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AUGUST FERDINAND LÜDER
Kritik der Statistik und Politik

"Jetzt wurden Angaben den gegenwärtigen Zustand der Reiche betreffend, und bestimmt, in Zahlen ausgedrückt, in unnennbarer großer Menge gesammelt, und dann, um eine Übersicht zu erhalten, in Tabellen verarbeitet. Noch vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts begann der Eifer, besonders in Deutschland, in eine wahre Wut überzugehen."

"Legionenweise erschienen statistische Angaben in Zahlen und statistische Tabellen voll Zahlen. Mit dem Anwachsen der kolossalen Masse verschwand täglich mehr die Hoffnung zum verheißenen Ziel zu gelangen. Es erkaltete schließlich das Publikum. Aber mit diesem Erkalten erhoben sich dann auch die härtesten und lautesten Anklagen gegen die politischen Arithmetiker; gegen die Zahlensammler und Tabellenfabrikanten."

"Das Beginnen und Treiben der gemeinen Politiker und Statistiker, die durch Zahlen und durch das gemeine Kalkül alles abtun und abmessen, und durch das Körperliche, das gemessen und gezählt werden könne, das Geistige und die wahre Kraft der Staaten aufs Haar bestimmen wollten, ist unbeschreiblich erbärmlich und lächerlich."

"Wer sich jemals im Ernst und mit Erfolg um seine eigene Wirtschaft bekümmerte, kann unmöglich an eine Kenntnis der Wirtschaft irgendeines Reiches, selbst nicht des kleinsten Landes glauben. Ein allgemeiner oder fast allgemeiner Glaube aber kann hier so wenig wie sonstwo dem etwas gelten, der weiß, daß der bei weitem größte Teil der Menschen aus Unwissenden besteht, und daß die Menschen, je unwissender sie sind, auch desto leichter glauben, daß sich das Unmögliche ausführen läßt."

"Alle höheren Statistiker erklärten für geistloses Machwerk, was die politischen Arithmetiker als Zugabe lieferten. Alles, was die politischen Arithmetiker dem Publikum auftischten, war ein Gemengsel von wenigen Wahrheiten und einer Menge von Unwahrheiten und Lügen: ein Wust an Angaben, aus denen, egal ob verarbeitet oder nicht verarbeitet in Tabellen - der gegenwärtige Zustand der Reiche, die Kräfte der Staaten und das Glück der Völker sich ganz und gar nicht erkennen läßt."

"Die höheren Statistiker beruhigten und täuschten sich selbst wie die Welt mit dem unseligen Wahn, es wären doch die Hauptsachen wahr, und besser sei es, etwas zu wissen, als ganz im Dunkeln zu sein. Man fürchtete sich vor der Überzeugung, und scheute das Geständnis, daß man keine zuverlässigen Data hat: lieber wollte man auf falschem Weg gehen und auf falschen Weg führen, als bekennen, daß man den Weg nicht weiß."

"Tatsachen und nichts als Tatsachen wurden bald allgemein, selbst von den besten Köpfen verlangt. Man gewöhnte sich daran, sich einzig an die Evidenz der Sinne zu halten; man glaubte, alles zu tun, sammelte man Beobachtungen und häufte man Erfahrungen auf Erfahrungen. Man gewöhnte sich schließlich so sehr an das Begucken und Betasten, an das Messen und Zählen, daß man nichts mehr für wirklich hielt, als was sich auf jene Weise behandeln läßt."


Vorrede

Die Reihe großer Begebenheiten, welche mit FRIEDRICHs des Einzigen Regierung begann; die französische Revolution; die Umgestaltung Europas durch NAPOLEONs Siege; und die ebenso außerordentlichen Erscheinungen in der Welt der Industrie mußten notwendig in jedem, nicht ganz undenkenden Kopf Zweifel auf Zweifel häufen gegen die hochgepriesene statistische und politische Weisheit. Auf dem Gebiet der Industrie sahen wir Schöpfungen wie Zerstörungen, die beide selbst noch von unseren Vätern zu den unmöglichen gezählt sein würden. Zugleich mit diesen erfolgte ein betäubender Schlag nach dem andern: es erfolgten politische Veränderungen, so groß, erschütternd und tief eingreifend als keines aller Geschlechter der Vergangenheit jemals erlebte: Veränderungen, die Allen höchst unerwartet kamen, dem Weisesten wie dem Allereinfältigsten; die wir alle nur anstarrten und vergebens durch die Hilfsmittel zu erklären suchten, welche Statistik und Politik darboten.

Auf den stärksten Pfeilern und der festesten Grundlage schien auch mit das Gebäude der Statistik wie der Politik zu ruhen: ich hatte die frohesten Stunden meines Lebens und den größten Teil meiner Zeit der Staatskunde und der Politik gewidmet: das Publikum hatte meine Versuche mit unverdienter Schonung und Güte aufgenommen: ein großer Teil meiner Habe stand auf dem Spiel: - alles mußte sich in mir sträuben und sperren gegen Überzeugungen, die sich mir aufdrängten.

Aber der Strom der Zeit trieb zu gewaltige Vorstellungen, selbst ins Blut übergegangene, mußten geläutert und mit anderen ausgewechselt werden: ein Vorurteil nach dem andern mußte als Vorurteil erkannt werden: immer unleugbarer zeigte sich eine morsche Stütze nach der andern, und ein Riß und eine Lücke neben der andern: es stürzte endlich, zu meinem nicht geringen Schreck das ganze Gebäude der Statistik zusammen, und mit diesem sank dann auch die Politik dahin, die ohne Statistik überhaupt nichts vermag.

So wie meine Einsicht heller und mein Standpunkt höher wurde, offenbarten sich mir immer schrecklicher und schrecklicher die Früchte der Statistik und Politik: all jene Hindernisse, welche beide der Industrie in den Weg wälzten, wodurch nicht nur dem Wohlstand entgegen gearbeitet wurde, sondern auch der Kultur und Humanität: all jene Hemmungen des natürlichen Laufs der Dinge: all jene Opfer, die man einem unbekannten Götzen, den man Staaten- oder Menschenwohl oder allgemeines Bestes nannte, darbrachte, und die man ihm darbrachte mit einer Verschmähung aller Grundsätze der Philosophie, der Religion und des gesunden Menschenverstandes, auf Kosten der Sittlichkeit und der Tugend.

Mein Buch muß notwendig in manchem Leser höchst unangenehme Empfindungen erregen. Dennoch übergebe ich es dem Publikum mit ganz ruhigem Herzen. Wer mag eine Schonung von mir verlangen, die ich mir selbst versagte und versagen mußte? Wer, der des Namens eines Gelehrten nicht ganz unwürdig ist, weiß es nicht, aus eigenen hundertfältigen Erfahrungen, daß das Irren aller Sterblichen Los ist, und daß, so wie eine Wahrheit zu andern führt, auch ein Irrtum zum andern leitet und den andern stützt? Zudem huldigen wird ja alle ohne Ausnahme der Wahrheit, - sei es in der Stille oder öffentlich - ohne Rücksicht auf Vorteile und Nachteile. Wie dem aber auch sei, so habe ich getan, wozu mich Beruf, Eid und Amt verpflichtete; was ich ohne Amt und Eid auch hätte tun müssen; was ich zuverlässig auch getan haben würde.

Der Vorwurf, daß ich nur niederriß, ohne wieder aufzubauen, trifft mich auf keine Weise. Weit mehr als die Grundlage zu einem neuen Gebäude ist gelegt, wie jeder schon beim ersten Blick sehen muß, der überhaupt nur sehen kann.

Wirklich ist meine Armut nicht, was sie zu sein scheint. Freilich steht, wo eine Fackel stand, jetzt eine Nachtlampe. Aber jene Fackel, bestimmt das Haus gegen Diebe zu schützen, erregte ein Feuer nach dem andern: und meine Lampe, die kein Feuer erregen kann, verhindert doch durch ihren schwachen Schimmer die Einbrüche.



Erster Teil
A. Kritik der Statistik

§ 1. Statistik und Politik sind zu  einem  Ganzen vereinigt worden. Die Statistik soll beschreiben, wie Staaten wirklich sind, und die Politik, die Lehrerin, wie Staaten sein sollten, soll die Inhaber der Statistik in den Stand setzen, auf die Resultate ihrer Nachrichten vom Zustand des Staates unfehlbare Entwürfe zum Heil des Volkes zu bauen.

§ 2. Bei dieser Verbindung ist eine Kritik der Statistik gerade ebenso wichtig, wie eine Kritik der Politik. Die eine ohne die andere ist nur halbe Arbeit.

§ 3. Wie, wenn unsere Statistiken nichts anderes sind und nie etwas anderes werden können, als mehr oder weniger  verunglückte Versuche zur Realisierung eines schönen Traumgebildes? 

§ 4. Ist unsere Politik auch das Werk der höchsten Weisheit, selbst dann können für das  Leben  alle ihre Regeln, Vorschriften, Anweisungen und Lehren nichts gelten, ist die unerläßliche Bedingung der Anwendung derselben eine genaue Kenntnis des Reichs, auf das sie angewandt werden sollen; und ist und bleibt die Erlangung dieser Kenntnis durchaus unmöglich. Die Politik, welche ohne Statistik nichts vermag, muß auch mit der Statistik fallen.

§ 5. Noch wichtiger erscheint die Kritik der Statistik, wenn auf der einen Seite die Statistik nie leistete und leisten kann, was man ihr zuschreibt; und wenn auf der anderen Seite der Wahn herrscht, sie habe  wirklich  geleistet, was man ihr zueignet. Notwendig mußte und muß noch überall unsere Politik und Statistik reichlich strömende Quellen des Elends eröffnen, wo jene ins Leben hinüberging; wo sie auf Gründe baute, welche diese nicht gelegt hatte; wo Voraussetzungen angenommen und nach Voraussetzungen gehandelt wurde, die nicht nur gar nicht da waren, sondern von denen sich auch oft das gerade Gegenteil wirklich fand und finden mußte.

§ 6. Wirft man auch nur einen flüchtigen Blick auf die Geschichte der Statistik, so scheint mehr als eine Stütze des Gebäudes bereits morsch geworden zu sein, und mehr als ein Riß in dem Gebäude selbst, seinen Umsturz zu verkünden.

§ 7. Unsere sogenannte Kunst, Statistiken zu schreiben, ist jetzt zweieinhalb Jahrhunderte alt. Die Berichte, welche jeder venetianische Gesandte bei seinem Abgang aus dem Staat, in dem er einen Gesandtschaftsposten bekleidet hatte, dem Senat zu Venedig erstatten mußte, bildeten den ersten Stoff. Die ersten Statistiker waren Italiener, an deren Spitze SANSOVINO (in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts steht: die zweiten waren Franzosen, die dritten Deutsche, und diesen folgten die Engländer, so wie später andere Nationen. (1)

§ 8. Einer der ersten Köpfe, von sehr vielseitiger Bildung, CONRING († 1681) erhob in Helmstädt die Statistik zu einer Universitätswissenschaft. Bald darauf wurde auch in Jena und Frankfurt über Statistik gelesen. OTTO in Utrecht war ACHENWALLs Vorgänger, mit dem dann, und noch weit mehr mit SCHLÖZER die glänzende Periode begann. (2)

§ 9. In England so wenig wie in Frankreich erhielt sich die neue Kunst. Erst in unseren Tagen konnte sie hier wie dort zu einem neuen Leben wiederauferstehen (3). Deutschland war und blieb ihr Hauptsitz, und von Deutschland aus stieg sie höher den Norden hinauf.

§ 10. Was die ersten Statistiker verarbeiteten, war ein Stoff, gesammelt von Männern, die gebildet waren in der großen Welt; auf einem der ersten Theater der Welt; die genau wußten, was sie wollten und nicht wollten; und die Beruf, Amt und Liebe zu ihrem Vaterland leitete, anspornte und beseelte. Zu jenem ersten Stoff kamen neue Beiträge von sehr verschiedenen Köpfen; auf ebenso verschiedene Weise und in ebenso verschiedenen Regionen gesammelt. Früh genug erwachte auch neben dem Sammlergeist der räsonnierende oder pragmatische Geist: mit wenigen Ausnahmen aber trieb jener wie dieser Geist sein Werk entfernt von der Welt, eingesperrt in Studierstuben, in kleinen Städten.

§ 11. Verirrungen nach allen Seiten hin und Blößen, für die kein Feigenblatt groß genug war, zeigten sich immer häufiger und zurückstoßender. Da hieß es: "es habe gefehlt an statistischen Angaben: eine vollständige Sammlung solcher Angaben sei die erste, die unerläßliche Bedingung des Gedeihens der Wissenschaft". Nun eröffnete sich ein ebenso breiter wie bequemer Weg zum Tempel der Unsterblichkeit; ein Weg, den selbst der betreten konnte, dem der Himmel auch nur ein weniges mehr, als gesunde Knochen verliehen hatte.

§ 12. Jetzt wurden Angaben den gegenwärtigen Zustand der Reiche betreffend, und bestimmt, in Zahlen ausgedrückt, in unnennbarer großer Menge gesammelt, und dann, um eine Übersicht zu erhalten, in Tabellen verarbeitet. Noch vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts begann der Eifer, besonders in Deutschland, in eine wahre Wut überzugehen, und gleich nach der Mitte eben dieses Jahrhunderts entstand in Schweden schon ein ganzes Komptoir [Rechenbüro - wp] (4). Praktische Staatsmänner, spekulative Köpfe und bloße Gelehrte trieben das Werk ganz auf dieselbe Weise. Die Ersteren fanden in jenen Darstellungen Veranlassungen zu Entwürfen; die Zweiten Gegenstände zu einer interessanten Anwendung ihres Räsonnements, so wie Letztere eine neue Quelle der Wissenschaft (5).

§ 13. Legionenweise erschienen statistische Angaben in Zahlen und statistische Tabellen voll Zahlen. Mit dem Anwachsen der kolossalen Masse verschwand täglich mehr die Hoffnung zum verheißenen Ziel zu gelangen. Es erkaltete schließlich das Publikum. Aber mit diesem Erkalten erhoben sich dann auch die härtesten und lautesten Anklagen gegen die politischen Arithmetiker; gegen die Zahlensammler und Tabellenfabrikanten.

§ 14. Toren wie Weise erklärten jetzt: "Was die politischen Arithmetiker aus allen Ecken, Winkeln und Enden zusammengeschleppt hätten, wimmele von Unwahrheiten und Beweisen der tiefsten Unwissenheit" (6) "Zu einem hirnlosen Machwerk sei die Statistik geworden, einzig durch die Schuld der politischen Arithmetiker. Diese geistlosen Menschen hätten gewähnt, und den Wahn verbreitet, daß man die Kräfte des Staates schon dann kenne, wisse man nur die Zahl der Quadratmeilen des Landes, seine Volksmenge, seine Bevölkerung, der Nation Einkommen und das liebe Vieh dazu" (7). "Das Beginnen und Treiben der gemeinen Politiker und Statistiker, die durch Zahlen und durch das gemeine Kalkül alles abtun und abmessen, und durch das Körperliche, das gemessen und gezählt werden könne, das Geistige und die wahre Kraft der Staaten aufs Haar bestimmen wollten, ist unbeschreiblich  erbärmlich  und  lächerlich." (8) "Die politischen Arithmetiker hätten die praktischen Politiker gelehrt, Tabellen zu machen und nun geglaubt, den Stein der Weisen gefunden zu haben. Ihre vermeintlichen Staatskräfte wären aber an und für sich  gar nicht.  Die ganze Wissenschaft der Statistik - eine der edelsten, den Menschen als Bürger des Staates interessierenden Wissenschaften - wäre um alles Leben, um allen Geist gebracht und zu einem Skelett, zu einem wahren Kadaver herabgewürdigt worden, auf das man nicht ohne Widerwillen blicken kann." (9)

§ 15. "Die Wissenschaft könne und müsse veredelt werden. Zu ihr gehört etwas mehr und etwas Höheres, als die politischen Arithmetiker darunter zu begreifen pflegten. Wohl dürfe, und könne man auch nicht die politischen Arithmetiker ganz und gar verdrängen: denn, ihrer bedarf die veredelte wie die unveredelte Statistik: nur müsse man diesen Leuten einen andern, den ihnen gehörigen Platz anweisen. Die Geschichte aller Zeiten und Völker lehrt, daß es weit mehr der Geist als der Körper ist, welcher die Kräfte der Staaten bestimmt. Der Statistiker muß also weniger auf das Physische, auf Quadratmeilen, Boden, Menschen- und Viehzahl und das Einkommen der Nation sehen; und desto mehr und ganz vorzüglich auf das Moralische, d. h. auf Nationalgeist, Freiheitsliebe, Genie, Tätigkeit der großen und kleinen Männer am Staatsruder." (10) "Zur Kunde eines Staates gehört sein Charakter, seine Handelsweise, die Einrichtung seines Geschäftsganges im Inneren, seine Grundsätze bei der gegenwärtigen Politik; die Organisation und Verhältnisse derjenigen Behörden, in deren Händen die Administration ist: die herrschenden Grundsätze der Administration: - das wären Gegenstände der wahren, der höheren Statistik." (11)

§ 16. Kein mitleidiger Samaritker trat zur Zeit der Not zu Gunsten der politischen Arithmetiker auf, und selbst keiner der Verdammten regte sich. Keiner erwiderte: "Wie, eine Million Menschen, einige Millionen Taler jährliches Einkommen, ein halbes Dutzend Provinzen, oder auch nur eine einzige gilt an und für sich als überhaupt nichts? - Können zur Beschreibung eines Reichs einige Dutzen oder Hunderte von Angaben ausreichen? - Und was wißt Ihr an der Tabellenmethode zu tadeln, die wir einführten? Sind Tabellen nicht die beste Sach- und Personalkontrolle? erleichtern sie nicht die Übersicht von Sachen, Personen und Zahlen? Wie ander, als durch die Hilfe von Tabellen kann der Vorsteher eines Kollegiums den Gang der Arbeit immer vor Augen behalten? Muß nicht jeder Präsident ohne Tabellen mit seinem Kollegium ins Wilde kommen? Nun aber denkt euch vollends die Regenten ohne Tabellen; sie, denen die Politik es zur heiligen Pflicht macht, alles zu leiten, alles zu stützen und alles zu schaffen?" (12)

§ 17. "Weiter: Ihr erklärt uns für hirnlose Köpfe, unsere sogenannten Staatskräfte für keine Kräfte, und unsere Arbeit für hirnloses Machwerk; aber zu gleicher Zeit bekennt Ihr, daß Ihr unsere Arbeit nicht entbehren könnt, und daß Ihr uns nicht  ausstoßen,  sondern uns nur einen  anderen Platz  anweisen wollt. Nun sagt doch, bleibt denn ein Narr nicht ein Narr, er stehe hinten oder vorn, oben oder unten? oder glaubt Ihr wirklich im Ernst, ein hirnloses Machwerk werde dadurch zum Werk der Weisheit, wenn Ihr es aus einer Ecke in die andere schiebt? Wie könnt Ihr unsere Ware zum nichtswürdigen Plunder erklären, da Ihr selbst damit zu Markte ziehen wollt?"

§ 18. "Endlich: erwägt es wohl:  wir  lasen auf der  Oberfläche:  wir maßen und zählten, was in aller Menschen  Sinne  fällt; was sich mit Händen greifen und betasten, und mit Händen wie mit Füßen messen läßt: dennoch sanken wir aus einem Irrtum in den andern, selbst in die gröbsten und lächerlichsten Irrtümer: und wurden dafür von Euch mit Undank, Verachtung und Hohngelächter in den Hintergrund gestoßen? Was  wird,  was  muß  nun Euer Los werden? Ihr wollt nicht wie wir bloß auf der  Oberfläche  lesen, sondern im  Inneren:  Ihr wollt in Tiefen, in Abgründe dringen; wollt  da  messen, würdigen und bestimmen, wohin keines Sterblichen  Sinn reicht:  Ihr wollt sehen, wo notwendig für uns noch unsäglich viel weniger zu sehen sein muß, als in jenem Revier, in dem wir uns umhertrieben? Wandelte Euch denn, wie Ihr den Stab über uns gebrochen habt, auch nicht die leiseste Ahnung an, daß wenn wir irrten als die Physiker, das heißt,  oft  und  menschlich,  Ihr euch notwendig werdet irren müssen, wie die Physiognomen, das heißt,  noch  unendlich öfter und immer  eminent,  auch wenn Ihr keine Sprünge macht, als den von Kometenschwänzen auf den Krieg?" (13)

§ 19. Ruhig hielten die politischen Arithmetiker das Wetter ab, das die, in höheren Regionen nicht wirklich schwebenden, sondern nur nach höheren Regionen strebenden Statistiker ihnen bereiteten. Weit wenigere Zahlen wurden nun zusammengeschrieben: weit wenigere Tabellen wurden verfertigt: den, die Kräfte der Völker vorzüglich bestimmenden Geist der Völker suchte zu erforschen, wer selbst Geist hatte und wer keinen hatte: neue Hoffnungen, größer und kühner als man sie je zuvor gehegt hatte, blühten auf, und alles schien wieder im glücklichsten Zug zu sein. Sie schien es aber auch nur.

§ 20. Die politischen Arithmetiker erholten sich von ihrem Schreck und Ärger, und ließen dann ihrer so lange zurückgehaltenen Wut freien Lauf. Für toll erklärten sie den Vorwurf, daß sie sich ihre Arbeit so leicht gemacht haben und daß es die Bequemlichkeit einer großen Menge Geschäftsmänner in hohen und niederen Stellen gewesen sein soll, welche ihrem Werk einen allgemeinen Eingang verschafft hat (14). Ganz unverhohlen sagten sie: daß sie das, von  unwissennden Laien  ebenso frech wie widersinnig erhobene, und von  seichten  und  bequemen Statistikern  unterstützte Geschrei nicht anders als mit Verachtung anhören können: jenes Geschrei, wodurch man die Welt glauben machen wollte, als sei durch solche Untersuchungen über die Größe und Volkszahl der europäischen Staaten unsere ganze statistische Literatur verdorben, unzählig viel Unglück für unsere Länder gestiftet und Jammer und Elend über ganz Europa verbreitet worden. Solche Chimären wären vorzüglich in solchen Ländern verbreitet, wo einige Aristokraten wohlbehaglich regieren, und gern gesehen hätten, wenn von allen statistischen Daten ihres Staates nie ein einziges bekannt geworden wäre, nach dem bekannten Ausspruch:  bene vixit, que bene latuit. [Glücklich lebte, wer sich gut verborgen hielt - wp]" (15)

§ 21. Mit jedem Jahr wurden die Urteile nicht nur über die Statistik überhaupt abweichender und wiedersprechener, sondern auch über ihre Teile und die Art, sie zu behandeln. Den blindesten Glauben hätten jetzt die quälendsten Zweifel beschleichen können.

§ 22. Während SCHLÖZER das ACHENWALLsche Kompendium über alle erhob und über dasselbe las, zerbrach sich MEUSEL den Kopf, wie man über eben dieses Buch lesen kann, ohne literarische Gewissenbisse zu empfinden (16). In Frankreich trieb man das Werk auf eine Art, daß CHAMENT sich berufen fühlte, zu beweisen, daß die Statistik keine  magische  Wissenschaft ist: sie hat weder Sektierer noch Mysterien: auch sei sie frei von Scharlatanerien (17). Bald nachher im Jahr 1804, legte SCHLÖZER das Bekenntnis ab: "Die Statistik sei nicht nur nicht frei von Scharlatanerie; sie habe auch noch weit schlimmere Gebrechen: Unwissenheit und Unwahrheiten zeigten sich in ihr immer noch in zahllosen Beispielen" (18). In einem unserer ersten kritischen Blätter wurde vor wenigen Monaten die Statistik geradezu zu einem Traumgebilde erklärt (19). Eben das Urteil fällte in derselben Zeit vor dem Angesicht der eleganten deutschen Welt Professor CROME - nicht der Gießener, sondern des tiefforschenden THAERs Gehilfe (20). Eine noch weit härtere Anklage wurde um eben die Zeit gegen die Statistik in der  Minerva  erhoben. Da heißt es: "In der Statistik liege ein Hauptgrund der Erbärmlichkeit und Kraftlosigkeit unseres Zeitalters, das, bloß mit dem Weltlichen beschäftigt, alles Moralische, alles Göttliche als unbedeutend auf die Seite schiebt. Eine moralische Statistik aber liegt jenseits der Grenze des Möglichen." Woraus dann notwendig folgen würde, daß das Beginnen und Treiben unserer neuesten Statistiker, das ist derer, die das Geistige zu erforschen streben, und dadurch vorzüglich die Kräfte der Staaten bestimmen wollen, wenigstens ebenso unbeschreiblich erbärmlich und lächerlich ist; als das Beginnen und Treiben der gemeinen und gemeinsten Statistiker, das ist, der politischen Arithmetiker. (21)

§ 23. Wem könnten dann auch wohl die Bemerkungen entgangen sein, daß die Sterne erster Größe am statistischen Himmel alle bis auf einen - bis auf MEUSEL - erloschen sind, ohne daß auch nur eine einzige der Lücken wieder ausgefüllt wurde: und daß auf den berühmtesten deutschen Universitäten wohl noch über Statistik gelesen, aber nicht mehr geschrieben wird?

§ 24. Was wollten die Statistiker? - was leisteten sie wirklich? - was läßt sich von Ihnen erwarten?" 


I.

§ 25. Wenige Wissenschaften erscheinen, selbst schon bei einer Definition oder Deskription derselben, in der Erhabenheit, Würde und Majestät, als die Statistik.

§ 26. Mehrere Statistiker gaben freilich weder Definitionen, noch Deskriptionen (22): sogar unter berühmten Schriftstellern zeigten sich ganz verschiedene, zum Teil seltsame Meinungen über den Begriff der Staatskunde: dennoch finden wir nicht nur unter den deutschen Statistiker, sondern auch unter dem ganzen Corps [Truppe - wp] eine weit größere Einigkeit, als man beim ersten Blick erwarten möchte.

§ 27. Nach den Behauptungen der höheren wie der gemeinen Statistiker lehrt Statistik, was Staaten wirklich sind: sie gibt die Kräfte der Staaten und das Glück der Völker an: sie schildert den gegenwärtigen, den neuesten Zustand derselben. Sie hebt aus, wie ACHENWALL sagt, was die Vorzüge oder Mängel eines Landes anzeigt; die Stärke oder Schwäche eines Staates darstellt; den Glanz einer Krone verherrlicht oder verdunkelt, den Untertan reich oder arm, vergnügt oder mißvergnügt, die Regierung beliebt oder verhaßt, das Ansehen der Majestät in und außer Landes furchtbar und verächtlich macht; was einen Staat in die Höhe bringt, den andern erschüttert, den dritten zugrunde richtet; einem die Dauer, dem andern den Untergang prophezeit: kurz alles, was zur gründlichen Einsicht des Reichs und zur vorteilhaften Anwendung im Dienst des Landesherrn etwas beitragen kann (23): "Statistik eines Landes und Volkes ist der Inbegriff seiner Staatsmerkwürdigkeiten; alle geordnet nach einem Zweck, so daß man sie bequem überblicken kann, um den jedesmaligen Zustand des Staates im Ganzen zu beurteilen, um solchen mit dem Zustand anderer Staaten zu vergleichen und abzumessen." (24)

§ 28. Zu einer wahrhaft Schwindel erregenden Höhe strebten unsere Statistiker. "Die Statistik sollte das Glück der Völker und ihr Vorrücken oder ihren Rückfall darin messen (25). Durchaus für alle Klassen von Menschen arbeitete der Statistiker, für Fürsten, Minister, Staatsbeamte, bloße Staatsbürger wie für den Weltbürger!

§ 29. Der  Regierung  wollte man eine genaue Kenntnis des Reichs verschaffen, worauf alle ihre Maßregeln gegründet sein müßten (26). Was allen, selbst den besten und erleuchtetsten Regierungen Not tut, sollte die Statistik ihnen gewähren (27): jene Wissenschaft, die innig mit dem Wachstum des Glücks der Staaten verbunden ist; der man nicht entsagen kann, ohne zugleich der Rolle des Philosophen und Staatsmannes zu entsagen (28): jene Kenntnisse, die unentbehrlich allen Regierungen sind; von welchen entblößt jeder Regent den Staat zugrunde richtet (29): jene Wissenschaft, von der mehr als von irgendeiner anderen das Heil nicht nur einzelner Völker, sondern des ganzen menschlichen Geschlechts gefördert wird (30). "Wirklich riefen dann auch weise Regenten die Statistik aus den Studierstuben in die Kabinette, und gute Regenten lernten sogar die, ihnen jährlich zugesandten statistischen Tabellen auswendig. So trieb es selbst FRIEDRICH der Große!" (31)

§ 30. Den Staatsbeamten wollte man eine wichtige Gehilfin verschaffen (32). Die Staatsbeamten, sagt SCHLÖZER, sollen die Kräfte der Gesellschaft leiten: - können sie es, ohne sie zu kennen? sie sollen alle Kräfte in Tätigkeit setzen: - werden diese aber nicht erst aufgespürt werden müssen? und, setzt HARL hinzu: der Staat nimmt sein Einkommen vom Einkommen der Untertanen; ist also nicht ganz sichtbar eine vollkommene Finanzstatistik die wichtigste, die unerläßlichste Bedingung zur Einführung eines vollkommenen Finanzsystems? (33) Außerdem ist, nach SCHLÖZER, eine offene, Jahr aus Jahr ein fortgesetzte Statistik die unverdächtigste und urkundliche Lobrede auf eine weise Regierung (34).

§ 31. Dem Staatsbürger wollte man es möglich machen, sein Vaterland zu lieben, und seine Bürgerpflicht zu erfüllen, die da gebietet, den Mängeln und Gebrechen des Landes abzuhelfen. Zu jenem wie zu diesem ist die Kenntnis des Landes unentbehrlich. Durch die Statistik aber soll der Bürger alles erfahren, und noch dazu aktenmäßig und in Zahlen (35).

§ 32. Für beide, für Herrscher wie Beherrschte erhob man die Statistik - die edle, die reichhaltig, wie MEUSEL sie nennt (36): - zum Schutzengel. Sie, die Unverträgliche mit dem Despotismus, sollte die Gebrechen des Landes, von welchen unzählige Fehler der Staatsverwaltung waren, anzeigen; sollte die Regierung kontrollieren; sogar die Anklägerin der Regierung werden (37).

§ 33. Und dann wollte man es auch dem Weltbürger möglich machen, seine erhabene Mathematik zu treiben: dem Weltbürger, der die Staaten miteinander vergleichen will nach Graden des Wohlstandes und des Elends (38).


II.

§ 34. Nicht einmal diejenigen Erwartungen erfüllten die Statistiker, die dem denkenden Laien noch übrig bleiben beim Anblick des so unnennbar hoch gesteckten Ziels; bei der Definition der Statistik verbunden mit der Definition der Geschichte; bei der allgemeinen Unfähigkeit zu bestimmen, was Staatsmerkwürdigkeiten sind und nicht sind, und bei der unglaublich großen Verschiedenheit, die nicht nur im Hinblick auf die Teile der Wissenschaft, sondern auch auf die Art, sie zu behandeln, stattfindet.

§ 35. Wer sich jemals im Ernst und mit Erfolg um seine eigene Wirtschaft bekümmerte, kann unmöglich an eine Kenntnis der Wirtschaft irgendeines Reiches, selbst nicht des kleinsten Landes glauben. Ein allgemeiner oder fast allgemeiner Glaube aber kann hier so wenig wie sonstwo dem etwas gelten, der weiß, daß der bei weitem größte Teil der Menschen aus Unwissenden besteht, und daß die Menschen, je unwissender sie sind, auch desto leichter glauben, daß sich das Unmögliche ausführen läßt (39).

§ 36. "Statistik soll beschreiben, wie Staaten wirklich sind, und Staatsgeschichte, wie sie das geworden sind, was sie wirklich sind." (40) Leistet die Geschichte wirklich, was man ihr zuschreibt; wozu noch Statistik, die nichts lehrt und lehren kann und soll, als was die Geschichte nicht bereits gelehrt hat?

§ 37. Wirklich, keine Antwort kann unbefriedigender sein, als die, welche man auf die Frage, erhält, was ist, oder woran erkennt man eine Staatsmerkwürdigkeit?

§ 38. SCHLÖZER sagt: "Der Statistiker hebt alle die Data aus, welche einen augenscheinlichen oder versteckten, größeren oder geringeren Einfluß auf das Wohl des Staates haben. Man fühlt den vorgefundenen Angaben sozusagen auf den Puls. Hat eine derselben einen Einfluß auf das Wohl des Staates, so sondert man sie für die Statistik aus. Dies aber zu fühlen, setzt einen eigenen Takt, einen geübten Blick voraus, den nur eine Menge anderer gelehrter Kenntnisse erzeugen können." (41) Aber was heißt  Wohl des Staates,  wie wird dieses Wohl vergrößert, wie vermindert? welche gelehrten Kenntnisse sind es, die jenen Takt, jenes Gefühl erzeugen? wie erkennt man, ob man den alles entscheidenden Takt hat oder nicht hat?

§ 39. "Aber auch  relativ  soll der Begriff von Staatsmerkwürdigkeit sein: und was heute noch keine Staatsmerkwürdigkeit ist, kann es nach wenigen Monaten, selbst Monaten, selbst Morgen schon werden. So ist die Anzahl der Hunde im Reich zu wissen gewöhnlich nicht nötig; wohl aber entsteht Hungersnot, oder kommt der Finanzminister mit einer Steuer auf die Hunde. So hat auch, was für ein kleines Land oder einen einzelnen Distrikt eines großen Landes sehr anmerkenswert ist, nicht immer genug Würde für das Ganze." (42) Wo fängt nun jene Würde an, wo endet sie? und was gibt es außer der Luft unter dem Himmel und auf der Erde, woraus nicht schon am morgenden Tag der Finanzminister eine Staatsmerkwürdigkeit machen kann?

§ 40. "Über Hauptteile der Statistik, schickliche Anordnung, Plan und vollständiges System ist nach SCHLÖZER noch nichts bestimmt. Wo aber das alles fehlt, ist vertilgt aller Charakter von Wissenschaft und Einheit." (43) Untersuchen wir unsere Statistiken in den erwähnten Hinsichten, so finden wir nichts als Verwirrung, Widersprüche und Unbegreiflichkeiten, bei deren Anblick wie SCHUMMEL versichert, jedem konsequenten Kopf ein wahrer Ekel anwandelt. (44)

§ 41. Nach SCHLÖZER soll der Statistiker die Schilderung entzückender Gegenden den schönem Geist überlassen: auch mit Antiquitäten hat er sich nicht zu befassen; es sei den, daß sie reiche Reisende ins Land locken: und nur dann ist die Kleidung der Nation eine Staatsmerkwürdigkeit, drückt sie wie die Schnürbrust, die bei den Weiber und Kindern auf den Oberalpen Mode sind (45).

§ 42. SPRENGEL fand nicht nötig, den Nationalcharakter anzugeben, weil es so schwer ist und außerdem der Charakter der Nationen in der Lebensart, den Volkslustbarkeiten, Verbrechen usw. sich offenbart. (46) MEUSEL und viele andere ließen die Schilderung des Nationalcharakters nicht fehlen (47). SCHLÖZER wollte von einem Nationalcharakter in der gewöhnlichen Bedeutung nichts wissen, weil er sich nicht mit Zuverlässigkeit angeben läßt; aber wohl verlangte er die Schilderung des Charakters in einer ungewöhnlichen Bedeutung: in der, wo angegeben wird, bestimmt und in Zahlen, wieviel die Leute essen, wie fleißig und wie flink sie sind (48). Und ein Rezensent stellte unlängst die Meinung auf, Schilderungen von Nationalcharakter gehörten eigentlich nicht in die Statistik, wo eine Nation bloß im Hinblick auf den Staat, den sie bildet, betrachtet werden soll." (49)

§ 43. Die  Geschichte der Staatsveränderungen  eines Reiches ist, erklärte ACHENWALL, das Erste, was in der Statistik abgehandelt werden muß. Dagegen riet SCHLÖZER: man solle entweder die Staatsgeschichte von der Statistik ganz trennen oder allen Teilen gleiche Gerechtigkeit widerfahren lassen (50). MANNERT, der nirgends Geschichte beibringt, nennt die Geschichte eine innig vertraute Gehilfin des Statistikers, doch darf dieser die von ihr erhaltene Unterstützung gewöhnlich nicht laut bekennen (51). SCHUMMEL verweist die Geschichte ganz aus der Statistik. Die Statistik wird wohl heller durch die Geschichte, aber deshalb ist jene selbst keineswegs dunkel, sondern sucht ihr eigenes Licht in sich (52). MEUSEL aber glaubt, um die Statistik pragmatisch und wahrhaft nutzbar zu machen, ist es bei den meisten Materien nötig, ihre vorige Beschaffenheit in Kürze darzulegen, um zu zeigen, wie die jetzige aus ihr entstanden ist (53).

§ 44. Die Materien von den Sprachen sind nach MEUSEL nicht statistisch (54). SCHUMMEL tadelt es recht derb, daß die, allen Regierungen und Beamten so wichtige, so unentbehrliche Topographie in allen statistischen Werken fehlt (55). Ordnung wurde zur Weltseele erklärt, so wie das Bestreben, die Menschen ordentlich zu machen, zum Bestreben der wahren Polizei. (56) Gleichwohl konnte sich auch MEUSEL - selbst noch nicht im Jahr 1804 - überzeugen, daß eine Schilderung des Polizeiwesens in die Statistik gehört (57). - So griff der Eine nach diesem, der Andere nach jenem: dieser verwarf dieses, jener jenes, und wo auch ihrer Drei eierlei Fakta sammelten, da stellte sie doch jeder in einer anderen Ordnung auf (58): wobei es sich dann nicht selten ereignete, daß schon am Anfang oder in der Mitte erschien, was als letztes Resultat aller Potenzen, die im Staat auf den Menschen wirken, den Beschluß hätten machen sollen (59).

§ 45. Die gemeinen Statistiker, so sehr sie auch in der Auswahl der Angaben und der Stellung und Bearbeitung derselben voneinander abwichen, lebten doch alle des festen Glaubens, daß die Stärke und Schwäche der Staaten, so wie das Glück und Unglück der Untertanen, und der Reiche Dauer und Untergang schon dann ganz oder fast ganz ausgemittelt ist, kenne man die Grundmacht der Reiche, das heißt,  Land  und  Leute, Produkte  und  Geld Die Grundmacht selbst aber meinen sie erforscht zu haben, schon durch das Zusammenschleppen einer Masse von  Beiträgen  zur Bestimmung derselben; von sogenannten statistischen Angaben, soviel wie möglich in Zahlen bestimmt, deren Resultate dann, in Tabellen gebracht, die schaulustige Welt die Kräfte großer Reiche, wie das Wohl und Wehe vieler Millionen auf einem Kartenblatt überblicken ließen. (60)

§ 46. Es wurden die Kräfte der Reiche und das Heil der Völker einzig oder fast einzig berechnet, nach dem, was in die Augen fiel; nach toten Maßen, nach Beuteln und Knochen.

§ 47. Einige Länder wurden wirklich vermessen; man maß andere auf den besten Karten; man band Reisenden holfeldische Wegmesser an die Hinterräder ihrer Wagen, und Schrittzähler an die Binden ihrer Beinkleider, man gab genau das Areal sowohl der großen und größten wie auch der kleineren und kleinsten Länder an, oft genug sogar mit viertel, achtel und zwölfter Quadratmeilen (61).

§ 48. Es wurde bestimmt des Landes Fruchtbarkeit wie die Unfruchtbarkeit. Man nannte die Produkte, die der Boden gibt: man stellte die Gaben der Natur, die benutzt werden, neben jenen auf, nach denen keiner frägt; von denen weder Mensch noch Vieh auch nur den allermindesten Nutzen ziehen; die ohne allen Wert sind (62). Man bescherte schließlich auch dem lieben großen Kind eine Produktenkarte von Europa (63).

§ 49. Das Volk selbst betreffend wurde zu allererst die Anzahl desselben, und gleich hinterher die Bevölkerung angegeben. Die verschiedensten Mittel, selbst die  Brotkörbe,  wurden benutzt, die Volksmenge oder den Inbegriff aller im Lande lebenden Menschen herauszubringen (64). Dann schritt man zur Bestimmung der Bevölkerung; die umso leichter ausgemittelt werden konnte, wußte man die Größe eines Landes. Mit dieser, der Bevölkerung, war dann aber auch unglaublich viel entdeckt. Zu nichts geringerem mußte die Bevölkerung dienen, als zur Schätzung der Stärke des Reichs. Die Bestimmung der Bevölkerung eines Landes war zugleich auch die Bestimmung des Grades der Kultur desselben (65). Nach dieser Entdeckung des  sichersten Maßstabes der verhältnismäßigen Kultur  empfing das Publikum die zweite Puppe aus Herrn CROMEs Hand, wogegen dieser den zweiten seiner welkenden Lorbeeren in Empfang nahm (66).

§ 50. Waren Flächenraum, Volkszahl und Bevölkerung abgehandelt, so schritt man zur Kriegsmacht, den Staatseinkünften und Schulden: und glaubte dann, wie Herr CROME, mit en Staatskräften völlig im Reinen zu sein (67). Wer weiter ging, wie Herr von HEINITZ, legte auch noch Tabellen vor, über den Nationalfleiß; (wo alle Klassen und Stände vom Minister bis zum Tagelöhner aufgeführt wurden), über Aussaat, Ernte und Verbrauch; über Einnahme und Ausgabe der verschiedenen Kassen; und schließlich auch eine Tabelle über das ein- und ausgehende bare Geld, um zu beurteilen, ob der Nationalreichtumg zu- oder abnimmt (68).

§ 51. Das allerhöchste Ziel war, eine Darstellung nicht nur des physischen und ökonomischen, sondern auch des moralischen und politischen Zustandes zu liefern. So schlossen sich den Hauptabschnitten, gleichsam als eine  Zugabe,  die Kapitel von der Regierungsform, dem Kulturzustand und den Gesetzen und Gerichten an, worauf, meist am Schluß, das Kapitel von den auswärtigen Verhältnissen folgte. Vom Herrscher selbst bekam man nur den Namen, höchstens noch seinen Geburts- und Krönungstag: weder Minister noch Kammerdiener erschienen: aber Huldigung und Krönung, und Titel und Wappen fehlten nicht. Kirche und Prieser und Priesterkragen spielten beim Kulturzustand Hauptrollen und gewöhnlich ließ man dann auch bei dieser Gelegenheit alle berühmten Gelehrten der Nation aus ihren Gräbern wieder hervortreten. Um das Ganze recht würdig zu krönen, entwickelte man die auswärtigen Verhältnisse ganz vorzüglich aus den bestehenden Traktaten. (69)

§ 52. Freunde und Feinde der gemeinen Statistiker behaupteten einstimmig, das, was diese über die  Grundmacht der Reiche  vorbrachten, sei voll Unrichtigkeiten und Widersprüche, sogar voll grober Erdichtungen; selbst da, wo sie sich auf runde Zahlen einschränkten (70). Und ebenso erklärten alle höheren Statistiker für geistloses Machwerk, was die politischen Arithmetiker als Zugabe lieferten (71). Alles, was die politischen Arithmetiker dem Publikum auftischten, war also ein Gemengsel von wenigen Wahrheiten und einer Menge von Unwahrheiten und Lügen: ein Wust an Angaben, aus denen, egal ob verarbeitet oder nicht verarbeitet in Tabellen - der gegenwärtige Zustand der Reiche, die Kräfte der Staaten und das Glück der Völker sich ganz und gar nicht erkennen läßt.

§ 53. Die höheren Statistiker aber leisteten noch weniger als die gemeinen, so verächtlich jene auch auf diese hinabschauten.

§ 54. Nicht die höheren Statistiker waren es, sondern der große Sturm unserer Tage, der die Zahlenstatistiker über den Haufen warf, und den Menschen auf eine Macht hinwies, die einheimisch ist in seinem Busen, wie im Himmel (72).

§ 55. In seinem  wahren Licht  erschien das Werk der gemeinen Statistiker den Höheren ebensowenig wie den Gemeinen. Jenes Werk war nach den allgemeinsten Versicherungen ein Gewebe von weit mehr Unwahrheiten, als Wahrheiten, die teils in einzelnen Angaben, häufig in Zahlen bestimmt, bestanden; teils in Resultaten, aus einer Menge einzelner Daten gezogen. Nun sollte nach der Vorschrift der höheren Statistiker von jenem Machwerk für die höhere Statistik ausgehoben und in Tabellen gebracht werden, was sich in Zahlen ausdrücken läßt, mithin  Unwahrheiten  wie  Wahrheiten (73). Nur die arithmetische Genauigkeit verwarfen die höheren Statistiker. Wir sollten und mit  runden  Zahlen begnügen, eine Forderung, welche die gemeinen Statistiker längst auch schon aufgestellt hatten (74).

§ 56. Die höheren Statistiker meinten an die Erbärmlichkeit des Werks der gemeinen Statistiker zu glauben, und glaubten doch nicht daran: oder sie beruhigten und täuschten sich selbst wie die Welt mit dem unseligen Wahn, es wären doch die Hauptsachen wahr, und besser sei es, etwas zu wissen, als ganz im Dunkeln zu sein. Man fürchtete sich vor der Überzeugung, und scheute das Geständnis, daß man keine zuverlässigen Data habe: lieber wollte man auf falschem Weg gehen und auf falschen Weg führen, als bekennen, daß man den Weg nicht weiß. (75)

§ 57. Die gemeinen Statistiker erwarben sich ein unvergängliches Verdienst durch ihre Untersuchungen, die zur Entdeckung, der wir eine verbesserte Einrichtung der vorhin unmöglichen Wittwenkassen und andere Versorgungsanstalten verdanken (76).  Nichts, überhaupt nichts leisteten die höheren Statistiker. 

§ 58. Die höheren Statistiker begnügten sich damit, daß sie die Gemeinen - so bedeutende Männer auch unter ihnen waren, - hirnlose Kreaturen schalten: daß sie Winke gaben, wie man es besser machen könne und müsse; und daß sie aufmerksam machten, wieviel noch zu leisten übrig sei; aber auch nicht ein Einziger zeigte durch die Tat, daß es möglich ist, wirklich das zu leisten, was sie alle verlangten, daß von allen geleistet werden soll. Die häufigen Länderveränderungen konnten doch, wie man wohl gelegentlich äußerte, nicht abschrecken. Jene Veränderungen trafen nicht den alles oder fast alles geltenden  Geist sondern das so sehr viel weniger geltende Physische. Was aber kann wohl gewisser sein, als das treue, nach dem Leben gezeichnete Schilderungen des Geistes der Völker, der Herrscher, ihrer höheren und niederen Kollegen und Gehilfen, wie der Beherrscher selbst, hohen Wert behalten werden, solange menschliche Menschen die Erde bewohnen?

§ 59. Zu dem Licht, das die gemeinen Statistiker aufsteckten, kam ein zweites, das der Historiker, und zu diesem schließlich auch noch jenes, was nach den Winken der höheren Statistiker jeder, der nach dem vollen, hellen Sonnenlicht strebt, sich für sein Kämmerlein bereitete: - aber alle diese Lichter, was waren sie anderes, als elende, mattscheinende Stümpfchen; unfähig, auch nur einzelne Punkte in unseren allernächsten Umgebungen zu erhellen; und unfähig, uns in den Stand zu setzen, auch nur eine Spanne [1 Lachter = 8 Spann = 16 m - wp] weit über die Gegenwart hinauszuschauen?

§ 60. War es nicht jener Glaube, den nur der Sturz einer Reihe von Thronen verdrängen konnte; der Glaube an die ewige Dauer unserer Staaten, der das papierne Jahrhundert erzeugte? Kamen nicht vom Anfang der nordamerikanischen Revolution bis auf den heutigen Tag alle Erscheinungen in der Welt der Industrie, der Gewerbe und des Handels, wie alle Resultate der Feldzüge allen unerwartet? Sahen nicht unzählige, sowohl Staatsmänner wie auch Politiker und Schriftsteller aller Art England schon während des nordamerikanischen Krieges am Rande eines unvermeidlichen Abgrundes (77). Wie oft hat man bewiesen, eine Schuldenbürde von 100 Millionen sei die englische Nation zu tragen unfähig! (78) Stand nicht vor aller Augen, selbst noch kurz vor dem Moment ihres Sturzes, die französische Monarchie da, fest gegründet auf den Felsen der Liebe, der Zeit, der Stärke und der Meinung? (79) Was sahen wir in Preußen vor dem 14. Oktober 1806; was nach diesem so viel entscheidendem Tag? War es nicht der allerschwärzeste, der unverzeihlichste Verdacht, der bei Rückzug aus der Champagne in GIBBON aufstieg; in einem der größten Historiker unserer und aller Zeiten; der sich noch dazu auf einem glücklichen Standpunkt und in Verbindungen befand, die kaum einen Wunsch übrig ließen? Verriet jener Verdacht nicht über allen Zweifel hinaus, daß der große Mann nichts wußte von dem, was war, und daß er nichts begriff von dem, was vor seinen Augen vorging? (80) Glaubten wir nicht alle noch an ein deutsches Reich, nachdem dieses längst zu sein aufgehört hatte? (81) Wurden nicht alle unsere Berechnungen und alle Verkündigungen zu Schanden? (82)

§ 61. Was die Statistiker leisteten, bestand in einer unermeßlichen Arbeit, bei welcher der Zweck völlig verfehlt wurde. (83) Gleichwohl ist diese ebenso zwecklose wie unermeßliche Arbeit gerade das, was der Freund der Menschen, der Kultur und der Tugend am wenigsten beseufzt. Schwere Sünden luden die Statistiker auf sich: Sünden, die sie Hand in Hand mit den Politikern begingen: und Sünden, an welchen wohl die Politiker weit den größten Anteil hatten, so sehr sich auch unsere Statistiker beeifern, einzig die politischen Arithmetiker deshalb anzuklagen.

§ 62. Ganz vorzüglich waren es die Statistiker, die von aller Spekulation ableiteten. Tatsachen und nichts als Tatsachen wurden bald allgemein, selbst von den besten Köpfen verlangt. Man gewöhnte sich daran, sich einzig an die Evidenz der Sinne zu halten; man glaubte, alles zu tun, sammelte man Beobachtungen und häufte man Erfahrungen auf Erfahrungen. Man gewöhnte sich schließlich so sehr an das Begucken und Betasten, an das Messen und Zählen, daß man nichts mehr für wirklich hielt, als was sich auf jene Weise behandeln läßt. (84)

§ 63. Die Politiker lebten und starben darauf, und die Statistiker konnten gar nicht aufhören, tagtäglich und beim einen wie beim anderen Staat die Grundmacht, d. h. die wahre oder eigentliche Macht der Staaten zu bestimmen nach den Quadratmeilen des Landes, nach der Anzahl seiner Bewohner, nach dem Einkommen der Untertanen wie des Staates, nach der Summe baren Geldes in den Börsen der Untertanen, wie im Schatz des Staates, und nach der Größe des stehenden Heeres (85): Jener Wahn unserer Politiker und diese, unaufhörlich verkündete Lehre unserer Statistiker wurde zu einem allgemeinen Glauben, und aus diesem Glauben gingen, wie aus Pandoras Büchse, Übel aller und der abscheulichsten Art hervor.

§ 64. Es mußte nun der Mensch zur tiefsten Stufe herabgewürdigt werden; zu einem Geschöpf, nur zur Hantierung bestimmt; zu einer Kreatur, nur zum Lasttier geboren. Selbst Herr von HEINITZ meinte, man müßte, um die Idee einer Volkszählung genau zu erfüllen, und sie mit Sicherheit auf die politischen Rechnungen anwenden zu können, solche nicht bei der Wiege, sondern beim Alter anfangen, wo der Mensch durch die Gesellschaft, in der er sich befindet, beschäftigt und ihr nützlich werden kann (86). Minister, Politiker von Profession, wie Pädagogen meinten, es müsse nur gelehrt und gelernt werden, was ziehen und tragen hilft: schon das Kind müsse gewöhnt werden, alles und jedes zu würdigen und zu schätzen nach dem Gewinn, den es abwirft. Schon in des Kindes Seele wurden nun des Geistes Flügel gelähmt und zerknickt (87).

§ 65. Von der Hauptsache hinweg wurde der Blick geleitet auf die Nebensache; vom Moralischen auf das Weltliche; vom Göttlichen auf das Physische, Animalische. Was nichts mehr, oder fast nichts mehr galt, wurde dann auch nicht weiter erstrebt. Man forderte nicht mehr Kopf, Seelenadel, Verstand, Kenntnisse und Energie: sondern Knochen, Geburt, Geld und Routine. Die Gewaltigen, die Begüterten, die in Gold Einballierten [Eingehüllten - wp], entfernt vom Gedränge mit Schwierigkeiten, die nur die  eigene  Kraft überwältigen kann, versanken zuerst in den Schlamm der Sinnlichkeit, in Kraftlosigkeit, Weichlichkeit und Pflichtvergessenheit und steckten dann auch die Niederen an. Das Verderben der Staaten und Völker war die Folge davon (88).

§ 66. Zeigte auch die Erfahrung auf eine völlig handgreifliche Art, daß sich der Menschen im Lande zu viele und der Nahrung zu wenig finden könne: dennoch dauerte die Menschenjagd fort. Wozu jeder schreitet, wer kann, zur Fortpflanzung, wurde alle Welt aufgefordert. Man beförderte die Anzahl der Geburten, und bevölkerte dadurch nicht nur die Kirchhöfe, sondern auch die Galgen, Karren und Zuchthäuser (89). Mit Millionen erkaufte KATHARINA die Große sich Städte, gemalt auf hölzernen Wänden, und FRIEDRICH der Große den Anblick von Kolonisten, meist Landstreichern, die zu verschiedenen Malen in einer Stunde umgekleidet vor ihm vorübergetrieben wurden (90).

§ 67. Zur ungeschwächten Erhaltung des ersten Kleinods des Staates wurden Auswanderungen erschwert, wo nicht gar ganz untersagt; selbst da, wo unverkennbar die Auswanderung zum Heil für die Abziehenden, wie die Zurückbleibenden geführt hätte (91). Neben Ammenstationen enstanden Findelhäuser, bei deren Anblick sich die Natur empörte; neben Inokulationshäusern [Impfhäuser - wp] Magazine, welche Hungersnot abwehren sollten, und Hungersnot erzeugten; und neben Entbindungshäusern Hospitäler, die recht eigentlich zur Vertilgung des menschlichen Geschlechts errichtet zu sein schienen (92).

§ 68. Wichtiger noch als selbst der Besitz von Menschen wurde der Besitz von Gold und Silber. Bis zu den Kriegen, die aus der französischen Revolution hervorgingen, galt es als ein ausgemachter Grundsatz, daß in jedem Kampf zwischen Staaten der Regent des Staates den Sieg davon tragen muß, der den letzten Taler in der Tasche behält (93). Diese beispiellose Vergötterung von Gold und Silber führte geradezu zum härtesten Handelszwang, zu erdrückenden Auflagen nicht nur auf die Einfuhr, sondern auch auf die Ausfuhr und zur Anlegung von Kolonien, die man recht planmäßig unter einen alles hemmenden, zermalmenden Druck brachte. Eben diese Vergötterung war es aber auch, die eine Quelle von Kriegen eröffnete, die während der letzten anderthalb Jahrhunderte der neuen, wie der alten Welt unermeßliche Summen und Ströme von Blut kosteten (94).

§ 69. Ein unaufhörliches Ringen begann in der neuen Welt nach einem europäischen Gleichgewicht, wie zur Erhaltung desselben: wir hatten ein europäisches Gleichgewicht: und alle Welt bestimmte die Macht der Staaten nach Umfang und Lage des Landes, nach ihrer Volksmasse und ihren harten Talern: - mußte nun nicht ein Vergrößerungs- und Arrondierungssystem entstehen; jenes System, mit dem eine neue Quelle unermeßlicher Übel und Leiden sich eröffnete?

§ 70. Für die übertriebenen, glänzenden Angaben, welche die Statistiker von Salzburg zu verbreiten die Güte hatten, mußte das Land seit dem Jahr 1800 schwer büßen (95). Salzburg war nicht das einzige Land, das auf diese Art büßte: aber was waren alle Verluste dieser Art gegen jene unberechenbar großen Nachteile, die in allen Ländern empfunden wurden, deren Regierungen an die unselige Statistik glaubten; zugleich sich berufen fühlten, alles zu lenken und zu leiten; und schließlich auch ihrem Glauben und ihren Überzeugungen gemäß zu handeln imstande waren: was dann glücklicherweise nirgends im dem Grad der Fall war, wie im Preußischen!

§ 71. Einen großen Zuwachs ganz unzweckmäßiger, den geist tötender Arbeiten erhielten die Beamten des Staates, und sie erhielten diesen Zuwachs in einer Zeit, in der die Geschäfte, bei den immer verwickelter werdenden inneren Verhältnissen, auf eine beispiellose Art zunahmen. Auf Kosten des Wesentlichen mußte nun das Unnütze getrieben werden: Arbeiten, deren Zweck in allen Absichten verfehlt wurde, die überhaupt nichts wert waren, erhielten einen Wert, so wie nicht minder die Menschen, die sich mit diesen Arbeiten beschäftigten, einen Wert erlangten, der ihnen nicht gehörte (96).

§ 72. Die statistischen Tabellen ließen sich benutzen zur Bemäntelung schwacher Maßregeln (97). Die Widersprüche der statistischen Angaben und Tabellen erzeugten Ungewißheit in den höheren Dienstregionen. Aus den Unrichtigkeiten der Tabellen mußten wahre Landplagen in zwecklosen Verordnungen hervorgehen (98).

§ 73. Unzählige Gebrechen und Übel schrieben einstimmig die Politiker wie die Statistiker der Regierung zu; größtenteils Übel, die sie mit gleichem Recht dem Mann im Mon hätten zuschreiben können (99). Die Statistik mit Tabellen voll Unwahrheiten und Lügen in der Hand erhob sich zur Anklägerin der Regierung. Es begann schließlich mit dem Freiherrn von MOSER und unter seiner Anführung ein Getreibe, bei dem man alles heilige mit Füßen trat (100).
LITERATUR: August Ferdinand Lüder, Kritik der Statistik und Politik nebst einer Begrünung der politischen Philosophie, Göttingen 1812
    Anmerkungen
    1) JOHANN CHRISTOPH GATTERER, Ideal einer allgemeinen Weltstatistik, Seite 51f
    2) CHRISTIAN OTTO, Statistik, erschien zuerst in Utrecht 1726 und in der vierten Auflage 1759.
    3) SCHLÖZER, Theorie der Statistik, Seite 16f
    4) SCHLÖZER, a. a. O., Seite 50f und "Über die Unschädlichkeit der Pocken in Rußland", Seite 18f.
    5) REHBERG, Über die Staatsverwaltung in Monarchien und die Dienerschaft des Regenten, Seite 13f.
    6) SCHLÖZER, a. a. O., Seite 49
    7) Wörtlich genommen aus den  Göttingischen Gelehrten Anzeigen  von 1806, Seite 84
    8) Ebenso wörtlich entlehnt aus der  Jenaer allgemeinen Literaturzeitung  von 1811, Seite 130.
    9) Ebenso wörtlich entlehnt aus den  Göttingischen Gelehrten Anzeigen  von 1807, Seite 131.
    10)  Göttingische Gelehrte Anzeiger,  a. a. O. Gerade ebenso erklärt sich der Rezensent von Professor ZIZIUS theoretischer Vorbereitung und Einleitung zur Statistik, Wien 1810: in der  Hallischen alllgemeinen Literaturzeitung  von 1811, Nr. 105. "Der Verfasser, heißt es dort, ist durch seine Untersuchungen zum  wahren  Ziel der Statistik gelangt, wonach die Macht der Staaten nicht bloß auf Quadratmeilen usw. beruth, sondern auf  Intelligenz  und  moralischer Kraft.  Daher führt ein Kapitel seiner statistischen Rubriken den Titel "Moralischer Zustand der Individuen als freier Wesen: Innere und äußere Freiheit." Jene wird nach vier Rubriken beleuchtet: Religion, Erziehung, Wissenschaften, Sitten. Bei der äußeren Freiheit wird der Geist der Gesetzgebung und das Verhältnis der Klassen und Stände betrachtet."
    11)  Göttingische Gelehrte Anzeigen,  1807, Seite 131
    12) Gedanken und Meinungen über Manches im Dienst, Seite 52
    13) LICHTENBERGs Vermischte Schriften III, Seite 466f.
    14) Dieser Vorwurf stand in den  Göttingischen Gelehrten Anzeigen,  1806, Seite 84
    15) Wörtlich genommen aus den "Neuen Leipziger Literaturzeitung", Jhg. 1810, Seite 141. - Eben dieser Rezensent setzt auch noch hinu: "wie er es mit Freuden bemerkt habe, daß der würdige CROME (in Gießen) in seinen  Germanien  IV, I. Seite 152f sich auf dieselbe Art erklärt hat."
    16) Einen Stein des Anstoßes fand MEUSEL auch darin, daß in ACHENWALLs Kompendium von den europäischen Staaten nur acht abgehandelt werden (MEUSEL, a. a. O., Seite XVI.
    17)  Moniteur  X, Seite 303
    18) SCHLÖZER, a. a. O., Seite 49
    19) Diese Erklärung steht in der "Hallischen Literaturzeitung", 1811, Nr. 145 in der Beurteilung der Finanzstatistik von Professor HARL. HARL will bestimmt wissen, was alle Statistiker nicht nur auch verlangen, sondern zum Teil auch glauben, schon bestimmt zu haben; nämlich den Wert aller nutzbaren Grundstücke und des reinen Einkommens der Nation von denselben, Summe der Aussaat, des Viehs, des Vermögenszustandes, Zahl und Charakteristik der Einwohner, usw. Die Gründe seines Urteils gibt der Rezensent nicht an: wie könnte er es auch? Aber erklärt wird, daß über die Frage, ob es möglich sei, eine zuverlässige Statistik zu liefern, nur Leute urteilen können, die mit dergleichen Dingen im Geschäftsleben zu tun haben, und da habe denn eigene Erfahrung die Unmöglichkeit bewiesen.
    20) Zeitung für die elegante Welt, 1811, Seite 46.
    21)  Minerva,  1811, Seite 496f.
    22) SCHLÖZER, a. a. O., Seite 5f
    23) ACHENWALLs "Grundriß", Seite 7. Der Definition und Deskription ACHENWALLs gab SCHLÖZER den Vorzug vor allen anderen. (a. a. O., Seite 8)
    24) SCHLÖZER, a. a. O., Seite 37 und 94; MEUSEL, Seite 1: "Statistik ist die Darstellung von den Kräften des Staates". MANNERTs "Statistik", Seite 1 und SCHMALZ, "Handbuch der Staatswirtschaft", § 24. - Daß die englischen, französischen und holländischen Statistiker denselben Begriff mit dem Wort  Statistik  verbinden, verkündet schon der Titel ihrer Bücher, wie  Present state of, Political geography, Connoissance politique, de machten der Mogentheden  usw. - Keiner der höheren Statistiker wich, was die Definition betrifft, von den gemeinen ab: jene tadelten an diesen nur, daß sie falsche Wege zum Ziel einschlugen.
    25) SCHLÖZER, a. a. O., Seite 58
    26) Die Statistik soll nicht nur lehren, welche Notizen über den Zustand des Landes die Regierung bedarf und nicht bedarf, um dem Land wohl zu tun, sondern auch, in welche Form diese Notizen gebracht werden müssen. (SCHLÖZER, a. a. O., Seite 4)
    27) "Die besonderen Zwecke der Regierung sind eine genaue Kenntnis der Kräfte des Reichs. - Alle Maßregeln der Regierung müssen sich auf eine genaue Kenntnis des Reichs gründen". So spricht selbst Professor JACOB, der durch mehr als ein Buch SMITHs System zu verbreiten suchte; ja sechs Jahre hintereinander jedes halbe Jahr über dieses System Vorlesungen hielt! Man sehe dessen, im Jahre 1809 in Halle erschienenen Grundsätze der Polizeigesetzgebung I. § 29 und 36.
    28) Unbedingt weist der ehemalige französische Staatsminister jedem vom Staatsruder weg, der nicht Statistiker ist, nicht Zirkel und Winkelmaß zur Hand nehmen will. ROLAND über Frankreichs Handel in der ersten Hälfte des Jahres 1792, Seite 29.
    29) Gerade wie ROLAND spricht auch der ehemalige preußische Minister, Herr von HEINITZ. "Es verhält sich, sagt er, mit der Staatswirtschaft wie mit der Landwirtschaft. Kennt der Besitzer nicht alle Teile seines Landguts, studiert er nicht sorgfältig das Lokale des Terrains, die Natur des Bodens und die für dasselbe erforderliche Art des Anbaus: ist er nicht aufmerksam auf den Fleiß seiner Bauern, um sie zu leiten und aufzumuntern: vergleicht er nicht genau die Ausgabe und Einnahme von jedem Zweig seiner Wirtschaft, indem er jährlich die Bilanz seiner Erzeugnisse und seines Vermögens zieht: kurz: arbeitet er nicht standhaft nach einem festen Plan, der auf das Resultat seiner Bemerkungen begründet ist, und ihn in den zu machenden Anordnungen führen kann; so wird er nie zunehmen: so wird er selbst im Besitz der besten Theorie der Landwirtschaft bald zugrunde gerichtet sein." (Tabellen über die Staatswirtschaft eines europäischen Staates der vierten Größe, Leipzig, 1786, Vorrede)
    30) Nichts kann wertvollere Hinweise für den Fortschritt der Industrie, zu den Verhaltensvorschriften des Einzelnen oder für ein Gedeihen des Staates geben, nichts trägt so viel dazu bei zur allgemeinen Förderung des Glücks der Menschheit." - SINCLAIRs "Statistical accounts of Scotland", Teil III, Seite XI und XV.
    31) SCHLÖZER, a. a. O. Seite 4 und 52. - Ein Rezensent in der "Neuen Leipziger Literaturzeitung", 1810, Seite 141 versichert, die Statistik sei das  rechte Auge  der  Politik  geworden. Eben deswegen soll man dann aber auch keinen weiter in Kammer- wie Finanzkollegien, in Justizhöfen wie im Kabinett anstellen, der nicht recht fleißig Statistik gehört und darüber mit beglaubigten Zeugnissen versehen ist. - - - Aus dem  Moniteur  1804 führt SCHLÖZER, a. a. O., Seite 111 auch noch folgende Stelle an: "Die Wissenschaft der Statistik, ohne die es weder qualifizierte Staatsmänner, noch Beamte und auch keine bemerkenswerten militärische Strategen gibt, zieht jetzt immer mehr die Aufmerksamkeit der französischen Bevölkerung auf sich." - - - Eine der letzteren Versicherung über die gänzliche Unentbehrlichkeit der Statistik, der Bedingung des Heils der Fürsten und Untertanen, steht im 95. Stück der "Jenaer Allgemeinen Literaturzeitung", 1811, wo es heißt: "bei einer vollständigen tabellarischen Übersicht der Grundmacht (Land und Leute) seines Staates kann ein Fürst bei allen seinen Entschließungen, die auf eine Beförderung des Wohls der Untertanen Bezug haben, nie irre geführt werden, da er stets das Ganze mit klarem Blick überschaut. Eine solche weise Einrichtung hat neuerlich der Großherzog von Frankfurt getroffen, der sich jährlich eine Generalstatistik seiner Länder durch den Generaldirektor der Statistik vorlegen läßt."
    32) SCHLÖZER, a. a. O., Seite 2
    33) SCHLÖZER, a. a. O., Seite 35 und HARLs "Grundriß".
    34) SCHLÖZER, a. a. O., Seite 52
    35) SCHLÖZER, a. a. O., Seite 36 und 52.
    36) MEUSEL, a. a. O., Seite XVIII
    37) SCHLÖZER, a. a. O., Seite 51
    38) SCHLÖZER, a. a. O., Seite 36
    39) von BONSTETTEN, Über Nationalbildung, Bd. I, Seite 137.
    40) SCHLÖZER, a. a. O., Seite94. MEUSEL, a. a. O., Seite 1 sagt: "Da die ehemalige Verfassung der Staaten, so wie die Entstehung der gegenwärtigen derselben die Geschichte abhandelt, so ergibt sich, daß sich die Statistik nur mit dem neuesten Zustand zu beschäftigen hat". Wie das letzte aus dem ersteren, nach einer gesunden Logik folgt, ist schwer einzusehen: aber ganz unverkennbar ergibt sich daraus, daß wer die Geschichte eines Reiches weiß, der Statistik ganz und gar nicht bedarf.
    41) SCHLÖZER, a. a. O., Seite 33, 34 und 36
    42) SCHLÖZER, a. a. O, Seite 47 und 53f.
    43) SCHLÖZER, a. a. O., Seite 55f und 80.
    44) SCHUMMEL in den "Annalen der preußischen Staatswirtschaft", Bd. 1, Heft 2, Seite 82
    45) SCHLÖZER, a. a. O., Seite 39
    46) SPRENGEL, Grundriß der Staatenkunde, Teil 1, Seite 5
    47) MEUSEL, Statistik, Seite 43f.
    48) SCHLÖZER in ACHENWALLs Grundriß, siebte Auflage, Teil 1, Seite 17f.
    49) Göttingische Gelehrte Anzeigen, 1805, Seite 115.
    50) ACHENWALL, Grundriß, Teil 1, Seite 9
    51) MANNERT, a. a. O., Seite 7
    52) SCHUMMEL, a. a. O.
    53) MEUSEL, a. a. O., Seite XX
    54) MEUSEL, a. a. O., Seite XX
    55) SCHUMMEL, a. a. O.
    56) Über Manches im Dienst, Teil 1, § 1.
    57) MEUSEL, a. a. O., Seite IX
    58) SCHLÖZER, a. a. O., Seite 55
    59) SCHUMMEL, a. a. O., Seite 98
    60) SCHLÖZERs "Staatsgelahrtheit", Bd. 1, Seite 10. Zu den wichtigsten statistischen Angaben zählte auch SCHLÖZER die Fläche des ganzen Reiches, die Summe aller Morgen urbaren Landes, den vollen Jahresertrag an Korn, Seide, Wein usw. Siehe dessen Theorie, Seite 41. Seite 49 heißt es: "daß Preußens Grundmacht im Laufe eines halben Jahrhunderts ungeheuger gestiegen ist, wußte das Wiener Kabinett im Jahre 1740 nicht." Rußland erhielt sich auch nach dem Tod PETERs I. in seiner errungenen Größe. Das wußte man im Jahr 1738 in Stockholm nicht, und der geschwächte Zwerg erklärte dem gestärkten Riesen den Krieg."
    61) NIKOLAI, Reisebeschreibung, Bd. 1, Seite 20f.
    62) Recht stark in solchen Bestimmungen zeigte sich auch der seelige HEINZE in der zweiten Ausgabe des TOZEschen Handbuches.
    63) Europas Produkte zum Gebrauch der neuen Produktenkarte von Europa von A. F. W. CROME, Dessau 1782 und vierte Auflage, Tübingen 1805.
    64) NIKOLAI, Reisebeschreibung, Bd. IX und BJÖRNSTÄHL, Briefe, Teil IV, Seite 222f.
    65) Auch Herr Professor JACOB lernte nicht einmal soviel aus dem SMITH, daß er von den gewöhnlichen, fast ins Blut getretenen Meinungen sich hätte losreißen können. "Nicht die Volksmenge, sagt er, sondern die Bevölkerung dient zur Schätzung der Stärke eines Reiches. Wenn daher ein Flächenraum von 60 000 Quadratmeilen eine ebenso starke Volksmenge enthält, als ein anderer von zehntausend Quadratmeilen, so ist das letztere Land viel stärker und reicher, als das Erstere. Es würde selbst bei der Hälfte der Volksmenge stärker, als jenes sein. Denn wenn Kräfte stark wirken sollen, so müssen sie vereinigt oder konzentriert sein. Die Stärke eines Reiches wird daher nicht so sehr durch den Umfang seines Flächenraumes, als durch die Masse seiner Bevölkerung bestimmt werden." (JACOB, Polizeigesetzgebung, Teil 1, § 75.
    66) "Über die Größe und Bevölkerung der sämtlichen europäischen Staaten" - ein Beitrag zur Kenntnis der Staatenverhältnisse, und zur Erklärung der neuen Größenkarte von Europa, von A. F. W. CROME, Leipzig 1785 und "Über die Größe und Bevölkerung der europäischen Staaten, als  der  sicherste Maßstab ihrer verhältnismäßigen Kultur", nebst der Entwicklung ihrer Staatskräfte, von A. F. W. CROME, neue Auflage, Frankfurt am Main 1794.
    67) Man sehe das zuletzt angeführte CROMEsche Werk
    68) HEINITZ, a. a. O., die Tabellen.
    69) Eines der ersten Meisterstücke dieser Art lieferten TOZE und HEINZE. Letzterer vollendete, was der Erstere anfing. TOZEs "Staatskunde", vierte Auflage, bearbeitet von HEINZE. Daß nur zwei Teile erschienen, ist so oft wie laut beseufzt worden.
    70) "Die Leser hatten ihre Freude an den, wenngleich nur in runden Zahlen bestimmten Angaben, und ließen sich nicht beikommen, daß soche  meist  grob erdichtet waren." - "Die Tabellenmacher ließen ihre statistischen Unwahrheiten zum Teil in Kupfer stechen." - "Die Statistik geriet in Gefahr lächerlich zu werden: und mit gerechter Verachtung sah der besser unterrichtete Geschäftsmann auf Katheder- und Studierstubenstatistik." So sprach selbst der erste Gönner der politischen Arithmetiker: der Mann, der alles in Zahlen bestimmt haben wollte; selbst eine unzählige Menge von Zahlen für das Publikum zusammenschrieb, und der, all der Greuel ungeachtet, welche die Statistiker vor seinen Augen trieben, doch mit dem festen Glauben an die Zahlenstatistik die Erde verließ: - so sprach selbst SCHLÖZER, a. a. O., Seite 41 und an vielen anderen Stellen.
    71) Ganz so erklärten sich die Gegner der gemeinen Statistiker "Unsere statistischen  tableaux  enthalten leider in der Regel Trug, nicht Wahrheit." (HALL, Allgemeine Leipziger Zeitung, 1811, Seite 145." Wenige statistische Angaben enthalten reine Tatsachen: vieles beruth bloß auf Konjekturen (Differenzierungen - wp] und ist willkürlich angenommen." - "Es übersteigt alle Vorstellungen, welcher Mißbrauch mit dem Sammeln von Nachrichten getrieben wird; und wie wenig der größte Teil von den Aufzeichnungen wert ist, aus dem so mühsame Resultate gezogen werden. " (REHBERG, "Über die Staatsverwaltung in Monarchien", Seite 18 und 20. Und ebenso, wie die Gönner und Gegner der gemeinen Statistiker, urteilen über die Früchte der Letzteren auch die höheren Statistiker. Man sehe oben § 14f.
    72)  Minerva,  1811, Seite 496.
    73) Göttingische Gelehrte Anzeigen, 1806, Seite 84
    74) "Wo es auf eine Handvoll hundert mehr oder weniger nicht ankommt; z. B. ob ein paar tausend Nadeln bei der Ausfuhr aus einem Hafen zu viel oder zu wenig angegeben sind; da fordere man nicht arithmetische Genauigkeit." (SCHLÖZER, a. a. O, Seite 39 und "Neue Leipziger Zeitung" 1810, Nr. 141. - - - Wollen die höheren Statistiker noch viel mehr nachlassen als SCHLÖZER, so müssen ihre Zahlenangaben, Listen und Tabellen notwendig noch weit unbrauchbarer und nichtswürdiger werden, als die der gemeinen Statistiker.
    75) REHBERG, a. a. O. Seite 19f.
    76) REHBERG, a. a. O., Seite 24. - Das den gemeinen Statistikern oben zugesprochene Verdienst, wird ihnen nicht genommen durch SCHMELZERs Abhandlung "De probabilitate vitae ejusque usu forensi", Göttingen 1788.
    77) Meine Entwicklung der Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus den Ursachen derselben (Teil 1, Seite 18f)
    78) SINCLAIRs "History of the public revenue of the British Empire" - Im Jahr 1804 betrug die fundierte und nicht fundierte Nationalschuld 510 Millionen Pfund Sterling und jetzt etwa 650 bis 660 Millionen wofür 22 bis 23 Millionen jährlicher Zins bezahlt werden (Minerva, 1811, Seite 49f)
    79) GIBBONs Leben II, Seite 98
    80) GIBBON, a. a. O., Seite 116f
    81) REHBERG, a. a. O., Seite 98
    82) Eine selbst nur mäßige Sammlung von bestimmten Urteilen großer und kleiner Statistiker über den gegenwärtigen Zustand der Staaten und über die Ursachen der allerneuesten Erscheinungen, gleich auf der Stelle gefällt, müßte allen Glauben an die statistische Weisheit mit Stumpf und Stiel ausrotten. - - - "Polen ging in unseren Tagen unter einzig und allein seiner Regierungsform wegen" - "Deutsche, eine der drei großen Nationen, fester als die französische, kultivierter als die russische, wurde der Spott von Europa einzig und allein wegen seiner Regierungsform." (SCHLÖZER, a. a. O., Seite 38 und 39) - - - "Bereits um die Mitte unseres (des 18. ) Jahrhunderts waren die Ehen in Frankreich so gesunken, und die Venusseuche so allgemein geworden, daß das Reich mit alten Leuten von 25 Jahren angefüllt und ein Alter von 45 Jahren das höchste Alter in Frankreich zu sein schien. Statt Menschen, heißt es in einer selbst in Frankreich darüber erschienenen Schrift, seht ihr  cadavres ambulants,  keine Körper, sondern Schatten, die nur noch bloß durch die Kunst bestehen." (SÜSSMILCHs "Göttliche Ordnung", Bd. II, Seite 468, Bd. I. Seite 458, Bd. III, Seite 204. - - - "In BÜSCHINGs "Wöchentlichen Nachrichten", 1787, Seite 241 steht, Württemberg enthalte 8945 Menschen auf die Quadratmeile. Dies ist eine offenbare Absurdität." (NIKOLAIs "Reisebeschreibung", Bd. X, Seite 196. - MONTESQUIEU konnte behaupten, jetzt lebte nicht einmal der 56. Teil der Menschen auf Erden, die in JULIUS CÄSARs Zeiten gelebt hätten ("Geist der Gesetze", Seite 23, siehe auch 17.
    83) REHBERG, a. a. O., Seite 15
    84) MOSES MENDELSSOHN, Morgenstunden, Teil 1, Seite 143.
    85) SCHLÖZER, a. a. O., Seite 49
    86) von HEINITZ, a. a. O., Seite 1. Im Preußischen war man anderer Meinung. Auch Weiber, Wittwen, die Höfen vorstanden, große Söhne und Töchter, und Söhne und Töchter unter zehn Jahren, sowie Knechte, Mägde und Jungen waren nicht verzeichnet, sondern auch besonders verzeichnet. (BÜSCHINGs "Geschichte zur Regierungsgeschichte Friedrichs des Großen", Seite 146.
    87) NIETHAMMERs Streit des Philanthropismus mit dem Humanismus, Seite 124f.
    88) Minerva, 1811, Seite 400
    89) Journal von und für Deutschland, 1790, Seite 388f und BRINKMANNs "Patriotische Vorschläge zur Verbesserung der Medinzialanstalten", Seite 6
    90) "Ich habe einer im Jahr 1771 angelegten Kolonie (im Preußischen) schon im Jahr 1776 manches Haus von der dritten, und einige gar schon von der vierten Generation bewohnt gefunden." (von DOHM, "Über die bürgerliche Verbesserung der Juden", Seite 90)
    91) YOUNGs, "Politische Arithmetik", Seite 67f.
    92) Meine Einleitung in der Staatskunde, Teil 1, Seite 198f.
    93) REHBERG, a. a. O., Seite 33
    94) YOUNGs "Reise durch Frankreich", Bd. 2, Seite 898
    95) Salzburg und Berchtesgaden in den "Historisch- statistisch- geographisch und staatswirtschaftlichen Beiträgen" von R. von KOCH-STERNFELD, Teil II, Seite XV.
    96) REHBERG, a. a. O., Seite 23 und 26.
    97) Über Manches im Dienst (ältere Ausgabe), Seite 53.
    98) ebd. (zweite Auflage), Teil 1, Seite 162.
    99) SCHLÖZER, a. a. O.
    100) Mein Repositorium für die Geschichte, Staatskunde und Politik, Bd. 1, 3. Heft, Seite 112f.