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(1758 - 1828) Über die bisherigen Schicksale der kantischen Philosophie [2/2]
Den heftigsten und hartnäckigsten Widerstand würde die Einführung allgemeingültiger Prinzipien auf Universitäten erfahren müssen. Der größte Teil unserer lebenden Zeitgenossen hat noch kein Beispiel einer Reformation der Philosophie erlebt, die den ganzen Lehrbegriff betroffen hätte; sonst dürfte hier die Erinnerung wohl überflüssig sein, daß auch die philosophische Innung ebensogut ihre Orthodoxie als die theologische, ebensogut ihren Schlendrian als die juristische, ebensogut ihren Empirismus als die medizinische hat, ein Übel das jeder Reformation in eben dem Verhältnis den Eingang erschwert, als es das Bedürfnis derselben herbeiführt. Wer die Geschichte der cartesianischen, und der leibniz-wolffischen Revolution auch nur obenhin kennt, der wird nicht leicht eine gleichzeitige Universität angeben können, auf welcher nicht die neuen Lehren anfangs ebenso unbedingt verworfen, als nachmals aufgenommen und befördert worden wären. Die Namen CARTESIUS, LEIBNIZ, WOLFF, welche in der Folge im Mund so manches akademischen Lehrers die Stelle der Beweise vertreten mußten, waren auf einem und eben eben demselben Katheder von seinem Vorfahrer nie ausgesprochen worden, als wenn es darum zu tun war, irgendeine Behauptung als eine grundlose und gefährliche Neuerung zu verschreien. Wie weit das Mißverstehen und Mißhandeln von Lehrsätzen, deren Gründlichkeit gegenwärtig allgemein anerkannt ist, von den akademischen Anti-Cartesianern und Anti-Wolffianern getrieben wurde, muß jedem unglaublich vorkommen, der nicht Gelegenheit und Muße hatte, sich durch den Augenschein an den zahllosen widerlegenden Dissertationen, Diatriben, Disputationen usw. zu überzeugen, die damals die philosophische Welt überschwemmt haben, gegenwärtig aber freilich nur noch in Winkeln öffentlicher Bibliotheken aufgeschichtet, in der Ausführung des letzten Raums, ihre letzte Bestimmung gefunden haben. Gleichwohl war durch die cartesianischen, leibnizischen und wolffischen Bemühungen eigentlich mehr ein in der philosophischen Welt längst angelegtes System ausgeführt, und zur Vollkommenheit gebracht, als ein ganz Neues eingeführt. Die neuen Entdeckungen und Verbesserungen jener Reformatoren gereichten alle zum Vorteil derjenigen unter den philosophischen Sekten, die ihrer Natur nach dazu gemacht war auf Akademien zu herrschen, nicht nur daraum, weil sie sich so entscheidend für die Grundwahrheiten der Religion und der Moral erklärt, sondern weil sie für dieselben diejenige Form der Überzeugung aufstellt, welche die menschliche Wißbegierde am meisten zu befriedigen scheint, wenigstens dem menschlichen Stolz unter allen am Meisten schmeichelt; eine Sekte, welche von einem Professor der Philosophie, der den entgegengesetzten Dogmatismus der Materialisten und Spinozisten, den dogmatischen Skeptizismus und den Supernaturalismus so oft aus dem Gebiet seiner Wissenschaft förmlich und feierlich verbannt hat, für das einzig echt philosophische Publikum, so wie ihr System für die einzig wahre unfehlbare Philosophie gehalten wird. Man denke sich nun eine Reformation, die dieser Sekte mit nichts geringerem, als dem gänzlichen Untergang droht, die nicht anders als durch diesen Untergang durchgesetzt werden kann, und die dabei keineswegs auf den Beistand der übrigen Sekten zählen kann, weil sie jeder derselben ein gleiches Schicksal bereitet, eine Reformation, durch welche das von den Philosophen von Profession angenommene System zu den in ihren Augen so niedriger Rang einer bloßen Vorübung des menschlichen Geistes und eines einstweiligen Behelfs herabgewürdigt wird; eine Reformation endlich, welche dem Lehrer der Metaphysik sogar das Dasein der alten Wissenschaft, durch welche er sich bisher Verdienste und Ruhm erworben hat, streitig, und ihm das Studium einer Neuen, deren Möglichkeit ihm so gar unbegreiflich ist, zur Pflicht macht! - So sehr mich die bloße Idee einer solchen Reformation vor dem größten Teil meiner Leser lächerlich machen muß; so ist doch nichts gewissesr, als daß diese so abenteuerlich scheinende Idee aufhören müßte, eine bloße Idee zu sein, wenn die spekulative Philosophie Prinzipien erhalten sollte, die ihre Allgemeingültigkeit dadurch bewähren, daß sie wirklich allgemeingeltend werden. Man lassen hier die Leidenschaften des akademischen Lehrers ganz aus dem Spiel (4); kein Ehrgeiz soll ihn durch die falsche Vorspiegelung blenden, daß sein wohlgegründeter Ruhm mit seinem bisherigen System dahinstürzen muß; kein heimlicher Neid erschwere es ihm, einer Erfindung Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, die nicht die Seinige ist; keine Eifersucht über einen jüngeren Kollegen, dem es natürlicherweise leichter werden muß, eine ganz neue Vorstellungsart anzunehmen, reize ihm an derselben nichts als schwache Seiten aufzusuchen; und gleichwohl wird das Studium der neuen Philosophie noch immer Schwierigkeiten für ihn haben, die sich selbst auf seine unstreitigsten Verdienste gründen, und nur sehr wenigen in seiner Lage überhaupt überwindbar sein können. Je öfter und je besser sein bisheriges System mündlich und schriftlich vorgetragen hat, desto einleuchtender, geläufiger, teurer hat ihm dasselbe werden müssen. Er besitzt eine große Fertigkeit, die Beweise für dasselbe zu erhärten, und die Einwürfe dagegen zu widerlegen: denn beides ist das Hauptgeschäft seines Lebens gewesen; und da er sich bewußt ist, alles was von seinen Gegnern bis daher eingewendet worden ist, abgefertigt zu haben: so ist er umso geneigter anzunehmen, daß auch überhaupt nichts dagegen eingewendet werden kann, was sich nicht auf ein Mißverständnis seines Systems, das nur sehr wenige so genau kennen wie er, gelernt haben, zurückführen läßt. Je mehrere Felder der Philosophie er bearbeitet hat, desto mehr haben seine Prinzipien ihre Fruchtbarkeit und Harmonie vor seinen Augen gerechtfertigt, desto inniger sind sie mit seiner gesamten Ideenmasse verwebt worden, desto mehr sind sie, wenn ich mich so ausdrücken darf, in die Natur seiner Vernunft übergegangen. Ich glaube daher eben nichts Paradoxes zu behaupten, wenn ich es für ausgemacht halte, daß das Studium, oder vielmehr das Verstehen des neuen kritischen Versuches nicht nur bei den meisten, sondern auch wohl bei manchen der verdienstvollsten akademischen Philosophen mehr Eifer, Anstrengung und Zeitaufwand voraussetzt, als bei bloßen Liebhabern der Wissenschaft, ja auch nur bei manchem talentvollen jungen Anfänger. Woher sollte bei gewissen älteren Lehrern der Eifer kommen, sich in eine neue Untersuchung über ihr längstvollendetes bewährtes System einzulassen, und bei dieser Untersuchung einem Führer zu folgen, von dem sie gehört haben, daß er auch ihre gewissesten Überzeugungen verwirft? Die Anstrengung so vieler Jüngeren gehört ihren überhäuften Amtsgeschäften, zahlreichen Vorlesungen, und schrifstellerischen Arbeiten, die durch keine fremde Ideenreihe unterbrochen werden dürfen. Bei vielen endlich sind es aufs Höchste einzelne abgerissene Stunden der Erholung, die sie mit eingenommenem Kopf und zerstreuter Aufmerksamkeit einem Studium widmen, dem kaum der volle Aufwand eines geschäftefreien Jahres gewachsen wäre. Andere mögen endlich allen Eifer, alle Anstrengung, und all die Zeit, die auch nur eine einzige tägliche Vorlesung übrig läßt, darauf verwenden, und sie werden wider ihren Willen genötigt sein, das in den Stunden der Meditation mühesam verfertigte Gewebe neuer Überzeugungen in der jedesmaligen Vorlesungsstunde wieder aufzulösen. Das System, das sie vom Katheder herab erklären und beweisen müssen, steht im Widerspruch mit den neuen Prinzipien, die notwendig den kürzeren ziehen müssen, sobald sie vor Ihrer völligen Entwicklung und durchgängigen Bestimmung mit den bewährten Lehrsätzen eines längst angenommenen Systems verglichen werden; und so werden jedesmal die zarten Keime des künftigen Baumes allgemeingültiger Erkenntnis, durch die schweren Grundsteine des alten Lehrgebäudes zerdrückt. Wer die Betrachtungen, die ich hier mehr durch Winke veranlassen als ausführen konnte, mit kaltem Blut verfolgt, der dürfte sich wohl mit mir in dem Resultat vereinigen, daß der erste auch noch so wohlgelungene Versuch allgemeingültige Prinzipien aller spekulativen Philosophie aufzustellen nicht nur vom großen Haufen, sondern auch von vielen des besseren Teils des philosophischen Publikums eine geraume Zeit hindurch mißverstanden werden müßte. Daß die Kritik der reinen Vernunft wirklich diese Prinzipien enthält, behaupte ich umso weniger, da ich es weder hier beweisen, noch weniger aber erwarten kann, daß mir auf mein Wort geglaubt wird. Aber daß die Kr. d. r. V. wirklich jenes Schicksal bisher erfahren hat, welches sie erfahren mußte, wenn sie zuerst, allgemeingültige Prinzipien aufgestellt hätte, ist eine Tatsache, die dem ganzen philosophischen Publikum vor Augen liegt. Wer den Mangel allgemeingültiger Prinzipien in der spekulativen Philosophie für ausgemacht oder auch nur für wahrscheinlich hält, dürfte mir wohl ohne vieles Bedenken beipflichten, daß dieser Mangel mit einem allgemeinen allen Sekten gemeinschaftlichen Mißverständnis zusammenhängen muß, wodurch es auch den scharfsichtigsten und unparteiischsten Forschern unmöglich wurde, über die Prämissen, welche der Auflösung ihrer Probleme zugrunde gelegt werden sollten, unter sich einig zu werden. Umsonst beruft sich der Leibnizianer auf ein in der Vernunft jedes Menschen vorhandenes System ewiger Wahrheiten, umsonst der Lockianer auf das unveränderlichen Gesetzen unterworfene Zeugnis der Erfahrung. Bisher ist noch kein Orakel weder aus dem nur so wenigen zugänglichen Heiligtum der reinen Vernunft; noch aus dem allen Augen offenliegenen Buch der Erfahrung ausgegangen, das auch nur die wichtigsten, die gesamte Menschheit am meisten interessierenden Fragen allgemein verständlich, oder auch nur auf eine die geübtesten Denker befriedigende Weise beantwortet hätte. Die philosophische Welt hat sich über jede dieser Fragen in vier Hauptparteien getrennt, die sich um die Wahrheit herum in einem Viereck gelagert haben, wo die einander gegenüberstehenden ihren Gegenstand aus gerade entgegengesetzten, die sich angrenzenden aus verschiedenen Gesichtspunkten betrachteten, die ersteren untereinander in unaufhörlicher Fehde begriffen waren, die letzteren bald auf der einen bald auf der anderen Seite fochten. So erklärten sich die Theisten und Pantheisten für das Wissen, die Supernaturalisten aber und dogmatischen Skeptiker für das Nichtwissen einer Antwort auf die Frage vom Dasein Gottes; die Theisten und Supernaturalisten hingegen für das Dasein eines von der Natur verschiedenen Gottes; während die Pantheisten und dogmatischen Skeptiker die Grundlosigkeit dieser Erklärung einzusehen glaubten. Bald kämpfte der Supernaturalist mit dem ihm von der einen Seite angrenzenden Theisten gegen den Pantheisten, und bald rief er gegen seinen alten Bundesgenossen den dogmatischen Skeptiker zuhilfe; und so verewigte jede Partei, so viel an ihr gelegen ist, den Streit, in dem sie bald für die Bundesgenossen ihrer Gegner, und bald gegen ihre eigenen zu Felde gezogen ist. Wie? wenn diese Fehde, die bei der nur allmählichen Entwicklung des menschlichen Geistes ebenso unvermeidlich als für dieselbe unentbehrlich war, im Grund bloß von der Einseitigkeit des Gesichtspunktes abhängen würde, aus welchem jede Partei den ihnen allen gemeinschaftlichen Gegenstand ansieht? Wenn von jeder Partei Wahrheit, aber nur eine Seite derselben, gesehen wird; so zeigt sich diese Seite nur, insofern sie mit einer gegenüberstehenden im Gegensatz, aber nicht wie sie mit derselben zugleich vereinbar, sogar notwendig verknüpft ist. Solange nun jede Partei die ihr in die Augen fallende Seite für volle Wahrheit ankündigt, muß sie von der ihr Gegenüberstehenden, die eine entgegengesetzte volle Wahreit im Blick hat, geradezu widerlegt werden. Das jeder Sekte einleuchtende zum Teil unstreitig Wahre enthält dann den Grund, warum keine von allen übrigen verdrängt werden, und das Einseitige im Gesichtspunkt einer jeden - warum keine auch unter den vorteilhaftesten äußeren Umständen einen entscheidenden Sieg über die übrigen davon tragen konnte. Sollten sie nicht bisher durch irgendein gemeinschaftliches Verständnis gehindert worden sein, auf den gemeinschaftlichen Gesichtspunkt zusammenzutreffen aus welchem sich alle besonderen und einseitigen vereinigen lassen? Wie? wenn es dem Verfasser der Kr. d. r. V. aufbehalten wäre, dieses Mißverständnis zu entdecken, und soviel dieses durch die Kräfte eines einzelnen Menschen möglich war, hinwegzuräumen? So viel ist wenigstens unleugbar, daß er, wenn er diesen großen Zweck wirklich vor Augen hatte, und, wenn es ihm gelingen sollte, denselben zu erreichen, gerade das tun mußte, was er wirklich getan hat. Er mußte dann einen ganz neuen von jeder Sekte bisher verfehlten, aber die eigentümlichen Pfade einer jeden durchkreuzenden Weg, einschlagen; und daher, wie es wirklich geschehen ist, auch von jeder bald auf dem Ihrigen, bald auf dem ihrer Gegner angetroffen werden; er mußte jedes bisherige System für unhaltbar erklären, und gleichwohl auch jedes einzelne gegen alle übrigen in Schutz nehmen, vor allem aber mußte er die große Reformation der Philosophie durch eine bisher noch nie versuchte Zergliederung des Erkenntnisvermögens beginnen. Da der Streit der Parteien vorzüglich die Erkennbarkeit übersinnlicher Gegenstände betrifft: so mußte der Versuch gemacht werden, den Begriff der Erkennbarkeit überhaupt näher, genauer, vollständiger, als bisher geschehen ist, zu bestimmen. Bei dieser neuen Bestimmung durften weder angeborene Wahrheiten mit LEIBNIZ, och außerhalb unseres Gemüts befindliche Gegenstände mit LOCKE, als unstreitige Objekte des Erkennens vorausgesetzt, und keineswegs, nach der bisherigen Gewohnheit, die Bedingungen oder Gesetze, der Erkennbarkeit, entweder von den einen, oder von den anderen (oder auch von beiden zugleich, ohne den Beitrag eines jeden insbesondere angeben zu können) abgeleitet werden. Die neue Bestimmung konnte nur dann besser als die vorigen gelingen, wenn sie nichts als unstrittige Prämissen vorausgesetzt hat. In dieser Hinsicht durfte sie sich weder auf die Realität jener angeborenen übersinnlichen Wahrheiten, die von den dogmatischen Skeptikern, Materialisten usw. noch auf die Wirklichkeit der Gegenstände der Erfahrung, die von den Idealisten, und unter gewissen Einschränkungen sogar von den Spiritualisten geleugnet wird, berufen. Jeder Versuch, die Natur und die Grenzen der Erkennbarkeit neu zu bestimmen, bei welchem die in der philosophischen Welt zum Teil noch strittigen Gegenstände des Erkennens als unstrittig angenommen worden wären, hätte schon dadurch allein seinen Zweck verfehlen müssen; er würde vorausgesetzt haben, was zu erweisen war, und die Hoffnung eines künftigen Einverständnisses über Prinzipien vielmehr weiter entfernt als näher herbeigeführt haben. Anstatt also die Natur und den Umfang des Erkenntnisvermögens durch erkannte Objekte zu bestimmen, mußte er vielmehr die Erkennbarkeit der Gegenstände selbst aus dem bloßen Erkenntnisvermögen zu bestimmen suchen. Wirklich hat die Kr. d. r. V. zuerst den Begriff des bloßen Erkenntnisvermögens aufgestellt und entwickelt, und das Erkenntnisvermögen erscheint durch diese Entwicklung in einer Gestalt, von der man sich bisher in der philosophischen Welt nicht einmal die Möglichkeit träumen ließ; nämlich: einerseits unabhängig sowohl von der Erfahrung, andererseits aber auf das Gebiet der Erfahrung in theoretischer Rücksicht ebenso sehr eingeschränkt, als in praktischer über dasselbe erhaben. Lauter Rätsel, die solange für unauflöslich gelten müssen, bis sie wirklich aufgelöst sind, und deren Sinn sogar vielen nur durch die wirkliche Auflösung begreiflich werden kann. Durch eine Zergliederung, die noch immer von manchem unserer scharfsinnigsten Köpfe für unmöglich gehalten wird, sollte in diesem kühnen Versuch das, was beim Erkennen bloß dem Gemüt, von dem was den Dingen außerhalb des Gemüts angehört, auf das Genaueste abgesondert, und dadurch das bloße Vermögen des Gemüts von dem bei der äußeren Empfindung wirksamen Vermögen der Außendinge völlig unterschieden werden. Wer kann zweifeln, daß durch eine solche Zergliederung, wenn sie wirklich gelungen ist, an den Tag kommen müßte: wie das bisher allen Systemen der spekulativen Philosophie gemeinschaftliche Mißverständnis mit dem unbestimmten Begriff des Erkenntnisvermögens zusammenhängt? Und welcher denkende Kopf kann es unbegreiflich finden, daß man, bevor es ausgemacht war, was beim Erkennen der bloßen Beschaffenheit des bloßen Gemüts allein, und was dem Eindruck auf dasselbe von außen angehört, die ursprünglichen und beiden eigentümlichen Prädikate verwechseln, und bald dasjenige, was teils nur durch, teils nicht ohne Eindruck von außen in unserem Gemüt entstehen kann, uns insofern den Außendingen angehört, mit LEIBNIZ für ein ursprüngliches Eigentum unseres Gemüts ansehen, bald aber das, was vor allem Eindruck im Gemüt vor allem Eindruck im Gemüt vorhanden sein und das eigentliche Vermögen desselben ausmachen muß, mit LOCKE dem Eindruck zueignen und für eine durch denselben bekanntgewordene Beschaffenheit, die den Dingen unabhängig von unseren Vorstellungsvermögen zukommt, halten mußte? - Hat es nun mit diesem Mißverständnis seine Richtigkeit: so ist durch dasselbe nicht nur der alte immer fortdauernde Streit der Philosophen über die Grenzen des Erkenntnisvermögens, die Spaltung der Sekten über die großen, die Grundwahrheiten der Religion und der Moral betreffenden, Fragen, und der Mangel allgemeingeltender Prinzipien in der spekulativen Philosophie sehr begreiflich; sondern auch selbst das leidige Schicksal der Kritik der Vernunft, auch so gar von vielen unserer vorzüglichsten Denker mißverstanden zu werden, ohne viele Mühe erklärbar. Jenes allgemeine Mißverständnis des Erkenntnisvermögens mußte nämlich auf den Sinn aller bisher aufgestellten Grundsätze, auf die Bestimmung aller metaphysischen Notionen, auf die Bedeutung aller Kunstworte einen entscheidenden Einfluß haben. Der Mann, der sich zuerst über dasselbe erhoben hatte, und nun das Erkenntnisvermögen aus einem ganz neuen Gesichtspunkt ansehen und zeigen mußte, war dadurch genötigt, vielen von den bisherigen Formeln und Ausdrück einen ganz neuen Sinn unterzulegen, manche der gewöhnlichsten darunter als unbrauchbar zu verwerfen und an ihrer Stelle sich ganz neue zu schaffen. Er mochte sich über diese notwendigen Neuerungen noch so behutsam erklären, er mochte den Sinn seiner neuen Kunstworte noch so sorgfältig bestimmen, er mochte in seinen Erörterungen noch so ausführlich sein; so konnte dieses alles gleichwohl nur durch Worte geschehen, die in der vom alten Mißverständnis affizierten Vorstellungsart seiner Leser einen ganz anderen Sinn haben mußten, den sie nur nach gänzlich hinweggeräumtem Mißverständnis verlieren konnten, und durch welchen auch die scharfsinnigsten Beurteiler genötigt wurden, in jenen Erörterungen bald auf schlechterdings unverständliche Stellen, bald auf offenbare Ungereimtheiten zu stoßen. Dieser neue Wortsinn, der in der Kritik der Vernunft weder vermieden, noch durch Erklärungen der einzelnen Worte bestimmt werden konnte, mußte dann freilich nur durch langwieriges, vielfältiges und mühsames Vergleichen der einzelnen Stücke des ganzen Werkes herausgebracht werden; mußte gewissermaßen erraten, und selbst gefunden werden; welches alles wohl nur durch einen ungemeinen Aufwand von Zeit und Mühe und über dieses vielleicht nur denjenigen allein möglich sein dürfte, die entweder noch gar kein metaphysisches System angenommen haben, oder mit ihrem angenommenen unzufrieden sind. Ich sehe mich hier genötigt, ein paar Worte über meine eigenen Erfahrungen zu sagen, durch welche ich die Schwierigkeit, in den eigentlichen Sinn der Kritik der Vernunft einzudringen, und die Gefahr, denselben zu verfehlen, vielleicht näher als die meisten Leser dieses Werkes kennen zu lernen Gelegenheit hatte. Ich würde mich des unangenehmen Geschäfts, vor dem Publikum von mir selbst zu sprechen, gerne überhoben haben, wenn ich nur einigermaßen hätte hoffen können, außerdem sich über das, was ich noch von der Unverständlichkeit des kantischen Systems zu sagen habe, verständlich genug erklären zu können. Ich glaube, die Vorkenntnisse, die bei einer metaphysischen Lektüre vorausgesetzt werden, besessen zu haben, als ich 1785 dieses System zu studieren angefangen habe. Zehn Jahre hindurch war spekulative Philosophie mein Hauptstudium gewesen, dem ich seine Verwendung auf Mathematik und schöne Wissenschaften mit einer Art von Gewissenhaftigkeit untergeordnet habe. Drei Jahre hindurch habe ich philosophische Vorlesungen nach dem System von LEIBNIZ gehalten, und die Schriften des großen Stifters desselben, sowie seines würdigen Gegners LOCKE, waren mir keineswegs nur aus den neueren philosophischen Produkten unserer Landsleute bekannt. Zu dieser Vorbereitung des Kopfes, im Hinblick auf welche ich gleichwohl vor den wenigsten Lesern der kantischen Schriften etwas voraus haben mochte, kam bei mir noch ein dringendes Bedürfnis hinzu, auf einem neuen Weg meinem Herzen die Ruhe wiederzufinden, die ich auf dem Feld der Spekulation verloren habe und auf allen mir bekannt gewordenen Wegen vergebens gesucht hatte. Durch meine Erziehung war mir Religion nicht nur zu erstern, sondern gewissermaßen zur einzigen Angelegenheit meiner früheren Lebensjahre gemacht. Asketisch zum Asketen gebildet trieb ich das, was ich das Werk meines Heils nannte, mit aller jugendlichen Lebhaftigkeit meines Temperament; und so wurden Gefühle, die wohl keinem menschlichen Herzen ganz fremd sind, aber die von den äußeren Umständen der Personen so ungleich begünstigt werden, in dem meinigen zu festen und unvertilgbaren Neigungen. Die philosophische Kritik des Geschmacks, welcher ich sehr frühzeitig zum Vorteil meiner Lieblingsneigung für Dichtkunst oblag, verleitete mich unvermerkt auf das Gebiet der spekulativen Philosophie, und ich hatte kaum einige Schritte auf derselben zurückgelegt, als ich den Grund meiner bisherigen Glückseligkeit mit Schrecken erschüttert fühlte. Vergebens versuchte ich mich hinter die Bollwerke der Asketik zurückzuziehen und dem Kampf mit den Zweifeln auszuweichen, die mich drohend und einladend von allen Seiten bestürmten. Es war mir unmöglich geworden, blind, wie vorher, zu glauben, und ich mich bald gezwungen, mich auf Diskretion den Feinden meiner Ruhe zu überlassen, die mir mit Wucher wiederzugeben verhießen, was sie mir genommen hatten. Nun war Metaphysik die Hauptangelegenheit meines einsamen, sorge- und geschäftefreien Lebens geworden. Allein am Ende einer vieljährigen Periode, während welcher ich alle vier Hauptsysteme der Reihe nach angenommen und aufgegeben hatte, war ich nur darüber mit mir selbst einig geworden, daß mir die Metaphysik zwar mehr als einen Plan, mich bald mit meinem Kopf, bald mit meinem Herzen abzufinden, aber keinen einzigen vorzulegen hatte, der die ernsthaften Forderungen von beiden zugleich zu befriedigen vermochte. Der peinliche Gemütszustand, der bei mir eine sehr natürliche Folge dieser Überzeugung war und die Begierde desselben, koste es was es wolle, los zu werden, waren die ersten und stärksten Triebfedern des Eifers und der Anstrengung, womit ich mich dem Studium der Kritik der reinen Vernunft hingab, nachdem ich an derselben unter anderem auch den Versucht wahrzunehmen glaubte, die Erkenntnisgründe der Grundwahrheiten der Religion und der Moral von aller Metaphysik unabhängig zu machen. Die vollkommenste Muße, die mir bei meinem Aufenthalt in Weimar zuteil wurde, bestätigte mich in dem Entschluß, nicht eher nachzugeben, als bis sich mir alle Rätsel, die mir fast auf jeder Seite jenes tiefsinnigen Werkes aufstießen, gelöst hätte. Je mehr ich an die ungeheuren Schwierigkeiten zurückdenke, die ich bei dieser Arbeit zu bekämpfen hatte, und von denen ich mich fast ebenso oft niedergeschlagen wie gereizt fühlte, desto mehr wurde ich überzeugt, daß ich denselben ohne diese Muße und ohne jenes Bedürfnis meines Kopfes und Herzens durchaus nicht gewachsen gewesen wäre. Bei der ersten äußerst aufmerksamen Durchleuchtung sah ich nichts als einzelne schwache Lichtfunkten aus einem Dunkel hervorschimmern, das sich kaum bei der fünften ganz verloren hatte. Über ein Jahr lang enthielt ich mich fast aller anderen Lektüre, zeichnete mir sowohl die Hauptsätze des Werkes, die ich verstanden zu haben glaubte, besonders auf, und verfertigte mehr als einen mißlungenen Auszug des Ganzen. Alles, was ich auf diese Weise anfangs herausbrachte, waren Bruchstücke, die mir teils aus anderen Systemen entlehnt, teils schlechterdings unvereinbar schienen (5). Allein sowie ich ratlos fortfuhr, einerseits durch wiederholtes Lesen aus dem Werk selbst neuen Stoff auszuheben, andererseits aber das ausgehobene aneinander zu rücken: ergänzten sich die Bruchstücke allmählich zu aneinander passenden Teilen, verschwanden Dunkelheiten, die mir vorher unüberwindbar, und Ungereimtheiten, die mir ganz entschieden deuchten, und am Ende stand das Ganze im vollen Licht einer Evidenz vor mir da, die mich umso mehr überraschte, je weniger ich sie meinen vorigen Erfahrungen und Grundsätzen zufolge in der spekulativen Philosophie für möglich gehalten hatte. Wenn ich auch mit der gewissenhaftesten Unparteilichkeit, durch die trockenste Erzählung, und in den eigentümlichsten Ausdrücken angeben wollte, was ich am Ende meiner Untersuchungen am kantischen System und durch dasselbe gefunden habe; würde ich gleichwohl für die meisten meiner Leser nichts als Redefiguren und panegyrische [lobrednerische - wp] Deklamationen eines sanguinischen [leicht erregbaren - wp] Schwärmers vorgebracht haben. Ich begnüge mich also hier zu bekennen, daß mir durch die neuerhaltenen Prinzipien alle meine philosophischen Zweifel auf eine Kopf und Herz vollkommen befriedigende, für immer entscheidende, obwohl ganz unerwartete Weise beantwortet sind; und daß ich für meine Person völlig überzeugt bin, daß durch die Kritik der Vernunft eine der allgemeinsten, merkwürdigsten und wohltätigsten Revolutionen, die je unter den menschlichen Begriffen vorgegangen sind, bewirkt werden; eine Revolution, welche durch die zahlreichen und berühmten Gegner dieses Werkes nicht nur nicht aufgehalten, sondern weit nachdrücklicher als durch die Bemühungen meiner bisherigen Freunde befördert und beschleunigt werden wird. Meine eigenen Angelegenheiten waren ins Reine gebracht, und es erwachte in mir der Wunsch etwas beizutragen, daß ein Gut, in dessen Besitz ich mich so glücklich fühlte, auch von anderen erkannt und benutzt wird. Ich suchte in meinen Briefen über die kantische Philosophie auf die Kritik der Vernunft vorzüglich durch diejenigen Resultate aufmerksam zu machen, die sich aus derselben für die Grundwahrheiten der Religion und der Moral ergeben. Ich hatte bald genug eingesehen, daß diese Resultate aus den neuen Prinzipien nur für diejenigen streng bewiesen werden konnten, welche das kantische Werk selbst studiert und durchgängig verstanden haben. Da ich nun dieses Studieren und Verstehen vielmehr erst zu befördern wünschte, als schon voraussetzen durfte, so blieb mir nicht als der Versuch übrig, diese Resultate unabhängig von den kantischen Prämissen aufzustellen, sie an bereits vorhandene Überzeugungen anzuknüpfen, ihren Zusammenhang mit den wesentlichsten wissenschaftlichen und moralischen Bedürfnissen unserer Zeit, ihren Einfluß auf die Beilegung alter und bisher unentschiedener Zwiste in der philosophischen Welt, und ihre Übereinstimmung mit dem was die größten philosophischen Köpfe über die großen Probleme der spekulativen Philosophie gedacht haben, sichtbar zu machen. Ich hatte dabei weder die Männer, von denen ich gewohnt war belehrt zu werden, noch diejenigen, die allem belehrt werden entwöhnt sind; - aber darum gleichwohl eine nicht weniger schätzbare wie zahlreiche Klasse des Publikums vor Augen, wie ich sie unter den Lesern des teutschen Merkurs vermuten konnte. Ich war mit dieser Arbeit kaum eine Strecke vorgerückt, als ich mich durch meinen Ruf an die Universität zu Jena genötigt sah, dieselbe auf eine Zeitlang zu unterbrechen, um über die Methode nachzudenken, die ich für den Vortrag der Anfangsgründe der Philosophie nach den neuen Prinzipien zu wählen hatte. Bei diesem Geschäft, das dem ersten Studium des kantischen Werkes selbst an Schwierigkeit wenig nachgegeben hat, zog ich nun die Schriften der mir bis dahin bekannt gewordenen Freunde und Gegner der kantischen Philosophie zu Rate. Ich bin mir noch nicht mit mir selbst darüber einig geworden, welchen von beiden ich mehrere und hellere Aufschlüsse über die Auflösung meines schweren Problems zu verdanken habe. Freilich fand ich auch von den scharfsichtigsten Gegnern den Sinn der Kritik der Vernunft durchgängig mehr oder weniger verfehlt, fand auch keine einzige Einwendung, bei der mir nicht das Mißverständnis, das ihr zugrunde lag, eingeleuchtet hätte, keine Widerlegung, die es nicht mit Behauptungen zu tun gehabt hätte, an welche der Verfasser der Kritik der reinen Vernunft nie im Ernst gedacht haben konnte; und es war mir kein angenehmes Schauspiel, machen mir sehr verehrungswürdigen Veteranen mit voller Rüstung gegen einen Schatten kämpfen, oder mit bitterem Spott eine Ungereimtheit bestrafen zu sehen, die doch nur sein eigenes Werk war. Freilich sah ich auf der anderen Seite die meisten Verteidiger der Kr. d. r. V. mit Maßregeln zu Werke gehen, die ihren Zweck notwendig vielmehr vereiteln als befördern mußten, sah sie Behauptungen als ausgemacht vortragen oder voraussetzen, die von ihren Gegnern unmöglich zugegeben werden konnten, und ihre Erörterungen in eine Sprache einkleiden, die höchstens nur ihren Miteingeweihten verständlich sein konnte; auch war es kein erbauliches Schauspiel für mich, wenn ich hin und wieder auf einen Knaben gestoßen bin, der mit der neuen ihm übelanpassenden Rüstung angetan gegen Männer zu Felde zog, oder auf einen unbedeutenden Vorteil, der ganz auf die Rechnung seiner erborgten Waffen gehörte, übermütig stolz getan hat. - Allein es war für meine Absicht von äußerster Wichtigkeit, auf der einen Seite gleichsam durch die Stimme einiger der vornehmsten Repräsentanten des philosophischen Publikums auf die Punkte aufmerksam gemacht zu werden, welche an dem neuen System am meisten einer Erörterung bedurften, auf der anderen Seite aber durch so manches Beispiel gewarnt zu sein, eine Vorstellungsart, die einem nach vieler Mühe endlich geläufig geworden ist, nicht so fort auch für allgemeineinleuchtend anzusehen, oder Prinzipien als ausgemacht vorauszusetzen, die erst durch dasjenige, was durch sie bewiesen werden sollte, ausgemacht werden konnten. Je mehr ich die Schriften der beiden Parteien miteinander verglich, desto gewisser wurde ich überzeugt, daß ihr Streit, so wie er bis jetzt geführt wurde, ebensowenig jemals beendet werden kann, als der Streit zwischen den bisherigen dogmatischen Systemen selbst, und daß derselbe immer verwickelter, und für die Zuschauer unverständlicher und unausstehlicher werden muß; indem er mit ganz entgegengesetzten Grundbegriffen und Grundsätzen über Fragen geführt wird, die ohne das vollkommenste Einverständnis über Prinzipien und ohne die äußerste Nüchternheit der Spekulation abgehandelt, notwendig auf unnütze Subtilitäten und mehr als scholastische Spitzfindigkeiten. Es wurde mir endlich aus unzähligen Beispielen einleuchtend, daß beide Parteien auch mit denjenigen Sätzen über welche sie selbst unter sich einig zu sein glaubten, sehr verschiedene, oft entgegengesetzte, Bedeutungen verbanden, und daß sowohl diese ihnen selbst verborgene Verschiedenheit der Vorstellungsart, als die erklärten Streitpunkte ihrer Fehde sich auf eben dasselbe alte und allgemeine Mißverständnis des Erkenntnisvermögens zurückführen ließen, welches dem Mangel allgemeingültiger Prinzipien, und allen Spaltungen in der philosophischen Welt zugrunde liegt, und das zwar durch die Kritik der Vernunft zuerst und völlig aufgedeckt wurde; allein so wie es in derselben entwickelt worden ist, und werden konnte, auch noch auf die behutsamsten Leser dieses Werkes selbst seinen alten Einfluß behalten, und sowohl den Gegnern das Verstehen, als den Verteidigern das Erklären desselben äußerst erschweren mußte. Durch diese Bemerkungen hatte das Problem, dessen Auflösung meine ganze Geisteskraft beschäftigte, folgenden näherbestimmten Sinn erhalten:
Hieraus entstand ein "Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens", bei welchem ich es mit dem Begriff der bloßen Vorstellung allein zu tun hatte, der sich der geringeren Anzahl seiner Merkmale wegen viel leichter erschöpfen ließ, als der viel kompliziertere Begriff der Erkenntnis, zu dessen völligen Erörterung in der kantischen Kritik Sinnlichkeit, Verstand und Vernunft untersucht werden mußten. Der Grund, auf welchem die neue Theorie aufgeführt werden konnte und mußte, besteht allein aus dem bei allen Menschen nach einerlei Grundgesetzen wirkenden Bewußtsein, und dem, was unmittelbar aus demselben erfolgt und von allen Denken wirklich eingeräumt wird. Der Begriff der Vorstellung mußte völlig entwickelt werden, ohne daß dabei eine einzige Behauptung gebraucht werden durfte, die der Philosoph von was auch immer einer Sekte, seinen bisherigen Grundsätzen zufolge, nicht unterschreiben kann. In der ganzen Abhandlung durfte daher kein einziger in der Kritik der Vernunft aufgestellter Satz als erwiesen oder auch nur als wahrscheinlich angenommen werden, so wenig als irgendein metaphysischer Lehrsatz unter was auch immer für einer Bedeutung. Mit einem Wort: ich mußte mich der Allgemeingültigkeit meiner Theorie dadurch zu versichern suchen, daß ich durchaus nichts als allgemeingültig voraussetze, was nicht wirklich allgemeingeltend ist. Daß die eigentlichen Prämissen einer Wissenschaft erst nach der Wissenschaft selbst gefunden werden, ist nichts Neues, sondern eine notwendige Folge des analytischen Ganges, der den Fortschritten des menschlichen Geistes durch die Natur desselben vorgeschrieben ist. Die Theorie des Vorstellungsvermögens, welche die Prämissen zur Theorie des Erkenntnisvermögens liefern soll, sei es die meine oder eine andere, konnte nur nach der letzteren gefunden werden; obwohl sie, wenn sie ihres Namens wert sein soll, unabhängig von derselben feststehen, und auch denjenigen, welche die kantischen Schriften entweder nicht gelesen, oder nicht verstanden haben, durchaus verständlich sein muß. Da sie bloß das Allgemeingeltende aus dem Schatten hervorhebt, in welchem dasselbe teils durch das Zwielicht metaphysischer Sophismen, teils durch die Staubwolken metaphysischer Kämpfe versetzt wurde, so muß sie sogar auch leicht zu verstehen sein, und dem aufmerksamen Leser die Miene des längst Bekannten zu haben scheinen. Durch sie müssen endlich die wesentlichsten Resultate der Kritik der Vernunft unabhängig von den tiefsinnigen Betrachtungen, durch welche sie im kantischen Werk aufgestellt worden sind, ihre volle Bestätigung und einen Sinn erhalten, von welchem die Gegner der kantischen Philosophie vielleicht sich selbst gestehen dürften, daß sie ihn bei ihren Widerlegungen keineswegs vor Augen gehabt haben. - Jena, den 8. April 1789
4) in welchem sie doch immer keine unbeträchtliche Rolle zu haben scheinen; wenn z. B. eben derselbe berühmte Mann, der dadurch das Verdammungsurteil über ein philosophisches Werk ausgesprochen zu haben glaubt, wenn er erklärt: er habe dasselbe nicht verstanden, unwillig darüber wird, wenn man ihm beweist, daß er es wirklich nicht verstanden hat; wenn usw. 5) Mir ist es daher sehr begreiflich, warum gewisse Gegner der Kr. d. r. V. dasjenige, was sie in derselben verstanden zu haben glauben, für alt, und was sie nicht verstanden zu haben fühlen, für ungereimt erklären. |