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Kants Kritizismus in der ersten und zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft [2/2]
Erstes Kapitel Die Kritik der reinen Vernunft in der ersten Auflage KANT hat den "Hauptzweck" seiner Arbeit schon durch den Titel derselben zum Ausdruck gebracht. Sein Plan ist eine Kritik "des Vernunftvermögens überhaupt in Anbetracht aller Erkenntnisse, zu denen sie unabhängig von aller Erfahrung streben mag" (I, Seite VI), wobei unter Vernunft überhaupt das ganze obere Erkenntnisvermögen im Gegensatz zur Sinnlichkeit verstanden ist (863, 29). Von den drei Bestandteilen dieses Vermögens, dem Verstand, der Urteilskraft und der Vernunft im engeren Sinn, gehören die beiden ersteren insofern zusammen, als sie einen objektiv gültigen Gebrauch zulassen, während die Vernunft in ihren Versuchen, über Gegenstände a priori etwas auszumachen, ganz und gar dialektisch ist (170). Die "Hauptfrage" der Kritik der Vernunft ist demnach: "Was und wieviel kann Verstand und Vernunft frei von aller Erfahrung erkennen?" (I, Seite XI). Auch hier findet jedoch noch eine Einschränkung statt. Die Vernunft im engeren Sinne nämlich geht
Die Methode, die nicht bloß der Lösung dieses allgemeinen Problems, sondern auch allen Ausführungen derselben zugrunde liegt, ergibt sich aus der Natur der reinen Vernunft. Die Grenzbestimmung aller reinen Erkenntnis muß selbst a priori sein; sonst könnte sie keinen Maßstab für ihre Regulierung finden (80, 25, 786; I, Seite IX). Sie kann es sein, denn die Abstraktion der a priori erworbenen Formen und ihre Verbindung untereinander sind selbst lauter apriorische Handlungen, obleich die Erfahrung (zeitlich) ihnen vorhergeht. Man abstrahiert jene Formen nicht von der Erfahrung, sondern man abstrahiert im Gebrauch derselben, die a priori gegeben sind, von allem Empirischen, das darunter enthalten sein mag (1). Sogar
Die historische Bedeutung dieser transzendentalen Kritik unserer Erkenntnisse a priori ergibt sich für KANT aus dem Verhältnis derselben zu der bisherigen Entwicklung der Metaphysik, die sich im Ganzen in drei Perioden vollzieht, einer dogmatischen, einer skeptischen und einer kritischen. KANTs Tendenz ist demnach sowohl dem Dogmatismus entgegengesetzt, der despotisch und ohne Mißtrauchen auf seine ursprünglichen objektiven Prinzipien seine metaphysischen Lehrgebäude errichtet, als auch dem *Skeptizismus zuwider, der in seiner gegen den *Dogmatismus gerichteten polemischen Zensur der reinen Vernunft zwar empirische Urteilskraft beweist, jedoch nur die Schranken unserer Vernunft, und auch diese nur vermutungsweise zu bestimmen vermag (789; I, Seite III). Der Gegensatz zur Kritik der reinen Vernunft gegen diese beiden Vorstufen ist daher nicht der gleiche. Sie steht dem Skeptizismus historisch und sachlich näher. Wie jener bezweckt auch sie eine Grenzbestimmung der reinen Vernunft; wie jener ist auch sie unmittelbar gerichtet gegen die Ansprüche des Dogmatismus auf eine die Grenzen der Erfahrung überschreitende, d. h. transzendente Erkenntnis (786f; I, Seite IIIf); wie dort ist deshalb auch hier die Lösung des Problems gar nicht so ausgefallen, als dogmatisch schwärmende Wissbegierde erwarten mochte, die nicht anders als durch Zauberkünste befriedigt werden könnte (I, Seite VIf); wie dort endlich ist der Nutzen der Arbeit "wirklich nur negativ", weil dieselbe nicht zur Erweiterung sondern nur zur Läuterung unserer Vernunft dient (25, 756, 823, 879). Unterschieden ist sie vom Skeptizismus deshalb nur, sofern sie nicht bloß die fehlgeschlagenen dogmatischen Versuche, d. h. gleichsam die facta der Vernunft, sondern die Vernunft selbst nach ihrem ganzen Vermögen zu reinen Erkenntnissen a priori der Zensur unterwirft, die Grenzen unserer reinen Erkenntnis also nicht bloß empirsch aus Beobachtung, sondern kritiksch durch Ergründung der ersten Quellen derselben, d. h. a priori bestimmt (791m 788 m 786). Dieser einzige Unterschied ist es deshalb, der aus dem Skeptizismus zur Kritik hinüberleitet. Jener kann die Streitigkeiten über die Gerechtsame der reinen Vernunft nicht zu Ende führen, weil er die Grenzen nicht allgemeingültig zu bestimmen weiß (792, 790). Die kritische Philosophie verhält sich demnach im Ganzen zur skeptischen, wie die festen und allgemein bewährten Maximen der gereiften männlichen Urteilskraft zu der Vorsicht der durch Erfahrung lediglich gewitzigten Urteilskraft, oder wie ein Grundsatz wissenschaftlicher allgemein gültiger Entscheidung ihrer Ansprüche zum Grundsatz der Neutralität bei allen dogmatischen Streitigkeiten der reinen Vernunft (785), oder endlich wie ein Wohnplatz zum beständigen Aufenthalt für die menschliche Vernunft zu einem Ruheplatz derselben, da sie sich über ihre dogmatische Wanderung besinnen und sich über die Gegend, in der sie sich befindet, orientieren kann, um ihren Weg fernerhin mit größerer Sicherheit zu wählen (789). Ist demnach die dogmatische Metaphysik, da sie zu Grundsätzen ihre Zuflucht nimmt, die allen Erfahrungsgebrauch überschreiten, ein Kampfplatz endloser Streitigkeiten (I, Seite II), so ist die Kr. d. r. V. der wahre Gerichtshof für dieselben, der die Rechtsame der Vernunft überhaupt nach den Grundsätzen ihrer ersten Institution zu bestimmen, und so jene Streitigkeiten gleichsam durch eine prozessuale Sentenz zum ewigen Friedne zu führen hat (779f). Denn sie zeigt, daß alle die dogmatischen Parteien der reinen Vernunft Luftfechtern gleichen, die sich mit ihren eigenen Schatten herumbalgen, da sie über die Natur hinausgehen, wo für ihre dogmatischen Griffe nichts vorhanden ist, was sich fassen und halten läßt: die Schatten, die sie zerhauen, wachsen wie die Helden in Walhalla im nächsten Augenblick wieder zusammen (784). Der nächste Vorgänger KANTs ist daher, wie wir erfahren, DAVID HUME,
KANT tritt zwar nicht aus diesem ganzen Gedankenzusammenhang, wohl aber aus seiner Einkleidung desselben heraus, sofern er neben HUME noch LOCKE als seinen Vorgänger erwähnt (I, Seite III), dessen Physiologie des menschlichen Verstandes ebenso wie seine eigene Kritik die Rechtmäßigkeit der dogmatischen Ansprüche auf eine transzendente Erkenntnis zu entscheiden versucht hat, die jedoch ihrem Ziel nicht nachgekommen ist, weil sie jenen Ansprüchen eine falsche Genealogie, nämlich einen Ursprung aus dem Pöbel der gemeinen Erfahrung angedichtet hat. KANT hat es nicht versucht, diese Beziehung auf LOCKE mit jener Gliederung der Vernunftentwicklung in einen Zusammenhang zu bringen; vermutlich hat er es für überflüssig gehalten, weil er LOCKE für den unmittelbaren Vorgänger HUMEs hielt, ein Urteil, das nur unter der Voraussetzung erklärbar ist, daß er BERKELEY, dessen Idealismus in skeptischer Wendung die Voraussetzung von HUMEs Phänomenalismus bildet, aus eigenem Studium nicht kannte. Die Tendenz der Kritik der reinen Vernunft ist somit direkt gegen den "alten wurmstichigen Dogmatismus der Metaphysik" gerichtet (I, Seite (IV), sie geht jedoch nicht gegen die Metaphysik als Wissenschaft selbst, die so alt und so unveräußerlich ist, wie die spekulative Menschenvernunft (870). Zu dieser Metaphysik der spekulativen Vernunft (870) oder Metaphysik der Natur (873) bildet sie vielmehr die notwendige Propädeutik [Vorschule - wp]: sie soll zur Idee derselben den ganzen Plan vollständig und sicher d. h. aus Prinzipien entwerfen (25, 27). Sie unterscheidet sich von derselben deshalb nur, sofern ihr die Analysis der gesamten menschlichen Erkenntnis a priori, z. B. die Definition der Kategorien fehlt, die der Metaphysik unentbehrlich ist. Da diese Analysis keine andere Bedenklichkeit bei sich führt, als die Verantwortung der Vollständigkeit (28), so spricht KANT die Hoffnung aus, daß er eine solche systematische Ausführung seiner Kritik, die bei noch nicht der Hälfte der Weitläufigkeit ungleich reicheren Inhalt haben soll, selbst bald liefern wird (I, Seite XV). Daß sie als bloße Spekulation ebenfalls mehr dazu dienen wird, Irrtümer abzuhalten, als Erkenntnisse zu erweitern, tut ihrem Wert keinen Abbruch, sondern gibt ihr vielmehr Würde und Ansehen durch das Zensuramt, welches die allgemeine Ordnung und Eintracht, ja den Wohlstand des wissenschaftlichen gemeinen Wesens sichert (879). Diese Ausführungen zeigen zunächst, daß KANT zur Charakterisierung seines kritischen Standpunktes zwei ganz bestimmte Überzeugungen vor Augen hat, denen deshalb keine anderen untergeschoben werden dürfen; sie beweisen ferner, daß der kritische Standpunkt, wenn die Ausführung desselben leistet, was diese Einleitung erwarten läßt, keiner jener beiden Parteien untergeordnet werden darf, sondern eine dritte Partei entgegen und deshalb über jenen bildet; sie geben endlich zu erkennen, daß derselbe weder rein methodologischer noch rein sachlicher Natur ist. Zwecks genauerer Bestimmung ist darauf zu achten, daß das Verhältnis des kritischen Standpunkts zu Dogmatisus und Skeptizismus ein doppeltes ist, ein sachliches und ein historisches. Jene beiden Standpunkte nämlich bezeihnen in KANTs Darstellung sachlich. Die Entwicklungsstufen der Geschichte der reinen Vernunft, historisch: diejenigen früheren Systeme, zu denen sich KANT in engerer Beziehung weiß. In ersterer Hinsicht ist der Dogmatismus diejenige metaphysische Lehre, welche behauptet, eine transzendente Erkenntnis aus reiner Vernunft sei real möglich; in letzterer Beziehung ist derselbe die Systematik WOLFFs (884). Ebenso ist der *Skeptizismus sachlich genommen die wissenschaftliche Lehrmeinung, welche die transzendente Vernunfteinsicht verwirft, ohne doch ihre Zensur zu einer allgemeingültigen Grenzbestimmung zu führen; historisch genommen bezeichnet derselbe dagegen den empirischen *Skeptizismus HUMEs* (884). Das sachliche Verhältnis der Kr. d. r. V. zu diesen beiden Überzeugungen ist demnach das folgende: Gleichartig ist dieselbe dem Dogmatismus in ihrer Methode und in ihrer Architektonik: auch sie will ein systematisches Gebäude der reinen Vernunft, eine Metaphysik auf apriorischem Weg errichten. Ungleichartig dagegen ist sie demselben durch ihren Hauptzweck: sie richtet den Inhalt und den Umfang dieses Gebäudes lediglich für mögliche Erfahrung ein. Gleichartig dem Skeptizismus ferner ist dieselbe in ihrem Hauptzweck: sie findet die Grenzbestimmung der reinen Vernunft in der Beschränkung derselben auf mögliche Erfahrung. Ungleichartig aber ist sie demselben durch ihre apriorische, d. h. allgemeingültige Methode und durch ihre metaphysische Architektonik: ihre Grenzbestimmung ist allgemein gültig, nicht empirisch. Es ist klar, daß diese Beziehungen zu beiden Systemen trotz ihrer Korrelativität nicht gleichartig sind. In dem Maße, als der Inhalt des kritischen Standpunkts durch seinen Hauptzweck bestimmter bezeichnet wird als durch seine Methode und seine Architektonik, ist der Gegensatz desselben gegen den Dogmatismus größer als der Zusammenhang, und die Verwandtschaft mit dem Skeptizismus enger als die Differenz. Eben dasselbe gilt vom gleichnamigen Verhältnis KANTs zu WOLFF und HUME. Der letztere ist der nächste Vorgänger, der erstere der nächste Gegner KANTs, da sein System (und die ihm verwandte dogmatische Lehre von CRUSIUS u. a.) nach dem verfehlten Versuch LOCKEs die transzendenten Ansprüche unverändert behauptet hat (I, Seite IIIf). Es fragt sich nunmehr, inwieweit die tatsächlichen Ausführungen der Kr. d. r. V. diesen allgemeinen Gesichtspunkten entsprechen. KANT kleidet das allgemeine Problem derselben bekanntlich in die Frage: welches ist der Grund der Möglichkeit synthetischer Urteils a priori? (12, Anm. 3) Sie hat also die Aufgabe zu lösen: was ist bei den synthetischen Urteilen a priori das, worauf sich der Verstand stützt, wenn er außer dem Begriff von A ein demselben fremdes Prädikat B aufzufinden glaubt, das gleichwohl damit verknüpft ist? (13) Es ist ohne weiteres klar, daß diese Problemstellung der allgemeineren Bestimmung der Aufgabe, wie sich die objektive Gültigkeit der reinen Verstandesbegriffe begreiflich machen läßt, durchaus analog ist. Denn alle Urteile sind Verstandeshandlungen (93f), und die reinen Formen der Urteile sind die Funktionen der Kategorien oder reinen Verstandesbegriffe (94f). Die allgemeine Beantwortung jener Frage schließt sich dementsprechend auch unmittelbar an die Deduktion der Kategorien an (193f); sie ist, wie wir lesen, "in einer tranzendentalen Logik das wichtigste Geschäft unter allen." Zudem erhält dieselbe in der Tat nichts anderes als das Resultat der Deduktion. Sie gibt dasselbe in doppelter Form, denn das Medium der synthetischen Urteile a priori soll nicht bloß die Möglichkeit, sondern auch die objektive *Gültigkeit derselben verständlich machen. Die erstere folgt aus der Synthesis der Vorstellungen gemäß der Einheit der *Apperzeption im Inbegriff des inneren Sinnes (194), die letztere daraus, daß alle Erkenntnisse a priori nichts anderes sind als Formen möglicher Erfahrung (195). Der oberste Grundsatz aller synthetischen Urteile a priori, der jene beiden Seiten der Lösung zusammenfaßt, ist demnach:
Zu einem ähnlichen Ergebnis führt und die transzendentale Ästhetik. KANT geht in derselben von der Frage aus nach der Beschaffenheit von Raum und Zeit, die entweder wirkliche Wesen oder Bestimmungen bzw. Verhältnisse der Dinge sind, und im letzteren Fall sowohl als Formen der Dinge selbst wie auch als bloße Formen unserer Anschauung der Dinge angesehen werden können. Er beweist sodann, daß Raum und Zeit nicht empirisch, sondern a priori und daß sie nicht Begriffe, sondern Anschauungen sind. Hieraus folgt für ihn unmittelbar, daß dieselben nicht Bestimmungen der Dinge selbst, sondern nur Formen unserer rezeptiven Sinnlichkeit sind, mittelbar, daß unsere sinnlichen Vorstellungen der Dinge nicht diese selbst, wie sie ansich sind, sondern nur die Erscheinungen derselben geben. Das allgemeine Resultat seiner Argumentation faßt er demnach in die Erklärung zusammen,
Nicht ganz so einfach ist es, in der Argumentation der Ästhetik das Ergebnis zu bestimmen, das als der eigentliche Inhalt derselben anzusehen ist, in das sich als den Schwerpunkt des Ganzen alle Ausführungen derselben zusammenfassen lassen. KANTs Darstellung läßt hier eine dreifache Möglichkeit zu. Nach der architektonischen Anlage des Abschnitts dürfen wir erwarten, dieses eigentliche Resultat in den beiden Ergebnissen zu finden, daß *Raum und Zeit* a priori und Anschauungen sind. Aus der Fragestellung dagegen folgt, daß dasselbe in der Beschaffenheitsbestimmung von Raum und Zeit liegt, die in diesen Ergebnissen und dem ersten Schluß aus denselben, daß Raum und Zeit Formen der Sinnlichkeit sind, enthalten ist. KANTs eigene Zusammenfassung des Resultats endlich ergibt, daß dasselbe weder in jenen Ergebnissen, noch in dieser Beschaffenheitsbestimmung von Raum und Zeit liegt, sondern im zweiten Schluß aus den ersteren, der Grenzbestimmung unserer sinnlichen Erkenntnis überhaupt, daß nämlich all unsere sinnlichen Vorstellungen lediglich die Erscheinungen der Dinge-ansich zu erkennen geben. Von vornherein jedoch ist klar, daß die erste dieser Auffassungen nur ein geringes Gewicht in die Waagschale zu werfen hat, da die tatsächliche Unbestimmtheit der Ausführung beweist, daß der Plan der Anlage nicht mit bestimmter Rücksicht auf den eigentlichen Inhalt des Abschnitts entworfen ist. Es bleibt also nur die Frage, obe die Beschaffenheitsaussage über Raum und Zeit oder die Grenzbestimmung der sinnlichen Erkenntnis überhaupt als die zutreffende Zusammenfassung anzusehen ist. Für die letztere spricht zunächst der Umstand, daß KANT selbst sie als das Resultat seiner Ausführungen angegeben hat. Das Gleiche ergibt sich, sobald man versucht, den Grund dieses Mißverhältnisses zwischen Fragestellung und Resultat aufzusuchen. Da dasselbe weder ein beabsichtigtes noch ein zufälliges sein kann, so muß es als ein tatsächlich erfolgtes bedingt sein durch eine Vorwirkung späterer Ergebnisse, für welche diese Grenzbestimmung wesentlicher ist als jene Antwort auf die Fragestellung. Dann aber ist durch dieselbe auch die Stellung dieses ersten Abschnittes zu den übrigen Teilen des Werks bedingt, sie also als der Schwerpunkt der Ästhetik anzusehen ist. Eine neue Bestätigung gewinnt die Auffassung, sobald man diejenigen späteren Ergebnisse zu eruieren unternimmt, deren Vorwirkung diese Inhaltsverschiebung der Ästhetik hervorgerufen hat. KANTs Sorglosigkeit in der äußeren Darstellung seiner Gedanken macht es möglich, dieselben schon hier aufzufinden. Unmittelbar nämlich nach jenen oben zitierten Worten, welche das Resultat der Ästhetik ausdrücken, fährt er fort:
Wir haben zweitens zu erörtern, inwieweit auch die transzendentale Analytik sich demselben fügt. Der Gang der Argumentation in dieser ist dem in der transzendentalen Ästhetik nicht gleichartig. Nur die allgemeinste Fassung der Aufgabe ist in beiden dieselbe; dort handelt es sich um eine Zergliederung der reinen Sinnlichkeit, hier um eine Zergliederung des reinen Verstandes (89). Dagegen findet sich schon für die beiden ersten Beweise der Ästhetik, daß Raum und Zeit a priori und Anschauungen sind, in der Analytik kein Korrelat. Denn daß die Verstandesvorstellungen, die hier in Betracht kommen, Begriffe sind, bedurfte KANT nicht erst eines Beweises, während die Anschaulichkeit von Raum und Zeit sowohl gegen den rationalen Dogmatismus von LEIBNIZ und WOLFF als auch gegen den empiristischen Skeptizismus HUMEs zu erweisen war. Für den Beweis aber, daß diese Begriffe a priori sind, bedurfte es nur einer Rückdeutung auf die Ergebnisse der Ästhetik (74f, 79, 87). An die Stelle dieser überflüssig gewordenen Argumentationen tritt zuerst eine andere, die für die Ästhetik nicht notwendig gewesen war. Denn daß Raum und Zeit die beiden einzigen Formen der Sinnlichkeit sind, und daß ihr Verhältnis durch die Koordination des inneren und äußeren Sinnes hinreichend bestimmt ist, hat KANT nur beiläufig (37, 49f, 58) in einer Weise besprochen, welche zeigt, daß hier für ihn kein Problem mehr vorgelegen ist. Dagegen erforderte sowohl die Zahl als auch der Zusammenhang der reinen Verstandesbegriffe eine eingehende Untersuchung. Diese bildet deshalb, sehen wir von den einleitenden Betrachtungen ab, welche die äußere Form des Folgenden in den engen Rahmen der hergebrachten Auffassung der *Logik hineinzwängen, den ersten Inhalt der Analytik. Von zwei Seiten aus wird das Problem in Angriff genommen. Die Verstandesform der Urteile gibt den Leitfaden für die Entdeckung der Zahl und des systematischen Zusammenhangs der Kategorien; die Synthesis des spontanen Verstandes, durch die der mannigfaltige Stoff der Sinnlichkeit zu Vorstellungen verbunden wird, gibt die Definition derselben. Wir erfahren zuerst, daß die Kategorien nichts anderes sind, als die in abstracto betrachteten oder allgemein vorgestellten Arten der Synthesis, sofern durch dieselben in unsere Vorstellungen Einheit gebracht wird (Werke VI, 15, Anm.; 102f), daß sie also
Durch diese Ableitung und Definition der *Kategorien aber ist für die Analytik ein zweites Problem gegeben, das für die Formen der Sinnlichkeit ebenfalls nicht vorhanden war. Denn die Beziehung dieser Formen auf das Mannigfaltige der Erscheinungen oder die Anwendbarkeit derselben auf die Gegenstände der Sinnlichkeit führte zu keiner Schwierigkeit, da diese *Formen nichts als die Bedingungen sind, unter denen jenes Mannigfaltige uns gegeben werden kann (121, 123). Die Kategorien dagegen sind als Begriffe a priori des spontanen Verstandes nicht Bedingungen, unter denen die Gegenstände *gegeben werden müssen. Da nun Sinnlichkeit und Verstand für unser Erkennen zwei voneinander ganz unabhängige Stämme des Gemüts sind, so ist es möglich, daß uns die Gegenstände durch die Sinnes so *gegeben werden könnten, daß der Verstand sie den Bedingungen seiner Einheit gar nicht gemäß findet, daß z. B. die empirische Reihenfolge der Erscheinungen in der Zeit keine Regelmäßigkeit darbietet, die der notwendigen und allgemeingültigen Verstandessynthese von Ursache und Wirkung entspricht (122f, vgl. II, 100). Denn die Berufung auf die tatsächliche Regelmäßigkeit der Erscheinungsreihe in der Erfahrung gibt keinen Beweisgrund für jene Beziehung ab, da dieselbe eine transzendentale Erklärung fordert (117f, 123). Eben dasselbe folgt auch allein schon daraus, daß die Kategorien als Verstandesbegriffe von Gegenständen nicht durch Prädikate der Sinnlichkeit reden, für sich genommen als bloß logische Formen oder Funktionen des Denkens sind, aus etwaigen datis einen Begriff zu machen (120, 186, 298). Man kann daher sagen, daß sie durch ihre Beziehung auf die Sinnlichkeit beschränkt werden (186), ansich also sich weiter erstrecken als die sinnliche Anschauung, da sie in ihrer reinen Bedeutung sich auf Gegenstände ohne alle Bedingungen der Sinnlichkeit allgemein beziehen (120), d. h. Objekte oder Dinge überhaupt denken, ohne noch auf die besondere Art (der Sinnlichkeit) zu sehen, in der sie gegeben werden mögen (309). Es entsteht also hier die Frage, wie sich die objektive Gültigkeit derselben a priori erklären, und wie sich die Schranken ihres Gebrauchs a priori bestimmen lassen (117f). Diese apriorische Erklärung nun der Beziehung der Kategorien auf die Gegenstände der Sinnlichkeit, die in der Ästhetik keine Korrelat findet, nennt KANT die transzendentale Deduktion derselben. Über die Argumentation dieser Untersuchung hat KANT in der Vorrede (I, Seite X) ein beachtenswertes Urteil gefällt. Danach gliedert sich dieselbe in zwei ungleich wesentliche Teile, eine subjektive und eine objektive Deduktion. Die erste, die trotz ihrer großen Wichtigkeit nicht wesentlich zum Hauptzweck des Werks gehört, behandelt die Frage: wie ist das Vermögen zu denken selbst möglich? Sie betrachtet daher den reinen Verstand selbst nach seiner Möglichkeit und den Erkenntniskräften, auf denen er beruth, hat also, sofern sie gleichsam die Aufsuchung der Ursache zu einer gegebenen Wirkung enthält, etwas einer Hypothese Ähnliches an sich. Die zweite dagegen,, die dem Hauptzweck des Werkes gemäß ist, soll erklären, wie die objektive Gültigkeit der reinen Verstandesbegriffe möglich ist. KANT hat es nicht direkt ausgesprochen, daß diese beiden Formen der Deduktion in seiner Darstellung selbständig nebeneinander bestehen, er hat sie sogar als zwei Seiten seiner Betrachtung bezeichnet. Jedoch einesteils sein Hinweis auf den Gedankengang der objektiven Deduktion, der schon im einleitenden Abschnitt ausgesprochen ist, andererseits seine Andeutungen über die Bedeutung der ersten Ausführungen der Deduktion selbst (II, 98), endlich die inhaltliche Vergleichung dieser Ausführungen mit dem letzten Abschnitt derselben zeigen zur Genüge, daß die objektive Deduktion im ersten und dritten, die subjektive Deduktion im zweiten Abschnitt des ganzen Hauptstücks zu suchen ist. Nur ist diese Trennung, wie von vornherein zu erwarten ist, keine strenge. Der zweite Abschnitt enthält die objektive Deduktion ebenfalls, nur tritt die Beziehung auf die Frage nach den subjektiven oder, wie wir sagen würden, psychologischen Bedingungen der Verstandeserkenntnis bestimmter in den Vordergrund. Umgekehrtes gilt vom dritten Abschnitt. Nehmen wir hinzu, daß jenes Urteil der Vorrede später geschrieben ist als die Deduktion selbst, so fürfen wir behaupten, daß die Eingangsworte zum letzten Abschnitt (II, 115) diesen Sachverhalt, der von KANT zur Zeit der letzten Redaktion der Deduktion noch nicht so bestimmt fixiert sein konnte, da er ihn sonst schwerlich hätte bestehen lassen, bereits andeuten. Enthält demnach dieses Urteil KANTs eine Auffassung, die dem Plan der Deduktion selbst nicht zugrunde gelegen hat, so wird es notwendig, bei der Darstellung der Argumentation derselben lediglich jenen Plan selbst wiederzugeben. Auch hier aber stehen wir eine eigentümlichen Schwierigkeit gegenüber. Der Beweisgang der Deduktion bildet nämlich keine fortlaufende Reihe, sondern eine viermalige Wiederholung ein und derselben Argumentation (2). Diese vier Darstellungen aber sind voneinander nicht bloß dadurch unterschieden, daß die weniger ausführliche vorletzte die Richtung der Argumentation umkehrt, sondern auch dadurch, daß die erste um ein Glied, die Beziehung auf den Gegenstand der Vorstellungen, reicher ist als die übrigen, diese dagegen zwei Glieder, die Assoziation und die Affinität [der Anreiz - wp], die in der ersten nicht als gesonderte Glieder existieren, einschieben, ohne daß es möglich wäre, ihre Stelle innerhalb jener ersten Reihe genau zu bestimmen. Diese Abweichungen, denen sich noch manche unwesentlichere in der Abfolge und Betonung der einzelnen Glieder anfügen lassen (3), sind übrigens nicht derart, daß eine sachliche Nötigung zu einer solchen zerstückelnden, überall den Eindruck des Unfertigen erregenden Darstellung erkennbar würde. Vielmehr sind die einzelnen Beweisgänge nur lose aneinandergeknüpft, gelegentlich sogar so, daß es scheint, als habe hier eine nachträgliche Einschiebung stattgefunden, wie beim zweiten, der sich ganz unmotiviert an den ersten anhängt, um den Schluß des vierten kurz und unklar darzulegen. Selbst innerhalb der einzelnen Argumentationen sind die verschiedenen Glieder nicht durchsichtig verknüpft. Besonders in der ersten tritt die Diskussion der Beziehung der Vorstellungen auf ihren Gegenstand trotz aller sachlichen Zusammengehörigkeit zum letzten Glied an zwei Stellen formell ganz unmotiviert in den Gang des Beweises ein. Es ist eine Aufgabe der Entwicklungsgeschichte KANTs, diese befremdliche Zusammensetzung des Abschnitts zu erklären; hier genügt uns der Schluß, daß eine zusammenfassende Darstellung der Deduktion sich an keine dieser einzelnen Argumentationen direkt anschließen kann. Unseren Ausgangspunkt bildet deshalb die von KANT mehrfach wiederholte Bemerkung, daß die Möglichkeit der Erfahrung auf drei subjektiven Erkenntnisquellen beruth, dem Sinn, der *Einbildungskraft und der Apperzeption. Die Erörterung der ersten dieser Quellen in der Ästethetik hat gezeigt, daß die Gegenstände unserer Erfahrungserkenntnis bloße Erscheinungen der Dinge, d. h. nichts als die Vorstellungen derselben sind (II, 128). Aber das sukzessiv gegebene Mannigfaltige bedarf zu seiner Verbindung der Synthesis der Einbildungskraft, welche dasselbe durchlaufen oder apprehendieren [zusammenfassen - wp] und die früheren Glieder bei der Anfügung an die späteren reproduzieren muß, so daß eine regelmäßige Assoziation derselben entsteht. Dadurch aber ist noch nicht erklärt, welche Bedingungen es möglich machen, daß wir das Mannigfaltige in eine Vorstellung vereinigen, so daß keine Wahrnehmung uns gegeben werden kann, die nicht in die durchgängige Verknüpfung einer Erfahrung treten müßte, oder notwendigerweise assoziabel wäre. Diese Affinität der Erscheinungen nun beruth auf der Einheit des Bewußtseins, d. h. der transzendentalen Einheit der *Apperzeption. Denn damit ich das gegebene, apprehendierte und reproduzierte Mannigfaltige zu einem Ganzen verknüpfen kann, ist erforderlich, daß bei der Reproduktion jedes Einzelne als mit sich selbst identisch rekognosziert wird. Diese Rekognition [Wiedererkennung - wp] aber, d. h. das Bewußtsein, daß das, was wir denken, eben dasselbe ist, was wir einen Augenblick zuvor dachten, setzt die Einheit des Bewußtseins voraus, da dieses eine Bewußtsein es ist, welches das Mannigfaltige zu einer Vorstellung verbindet. Ohne diese Einheit
Diese Frage kann von zwei verschiedenen Seiten aus beantwortet werden. Man kann zunächst von derjenigen Begriffsbestimmung des transzendentalen Objekts ausgehen, die durch die Ergebnisse der Ästhetik bedingt ist (II, 108). Dort erfuhren wir, daß die Gegenstände unserer sinnlichen Anschauungen, weil sie lediglich die Erscheinungen der Dinge ansich geben, nichts als die Vorstellungen sind, welche diese Dinge in uns wirken. Nun haben alle unsere Vorstellungen einen Gegenstand; also auch die Erscheinungen. Da aber die Erscheinungen selbst nichts als die Gegenstände unserer sinnlichen Anschauung sind, so kann der Gegenstand der Erscheinungen, d. h. der Gegenstand des Gegenstandes der Anschauung nicht selbst wiederum von uns angeschaut werden. Der Gegenstand der Erscheinungen ist also das *Ding-ansich. Ist aber "die Art der Anschauung auf keine Weise gegeben, so ist der Gegenstand bloß transzendental." (304) Der Gegenstand unserer Vorstellungen überhaupt (denn eben das ist der Gegenstand unserer Erscheinungen) ist daher der transzendentale Gegenstand. Da ferner dieser transzendentale Gegenstand, weil überhaupt keine Anschauung, so auch keine bestimmte Anschauung in sich enthalten kann, so ist er bei allen unseren Erkenntnissen einerlei = X. Die Beziehung aller unserer Vorstellungen auf diesen Gegenstand kann daher nur die Einheit des Mannigfaltigen sein, die in jeder Vorstellung vorhanden sein muß, sofern sie als Objekt unserer Erkenntnis angesehen werden soll. Diese Einheit aber ist die Einheit der Apperzeption selbst. Die Beziehung all unserer Vorstellungen auf einen Gegenstand überhaupt beruth daher auf dem Gesetz a priori, daß alle Erscheinungen in der Erfahrung unter Bedingungen der notwendigen Einheit der Apperzeption stehen. Aus der unanschaulichen Natur des transzendentalen Gegenstandes also folgt, daß der notwendige Zusammenhang unserer Vorstellungen, die wir der Beziehung unserer Erkenntnis auf denselben tatsächlich zuschreiben, der Sache nach durch die Einheit der Apperzeption bedingt ist. Jener scheinbare Gegensatz zwischen der Bedeutung des Gegenstandes für unsere Erkenntnis einerseits und der Bedeutung der Einheit der Apperzeption für dieselbe andererseits hebt sich also dadurch auf, daß alle Funktionen des ersteren mit der Funktion der letzteren zusammenfallen, und somit auf dieselbe, die uns allein und überdies a priori gegeben ist, übertragen werden können. Zu dem gleichen Resultat führt noch ein anderer Beweisgang, den KANT ebenfalls im ersten Glied seiner Deduktion eingeschlagen hat (II, 104), die Entwicklung nämlich des Begriffs vom transzendentalen Gegenstand gemäß den Ergebnissen der Deduktion selbst. Denn diese besagen, daß die Kategorien nichts anderes sind als die Bedingungen des Denkens in einer möglichen Erfahrung. Das einzige Material dieser möglichen Erfahrung aber ist das Mannigfaltige der Sinnlichkeit, also unserer Vorstellungen. Die Kategorien beziehen sich daher nicht auf die Dinge-ansich, sondern lediglich auf unsere Vorstellungen dieser Dinge, d. h. die Erscheinungen. Der Gegenstand überhaupt, den ich oben = X gesetzt habe, ist uns also nicht bloß durch unsere Anschauung auf keine Weise gegeben, sondern kann auch durch keine der Kategorien gedacht werden. Er ist demnach etwas voll all unserer Erkenntnis Unterschiedenes. Nun haben wir jedoch außer unserer Erkenntnis nichts, was wir dieser Erkenntnis als korrespondierend gegenüber setzen könnten. Der transzendentale Gegenstand ist also für uns nichts. Unser Gedanke aber von der Beziehung unserer Erkenntnisse auf ihren Gegenstand
Die Aufgabe der Deduktion der Kategorien ist hiermit gelöst. Es hat sich ergeben, daß die objektive Gültigkeit der Kategorien als Begriffe a priori darauf beruth, daß durch sie allein Erfahrung (der Form des Denkens nach) möglich ist, d. h. daß sie sich notwendigerweise auf Gegenstände der Erfahrung beziehen, weil nur mittels ihrer überhaupt ein Gegenstand der Erfahrung gedacht werden kann (126). Mehr aber als dieser Nachweis der objektiven Gültigkeit der Kategorien war von der Deduktion nicht zu leisten (II, 128). Denn ein unmittelbares Eingehen auf die kritische Grenzbestimmung, die hier vermißt worden ist, konnte KANT erst nach dem folgenden Abschnitt geben, da dieselbe die Erörterung der Grundsätze voraussetzt. Er hätte also die Systematik seines Werkes unterbrechen müssen, wozu er jedoch, solange er unbefangen darstellte, gar keine Veranlassung haben konnte. Daß ihm sachlich das Resultat der Deduktion mit der Grenzbestimmung des Verstandes identisch ist, hat er vielfach ausdrücklich betont. Jedoch die Lösung des zweiten Problems der Analytik hat das Hervortreten eines dritten im Gefolge, für das noch weniger als für die beiden vorigen ein Korrelat in der Ästhetik vorhanden sein kann. Das Resultat der Deduktion, daß die Kategorien Begriffe sind von der reinen synthetischen Einheit der Mannigfaltigen der Erscheinungen, zeigt, daß die Beziehung der Kategorien auf die Gegenstände der Erfahrung dadurch möglich wird, daß die letzteren unter jene reinen Verstandesbegriffe subsumiert werden (176). Alles Subsumtion aber setzt voraus, daß der subsumierende Begriff dasjenige enthält, was im subsumierten Gegenstand vorgestellt wird, kurz: daß Begriff und Mannigfaltiges einander gleichartig sind. Nun aber ist diese notwendige Gleichartigkeit zwischen den Verstandesbegriffen a priori und dem Mannigfaltigen der Sinnlichkeit a posteriori, das unabhängig von jenen gegeben wird, nicht vorhanden. Da diese Subsumtion jedoch gemäß der Deduktion unzweifelhaft stattfindet, so muß ein Drittes bestimmbar sein, das einerseits mit den Kategorien, andererseits mit der sinnlichen Erscheinung gleichartig ist. Nun beziehen sich sowohl die Kategorien als auch das gegebene Mannigfaltige der Erscheinungen auf die Form des inneren Sinns, d. h. die Zeit (II, 98), da diese die Bedingung aller Synthesisdes (sukzessiv) gegebenen Mannigfaltigen ist. Jeder einzelnen Kategorie, d. h. jeder Funktion der Synthesis müssen demnach besondere "Bestimmungen des inneren Sinns überhaupt nach Bedingungen der Zeit" (181), d. h. transzendentale Zeitbestimmungen (177) entsprechen. Diese transzendentalen Zeitbestimmungen oder Schemata aber sind einerseits (als Zeitbestimmungen) intellektuell wie die Kategorien, deren Regel sie ausdrücken, andererseits (als Zeitbestimmungen) sinnlich wie das Mannigfaltige, dessen Bedingung des Gegebenseins sie enthalten, endlich (als transzendental) a priori' wie sowohl die Kategorien als auch das reine Mannigfaltige von Raum und Zeit. Sie sind also jenes Dritte, das die Subsumtion des sinnlich Gegebenen unter die Kategorien ermöglicht. Dadurch aber leisten sie noch mehr. Sie realisieren nämlich nicht bloß die Kategorien, sondern sie restringieren [beschränken - wp] dieselben auch. Denn, wie wir schon früher sahen, reichen die Verstandesbegriffe, da sie sich auf Gegenstände ohne Bedingungen der Sinnlichkeit allgemein beziehen (120), insofern weiter als die Sinnlichkeit, und werden erst durch die Schemata auf Bedingungen bezogen, die außerhalb des Verstandes liegen, d. h. eingeschränkt (186). Das Problem, das durch die notwendige Subsumtion des Mannigfaltigen unter die Kategorien gegeben wird, ist jedoch hiermit noch nicht vollständig gelöst. Die Schemata geben nur die allgemeinen Bedingungen zu dieser Subsumtion, nicht auch die einzelnen den Kategorien entsprechenden Urteile, die aus dem Mannigfaltigen der Sinnlichkeit gezogen werden können (187, 198), und daher die allgemeinsten Grundsätze des objektiven Gebrauchs des Verstandes bilden. KANT hat von diesen Grundsätzen selbst ausführliche Beweise und Erläuterungen gegeben, teils deshalb, weil die meisten derselben zu den viel umstrittenen Behauptungen der Metaphysik gehören (188); teils auch deshalb, weil ihn seine Entgegensetzung von Sinnlichkeit und Verstand gezwungen hat, auf eine Realdefinition der Kategorien, abgesehen von ihrer Stellung zur Sinnlichkeit, Verzicht zu leisten, da der Sinn der Beziehung der Kategorien auf das Mannigfaltige der Erscheinungen, d. h. ihre Realität ohne die Beziehung auf die Schemata unverständlich bleiben mußte (300 Anm. 2, 302 Anm. 1); endlich wohl, wie man nicht mit Unrecht vermutet hat, auch deshalb, weil ihm nicht alle die Nominaldefinitionen derselben, in deren Besitz erwar, genügten (108, 300 Anm. 2, 755; vgl. 300 Anm. 2, Ende). Für das Verständnis dieser Beweise im Ganzen klar zu legen: sie enthalten kein neues Problem neben oder zufolge der Theorie der Schemata, sondern nur eine spezielle Ausführung des allgemeinen Resultats der Deduktion gemäß dieser Theorie des Schematismus. Der Schwerpunkt all dieser Erörterungen liegt in den Argumentationen, welche zeigen, wiefern die Synthesis des Mannigfaltigen der Anschauung die Subsumtion unter die einzelnen Kategorien durch die Grundsätze notwendig macht. Ausdrücklich wird eingeschärft, daß alle diese Erörterungen die lediglich eine auf Erscheinungen bezügliche Realität der Kategorien voraussetzen (223). Als selbstverständlich wird es angesehen, daß diese Grundsätze ohne Ausnahme a priori sind (189, 198); nur der Grundsatz, der alle Wahrnehmungen antizipiert, wird besonders als ein apriorischer dargetan. Ein durch das Vorhergehende nicht bedingter Gedanke liegt jedoch in der systematischen Gliederung der Grundsätze in zwei Klassen in die mathematischen Axiome und Antizipationen, und in die dynamischen Analogien und Postulate. Die Synthesis der ersteren, welche die Erscheinungen unter die Kategorien der Quantität und Qualität subsumieren, geht, wie wir erfahren haben (199), auf die notwendigen Bedingungen aller Anschauung, die der letzteren dagegen, welche die Subsumtion unter die Kategorien der Relation und Modalität bedingen, betrifft das ansich zufällige Dasein derselben. Die apriorische Gewißheit der ersteren ist deshalb intuitiv [scheinbar sicheres Gefühl - wp], die der letzteren nur diskursiv [von Begriff zu Begriff - wp] (201); jene sollen konstitutiv, diese bloß regulativ sein, sofern die einen durch die Regel ihrer Synthesis die Anschauung a priori in jedem vorliegenden Beispiel konstruieren können, die anderen dagegen bloß auf die Verhältnisse des Daseins gehen, die sich a priori nicht bestimmt geben lassen (220f). Eine besondere Schwierigkeit liegt für KANT nur in den letzten Analogien der Erfahrung, den Grundsätzen der Kausalität und der Wechselwirkung, deren Erörterungen sich auch äußerlich als von den vorhergehenden und folgenden unterschieden ankündigen, sofern sie allein als Beweise bezeichnet werden. Der springende Punkt dieser Argumentationen ist ebenfalls durch das Ergebnis der Deduktion bedingt, das auch der Kategorie der Kausalität lediglich einen Gebrauch in Beziehung auf eine mögliche Erfahrung zugesteht. Die in einer Kausalverknüpfung stehenden Objekte sind daher als Erscheinungen lediglich Vorstellungen uns unbekannter transzendentaler Gegenstände. Es ist daher notwendig zu erklären, auf welche Weise die kausale Folge der Erscheinungen von der subjektiven Folge der Apprehension zu unterscheiden ist. KANT geht zu diesem Zweck von dem Theorem aus, daß der Verstand die Vorstellung eines Objekts erst möglich macht, sofern die Beziehung unserer Vorstellungen auf einen Gegenstand lediglich darin besteht, daß die Verbindung der Vorstellungen (durch die notwendige Beziehung ihrer Synthesis auf die Einheit der Apperzeption) auf eine gewisse Art notwendig gemacht, d. h. Regeln unterworfen wird. Die subjektive, jeder Vorstellung anhaftende Sukzession des Mannigfaltigen in der Synthese der Apprehension unterscheidet sich daher von der *kausalen Verknüpfung zweier empirischer Objekte nur dadurch, daß die letzteren durch den Grundsatz der Kausalität, wonach alles, was geschieht, etwas voraussetzt, worauf es nach einer Regel folgt, unter die Kategorie der Kausalität subsumiert werden. Lediglich dadurch also, daß die Erscheinungen auf die Kategorie der Kausalität bezogen werden, wird die synthetische Ordnung ihres Mannigfaltigen zur Darstellung eines Objekts (245), d. h. aus dem Mannigfaltigen wird ein Objekt erst dadurch, daß ich dasselbe "auf eine gewisse bestimmte Stelle in der Zeit setzen muß, die demselben nach dem vorhergehenden Zustand nicht anders erteilt werden kann, also nach einer Regel erteilt werden muß." Es ist klar, daß dieser Beweis lediglich den Gedanken wiederholt und näher bestimmt, den wir oben als das letzte Glied der Argumentation der Deduktion kennengelernt haben. Der Beziehung auf das transzendentale Objekt, die alle Erkenntnis erst unter sich einstimmig macht (II, 104), wird auch hier die notwendige Beziehung auf den Verstand, der die Verbindung der Vorstellungen auf eine gewisse Art notwendig und dadurch die Vorstellung eines Gegenstandes erst möglich macht (242f), d. h. die Einheit der Apperzeption substituiert. Es wird nur überdies gezeigt, daß diejenige Kategorie, die hierbei als die Regel setzende allein in Betracht kommt, die Kategorie der Kausalität ist. Die Berechtigung dieser ganzen Ausführungen steht und fällt daher mit der Berechtigung jenes Beweises, daß der transzendentale Gegenstand, weil für uns nichts, zu ersetzen ist durch die Einheit der Apperzeption, welche die allgemeinste Form aller Erfahrung ist. Die drei bisher aufgeführten Probleme der Analytik:
2) die Beziehung der Kategorien lediglich auf mögliche Erfahrung, 3) die Vereinigung der intellektuellen Kategorien mit dem sinnlich Mannigfaltigen in jeder wirklichen Erfahrung,
KANT geht in dieser Erörterung vom Resultat der Ästhetik aus, daß die Sinnlichkeit nicht auf die Dinge-ansich, sondern nur auf die Art geht, wie uns Dinge erscheinen (308 A, Zeile 11). Diese Einschränkung der Sinnlichkeit geschieht durch den Verstand. Denn da Erscheinungen nichts für sich selbst und außerhalb unserer Vorstellungsart sein können (308 Anm., Z. 1 u. ), so muß sie der Verstand, wenn nicht ein beständiger Zirkel herauskommen soll (309 A, Z. 1), auf das transzendentale Objekt beziehen (307 A, Z. 6). Der Begriff dieses transzendentalen Objekts ist logisch möglich, da er nichts anderes besagt, als daß unsere sinnliche Anschauung nicht auf alle Dinge geht, ihre objektive Gültigkeit folglich begrenzt ist, also für irgendeine andere Art der Anschauung Platz übrig bleibt (343), kurz: daß unsere sinnliche Anschauung nicht die einzig mögliche ist (310). Dieser Begriff ist ferner sogar notwendig, da nur durch ihn die Anmaßung der Sinnlichkeit, ihre Anschauung bis über die Dinge ansich selbst auszudehnen, eingeschränkt werden kann (310). Dennoch aber ist dieses transzendentale Objekt weder ein besonderes, dem Verstand allein gegebenes Objekt oder ein intelligibler Gegenstand (308 Z. 3 o., 311, 342), noch auch ein bestimmter, dadurch von allen Erscheinungen zu unterscheidender Gegenstand, daß er etwa durch eine nichtsinnliche Anschauung gegeben wäre (309 Anm., 305 Anm., 310, 311, 343, 344). Denn sowohl die Ergebnisse der Ästhetik als die der Analytik schließen eine solche Bestimmung aus, die uns dazu berechtigen könnte, die Welt in eine Sinnes- und Verstandeswelt einzuteilen (311), so daß unsere reinen Verstandeserkenntnisse eine Erkenntnis der Dine ansich gewährleisten (305 Anm.) Aus der Ästhetik nämlich geht hervor, daß dieses transzendentale Objekt nur ein Denken von Etwas überhaupt bedeuten kann, bei welchem man von aller Form der sinnlichen Anschauung abstrahiert (309 Anm.). Der Gedanke von diesem Etwas überhaupt kann daher nur gänzlich unbestimmt, also für alle Erscheinungen einerlei [dasselbe - wp] sein (310 Anm., 304) Jenes Etwas überhaupt ist also ein Etwas = X, von dem wir gar nichts wissen, noch überhaupt (nach der jetzigen Einrichtung unseres Verstandes) wissen können (307 Anm.). Unser Verstand bekommt also durch die Setzung dieses Objekts nur eine negative Erweiterung: er setzt das Ding-ansich als transzendentales Objekt, aber er setzt sich auch sofort selbst Grenzen, es durch keine Kategorien zu erkennen, folglich es nur als ein unbekanntes Etwa zu denken (312). Das transzendentale Objekt ist daher kein Gegenstand der Erkenntnis ansich (307 Anm.), sondern nur ein Grenzbegriff, der die Sinnlichkeit einschränkt, ohne doch etwas Positives außerhalb des Umfangs derselben setzen zu können (311). Es ist sogar nur ein problematischer Grenzbegriff, da seine reale Möglichkeit, welche eine Beziehung auf eine mögliche Erfahrung erfordert, gar nicht eingesehen werden kann (310). Dennoch ist das transzendentale Objekt nicht bloß ein Grenzbegriff für die Sinnlichkeit, sondern auch ein Etwas, das als ein Korrelat der Einheit der Apperzeption zur Einheit des Mannigfaltigen in der sinnlichen Anschauung dienen kann (307 Anm.). Wir sahen schon oben, dasselbe ist das Denken eines Etwas überhaupt, weil es durch keine Kategorie erkannt werden kann. Nun ist die reine, d. h. ohne Beziehung auf die Sinnlichkeit gedachte Kategorie nichts anderes als das Denken eines Dings überhaupt nach verschiedenen modis des Urteilens ausgedrückt (304), d. h. die Vorstellung eines Dings überhaupt, sofern das Mannigfaltige der unter sie zu subsumierenden Anschauung durch die eine oder die andere der logischen Funktionen werden muß (303 Anm., 748). Das transzendentale Objekt ist also als das gänzlich unbestimmte Etwas überhaupt zugleich das Ding überhaupt der reinen Kategorie. Deshalb dienen die Kategorien nur dazu, das transzendentale Objekt (den Begriff von Etwas überhaupt) durch das, was in der Sinnlichkeit *gegeben wird, zu bestimmen, um dadurch Erscheinungen unter Begriffen von Dingen überhaupt empirisch zu erkennen (308 Anm.); denn das transzendentale Objekt ist eben nichts als die Vorstellung der Erscheinungen unter dem Begriff eines Dings überhaupt, das durch das Mannigfaltige derselben bestimmbar ist (308 Anm.); es kann eben deshalb vom sinnlich Mannigfaltigen gar nicht abgesondert werden, weil alsdann nichts übrig bliebe, wodurch es gedacht wird (307 Anm.). Als Korrelat der Apperzeption ist daher das transzendentale Objekt so wenig wie als Grenzbegriff der Sinnlichkeit ein positiver Gegenstand für den Verstand. In einem letzteren positiven Sinn aber, der eine andere Art der Anschauung als unsere sinnliche zum Gegebenwerden des Gegenstandes voraussetzt, heißen die Dinge eigentlich allein *Noumena (309 Anm.). In diesem Sinn ist daher die Einteilung der Objekte unserer Erkenntnis in Phänomena und Noumena durchaus unzulässig (311). nur wenn man das Noumenon als das transzendentale Objekt fassen will, es also lediglich problematisch nimmt (312), lediglich zur Einschränkung der Sinnlichkeit braucht (312) und lediglich durch einen reinen Verstand denkt (310), bleibt es zulässig und notwendig. In diesem negativen Sinn aber ist der Begriff des Noumenon nicht der Begriff von einem Objekt, sondern bedeutet lediglich das unvermeidliche aber nur unbestimmt beantwortbare Problem, daß jenseits der Grenzen unserer sinnlichen Erkenntnis ein Raum für andere Dinge als die Erscheinungen übrig bleibt, den wir entweder durch eine mögliche Erfahrung noch durch den reinen Verstand ausfüllen können (344, 345; 311f, 315). Auch hier also bleibt das Resultat der Analytik unverändert bestehen, daß die alleinigen Objekte unseres Verstandes mögliche Erscheinungen sind, daß der Verstand daher über die mögliche Erfahrung nicht hinauskommt, sondern sie nur begrenzt, ohne dadurch sich selbst einen intelligiblen Gegenstand zu geben (314). (5) KANT hat mit dieser Zusammenfassung der einzelnen Ergebnisse seiner Analytik zu einem Gesamtresultat (303) seine Darstellung derselben nicht geschlossen, sondern noch einen Anhang beigefügt, der sich schon durch seine Überschrift - er handelt von der Verwechslung des empirischen Verstandesgebrauchs mit dem transzendentalen - als polemischen Zwecken dienend ankündigt. Die systematische Absicht desselben ist es, die Resultate der Analytik durch eine Kritik desjenigen dogmatischen Systems, gegen das dieselben vornehmlich gerichtet sind, noch klarer hervorzuheben, als durch die sachliche Auseinandersetzung allein geschehen konnte: er enthält eine kritische Zersetzung der leibniz-wolffischen Metaphysik. In diesem Sinne korrespondiert derselbe mit den kritischen Bemerkungen, durch die KANT am Schluß seiner Ästhetik des LEIBNIZ Lehre von der Sinnlichkeit als einer verworrenen Vorstellungsart zu zerstören sucht. In unmittelbarem Anschluß an seine Analytik führt KANT hier aus, der leitende Irrtum dieser eigentümlichen Denkungsart seines dogmatischen Gegners beruhe auf dem Mißverstand, die Erscheinungen zu intellektuieren, sie den reinen Verstandesobjekten gleichzusetzen (326f). Diesen Irrtum vollständig aufzudecken, wird die Theorie des transzendentalen Objekts noch einmal kurz reproduziert (342f). (6) Noch einmal erfahren wir das Ergebnis:
So dürfen wir uns damit begnügen, den Zusammenhang festzustellen, der diese ganzen Ausführungen, speziell die Deduktion, trotz des Gegensatzes zwischen Verstand und Sinnlichkeit und trotz der andersartigen Probleme, die wir hier getroffen haben, mit der transzendentalen Ästhetik verbindet. Über den allgemeinen Parallelismus, daß uns im Grunde dort lediglich eine Grenzbestimmung der Sinnlichkeit, hier eine Grenzbestimmung des Verstandes vorliegt, kann ich kurz hinweggehen. Denn nur das eine braucht dabei erinnert zu werden, daß die beiden Grenzmarkierungen nicht voneinander unabhängig sind, daß vielmehr der Verstand es ist, der die Sinnlichkeit durch die Setzung des transzendentalen Objekts begrenzt. In der Ästhetik haben wir nur die Tatsache erfahren, daß die Sinnlichkeit begrenzt ist; diese Tatsache findet hier ihre Erklärung: der Verstand ist es, der das Ding-ansich als transzendentales Objekt setzt. Dort war es eine stillschweigende, als selbstverständlich geltende Voraussetzung, daß eine Mehrheit von Dingen-ansich existiert; hier wird diese Voraussetzung als solche näher umgrenzt. Die Analytik bietet insofern eine notwendige Ergänzung der Ästhetik. Es ist jedoch eine andere Frage, ob der Sinn dieser Beweise der Analytik dem Sinn jener Voraussetzung der Ästhetik entspricht. Es hat vielmehr den Anschein, als ob derselbe vollständig verändert worden ist. Schon aus dem allgemeinen Gedanken dieser Begrenzung der Sinnlichkeit scheint zu folgen, daß das *Ding-ansich, das wir früher als die von unserer rezeptiven Sinnlichkeit ganz unabhängige Ursache der Erscheinungen kennen gelernt haben, jetzt als der durch unseren Verstand allein gesetzte Grund derselben anzusehen ist. Dieser Schluß gewinnt nicht wenig an Kraft, sobald wir auf die Richtung jener drei Beweise aufmerksam werden, die der Beziehung all unserer Erkenntnis auf das transzendentale Objekt, weil dasselbe für uns nichts ist, die Beziehung eben dieser Erkenntnis auf die Einheit der Apperzeption gleichgesetzt haben und die transzendentale Beziehung der Kategorien auf das Ding-ansich der reinen Bedeutung der Kategorien (d. h. ihrem Inhalt unabhängig von der Sinnlichkeit) für das Ding überhaupt substituierten. Dazu kommt, daß das Resultat der Deduktion, die Kategorien seien lediglich von empirischem Gebrauch, uns zu verbieten scheint, von den Dingen die Vielheit, die *Realität, die Subsistenz, die Kausalität und die Wechselwirkung zu prädizieren, ja sogar sie überhaupt als real oder als existierend, als möglich oder als notwendig zu setzen. Nicht einmal als nichts, scheint es, dürfen wir sie bezeichnen. Und wenn wir gelegentlich lesen (344), daß der Verstand die Sinnlichkeit begrenzt, indem er sich ein Ding-ansich denkt, aber nur als transzendentales Objekt, von dem, weil wir keine Kategorie auf dasselbe beziehen können, völlig unbekannt ist, ob es mit der Sinnlichkeit zugleich aufgehoben wird, oder, wenn wir jene wegnehmen, noch übrig bleiben würde, so scheint es nicht zweifelhaft, daß hier in der Tat eine der Ästhetik gegenüber völlig neue, selbst konträr entgegengesetzte Vorstellungsweise vorhanden ist. Bei näherer Überlegung muß uns jedoch schon der eine Umstand stutzig machen, daß dieser Gegensatz zwischen der Voraussetzung der Ästhetik und der Grenzbestimmung der Analytik einen so offenbaren, so großen, für das Fundament des ganzen Systems so vernichtenden Widerspruch enthalten würde, daß nur die Unmöglichkeit jeder anderen Interpretation es rechtfertigen könnte, ihn KANT selbst aufzubürden. Eine derartige Unmöglichkeit liegt aber keineswegs vor. Vielmehr läßt sich zeigen, daß diese naheliegendste und deshalb fast allein verbreitete Auffassung selbst schon aus rein sachlichen Gründen, abgesehen noch von aller psychologischen Undenkbarkeit, dem Tatbestand der Lehre zuwiderläuft. Fürs Erste nämlich belehrt uns der Beweisgang der Deduktion darüber, daß die Voraussetzung ihres Ergebnisses, das den Kategorien lediglich empirischen Gebrauch zuspricht, eben jenes Resultat der Ästhetik ist, wonach uns von den Dingen nur ihre Erscheinungen gegeben werden. Denn reine Verstandesbegriffe sind nur darum a priori möglich, ... weil unsere Erkenntnis mit nichts als Erscheinungen zu tun hat, deren Möglichkeit in uns selbst liegt (II, 130). Wären die Gegenstände unserer Erkenntnis dagegen die Dinge-ansich, so würden wir von diesen gar keine Begriffe a priori haben können (II, 128). "Aus diesem Grund, dem einzig möglichen unter allen, ist es dann auch", wie KANT selbst gesteht (II, 130) "unsere Deduktion der Kategorien geführt worden." Das Resultat der Ästhetik aber, das somit zugleich die notwendige und hinreichende Voraussetzung der Deduktion ist, war, wie wir wissen, selbst auf die Voraussetzung gegründet, daß Dinge ansich als die wirkenden Ursachen unserer sinnlichen Vorstellungen existieren. Diese Voraussetzung war dort nicht ausdrücklich gemacht worden, sondern als eine selbstverständliche, gar keines Beweises bedürftige Annahme im Doppelbegriff des Gegenstandes der Sinne enthalten. Das Ergebnis der Deduktion kann daher diese Voraussetzung in keinem anderen Sinn annehmen, als in dem, der sie zur Grundlage der Ästhetik gemacht hat, soll der ganze Beweis sich nicht selbst aufheben. Denn wollte man vermuten, wie man wohl getan hat, KANT habe jene Voraussetzung wirkender Dinge-ansich etwa nur in pädagogischer Anbequemung an die herrschenden Vorstellungskreise gebraucht, so wäre es doch selbstverständlich für ihn gewesen, darauf hier in irgendeiner bestimmten und nachdrücklichen Form hinzuweisen. Nicht genug jedoch, daß ein solcher Hinweis vollständig fehlt, es findet sich sogar auch nicht die leiseste Andeutung eines solchen pädagogischen Betrugs. ![]()
1) Kants Werke, Bd. VI, Seite 15, Anm.; Bd. II, Seite 402, § 6. 2) Erster Beweisgang: Apprehension; Reproduktion; Rekognition (Apperzeption, Gegenstand der Vorstellungen); Kategorien (II, 98-112). Zweiter Beweisgang: Assoziation; Affinitat; Apperzeption; Gesetze (II, 112-114). Dritter Beweisgang: Apperzeption; Einbildungskraft, Verstand; Kategorien; Erscheinungen (II, 116-119). Vierter Beweisgang: Wahrnehmung; Apprehension; Reproduktion; Assoziation; Affinität; Apperzeption (Rekognition); Gesetze (II, 119-128). 3) Man vgl. Kants "Prolegomena", hg. von Benno Erdmann, 1878, Einleitung Seite XXXII. 4) Kant nennt diese Bedingung "transzendental". Ich habe in dieser ganzen Darstellung den Versuch gemacht, mich von den mannigfachen und nichts weniger als absichtlich entwickelten Bedeutungen, die dieses Terminus bei Kant hat, frei zu halten. 5) Ich folge hierbei der Darstellung im Abschnitt über die Phänomena. Die Erörterungt in der Amphibolie der Reflexionsbegriffe (342) weicht hiervon in überraschender Weise ab, sofern das negative Noumenon dort dem Gegenstand einer nichtsinnlichen Anschauung gleichgesetzt, und dieser als das transzendentale Objekt gefaßt wird, während als positives Noumenon das Ding überhaupt als Objekt der reinen Kategorien bezeichnet, und dieses für unmöglich erklärt wird. Diese Abweichung hat darin ihren Grund, daß die Beziehung der intellektuellen Anschauung auf die Begrenzung der Sinnlichkeit durch den Verstand anders angenommen wird. Der Sinn dieser Grenzbestimmung bleibt in beiden Fällen derselbe: sie besagt, daß unsere Anschauung nicht auf alle Dinge geht, also nicht die einzig mögliche Art der Anschauung ist (310, 343). In der oben benutzten Darstellung aber wird gefolgert, daß deshalb das Noumenon als ein Objekt des reinen Verstandes möglich ist, während Kant hier schließt, daß deshalb für irgendeine andere Art der Anschauung als die sinnliche, und also auch für Dinge als Objekte derselben Platz übrig bleibt. Es scheint hier geradezu ein lapsus memoriae [Gedächtnisfehler - wp] vorzuliegen, der sich daraus begreiflich machen läßt, daß man annimmt, Kant habe den Abschnitt über die Amphibolie der Reflexionsbegriffe erst später eingeschoben. Dies aber wird sowohl durch den Inhalt als auch durch die Zusammenhanglosigkeit desselben mit dem Vorhergehenden und Folgenden sehr wahrscheinlich gemacht. Jedenfalls wird dadurch bewiesen, wie wenig auch damals noch der Begriff der intellektuellen Anschauung für Kant bedeutsam war. 6) Man vergleiche die vorhergehende Anmerkung. |