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G. W. F. HEGEL
Verhältnis des Skeptizismus
zur Philosophie

[Darstellung seiner verschiedenen Modifikationen
und Vergleichung des neuesten mit dem alten]

[2/2]

"Indem der Skeptizismus den ganzen Umfang der Wirklichkeit und Gewißheit in die Potenz der Ungewißheit erhebt, vernichtet er den gemeinen Dogmatismus, der bewußtlos besonderen Sitten und Gesetzen und anderen Umständen, als einer Macht angehört, für die das Individuum nur Objekt ist, und die es in ihren Einzelheiten am Faden der Wirkungen auch begreift, ein verständiges Wissen sich darüber macht, und damit nur immer tiefer in den Dienst jener Macht versinkt."

"Das Wesen des Wissens besteht in der Identität des Allgemeinen und Besonderen, oder des unter der Form des Denkens und des Seins gesetzten, und Wissenschaft ist ihrem Inhalt nach eine Verkörperung jener vernünftigen Identität und von ihrer formalen Seite eine beständige Wiederholung derselben; die Nichtidentität, das Prinzip des gemeinen Bewußtseins und des Gegenteils des Wissens drückt sich auf das Bestimmteste in jener Form des Gegensatzes aus."

"Hoffentlich wird wohl niemand im Ernst vorgeben, daß sein erkennendes Subjekt imstande ist, durch eine solche beliebige Verwandlung der Begriffe von Dingen in Anschauungen und der Anschauungen in Begriffe sich so unerhörte Taschenspielerkünste vorzumachen."

SEXTUS stellt uns die Maximen des Skeptizismus in siebzehn Tropen dar, deren Verschiedenheit uns den Unterschied seines Skeptizismus vom alten genau bezeichnet, welcher zwar für sich stand, ohne philosophisches Wissen, aber durchaus zugleich innerhalb der Philosophie fällt, besonders mit der alten, die mit der Subjektivität weniger zu tun hatte, ganz identisch ist.

Dem alten Skeptizismus gehören die zehn ersten der siebzehn Tropen an, zu denen erst die viel späteren Skeptiker, - SEXTUS sagt über die neueren, - DIOGENES nennt den AGRIPPA, der gegen fünfhundert Jahre nach PYRRHO lebte - fünf hinzugefügt haben; die zwei, die noch dazu kamen, scheinen wieder später, DIOGENES erwähnt sie gar nicht, auch SEXTUS sondert sie ab, und sie sind unbedeutend.

Diese zehn Artikel nun, auf die der Alte sich beschränkte, sind, wie alle Philosophie überhaupt, gegen den Dogmatismus die Ungewißheit über die Endlichkeiten, womit es bewußtlos befangen ist, und diese Indifferenz des Geistes, vor der alles, was die Erscheinung oder der Verstand gibt, wankend gemacht wird, in welchem Wanken alles Endlichen nach den Skeptikern, wie der Schatten dem Körper folgt, die ataraxia [Gemütsruhe - wp] durch Vernunft erworben, eintritt; wie APELLES, als er ein Pferd malte, und die Darstellung des Schaums nicht herausbringen konnte, sie aufgebend, den Schwamm, woran er die Farben des Pinsels ausgewischt hat, an das Bild warf, und damit die Abbildung des Schaums traf; so finden in der Vermischung alles Erscheinenden und Gedachten die Skeptiker das Wahre, jene durch Vernunft erworbene Gleichmütigkeit, welch von Natur zu haben den Unterschied des Tiers vom Menschen ausmacht, und die PYRRHO einst zu Schiff seinen Gefährten, die in einem heftigen Sturm verzagten, mit ruhigem Gemüt an einem Schwein, das im Schiff fraß, mit den Worten zeigte: der Weise müsse in so einer Ataraxie stehen. Dieser Skeptizismus hatte also seine positive Seite ganz allein im Charakter und seiner vollkommenen Gleichgültigkeit gegen die Notwendigkeit der Natur.

Aus einer kurzen Erwähnung der zehn Punkte, welche die epoche [Urteilsenthaltung - wp] des Skeptizismus gründen, wird sich ihre Richtung gegen die Sicherheit der Dinge und der Tatsachen des Bewußtseins unmittelbar ergeben; die Unsicherheit aller Dinge und die Notwendigkeit der epoche wird nämlich dargetan
    1) aus der Verschiedenheit der Tiere,
    2) der Menschen,
    3) der Organisation der Sinne,
    4) der Umstände,
    5) der Stellungen, Entfernungen und Örter,
    6) den Vermischungen (durch welche sich dem Sinn nichts rein darbietet),
    7) den verschiedenen Größen und Beschaffenheiten der Dinge
    8) dem Verhältnis (daß nämlich alles nur im Verhältnis zu einem anderen ist),
    9) dem häufigen oder selteneren Geschehen,
    10) der Bildung der Sitten, Gesetze, des mythischen Glaubens, der Vorurteile.
Über ihre Form bemerkt SEXTUS selbst, daß alle diese Tropen eigentlich auf die Triplizität, einen der Verschiedenheit des erkennenden Subjekts, einen des erkannten Objekts, und einen aus beiden zusammengesetzten gebracht werden können. Notwendig müssen auch bei der Ausführung mehrere ineinander fließen. - Bei den zwei ersten Tropen der Verschiedenheit der Tiere und der Menschen spricht auch SEXTUS schon von der Verschiedenheit der Organe, die eigentlich unter den dritten gehört; am ausgedehntesten, merkt SEXTUS an, ist der achte Punkt, der die Bedingtheit jedes Endlichen durch ein anderes, oder daß jedes nur im Verhältnis zu einem anderen ist, betrifft. Man sieht, daß sie nach dem Zufall aufgestellt sind, und eine unausgebildete Reflexion, oder vielmehr eine Absichtslosigkeit der Reflexion im Hinblick auf eine eigene Lehre und eine Ungewandtheit, die nicht vorhanden wäre, wenn der Skeptizismus schon mit dem Kritisieren der Wissenschaften zu tun gehabt hätte, voraussetzen.

Noch mehr aber beweist der Inhalt dieser Tropen, wie entfernt sie von einer Tendenz gegen die Philosophie sind, und wie sie ganz allein gegen den Dogmatismus des gemeinen Menschenverstandes gehen; kein einziger betrifft die Vernunft und ihre Erkenntnis, sondern alle durchaus nur das Endliche, und das Erkennen des Endlichen, den Verstand; ihr Inhalt ist zum Teil empirisch, insofern geht er die Spekulation schon ansich nichts an; zum Teil betrifft er das Verhältnis überhaupt, oder daß alles Wirkliche bedingt ist durch ein anderes, und insofern drückt er ein Vernunftprinzip aus. Dieser Skeptizismus ist demnach gegen die Philosophie gar nicht, und auf eine eben nicht philosophische, sondern populäre Weise gegen den gemeinen Menschenverstand oder das gemeine Bewußtsein gewendet, welches das Gegebene, die Tatsache, das Endliche, (dieses Endliche heiße Erscheinung oder Begriff) festhält, und an ihm als einem Gewissen, Sicheren, Ewigen klebt; jene skeptischen Tropen zeigen ihm das Unstete solcher Gewißheiten, auf eine Art, welche gleichfalls dem gemeinen Bewußtsein nahe liegt; er ruft nämlich gleichfalls die Erscheinungen und Endlichkeiten zu Hilfe, und aus der Verschiedenheit derselben, so wie dem gleichen Recht aller sich geltend zu machen, aus der im Endlichen selbst zu erkennenden Antinomie erkennt er die Unwahrheit derselben. Er kann daher als die erste Stufe zur Philosophie angesehen werden; denn der Anfang der Philosophie muß ja die Erhebung über die Wahrheit sein, welche das gemeine Bewußtsein gibt, und die Ahnung einer höheren Wahrheit; der neueste Skeptizsmus ist daher mit seiner Gewißheit der Tatsachen des Bewußtseins vor allen Dingen an diesen alten Skeptizismus und an diese erste Stufe der Philosophie zu verweisen; oder an den gemeinen Menschenverstand selbst, der sehr gut erkennt, daß alle Tatsachen seines Bewußtseins, und dieses sein endliches Bewußtsein selbst vergeht, und daß keine Gewißheit darin ist; der Unterschied dieser Seite des gemeinen Menschenverstandes und dieses Skeptizismus besteht darin, daß jener sich ausspricht: es ist alles vergänglich; der Skeptizismus hingegen, wenn eine Tatsache als gewiß aufgestellt wird, zu erweisen versteht, daß jene Gewißheit Nichts ist. - Außerdem steht im gemeinen Menschenverstand dieser sein Skeptizismus und sein Dogmatismus über die Endlichkeiten nebeneinander, und dadurch wird jener Skeptizismus etwas bloß formelles; da hingegen durch den eigentlichen Skeptizismus die letztere aufgehoben wird, und also jener gemeine Glauben an die Ungewißheit der Tatsachen des Bewußtseins aufhört etwas formelles zu sein, indem der Skeptizismus den ganzen Umfang der Wirklichkeit und Gewißheit in die Potenz der Ungewißheit erhebt, und den gemeinen Dogmatismus vernichtet, der bewußtlos besonderen Sitten und Gesetzen und anderen Umständen, als einer Macht angehört, für die das Individuum nur Objekt ist, und die es in ihren Einzelheiten am Faden der Wirkungen auch begreift, ein verständiges Wissen sich darüber macht, und damit nur immer tiefer in den Dienst jener Macht versinkt. Der Skeptizismus, den die Freiheit der Vernunft über diese Naturnotwendigkeit erhebt, indem er sie für Nichts erkennt, ehrt sie zugleich auf das Höchste, indem ihm in ihr ebensowenig eine ihrer Einzelheiten etwas Gewisses ist, sondern nur die Notwendigkeit in ihrer Allgemeinheit, als er selbst eine Einzelheit, als absoluten Zweck, den er in ihr ausführen wollte, als ob er wüßte, was gut ist, in sie hinein versetzt; - er antizipiert im Individuum dasjenige, ws die in der Endlichkeit der Zeit auseinander gezogene Notwendigkeit am bewußtlosen Geschlecht bewußtlos ausführt; was diesem für absolut Eines und ebendasselbe und für fest, ewig und überall gleich so beschaffen gilt, entreißt ihm die Zeit; am allgemeinsten die nach Naturnotwendigkeit sich ausbreitende Bekanntschaft mit fremden Völkern; wie z. B. die Bekanntschaft der Europäer mit einem neuen Weltteil für den Dogmatismus ihres zeitherigen Menschenverstandes und ihre unleugbare Gewißheit einer Menge von Begriffen über Recht und Wahrheit jene skeptische Wirkung gehabt hat.

Weil nun der Skeptizismus seine positive Seite allein im Charakter hatte, so gab er sich nicht für eine Häresie [Ketzerie - wp] oder Schule aus, sondern, wie oben angeführt, für eine agoge, eine Erziehung, zu einer Lebensweise, eine Bildung, deren Subjektivität nur darin objektiv sein konnte, daß die Skeptiker sich der gleichen Waffen gegen das Objektive und die Abhängigkeit von demselben bedienten, sie erkannten den PYRRHO als den Stifter des Skeptizismus in dem Sinne, daß sie ihm nicht in Lehren, sondern in diesen Wendungen gegen das Objektive (DIOGENES IX. 70) gleich waren. Die Ataraxie, zu der der Skeptiker sich bildete, bestand darin, daß, wie SEXTUS adv. Ethicos. 154. sagt, dem Skeptiker keine Störung fürchterlich sein konnte, denn wenn sie auch die größte ist, so fällt die Schuld nicht auf uns, die wir ohne Willen und nach der Notwendigkeit leiden, sondern auf die Natur, welcher dasjenige, was die Menschen festsetzen, nichts angeht, und auf denjenigen, der durch Meinung und einen Willen sich selbst das Übel zuzieht. Von dieser positiven Seite erhellt es sich ebenso sehr, daß dieser Skeptizismus keiner Philosophie fremd ist. Die Apathie des Stoikers und die Indifferenz des Philosophen überhaupt müssen sich in jener Ataraxie erkennen. PYRRHO war als ein origineller Mensch auf seine Faust, wie jeder andere Urheber einer Schule, Philosoph geworden, aber seine originelle Philosophie war darum kein eigentümliches, notwendig und seinem Prinzip nach, andern entgegengesetzt; die Individualität seines Charakters drückte sich nicht sowohl in einer Philosophie ab, als sie vielmehr seine Philosophie selbst, und seine Philosophie nichts als Freiheit des Charakters war; wie sollte aber eine Philosophie darin diesem Skeptizismus entgegenstehen? Wenn die nächsten Schüler solcher großen Individuen sich, wie das geschieht, an das formelle, auszeichnende vorzüglich hielten, so erschien freilich nichts als Verschiedenheit; aber wenn das Gewicht der Autorität des Einzelnen und seiner Persönlichkeit sich nach und nach mehr verwischte, und das philosophische Interesse sich rein emporhob, so konnte auch die Diesselbigkeit der Philosophie wieder erkannt werden. Wie PLATO in seiner Philosophie die sokratische, pythagoräische, zenonische und andere vereinigte, so geschah es, daß ANTIOCHUS, bei welchem CICERO gehört hatte, - und wenn nicht sonst aus seinem Leben erhellte, daß er für die Philosophie verdorben war, durch seine philosophischen Produktionen kein günstiges Licht auf seinen Lehrer und dessen Vereinigung der Philosophien werfen würde - die stoische Philosophie in die Akademie übertrug; und daß die letztere ihrem Wesen nach den Skeptizismus in sich schloß, haben wir oben gesehen. Es braucht nicht erinnert zu werden, daß hier von einer solchen Vereinigung die Rede ist, welche das Innerste der verschiedenen Philosophien als ein und dasselbe erkennt, nicht von einem Eklektizismus, der auf ihrer Oberfläche umherirrt, und aus Blümchen allenthalben her zusammengerafft sich seinen eitlen Kranz bindet.

Es ist eine Zufälligkeit der Zeit, wenn späterhin die verschiedenen philosophischen Systeme völlig auseinander gingen und nunmehr die Apathie der Ataraxie, die Dogmatiker der Stoa (SEXTUS, Pyrrh. Hyp. 65.) den Skeptikern für ihre entgegengesetztesten Gegner halten. Auf diese völlige Trennung der Philosophien und das völlige Festwerden ihrer Dogmen und Unterscheidungen, sowie auf die nunmehrige Richtung des Skeptizismus teils gegen den Dogmatismus teils gegen die Philosophie selbst beziehen sich ganz allein die späteren fünf Tropen der Skeptiker, welche die eigentümliche Rüstkammer ihrer Waffen gegen die philosophische Erkenntnis ausmachen, die wir, um unsere Darstellung zu rechtfertigen, noch kurz anführen wollen. Der erste unter diesen Tropen der Epoche, ist der von der Verschiedenheit, nämlich jetzt nicht mehr der Tiere oder der Menschen, wie in den zehn ersten, - sondern der gemeinen Meinungen und der Lehren der Philosophen sowohl beider gegeneinander als beider innerhalb ihrer selbst; ein Tropus, über den die Skeptiker immer sehr weitläufig sind, und überall Verschiedenheit erblicken und hineintragen, wo sie besser Identität sehen würden. Der zweite ist, der auf das Unendliche treibt; SEXTUS gebraucht ihn so häufig, als er in neueren Zeiten als Begründungstendenz vorgekommen ist; er ist das bekannte, daß für ein begründendes eine neue Begründung, für diese wieder und so fort ins Unendliche gefordert wird. - Der dritte war schon unter den zehn ersten, nämlich der des Verhältnisses. Der vierte begriffft die Voraussetzungen, - gegen die Dogmatiker, die, um nicht ins Unendliche getrieben zu werden, etwas als schlechthin Erstes und Unbewiesenes setzen - welche die Skeptiker sogleich dadurch nachahmen, daß sie mit eben dem Recht das Gegenteil jenes Vorausgesetzten ohne Beweis setzen. Der fünfte ist das gegenseitige, wenn dasjenige, was zum Beweis eines anderen dienen soll, selbst zu seinem Beweis desjenigen bedarf, welches durch dasselbe bewiesen werden soll. - Noch zwei andere Tropen, von denen SEXTUS sagt, daß man sie auch aufführt, die DIOGENES nicht erwähnt, und von denen man selbst sieht, daß sie nichts Neues, sondern nur das Vorige in eine allgemeinere Form gebracht, sind, enthalten, daß was begriffen wird, entweder aus sich selbst, oder aus einem anderen begriffen wird; - aus sich nicht, denn man sei über die Quelle und das Organ der Erkenntnis, ob es die Sinne oder der Verstand ist, uneins; nicht aus einem andern, denn sonst falle man in den Tropus des Unendlichen, oder in den gegenseitigen.

Man sieht, auch an der Wiederholung einiger der zehn ersten, nämlich zum Teil desjenigen, der unter den fünfen der erste und dritte ist, und aus ihrem ganzen Inhalt, daß die Absicht dieser fünf Tropen ganz verschieden von der Tendenz der zehn ersten ist, und daß sie allein die spätere Wendung des Skeptizismus gegen die Philosophie betreffen. Es gibt keine tauglicheren Waffen gegen den Dogmatismus der Endlichkeiten, aber sie sind völlig unbrauchbar gegen die Philosophie; da sie lauter Reflexionsbegriffe enthalten, so haben sie nach diesen beiden verschiedenen Seiten gekehrt, eine ganz entgegengesetzte Bedeutung; gegen den Dogmatismus gekehrt erscheinen sie von der Seite, daß sie der Vernunft, die neben den einen vom Dogmatismus behaupteten Teil der notwendigen Antinomie den andern stellt - gegen die Philosophie hingegen von der Seite, daß sie der Reflexion angehören; gegen jenen müssen sie also siegreich sein, vor dieser aber in sich selbst zerfallen oder selbst dogmatisch sein. Da das Wesen des Dogmatismus darin besteht, daß er ein Endliches, mit einer Entgegensetzung behaftetes (z. B. reines Subjekt oder reines Objekt oder in dem Dualismus die Dualität der Identität gegenüber) als das Absolute setzt, so zeigt die Vernunft von diesem Absoluten, daß es eine Beziehung auf das von ihm Ausgeschlossene hat und nur durch und in dieser Beziehung auf ein anderes also nicht absolut ist, nach dem dritten Tropus des Verhältnisses; soll dieses andere seinen Grund im ersten, so wie das erste seinen Grund in einem andern haben, so ist dies ein Zirkel, und fällt in den fünften, den diallelischen Tropus; soll kein Zirkel begangen werden, sondern dieses andere als Grund des ersten, in sich selbst gegründet sein, und wird es zur unbegründeten Voraussetzung gemacht, so hat es, weil es ein Begründendes ist, ein Entgegengesetztes, und dieses sein Entgegengesetztes kann mit eben demselben Recht als ein Unbewiesenes oder Unbegründetes vorausgesetzt werden, weil hier einmal das Begründen anerkannt worden ist nach dem vierten Tropus der Voraussetzungen; oder aber dieses andere als Grund soll wieder in einem anderen begründet sein, so wird dieses Begründete auf die Reflexionsunendlichkeit an Endlichem ins Unendliche fortgetrieben, und ist wieder grundlos, nach dem zweiten Tropus. Endlich müßte jenes endliche Absolute des Dogmatismus auch ein allgemeines sein, allein dies wird sich notwendig nicht finden, weil es ein Beschränktes ist; und hierher gehört der erste Tropus der Verschiedenheit. - Diese dem Dogmatismus unüberwindliche Tropen hat SEXTUS mit großem Glück gegen den Dogmatismus, besonders gegen die Physik gebraucht, eine Wissenschaft, welche, so wie die angewandte Mathematik, der wahre Stapelplatz der Reflexion, der beschränkten Begriffe und des Endlichen ist, - aber dem neuesten Skeptiker freilich für eine Wissenschaft gilt, welche allem vernünftigen Skeptisieren Trotz bietet; es kann im Gegenteil behauptet werden, daß die alte Physik wissenschaftlicher war, als die neue, und also dem Skeptizismus weniger Blößen darbot.

Gegen den Dogmatismus sind diese Tropen darum vernünftig, weil sie gegen das Endliche des Dogmatismus das entgegengesetzte, wovon er abstrahierte, auftreten lassen, also die Antinomie herstellen; gegen die Vernunft hingegen gekehrt, behalten sie als ihr eigentümliches die reine Differenz, von der sie affiziert sind; das Vernünftige derselben ist schon in der Vernunft. Was den ersten Tropus, der Verschiedenheit betrifft, so ist das Vernünftige ewig und allenthalben sich selbst gleich; rein Ungleiches gibt es allein für den Verstand; und alles Ungleiche wird von der Vernunft als Eins gesetzt; freilich muß diese Einheit, so wie jene Ungleichheit nicht auf die, wie PLATO sagt, gemeine und knabenhafte Art genommen werden, daß ein Ochse usw. als das Eins gesetzt wird, von dem behauptet wird, er sei zugleich viele Ochsen. Es kann vom Vernünftigen nach dem dritten Tropus nicht gezeigt werden, daß es nur im Verhältnis, in einer notwendigen Beziehung auf ein anderes ist; denn es selbst ist nichts als das Verhältnis. Weil das Vernünftige die Beziehung selbst ist, so werden wohl die in Beziehung stehenden, die, wenn sie vom Verstand gesetzt werden, einander begründen sollten, nicht das Vernünftige selbst in den Zirkel oder in den fünften, den diallelischen, fallen; denn in der Beziehung ist nichts durcheinander zu begründen. Ebenso ist das Vernünftige nicht eine unbewiesene Voraussetzung nach dem vierten Tropus, welcher gegenüber das Gegenteil mit demselben Recht unbewiesen vorausgesetzt werden könnte, denn das Vernünftige hat kein Gegenteil; es schließt die Endlichen, deren eines das Gegenteil vom anderen ist, beide in sich. Die beiden vorhergehenden Tropen enthalten den Begriff eines Grundes und einer Folge, nachdem ein anderes durch ein anderes begründet wurde; da es für die Vernunft kein Anderes gegen ein Anderes gibt, so fallen sowohl sie als die auf dem Boden der Entgegensetzungen gemachte und unendlich fortgesetzte Forderung eines Grundes, der zweite Tropus, der auf das Unendliche treibt, hinweg; weder jene Forderung noch diese Unendlichkeit geht die Vernunft etwas an.

Da also diese Tropen alle den Begriff eines Endlichen in sich schließen, und sich darauf gründen, so geschieht durch ihre Anwendung auf das Vernünftige unmittelbar, daß sie dasselbe in ein Endliches verkehren; daß sie ihm, um es kratzen zu können, die Krätze der Beschränktheit geben. Sie gehen nicht an und für sich gegen das vernünftige Denken, aber wenn sie gegen dasselbe gehen, wie SEXTUS sie auch gebraucht, so alterieren sie das Vernünftige unmittelbar. Aus diesem Gesichtspunkt kann alles begriffen werden, was der Skeptizismus gegen das Vernünftige vorbringt; ein Beispiel sahen wir oben, wenn er das Erkennen der Vernunft aus sich selbst dadurch bestreitet, daß er sie entweder zu einem absolut-subjektiven oder zu einem absolut-objektiven, und entweder zu einem Ganzen oder zu einem Teil macht; beides hat erst der Skeptizismus hinzugetan. Wenn also der Skeptizismus gegen die Vernunft zu Felde zieht, so hat man sogleich die Begriffe, die er mitbringt, abzuweisen, und seine schlechten zu einem Angriff untauglichen Waffen zu verwerfen. - Was der neueste Skeptizismus immer mitbringt, ist, wie wir oben gesehen haben, immer der Begriff einer Sache, die hinter und unter den Erscheinungstatsachen liegt. Wenn der alte Skeptizismus sich der Ausdrücke hyopkeimenon, hyparchon, adelon usw. bedient, so bezeichnet er die Objektivität, die nicht auszusprechen sein Wesen ausmacht; er für sich bleibt bei der Subjektivität des Erscheinens stehen. Diese Erscheinung ist ihm aber nicht ein sinnliches Ding, hinter welchem vom Dogmatismus und der Philosophie noch andere Dinge, nämlich die übersinnlichen behauptet werden sollten. Da er sich überhaupt zurückhält, eine Gewißheit und ein Sein auszusprechen, so hat er schon für sich kein Ding, kein bedingtes, von dem er wüßte; und er hat nicht nötig, der Philosophie weder dieses gewisse Ding, noch ein anderes, das hinter diesem wäre, in die Schuhe zu schieben, um sie fallen zu machen.

Durch die Blendung des Skeptizismus gegen das Wissen überhaupt wird er, weil er hier ein Denken einem Denken entgegensetzt, und das: ist, des philosophischen Denkens bekämpft, darauf getrieben, ebenso das: ist seines eigenen Denkens aufzuheben, also in der reinen Negativität, die durch sich selbst eine reine Subjektivität ist, sich zu halten. Wie ekelig hierüber die Skeptiker waren, haben wir oben am Beispiel der neuen Akademie gesehen, welche behauptete, daß alles ungewiß ist, und daß dieser Satz sich selbst mit einschließt; doch ist selbst dies dem SEXTUS nicht skeptisch genug, er unterscheidet sie vom Skeptizismus, weil sie ben damit einen Satz aufstellt und dogmatisiert; jener Satz aber drückt so sehr den höchsten Skeptizismus aus, daß diese Unterscheidung etwas völlig leeres wird. Ebenso mußte es auch dem PYRRHO wiederfahren, für einen Dogmatiker von einem ausgegeben zu werden. Dieser formelle Schein einer Behauptung ist es, womit hinwieder die Skeptiker schikaniert zu werden pflegen, indem man es ihnen zurückgibt, daß wenn sie an allem zweifeln, doch dies: "ich zweifle", "es scheint mir" usw. gewiß ist, also die Realität und Objektivität der Denktätigkeit entgegenhält, wenn sie bei jedem Setzen durch Denken sich an die Form des Setzens halten, und auf diese Art jede ausgesprochene Tätigkeit für etwas Dogmatisierendes erklären.

In diesem Extrem der höchsten Konsequenz, nämlich der Negativität oder Subjektivität, die sich nicht mehr auf die Subjektivität des Charakters, die zugleich Objektivität ist, beschränkt, sondern zu einer Subjektivität des Wissens wurde, die sich gegen das Wissen richtete, mußte der Skeptizismus inkonsequent werden; denn das Extrem kann sich nicht ohne sein Entgegengesetztes erhalten; die reine Negativität oder Subjektivität ist also entweder gar Nichts, indem sie sich in ihrem Extrem vernichtet, oder sie müßte zugleich höchst objektiv werden; das Bewußtsein hierüber ist es, was nahe bei der Hand liegt, und was die Gegner urgierten; die Skeptiker erklärten eben deswegen, wie oben erwähnt, daß ihre phonai, alles ist falsch, nichts wahr, keins mehr als das andere, sich selbst einschließen; und daß der Skeptiker im Aussprechen dieser Schlagwörter nur das sagt, was ihm scheint, und seine Affektion, nicht eine Meinung noch Behauptung über ein objektives Sein damit ausspricht. SEXTUS, Pyrrh. Hypt. 7. und sonst, besonders c. 24. wo sich SEXTUS so ausdrückt, daß man sich bei dem, was der Skeptiker sagt, wie derjenige, der ausspricht peripate, in Wahrheit sagt: "ich gehe", immer hinzudenken muß: "nach uns", oder "was mich betrifft", oder "wie es mir scheint". Diese rein negative Haltung, die bloße Subjektivität und Scheinen bleiben will, hört damit auf, für das Wissen zu sein; wer fest an der Eitelkeit, daß es ihm so scheint, er es so meint, hängen bleibt, seine Aussprüche durchaus für kein Objektives des Denkens und des Urteilens ausgegeben wissen will, den muß man dabei lassen; seine Subjektivität geht keinen anderen Menschen, noch weniger die Philosophie, oder die Philosophie sie etwas an.

Aus dieser Betrachtung der verschiedenen Seiten des alten Skeptizismus ergibt sich also, um es kurz zusammen zu stellen, der Unterschied und das Wesen des neuesten Skeptizismus.

Diesem fehlt fürs Erste die edelste Seite des Skeptizismus der Richtung gegen den Dogmatismus des gemeinen Bewußtseins, die in allen seinen drei aufgezeigten Modifikationen sich findet, er sei nämlich identisch mit der Philosophie und nur ihre negative Seite, oder getrennt von ihr aber nicht gegen sie gekehrt, oder gegen sie gekehrt. Für den neuesten Skeptizismus hat vielmehr das gemeine Bewußtsein, mit seinem ganzen Umfang unendlicher Tatsachen eine unleugbare Gewißheit; ein Räsonnement [Argument - wp] über diese Tatsachen des Bewußtseins, ein Reflektieren und Klassifizieren derselben, was für ihn das Geschäft der Vernunft ausmacht, gibt als Wissenschaft dieses Skeptizismus teils eine empirische Psychologie, teils durch analytisches auf die Tatsachen angewandtes Denken viele andere über alles vernünftige Zweifeln erhabene Wissenschaften.

Diese Barbarei, die unleugbare Gewißheit und Wahrheit in die Tatsachen des Bewußtseins zu legen, hat sich weder der frühere Skeptizismus, noch ein Materialismus noch selbst der gemeinste Menschenverstand, wenn er nicht ganz tierisch ist, schuldig gemacht, sie ist bis auf die neuesten Zeiten in der Philosophie unerhört.

Ferner bieten nach diesem neuesten Skeptizismus unsere Physik und Astronomie und das analytische Denken aller vernünftigen Zweifelsucht Trotz; und es fehlt ihm also auch die edle Seite des späteren alten Skeptizismus, nämlich, welche sich gegen das beschränkte Erkennen, gegen das endliche Wissen wendet.

Was bleibt denn nun für diesen neuesten Skeptizismus, der in der grellsten Beschränktheit sowohl der empirischen Anschauung, als auch des empirischen Wissens, das die empirische Anschauung in Reflexion verwandelt, und sie nur zu analysieren, nichts aber zu ihr hinzuzusetzen vermeint, - seine Wahrheit und Gewißheit setzt, vom Skeptizismus übrig? Notwendig nichts, als das Leugnen der Vernunftwahrheit, und zu diesem Zweck die Verwandlung des Vernünftigen in Reflexion, der Erkenntnis des Absoluten in endliches Erkennen. Die durch alles durchgehende Grundform dieser Verwandlung aber besteht darin, daß das Gegenteil von der oben aufgestellten ersten Definition des SPINOZA, welche eine causa sui [Ursache seiner selbst - wp], als das erklärt, dessen Wesen zugleich Existenz einschließt, zum Prinzip gemacht, und als absoluter Grundsatz behauptet wird, das Gedachte, weil es ein Gedachtes ist, schließe nicht zugleich ein Sein in sich. Diese Trennung des Vernünftigen, in welchem Denken und Sein Eins sind, in die entgegengesetzten Denken und Sein, und das absolute Festhalten dieser Entgegensetzung, also der absolut gemachte Verstand mach den unendlich wiederholten und überall angewandten Grund dieses dogmatischen Skeptizismus aus. Dieser Gegensatz für sich betrachtet, hat das Verdienst, daß in ihm die Differenz in ihrer höchsten Abstraktion und in ihrer wahrsten Form ausgedrückt ist; das Wesen des Wissens besteht in der Identität des Allgemeinen und Besonderen, oder des unter der Form des Denkens und des Seins gesetzten, und Wissenschaft ist ihrem Inhalt nach eine Verkörperung jener vernünftigen Identität und von ihrer formalen Seite eine beständige Wiederholung derselben; die Nichtidentität, das Prinzip des gemeinen Bewußtseins und des Gegenteils des Wissens drückt sich auf das Bestimmteste in jener Form des Gegensatzes aus; ein Teil des Verdienstes wird dieser Form freilich dadurch wieder benommen, daß sie nur als Gegensatz eines denkenden Subjekts gegen ein existierendes Objekt begriffen wird. Das Verdienst dieses Gegensatzes aber im Verhältnis zum neuesten Skeptizismus betrachtet, fällt dasselbe ganz hinweg; denn die Erfindung dieses Gegensatzes ist ansich ohnehin älter als derselbe; dieser neueste Skeptizismus entbehrt aber auch allen Verdienstes, denselben der Bildung der neueren Zeit näher gebracht zu haben; denn bekanntlich ist es die kantische Philosophie, welche auf dem eingeschränkten Standpunkt, in welchem sie Idealismus ist, - in ihrer Deduktion der Kategorien zwar diesen Gegensatz aufhebt, aber sonst inkonsequent genug ist, ihn zum höchsten Prinzip der Spekulation zu machen; die Festhaltung dieses Gegensatzes tritt am Ausgesprochensten und mit unendlicher Selbstgefälligkeit gegen den sogenannten ontologischen Beweis vom Dasein Gottes, und als reflektierende Urteilskraft gegen die Natur auf; und besonders in der Form einer Widerlegung des ontologischen Beweises hat er ein allgemeines und ausgebreitetes Glück gemacht; Herr SCHULZE hat diese Form utiliter [nützlichkeitshalber - wp] akzeptiert, und sie nicht nur überhaupt gebraucht, sondern auch die kantischen Worte, man sehe Seite 71 und sonst, buchstäblich nachgesprochen; er ruft gleichfalls im ersten Teil, Seite 618 in dem kantischen Ton aus:
    "Ist jemals ein blendender Versuch gemacht worden, das Reich der objektiven Wirklichkeit unmittelbar an die Sphäre der Begriffe zu knüpfen, und aus dieser in jenes lediglich durch die Hilfe einer wiederum aus lauter Begriffen verfertigten Brücke überzuschreiten, so ist es in der Ontotheologie geschehen; gleichwohl ist neuerlich (wie verblendet war die Philosophie doch vor diesen neuen Zeiten!) die leere Spitzfindigkeit und das Blendwerk, welches man damit treibt, völlig aufgedeckt worden."
Herr SCHULZE hat nun nichts getan, als diese neuerliche vortreffliche Entdeckung KANTs, wie die unzähligen Kantianer auch taten, aufzunehmen, und diesen höchst einfachen Witz links und rechts, und gegen den Vater der Erfindung selbst allenthalben anzubringen, und mit einem und eben demselben Ätzmittel alle seine Teile anzugreifen und aufzulösen.

Auch die Wissenschaft der Philosophie wiederholt nur immer ein und dieselbe vernünftige Identität, aber dieser Wiederholung quellen aus Bildungen neue Bildungen hervor, aus denen sie sich zu einer vollständigen organischen Welt ausbildet, die in ihrem Ganzen, so wie ihren Teilen als dieselbe Identität erkannt wird; die ewige Wiederholung jenes Gegensatzes aber, der auf Desorganisation und das nihil negativum [nichts Negatives - wp] ausgeht, ist von seiner negativen Seite ein ewiges Gießen des Wassers in ein Sieb, von seiner positiven Seite aber, die beständige und mechanische Anwendung ein und derselben verständigen Regel, daraus nie eine neue Form aus einer Form hervorkommt, sondern immer dasselbe mechanische Werk getan wird; diese Anwendung gleicht der Arbeit eines Holzhackers, der immer denselben Streich führt, oder eines Schneiders, der für eine Armee Uniformen zuschneidet. Es wird hier, was JACOBI vom Wissen überhaupt meint, eigentlich das Nürnberger Grillenspiel immerfort gespielt, das uns anekelt, sobald uns alle seine Gänge und möglichen Wendungen bekannt und geläufig sind. Dieser Skeptizismus hat zu seinem Spiel vollends nur einen einzigen Gang und nur eine Wendung, und auch diese ist ihm nicht eigen, sondern er hat sie vom Kantianismus hergeholt. Dieser Charakter des neuesten Skeptizismus wird sich an demjenigen, was er seine Gründe nennt, und an einem Beispiel ihrer Anwendung auf das Klarste dartun.

Es gibt sich schon sattsam aus der Art zu erkennen, wie er seinen Gegenstand, nämlich das Interesse der spekulativen Vernunft aufgefaßt hat, nämlich als die Aufgabe, den Ursprung menschlicher Erkenntnisse der Dinge zu erklären; zum bedingt Existierenden das unbedingt Existierende auszuspionieren; es werden hier in der Vernunft erstens die Dinge dem Erkennen entgegengesetzt, zweitens eine Erklärung ihres Ursprungs, und damit das Kausalverhältnis hineingetragen; nun ist der Grund des Erkennens ein anderer, als der des begründeten Erkennens, jener Begriff, dieses das Ding, und nachdem einmal diese grundfalsche Vorstellung vom vernünftigen Denken vorausgesetzt ist, so ist nun weiter nichts zu tun, als immer zu wiederholen, daß Grund und Begründetes, Begriff und Ding zweierlei sind; daß alles vernünftige Erkennen darauf geht, ein Sein aus dem Denken, Existenz aus Begriffen, wie mit gleichfalls kantischen Worten gesagt wird, herauszuklauben.

Nach diesem neuesten Skeptizismus ist das menschliche Erkenntnisvermögen ein Ding, das Begriffe hat, und weil es nichts hat, als Begriffe, kann es nicht zu den Dingen, die draußen sind, hinaus gehen; es kann sie nicht ausforschen oder auskundschaften - denn beide sind (1. Teil Seite 69) spezifisch verschieden; kein Vernünftiger wird im Besitz der Vorstellung von Etwas dieses Etwas zugleich selbst zu besitzen wähnen.

Es äußert sich nirgends, daß dieser Skeptizismus so konsequent wäre, zu zeigen, daß auch kein Vernünftiger sich im Besitz eine Vorstellung von Etwas wähnen wird, indem ja die Vorstellung auch ein Etwas ist, kann der Vernünftige nur die Vorstellung der Vorstellung, nicht die Vorstellung selbst, und wieder auch nicht die Vorstellung der Vorstellung, da diese Vorstellung der zweiten Potenz auch ein Etwas ist, sondern nur die Vorstellung der Vorstellung der Vorstellung usw. fort ins Unendliche zu besitzen wähnen; oder da die Sache einmal so vorgestellt wird, daß es zwei verschiedene Tatsachen gibt, davon eine die Etwas, welche Vorstellungen, die andere die Etwas, welche Dinge enthält, so sieht man nicht, warum jene die volle, diese die ewig leere bleiben soll.

Der Grund, daß jene voll ist, daß wir diese aber nur voll wähnen, könnte kein anderer sein, als daß jene das Hemd, diese der Rock des Subjekts wäre, die Vorstellungentasche ihm näher, die Sachentasche aber entfernter liegt; allein so würde der Beweis durch ein Voraussetzen dessen geführt, was bewiesen werden sollte; denn die Frage geht ja eben um den Vorzug der Realität des Subjektiven und des Objektiven.

Mit diesem skeptischen Grundwesen, daß allein darauf reflektiert werden soll, daß die Vorstellung nicht das Ding ist, das vorgestellt wird, und nicht darauf, daß beide identisch sind, stimmt es freilich schlecht zusammen, was von der unleugbaren Gewißheit der Tatsachen des Bewußtseins gesagt wird; denn nach Herrn SCHULZE (1. Teil, Seite 68) sind die Vorstellungen insofern wahr, real und machen eine Erkenntnis aus, als sie mit dem, worauf sie sich beziehen, und was durch sie vorgestellt wird, vollkommen übereinstimmen, oder nichts anderes dem Bewußtsein vorhalten, als was im Vorgegestellten befindlich ist, und Seite 70 setzen wir im täglichen Leben eine solche Übereinstimmung beständig als gewiß voraus, ohne uns um deren Möglichkeit im Geringsten zu bekümmern, wie die neuere Metaphysik tut. - Worauf anders gründet denn nun Herr SCHULZE die unleugbare Gewißheit der Tatsachen des Bewußtseins, als auf die absolute Identität des Denkens und des Seins, des Begriffs und des Dings, er - der dann wieder in einem Atemzug das Subjektive, die Vorstellung, und das Objektive, das Ding für spezifisch verschieden erklärt. Im täglichen Leben, sagt Herr SCHULZE, setzen wir jene Identität voraus; daß sie eine Vorausgesetzte ist im täglichen Leben, heißt, sie ist im gemeinen Bewußtsein nicht vorhanden; die neuere Metaphysik suche die Möglichkeit dieser Identität zu ergründen; aber daran, daß die neuere Philosophie die Möglichkeit der im gemeinen Leben vorausgesetzten Identität zu ergründen sucht, ist ja kein wahres Wort; denn sie tut nichts, als jene vorausgesetzte Identität aussprechen und erkennen; eben weil im täglichen Leben jene Identität eine vorausgesetzte ist, setzt das gemeine Bewußtsein das Objekt immer als ein anderes, als das Subjekt; und das Objektive untereinander sowie das Subjektive wieder als eine unendliche Mannigfaltigkeit von absolut Verschiedenem; diese für das gemeine Bewußtsein nur vorausgesetzte, bewußtlose Identität bringt die Metaphysik zum Bewußtsein, sie ist ihr absolutes und einziges Prinzip. Einer Erklärung wäre die Identität nur fähig, insoern sie nicht eine, wie Herr SCHULZE das nennt, im täglichen Leben vorausgesetzte, sondern eine wirkliche, d. h. eine, durchaus bestimmte und endlichee, und also auch das Subjekt und das Objekt ein endliches ist; aber eine Erklärung dieser Endlichkeit insofern sie wieder das Kausalverhältnis setzt, fällt außerhalb der Philosophie. - Herr SCHULZE sagt von dieser Übereinstimmung Seite 70, ihre Möglichkeit sei eines der größten Rätsel der menschlichen Natur, und in diesem Rätsel sei zugleich das Geheimnis der Möglichkeit einer Erkenntnis von Dingen "a priori", d. h. noch ehe wir diese Dinge angeschaut haben. - Da erfahren wir dann recht, was eine Erkenntnis a priori ist; draußen sind die Dinge; inwendig ist das Erkenntnisvermögen; wenn dieses erkennt, ohne die Dinge anzusehen, erkennt es a priori. - Um von diesen drei Seiten 68-70, welche die wahre Quintessenz der Begriffe dieses neuesten Skeptizismus über Philosophie enthalten, nichts auszulassen, müssen wir noch bemerken, daß Herr SCHULZE darüber, worin das eigentlich Positive der Übereinstimmung der Vorstellungen mit ihren realen Objekten besteht, sagt, daß sich das weiter nicht mit Worten beschreiben noch angeben läßt; jeder meiner Leser muß es vielmehr dadurch kennen zu lernen suchen, daß er es dann, wenn er sich desselben (des positiven) bewußt ist, beobachtet, und etwa zusieht, was er wahrgenommen und aufgefaßt hat, wenn er durch Vergleichung einer Vorstellung, die er sich in der Abwesenheit einer Sache von ihr machte, mit der Sache selbst, sobald sie von ihm angeschaut wird, findet, daß jene mit dieser vollkommen übereinstimmt, und solche genau darstellt. Was soll denn nun diese Erläuterung? Läuft denn das Ganze der Übereinstimmung (oder Nichtübereinstimmung) der Vorstellung mit dem Objekt wieder auf einen psychologischen Unterschied der Gegenwart und Abwesenheit, des wirklichen Anschauens und der Erinnerung hinaus? Sollte denn den Lesern in der Abwesenheit von einer Sache, die Übereinstimmung einer Vorstellung mit dem Objekt, die vorhanden ist im Wahrnehmen, entwischen, und ihrem Bewußtsein jetzt etwas anderes vorgehalten werden, als was im vorgestellten Ding befindlich ist, um in Herrn SCHULZEs Ausdrücken zu sprechen. Kaum hatte sich die Identität des Subjekts und Objekts, worin die unleugbare Gewißheit gesetzt wird, blicken lassen, so findet sie sich, man weiß nicht wie, auch gleich nur wieder in die empirische Psychologie versetzt; sie sinkt bei Zeiten in eine psychologische Bedeutung zurück, um bei der Kritik der Philosophie selbst und im Skeptizismus vollends ganz vergessen zu werden und der Nichtidentität des Subjekts und Objekts, des Begriffs und des Dings das Feld zu lassen.

Diese Nichtidentität zeigt sich als Prinzip in demjenigen, was die drei Gründe des Skeptizismus genannt wird. Wie die alten Skeptiker keine Dogmen, Grundsätze hatten, sondern ihre Formen Tropen, Wendungen nannten, was sie auch, wie wir gesehen haben, waren; so vermeidet Herr SCHULZE gleichfalls den Ausdruck Grundsätze, Prinzipien und nennt sie, ungeachtet, daß es völlig dogmatische Thesen sind, nur Gründe. Die Mehrheit dieser Gründe hatte durch eine vollständigere Abstraktion erspart werden können; denn sie drücken nichts als das eine Dogma aus: daß Begriff und Sein nicht Eins sind.

Sie lauten folgendermaßen (1. Teil, Seite 613f): Erster Grund: insofern die Philosophie eine Wissenschaft sein soll, bedarf sie unbedingt wahrer Grundsätze. Dergleichen Grundsätze sind aber unmöglich.

Ist dies nicht dogmatisch? sieht dies dem Ausdruck einer skeptischen Wendung ähnlich? Auch bedarf ein solches Dogma: daß unbedingt wahre Grundsätze unmöglich sind, eines Beweises; aber weil es diesem Dogmatismus einfällt, daß er sich einen Skeptizismus nennt, so wird wieder der Ausdruck: Beweis, vermieden, und das Wort Erläuterung statt dessen gebrauchte; wie kann aber ein solches äußeres Aussehen die Sache ändern?

Die Erläuterung also gibt wie immer den spekulativen Philosophen schuld, daß sie aus bloßen Begriffen die Einsicht von der Existenz übersinnlicher Dinge schöpfen zu können glaubt; der Beweis selbst geht darauf, daß in einem Satz, d. h. einer Verbindung von Vorstellungen und Begriffen, weder in der Verbindung (copula), noch in den Begriffen des Satzes eine Übereinstimmung des Satzes mit dem dadurch Gedachten als notwendig gegeben ist; - die copula sei nur das Verhältnis des Prädikats zum Subjekt im Verstand, (also etwas rein Subjektives), und habe ihrer Natur nach gar keine Beziehung auf etwas außerhalb des Denkens des Verstandes; - in den Begriffen des Prädikats und Subjekts nichts, - denn mit der Wirklichkeit des Begriffes im Verstand ist nur dessen Möglichkeit, d. h. daß er sich nicht widerspricht, nicht aber auch dies, daß er auf etwas von ihm verschiedenes eine Beziehung hat, gegeben. Hier ist dann auch der rechte Ort, wo Herrn SCHULZE das Blendwerk und die leere Spitzfindigkeit des ontologischen Beweises vom Dasein Gottes einfällt. - Nichts als eine Wiederholung der dieser Erläuterung ist der zweite Grund (Seite 620):
    Was der spekulative Philosoph von den obersten Gründen des bedingterweise vorhandenen erkannt zu haben vorgibt, hat er bloß in Begriffen aufgefaßt und gedacht. Der mit bloßen Begriffen beschäftigte Verstand ist aber kein Vermögen, etwas der Wirklichkeit gemäß auch nur vorstellig machen zu können.
In der Erläuterung sagt der Verfasser, daß der Verstand bei den spekulativen Philosophen oder Erforschern der Existenz der Dinge aus bloßen Begriffen, in einem solchen Ansehen steht, daß derjenige, welcher dieses Ansehen im Geringsten in Zweifel zieht, sich dem Versacht und der Beschuldigung aussetzt, wenig oder wohl gar keinen Verstand zu haben. Hieran ist abermals vielmehr das Gegenteil wahr, indem die Spekulation den Verstand durchaus für unfähig zur Philosophie hält. - Herr SCHULZE fährt fort, daß wir uns doch besinnen müssen, ob die Vernunft dem Verstand jene Vollkommenheit zugestehen kann. - Was soll denn nun die Vernunft hier? warum hat der Herr Verfasser im zweiten Grund selbst, nur vom Verstand, wovon in der Spekulation gar keine Frage ist, und nicht von der Vernunft gesprochen; als ob er der Philosophie den Verstand, diesem Skeptizismus aber die Vernunft zueignen würde; wir finden aber die paarmal, daß das Wort Vernunft vorkommt, es nur wie ein vornehmes Wort gebraucht, das Aufsehen erregen soll; was diese Vernunft produziert, ist nie etwas anderes, als daß der Begriff nicht das Ding ist; und eine solche Vernunft ist es gerade, welche von der Spekulation Verstand genannt wird.

Dritter Grund (Seite 627):
    Der spekulative Philosoph stützt seine vorgebliche Wissenschaft von den absoluten Gründen des bedingterweise Existierenden ganz vorzüglich auf den Schluß von der Beschaffenheit der Wirkung auf die Beschaffenheit einer angemessenen Ursache. Von der Beschaffenheit der Wirkung läßt sich aber nicht im Geringsten mit einiger Sicherheit auf die Beschaffenheit der Ursache schließen.
In der Erläuterung wird behauptet, daß wenn man nicht etwa durch Eingebung zur Erkenntnis dessen, was allem Bedingten zugrunde liegen mag, gekommen sein will; so kann sie nur eine durch das Prinzip der Kausalität vermittelte Erkenntnis sein. - Von der spekulativen Philosophie ist diese Voraussetzung, daß in ihr das Kausalitätsverhältnis vorzüglich herrschend ist, wieder grundfalsch; denn es ist vielmehr völlig aus ihr verbannt; wenn es in der Form von Produzieren und Produkt etwa vorzukommen scheint, so wird es, indem das Produzierende und das Produkt gleichgesetzt werden, die Ursache gleich der Wirkung, ein und dasselbe als Ursache seiner selbst, und als Wirkung seiner selbst, damit unmittelbar aufgehoben, und nur der Ausdruck des Verhältnisses, aber nicht das Verhältnis angewendet; - daß in der spekulativen Philosophie von der Beschaffenheit des Bedingten auf das Unbedingte geschlossen wird, davon ist ohnehin keine Rede.

Dies ist (Seite 643) nun
    "das Verzeichnis, und der Inhalt der allgemeinen Gründe, um deren willen der Skeptiker den Lehren aller Systeme der Philosophie, die bisher aufgestellt worden sind, oder noch künftig aufgestellt werden möchten, Gewißheit abspricht, und welche ihn bestimmen, keinem einzigen dieser Systeme gegründete Ansprüche auf Wahrheit beizulegen."
Man hat aber gesehen, daß diese Gründe mit der Philosophie nichts zu schaffen haben, indem die Philosophie nicht ein Ding aus Begriffen herauszuklauben, noch eine jenseits der Vernunft liegende Sache auszukundschaften, überhaupt, weder mit dem, was der Herr Verfasser Begriffe nennt, noch mit Dingen beschäftigt ist, noch von Wirkungen und Ursachen schließt.

Aus diesen Gründen sagt Herr SCHULZE (Seite 610) sieht sich der Skeptiker bewogen, wenn er den eigentlichen Zweck der Philosophie, und seine Bedingungen, und zugleich die Fähigkeit des menschlichen Gemüts, zu einer realen und sicheren Erkenntnis zu gelangen, in Erwägung zieht, nicht einsehen kann, wie jemals eine Erkenntnis des Übersinnlichen zustande kommen soll, wenn sich die Einrichtung des menschlichen Erkenntnisvermögen nicht ändert, wie wohl kein Vernünftiger erwartet, und worauf hin eine Hoffnung zu näheren töricht sein würde. Und umso törichter würde die Nährung einer solchen Hoffnung sein, da eine Philosophie auch bei der Einrichtung des menschlichen Gemüts, wie sie im laufenden Jahr sich vorfindet, möglich ist.

Diese Waffen sind es, mit welchen nun die Systeme LOCKEs, LEIBNIZ', KANTs bekämpft werden; das System LOCKEs und LEIBNIZ' nämlich, als Systeme des Realismus, jener eines sensualistischen, dieser eines rationalistischen; KANTs System aber, als System des transzendentalen Idealismus; der neuere transzendentale Idealismus ist für einen dritten Band aufgespart.

Der erste Band enthält die Darstellung dieser Systeme, des LOCKEschen von Seite 113-140., des LEIBNIZschen 141-172. Von Seite 172-578 aber erhalten wir wieder einen Auszug der so oft gezogenen kantischen "Kritik der reinen Vernunft"; der folgende bis zu Ende ist dem oben dargestellten Skeptizismus gewidmet.

Der zweite Band enthält die Kritik dieser Systeme nach den oben beleuchteten Gründen; - des LOCKEschen Systems von Seite 7-90, des LEIBNIZschen von Seite 91-125. Dem kantischen sind 600 Seiten gewidmet.

Als ein Beispiel, wie diese skeptischen Gründe auf diese Systeme angewendet werden, geben wir die Art, wie der Herr Verfasser LEIBNIZens nimmt im zweiten Band Seite 100 folgenden Verlauf. - Seit überhaupt LEIBNIZ darin, daß der Grund der notwendigen Urteile bloß im Gemüt selbst liegt, und daß also der Verstand schon a priori Erkenntnisse enthält, den Ton angegeben hat, so hat man es freilich unzähligemal wiederholt, daß notwendige Urteile nur aus dem erkennenden Subjekt selbst herrühren können; aber man hat bis jetzt noch keine einzige Eigenschaft dieses Subjekts nachgewiesen, vermöge welcher es sich ganz besonders dazu qualifizierte, die Quelle notwendiger Urteile zu sein, und weder in der Einfachheit, noch in der Substantialität, noch auch in der Erkenntnisfähigkeit desselben wird der Grund zu einer solchen Qualifikation angetroffen. - Sind denn die Einfachheit, und die Substantialität der Seele Qualitäten, welche dieser Skeptizismus zugibt? - Wenn es bei der Behauptung notwendiger Urteile nur darauf ankäme, sie in einer Qualität der Seele aufzuzeigen, so ist ja nichts zu tun, als zu sagen, die Seele habe die Qualität notwendiger Urteile. Wenn der Herr Verfasser alsdann behauptet, daß so weit unsere Einsicht von unserem erkennenden Ich reicht, so weit treffen wir auch in demselben nichts an, was dasselbe bestimmen würde, eine Quelle notwendiger Urteile sein zu müssen; so sagt er doch unmittelbar darauf, daß die Objekte unseres Denkens bald zufällige, bald notwendige Urteile sind; man könne aber nicht sagen, die letzteren Urteile hätten mehr Beziehung auf den Verstand und dessen Natur, als wie jene, und es gehöre zum Wesen unseres Verstandes, notwendige Urteile hervorzubringen; man hat aber ja nur anzunehmen, es gebe zweierlei Qualitäten des Verstandes, eine Qualität der zufälligen, eine andere der notwendigen Urteile, auf diese Weise ist die Qualifikation unseres Gemüts zu notwendigen Urteilen ebenso gut aufgewiesen, als die anderen Qualitäten in einer empirischen Psychologie. Herr SCHULZE gibt ja die notwendigen Urteile als eine Tatsache des Bewußtseins zu.

Dasjenige aber, was LEIBNIZ von der Wahrheit der angeborenen Begriffe und Einsichten der reinen Vernunft sagt, sei vollends noch grundloser, und man müsse sich wirklich wundern, wie hierbei der Mann, dem die Erfordernisse zu einem gültigen Beweis gar nicht unbekannt waren, so wenig Aufmerksamkeit auf die Vorschriften der Logik beweisen konnte. - Hier lernen wir vorerst, woran es LEIBNIZ hat fehlen lassen, nämlich an Aufmerksamkeit auf die Logik; und Herr SCHULZE wundert sich wirklich darüber; woran es aber LEIBNIZ nicht fehlte, sondern was er zuviel hatte, war Genie, wie wir unten noch finden werden; und darüber, daß ein Mensch Genie hat, wird man sich doch auch wirklich wundern müssen.

Nämlich: es versteht sich nicht von selbst, daß wenn es angeborene Begriffe und Grundsätze in unserem Gemüt gibt, auch etwas ihnen Entsprechendes außerhalb derselben da ist, worauf sie sie beziehen, und das sie, so wie es seiner objektiven Wirklichkeit nach ist, zu erkennen geben; denn Begriffe und Urteile in uns sind ja nicht die dadurch gedachten Objekte selbst, und mit der Notwendigkeit der Beziehung des Prädikats auf das Subjekt in unserem Denken derselben ist keineswegs die davon der Art nach ganz verschiedene Beziehung des Gedankens auf ein außerhalb von ihm existierendes reales Ding gegeben. Man sieht, der Herr Verfasser nimmt die angeborenen Begriffe im grellsten Sinn, der möglich ist; nach seiner Vorstellung wird ein Subjekt geboren, mit einem Paket Wechsel im Kopf, welche auf eine außerhalb des Kopfes existierende Welt gezogen sind; die Frage aber wäre, ob die Wechsel von dieser Bank akzeptiert werden, ob sie nicht falsch sind; - oder mit einem Haufen Lotterielose in der Seele, von denen man niemals erfahren wird, ob sie nicht lauter Nieten sind; weil kein Ziehen der Lotterie erfolgt, durch das sie realisiert würden. Dies ist, fährt der Herr Verfasser fort, auch jederzeit von den Verteidigern der angeborenen Begriffe und Grundsätze in der menschlichen Seele eingesehen und zugestanden worden, und daher haben sie einen Beweis für die Wahrheit dieser Begriffe und Grundsätze zu geben, oder auch die Art genauer zu bestimmen gesucht, wie sich solche Begriffe auf reale Dinge beziehen sollen. In der Anmerkung wird angeführt, nach dem PLATO seien die Begriffe und Grundsätze, welche die Seele angeboren in das gegenwärtige Leben mitbringt, und wodurch wir allein vermögend sind, das Wirkliche wie es ist, nicht wie es uns durch die Sinne erscheint, zu erkennen, bloße Erinnerungen derjenigen Anschauungen der Dinge, deren die Seele während ihres Umgangs mit Gott teilhaftig war; CARTESIUS lasse es dabei bewenden, daß er sich auf die Wahrhaftigkeit Gottes beruft; SPINOZA sei das Denken unseres Verstandes deshalb wahr, weil es aus den Vorstellungen und Erkenntnissen der Gottheit besteht, insofern sie das Wesen unseres Geistes ausmachen, welche Erkenntnisse der Gottheit mit dem dadurch Erkannten aber vollkommen übereinstimmen müssen, und sogar mit diese Erkannten ein und dasselbe Ding sind. Nach LEIBNIZ soll den in unserem Gemüt a priori liegenden Grundsätzen und darin enthaltenen Vorstellungen aus dem Grund Wahrheit und Realität zukommen, weil sie Abbildungen der im Verstand der Gottheit befindlichen Begriffe und Wahrheiten, welche das Prinzip der Möglichkeit, Existenz und Beschaffenheit aller realen Dinge in der Welt sind, sind. Durch die Stellung, welche Herr SCHULZE der Sache gegeben hat, hat er aber, noch ehe er an die Kritik kommt, die Sache unmittelbar verrückt; ist es denn dem PLATO, SPINOZA, CARTESIUS, LEIBNIZ eigentlich um eine Beweisführung zu tun gewesen, daß den angeborenen Begriffen, oder der Vernunft, eine Realität entspricht? oder um eine Bestimmung der Art, wenn diese Philosophen, als Grund der Wahrheit derselben, Gott setzen? Die Folge ist nach Herrn SCHULZE diese:
    a) subjektive Begriffe, die für sich ohne Realität sind, alsdann

    b) eine außerhalb ihrer liegende Realität, jetzt

    c) die Frage, wie das zusammenkommt;

    d) der Beweis ihrer Wahrheit in einem, den Begriffen und der Realität fremdem.
Jene Philosophen haben vielmehr jene, wie Herr SCHULZE sagt, im täglichen Leben vorausgesetzte Identität des Begriffs und der Realität erkannt, und sie Verstand Gottes genannt, in welchem Wirklichkeit und Möglichkeit Eins sind.

Wir wollen hierbei, lautet des Verfassers Urteil hierüber, nicht untersuchen, ob dieses Argument für die Wahrheit und Zuverlässigkeit der angeborenen Begriffe am Ende nicht mit theosophischen Grillen über die Verwandtschaft unserer Seele mit der Natur Gottes in Verbindung steht und daraus abgeleitet worden sind, welches man sonst aus dem abnehmen kann, was LEIBNIZ von der Entstehung der endlichen Monaden aus der obersten Monas lehrte.

Da haben wir also die Bescherung! Die Verwandtschaft unserer Seele mit der Natur Gottes sind theosophische Grillen, und wie weit das Argument für die Wahrheit der Vorstellungen damit in Verbindung steht, will der Herr Verfasser - wohl aus Schonung - nicht untersuchen. Nun haben aber diese Philosophen der Sache nahe statuiert, daß die Seele nichts ansich ist, sondern, was sie ist, in Gott ist; die kürzeste Art hierüber zu sprechen ist, die Philosophie dieser Philosophen für Schwärmerei und theosophische Grillen auszugeben. Doch Herr SCHULZE gibt sich die Miene, sich auf den Erkenntnisgrund einlassen zu wollen; so viel, fährt er fort, sieht aber gewiß jeder unserer Leser ein, daß hierbei notwendig gefragt werden muß: woher wissen wir es denn, daß unser Verstand den erhabenen Vorzug besitzt, der Abbildungen von den ewigen und realen Erkenntnissen teilhaftig worden zu sein, die im Verstand Gottes vorhanden sind? Da die Sinne von Gott und dessen Eigenschaften gar nichts lehren, so kann LEIBNIZ die Antwort auf diese Frage lediglich aus dem Verstand und aus dessen angeborenen Einsichten ableiten und schöpfen, wie er dann auch getan hat. Folglich dreht er sich im Beweis der Wahrheit der angeborenen Begriffe im Zirkel herum. Freilich! und dreht er sich nicht im Zirkel herum, so hat er ein Kausalverhältnis, und nach dem dritten Grund wird die Brücke von der Wirkung zur Ursache aus lauter Begriffen gebaut, die keine Realität haben. - Es war aber nicht nötig, die Wahrheit und Zuverlässigkeit der sogenannten angeborenen Begriffe, - und den erhabenen Vorzug der Teilhaftigkeit an den Abbildungen und den ewigen und realen Erkenntnissen Gottes, zu trennen, und jedes zu einer besonderen Qualität, oder wie man das nennen soll, zu machen, sondern beides ist ein und dasselbe; es ist von keinem Beweis des ersteren aus dem letzteren die Rede; es fällt also aller Zirkel weg, und es bleibt nichts übrig, als die Behauptung in einem gedoppelten Ausdruck, daß die Vernunft, nach LEIBNIZ, ein Bild der Gottheit ist, oder daß sie wahrhaft erkennt. Dies läuft freilich auf theosophische Grillen hinaus, aber es kann doch nicht geleugnet werden, daß, um in den Ausdrücken dieses Skeptizismus zu sagen, jene Verwandtschaft unserer Seele mit der Natur Gottes, und das Vorstellen der Gottheit, eine Tatsache des Bewußtseins jener Philosophen war; das Bewußtsein aber ist für diesen Skeptizismus der höchste Gerichtshof der Gewißheit und Wahrheit, was im Bewußtsein gegenwärtig ist, haben wir oben gesehen, kann so wenig bezweifelt werden, wie das Bewußtsein selbst; denn an diesem zu zweifeln ist unmöglich. Da nun im Bewußtsein einiger Philosophen die Realität ihrer Ideen und die Verwandtschaft ihrer Natur mit der Natur Gottes vorkommt, im Bewußtsein anderer aber nicht, so ist nicht anders fertig zu werden, als jene Philosophen Lügner zu heißen, was nicht angeht, - oder von ihnen zu fordern, daß sie ihr Bewußtsein begreiflich machen sollten, was wieder nicht verlangt werden kann, denn die im täglichen Leben vorausgesetzte Identität der Vorstellung und des Dings wird vom gemeinen Bewußtseins, das jene Forderung machen könnte, ebenfalls nicht begriffen; es bleibt also nichts übrig, als zwei Rassen von Bewußtsein anzunehmen: eines, das sich jener Verwandtschaft bewußt ist, und ein anderes, das ein solches Bewußtsein zu einer theosophischen Grille erklärt.

Alsdann zeigt Herr SCHULZE die Grundlosigkeit der Idee, daß die Vernunft deswegen Realität hat, weil sie ein Bild der göttlichen Vernunft ist, auch aus LEIBNIZ selbst, denn er sagt, daß die Begriffe endlicher Wesen unendlich verschieden sind von den Begriffen des LEIBNIZschen Gegensatzes des Endlichen und Unendlichen aus der Darstellung von LEIBNIZ' System im ersten Band sehr gut ersehen; oder vielmehr es ist wieder Herr SCHULZE, der den Gegensatz von Endlichem und Unendlichem als einen absoluten behandelt; in der Darstellung von LEIBNIZ' System §28 heißt es, daß den Eigenschaften der Gottheit dasjenige entspricht, was in den erschaffenen Monaden den Grund der Erkenntnisse und Willensfähigkeit ausmacht; aber in Gott sind sie in unendlichem Grad und in der höchsten Vollkommenheit vorhanden; die ihnen entsprechenden Eigenschaften in den erschaffenen Monaden hingegen sind bloße Ähnlichkeiten derselben, nach dem Grad der Vollkommenheit, den sie besitzen. Vgl. § 34 und die Anmerkung dabei. - Der Gegensatz also, den LEIBNIZ zwischen der unendlichen Monade und den endlichen macht, ist, da den Vollkommenheiten der unendlichen, Vollkommenheiten der endlichen entsprechen, und diese eine Ähnlichkeit mit jener haben, nicht der absolute Gegensatz des endlichen und unendlichen, wie ihn Herr SCHULZE auffaßt, der sich darüber wohl auch so wird ausdrücken können, daß beide spezifisch verschieden sind; daß LEIBNIZ die absolute Monade unendlich, andere aber endlich setzt und doch von einer Ähnlichkeit beider spricht, wird Herr SCHULZE wohl unter die Fälle rechnen, in denen LEIBNIZ auf die Vorschriften der Logik nicht aufmerksam genug gewesen ist.

Ferner ist nach Herrn SCHULZEs Beweis des LEIBNIZ, daß die notwendigen Urteile des menschlichen Verstandes auch im Verstand Gottes vorhanden sein müssen, daraus hergenommen, daß jene Urteile, insofern sie ewige Wahrheiten ausmachen, von aller Ewigkeit her in einem dieselben denkenden und mithin gleichfalls von Ewigkeit her existierenden Verstand, als Bestimmungen desselben, vorhanden sein müssen. Herr SCHULZE fordert, es müßte ja vorher erst dargelegt werden, daß ein von Ewigkeit her existierender und gewisse Wahrheiten ununterbrochenn denkender Verstand existiert, bevor man behaupten kann, daß es ewig und zu allen Zeiten gültige Wahrheiten gibt; ewige Wahrheiten sind solche, die nach unserer Einsicht jeder Verstand, der sich des Urteils bewußt ist, ebenso denken muß, wie wir sie denken, und dies hat folglich keine Beziehung darauf, daß ein die Urteile wirklich denkender Verstand von Ewigkeit her existiert hat. - Auch hier faßt Herr SCHULZE die Existenz des göttlichen Verstandes wieder als eine empirische Existenz, die Ewigkeit als eine empirische Ewigkeit auf.

Wir dürfen endlich auch nicht vorbeigehen, was Herr SCHULZE über LEIBNIZ' Begriff vom deutlichen und verworrenen Vorstellen beibringt; das Anschauen äußerer Dinge sei nämlich ein Bewußtsein der unmittelbaren Gegenwart eines, von unserem erkennenden Subjekt (es scheint Herr SCHULZE unterscheidet noch unter sich und unter seinem Subjekt; man könnte nicht anders, als begierig auf eine Auseinandersetzung dieses Unterschieds sein; je nachdem sie ausgeführt wurde, konnte sie gar auf theosophische Grillen führen) und von dessen bloß subjektiven Bestimmungen verschiedenen Dings; daß daher das Anschauen aus der Verwirrung der mannigfaltigen Merkmale in einer Vorstellung herrührt, habe gar keinen Sinn und Bedeutung; beides steht in keiner Verwandtschaft miteinander. (Die Frage wäre, in welcher Verwandtschaft denn aber das Ich und unser vom Ich zu unterscheidendes Subjekt, alsdann dessen subjektive und endlich dessen objektive Bestimmungen miteinander stehen.) Es stände in jeder Gewalt des Menschen, Anschauungen von Dingen nach Belieben in sich hervor zu bringen, und wenn er etwas deutlich gedacht hätte, diesen Zustand des Bewußtseins auch sogleich in das Anschauen eines Objekts zu verwandeln. Um ein Tausendeck, oder ein Stück Gold, ein Haus, einen Menschen, das Universum, die Gottheit usw. als gegenwärtig anzuschauen, dazu würde nichts erfordert, als daß man die in der Vorstellung vom Tausendeck, vom Gold usw. liegenden Merkmale, nachdem man die Aufmerksamkeit von ihrem Unterschied abgelenkt hatte, tüchtig miteinander verwirrte; um hingegen die Anschauung eines Hauses, eines Menschen, Baumes in einen bloßen Begriff zu verwandeln, dazu würde weiter nichts nötig sein, als daß man die Teile, die in der sogenannten sinnlichen Vorstellung vorkommen, voneinander im Bewußtsein unterscheidet und sich verdeutlicht. Hoffentlich wird aber wohl niemand im Ernst vorgeben, daß sein erkennendes Subjekt (hier: der Niemand, und sein Subjekt) imstande ist, durch eine solche beliebige Verwandlung der Begriffe von Dingen in Anschauungen und der Anschauungen in Begriffe sich so unerhörte Taschenspielerkünste vorzumachen. -

Daß Herr SCHULZE sich hier nicht entblödet, recht gemütlich das spekulative, was LEIBNIZ über die Natur des Vorstellenden sagt, auf den Boden des empirischen Vorstellens herabzuziehen, und Trivialitäten genau derselben Art, wie sie NICOLAI und andere dieses Gelichters gegen den Idealismus vorbringen, gegen LEIBNIZ aufzutischen, so hat wohl auch der neuere Idealismus, dem Herr SCHULZE einen dritten Band widmen will, nichts anderes zu erwarten, als daß eben diese Erbärmlichkeiten bei ihm wiederholt werden und daß er für die Behauptung einer Beliebigkeit des Produzierens der Dinge, und eines Verwandelns der Begriffe in Dinge, für die unerhörteste Taschenspielerkunst ausgegeben wird.

Diese Behandlung der LEIBNIZschen Philosophie durch diesen Skeptizismus wird als Probe seines Verfahrens hinreichend sein; so sehr die LEIBNIZsche Philosophie schon ansich fähig wr, als vernünftiges System behandelt zu werden, so konnte die Untersuchung über die kantische Philosophie dadurch vorzüglich interessant werden, daß diese Verstandesphilosophie über ihr eigenes Prinzip, das sie in der Reflexion hat, emporgehoben, und die große Idee der Vernunft, und eines Systems der Philosophie, die ihr allenthalben wie eine ehrwürdige Ruine, in der sich der Verstand angesiedelt hat, zugrunde liegt, hervorgezogen und dargestellt worden wäre. Die Wirksamkeit dieser Idee wird schon an dem äußeren Gerüst ihrer Teile sichtbar; aber sie tritt auch an den Kulminationspunkten ihrer Synthesen, besonders in der "Kritik der Urteilskraft", ausgesprochen hervor. Es ist der Geist der kantischen Philosophie, ein Bewußtsein über diese höchste Idee zu haben, aber sie ausdrücklich wieder auszurotten. Wir unterscheiden also zweierlei Geist, der in der kantischen Philosophie sichtbar wird, einen der Philosophie, den das System immer ruiniert, und einen des Systems, der auf das Töten der Vernunftidee geht; dieser letztere geistlose Geist hat aber auch noch einen Buchstaben, und Herr SCHULZE erinnert, daß er den ausdrücklichen Versicherungen KANTs gemäß, daß man sein System nach dem Buchstaben und nicht nach dem Geist nehmen muß, sich an den Buchstaben gehalten hat; auf welche Weise er also an den geistlosen Buchstaben des geistlosen Geistes der Philosophie geraten ist. Dieses ganze formelle Wesen hat er nun mit eben solchem formellen Wesen kritisiert; die kantische Philosophie in die möglichst krasseste Form gegossen, wozu der Verfasser durch den Vorgang der REINHOLDischen Theorie und anderer Kantianer allerdings berechtigt war; und sie nicht anders als in der Gestalt des krassesten Dogmatismus, der eine Erscheinung und Sachen an sich hat, die hinter der Erscheinung wie unbändige Tiere hinter dem Busch der Erscheinung liegen, begriffen; nicht als ob die Kantianer nur mit dem Bild dieser Kraßheit geplagt werden sollten, sondern, weil, wie wir oben zur Genüge gesehen haben, das System einer unleugbaren Gewißheit der Tatsachen des Bewußtseins, und dieser Skeptizismus, es nicht anders vermag. Für die Kantianer, die in den Buchstaben eingenagelt sind, könnte diese harte Arbeit und die saure Mühe, die sich ein anderer Formalismus mit dem Formalismus KANTs, so wie das Bild jener Kraßheit, wenn sie noch davon zu erschrecken fähig sind, die Wirkung haben, sie zum Erschrecken zu bringen; nicht gerade nur das Bild der kantischen Philosophie, wie es ihnen hier gegeben wird, sondern dieses Bild, wie es sich in der ganzen Kontinuität dieser vier Alphabete grell genug für sich selbst repräsentiert; so wie auch das mangelhafte des kantischen Formalismus, seine Formen zu deduzieren, oder herbeizuführen, ihnen sattsam gezeigt wird. Aber den Begriff der Vernunft oder der Philosophie würden sie vergeblich darin suchen; welche im Gedränge der Tatsachen und der hinter diesen Tatsachen, wie ihr Schuld gegeben wird, gesuchten Dinge, entwischt ist, und welche daher das ganze Geschäft dieses Skeptizismus im Geringsten nichts angeht.

Schließlich können wir uns nicht enthalten, ein Stück aus der empirischen Psychologie dieses Skeptizismus, nämlich die Art, wie er das Verhältnis des Genies und der Phantasie zur Philosophie sich vorstellt, auszuheben; in der Vorrede Seite XXIV erklärt sich Herr SCHULZE wegen seines Vortrags dahin, daß Blumen der Beredtsamkeit in Behandlung der Fragen der spekulativen Philosophie sehr übel angebracht sind, denn sie leiten die Vernunft irre, und mischen die Phantasie in das Geschäft der Vernunft ein; wenn es daher auch in seinem Vermögen gestanden hätte, den Vortrag dieser Kritik durch einen beredten und bilderreichen Ausdruck noch mehr zu beleben und anziehender zu machen, so würde er keinen Gebrauch davon gemacht haben. - Von LEIBNIZ sagt der Herr Verfasser Seite 91f, daß, wenn das Geschäft der Vernunft beim Philosophieren darin bestünde, durch kühne und angenehm unterhaltende Dichtungen über eine angeblich hinter der Sinnenwelt verborgen liegende transzendente Welt es fast noch der Phantasie in ihrem höchsten Flug, den sie nur nehmen mag, zuvorzutun, und diesen Dichtungen durch die Hilfe gewisser Begriffe Einheit und Zusammenhang zu geben, so hätte LEIBNIZ kein einziger Philosoph erreicht, viel weniger übertroffen; es scheint, daß die Natur an ihm habe zeigen wollen, daß es bei der Erreichung des obersten Zwecks der Erkenntniskräfte nicht bloß auf den Besitz großer Naturgaben ankommt, und daß es ein von der Natur wenig begünstigter Kopf, wenn er seine Kräfte gehörig gebraucht, es hierin dem Genie nicht nur gleich, sondern auch wohl noch oft zuvortun kann; Herr SCHULZE meint, es würde wohl auch nicht viel herausgekommen sein, etwa nur neuplatonische Schwärmereien, wenn LEIBNIZ seine Philosophie selbst zu einem System ausgebildet hätte. - Von KANT spricht Herr SCHULZE darum mit der größten Ehrerbietung, daß die "Kritik der reinen Vernunft" das Produkt einer kein Hindernis scheuenden, und allein durch den freien Entschluß ihres Verfassers entstandenen Anstrengung der Denkkraft ist, und daß Genie und glücklicher Zufall (als ob es noch für etwas anderes als für das Genie einen glücklichen Zufall geben könnte!) wohl die geringsten Ansprüche auf die Ausführung des zugrunde liegenden Plans machen können.

Die Verachtung des Genies und großer Naturgaben, diese Meinung, als ob die Phantasie nur etwa dem Vortrag der Philosophie Blumen der Beredtsameit liefert, als ob die Vernunft dichtet in dem Sinne, in welchem etwa Zeitungslügen erdichtet werden, oder wenn sie über die gemeine Wirklichkeit hinaus erdichtet, Hirngespinste, Schwärmereien, theosophische Grillen produziert, daß sie es der Phantasie, selbst wenn diese im höchsten Flug dichtet, im Dichten noch zuvortun könnte, man weiß nicht, ob die Barbarei und die Naivität, mit welcher sie der Genielosigkeit applaudiert, - oder die Gemeinheit der Begriffe größer ist; wenn wir die Verachtung großer Naturgaben Barbarei nennen, so meinen wir nicht jene natürliche Barbarei, die jenseits der Kultur liegt; denn sie ehrt das Genie als etwas Göttliches, und achtet es als ein Licht, das in die Dumpfheit ihres Bewußtseins eindringt, - sondern die Barbarei der Kultur, die gemachte Roheit, welche sich eine absolute Grenze schafft, und innerhalb dieser Borniertheit das Unbegrenzte der Natur verachtet; und wo sie erkennend ausspricht, Verstand ist. Was die Begriffe betrifft, so stammen sie aus jener empirischen Psychologie, welche den Geist in Qualitäten auseinander wirft, und also kein Ganzes, und kein Genie und Talent, unter diesen Qualitäten findet, sondern ihn wie einen Sack voll Vermögen darstellt, deren jedes etwas besonderes, eines Vernunft ohne Anschauung, getrennt von Phantasie, ein anderes eine Phantasie ohne Vernunft ist, und deren Leerheit sich nur mit Sachen durch schwere Arbeit erfüllen kann, und in seinem sachlichen und dinglichen Erfülltsein allein seinen Wert hat. Der Verstand bleibt dann unter den anderen Vermögen, die den Seelensack des Subjekts bewohnen, das Vortrefflichste, weil er alles in Sachen, teils Begriffe, teils Dinge zu verwandeln versteht; so geht dann auch dieser Verstand, (wie er in den zwei ersten erzählenden Alphabeten fremde Sachen vorlegt), durch die zwei kritisierenden Alphabete in seinem eintönigen alles in Begriffe und draußen existierenden Dinge zerreißenden Geschäft, ohne alle Verquickung durch eine Vernunftidee, ohne Phantasie, ohne Glück in einem fortschallenden, sinnbenebelnden, narkotischen, drückenden Ton forte, von einer Wirkung, als ob man durch ein Feld von blühendem Hyoscyamus [Bilsenkraut - wp] wandelte, dessen betäubenden Düften keine Anstrengung widerstehen kann, und wo man von keinem belebenden Strahl, auch nur in der Gestalt einer Ahnung angeregt wird.
LITERATUR - G. W. F. Hegel, Verhältnis des Skeptizismus zur Philosophie, Kritisches Journal der Philosophie, Bd. 1, zweites Stück, Jena 1802