p-3epubmobipdfmp3Wertorientierte LogikKleines ABC der Wertlogik 
 
WERNER |G| PETSCHKO
Wertorientiertes Denken
[Remix 2013]

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"Schluß mit dem verblödeten Realitätsgefasel! Es gibt keine wissenschaftlich fassbare Wirklichkeit. Nichts  ist, alles wird  gewollt oder  soll sein."

Kein vernünftiger Mensch glaubt heutzutage noch an eine objektive Wirklichkeit. Der Glaube an eine absolute Wahrheit hat sich verlagert und ist relativistischen Denksystemen gewichen. Das Wahrheitsproblem wird gegen Fragen der praktischen Nützlichkeit getauscht oder in einer verlogenen Flucht in alle möglichen Formen von Irrationalismus und Aberglauben entwertet. In dem Maß wie Wahrheit und Objektivität ihre Autorität als Rechtfertigungsinstanz verloren haben, ist ein moralisches  Gewissen gefragt, um die dadurch entstandenen Lücken in der Ordnung der Systeme zu schließen. In der Idee des Gewissens ist jede Beliebigkeit ausgeschlossen und eine Unbedingtheit möglich, wie sie im objektivistischen Absolutismus angestrebt wurde. Freilich braucht es für ein solches Gewissen ganz bestimmte Voraussetzungen an Urteilskraft und einen Überblick über psychologische und logische Zusammenhänge, die sich letztlich alle auf Fragen der  Identität zurückführen lassen.

In meinen Augen hat die Vergangenheit zur Genüge gezeigt, daß Moral  allein, ohne Logik, nicht selten zur wüstesten Schreckensherrschaft geführt hat. Die  reine Logik aber, die kalt und formal über das Einzelne hinwegabstrahiert, gerät ebenso oft zur Tyrannei. Auch dafür gibt es jede Menge geschichtliche Beispiele. Die Idee, daß sich Moral und Logik überhaupt und prinzipiell nicht trennen lassen, ist in den verschiedensten philosophischen und wissenschaftlichen Theorien mehr oder weniger deutlich enthalten, aber nirgendwo mit dem erforderlichen Nachdruck dargestellt, so daß die prinzipielle Wichtigkeit dieses Gedankens nicht dauerhaft festgehalten werden konnte. Es hat auch nicht an vielen theoretischen Versuchen gefehlt, die ungebührliche Vermengung von Psychologie und Logik, bzw. Wissen und Wollen oder  er kennen und  be kennen zu bekämpfen, so wie auch heutzutage immer noch eine klare Grenzlinie zwischen Wissenschaft und Moral gezogen wird. Kein Axiom eines Denksystems läßt sich aber mit bloß logischen Methoden  beweisen. Der Ausgangspunkt wie die Zielsetzung ist immer von einem Urteil abhängig zu dem es ein "echtes" Subjekt braucht und nicht nur eine neutrale Beobachtung von Dingen ansich, wie das z. B. in der syntaxorientierten Linguistik mit der Sprache gemacht wurde.

Der  Wille muß als das entscheidende Moment betrachtet werden, wenn es darum geht, eine sichere Überzeugung zu gewinnen und sie ist umso sicherer, je mehr sich dieser Wille am Ideal der Widerspruchslosigkeit orientiert. Der Wille zur Widerspruchslosigkeit kann nun ebenso mißbraucht werden, wie der Wille zur Wahrheit, wenn der Bezugspunkt für alle logischen Schlußfolgerungen nicht als persönliches Bewußtsein, als Individualität, bzw.  Ich verstanden wird. Ein solches Bewußtsein kann auch als  Gewissen bezeichnet werden, das nicht nur auf technisch-logische Art und Weise funktioniert, sondern auch für die Bewertung des Logischen innerhalb eines Systems [der eigenen Persönlichkeit] zuständig ist. Es stellt sich also nie nur allein die Frage der logischen Richtigkeit, sondern immer auch die der moralischen und damit das Problem einer  Rechtfertigung von Macht.

Wahrheit im Sinne von Widerspruchslosigkeit zu den eigenen Grundsätzen und Widerspruchslosigkeit  innerhalb dieser Grundsätze bedeutet nicht notwendigerweise einen Relativismus und zweifelhafte Beliebigkeit, denn das Gewissen ist so absolut, wie die eigene Persönlichkeit  eine ist und nicht gespalten. Um den Einwand der Immunisierung gegen äußere Kritik vorwegzunehmen, sei gesagt, daß auch in Gewissensfragen die logische Regel der Widerspruchslosigkeit nicht aufgehoben ist, allerdings kann sich eine rationale Kritik nur auf die gewählten Voraussetzungen eines Denksystems berufen, also auf intrinsische, bzw. immanente Fehler, nicht auf eine Verfehlung  ansich.

Die logische Rangordnung der Werte ergibt sich aus ihrem Verhältnis von Mittel und Zweck. Die höchsten Werte sind solche, die ihre eigentliche Qualität verlieren, wenn sie als Mittel gebraucht werden. Auch Widerspruchslosigkeit läßt sich mißbrauchen dadurch, daß Argumente unterschlagen oder erschlichen werden. Was das  wertlogische Denken vom bloß  logischen unterscheidet, ist die bewußte und willentliche Setzung des Anfangs sowie des Endes, d. h. der Zielsetzung. Beides ist im bloß logischen Denken mehr oder weniger willkürlich, wird aber im Geiste wissenschaftlicher Allgemeingültigkeit gerne als  notwendig und  zwingend verkauft. Wer wertlogisch denkt, ist sich bewußt, daß niemand um eine  Wahl,  um eine Entscheidung herumkommt. Selbst die Verweigerung einer Wahl ist nichts anderes als eine Entscheidung. Sobald von Menschlichkeit gesprochen wird, hat man es mit der Fähigkeit zum abstrakten Denken zu tun und dabei geht es mehr oder weniger immer um die Feststellung von Differenzen und der Herstellung von Zusammenhängen, die ohne eine  Intention vernünftigerweise nicht denkbar sind. Diese  Freiheit ist im nomothetischen Denken, mit welchem auf Gesetzlichkeit abgezielt wird, nicht vorgesehen und erscheint lediglich als Wahrscheinlichkeitsprozent an Unsicherheit in mathematischen Berechnungen.

Nun soll auch gar nicht bestritten werden, daß viele Regelmäßigkeiten und Erfahrungen im menschlichen und gesellschaftlichen Leben und Wirken ihren  praktischen Wert haben und daß vieles was da in Raum und Zeit vermessen wird, auch tatsächlich  funktioniert, aber die Anerkennung dieses Umstands geht nicht so weit, daß dabei Begriffen wie "Wahrheit" oder "Objektivität" bzw. "Wirklichkeit" ein logisches Recht zugestanden wird. Alle Maße sind eine willkürliche Erfindung, mit denen ein ganz bestimmter Zweck verfolgt wird. Damit ist zwar jede Menge Orientierung möglich, aber kein Orientierungs prinzip, ein Mittel, aber kein Zweck, verfügbar.

Im wertlogischen Denken kommt es, im Gegensatz zum isolierenden Abstraktionsverfahren der Gesetzeswissenschaften, weit mehr auf die Beziehungen zu den Dingen an, wobei die Relation zum konkreten Subjekt, zu einem Ich, die entscheidende ist. Zusammenhänge werden dabei nicht als objektive Gegebenheit verstanden, sondern als Resultat von Werturteilen. Beziehungen werden  hergestellt, konstruiert, produziert und nicht  erkannt.

Die Vielfalt der Interessen hat genau in dieser  Möglichkeit ganz unterschiedliche Zusammenhänge zu sehen, respektive für relevant oder bedeutsam zu halten, ihren logischen Grund. Die verschiedensten Ansichten sind möglich, weil Menschen unterschiedliche Dinge für wichtig halten und sich ihrem eigenen Willen und Bedürfnissen gemäß für dieses oder jenes entscheiden. Ein vernünftiger Mensch wird aber Wert darauf legen, daß er sich in dem, was er denkt oder unternimmt nicht irrt oder täuscht, so daß die Idee der logischen und moralischen Widerspruchslosigkeit, d. h. ein möglichst identisches Ich, in jedem Fall den obersten Rang einnimmt.

Im wertlogischen Ansatz wird die objektive Identifizierung der Dinge mit irgendwelchen Eigenschaften als Unfug betrachtet, der jeder logischen Grundlage entbehrt. Die Dinge  sind nicht das oder das, sondern sie werden auf einen bestimmten Zweck hin als das oder jenes  bestimmt und definiert indem das eine vom anderen  unterschieden wird. Der eigentliche Wert einer solchen  Festlegung [einer Position] läßt sich nur aus dem Zusammenhang erklären, in den sie geordnet wird, letztlich aus der moralischen Überzeugung, die sich aus Grundwerten ergibt. Mit der systematischen Einheit der Person steht und fällt jede Art der Begriffsbildung, so daß der psychologische Wille zur Entscheidung, sowie die Urteilskraft eines jeweils gebildeten Verstandes und die logische Folgerichtigkeit der Überlegungen nicht voneinander getrennt betrachtet werden können.

Im alten Rationalismus war man der Meinung, daß es allgemeine, also ansich gültige Maßstäbe für Denken und Handeln gibt. Wer im westlichen Kulturkreis aufgewachsen ist, wurde in dem Glauben erzogen, daß die Wirklichkeit oder Teile der Wirklichkeit ohne Wissensverlust beschrieben und erklärt werden können. In diesem Sinne glaubt der natürliche Mensch immer noch, diese oder jene Farbe zu sehen, bzw. daß Gegenstände, diese oder jene Farbe  haben. Aber so einfach ist das nicht. Rot ist nur rot, wenn nur eine Auswahl zwischen rot, blau und grün gegeben ist. Wenn aber zwischen einem dunklen rot und braun zu wählen ist und dabei mehrere Zwischentöne berücksichtigt werden müssen, dann ist es schon nicht mehr so einfach zu sagen: das ist rot und das ist braun.

Der Wortrealist glaubt an die reale Existenz dessen, was durch ein Wort sozusagen  repräsentiert wird und hegt keinerlei Zweifel an dieser Stellvertreterfunktion der Sprache. In einer solchen  neutralen Auffassung der Dinge gibt es keinen Grund, an irgendeiner derartigen Feststellung ein ganz bestimmtes Interesse zu vermuten. Die Existenz eines Baumes steht außer Frage, so, wie man ihn vor Augen hat, aber kein Mensch  sieht einen Baum. Die Kategorie des Baumes ist eine Konstruktion, die der Verstand als einmal gelernt weiterhin kritiklos übernimmt, ohne daß das eigentlich  ökonomische Zweckinteresse bei der Verwendung eines solchen Allgemeinbegriffs zu Bewußtsein kommt.

Jedes Ding-ansich ist Unfug und je mehr die Dinge verallgemeinert werden, um so mehr sollen sie  ansich, also unabhängig von spezifischen Zusammenhängen gelten. Wer die Dinge allgemein betrachtet, legt auf Unterschiede mehr oder weniger keinen Wert und verbindet dann aber auch keinen konkreten Zweck damit. Die Überzeugung eines solchen Menschen ist so wertlos, wie seine Begriffe inhaltsleer.  Die Welt ansich ist bedeutungslos. Ein an Bäumen im Grunde uninteressierter Mensch käme, auch bei einem gewissen logischen Interesse, nicht über eine mehr oder weniger knappe Darstellung hinaus, wogegen ein Fanatiker sein ganzes Leben mit der Beobachtung eines Baumes verbringen könnte, indem er sekündlich die Veränderungen der Blätter im Wind per Kamera und Computer aufzeichnet. Es geht also in keinem Fall ohne Kriterien, in denen festgelegt wird, worauf es ankommt, jedenfalls nicht, wenn noch so etwas wie  Sinn eine Rolle spielen soll. Und so landet man immer bei der Baumbeschreibung eines Försters, die sich von der des Biologen unterscheidet, aber auch von der eines Indianers usw., aber niemals bei einer objektiven Wirklichkeit.

Es gibt keine andere, als die eigene Wahrheit, bzw. die eigene Wirklichkeit und beides macht nur Sinn in Form eines Bewußtseins von eben dieser Wahrheit, bzw. Wirklichkeit. Dieses Bewußtsein ist das, worum es geht - ein Zustand konzentrierter Aufmerksamkeit in dem mit Interesse eine Sache verfolgt wird. Ein solches Bewußtsein umfaßt auch all das, was im jeweiligen Moment  nicht so präsent ist in einer Art unterschwelliger Aufmerksamkeit. Dazu gehört auch im anderen Fall das Bewußtsein darüber, daß man nicht immer  bewußt sein kann und auch nicht will, so daß Fünfe auch mal gerade sein können.

Wer als Mensch ernst genommen werden will, muß sich auf eine eigene Meinung verpflichten lassen, d. h. sich an seine eigene Meinung gebunden fühlen. Je mehr eine solche Verpflichtung ohne Zwang und Autorität auskommt und aus freien Stücken geschieht, umso menschlicher ist sie. (1) Darin sehe ich den Grund des Begriffs der Verantwortung. Daraus ergibt sich die Aufgabe die Identität der eigenen Person herzustellen und aufrechtzuerhalten. Um dieses Ziel zu erreichen, genügt es nicht, sein Leben in einem Streben nach materiellem Wohlstand und körperlichem Wohlbefinden zu erschöpfen, mag der "Kampf ums Dasein" noch so hart sein. Die Selbstbehauptung ist in erster Linie eine solche als  Mensch und bezieht sich auf die Wertvorstellungen, die mit der Idee von Menschlichkeit verbunden sind. Einen Menschen, der  nur denkt oder  nur fühlt oder  nur will, gibt es nicht. Wer eine Persönlichkeit und damit Identität für sich in Anspruch nehmen will, muß sich um eine Einheit seines Bewußtseins über den jeweiligen Moment hinaus bemühen und zu seinem eigenen Denken, Fühlen und Wollen eine Stellung beziehen und eine Überzeugung, eine Moral schaffen, in der sich alles zusammenfügt. In diesem Sinn ist jeder Mensch auch so etwas wie ein Philosoph.

Wenn es überhaupt eine Methode des Denkens gibt, dann handelt es sich dabei um die Logik der Begriffsbildung. Das ganze Denken besteht eigentlich aus nichts anderem, als aus der Unterscheidung von  gleich und  ungleich. Der Name des Rationalitätsprinzips heißt  Identität. Der Grundfehler der Alltagslogik muß in der fehlenden Beobachtung relevanter Unterschiede gesehen werden. Die meisten Leute denken einfach nicht richtig nach oder sie machen sich zuviele Gedanken an der falschen Stelle, können ihre Gefühle nicht von ihren Gedanken trennen. Eine solche Oberflächlichkeit besteht auch darin, die eigentlich  zweckbedingte Bezugnahme auf einen Gegenstand als objektive Identifizierung von Eigenschaften zu akzeptieren. Dieses falsche Patentrezept hat wesentlich zum Aufbau aller gesellschaftlichen Institutionen beigetragen und viele grundsätzliche Zweifel unmöglich gemacht.

Die Voraussetzung aller logischen Schlüsse ist die gleichbleibende Bedeutung der Wörter. Das ist auch einleuchtend. Schon im Rechenunterricht der Grundstufe wird einem beigebracht, daß man Äpfel und Birnen nicht zusammenzählen darf. "Alles, was Füße hat, kann gehen" - "Der Sessel hat Füße." - "Also kann der Sessel gehen" wäre ein anderes Beispiel für diesen klassischen Fehlschluß. Logische Zugehörigkeit kann sich nur zwischen Elementen der gleichen Klasse abspielen. Aus unklassifizierten Dingen können keine Schlüsse gezogen werden. Aus Gründen des praktischen Erfolgs tendieren die Leute aber eben gern dazu, sich die gewünschte Gleichheit durch unzulässige Verallgemeinerungen zu erschleichen und so nimmt die geistige Gewalt in der Form des sprachlichen Betrugs [auch Selbstbetrugs] ihren Lauf.

Das Aufstellen von Analogien ist unerläßlich, um im Alltag überhaupt handeln zu können, aber die Dinge, die gewöhnlich als gleich behandelt werden, werden immer nur auf einen bestimmten Zweck hin als gleich betrachtet. Die Aufmerksamkeit auf Ähnlichkeiten und das Vernachlässigen der Unterschiede wird gemeinhin als  Abstraktion bezeichnet. Auf Ähnlichkeit und nicht auf Gleichheit ist alles Klassifizieren und damit die Sprache aufgebaut. Es gäbe überhaupt keine vernünftigen Formulierungen, wenn nicht ähnliche Empfindungen für gleiche Wahrnehmungen gelten würden. Die Vergleichung von Ähnlichkeiten gibt aber keinen logischen Schluß. Jedes Gleichnis hinkt. Wie sagt Herr POPPER so schön: "Für jede endliche Gruppe oder Menge von Dingen, mag sie noch so regellos zusammengestellt sein, lassen sich bei einiger Geschicklichkeit Standpunkte finden, von denen aus alle zu der Menge gehörenden Dinge ähnlich (oder teilweise gleich) sind." In einem solchen Interpretationsspielraum tummeln sich die pseudo-logischen Scharlatane dieser Welt zuhauf und vernünfteln sich die Dinge so zurecht, wie sie ihnen am besten passen und gebrauchen dabei Begriffe wie Realität oder Notwendigkeit und andere Symbole des scheinbar sachlichen Zwangs, um unbedarfte Zeitgenossen mit falscher Rationalität zu übertölpeln.

Jedes beliebige Ding oder Ereignis kann als Wiederholung jedes beliebig anderen angesehen werden, wenn man nur den geeigneten Standpunkt einnimmt. Die Perspektive ergibt sich immer aus einem persönlichen Wertinteresse und jedes Interesse muß  gerechtfertigt werden, wenn der Gedanke einer Ordnung, sei sie nun individuell oder allgemein gültig, noch einen Sinn haben soll. Es wäre ein naiver Kinderglaube, anzunehmen, daß sich der Interessenkonflikt aus dem Zusammenleben von Menschen für alle Zeit beseitigen läßt, ganz egal welches logische oder moralische System dabei zur Anwendung kommt. Die Behandlung derartiger Differenzen kann jedoch  so oder so vor sich gehen - auf einer argumentativen Basis oder als Recht des lediglich zufällig Stärkeren. Mit der Beseitigung eines gravierenden Vorurteils, das ich den objektivistischen Aberglauben nennen möchte, wird für meine Begriffe ein großer Schritt getan in Richtung auf eine größere Klarheit in Bezug auf die Probleme, mit denen die Menschheit als [noch nicht vorhandene] Einheit auf diesem Planeten zu kämpfen hat.

Auf moralischem wie auf logischen Gebiet sind es Fragen der Gesetzgebung, die am meisten der Rechtfertigung bedürfen. Wo Allgemeinheit erschlichen wird, kann es keine Gerechtigkeit und auch keine Freiheit geben. Wenn z. B. das "allgemeine Interesse" nur ein logischer Popanz ist, dem die Substanz fehlt, kann auch keine Regierung legitim sein, die sich aus der "Macht des Volkes" rechtfertigt. Das gilt im gleichen Sinn auch für die sogenannten "Naturgesetze" und das Prinzip "Kausalität" als notwendigem Zusammenhang von Ursache und Wirkung. Ordnung schaffen heißt  unter- und  über ordnen und wenn es dabei nicht mit rechten Dingen zugeht, dann gibt es auch keine Ordnung und damit auch keine Sicherheit und Freiheit nur insofern, als unter Wahnsinn eine Form von Freiheit verstanden wird.

Das Ideal sicheren Wissens ist mit dem Siegeszug der objektiven Wissenschaften in vieler Hinsicht für materielle Interessen mißbraucht worden und so werden weiterhin unter dem Deckmantel pragmatischer Überzeugungen Mittel durch Zwecke geheiligt, so daß die bloße Macht zum Selbstzweck werden kann und allein das Eigeninteresse den Ausschlag gibt. Man kann getrost davon ausgehen, daß überall da, wo mit "Realität" und "Fakten" argumentiert wird, ein Fall von Machtmißbrauch vorliegt, ein Mißbrauch des Vertrauens, das den sogenannten Autoritäten in Staat und Gesellschaft von "bildungsferneren" Schichten entgegengebracht wird. Unter dem Deckmantel einer wertfreien Beschreibung wird die eigene Stellungnahme verheimlicht, der eigene Wille zum Erfolg und zur Macht kleingeredet und allein mit der Manipulierbarkeit möglichst vieler Mitmenschen gerechnet. Deshalb wird es Zeit, daß sich die richtigen Leute für die richtigen Dinge interessieren, denn zur Zeit interessieren sich zuviele falsche Leute für die falschen Dinge.

Jeder Mensch hat seine eigene Welt und jede Wirklichkeit ist eine Wirklichkeit für besondere Zwecke, besondere Sichtweisen. Eine allgemeingültige Weltanschauung ist prinzipiell ein Ding der Unmöglichkeit und sollte vernünftigerweise auch nicht angestrebt werden. Was aber möglich sein sollte, das ist die Einigung auf gewisse Minimalanforderungen, wie z. B. die Menschenrechte. Daß es in dieser Frage nur zu kaum merkbaren Fortschritten kommt, hat viel damit zu tun, daß zur Rechtfertigung von Handlungen immer noch einseitig biologisch-materialistisch argumentiert wird, so daß Milliarden von Menschen an Hunger, Krankheit oder Waffengewalt sterben können, ohne daß sich der Rest der Welt (von ein paar Ausnahmen abgesehen) einen Kopf machen muß. Ja, die Betroffenen dieses Elends sehen es oft selbst als ihr Schicksal an, dem sie machtlos ausgeliefert sind.

Es ist alles nur eine Frage der Prioritätensetzung. Wem der eigene Wohlstand lieber ist, als die Bekämpfung des Übels auf dieser Welt, wird kaum die nötige Aufmerksamkeit dafür erübrigen, um sich über Zusammenhänge zu informieren, die über das eigene Wohlbefinden hinausgehen, da sich das eigene Gewissen mit ein wenig Heuchelei da und dort problemlos besänftigen läßt. Und wenn dann noch ein gesellschaftliches Klima herrscht, das den Spaß- und Konsumfaktor favorisiert, dann ist man mit Lippenbekenntnissen allein schon König unter den Einäugigen.

Jede Theorie ist nur praktisch oder es ist eine schlechte Theorie. Alle Begriffe müssen als  idealtypisch betrachtet werden, d. h. es handelt sich dabei immer um Idealvorstellungen, denen in der äußeren Wirklichkeit nicht notwendigerweise etwas entsprechen muß. Wie oft wird beispielsweise über das  Wesen irgendeiner Sache wie etwa dem "Steuerzahler," dem "Wähler" oder schlicht vom "Bürger" ansich als Inbegriff der Bevölkerung gesprochen? Solche Reden sind sinnlos. Es geht dabei immer nur um Mehrheitsverhältnisse, die sich für einen bestimmten Zweck gebrauchen lassen, also um Quantität, nicht um Qualität. Daß es Viele sind, reicht für die Relevanz schon aus. Die Macht der Beeinflussung und Manipulation ist das Wesentliche daran. Ein schlauer Herrscher muß nur dafür sorgen, daß möglichst viele Allgemeinbegriffe in Umlauf sind, um seine Regierung zu sichern. Dann geht alles wie von selbst. "Ruhig waltet das Allgemeine" hat ein gewisser PLOTIN schon im 3. Jahrhundert n. Chr. erkannt und die Konservativen aller Zeiten haben es auch geschickt verstanden, in dieser Hinsicht keine schlafenden Hunde zu wecken. Wo zuviele Unterschiede gemacht werden, verliert man leicht den Überblick und der Brei wird verdorben.

Überall, wo von Dingen-ansich die Rede ist, also von Sachen, die unabhängig vom individuellen Bewußtsein eines konkreten Subjekts allgemeingültig und generell von Bedeutung sind, eben  ansich, ist jedes moralische Urteil unmöglich gemacht. Von dieser verlogenen Art von Neutralität profitieren immer schon diejenigen, die ihre Vorteile aus den etablierten Herrschaftsverhältnissen zu ziehen wissen. Die Common-Sense-Ideologie, d. h. der Wortrealismus, in dem Worte eine zweifelsfrei objektive Bedeutung haben können, weil etwas  gewußt wird, ist für mich ein ganz wesentlicher Grund für das Nichtgreifen revolutionärer Konzepte. Eine Aufklärung über die semantische Beziehung zwischen Wort und Ding würde im großen Stil jede Menge Urteilskraft freisetzen. Nicht umsonst wird im amerikanischen Sprachraum unnützes Gerede als "Semantics" diskreditiert, vor dem sich jeder Politiker zu hüten hat. Diesen Machtmenschen ist klar, auf welches Glatteis sie sich da begeben, wenn die Interpretationsmöglichkeiten zu breiten Raum einnehmen und deshalb werden für die eigene Argumentation hieb- und stichfeste Fakten in Anspruch genommen und als Semantik das bezeichnet, was der Gegner vorbringt.

Der Staat als Wahrer des Volkswohls behauptet Recht und Gesetz im Namen der Allgemeinheit. Das allgemeine Interesse ist aber nur ein leerer Begriff und Wahn, wenn sich der Einzelne nicht mit gutem Grund und widerspruchsfrei damit identifizieren kann. GERHART HAUPTMANN sagt es unverblümt: "Verallgemeinerungen sind Lügen" und deshalb sollte sich jeder, der seine Worte gebraucht, ohne sich über die tiefere Beziehung zur eigenen Person und der eigenen Glaubwürdigkeit Gedanken zu machen, auch als Lügner bezeichnet werden und nicht nur als Dummkopf oder Egoist.  Logokratie ist die Herrschaft der abstrakten Begriffe und wer unkritisch oberflächlichen und allzu pauschalen Darstellungen folgt, unterwirft sich einem solchen System wie der Sklave vergangener Zeiten der Peitsche. Das Perfide daran ist, daß diese Form von geistiger Gewalt kaum jemandem bewußt ist. Die meisten Leute lassen sich sogar einreden, daß sie zu dumm sind, um etwas zu verstehen, wenn man sie mit hohlen Phrasen bombardiert.

Die im gesellschaftlichen Diskurs kursierenden Verdrehungen und Verfälschungen sind nur möglich, weil auf breiter Basis ein grundsätzliches, aber bestürzendes Vertrauen in die Realität objektiver Konstellationen gepflegt wird, obwohl es sich nur um Ideale, um Wunschvorstellungen handelt, die nicht wirklich Sicherheit verbürgen. Das gilt auch für die sogenannten Naturgesetze. Immer werden interessegeleitet Grenzen gezogen und Randbedingungen definiert, die idealerweise einzuhalten sind. Wären die Naturgesetze aber von so großer Wichtigkeit wie immer getan wird, so müßte auf dieser Welt meines Erachtens weit mehr Ordnung herrschen, als der Fall ist. Tatsächlich aber geben ganz andere "Realitäten" wie die immer weiter um sich greifende Verdummung breiter Bevölkerungsschichten den Ausschlag. Die Fähigkeit zum kritischen Denken nimmt allgemein ab und ein neues finsteres Zeitalter bahnt sich an.

Die Herrschaft sitzt in den Köpfen der Leute, sie ist abstrakt geworden. Sobald auf breiter Ebene ein gesundes Mißtrauen gegen diese "überindividuellen Organisationsformen" (GUSTAV LANDAUER) entwickelt wird, ist Schluß mit den schlimmsten Scheinproblemen und Scheintheorien, die es dem Großteil der Menschen unmöglich machen, einen klaren Kopf zu bekommen, ohne dabei auf den nackten Überlebenstrieb zurückgeworfen werden zu müssen. Solange bloße Worte schon als Gedanken und Begriffsdichtungen als Tatsachen gelten können, ist es relativ einfach möglich, die Masse der Bevölkerung mit billigen Erklärungen und zweifelhaften Rechtfertigungen abzuspeisen. Wird dieser Trick durchschaut, dürfte es für bestimmte Leute sehr schwer werden, ihre privilegierten Ansprüche ohne erheblichen Widerstand durchzusetzen.
LITERATUR - Werner |G| Petschko, Wertlogik für Anfänger, Penzberg 2008
    Anmerkungen
    1) Ein solcher Zwang wird heutzutage eher subtil ausgeübt, indem etwa in den USA Aufstiegsmöglichkeiten in einer Firma von einem Commitment in Form von Ehe, Familie, Wohlstand und Kreditschuld [als den Garanten für die erforderliche Arbeitsmoral] abhängig gemacht werden.