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WALDEMAR GRZYBOWSKI
Fritz Mauthners
antiautoritäres Denken


"Mauthner meint nämlich, daß eine politische Revolution bei der Sprache beginnen müßte..."

In seinen sprachphilosophischen Überlegungen konzentriert sich MAUTHNER auf zwei wichtige Funktionen der Sprache, die der Kommunikation und die der Erkenntnis. Er spricht sich entschieden dagegen aus, daß man die Sprache ausschließlich als ein Werkzeug der Verständigung betrachtet. Viel angemessener wäre seiner Meinung nach der Ausdruck "Sprachgebrauch". In seinem dreibändigen Werk "Beiträge zu einer Kritik der Sprache" schreibt er:
    "Wäre die Sprache ein Werkzeug, so würde auch die Sprache verschlechtert und verbraucht werden. Die Sprache ist aber kein Gegenstand des Gebrauchs, sie ist überhaupt kein Gegenstand, sie ist gar nichts andere als ihr Gebrauch. Sprache ist Sprachgebrauch. Das ist kein Wortspiel, sondern Tatsache. Da ist es doch kein Wunder mehr, wenn der Gebrauch mit dem Gebrauche sich steigert."(1)
Niemand könne leugnen, daß die Sprache das Mitteilungsbedürfnis des Menschen befriedigt, aber man müsse auch zugeben, daß sie oft ein Mißverstehen ist, wenn man von dem Grundsatz ausgeht, daß es "(...) nur individuelles Denken und nur individuelle Sprachen gibt." (2) MAUTHNER glaubt nicht recht, daß die Sprache die Menschen einander näherbringt. Sie sei ein ewiger Wortstreit. Er geht sogar so weit, zu behaupten:
    "Durch die Sprache haben es sich die Menschen für immer unmöglich gemacht, einander kennen zu lernen." (3)
Man müßte auch die Behauptung bezweifeln, daß die Sprache die Menschen verbindet, denn immerhin ist sie auch eine Ursache der Einsamkeit:
    "Bei wem aber die Sprache sich so weit differenziert hat, daß er die Kommandorufe des Instinkts anders versteht als die Herde, daß ihm ihr Götze nicht Gott ist, daß er sich von den hohen Schultern des Cape nicht täuschen läßt, daß er den Hurraruf des Feindes versteht (...), der ist einsam geworden durch die Sprache (...)"(4)
Die Kommunikation bildet die niedrigste Stufe in der von MAUTHNER aufgestellten Hierarchie der Sprachfunktionen. Er untersucht sie allerding nicht eingehend. Der alltägliche Sprachgebrauch interessiert ihn wenig, denn "die Herdensprache ist so wenig Gegenstand der Kritik, wie das Zwitschern der Vögel." (5) Den Gebrauch der Sprache vergleicht er mit einem geordneten Regelsystem, einem Spiel, das keine Beziehung zur Wirklichkeit hat:
    "Die Sprache ist nur ein Scheinwert wie eine Spielregel, die auch uns so zwingender wird, je mehr Mitspieler sich ihr unterwerfen, die aber die Wirklichkeitswelt weder ändern noch begreifen will."(6)
Die Sprache trägt mithin nicht wesentlich zur Wirklichkeitserkenntnis bei. Aus diesem Grund kommt MAUTHNER zu der Feststellung, die manchen Leser in Verwunderung versetzen mag:
    "Was aber ist  die Sprache,  mit der ich es zu tun habe? Was ist das Wesen der Sprache? (...) Die einfachste Antwort wäre:  die Sprache  gibt es nicht; das Wort ist ein so blasses Abstraktum, daß ihm kaum mehr etwas Wirkliches entspricht."(7)
Die welterschließende Funktion der Sprache ist nur eine Täuschung. Die sogenannte sprachliche Erkenntnis ist nichts anderes als eine Wirklichkeitsverfälschung, was sich daraus ergibt, daß wir, wie MAUTHNER meint, zuviel Sprache in die Welt projizieren:
    "Wir lesen und hören aus den Sprachformen immer nur den Sinn heraus, den wir aus unserer Kenntnis der Wirklichkeit hineingelegt haben."(8)
Das sprachliche Bild der Wirklichkeit kann nie exakt sein, denn die Erkenntnis ist etwas, was außerhalb der Sprache liegt. Die Sprache bleibt dagegen immer nur in Erinnerung. Bei MAUTHNER erscheint die Sprache als eine Menge von Erfahrungen, als eine Menge des schon Erlebten. Die Möglichkeit der menschlichen Wahrnehmung ist jedoch begrenzt, sie ist auf die Sinnesempfindungen, genauer die Zufallssinne reduziert:
    "Alle Worte unserer Sprache, sie sind ja doch nur die Erinnerungszeichen an die Vorstellungen, die uns unsere Sinne vermittelt haben."
MAUTHNER fragt hier zugleich: Die Antwort auf diese Frage lautet:
    "Die Sprache kann niemals zur Photographie der Welt werden (...), weil im Gehirn des Menschen Zwecke wohnen und die Sprache nach Nützlichkeitsgründen geformt haben." (10)
Zu den größten Unzulänglichkeiten der Sprache zählt MAUTHNER die Abstrakta, die er Scheinbegriffe nennt. Sie stehen in einem starken Gegensatz zum Leben, wo "alles fließt" (11), wo das Werden dominiert. Die lebende Wirklichkeit kann nicht durch die leeren und statisch fixierten Begriffe widergespiegelt werden. Diesen Begriffen kann einfach nichts Wirkliches entsprechen. Im Laufe der allgemeinen Entwicklung haben sie ihr Leben verloren, obwohl sie den Anschein des Sinnvollen haben.

Auch die Grammatik wird von MAUTHNER als ein Irrweg angesehen. Sie funktioniere nach einem Schema, das nicht im Stande sei, sinnvolle Wörter von sinnlosen zu unterscheiden, Scheinbegriffe merze sie nicht aus. Ihre Existenz führe dazu, daß der Mensch zum "(...) Knecht (seiner) eigenen alten Worte"(12) werde.

MAUTHNER beläßt es aber nicht bei der Kritik. Er versucht gleichzeitig, ein System zu entwickeln, das den Entwurf eines richtigen Weltbildes ermöglicht. Er geht hierbei von der grammatischen Struktur der Sprache aus, die ihm als Muster dient. Anhand dieses Musters stellt er drei Kategorien auf, die er später "drei Bilder der Welt" (13) nennt. "Der Wirklichkeit scheint nur das  adjektivische  Bild der Welt zu entsprechen, d.h. die "sensualistische Weltanschauung". (14) Dies sei die Welt der Sinnlichkeit und der Kunst. Es folgt die verbale Welt des Werdens und der Zeit, die "(...) die Welt der Zwecke, der Absichten, der Ziele, der Richtungen" (15) ist. Sie bleibt "die Welt unserer wissenschaftlichen Erklärungen", aber sie stimmt mit der Wirklichkeit nicht überein.
    "Die substantivische Welt ist die unwirkliche Welt des Raums, die Welt des Seins, bei welcher wir von dem Werden in der Zeit willkürlich absehen." (16)
Diese Welt der Metaphysik und der Mythologie gehört nur dem Menschen. Er besitzt in seiner Sprache das "(...) schönste und das falscheste Weltbild, das dingliche Weltbild der Mystik." (17)

Die Sprache ist für MAUTHNER eine Macht, die leider nicht vermag, ihre eigenen Autorität abzugrenzen. Er bekämpft diese Autorität, obwohl das Ergebnis dieses Kampfes leicht vorauszusehen ist. Der Zugang zu der "wirklichen Wirklichkeit" ist uns verstellt:
    "Die Sprache zwingt uns alle." alle." (18)

    "Der Sprachgebrauch ist ein Tyrann, er beherrscht aber nicht nur die Laute, die unsere Sprachwerkzeuge von sich geben, er beherrscht ebenso das, was wir unser Denken zu nennen pflegen." (19)
Man darf nicht vergessen, daß für MAUTHNER der Begriff "Denken" eine Abstraktion ist, die im Zusammenhang mit dem menschlichen Wortaberglauben entstanden ist. Das Verhältnis zwischen Denken und Wirklichkeit bedeutet die völlige Gleichsetzung von Sprache und Denken. Unsere Wirklichkeit bleibt nur Sprache, die uns so zu denken zwingt, wie sie es will. Seine Verzweiflung und Empörung gegen eine derartige Situation verleitet ihn zum Sprachhaß:
    "Die Sprache ist eine Peitsche, mit der die Menschen sich gegenseitig zur Arbeit peitschen. Jeder Fronvogt und jeder Fronknecht. Wer die Peitsche nicht führen und unter ihren Hieben nicht schreien will, der heißt ein stummer Hund und Verbrecher, und wird beiseite geschafft. (...) Die Sprache ist ein Ziehhund, der die große Trommel in der Musikbande des Menschenheeres zieht. Die Sprache ist der Hundsaffe, der Prostituierte, der mißbraucht wird für die drei großen Begierden des Menschen, der sich brüllend vor den Pflug spannt als Arbeiter für den Hunger, der sich und seine Familie verkauft als Kuppler für die Liebe, und der sich in all seiner Scheußlichkeit verhöhnen läßt als Folie für die Eitelkeit, und der schließlich noch der Luxusbegierde dient und als Zirkusaffe seine Sprünge macht, damit der Affe einen Apfel kriege und eine Kußhand und damit er selbst Künstler heiße." (20)
Die Fähigkeit zu sprechen, sich der Sprache zu verschiedensten Zwecken zu bedienen und schließlich mit der Sprache zu denken, sind die Eigenschaften, die das Menschengeschlecht von den Tieren unterscheiden. Sollte der Mensch nicht auf seine Sprachfähigkeit stolz sein? MAUTHNER läßt sich davon nicht überzeugen. Vor allem bei der Erfassung der Realität kann die Sprache, wie bereits erwähnt, keine Lehrmeisterin sein. Denn dieser Lehrmeisterin zu folgen, hieße auf Irrwege geraten. Daher schreibt er auch:
    "(...) die Sprache ist eine Teufelin, die der Menschheit das Herz genommen hat und Früchte vom Baum der Erkenntnis dafür versprochen. Das Herz hat die Sprache gefressen wie eine Krebskrankheit, aber statt der Erkenntnis hat sie dem Menschen nichts geschenkt als Worte zu den Dingen, Etiketten zu leeren Flaschen, schallende Backpfeifen als Antwort auf die ewige Klage, wie andere Lehrer andere Kinder durch Schlagen zum Schweigen bringen. Erkenntnis haben die Gespenster aus dem Paradies der Menschheit versprochen, als sie die Sprache lehrten. Die Sprache hat die Menschen aus dem Paradies vertrieben. Hätte die Menschheit aber die Sprache lieber den Affen oder den Läusen geschenkt, so hätten die Affen oder die Läuse daran zu tragen, und wir wären nicht allein krank, vergiftet, entwurzelt in der ungeheueren, sprachlosen Natur. Wir wären dann Tiere, wie wir es hochmütig in unserer protzigen Menschensprache, oder wir wären Götter, wie wir es empfinden, wenn ein Blitz uns verstummen macht, oder sonst ein Wunder der sprachlosen Natur." (21)
Wenn die Sprache also ein Korsett der Menschheit ist, muß man sich von ihr befreien. Dazu dient die Sprachphilosophie, die uns vom Wortaberglauben frei machen soll: Die Überwindung der Sprachidole würde den Menschen wieder zur Einheit mit der Natur führen:
    "Und die Natur ist vollends sprachlos. Sprachlos würde auch, wer sie verstünde."(23)
MAUTHNER zeigt eindeutig eine Neigung zur Flucht in das mystische Schweigen, was für ihn aber nicht zwingen ist. Wenn man nicht nur an den einzelnen Menschen, sondern an die Gesellschaft denkt, böte sich auch eine andere Lösung an, eine Lösung, die mehrere Denker, vor allem GUSTAV LANDAUER, fasziniert hat. MAUTHNER meint nämlich, daß eine politische Revolution bei der Sprache beginnen müßte, denn die Zerstörung der Sprache sei die Voraussetzung für eine neue Welt.(24) Weniger verlockend ist dagegen die Vision einer Privatsprache, weil das eine totale Vereinsamung bedeutet und zum Verzicht auf die Sprache führen würde.

Da aber eine völlige Befreiung von der Sprache kaum möglich ist, so bleibt nichts anderes übrig als der Versuch, die Fesseln der Sprache etwas zu lockern. Die Flucht in die Philosophie wäre ein gewisser Ausweg, besonders dann, wenn man an solch ein Mittel wie "das große Lachen" denkt:
    "Reine Kritik ist im Grunde nur ein artikuliertes Lachen. Jedes Lachen ist Kritik, die beste Kritik." (25)
Aber auch im Rahmen der Philosophie muß man äußerst vorsichtig sein, denn man darf nicht vergessen, daß die Sprache nur benennen und nicht erklären kann. Das Streben nach einer absoluten Wahrheit kann nämlich zum Mißbrauch einer völlig entleerten Sprache führen. Die Gefahr der Scheinbegriffe droht uns immer. Auch wenn man an seine eigene Individualität denkt, ist man sich oft nicht einmal dessen bewußt, daß das Ich-Gefühl nur ein Wortfetisch, eine leere grammatische Form ist: Bei der Erklärung dieses Phänomens stützt sich MAUTHNER auf die MACHsche Lehre, wonach es keine Subjekt-Objekt -Trennung der wahrgenommenen Realität gibt, sie wird durch den Begriff "einerlei Elemente"(27) ersetzt. Daraus zieht MAUTHNER den Schluß, daß das Ich und die Welt nur in der Vorstellung der Sprache existieren:
    "Das Haften an der Existenz, das Dürsten nach ihr, ist (...) wieder nichts (...) als (...) das Werden. Das Ich ist so wenig etwas Bleibendes, etwas Wirkliches neben seinen dürstenden Erscheinungen, als etwa der Wagen etwas Wirkliches ist neben seinen Teilen." (28)
Die Negierung des Ich-Gefühls gehört nach MAUTHNER zur Korrektur des falschen Wirklichkeitsbildes, weil "das Ichgefühl eine Täuschung der Sprache" sei. Das Ich-Gefühl läßt uns an die Vorstellung der Persönlichkeit denken, aber dieser Gedanke muß aufgegeben werden, wenn man ein so trübes Bild vorgehalten bekommt, wie das MAUTHNER tut:
    "Keiner kann sich von der Sprache befreien, die mit ihm, in die er geboren war, die er von andern hat, die nicht sein ist. Die Persönlichkeit, mein Ich ist ja bedingt, hat keine eigene Sprache, hat eine Sprache nur mit dem ganzen Volke, das doch nur aus Personen besteht, nicht aus Persönlichkeiten. Die eigene Persönlichkeit hat also doch auch ihre Moral und am Ende ihre Wissenschaft nur von der Sprache, keine eigene Moral, keine eigene Wissenschaft. Die Persönlichkeit ist gar nichts anderes als die Selbsttäuschung des Ichgefühls oder des Bewußtseins, ist gar nichts anderes als das bißchen Gedächtnis."(29)
Die Sprache beherrscht das Gehirn des Einzelnen, was sich natürlich negativ auswirkt. Aber dies ist nicht der einzige Grund für MAUTHNERs leidenschaftlichen Kampf gegen die Tyrannei der Sprache. Wenn er über die Sprache schreibt:
    "(...) die Sprache (mag man nun an das Abstraktum oder an die Einzelsprachen, ja mag man selbst an Individualsprachen denken) ist nichts Wirkliches, und dennoch kann sie etwas Wirksames sein, eine Waffe, eine Macht." (30),
behält er noch eine andere Dimension dieser Erscheinung im Auge. Nicht nur das Individuum ist bedroht, der Tyrannei der Sprache sind alle sozialen Gebiete unterworfen.

Interessant sind gewisse Berührungspunkte der Sprachtheorie MAUTHNERs mit den Auffassungen von HUMBOLDT:
    "Sprache ist unbewußte, ungeschriebene Volkspsychologie. (...) Wir wissen oder lehren, daß die Weltanschauung oder die Vernunft eines Volkes identisch ist mit seiner Sprache (...)." (31)
In der Sprache spiegelt sich das geistige Vermögen eines Volkes wider. Sie kann als ein Untersuchungsgegenstand betrachtet werden, in dem das politische, soziale und kulturelle Leben am besten zum Ausdruck kommt. Während aber HUMBOLDT die Tatsache, daß die Sprache alle Lebensbereiche beherrscht, eindeutig positiv beurteilt, sieht MAUTHNER darin vor allem Nachteile:
    "(...) die Volkssitte im weitesten Sinne, Glaube und Kultus, Kunst und Wissenschaft, Verkehr und Recht, wird allerdings von der Sprache tyrannisch beherrscht. Denn es gibt keine stärkere und unbeugsamere Autorität als die Sprache."(32)
MAUTHNER zweifelt daran, daß es eine Sprachgemeinschaft gibt, die sich von ihrer Sprache nicht irreführen läßt. Ihm fehlt der Glaube an die Zuverlässigkeit menschlicher Vernunft, menschlicher Sprache, denn nicht jeder durchschaut den Betrug der Sprache und nicht jeder macht sich die Sprachkritik zur Lebensaufgabe. Die Sprache beherrscht auch deswegen die Menschen, weil sie ein Bedürfnis nach Gemeinsamkeit haben:
    "Dem sozialen Ganzen des Volkes erscheint die Gemeinsamkeit der Vorstellungen erstrebenswerter als die Richtigkeit der Vorstellungen. Der Herdeninstinkt drängt so mechanisch zur Gemeinsamkeit, daß auch hier das Mittel mit dem Zwecke verwechselt wird, daß jeder Unsinn heilig gesprochen wird, wenn er nur gemeinsam ist." (33)
Das beste Mittel für die Aufrechterhaltung der Gemeinsamkeit sind alte Worte, sie erwecken Vertrauen. Veraltete Worte führen dagegen zur Lockerung der Gemeinsamkeit, und neue sind nicht fähig, die Rolle der gemeinsamen Symbole zu spielen. MAUTHNER schildert es am Beispiel der ihm gegenwärtigen "schlauen Sozialdemokraten", die aus Rücksicht auf gläubige Genossen folgende Parole verkündet haben: "Religion ist Privatsache". Diesen Satz hält er, der ein kämpfender Atheist war, für viel gefährlicher als ein atheistisches Dogma. Wenn es wirklich dazu kommen sollte, daß Religion Privatsprache wird, dann ist sie individuell und nicht mehr gemeinsam.

In seinen skeptischen Überlegungen äußert MAUTHNER einen Gedanken, der, wenn man ihn weiterentwickelt, davon zeugt, welche ernsten Gefahren jede Sprachgemeinschaft bedrohen. Sein Gedanke lautet:
    "Das Volk urteilt wie der Richter, der nichts weiß als seine Akten: was nicht in der Sprache ist, das ist nicht auf der Welt."(34)
Viel exakter formulierte diesen Gedanken einige Jahre später WITTGENSTEIN in seinem  Tractatus: 
    " Die Grenzen meiner Sprache  bedeuten die Grenzen meiner Welt." (34)
Die Behauptung, man könne das Bewußtsein eines Volkes so lenken, daß es mit der herrschenden Ideologie gleichgeschaltet wird, hat sich im Laufe der neuesten Geschichte bestätigt. KLEMPERERs LTI ist ein guter Beweis dafür, wie die Sprache das Bewußtsein der Massen unter einem totalitären Regime manipuliert werden können.

Zum Schluß sei noch erwähnt, daß MAUTHNER seine sprachkritischen Ideen mit der Polemik gegen die institutionalisierte Autorität verbindet, wie Schule und Kirche. Beide bedienen sich nämlich desselben Mediums der Sprache, und beide begehen denselben Fehler, indem sie alternde oder gar tote Begriffe "konservieren".
LITERATUR - Waldemar Grzybowski, Fritz Mauthners antiautoritäres Denken, in Karol Sauerland (Hrsg), Autorität und Sinnlichkeit - Studien zur Literatur und Geistesgeschichte zwischen Nietzsche und Freud, Ffm 1986
    Anmerkungen
    1) Mauthner, Fritz: Beiträge zu einer Kritik der Sprache, Stuttgart 1901f, Band 1: Sprache und Psychologie, Seite 23
    2) Mauthner, Fritz: Beiträge zu einer Kritik der Sprache, Stuttgart 1901f, Band 1: Sprache und Psychologie, Seite 182
    3) Mauthner, Fritz: Beiträge zu einer Kritik der Sprache, Stuttgart 1901f, Band 1: Sprache und Psychologie, Seite 54
    4) Mauthner, Fritz: Beiträge zu einer Kritik der Sprache, Stuttgart 1901f, Band 1: Sprache und Psychologie, Seite 38
    5) Mauthner, Fritz: Beiträge zu einer Kritik der Sprache, Stuttgart 1901f, Band 1: Sprache und Psychologie, Seite 39
    6) Mauthner, Fritz: Beiträge zu einer Kritik der Sprache, Stuttgart 1901f, Band 1: Sprache und Psychologie, Seite 25
    7) Mauthner, Fritz: Beiträge zu einer Kritik der Sprache, Stuttgart 1901f, Band 1: Sprache und Psychologie, Seite 4f
    8) Mauthner, Fritz: Beiträge zu einer Kritik der Sprache, 3. verm. Auflage Leipzig 1923, (Nachdruck Hildesheim 1967ff) Band 2: Zur Sprachwissenschaft, Seite 312
    9) Mauthner, Fritz: Beiträge zu einer Kritik der Sprache, 3. verm. Auflage Leipzig 1923, (Nachdruck Hildesheim 1967ff) Band 3: Zur Grammatik und Logik, Seite 638. Genauer über die Zufallssinne vgl. Mauthner, Fritz: Beiträge zu einer Kritik der Sprache, Stuttgart 1901f, Band 1: Sprache und Psychologie, Seite 320-372
    10) Mauthner, Fritz: Beiträge zu einer Kritik der Sprache, Stuttgart 1901f, Band 1: Sprache und Psychologie, Seite 46f
    11) Mauthner, Fritz: Beiträge zu einer Kritik der Sprache, Stuttgart 1901f, Band 1: Sprache und Psychologie, Seite 342
    12) Mauthner, Fritz: Gottlose Mystik, Dresden 1924, Seite 88
    13) Vgl.: Mauthner, Fritz: Die Drei Bilder der Welt. Ein sprachkritischer Versuch. Aus dem Nachlaß hrsg. von Monty Jacobs. Erlangen 1925; vgl. auch Mauthner, Fritz: Wörterbuch der Philosophie. 2 Bände München und Leipzig 1910 ("adjektivische Welt": Band 1, Seite 12-14, "substantivische Welt": Band 2, Seite 464-468, "verbale Welt": Band 2, Seite 526f).
    14) Die Philosophie der Gegenwart in Selbstdarstellungen. Hrsg. von Raymund Schmidt. Band 3, Leipzig 1922, Seite 139 ("Fritz Mauthner").
    15) Mauthner, Fritz: Die Drei Bilder der Welt. Ein sprachkritischer Versuch. Aus dem Nachlaß hrsg. von Monty Jacobs. Erlangen 1925, Seite 26
    16) Die Philosophie der Gegenwart in Selbstdarstellungen. Hrsg. von Raymund Schmidt. Band 3, Leipzig 1922, Seite 139 ("Fritz Mauthner").
    17) Mauthner, Fritz: Die Drei Bilder der Welt. Ein sprachkritischer Versuch. Aus dem Nachlaß hrsg. von Monty Jacobs. Erlangen 1925, Seite 40
    18) Mauthner, Fritz: Beiträge zu einer Kritik der Sprache, 3. verm. Auflage Leipzig 1923, (Nachdruck Hildesheim 1967ff) Band 2: Zur Sprachwissenschaft, Seite 611
    19) Mauthner, Fritz: Beiträge zu einer Kritik der Sprache, 3. verm. Auflage Leipzig 1923, (Nachdruck Hildesheim 1967ff) Band 3: Zur Grammatik und Logik, Seite 458
    20) Mauthner, Fritz: Beiträge zu einer Kritik der Sprache, Stuttgart 1901f, Band 1: Sprache und Psychologie, Seite 81f
    21) Mauthner, Fritz: Beiträge zu einer Kritik der Sprache, Stuttgart 1901f, Band 1: Sprache und Psychologie, Seite 82
    22) Mauthner, Fritz: Beiträge zu einer Kritik der Sprache, Stuttgart 1901f, Band 1: Sprache und Psychologie, Seite 657
    23) Mauthner, Fritz: Beiträge zu einer Kritik der Sprache, Stuttgart 1901f, Band 1: Sprache und Psychologie, Seite 47
    24) Vgl.: Mauthner, Fritz: Die Sprache, Ffm 1907, Seite 102ff
    25) Mauthner, Fritz: Beiträge zu einer Kritik der Sprache, 3. verm. Auflage Leipzig 1923, (Nachdruck Hildesheim 1967ff) Band 3: Zur Grammatik und Logik, Seite 632
    26) Mauthner, Fritz: Beiträge zu einer Kritik der Sprache, Stuttgart 1901f, Band 1: Sprache und Psychologie, Seite 660
    27) Mach, Ernst: Beiträge zu einer Analyse der Empfindungen, Jena 1886, Seite 141
    28) Mauthner, Fritz: Gottlose Mystik, Dresden 1924, Seite 46
    29) Mauthner, Fritz: Wörterbuch der Philosophie. Band 2, Leipzig 1910, Seite 249
    30) Mauthner, Fritz: Beiträge zu einer Kritik der Sprache, Stuttgart 1901f, Band 1: Sprache und Psychologie, Seite 47
    31) Vgl.: Mauthner, Fritz: Die Sprache, Ffm 1907, Seite 85
    32) Vgl.: Mauthner, Fritz: Die Sprache, Ffm 1907, Seite 86
    33) Vgl.: Mauthner, Fritz: Die Sprache, Ffm 1907, Seite 90
    34) Vgl.: Mauthner, Fritz: Die Sprache, Ffm 1907, Seite 86
    35) Ludwig Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, § 5.6, Ffm 1980