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WILHELM FRIEDRICH SCHÄFFER
Inkonsequenzen und Widersprüche
in der Kantischen Philosophie


"Da haben wirs ja! Unsere sämtlichen Vorstellungen haben also keine andere objektive Realität, als ihre innere notwendige Ordnung. - Und diese Notwendigkeit woher entspringt sie? Wie läßt sie sich begreifen? Denn wenn es nicht nötig ist, daß die Ordnung unserer Vorstellungen mit einer anderen von uns unabhängigen Ordnung wirklicher Gegestände in der Natur der Dinge übereinstimmt, sondern schon für sich selbst besteht, und bloß subjektiv ist; so muß es ja wohl vollkommen gleichgültig sein, wie wir unsere Vorstellungen ordnen und verbinden wollen; genug, wenn sie nur geordnet und verbunden werden; so muß es ja wohl lediglich an uns liegen, die fürchterlichste Unordnung als die vollkommenste Ordnung anzuschauen."

Vorerinnerung

Prüft alles, und das Gute behaltet! - Über die Richtigkeit und allgemeine Anwendbarkeit dieses Grundsatzes ist doch wohl, denke ich, unter uns jetzt keine Frage mehr. - Sollte denn also die Kantische Philosophie von dieser allgemeinen, so sehr praktischen, Vernunftregel eine Ausnahme machen dürfen? Ich denke doch nicht! - Zwar hat die Größe des Mannes, dem unser Zeitalter dieses neue philosophische System verdankt, allerdings etwas Abschreckendes; und fast könnte es verwegen scheinen, die Kantische Philosophie nicht sogleich mit voller Zuversicht zu glauben, sondern sie erst noch lange prüfen, oder wohl gar, nach angestellter Prüfung, noch manches Unrichtige und sich selbst Widersprechende darin finden zu wollen; verwegen umso mehr, da ein sehr respektabler Teil unserer philosophierenden Zeitgenossen ein für allemal schon entschieden zu haben scheint, daß die Kantische Philosophie über jeden möglichen Zweifel, und folglich auch über jeden Versuch, sie erst noch prüfen, oder wohl in manchen Stücken sie noch bestreiten zu wollen, unendlich erhaben ist. Bei so bewandten Umständen möchte man also freilich fast den Mut verlieren, eine solche Prüfung zu unternehmen; zumal, da man fürchten muß, wenigstens bei denen, die sich nun einmal gewöhnt haben, den Nimbus von Unfehlbarkeit, der die Kantische Philosophie in ihren Augen umgibt, für etwas mehr, als bloße Erscheinung, für eine wirkliche Realität zu halten, sehr übel damit anzukommen, und, im Fall man das Unglück hat, darüber anders zu denken, mit verächtlichen Seitenblicken und mit dem höhnenden Endurteil zurückgewiesen zu werden: der arme Mann hat nicht Verstand genug, die Kantische Philosophie gehörig zu fassen und sie richtig zu beurteilen. - Allein so gern und willig ich es auch einräume, daß KANT unter allen Philosophen, die je vom Weib geboren wurden, bis jetzt der größte ist; und so weit ich auch entfernt bin, auf irgendeine Weise mich mit Ihm messen zu wollen; so glaube ich dennoch: Er selbst denkt gewiß, eben darum, weil er KANT ist, viel zu bescheiden und zu vernünftig, als daß er Ansprüche auf Unfehlbarkeit machen sollte. Denn bei aller Größe, bei aller Höhe und Tiefe seines Geistes, ist und bleibt er doch immer noch ein Mensch. Er kann also irren, und kann es desto leichter, je tiefer er in das innere Wesen und in den ganzen Umfang allen menschlichen Wissens als ein Originalgenie einzudringen und sich eine Bahn zu brechen versucht hat, die vor ihm auf diese Art noch niemand wandelte. - Ist es also nicht desto nötiger, erst zu prüfen, ehe man so zuversichtlich glaubt und nachspricht? Man hat ja doch nun einmal wider die Nachbeterei und blinden Glauben, und hingegen für selbständige Denkfreiheit, oder für das unveräußerliche Menschenrecht, selbst zu denken, selbst zu prüfen und über das Geprüfte frei zu urteilen, so vollkommen und so allgemein entschieden, daß ich gar nicht absehe, wie man mir mit Grund einen Vorwurf darüber machen, oder es mir verargen könnte, wenn ich geglaubt habe, auch selbst in Anbetracht der Kantischen Philosophie keine Ausnahme hiervon machen zu dürfen; vielmehr hielt ich mich aus den angeführten Gründen nicht allein berechtigt, sondern auch für verpflichtet, erst selbst zu prüfen, ehe ich derselben meinen vollen und durchgängigen Beifall schenke. Dies habe ich nun getan; ich habe, besonders die Kritik der reinen Vernunft, oft und aufmerksam durchgelesen; ich habe die wesentlichsten Grundsätze und Behauptungen derselben nach ihrem ganzen Inhalt, und nach allen ihren Gründen, nicht allein einzeln wiederholt durchdacht, sondern auch sie untereinander selbst genau verglichen; kurz, ich habe sorgfältig, aber auch gewiß ganz unparteiisch geprüft. - Unparteiisch, sage ich; freilich also nicht mit der, wie es scheint, zwar sehr gewöhnlichen, einer genauen und unbefangenen Untersuchung der Wahrheit aber eben so schädlichen, als äußerst kühnen Voraussetzung, daß es sich  a priori  schon nicht anders denken läßt, als daß das, was ein KANT sagt, notwendig wahr und richtig sein muß, und unmöglich falsch und irrig sein kann; aber doch auch mit dem reinen, festen Vorsatz, das Wahre und Gute, wenn und wo ich es finden würde, willig anzunehmen, und es treulich zu behalten. - -

Darf ich dann aber nun auch sagen, was ich fand? Ja, nun, warum nicht? Denn wenn es erlaubt ist, selbst zu prüfen; so muß es auch erlaubt sein, die Resultate seiner Prüfung öffentlich vorzulegen, teils, um überhaupt ein weiteres Nachdenken darüber zu veranlassen, teils um zu vernehmen, ob und inwiefern die Einsicht und die Stimme des Publikums sie für begründet oder für unbegründet finden und erklären wird. Lediglich in dieser, doch wohl gewiß ganz untadelhaften Absicht, wage ich es also, hiermit öffentlich zu erklären: daß ich nicht allein sehr viele Inkonsequenzen, und zwar gerade in den Hauptbeweisen, sondern auch sogar manche wirkliche, förmliche und ausdrückliche Widersprüche in der Kantischen Philosophie gefunden habe; und zwar Widersprüche, die nicht etwa nur in einzelnen, dunklen und deshalb vielleicht mißverstandenen Stellen oder Ausdrücken, sondern in den wesentlichsten deutlich dastehenden Grundsätzen des Systems liegen, und also von der Art sind, daß sie die ganze Haltung desselben sehr erschüttern, wo nicht ganz zugrunde richten. Dies, verehrungswürdige Männer Deutschlands, dies habe ich gefunden; glaube es wenigstens und zwar aus Gründen, die mich zwingen, es zu glauben; und das sollte ich nicht sagen dürfen? Ich muß gestehen, daß ich gar nicht einsehe, was mit Recht mich davon abhalten könnte oder dürfte. - Zwar schrieb ich einen Teil der Aufsätze, die ich hiermit nun bekannt mache, ursprünglich in der Absicht, sie drucken zu lassen, sondern bloß zu meinem Privatgebrauch und etwa für den einen oder den anderen Freund nieder; und ich würde vielleicht zu ihrer öffentlichen Bekanntmachung mich auch nie entschlossen haben, wenn nicht Männer von bekannter gründlicher Gelehrsamkeit und entschiedenen Verdiensten, denen ich gelegentlich ihrer einige vorlas, mich ausdrücklich dazu aufgefordert hätten. Das Gewicht Ihres Urteils mußte nun aber natürlicher Weise mich veranlassen, darüber noch weiter nachzudenken, und so war bei mir zuerst der Gedanke rege: vielleicht können sie Nutzen stiften, wenn du sie öffentlich mitteilst und reifte zum Entschluß, indem ich nun allerdings deutlich einzusehen glaube: ich bin es der Wahrheit und nicht weniger auch mir selbst schuldig, daß ich die Resultate meiner angestellten Prüfung, sie mögen nun auch ausfallen, wie sie wollen, öffentlich vorlege. - Der Wahrheit und ihrem Dienst! - Denn wann und wo hat es jemals ihr geschadet, wenn sie von allen Seiten her auf das schärfste geprüft wurde? Auch die Kantische Philosophie hat doch wohl unstreitig keine andere Absicht, als uns zur Erkenntnis der Wahrheit zu führen. Aber eben deswegen halte ich es ihr für ungemein zuträglich, daß sie bisher nicht allein Anhänger und Verteidiger, sondern auch Zweifler und Gegner fand, die ihre Grundsätze angriffen. Beide sind ihr und der Welt wirklich nötig und höchst nützlich. Denn hätte sie unter unseren Philosophen entweder die einen oder die anderen nicht gefunden; so würde sie gewiß in beiden Fällen nicht mit demjenigen Interesse, nicht mit derjenigen Schärfe, nicht mit derjenigen Genauigkeit und Beharrlichkeit geprüft werden, womit sie doch geprüft zu werden so sehr verdient. Auch dadurch also, daß ich bis jetzt noch, nicht durchgängig zwar, aber doch in Anbetracht einiger ihrer Hauptlehren, aus voller Überzeugen ihr entschlossener Gegner bin, und es öffentlich werde, glaube ich mich um die Kantische Philosophie verdient zu machen, sie mag nun ansich in diesen ihren Hauptlehren entweder Recht oder Unrecht haben. Hat sie Unrecht; nun, so wird sie unfehlbar an innerem Wert sehr gewinnen, wenn sie dieses Unrecht bekennt und von sich ablegt; hat sie aber Recht, nun, so wird sie dann auch Recht behalten, und, indem sie meine Zweifel hebt, so wird sie ihr Reich nicht allein bei mir, sondern auch vielleicht bei tausend anderen erweitern, die mit mir gleiche Zweifel hegten. Auch mir selbst gewiß nicht unwichtigen Zweifel über die Kantische Philosophie schuldig zu sein. Denn ich suche Wahrheit und bin verpflichtet sie zu suchen, nicht allein für mich, sondern auch für andere. Nun irre ich mich aber entweder in der Kantischen Philosophie, oder ich irre mich nicht. Ist das letztere und sind also meine Bemerkngen wahr und gegründet, so ist keine Frage weiter, ob ich sie mitteilen durfte oder mußte. Irre ich mich aber; nun, so muß ich doch notwendig wünschen, von meinem Irrtum so bald als möglich gänzlich zurückkommen, und hingegen zu jenen Glücklichen, die das Licht der Kantischen Philosophie schon mit vollen Zügen schlürfen, sobald als möglich mich gesellen zu können. Zürnen Sie also nicht, meine verehrungswürdigen Mitforscher nach Wahrheit, daß ich Ihnen die Resultate meiner Prüfung öffentlich vorlege. Ich suche und wünsche nur Belehrung, um entweder in meiner bisherigen Überzeugung desto fester zu werden:o der von der Wahrheit und Vollgültigkeit der Kantischen Philosophie umso gründlicher micht überzeugen zu können. Nach meiner jetzigen, mir unwiderstehlich einleuchtenden Überzeugung, die ich also nicht zu schelten bitten, muß ich nun aber freilich erklären, daß ich die Kritik der reinen Vernunft für das Muster seiner wesentlichen Grundsätze ganz unhaltbaren, und nicht selten sich selbst widersprechenden Systems halte. Hier sind meine Beweise! - Ehe ich nun aber diese aufstelle, muß ich mich noch zuvor mit einem Schutzbrief versehen, der doch wohl unstreitig volle Gültigkeit haben wird. Den kein Geringerer, als KANT selbst, schrieb ihn schon für mich, wenn er in seiner "Kritik der reinen Vernunft", Seite 780 spricht: "Zu dieser Freiheit, (es ist nämlich vorhin von einer Freiheit die Rede die durch gesetzlichen Zwang nur dahin eingeschränkt werden darf, daß sie mit jedes anderen Freiheit, und eben dadurch mit dem gemeinen Besten bestehen kann,) "gehört dann auch  die,  seine Gedanken,  seine Zweifel,  die man sich nicht selbst auflösen kann, öffentlich zur Beurteilung auszustellen, ohne darüber als ein unruhiger und gefährlicher Bürger verschrieen zu werden. Dies liegt schon im ursprünglichen Recht der menschlichen Vernunft, welche keinen anderen Richter erkennt, als selbst wiederum die allgemeine Menschenvernunft,  worin ein jeder seine Stimme hat;  und da von dieser alle Besserung, deren unser Zustand fähig ist, herkommen muß;  so ist ein solches Recht heilig und darf nicht geschmälert werden."  Hat nun also, wie KANT sagt, hier ein jeder seine Stimme; so, denke ich, werde auch ich sie haben, und sie also auch getrost geben dürfen. Hier ist sie! Man höre und prüfe; aber, wenn es möglich ist, ohne Vorurteile, und, wenn ich bitten darf, ohne Zanken und Schelten! Ich wenigstens denke nicht, in der Darstellung dessen, was ich gegen das Kantische System einzuwenden fand, die Grenzen der Bescheidenheit überschritten zu haben. Sollte es aber dennoch irgendwo geschehen sein, so bitte ich deshalb schon im voraus um Verzeihung, und erkläre, daß es nicht meine Absicht war zu beleidigen, sondern nur frei und laut zu sagen, was mir aus Gründen, denen ich nicht zu widerstehen vermag, Wahrheit oder Irrtum ist. Will mich also jemand widerlegen, oder mich eines anderen belehren, den bitte ich, aus dem, was ich in der Kantischen Philosophie für unerweislich, oder für einen Widerspruch, und mithin für irrig halte, nicht etwa nur das eine oder andere aufzugreifen, was vielleicht noch wohl einiger Entschuldigung fähig ist und dagegen das Hauptsächlichste mit Stillschweigen zu übergehen; sondern mir Schritt für Schritt zu folgen, auf das Ganze zu sehen, und vornehmlich mit seinen Erläuterungen oder gegenseitigen Belehrungen da zu wählen, wo Inkonsequenzen, oder förmliche Widersprüche, oder unvermeidliche Folgen von Irrtümern wohl am schwersten abzulehnen sein möchten. Kurz, wer imstande ist, mich mit Gründen zu widerlegen, mit Gründen, sage ich, die wörtlich beweisen, was man damit beweisen will; der bediene sich seines Rechts und rechne darauf, daß ich ihn mit Vergnügen hören, und ihm, als Freund der Wahrheit, danken werde. Ist er aber überall, oder doch wenigstens in manchen wesentlichen Punkten, das zu leisten nicht vermögend; so gebe er auch der Wahrheit die Ehre; so gestehe er auch, daß Irrtum doch nur Irrtum ist, wenn auch selbst ein KANT ihn lehrte. Dies zu fordern, ist das Recht der allgemeinen Menschenvernunft; und ich darf hoffen, daß man auch gegen mich, auch gegen einen Antikantianer,, dieses heilige Recht nicht werde schmälern wollen.



Was lehrt denn eigentlich Kant
der Einzige?


§ 1.

Die Hauptlehre, oder das erste und hauptsächlichste Fundament (proton pseudos [erste Irrtum - wp]) der ganzen Kantischen Philosophie ist die Lehre dieses großen und in seiner Art einzigen Philosophen von Raum und Zeit. er lehrt nämlich: Raum und Zeit setzt nicht etwas außer uns, sondern eine subjektive Form unserer Sinnlichkeit, oder unserer inneren sowohl als äußeren sinnlichen Anschauung. Alles also, was im Raum und in der Zeit von uns angeschaut wird, ist bloß Erscheinung, d. h. es existiert bloß in unserer Vorstellung, ansich aber ist es Nichts! - Jedoch wir müssen vor allen Dingen wohl ihn selbst darüber sprechen lassen. (1)

Seite 42: heißt es: "Der Raum ist nichts anderes, als nur die Form aller Erscheinungen äußerer Sinne, d. h. die subjektive Bedingung der Sinnlichkeit unter der allein uns äußere Anschauung möglich ist. - Gehen wir von der subjektiven Bedingung ab; - so bedeutet die Vorstellung vom Raum gar nichts."

Seite 44: "Wir behaupten also, daß der Raum nichts ist, sobald wir ihn als etwas, was den Dingen ansich zugrunde liegt, annehmen."

Seite 49: "Die Zeit ist nichts anderes, als die Form des inneren Sinnes, d. h. des Anschauens unserer selbst, und unseres inneren Zustandes. Denn die Zeit kann keine Bestimmung äußerer Erscheinungen sein, sondern sie bestimmt nur das Verhältnis unserer Vorstellungen in unserem inneren Zustand."

Seite 50: "Die Zeit ist die formale Bedingung  a priori  aller Erscheinungen überhaupt. Der Raum, als die reine Form aller äußeren Anschauung, ist als Bedingung  a priori  bloß auf äußere Erscheinungen eingeschränkt. Dagegen, weil alle Vorstellungen, sie mögen nun äußere Dinge zum Gegenstand haben oder nicht, doch ansich, als Bestimmungenn des Gemüts zum inneren Zustand gehören; (2) dieser innere Zustand aber, unter der formalen Bedingung der inneren Anschauung, mithin der Zeit gehört; so ist die Zeit eine Bedingung  a priori  von aller Erfahrung überhaupt, und zwar die unmittelbare Bedingung der inneren, und eben dadurch mittelbar auch der äußeren Erscheinungen."

Seite 55: "Zeit und Raum sind zwei Erkenntnisquellen aus denen  a priori  verschiedene synthetische Erkenntnisse geschöpft werden können, wie vornehmlich die reine Mathematik in Anbetracht der Erkenntnisse vom Raum und dessen Verhältnissen ein glänzendes Beispiel gibt. Sie sind nämlich beide zusammengenommen reine Formen aller sinnlichen Anschauung, und machen dadurch synthetische Sätze  a priori  möglich. Aber diese Erkenntnisquellen bestimmen sich eben dadurch, daß sie bloße Bedingungen der Sinnlichkeit sind, ihre Grenzen, nämlich, daß sie bloße auf Gegenstände gehen, sofern sie als Erscheinungen betrachtet werden, nicht aber Dinge ansich darstellen. Jene allein sind das Feld der Gültigkeit, woraus, wenn man hinausgeht, weiter keine objektiver Gebrauch derselben stattfindet."

Seite 59: "Wir haben also sagen wollen, daß all unsere Anschauung nichts als die Vorstellung von Erfahrung ist; daß die Dinge, die wir anschauen, nicht das ansich sind, wofür wir sie anschauen, noch ihre Verhältnisse so ansich beschaffen sind, als sie uns erscheinen," (NB. So weit geht noch alles gut! Denn hier gibt doch KANT noch zu, daß es wirkliche Dinge sind, die wir anschauen, obgleich sie uns nicht ihrem inneren Wesen nach, sondern bloß ihrer Außenseite nach erscheinen! Aber nun! "und daß, wenn wir, unser Subjekt, oder auch nur die subjektive Beschaffenheit unserer Sinne überhaupt aufheben, all die Beschaffenheit,  alle Verhältnisse der Objekte in Raum und Zeit, ja selbst Raum und Zeit verschwinden  würden, und als Erscheinungen  nicht ansich,  sondern  nur in uns  existieren können." (Also alles, was im Raum und in der Zeit ist, das ist alles  bloß in uns!  "Was es für eine Bewandtnis mit den Gegenständen  ansich,  und abgesondert von all dieser Rezeptivität unserer Sinnlichkeit haben mag, bleibt uns gänzlich unbekannt." (Aber lieber KANT, wenn uns das gänzlich unbekannt ist, wie kann man dann wissen was ihnen zukommt, und was hingegen nicht? Wie kann man denn so dreist entscheiden, und so apodiktisch [logisch zwingend, demonstrierbar - wp] sagen und bestimmen, daß die vermeintliche Beschaffenheit ihnen durchaus gar nicht zukommen  könnte?  Wie kann man so apodiktisch festsetzen, daß die Gegenstände ansich im Raum und in der Zeit durchaus gar nicht existieren  können?  Wie ist es denn möglich, von gänzlich unbekannten Gegenstände etwas so apodiktisch verneinen zu können? - Und überhaupt, wie ist es möglich, daß es außer uns noch wirkliche, bekannte oder unbekannte Gegenstände geben kann, wenn es außer uns schlechterdings keinen Raum und keine Zeit gibt? O! Philosophia - cui lumen ademtum! [O Philosophie - dir wurde das Augenlicht genommen. - wp]) "Wir kennen weiter nichts, als unsere Art, sie wahrzunehmen; (Und diese muß mit den Dingen ansich selbst notwendig disharmonisch, d. h. notwendig falsch sein?) "die uns eigentümlich ist, die auch nicht notwendig jedem Wesen, obwohl jedem Menschen zukommen muß." (Diesen Satz wollen wir uns doch auch ein wenig merken!) "Mit dieser haben wir es lediglich zu tun. Raum und Zeit sind die reinen Formen derselben; Empfindung überhaupt die Materie. Jene können wir allein  a priori,  d. h. vor aller wirklichen Wahrnehmung erkennen, und sie heißt darum Anschauung; diese aber ist das in unserer Erkenntnis, was da macht, daß sie Erkenntnis  a posteriori,  d. h. empirische Anschauung heißt. Jene hängen unsere Sinnlichkeit schlechthin notwendig an," (Woher dann aber diese Notwendigkeit, wenn diese Einrichtung bloß subjektiv, übrigens aber in der Natur und wesentlichen Beschaffenheit der Dinge ansich gar nicht gegründet, sondern vielmehr mit derselben völlig disharmonisch ist?) "welcher Art auch unsere Empfindungen sein mögen; diese können sehr verschieden sein. Wenn weir diese unsere Anschauungn auch zum höchsten Grad der Deutlichkeit bringen könnten; so würden wir dadurch der Beschaffenheit der Gegenstände ansich nicht näher kommen." (Also unsere ganze Naturlehre ist ein leeres Phantom! Das Studium der selben ist vergebliche Mühe! Denn,) "den wir würden auf jeden Fall doch nur unsere Art der Anschauung, d. h. unsere Sinnlichkeit vollständig erkennen, und diese immer nur unter den dem Subjekt ursprünglich anhängenden Bedingungen von Raum und Zeit; was die Gegenstände ansich sein mögen, würde uns durch die aufgeklärte Erkenntnis der Erscheinung  derselben,  die uns allein gegeben ist, doch niemals bekannt werden." (Also bloß die Erscheinung  derselben  ist uns gegeben. Folglich sind es ja doch immer Gegenstände ansich,  die uns erscheinen.  Daraus sollte man denken, ließe sich doch nun vorläufig schon immer soviel erkennen:  ihre innere eigentümliche Beschaffenheit muß es doch so mit sich bringen, daß sie uns gerade so, und nicht anders erscheinen.  Aber, nein! alles nichts! Wir mögen wahrnehmen und erkennen, was wir wollen; so ist es doch immer  bloß unsere eigene Sinnlichkeit!  Wie sonderbar!)

Seite 61: "Die Vorstellung eines Körpers in der Anschauung enthält gar nicht,"  (gar nichts! gar nichts!)  "was einem Gegenstand ansich zukommen könnte," (Wie entscheidend! Wie apodiktisch! Und das alles von Gegenständen, die uns doch gleichwohl gänzlich unbekannt sein sollen!) "sondern bloß die Erscheinung von etwas," (Also ist es ja doch  ein Etwas, das  uns erscheint! Wie, kann dann also gleichwohl alles bloß subjektiv, bloß in uns selbst sein?) "und die Art, wie wir dadurch affiziert werden, und diese Rezeptivität unserer Erkenntnisfähigkeit heißt Sinnlichkeit, und bleibt von der Erkenntnis des Gegenstandes ansich, obgleich man jene (die Erscheinung) bis auf den Grund durchschauen möchte, dennoch himmelweit unterschieden." (Wie weit ist denn das eigentlich? Der Grund der Erscheinung ist ja doch der Gegenstand ansich! Nicht wahr?)

Seite 62: "Sobald wir unsere subjektive Beschaffenheit wegnehmen, so ist auch das vorgestellte Objekt mit den Eigenschaften, die ihm die sinnliche Anschauung beilegte, überall nirgends anzutreffen, und kann überall nirgendwo angetroffen werden. - "In der Erscheinung ist  gar nichts  anzutreffen was (NB. NB.)  irgendeine Sache ansich anginge."  (Also auch unser Körper, mit allen seinen äußeren Gliedmaßen und Handlungen, als bloßen Erscheinungen, geht uns selbst  gar  nichts an! Das wird eine vortreffliche Moral geben!)

Seite 63: "Nich allein die Regentropfen sind bloße Erscheinungen, sondern selbst ihre runde Gestalt, ja sogar der Raum, worin sie fallen, sind  nichts ansich,  sondern  bloße Modifikationen,  oder Grundlagen unserer sinnlichen Anschauung," (Woher entspringen dann aber dieses Modifikationen? Was veranlaßt uns bewirkt sie dann in uns?) "das transzendentale Objekt aber bleibt uns völlig unbekannt. (z. B.: Es ist im Grunde nichts! Denn wenn Objekte ansich den Erscheinungen zugrunde liegen; so können sie auch keine bloßen Modifikationen unserer sinnlichen Anschauung sein; sind sie aber diese; so liegt ihnen auch weiter nichts zugrunde. Außer den Erscheinungen gibt es also nichts!)

Seite 148: "Raum und Zeit gelten, als Bedingungen der Möglichkeit, wie uns Gegenstände gegeben werden können, nicht weiter, als für Gegenstände der Sinne, mithin der Erfahrung. Über diese Grenzen hinaus stellen sie gar nichts dar; denn  sie sind nur in den Sinnen, und haben außer ihnen keine Wirklichkeit." 

Seite 236: "Das haus, das vor mit steht, ist gar kein Ding ansich, sondern nur eine Erscheinung, d. h. Vorstellung, deren transzendentaler Gegenstand unbekannt ist." (Das Letztere sagt KANT hin und wieder bloß  pro forma.  Denn wenn die Erscheinungen ihren Grund bloß in der Form unserer sinnlichen Anschauung haben, und bloße Vorstellungen sind; so ist ja durhcaus gar kein Grund vorhanden, ihnen außerdem auch noch wirkliche Gegenständ zugrunde zu legen. Dies gesteht KANT selbst in den folgenden Stellen, die wir sogleich hier beifügen!)

Seite 242: "Wir haben Vorstellungen in uns, deren wir uns auch bewußt werden können. Dieses Bewußtsein aber mag so weit erstreckt, und so genau oder pünktlich sein, wie man will; so bleiben es doch nur immer Vorstellungen, d. h. innere Bestimmungen unseres Gemüts in diesem oder jenem Zeitverhältnis. Wie kommen wir nun dazu, daß wir diesen Vorstellungen ein Objekt setzen, oder über ihre subjektive Realität als Modifikationen, ihnen noch, ich weiß nicht was für eine objektive beilegen? - Wenn wir untersuchen, was denn die Beziehung auf ein Objekt unseren Vorstellungen für eine neue Beschaffenheit gibt, und welches die Dignität ist, die sie dadurch erhalten; so finden wir, daß sie nichts weiter tut, als die Verbindung der Vorstellungen auf eine gewisse Art notwendig zu machen, und sie einer Regel zu unterwerfen; und daß umgekehrt nur dadurch, daß eine gewisse Ordnung im Zeitverhältnis unserer Vorstellungen notwendig ist, ihnen objektive Bedeutung erteilt wird." (Da haben wirs ja! Unsere sämtlichen Vorstellungen haben also keine andere objektive Realität, als ihre innere notwendige Ordnung. - Und diese Notwendigkeit woher entspringt sie? Wie läßt sie sich begreifen? Denn wenn es nicht nötig ist, daß die Ordnung unserer Vorstellungen mit einer anderen von uns unabhängigen Ordnung wirklicher Gegestände in der Natur der Dinge übereinstimmt, sondern schon für sich selbst besteht, und bloß subjektiv ist; so muß es ja wohl vollkommen gleichgültig sein, wie wir unsere Vorstellungen ordnen und verbinden wollen; genug, wenn sie nur geordnet und verbunden werden; so muß es ja wohl lediglich an uns liegen, die fürchterlichste Unordnung als die vollkommenste Ordnung anzuschauen. Ist nun aber diese Ordnung unserer Vorstellungen nach einer bestimmten Form von Zeitverhältnissen  a priori  schon notwendig;, woher kommt es dann, daß in den Vorstellungen mancher Menschen so wenig Ordnung und Zusammenhang, oder eine Zusammenordnung von so ganz entgegengesetzter Art, als bei anderen herrscht?)

Seite 344: "Es ist völlig unbekannt, ob das  transzendentale Objekt,  das sich der Verstand als Ursache der Erscheinungen denkt,  ob es in uns, oder auch außer uns anzutreffen  ist; ob es mit der Sinnlichkeit  zugleich aufgehoben werden,  oder, wenn wir jene wegnehmen, noch übrig bleiben würde. Wollen wir dieses Objekt  Noumenon  nennen, darum, weil die Vorstellung von ihm nicht sinnlich ist, so steht uns das frei. Da wir keine von unseren Verstandesbegriffen (Größe, Realität, Substanz etc.) darauf anwenden können; so bleibt  diese Vorstellungen doch für uns leer, und dient zu nichts anderem,  als die Grenzen unserer sinnlichen Erkenntnis zu bezeichnen, und einen Raum übrig zu lassen, den wir weder durch eine mögliche Erfahrung, noch durch den reinen Verstand ausfüllen können." -  (Also ist es völlig bekannt, und folglich auch gänzlich ungewiß, ob den Erscheinungen noch etwas außer uns zugrunde liegt!) 

Seite 518: "Wir haben in der transzendentalen Ästhetik hinreichend bewiesen (? !), daß alles, was im Raum oder der Zeit angeschaut wird, mithin alle Gegenstände einer uns möglichen Erfahrung,  nichts als Erscheinungen, d. h. bloße Vorstellungen sind,  die so wie sie vorgestellt werden,  als ausgedehnte Wesen,  oder Reihen von Veränderungen,  außer unseren Gedanken keine ansich gegründete Existenz haben."  (Also gibt es keine Menschen? Keine wirkliche Geschichte? Denn jene sind doch ausgedehnte Wesen, und diese ist eine Reihe von Veränderungen!) "Diesen Lehrbgegriff nenne ich den transzendentalen Idealismus.!"

Seite 521: "Die Gegenstände der Erfahrung sind niemals ansich, sondern nur in der Erfahrung gegeben, und  existieren außer derselben gar nicht.  Daß es Einwohner im Mond geben kann, obgleich sie kein Mensch jemals wahrgenommen hat, muß allerdings eingeräumt werden;  aber es bedeutet nur soviel:  daß wir im möglichen Fortschritt der Erfahrung auf sie treffen könnten; denn alles ist wirklich, was mit einer Wahrnehmung nach Gesetzen des empirischen Fortgangs in einem Kontext steht. Sie sind also erst dann wirklich, wenn sie mit meinem wirklichen Bewußtsein in einem empirischen Zusammenhang stehen,  obgleich sie darum nicht ansich, d. h. außer diesem Fortschritt der Erfahrung wirklich sind."  (Also unsere Wahrnehmung kann Einwohner auf dem Mond wirklich machen, wenn sie auch ansich nicht wirklich sind? Das ist doch äußerst sonderbar! Warum mag dann also unsere Wahrnehmung nicht schon lange dergleichen wirklich gemacht haben? Man hat ja doch schon so lange und so viel danach geguckt, und doch sind noch keine dadurch wirklich geworden, das heißt, mit unserem wirklichen Vernunftsein in einen empirischen Zusammenhang gebracht worden. Wie mag das zugehen?)

Seite 534: "Wenn die Welt ein ansich existierendes Ganzes ist; so ist sie entweder endlich, oder unendlich. Nun ist das erstere sowohl, als das zweite falsch. -  Also ist es auch falsch, daß die Welt,  der Inbegriff aller Erscheinungen,  ein ansich existierendes Ganzes ist.  Woraus dann folgt, daß Erscheinungen überhaupt  außer unseren Vorstellungen nichts sind,  was wir eben durch die transzendentale Idealität derselben sagen wollten. Diese Anmerkung ist von Wichtigkeit.

Seite 74 - 75: "Unsere Erkenntnis entspringt aus zwei Grundquellen des Gemüts, deren die erste ist, die Vorstellungen zu empfangen, (die Rezeptivität der Eindrücke,) die zweite das Vermögen, durch diese Vorstellungen einene Gegenstand zu erkennen, (Spontaneität der Begriffe) durch die erstere wird uns ein Gegenstand gegeben, durch die zweite wird dieser im Verhältnis auf jene Vorstellung, als bloße Bestimmung des Gemüts, gedacht. Anschauungen und Begriffe machen als die Elemente aller unserer Erkenntnis aus, so daß weder Begriffe, ohne eine ihnen auf einige Art korrespondierende Anschauung, noch Anschauung ohne Begriffe, eine Erkenntnis abgeben können. Beide sind entweder rein oder empirisch. Empirisch, wenn eine Empfindung (die die wirkliche Gegenwart des Gegenstandes voraussetzt,) darin enthalten ist; rein aber, wenn der Vorstellung keine Empfindung beigemischt ist. Man kann die letztere die Materie der sinnlichen Erkenntnis nennen. Daher enthält reine Anschauung lediglich die Form, unter welcher etwas angeschaut wird, und reiner Begriff allein die Form des Denkens eines Gegenstandes überhaupt. Nur allein reine Anschauungen oder Begriffe sind  a priori  möglich; empirische nur  a posteriori.  Wollen wir  die Rezeptivität unseres Gemüts,  Vorstellungen zu empfangen, sofern es auf irgendeine Weise affiziert wird, Sinnlichkeit nennen; so ist dagegen  das Vermögen, Vorstellungen selbst hervorzubringen,  oder die Spontaneität der Erkenntnisse, der Verstand." (Also auch unsere Sinnlichkeit ist eine bloße Rezeptivität unsere Gemüts. Denn einen Körper und äußere Sinne haben wir eigentlich ganz und gar nicht, indem nämlich der Körper, als ein ausgedehntes Wesen, eine bloße Erscheinung, d. h. Vorstellung ist, und mithin außer unseren Gedanken keine ansich begründete Existenz hat. -) "Unsere Natur bringt es so mit sich, daß die Anschauung niemals anders, als sinnlich sein kann, d. h. nur die Art enthält, wie wir von Gegenständen affiziert werden. Dagegen ist das Vermögen, den Gegenstand sinnlicher Anschauung zu denken, der Verstand. Keine dieser Eigenschaften ist der anderen vorzuziehen. Ohne Sinnlichkeit würde uns keine Gegenstand gegeben, und ohne Verstand keiner gedacht werden. Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind." (Was mag das heißen: Anschauungen sind blind? das scheint ja fast eine  contradictio in adjecto  [Widerspruch in sich - wp] zu sein!) "Daher ist es ebenso notwendig, seine Begriffe sinnlich zu machen, d. h. ihnen den Gegenstand in der Anschauung beizufügen; sich als seine Anschauungen verständlich zu machen, d. h. sie unter Begriffe zu bringen. Beide Vermögen oder Fähigkeiten können auch ihre Funktionen nicht vertauschen. Der Verstand vermag nichts anzuschauen, und die Sinne nichts zu denken. Nur daraus, daß sie sich vereinigen, kann Erkenntnis entspringen."

Seite 102: "Raum und Zeit enthalten ein Mannigfaltiges der reinen Anschauung  a priori,  gehören aber gleichwohl zu den Bedingungen der Rezeptivität unseres Gemüts, unter denen es allein Vorstellungen von Gegenständen empfangen kann, die mithin auch den Begriff derselben jederzeit affizieren müssen. Allein die Spontaneität unseres Denkens erfordert es, daß dieser Mannigfaltige zuerst auf gewisse Weise durchgegangen, aufgenommen und verbunden werde, um daraus Erkenntnis zu machen. Diese Handlung nenne ich Synthese. Ich verstehe aber unter Synthese in der allgemeinsten Bedeutung die Handlung, verschiedene Vorstellungen zueinander hinzu zu tun, und ihre Mannigfaltigkeit in einer Erkenntnis zu begreifen. -  Die Synthese überhaupt ist die bloße Wirkung der Einbildungskraft,  einer blinden, obgleich unentbehrlichen Funktion der Seele, ohne die wir überall gar keine Erkenntnis haben, der wir uns aber selten nur einmal bewußt sein." (Also alle unsere Erkenntnis ist im Grunde bloße Einbildung!) "Allein diese Synthesis auf Begriffe zu bringen, das ist eine Funktion, die dem Verstand zukommt, und wodurch er uns allererst die Erkenntnis in eigentlicher Bedeutung verschafft. - Das Erste (Seite 104) was uns zum Zweck der Erkenntnis aller Gegenstände  a priori  gegeben sein muß, ist das Mannigfaltige der reinen Anschauung; die Synthesis dieses Mannigfaltigen durch die Einbildungskraft ist das Zweite, gibt aber noch keine Erkenntnis. Die Begriffe, welcher dieser reinen Synthesis Einheit geben, und lediglich in der Vorstellung dieser notwendigen synthetischen Einheit bestehen, tun das Dritte zur Erkenntnis eines vorkommenden Gegenstandes, und beruhen auf dem Verstand. - Wir wollen (Seite 105) diese Begrife nach dem ARISTOTELES  Kategorien  nennen. - Ihre Tafel (Seite 106) ist diese:
    1) der Quantität; (dahin gehören die Begriffe) der Einheit, Vielheit, Allheit;

    2) der Qualität (dahin gehören die Begriffe,) der Realität, der Negation, der Limitierung;

    3) der Relation (nämlich) der Inhärenz und Subsistenz (Substantia & accidens) der Kausalität und Dependenz (Ursache und Wirkung,) der Gemeinschaft (Wechselwirkung zwischen den Handelnden und Leidenden).

    4) Der Modalität, (nämlich) Möglichkeit und Unmöglihkeit, Dasein und Nichtsein, Notwendigkeit und Zufälligkeit."
(Also das alles sind bloße Begriffe, bloße subjektive Denkformen; außer uns aber und ansich sind sie nichts!)

Seite 124 - 126: "Es sind nur zwei Fälle möglich, unter denen synthetische Vorstellungen und ihre Gegenstände zusammentreffen, sich aufeinander notwendigerweise beziehen, und gleichsam einanander begegnen können. Entweder wenn der Gegenstand die Vorstellung,  oder diese den Gegenstand möglich macht.  Ist das Erstere; so ist diese Beziehung bloß empirische und die Vorstellung ist niemals  a priori  möglich. - Ist aber das Zweite, weil Vorstellung ansich - ihren Gegenstand dem Dasein nach nicht hervorbringt; so ist doch die Vorstellung in Anbetracht des Gegenstandes sodann  a priori bestimmend,  wenn durch sie allein es möglich ist, etwas als einen Gegenstand zu erkennen. Es sind aber zwei Bedingungen, unter denen allein die Erkenntnis eines Gegenstandes möglich ist, erstens Anschauung, wodurch derselbe aber nur als Erscheinung gegeben wird; zweitens Begriff, wodurch ein Gegenstand gedacht wird, der dieser Anschauung entspricht. Es ist aber aus dem Obigen klar, daß die erste Bedingung, unter der allein die Gegenstände angeschaut werden, in der Tat den Objekten der Form nach  a priori im Gemüt zugrunde  liegt. Mit dieser formalen Bedingung der Sinnlichkeit stimmen also alle Erscheinungen notwendig überein, weil sie nur durch dieselbe erscheinen, d. h. empirisch angeschaut und gegeben werdne können. Nun frägt es sich, ob nicht auch Begriffe  a priori  vorausgehen, als Bedingungen, unter denen allein etwas, wenngleich nicht angeschaut, so doch als Gegenstand überhaupt gedacht wird; denn  sodann ist alle empirische Erkenntnis der Gegenstände solchen Begriffen notwendigerweise gemäß,  weil ohne deren Voraussetzung nichts als Objekt der Erfahrung möglich ist. Nun enthält aber alle Erfahrung, außer der Anschauung der Sinne, wodurch etwas gegeben wird, noch einen Begriff von einem Gegenstand, der in der Anschauung gegeben wird oder erscheint;" (KANT erkennt und beweist also hier aus der Erfahrung oder  a posteriori,  daß etwas  a priori  ist. Das wollen wir uns doch merken!) "demnach werden Begriffe von Gegenständen überhaupt, als Bedingungen  a priori,  aller Erfahrungserkenntnisse zugrunde liegen; folglich wird die objektive Gültigkeit der Kategorien, als Begriffe  a priori,  darauf beruhen, daß  durch sie allein Erfahrung,  der Form es Denkens nach,  möglich ist.  Denn dann beziehen sie sich notwendigerweise und  a priori  auf Gegenstände der Erfahrung, weil nur mittels ihrer überhaupt irgendein Gegenstand der Erfahrung gedacht werden kann."

Seite 127: "Durch diese Begriffe kann der Verstand selbst Urheber der Erfahrung sein, worin seine Gegenstände angetroffen werden können."

Seite 136: "Der oberste Grundsatz der Möglichkeit aller Anschauung in Beziehung auf die Sinnlichkeit war laut der transzendentalen Ästhetik: daß alles Mannigfaltige derselben unter den formalen Bedingungen des Raums und der Zeit steht. Der oberste Grundsatz eben derselben in Beziehung auf den Verstand ist, daß alles Mannigfaltige der Anschauung unter Bedingungen der ursprünglich-synthetischen Einheit der Apperzeption steht. - Dieser letztere Grundsatz (Seite 138) sagt nichts weiter, als daß alle meine Vorstellungen in irgendeiner gegebenen Anschauung unter der Bedingung stehen müssen, unter der ich sie allein als  meine  Vorstellungen zum identischen Selbst rechnen, und also, als in einer Apperzeption synthetisch verbunden, durch den allgemeinen Ausdruck:  Ich denke,  zusammenfassen kann. - Objekt aber (Seite 137) ist das, in dessen Begriff das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung vereinigt ist." - (Also ein Objekt ist nichts ansich, sondern existiert ebenfalls bloß in unserer Vorstellung; ist bloß eine Zusammenfassung mannigfaltiger Vorstellungen in eine einige zusammengesetzte Vorstellung!)

Seite 159: "Jetzt soll die Möglichkeit erklärt werden, durch Kategorien die Gegenstände, die nur immer unseren Sinnen vorkommen mögen, und zwar nicht der Form ihrer Anschauung, sondern den Gesetzen ihrer Verbindung nach,  a priori  zu erkennen, als  der Natur gleichsam das Gesetz vorzuschreiben,  und sie  sogar möglich  zu machen." (Das ist doch wirklich  eine ganz eigentlich erstaunungswürdige Lehre.  Wie doch nun auf einmal die Welt sich umkehrt! Bisher glaubten wir: wir hingen von der Natur und ihren Gesetzen, und diese nur von Gott ab; nun erfahren wir aber: es ist gerade umgekehrt; wir selbst sind Schöpfer und Gesetzgeber der Natur! - Wir haben dann aber freilich doch nicht Ursache, auf diese unsere Schöpferkraft stolz zu sein; zumal unser ganzes Geschöpf ja doch weiter nichts, als ein leeres Phantom ist!)

Seite 163: "Kategorien sind Begriffe, welche den Erscheinungen, mithin der Natur, als dem Inbegriff aller Erscheinungen, Gesetze  a priori  vorschreiben, und nun fragt sich,  da sie nicht von der Natur abgeleitet werden, und sich nach ihr, als ihrem Muster richten,  weil sie sonst bloß empirisch sein würden, wie es zu begreifen ist,  daß die Natur sich nach ihnen richten müsse,  d. h. wie sie die Verbindung des Mannigfaltigen der Natur, ohne sie von dieser abzunehmen,  a priori  bestimmen können. Hier ist die Auflösung dieses Rätsels." (Ja wohl ein Rätsel, das in der Welt nicht seinesgleichen hat, das sich dann aber freilich von selbst schon auflöst, wenn die obigen Grundsätze von Raum und Zeit ihre Richtigkeit haben. Darauf kommt also am Ende alles an!) "Erscheinungen nämlich (Seite 164)  sind bloße Vorstellungen.  Als bloße Vorstellungen aber stehen sie unter  gar keinem Gesetz  der Verknüpfung,  als  demjenigen, welches das verknüpfende Vermögen  vorschreibt.  Nun ist das, was das Mannigfaltige der sinnlichen Anschauung verknüpft, Einbildungskraft, die vom Verstand, der Einheit ihrer intellektuellen Synthesis nach, und von der Sinnlichkeit, der Mannigfaltigkeit der Apprehension nach, abhängt. Da nun von der Synthese der Apprehension alle mögliche Wahrnehmung, sie selbst aber, diese empirische Synthesis, von der transzendentalen, mithin den Kategorien abhängt; so  müssen  alle mögliche Wahrnehmungen, mithin auch alles was zum empirischen Bewußtsein immer gelangen kann, d. h.  alle Erscheinungen der Natur, ihrer Verbindung nach, unter den Kategorien stehen, von welchen die Natur,  als dem ursprünglichen Grund ihrer notwendigen  Gesetzmäßigkeit  abhängt."

Seite 166: "Es sind nur zwei Wege, auf welchen eine notwendige Übereinstimmung der Erfahrung mit den Begriffen von ihren Gegenständen gedacht werden kann: entweder die Erfahrung macht die Begriffe, oder diese Begriffe machen diese Erfahrung möglich. Das Erste findet nicht in Anbetracht der Kategorien, auch nicht der reinen sinnlichen Anschauung statt; denn sie sind Begriffe  a priori,  mithin unabhängig von der Erfahrung. Die Behauptung eines empirischen Ursprungs wäre eine Art von  generatio aequivoca  [elternlose Geburt - wp] Folglich bleibt nur das Zweite übrig, gleichsam ein System der Epigenesis der reinen Vernunft, daß nämlich die Kategorien von Seiten des Verstandes die Gründe der Möglichkeit aller Erfahrung überhaupt enthalten." (Vermutlich wird auch hier wohl die Wahrheit in der Mitte liegen. Datur enim tertium [ein Drittes ist möglich - wp])

Seite 198: "Alle Gesetze der Natur stehen ohne Unterschied unter höheren Grundsätzen des Verstandes, indem sie diese nur auf besondere Fälle der Erscheinung anwenden." (Also auch das Gesetz der Natur, nach welchem sich die Erde um die Sonne bewegt, steht unter höheren Grundsätzen unseres Verstandes, und hängt lediglich von ihm ab. Da es nun ehedem ein Grundsatz des Verstandes war; die Sonne müsse um die Erde laufen, und diese müsse still stehen; so lieft ehedem die Sonne auch wirklich um die Erde, und die Erde stand still !!!).

LITERATUR: Wilhelm Friedrich Schäffer - Inkonsequenzen und auffallende Widersprüche in der Kantischen Philosophie, besonders in der Kritik der reinen Vernunft, Dessau 1792
    Anmerkungen
    1) Es ist zu beachten, daß ich die Stellen, die ich aus KANTs "Kritik der reinen Vernunft" hier anführen werde, nach der zweiten Ausgabe von 1787 zitiere.
    2) Die ganze sichtbare Welt, und alles, was darin ist, als etwas durch die Zeit Bestimmtes, gehört demnach, nach dieser Kantischen Erscheinungslehre, bloß zu unserem inneren Zustand. Sie ist weiter nichts, als der Inbegriff der inneren Bestimmungen unseres Gemüts. Man höre nun weiter!