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FRIEDRICH GOTTL-OTTLILIENFELD
(1823-1900)

Über die "Grundbegriffe"
in der Nationalökonomie


Herkömmliche Logik
Haushalten und Unternehmen
Werben und Erwerben
Wirtschaft und Gesellschaft
"Die Worte sind für unser Denken da, aber unser Denken nicht für die Worte."

I. In der Nationalökomie wird sehr häufig von  "Grundbegriffen"  gesprochen. Vor neunzig Jahren hat H.S. LOTZ einem umfangreichen Werke den Titel gegeben: "Revision der Grundbegriffe". Seither ist gar manche "Revision der Grundbegriffe" nachgefolgt. Man schlage auch die meisten Lehrbücher der Wissenschaft auf, für deren Theorie immmer noch das Lehrbuch die erste Rolle spielt; die Überschrift des ersten Kapitels kündet an, daß von "Grundbegriffen" gehandelt wird. Der Ausdruck selber bleibt zwar manchmal auf der einsamen Höhe der Überschrift und steigt nicht in den Text hinab. Dafür kehrt er in zahllosen anderen Zusammenhängen wieder. Und eigentlich immer so, als ob niemand in Zweifel sein könnte, wie es gemeint sei, sobald von "Grundbegriffen" die Rede ist.

In gewisser Hinsicht ist dieser Ausdruck auch ganz dazu angetan, daß man ihn ohne viel Umstände verwende. Bei derlei Zusammensetzungen legt immer schon der bloße Wortlaut eine erklärende Umschreibung nahe; etwa "grundlegende Begriffe". In diesem Ausmaße weiß also ein solches Wort für sich selber zu sprechen, seinen Gebrauch als Bezeichnung selber zu rechtfertigen. Für den Ausdruck "Grundbegriffe" gilt dies auch ungleich mehr, als zum Beispiel gleich für den Bruderausdruck "Grundsatz". Den hat der allgemeine Sprachgebrauch schon zu sehr unter den Hammer genommen, seine Teile so innig verschweißt, daß wir sie in ihrer Trennung gar nicht mehr empfinden; es ist uns  ein  Wort geworden, fast sowie "Ursache".

Bringt man nur jene stumme Definition in Anschlag, die im bloßen Wortlaut "Grundbegriffe" enthalten ist, dann muß man zugeben, daß es in jeglicher Wissenschaft möglich sei, von "Grundbegriffen" zu sprechen. Jede Wissenschaft kann diesen Ausdruck als Bezeichnung vergeben, sofern sie nur von "Begriffen" sprechen will. Denn jede ist in der Lage, das als "Begriffe" Bezeichnete unter irgend einem Gesichtspunkt so zu ordnen, um "Grundbegriffe" aussondern zu können. Je triftiger die Gründe dieser Aussonderung wären, je mehr dadurch für das Verständnis wissenschaftlicher Eigenart gewonnen, desto mehr bekäme jene Bezeichnung einen  methodologischen  Anstrich.

Aber der Ausdruck "Grundbegriffe" wird auch unzähligemale als eine rein  gelegentliche  Bezeichnung verwendet; zu der man weder verbunden ist, noch daß man irgendwie durch sie verbunden würde. Die Verwendung erfolgt gleichsam gesprächsweise; irgend ein Sachverhalt läßt nach diesem Ausdruck um der bloßen Empfindung wegen greifen, daß dieser Sachverhalt im Einklange steht mit der stummen Definition, die der Ausdruck mit sich herumträgt.

Mit dem Sachverhalt aber wechselt von einem Falle zum anderen dann auch das so Bezeichnete. Da faßt zum Beispiel einmal O. LIEBMANN  Trägheit  und  Kraft  als "Grundbegriffe" zusammen, mit ebenso gutem Rechte, als ein ander Mal TRENDELENBURG die nämliche Bezeichnung im Angesichte von sage und schreibe 993 Definitionen verwendet. Das Recht auf eine solche Verwendung kurzer Hand liegt noch offener, wenn der Ausdruck "Grundbegriffe" einen bestimmten Zusatz erhält; in solcher Weise spricht zum Beispiel HEINRICH RICKERT wiederholt von den "logischen Grundbegriffen der historischen Wissenschaften".

Auch die ganze Sachlage kann die unbefangene Verwendung jenes Ausdruckes rechtfertigen; ein Fall, der zum Beispiel dort zutrifft, wo RUDOLF EUCKEN über ein geistvolles Buch den Titel geschrieben: "Die Grundbegriffe der Gegenwart".

Keine zweite Wissenschaft mag diesen Ausdruck so beharrlich im Munde führen, und mit dem gleichen Vertrauen auf seine unmittelbare Verständlichkeit, wie es für die Nationalökonomie gilt. Diese Vielverwendung, und diese ruhige Sicherheit in der Verwendung, das sind nicht die einzigen Anzeichen dafür, daß der Ausdruck "Grundbegriffe" innerhalb der Nationalökonomie ein besonderes Relief gewinnt; gleichzeitig, ob er hierbei durch den Zusatz "nationalökonomisch" ausdrücklich für diese Wissenschaft beansprucht wird, oder ob ihm dieser Zusatz nur im Stillen beigedacht wird. Noch zwei bezeichnende Umständen stimmen hier ins Bild.

H. DIETZEL wendet sich in neueren Ausführungen ganz ausdrücklich gegen den nationalökonomischen Brauch, von "Grundbegriffen" zu reden. Andere wieder, die für ihren Teil diesen Ausdruck vermeiden, begründen es doch, warum sie aus gleichen Anlässen von etwas Anderem sprechen, zum Beispiel von "Erscheinungen"; so hält es F. von WIESER in der gedankenreichen Einleitung zu seinem Buch "Ursprung und Hauptgesetze des wirtschaftlichen Güterwertes".

Es ist zwar gewagt, in solch ausschließendem Sinne etwas zu behaupten, aber ich glaube nicht, daß auch außerhalb der Nationalökonomie sich irgendwo Aussagen fänden, die über  Sinn und Geist  der Bezeichnung "Grundbegriffe" erflossen sind. In der Nationalökonomie ist die jedenfalls wiederholt geschehen. Die Aussagen dieses Schlages geben sich in der Regel zwar nur als eingeflochtene Bemerkungen. Sie sind im Ganzen sehr spärlich, und das erscheint nur natürlich. Was sie in Angriff nehmen, besagt so etwas wie den "Anfang vom Anfang"; bis dahin aber greift eine junge Wissenschaft nicht leicht zurück.

Von solchen Aussagen nun einige Proben; in der Klammer gesagt, sind sie durchaus nicht blind herausgegriffen; nur ist in dieser Kritik kein Raum dafür, zu erklären, weshalb mir gerade diese Aussagen unter Ihresgleichen als die bedeutsamsten erscheinen müssen.
    "Die allgemeinsten ökonomischen Kategorien, die Elemente aller Wirtschaft, die jedem durch das ökonomische Grundverhältnis beherrschtem Handeln zu Grunde liegen ... mit ihnen sind die Grundbegriffe der Wirtschaft gegeben, die den Ausgangspunkt und allgemeinen Teil unserer Wissenschaft vom Ökonomischen liefern". (E. SAX, Grundlegung der Staatswirtschaft, Seite 113)

    "Die bloße Induktion vieler Einzelbeobachtungen kann die Grundbegriffe ... nicht liefern. Die fundamentalen Bedingungen der sozialwissenschaftlichen Erkenntnis sind für sich in besonders gearteter Methode zu ergründen." (RUDOLF STAMMLER, Wirtschaft und Recht, 1896, Seite 13)

    "Die nähere Entwicklung der Sozialstoffwechsellehre oder der Nationalökonomie heischt nun vor Allem die Feststellung einiger Grundvorstellungen des nationalökonomischen Begreifens. Als "Grundbegriffe" dürfen wir aber nicht Vorstellungen von geschichtlich vergänglichen, sondern nur von grundwesentlichen, dem Stoffwechsel stets angehörigen Beziehungen, nicht historische, sondern absolute Kategorien ins Auge fassen." (SCHÄFFLE, Bau und Leben des sozialen Körpers, III, Seite 345)
Die Aussagen dieses Schlages darf man übrigens nicht mit den zahlreichen und zusammenhängenden Erörterungen verwechseln, von der Art, wie sie besonders J.F. NEUMANN wiederholt gepflogen hat. Sie gelten jenem "Bestimmen der Grundbegriffe", das erst später erörtert wird. Natürlich ist auch da jedesmal ein Rückschluss darauf möglich, wie sich die betreffenden Forscher zu der Bezeichnung "Grundbegriffe" stellen. Man findet nur meist, daß sie - selbst NEUMANN nicht ausgenommen, - gleichsam einen Zwang, diese Bezeichnung zu verwenden, in gleicher Weise vorhanden sehen, und den Ausdruck "Grundbegriffe" ebenso ruhig hinnehmen, wie es die Forscher halten, die in diesem Punkte überhaupt nicht Farbe bekennen.

Soviel ist klar, in reiner Willkür, einmal unter diesem, dann wieder unter jenem Bezug, so wird der Ausdruck "Grundbegriffe" in der Nationalökonomie sicher nicht verwendet. Die Vielverwendung, die ruhige Sicherheit der Verwendung, der Widerspruch gegen die Verwendung, dies Alles steht als Gegenbeweis auf. Am Meisten aber die Art, in der über Sinn und Geist dieser Bezeichnung ausgesagt wird.

Diesen Aussagen fehlt unverkennbar die Absicht, ihren Gegenstand zu erschöpfen; sonst müßten sie den Zusammenhang, dem sie eingeflochten sind, sprengen, um Abschluß und Einheit in sich selber zu suchen. Sie gebärden sich doch mehr als bloße Beisteuern, mögen sie ihren Gegenstand noch so treffend im Kern erfassen, was ja hier außer Betracht bleibt. So muß etwas in Einheit da sein, das schon vor diesen Aussagen gegolten hat, unabhängig von ihnen auch weiter gilt; und daran nehmen sie gemeinsam Anlehnung, kreisen sie wie um einen ruhenden Pol.

Kurz, diese Tatbestände zwingen den Schluß auf, es  bestehe in der Nationalökonomie eine allgemeine,  gleichsam also unpersönliche,  und vom Herkommen getragene Meinung darüber, wie die Bezeichnung "Grundbegriffe" zu verstehen sei.  Das Herkommen waltet dabei so, daß jene Meinung dauernd zu bestehen weiß, ohne jemals ausgesprochen zu werden.

II.Nach dem Inhalt einer Meinung fragen, die vom Herkommen getragen wird, führt natürlich erst recht einem Gemeinplatz entgegen. Allein abermals von der Art, daß sich unser Denken niemals Rechenschaft darüber ablegt. Das sind eben Dinge, die unserem Auge viel zu nahe liegen; so nahe, daß wir sie immerzu übersehen. Wir müssen uns daher förmlich zu ertappen suchen bei dieser Meinung.

Angenommen, die Frage tritt von ungefähr an uns heran: "Grundbegriffe", "was ist das?". Und nun, wie wir uns dazu verhalten. Da ist keinen Augenblick ein Zweifel möglich:  Wir antworten mit einer Aufzählung,  alle Male. Wir zählen es augenscheinlich auf, was wir entweder selbst als "Grundbegriffe" ansehen, oder dafür angesehen wissen.

Diese Aufzählung könnte nicht vom Herkommen getragen sein, wenn sie nicht, annähernd wenigstens, in der gleichen Weise vollzogen würde. Tatsächlich steht sie nur im Runden und Rohen fest; im Einzelnen wechselt sie von Person zu Person. Ich gebe hierzu einer Stelle das Wort, die zwar nicht genau in diesen Zusammenhang stimmt, ihren Platz aber doch ausfüllt:
    "Der Schriftsteller handelt von diesen, der andere von jenen Grundbegriffen; hier werden etwa Wirtschaft, Gut, Bedürfnis, Wert, Einkommen, Reichtum definiert; dort fehlen die Erörterungen über Reichtum und Einkommen, während die über Vermögen, Kapital und Arbeit noch hinzutreten. ... Lohnte es sich der Mühe, so könnte eine "Statistik" der Grundbegriffe den Beweis erbringen, daß sowohl hinsichtlich des Bestandes wie der Anordnung nichts weniger als Übereinstimmung herrscht." (H. DIETZEL, Theoret. Sozialökonomik, in WAGNER, Lehr- und Handbuch, I.Bd., Seite 147
Hier wird auch das Schwanken in der Reihenfolge tadelnd hervorgehoben. Das berührt offenbar schon die Natur und die gegenseitigen Beziehungen des Aufgezählten; das letztere so genommen, wie es der Aufzählende meint. Um diese Dinge handelt es sich vorläufig nicht. So kann es auch erst später klar werden, wie die Aufzählung nach ihrem Wortlaut zwar von einem Forscher zum anderen wechselt, dabei aber trotzdem einen einheitlichen Bezug aufrecht erhält.

Es wird sich eben zeigen, daß alle Worte, die in die wechselnden Aufzählungen eingehen, und in diesen nicht gleichmäßig wiederkehren, von einem gemeinsamen Band umschlungen sind. So kommt es, daß wir, rein der Tatsache nach, den Wechsel in der Aufzählung recht wenig empfinden. An dem grundsätzlichen Verhältnis, wie es die Kritik allein im Auge behält, ändert dies natürlich nichts.

So steht also neben der Bezeichnung "Grundbegriffe" die Möglichkeit, das so Bezeichnete ohne weiteres aufzählen zu können. Offenbar ist schon daraus die ruhige Sicherheit verständlich, mit der in der Nationalökonomie der Ausdruck "Grundbegriffe" verwendet wird. Im gewöhnlichen Lauf der Dinge wird man es keinem Nationalökonomen verargen können, wenn er sich dieses Ausdruckes ganz unbefangen bedient; weil er ja das so Bezeichnete jederzeit aufzuzählen vermag, und sich in der Aufzählung mit seinesgleichen so ziemlich eins weiß.

Ebenso zweifellos ist die Kritik in ihrem guten Recht, wenn sie etwas zudringlicher frägt, ob denn jene allgemeine und vom Herkommen getragene Meinung, wie die Bezeichnung "Grundbegriffe" zu verstehen sei,  in der Möglichekeit dieser Aufzählung sich erschöpfe. 

Es erscheint doch ausflüchtig, wenn auf die Frage, wie eine Bezeichnung gemeint sei, gerade nur die Aufzählung des so Bezeichneten gemeint sei, gerade nur die Aufzählung des so Bezeichneten antwortet. Das ist freilich die Weise, in welcher das gewöhnliche Leben seine Bezeichnungen meist vergibt. Wenn da zum Beispiel von "Großmächten" gesprochen wird, so erscheint ein näherer Aufschluß darüber auch nur so möglich, daß man gewisse "Mächte" herzählt; der Grund ihrer aussondernden Zusammenfassung wird dann schlecht und recht geliefert, indem man das Wort "Großmacht" mit Nachdruck ausspricht.

In diesem Falle mag derlei Verfahren angehen und dem gewöhnlichen Denken überhaupt erlaubt sein. Man wird aber doch etwas höhere Anforderungen stellen, wenn es sich um die  wissenschaftliche  Verwendung eines Ausdrucks handelt. Eines Ausdruckes noch dazu, der so häufig, und zuweilen so bedeutsam verwendet wird. An dieser vorgeschobenen Stelle sei nur ganz nebenbei daran erinnert, wie für ein Problem, das sich nach einer immerhin verbreiteten Ansicht an der Schwelle der Nationalökonomie aufrichtet, eigentlich nur die Fassung geläufig ist: "Bestimmen der Grundbegriffe".

Man glaube übrigens nicht, daß ich hier schlechthin die Unterlassung der  Definition  tadeln wollte. Wie ehrlich diese Verwahrung gemeint ist, kann freilich erst in späterer Folge klar werden; sobald ich es aus anderen Anlässen scharf betonen muß, wie sich  ganz verschiedene  Angelegenheiten unseres Denkens in jener  nämlichen Form  ordnen lassen, die man nicht gut anders denn als "Definition" bezeichnen kann. Als eine blosse und unter Umständen vermeidbare Form aber, in die sich ein Mehrerlei bringen läßt, hat die Definition zum Mindesten unmittelbar nichts mit der ganz bestimmten Sache zu tun, die hier in Frage steht.

Es handelt sich einfach darum, ob  ausser  der Möglichkeit, das so Bezeichnete in der annähernd gleichen Art aufzuzählen, über die Bezeichnung "Grundbegriffe" noch etwas anderes in der Nationalökonomie als  herkömmlich  gelten darf. Nun sind ja eine Reihe von Aussagen da, über Sinn und Geist der Bezeichnung erflossen. In ihnen bringen sich aber doch zunächst nur  persönliche  Anschauungen zur Geltung. Damit soll natürlich nicht das leiseste Urteil über die Gültigkeit dieser Aussagen gefällt sein; das sei zum Überfluß betont.

Allein, für das Bestehen einer allgemeinen und herkömmlichen Meinung darüber, wie jene Bezeichnung gemeint ist, dafür könnten diese Aussagen trotzdem zu einem Anhalt werden. Sie müssten einen gemeinsamen Bezug verraten; oder müßten an etwas gleichsam weiterbauen, dessen Geltung sie mittelbar oder unmittelbar und im Sinne der Zustimmung oder des Widerspruchs anerkennen.

Das Erstere tritt nun in der Tat ein, wie es ja früher schon betont wurde.  Aber diesen gemeinsamen Bezug knüpft wieder nur die Aufzählung;  das ist leicht gezeigt.

Da spricht SAX zum Beispiel von den "Elementen aller Wirtschaft, die jedem durch das ökonomische Grundverhältnis beherrschten Handeln zu Grunde liegen"; STAMMLER von den "fundamentalen Bedingungen sozialwissenschaftlicher Erkenntnis"; SCHÄFFLE dagegen von "Grundvorstellungen des nationalökonomischen Begreifens". Nun reimen sich diese Aussagen, obwohl äußerlich recht verschieden, in der Sache vielleicht sehr gut zusammen; vielleicht auch sehr schlecht. Das ist eine Frage ganz für sich.

Allein, um diese Frage überhaupt nur aufwerfen zu können, muß man notwendig von der Annahme ausgehen, daß SAX, SCHÄFFLE und Stammler hier über ein  Nämliches  aussagen. Gewiss, alle drei knüpfen ihre Aussagen an das nämliche Wort "Grundbegriffe"; aber vor der Kritik ist das Wort allein ein schlechter Eideshelfer. Worin wurzelt denn nun die Sicherheit, mit der wir annehmen, daß hier unter dem gleichen Worte über ein  Nämliches  ausgesagt wird? Doch nur in der Wahrnehmung, daß die  Aufzählung des so Bezeichneten,  mag sie nun sogleich oder doch hinterher vollzogen werden,  in  der annähernd gleichen Weise erfolgt.

Wie für den Teil der Bezeichnung "Grundbegriffe" wirklich nichts weiter vom Herkommen getragen wird, als die Möglichkeit, das so Bezeichnete aufzählen zu können, das bekräftigt noch ein anderer Sachverhalt. Es führt nämlich nie zu einer sachlichen Begründung, wenn das Aufzählen,das ja nur im Runden und Rohen gleich bleibt, im einzelnen Falle also  immer wieder anders  erfolgt.

Der Wortlaut der Aufzählung wird in aller Regel nicht einmal aus den persönlichen Anschauungen gerechtfertigt, wie sie jene spärlichen Aussagen über Sinn und Geist der Bezeichnung "Grundbegriffe" zum Ausdruck bringen. Noch weniger wird es sachlich verfochten, weshalb man für seinen eigenen Teil die Aufzählung anders vornimmt, als sie ein Anderer wieder um seiner persönlichen Anschauungen willen vornimmt. Eine Reibung persönlicher Anschauungen führt aber der Wechsel in der Aufzählung jedenfalls mit sich.

Wenn nun überhaupt etwas Herkömmliches, Unpersönliches vorhanden wäre, außer dem ungefähren Schema der Aufzählung, hier würde doch sicher aller Anreiz gegeben sein,  auf dieses Unpersönliche zurückzugreifen;  um es auch nach dieser Richtung hin zu verfechten, daß man für seinen Teil die Aufzählung anders vornimmt, als sie von anderen bewirkt wird. Allein davon ist eben keine Spur vorhanden; ein weiterer Beleg dafür, daß der nationalökonomische Gebrauch dieser Bezeichnung vom Herkommen überhaupt nicht anders gedeckt wird, als daß recht verschwommen feststeht, wie das so Bezeichnete aufzuzählen ist.

In einer ganz anderen Richtung wohl, da ist es zu Rede und Gegenrede gekommen. Ich meine die Erörterungen, die sich um die Frage nach dem "Grundbegriff" der Nationalökonomie drehen. SCHÄFFLE hat einst den Ausspruch getan: "Grundbegriff der Nationalökonomie ist unbestritten der Wert". Später hat DIETZEL die "wirtschaftliche Handlung" als "den Grundbegriff der Sozialwirtschaftslehre" sachlich verfochten. Vielleicht wäre hier erst zu erwägen, ob die Ansicht ganz unmittelbar die Nationalökonomie berührt.

Allein gerade in der Nationalökonmie denkt man über derlei kleine Unebenheiten frischweg hinüber. So hat auch JUL. WOLF in ausdrücklicher Gegenrede zu DIETZEL, die Ansicht geltend gemacht, daß man "Wert" als den "Grundbegriff der Nationalökonomie" anzusehen hätte; unter der sachlichen Begründung: "Grundbegriff ist - man hat dies zu erörtern bisher verabsäumt, - der Begriff, der als erster das Bewußtsein des Zweckes an sich trägt.

Zur Sache hier steht dies in gar keinem Bezug. Nicht bloß läßt es der erste Blick erkennen, daß die Bezeichnung "Grundbegriff der Nationalökonomie" anderen Sinnes, anderen Geistes sei als die Bezeichnung "nationalökonomische Grundbegriffe". Der erstere Ausdruck ist auch mit nichten vom Herkommen getragen; er taucht nur ganz vereinzelt auf, eben bei dieser Erörterung. Schon deshalb kann nichts, was den ersteren Ausdruck angeht, die herkömmliche Meinung über Sinn und Geist der Bezeichnung "Grundbegriffe" berühren; nur darum handelt es sich im Augenblicke.

Im Übrigen ist es ja durchsichtig genug, daß sich meine Kritik an dieser Bezeichnung nur um der  Aufzählung  willen festbeißt, die sich von ihr nicht wegdenken läßt, soweit das Herkommen reicht. Die Einzahl des Wortes schließt aber alle Aufzählung, und in diesem Sinne alles Interesse an dem Ausdruck "Grundbegriff der Nationalökonomie" aus.

Eine allgemeine und vom Herkommen getragene Meinung, wie die Bezeichnung "Grundbegriffe" zu verstehen sei, ist in der Nationalökonomie wohl vorhanden. Sie erschöpft sich aber darin, daß sie neben die Bezeichnung die Möglichkeit setzt, das so Bezeichnete ohne weiteres aufzählen zu können; dafür bietet sie ein ungefähres Schema dar. Alles weitere bleibt der persönlichen Auffassung überlassen.  Wirklich vom Herkommen getragen ist also die nationalökonomische Bezeichnung "Grundbegriffe" rein nur im Geiste eines bloßen Sammelnamens.  Das will sagen, eines Wortes, das ein an andern Worten hergezähltes Vielerlei ganz kurzer Hand zusammenfaßt, im Wege einer einfachen Nennung.
LITERATUR - Friedrich von Gottl-Ottlilienfeld, Die Herrschaft des Wortes, Untersuchungen zur Kritik des nationalökonomischen Denkens, Jena 1901