg nicht vorhanden.

Verschiedenheit und Geschiedenheit des Gegebenen fällt nun keineswegs immer zusammen; völlige begriffliche Verschiedenheit verlangt noch keineswegs, wie der Spiritualist meint, auch Geschiedenheit, weder für Abstraktes noch für Konkretes. Für das Abstrakte leuchtet das eher ein: die bestimmte Farbe und Gestalt sind völlig verschiedenes Abstraktes, aber sie sind als die Merkmale eines Augenblicksgegebenen nicht geschiedenes oder gesondertes Gegebenes. Wenn der Satz, daß Verschiedenheit nicht ohne weiteres Geschiedenheit mit sich führt, in Bezug auf das konkret Gegebene stutzig macht, so schreibt sich das daher, daß man alter Gewohnheit gemäß sein Augenmerk zunächst auf das Dinggebene richtet und hier nach Belegen sucht. Da ist es allerdings richtig, daß verschiedenes Konkretes immer zugleich geschiedenes ist; hier folgt die Geschiedenheit, d. i. die Mehrzahl voneinander gesonderter Konkreta aus ihrer Verschiedenheit, aber (müssen wir einschränkend hinzufügen) auch nur, weil hier  nicht völlige  Verschiedenheit besteht. In Wahrheit also steht es so, daß es nur gesonderte Dingkonkreta,  besondere Dinge außer einander  gibt, weil sie  identisch und verschieden zugleich sind.  Wären diese Konkreta nicht alle Räumliches, so könnten sie nicht besonderes Räumliches sein; die  Identität  des Begriffes  Räumlichkeit überhaupt  und die  Verschiedenheit der Besonderheit ihrer Räumlichkeit  ist die Doppelbedingung der gesondert gegebenen Dinge. (1)

Ohne irgend einen  gemeinsamen Begriff finden wir aber die beiden Konkreta Seele und Ding. Ihr Gegebensein ist außer Frage, ihre begriffliche Verschiedenheit nicht minder und endlich auch dieses unbestreitbar, daß sie  nicht wie zwei Dingkonkrete begrifflich teils identisch teils verschieden, sondern  ohne alles Gemeinsame, also  schlechthin  verschieden sind. Daher läßt sich nicht nach Maßgabe der verschiedenen, gesonderten Dinge die Verschiedenheit von Seele und Ding für einen zureichenden Grund ansehen, das gesonderte Sein von Seele und Ding im Gegebenen überhaupt zu behaupten. Der Schein, hierzu berechtigt zu sein, kann nur dann entstehen, wenn man die Konkreten Seele und Ding nach Maßgabe des Dingkonkreten überhaupt behandelt, indem  Seele  gefaßt wird,  als ob  sie auch  ein Ding  sei; man stellt dann den Blick ein auf das völlige Gesondertsein der beiden Konkreten und übersieht dabei, daß dieses doch nur unter Preisgabe des völligen Verschiedenseins von Seele und Ding allein möglich ist. Die  völlige Verschiedenheit  der beiden aber können wir, wenn wir den Tatsachen Gehör geben, nicht preisgeben und deshalb auch nicht das Seelenkonkrete, als ob es ein Ding sei, behandeln.

Aus der völligen Verschiedenheit von Seele und Ding folgt keineswegs ihr Geschiedensein im Gegebenen überhaupt. 

Ein  anderer Umstand  spricht vielmehr geradezu  gegen  das Geschiedensein der völlig verschiedenen Konkreta "Seele" und "Ding"; wenn wir ihm folgen, kommen wir zu der zwar scheinbar richtig begreifenden Behauptung: die Verschiedenheit der Konkreten Seele und Ding, die noch viel strenger, als es seitens des CARTESIUS geschah, gefaßt werden muß, ist eine so völlige, daß  Dingliches zugleich auch Seelisches  sein kann; das Anderssein von Ding und Seele oder Bewußtsein ist ein so gründliches, daß eben darum alles, was zum Dingkonkreten gehört, zugleicht auch zum Bewußtsein gehören kann. Unser Satz "Dingliches kann auch zugleich Seelisches sein" ist recht eigentlich für jeden die Probe, ob er mit aller und jeder materialistischen Auffassung der Seele bei sich aufgeräumt hat oder nicht. Wer dem Satz schlechtweg nicht beistimmen kann, wer aus ihm einen Widerspruch heraushört und meint, was dem einen Konkreten eigen sei, kann doch nicht auch zugleich dem von ihm  völlig  verschiedenen anderen Konkreten zugehören: der hat eben Seele und Ding nocht nicht in ihrer völligen Verschiedenheit erfaßt und Seelenkonkretes ist ihm, wenn er sich recht besieht, immer noch ein, sei es auch nur sehr schleierhaftes, Seelen ding;  da wird es dann auch verständlich, daß er in unserem Satz einen Widerspruch findet.

Der Umstand nun, auf welchen sich unser Satz stützt, ist  das Wissen der Seele vom Ding;  dieses tatsächliche Wissen wird uns einzhig und allein klar, wenn jener Satz Wahrheit ist.

Das Wissen vom Ding ist die Behauptung: das "Ding" und das von mir, der Seele, "gewußte Ding" sind  ein und dasselbe  Gegebene. Wer nun das Gegebene überhaupt in zwei gesonderte Gruppen, Dingliches und Seelisches, auseinanderlegt, für den kann "Ding" und "gewußtes Ding" nicht ein und dasselbe Gegebene sein, jenes muß ihm der Seinsgruppe "Dingwelt", dieses der anderen Seinsgruppe des Seelischen angehören; dieses ist ihm also tatsächlich kein Ding, sondern gehört ausschließlich zur Seele; er nennt es aber "gewußtes Ding", um damit zu bezeichnen, daß er in diesem das eigentliche Ding "weiß". Wie aber kann er dieses Wissen verstehen? Das Wissen ist ein Haben; was ist denn das Gehabte, das sogenannte "gewußte Ding", da es nicht selber ein Ding sein soll?

Unser Spiritualist antwortet: "Es ist eine Vorstellung, welche dem Ding entspricht, ein  Bewußtseinsbild in der Seele vom Ding außer ihr;  dieses Bewußtseinsbild ist ein  rein Seelisches,  nicht auch zugleich ein Dingliches, weil Dingliches und Seelisches als Gegebenes außer einander liegen." Sehen wir zu, ob dieser Antwort ein klarer, widerspruchsloser Sinn abzugewinnen ist, indem wir uns, wie diese psychologischen Erkenntnistheoretiker, auf den Boden psychologischer Betrachtung stellen und die  reine erkenntnistheoretische  Untersuchung gar nicht walten lassen.

Die Voraussetzung des Spiritualisten, die wir zunächst nicht beanstanden wollen, ist die reine Scheidung des Gegebenen in Dingliches und Seelisches, "außer der Seele" und "in der Seele", Außenwelt und Innenwelt, zwei Wirklichkeiten, die sich als Gegebenes völlig ausschließen sollen; das "Bewußtseinsbild des Dinglichen" gehört zur Seele, zur Innenwelt; die Vorstellung vom Ding, heißt es, ist "in der Seele." Dies aber erweckt unser Bedenken.

Ist die Vorstellung das Bewußtseinbild vom Ding und ist "Ding" zweifellos etwas Räumliches, so muß auch die Vorstellung selber etwas Räumliches sein: wie könnte sie wohl ein  Bild  des Räumlichen genannt werden, wenn sie selber nichts Räumliches wäre? Und ist dieses räumliche Bild in der Seele, so kann diese selber nichts Unräumliches sein, dann muß also das Raumbewußtsein den Bewußtseinsraum oder die Seele selber als  Räumliches  voraussetzen (2); ein räumliches Seelisches "Dingbild in der Seele" gegenüber dem Ding "außerhalb der Seele" und diesem als  Räumliches  "entsprechend".

Dazu kommt noch etwas anderes. Unter "Dinglichem" versteht der spiritualistische Psychologe das, was wir genauer die Ding wirklichkeit  nennen, Wissen vom Dinglichen heißt ihm, eine das wirkliche Ding getreu abbildende "Dingvorstellung" haben. Aber auch er erklärt, daß wir darüber hinaus noch Dingvorstellungen haben, für welche in der Dingwirklichkeit  kein  Urbild vorhanden ist; auch diese müssen aber als  Ding vorstellung  Räumliches  sein: das Bewußtseinsraum müßte also verhältnismäßig größer sein, als der wirkliche Raum.

So ein Bewußtseinsraum oder eine räumliche Seele widerspricht indessen selber schon dem ersten Satz des Spiritualismus: "Die Seele ist unräumlich, hat keinen Raum". Daher such der Spiritualist sich durch kunstvolle Wendungen aus der Verlegenheit zu ziehen.

 Erstens  benennt er, unter Beibehaltung des Gegensatzes von dinglichem Raum und seelischem Raum oder Dingraum und Bewußtseinsraum, diesen Gegensatz als den des realen und idealen Raumes und meint damit über die Schwierigkeit hinwegzukommen. Indessen, ob realer oder idealer Raum behauptet wird: ein  idealer Raum,  der nicht Raum wäre, würde eben nicht ein idealer Raum sein: und somit bleibt der Stein des Anstoßes. Auch dadurch ändert sich in der Sache nichts, daß der Gegensatz durch "wirklicher und bloß vorgestellter Raum" ausgedrückt wird, denn auch der vorgestellte  ist doch selber Raum  oder aber man müßte, was man benennen will, nicht "vorgestellten  Raum"  nennen. Wir leugnen ja durchaus nicht die Richtigkeit der Unterscheidung von wirklichem und bloß vorgestelltem Raum, aber man muß sich klar werden:  entweder  ist der "vorgestellte Raum" auch (wie der Ausdruck sagt)  Raum  und da muß, da doch nach dem Spiritualisten diese "Vorstellung"  in der Seele  und außer dem "wirklichen" Raum sein soll, die Seele selber Räumliches sein - wie ÜBERWEG ganz richtig zugesteht -  oder,  wenn "Raum" und "Räumliches" nur auf "wirklichen" Raum und "wirkliches" Räumliches Anwendung finden, wirklicher Raum also ein überflüssiges Wort sein sollte, so dürfen sie auch nicht von "vorgestelltem  Raum"  reden, weil das, was sie meinen, ja gar nicht "Raum sein soll. In diesem zweiten Fall müßte aber die Frage beantwortet werden, was denn das bloß vorgestellte Dingliche z. B. die Midgardschlange sein soll: etwas Räumliches, Ausgedehntes oder Unräumliches nicht Ausgedehntes; da das erstere verneint werden muß, so bleibt ihnen nichts übrig, als das zweite zu bejahen; das aber spricht gegen die klare Tatsache, denn die vorgestellte Midgardschlange ist als  Räumliches,  ist als  Ausgedehntes  gegeben. Also sowohl im ersten, als auch im zweiten Fall steht man schließlich im offenbaren Widerspruch. Um sich diesem wieder zu entziehen, wählt man dann einen anderen Weg.

Zweitens  nämlich stellt man unter Beibehaltung der Seele als eines vom Dinglichen schlechthin geschiedenen Gegebenen und unter Betonung der Seele als des Unräumlichen den Satz auf, "ein anderes sei das vorgestellte Ding, ein anderes das Vorstellen des Dings", indem man "Vorstellen" als eine Bestimmtheit der Seele faßt, die, wie die Seele überhaupt, ein schlechthin vom "vorgestellten Ding" geschiedenes Gegebenes sei. Behauptet man nun das Wissen vom Ding, so ist freilich dem Widerspruch "ein vorgestelltes  Räumliches  in der unräumlichen Seele", wie es scheint, mit Erfolg begegnet und die Seele als Unräumliches gerettet. Aber soll nun das Vorstellen eines Dings, dieses Haben des Dings heißen? Ein bloßes Haben, ohne  etwas  zu haben, verstehen wir ja nicht; soll die vorstellenden Seele in ihrem Vorstellen das Ding haben, d. h. wissen, so muß das verständlich gemacht werden. Nun aber stehen sie vor der Unmöglichkeit, so ein Haben zu fassen, so lange sie fest dabei bleiben, daß die Seele, zu der ja das Vorstellen als ihre Bestimmtheit gehört, ein  vom Dinggegebenen schlechthin geschiedenes unräumliches  Konkretes sei.

Vielleicht möchte jemand entgegnen: das eben ist die Eigenart der Seele, daß sie als vorstellende das von ihr gesonderte Dinggegebene "hat", wenngleich dieses "haben" nicht erklärt werden kann. Zugegeben, er hätte Recht, so wird er doch dadurch nicht der Verpflichtung enthoben, den  Sinn  dieses Habens darzulegen. Umklammert etwa die Seele mit Vorstellungsfangarmen, die sie ausschickt, das "außer ihr" gegebene Ding? Im eigentlichen Sinne aber kann das doch nicht von der  unräumlichen  Seele gemeint sein und als Bild können wir seine Richtigkeit erst prüfen, wenn der eigentliche Sinn jenes Habens, Vorstellens, gewonnen ist.

Auf dem Gebiet des Dingkonkreten nun heißt "das Ding  hat  etwas" soviel wie "dieses etwas ist ein Teil oder eine Bestimmtheit des Dings"; so  hat  das Gesicht eine rote Nase und die Nase  hat  eine rote Farbe.

Auf dem Gebiet des Seelenkonkreten ist jedes "Vorstellen" ein "etwas Vorstellen"; wir sagen auch hier, die Seele oder das Bewußtsein  hat  eine Vorstellung oder, was dasselbe sagt, die vorstellende Seele  hat  z. B. das oder jenes Ding. Dieses Haben können wir ebensowenig bezweifeln, wie jenes vom Ding ausgesagte; aber der Spiritualist kann dasselbe, da ja das "gehabte" Ding  selber  zur habenden, d. h. vorstellenden, Seele gehören muß,  nicht  in dem Sinne, daß die Seele das Ding hat, wie das Ding die Farbe, aufnehmen, weil ihm Seele und Ding zwei schlechthin  geschiedene  Konkrete sind. Er sieht sich deshalb genötigt, um der Tatsache doch, wie er hofft, gerecht zu werden, ein  Bewußtseinsbild  des Dings in der Seele zu behaupten, bedenkt aber nicht, daß für die Seele das Haben eines Dingbildes immer das Haben eines Räumlichen sein muß, was mit seinem von allem Räumlichen (Dinglichen) nicht nur verschieden, sondern auch geschieden gedachten Seelenkonkreten wiederum in Widerspruch geraten würde.

Wissen ist ein Haben des Bewußtsein.  Es hat sich gezeigt, daß das Wissen vom  Dinglichen  ein unverstandenes Wort bleibt für den, welcher Ding und Bewußtsein als zwei völlig geschiedene Konkrete und dabei das Bewußtsein als unräumliches Konkretes festhält. Dieser Umstand darf uns mit Recht stutzig machen gegen die so gang und gäbe Aufteilung des Gegebenen überhaupt in zwei voneinander völlig geschiedene Gruppen "Seelisches" und "Dingliches". In der Behauptung dieses völligen Geschiedenseins ist der Grund zu suchen, daß das Haben des Dings sich seitens des Bewußtseins nicht einfügen lassen will in die Gedankenreihe der spiritualistischen Psychologie. Und dieses völlige  Geschiedensein  mit seinen zwei getrennten Wirklichkeiten oder Welten, der "Außenwelt" und der "Innenwelt" ist, wie wir erkannt haben, als Behauptung wiederum nur möglich, wenn die völlige  Verschiedenheit  von Ding und Seele als Konkreta aufgehoben wird. In welchem Sinn das bei denen, welche von so einer Außenwelt und Innenwelt reden, geschehen ist, zeigen diese Worte schon selber: die Seele ist zu einem  Dingkonkreten  gemacht, das mit dem "anderen" Ding das  Raumsein  als gemeinsame Bestimmtheit hat. Die somit  materialisierte  Seele muß selbstverständlich das von ihr verschiedene "Ding"  außer  sich haben, die Dinge bilden nun die "Außenwelt" und die materialisierte Seele wird gegenüber dem "außer ihr" Gegebenen etwas  "in sich"  aufweisen; dieses "Innere" der Seele oder das, was die Seele selber ausmacht; heißt dann eben die "Innenwelt". Bei so einer Auffassung macht auch das bloß vorgestellte Dingliche keine Schwierigkeit, es finden als Räumliches, das es zweifellos ist, im Seelenraum ausreichenden Unterschlupf, das Seelenhaus erscheint groß genug, um in seinem "Inneren" keine Wohnungsnot zu erfahren.

Aber ein räumliches Bewußtsein, eine räumliche Seele kann die Wissenschaft nicht zugestehen und damit fällt alles, was sich auf dieser Annahme aufbaut, in sich zusammen. Je leichter sie sich aber wieder einschleicht und dabei im überlieferten Sprachgebrauch den Helfershelfer findet, um so mehr müssen wir auf der Hut sein, die  Unräumlichkeit  der Seele oder das  Undingliche  "Seele" bis auf das letzte Titelchen festzuhalten und von der  völligen Verschiedenheit  des Dings und der Seele uns nichts, gar nichts abdingen zu lassen. Zweckmäßig ist es daher auch, wenn es irgendwie möglich ist, von den Worten  Äußeres und Inneres, Außenwelt  und  Innenwelt  in der Psychologie zur Bezeichnung des Gegensatzes "Dingliches und Seelisches"  abzusehen. 

Ferner haben wir, um den Gegensatz von Seelischem und Dinglichem richtig zu fassen, ganz außer Betracht zu lassen, was die Erkenntnistheorie im Dinglichen an Gegensatz findet: "wirkliches und bloß vorgestelltes Dingliches"; denn der Gegensatz von Seele und Ding ist einer des Gegebenen überhaupt und dabei gehört unter den Begriff "Ding" sowohl das wirkliche als auch das bloß vorgestellte Ding. Beherzigt man diese Mahnung, so wird sie das ihrige dazu beitragen, Dingliches und Seelisches nicht in einem zum Materialismus führenden Gegensatz zweier voneinander schlechthin geschiedenen Gegebenen zu stellen, weil ja das  vorgestellte  Dingliche zweifelsohne nicht von der Seele geschiedenes Gegebenes ist, sondern zur Seele gehört und  ohne sie kein Gegebenes ist. 

Das Dingliche überhaupt ist hinlänglich sicher gezeichnet durch den Begriff "Raum". Wir fragen nun wieder: wie kann, wenn die Seele zweifellos  unräumliches  Konkretes ist, doch, wie es ja im tatsächlichen Wissen (Haben des Bewußtseins) vom Ding (Räumlichen) vorliegt, Dingliches zugleich auch Seelisches sein, d. h. zum Seelenkonkreten gehören, ohne daß des konkreten Bewußtseins "Unräumlichkeit" irgendwie in Frage gestellt wird?

Um das zu beantworten, muß vor allem "Unräumlichkeit" oder "Immaterialität" der Seele, womit man meistens zuerst auf wartet, wenn es gilt, die "Seele" zu bestimmen, in ihrem Sinn erfaßt werden als  bloße  Verneinung schlechtweg: denn das wird gewöhnlich nicht bedacht, daß das verneinende Wort "die Seele ist unräumlich oder immateriell" nicht mehr Sinn hat als das andere "der Baum ist unklug", d. h. es wird von der Seele eine Verneinung ausgesagt, die so selbstverständlich ist wie die, daß der Baum nicht klug ist. Wer uns Letzteres, gar etwa noch mit wichtiger Miene, verkündet, den würden wir fragen, ob er einen Scherz mit uns treiben will oder ob er nicht mehr bei Trost sei. Wie kommt es aber, daß wir die Verkündigung "die Seele ist immateriell" gelassener hinnehmen, obwohl sie an sich jener anderen an Wert durchaus gleichsteht?

Es ist die altmaterialistische Behauptung, welche in jenem Satz als  Irrtum  abgewiesen werden soll und in diesem Sinne hat derselbe eine gewisse Existenzberechtigung; vergißt man aber diese Beziehung, den Kampfzweck des Satzes, denkt man nicht mehr an jene materialistische Verirrung, so bekommt der Satz ein anderes Gesicht. Das Gewicht, mit dem "Unräumlichkeit" oder die "Immaterialität" der Seele ausgesprochen zu werden pflegt, schüchtert wohl den Gedanken, das sei ja selbstverständlich, wie die Unklugheit des Baumes, ein und ruft dem quälerischen Bestreben, bei dieser Verneinung selbst etwas Bestimmtes zu denken. Gibt es doch auch viele Verneinungen, bei denen sich zugleich etwas Sicheres denken läßt: die Hand ist unrein, das Gefäß undicht, das Wasser unklar - sagt uns: die Hand ist schmutzig, das Gefäß durchlöchert, das Wasser trübe, denn das Reine kennen wir nur im Gegensatz zum Schmutzigen, usf.

Diese Verneinungen sind uns geläufig; bei ihnen enthält der Gegensatz, welcher ihnen zugrunde liegt, die beiden möglichen Besonderheiten  eines  Gattungsbegriffes "Hand", "Gefäß" usf. Diese Gewohnheit macht sich nun geltend, wenn man den Satz hört: die Seele ist unräumlich; man sucht unwillkürlich, um sich doch beim Gehörten auch etwas Tüchtiges zu denken, nach dem einen  Gattungsbegriff,  unter den der Gegensatz räumlich - unräumlich zu bringen sei. Da nun die Tatsachen einen solchen Begriff, der Räumliches und Bewußtes [1] = Unräumliches als seine verschiedenen Besonderheiten hätte, nicht an die Hand geben - denn "Konkretes" oder "Substanz" könnte hier, wie ersichtlich ist, es nicht sein - so verführt die genannte Gewohnheit, unterstützt von einem Anschaulichkeitsbedürfnis, dazu, als den gemeinen Gattungsbegriff das "Anschauliche" hereinzunehmen oder in verschleierterer Form, die "Größe" oder in derberer Form, den "Stoff"; und dann wird das Räumliche oder Materielle als das Schwere, Feste, Diche, Grobe, das "Unräumliche" oder Immateriellle (3) als das Leichte, Lose, Dünne, Feine (man denke nur an die "Geister", Gespenster) des Anschaulichen gefaßt. So leisten demnach die Worte  Immaterialität  und  Unräumlichkeit  der Seele" nicht das, was man wünscht, sondern dienen vielmehr oft noch zu einer Brücke, um die Seele wieder als Anschauliches zu fassen, d. h. zu materialisieren. Es empfiehlt sich demgemäß von diesem Wort  im Allgemeinen Abstand zu nehmen  und es nur für den besonderen Fall bereit zu halten, wenn es gilt, zunächst den gegensätzlichen Standpunkt gegen den Materialismus zum Ausdruck zu bringen.

Der eigentilche Sinn des Gegensatzes aber wird durch die Worte Anschauliches (Dingliches) - Bewußtes [1] (Seelisches) wiedergegeben. In diesen Worte ist erst der durch "unräumlich" angedeutete Gegensatz klar bestimmt.

Jeder Gegensatz, der ein schlechtweg geschiedenes Gegebensein seiner Glieder enthält, aufgrund dessen mit gutem Sinn von dem einen das, was das andere zu einem von jenem geschiedenen Gegebenen macht, verneint wird, schließt für die beiden Glieder  die Gemeinsamkeit des Gattungbegriffes  selbstverständlich ein. Ein solcher Gegensatz ist nicht durch "Ding und Bewußtsein" gegeben, in  solchem  "guten" Sinne kann daher  von der Seele gar nichts verneint werden, was das Ding ist und besitzt:  das ist es, was wir im soeben Entwickelten klar stellen wollten: in  solchem  Sinne also ist auch das Wort, die Seele ist unräumlich, ein  "sinnloses",  ebenso wie das andere, "der Baum ist unklug".

Ist dies richtig, so hindert uns von  dieser  Seite nichts, die  Zugehörigkeit des Dinglichen zur Seele,  zum konkreten Bewußtsein, für möglich zu halten. Zwar bleibt es dabei, daß die "Seele" ein völlig  anderes Konkretes  als "Ding" ist; und somit wissen wir auch von vornherein, daß, wenn die  Zugehörigkeit  des  Dinglichen zur Seele  in der Tat besteht (und darüber können uns nur die Tatsachen selber aufklären) diese Zugehörigkeit eine  ganz andere  sein muß, als die des  Dinglichen zum konkreten Ding.  Denn die Verschiedenheit von Ding und Seele würde ja  nicht eine völlige  sein, wenn die besondere Zugehörigkeit des Dinglichen zu einem Konkreten, die sich doch nach der Art dieses Konkreten richtet, für die beiden völlig verschiedenen Konkreten, Seele und Ding,  ein und dieselbe  wäre.

Die Tatsache, daß die Seele Dingliches hat, liegt im  Wissen,  d. h. im "Bewußtsein" vom Dinglichen vor. Wenn die wahrnehmende oder vorstellende Seele Dingliches hat, so gehört eben  dieses Dingliche  als  Besonderheit ihres Wahrnehmens oder Vorstellens zur Seele,  es ist also zugleich auch  Seelisches.  Ein Beispiel mag das erläutern: gesetzt, ich nehme in diesem Augenblick einen Baum wahr oder stelle mir die Midgardschlange vor, so ist das, was die Seele "hat", ohne Frage in beiden Fällen Dingliches und die Seele selbser in diesem ihrem Augenblickssein mitgekennzeichnet durch das Haben gerade dieses Dinglichen. Wäre die Seele in diesem Augenblick zwar auch eine wahrnehmende oder vorstellende, hätte sie aber an Stelle des Baumes einen Turm oder anstelle der Midgardschlang das Medusenhaupt, so würde sie in so einem Augenblick nicht dieselbe Seele, sondern  anders  sein, sie nähme eben anderes Dingliches wahr und stellte anderes Dingliches vor: daraus ist ersichtlich, daß hier  das Dingliche auch Seelisches  ist, zur Seele gehört, weil es eine Besonderheit des Wahrnehmens und Vorstellens der Seele ist, also eine  besondere Bestimmtheit der Seele  mit ausmacht und daher die Seele selber in ihrer augenblicklichen Besonderheit mit kennzeichnet.

Diese Tatsache wird wohl leicht verstanden, soweit sie auf "bloß vorgestelltes Ding", Midgardschlange etc., geht; hier hilft die alte Redensart, daß derart Dingliches ja überhaupt nur  "in der Seele"  besteht, also zu der dieses gerade vorstellenden Seele gehört.

Schwerer wird es, das "wirkliche" Dingliche auch als Seelisches zu fassen, weil seine Wirklichkeit darin eben gegründet ist, daß es, wie die Redensart lautet,  "außer der Seele"  besteht. Wir wissen nun, daß dieses  "außer der Seele"  besteht. Wir wissen nun, daß dieses  "außer der Seele bestehen"  nur den widerspruchslosen Sinn haben kann: "bestehen,  auch wenn diese Seele nicht ist":  diese nicht zu bestreitende Tatsache wird aber nicht im Geringsten angegriffen durch die Behauptung, daß das "wirkliche" (ohne die Seele bestehende) Ding auch die Besonderheit der wahrnehmenden oder vorstellenden Seele sein kann. Denn das nach alter Redeweise als  "in der Seele sein"  Bezeichnete ist ja tatsächlich nichts anderes als das  Besonderssein der Seele,  welche wahrnimmt oder vorstellt.

In Wahrheit ist die Schwierigkeit, wenn solche überhaupt gefunden wird, das Zugehören zur Seele zu verstehen, ganz dieselbe, mag es sich um wirkliches oder um vorgestelltes Dingliches handeln. Nur demjenigen ist sie in ersterem Fall größer, ja  unüberwindlich,  welcher einen  Seelenraum  annimmt; er hat zwar Platz genug für alles "bloß vorgestellte" Dingliche "in der Seele", aber hat kein Tor am Seelenraum, durch das sich das wirkliche Dingliche ihm zugehörig machen könnte. Doch mit dieser Meinung haben wir schon abgerechnet.

Welche Bedingungen freilich erfüllt sein müssen, damit wirkliches Dingliches oder "bloß vorgestelltes" Dingliches Besitz des konkreten Bewußtseins, also Seelisches, zur Seele Gehöriges, sei, das ist weiter eine fachwissenschaftliche Untersuchung des Psychologen, welche einerseits auf der Tatsache des wirklichen, abgesehen von der Seele bestehenden, Dinges, sich andererseits auf der Tatsache des Bewußtseinsbesitzes von diesem und anderem Dinglichen aufbaut. Davon später.

Das Dingliche  ist bewußt [2]: diese Zugehörigkeit des Dinglichen zum Bewußtsein oder zur Seele nun ist und muß eine ganz andere sein, als die Zugehörigkeit des Dinglichen zu einem Ding. Nehmen wir als Beispiel den Ofen in der Stube, der beiderlei Zugehörigkeit aufweisen kann, die wir kurz die dingliche und die seelische Zugehörigkeit nennen wollen. Die dingliche Zugehörigkeit zeigt der Ofen zur Stube, "in der" er sich befindet, die seelische zu "mir", der ich ihn wahrnehme: beide Zugehörigkeiten sind  zugleich. Dieses  Zugleichsein aber ist nur möglich, weil die Seele und Stube zwei  völlig  verschiedene Konkrete sind; würde die Seele ein Seelen ding  sein, so wäre jenes unmöglich: der Ofen kann nicht  zugleich  (ganz) in dieser und jener Stube sein. Wollte man sagen: aber er kann doch zugleich in dieser Stube und im Haus, zu welchem die Stube gehört, sein, so wird das in Bezug auf unsere Frage doch nur ein scherzhafter Einwand sein: denn der Ofen gehört  auch  zum Haus,  weil  die Stube zu ihm gehört; aber der Ofen gehört der ihn wahrnehmenden Seele, auch wenn die ganze Stube nicht zu ihr gehört, nicht von ihr wahrgenommen ist.

Einen anderen Beleg für die gänzliche Verschiedenheit der beiden Zugehörigkeiten finden wir darin, daß ein und dasselbe Dingliche nur  einem  Ding in  einem  Augenblick, dagegen  vielen  Seelen zugleich zugehören kann; den Ofen kann nur  eine  Stube, aber ihn können viele Wahrnehmende oder Vorstellende zugleich haben.

Betrachten wir ferner die dingliche und seelische Zugehörigkeit in ihrem Werden, so ergibt sich ein bemerkenswerter Unterschied. Gesetzt der Ofen sei ein tragbarer eiserner, der in die Stube hineingestellt wird, so haben sowohl Ofen als auch Stube eine Veränderung erfahren, nur so war die Zugehörigkeit des Ofens möglich, der Ofen erfährt eine Ortsveränderung, die Stube eine Bestimmtheitsveränderung. Wenn aber der Ofen bewußt [2] wird, geht nicht irgendwelche Veränderung mit ihm selber als Dinglichem vor, im Gegenteil er bleibt derselbe und  nur die Seele verändert sich.  Das wirkliche Ding wird mir bewußt [2], kann immer nur die Tatsache ausdrücken, daß ich, dieses konkrete Bewußtsein, eine Veränderung erfahren habe, nicht aber auch das Ding selber, welches nun die besondere Bestimmtheit der wahrnehmenden Seele ist.

Freilich wenn auch nicht am Ding als Wirklichem selber durch sein Bewußtwerden eine Veränderung geschieht, so ist doc hvon ihm  die  Veränderung auszusagen, daß es  Seelisches  geworden ist; dadurch ist jedoch  nichts  zum  Begriff  dieses Dinges selber hinzugekommen, wie doch zum Beispiel beim Hineinsetzen des Ofens in die Stube für den Ofen feststeht; das Ding wird ja nicht etwa auch  "in die Seele hineingesetzt"  und Redensarten Hereinnehmen oder Eingehen ins Bewußtsein werden wir überhaupt als  bloß bildliche  zu vermeiden suchen müssen, um der Gefahr, ins Materialisieren zu geraten, möglichst vorzubeugen.

Das wirkliche Ding wird Seelisches oder Bewußtseinsbesitz: vom bloß "vorgestellten Ding" aber kann solches "Bewußt werden"  nicht behauptet werden, denn es  ist  ja überhaupt nur, dieweil es Besonderheit der vorstellenden Seele ist; während wir vom "wirklichen" Dinglichen sagen, es  könne auch  Seelisches sein, so gilt für das  "bloß vorgestellte"  Dingliche, es  müsse  Seelisches sein. Dies ist der Unterschied zwischen jenem und diesem Dinglichen in seinem Verhältnis zur Seele.

Man mag nun wohl aufgrund der Tatsache, daß wirkliches Dingliches Seelisches werden kann, die Frage aufwerfen, ob umgekehrt auch Seelisches werden kann, die Frage aufwerfen, ob umgekehrt auch Seelisches wirkliches Dingliches werden könne. Die Frage ist zu bejahen in betreff desjenigen Seelischen, welches bloß vorgestelltes (4) Dingliches ist: das Haus, welches der Baumeister vorstellt, kann Dingwirkliches werden, ebenso der Regen, welchen ich als morgen eintretend vorstelle, usf. Aber falsch ist es, den wahren Satz: "alles Dingwirkliche kann Seelisches werden" umzukehren und zu behaupten: "alles Seelische kann Dingwirkliches werden"; denn das "Dingwirklicheswerdenkönnen" trifft allein für das Seelische, welches "bloß vorgestelltes Dingliches" ist, zu.

Der Unterschied muß beachtet werden:  alles  wirkliche Dingkonkrete und alle seine Bestimmtheiten können Bewußtseinsbesitz, d. h. Seelisches werden; vom konkreten Bewußtsein dagegen können nur jene Besonderheiten der vorstellenden Seele, welche schon ihrem Inhalt nach Dingliches sind, auch Dingwirkliches werden. Im Gegensatz zu diesem Seelischen wollen wir dasjenige am konkreten Bewußtsein Gegebene, welches nicht Dingwirkliches sein und werden kann, das  rein Seelische  nennen; zu ihm gehört alles vom konkreten Bewußtsein, was nicht wahrgenommenes und vorgestelltes Dingliches ist, in erster Linie aber, um dieses hier hervorzuheben, das stetige Moment des konkreten Bewußtseins, das Bewußtseinssubjekt.

Wie steht also Ding und konkretes Bewußtsein im Gegebenen überhaupt da? Alles Ding und jede Seele gehört zum Gegebenen überhaupt. Wäre aber das die einzige auszusagende Zugehörigkeit und dürfte unter Ding nur das "wirkliche" Ding verstanden werden, so möchte die Behauptung, das Gegebene überhaupt scheide sich in Ding und Seele, wohl ohne Anstoß bestehen können, allerdings nur für den Fall, daß Dingwissen der Seele trotz dieser Scheidung sich begreifen ließe. Das Letztere ist aber auch nicht der Fall und die Tatsache des Dingwissens ist das beredteste Zeugnis gegen eine  solche  Scheidung des Gegebenen in Ding und Seele. Da nun das Gegebene doch, was immer es sei, entweder Dingliches oder Seelisches ist, aber alles Dingliche zugleich auch Seelisches sein kann und alles "Seelische" selbstverständlich zur Seele Gehöriges ist, so besteht zwischen Seele und dem Gegebenen überhaupt noch eine besondere Zugehörigkeit. Als Konkretes gehört die Seele wie das Ding, dem Gegebenen überhaupt an, als konkretes Bewußtsein aber  kann  sie das Gegebene ingesamt  "wissen",  es als bewußtes [2]  haben,  seinerseits  kann  also  alles  Gegebene auch zu ihr gehören.

Daraus ergibt sich ein zweifaches Verhältnis der Seele zu dem gewußten wirklichen Ding insbesondere, das hervorgehoben werden muß, einmal das Verhältnis zu ihm als gewußtem Dinglichen. Da das wirkliche Ding als das Wirkliche dasselbe Dingliche bleibt, auch wenn es "gewußt" ist, so heben  diese zwei Verhältnisse  sich nicht auf, sondern  können  in Wirklichkeit  zusammenbestehen.  Wahr ist es, daß die Seele und das wirkliche Ding zwei besondere völlig verschiedene Konkrete des Gegebenen überhaupt sind, falsch aber ist es, sie als schlechtweg voneinander geschiedenes Gegebenes anzusehen; wären sie das, so würde jedes wirkliche Ding nur eine, nämlich die (dingliche) Zugehörigkeit zu einem Ding, als dessen Dingteil es gegeben wäre, aufweisen, nicht aber auch die seelische Zugehörigkeit, das Gewußtsein, aufweisen können.

Wer in Anbetracht des wirklichen Dinges dessen Bewußtseinszugehörigkeit in ihrer völligen Verschiedenheit von dessen Dingzugehörigkeit, wer also die Seele als konkretes Bewußtsein und daher als Nicht-Ding zu begreifen weiß und nicht in eine materialistische Auffassung von der Seele zurückfällt, für den wird das soeben Behauptete nichts Unbegreifliches sein, denn er hat die ererbte Meinung vom dinglich  gedachten Gegensatz des Dinges und der Seele, die  Scheidung  der wirklichen Dingwelt und der Seele, des Dinglichen und des Seelischen im Gegebebenen überhaupt, endgültig überwunden.



Alles Dingliche  kann  auch zugleich Seelisches sein! Dingliches  muß  aber auch zugleich Seelisches sein, wenn die Seele als Gegebenes möglich sein soll. Wir können uns kein Bewußtsein denken, das nicht ein wahrnehmendes und vorstellendes wäre und wir können uns kein Wahrnehmen und Vorstellen denken, dessen Besonderheit nicht  Dingliches  wäre; es gibt kein  Bewußtsein, das nicht Dingliches wahrnähme und vorstellte.  Man prüfe diese Behauptung am unmittelbaren Seelengegebenen, das ja für jeden allein die Entscheidung geben kann; es wird sich  kein  Bewußtseinsaugenblick finden, in welchem nicht etwas  Dingliches  zu diesem Bewußtsein gehörte als das Wahrgenommene oder Vorgestellte. So bestätigt uns die Tatsache des Bewußtseins die Wahrheit, daß Dingliches zugleich auch Seelisches nur sein kann, sondern auch sein muß.

Dabei bleibt die Wirklichkeit des Dinglichen, das Bestehen von Dinglichem abgesehen vom einzelnen konkreten Bewußtsein unangetastet und mithin die Möglichkeit eines Ursachverhältnisses zwischen jenem und der Seele offen. Die Behauptung einer Wechselwirkung zwischen dem wirklichen Ding und der Seele steht zu derjenigen, daß alles Dingliche auch Seelisches sein kann, durchaus in keinem Widerspruch, aber sie läßt sich freilich aus dieser auch nicht ableiten. Ob zwischen Seele und Ding eine Wechselwirkung bestehen kann, ist also eine Frage, die zu neuen Überlegungen veranlaßt.
LITERATUR - Johannes Rehmke, Lehrbuch der Allgemeinen Psychologie, Hamburg und Leipzig 1894
    Anmerkungen
    1) Weitere Erwägungen, daß die Räumlichkeit wiederum Farbe als notwendigen "Begleiter" fordert, so daß auch das gesonderte Räumliche nicht ohne die verschiedenen Farben möglich ist, gehören einer anderen Wissenschaft an; wir können sie hier unterdrücken und uns auf die Betonung des Identischen und Verschiedenen der Räumlichkeit beschränken.
    2) Mit beachtenswerter Folgerichtigkeit hat ÜBERWEG diesen Schluß aus dem Satz von der Vorstellung als einem "in der Seele" befindlichen Bild des "außer ihr" gegebenen Dinges gezogen. (Siehe Zeitschrift für rationelle Medizin von HENLE und PFEUFER, 3. Reihe, Bd. 5, Heft 2 und 3: Zur Theorie des Sehens".)
    3) Das Fremdwort "Immaterielles" fördert noch bei Vielen die widerspruchsvolle Dichtung und die Meinung, daß in der bloßen Behauptung, "die Seele ist etwas Immaterielles", Wunder was für Bestimmtes in Bezug auf die Seele ausgesagt sei.
    4) Wir können hier füglich den erkenntnistheoretischen Unterschied desjenigen bloß Vorgestellten, das nur "mögliches" Dingwirkliches und niemals wirkliches Ding sein kann, von demjenigen, das Dingwirkliches werden kann, außer Acht lassen.