F Charles Gide / Charles Rist - Adam Smith [2/2]
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CHARLES GIDE / CHARLES RIST
Adam Smith
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"Ein Mensch, der sein ganzes Leben damit verbringt, ein paar einfache Operationen zu vollziehen, deren Erfolg vielleicht immer derselbe oder wenigstens ein ziemlich ähnlicher ist, hat keine Gelegenheit, seinen Verstand zu üben oder seine Einbildungskraft anzustrengen, um Hilfsmittel gegen Schwierigkeiten aufzusuchen, die ihm niemals begegnen. Er verliert also die Fähigkeit zu solchen Übungen und wird am Ende so unwissend und dumm, als es nur immer ein menschliches Wesen werden kann."

"Das Wachstum des nationalen Reichtums besteht nicht in einer Erhöhung des  Produit net  allein, sondern in der Vermehrung aller der dem Verbraucher zur Verfügung stehenden Gegenstände. Als klare, praktische Folge dieser Auffassung ergibt sich, daß die Steuer nicht, wie es die Physiokraten wollten, von einer einzigen Klasse getragen werden soll. Sie muß alle gleichmäßig treffen."

"Adam Smith nennt alle die Arbeiten unproduktiv, die gewöhnlich im Augenblick ihrer Leistung zugrunde gehen und selten eine Spur oder einen Wert zurücklassen, wofür ein gleiches Maß von Diensten später beschafft werden könnte. Dies sind alles Dienste, denen J.-B. Say den Namen  immaterielle Produkte  geben sollte und die nach Smith die Arbeit des Dienstboten, die der Verwalter, des Richters, Soldaten und Priesters, Advokaten, Ärzte, Schriftsteller, Musiker usw. umfassen."


§ 1. Die Arbeitsteilung

QUESNAY hatte geschrieben: "Die Landwirschaft ist die Quelle aller Güter des Staates und aller seiner Bürger". (1) Mit dem ersten Satz seines Buches erhebt SMITH gegen diese Gedanken Widerspruch und führt die Güter auf ihren wirklichen Ursprung zurück. "Die jährliche Arbeit eines Volkes", schreibt er, "ist der Fonds, welcher dasselbe mit allen Bedürfnissen und allen Annehmlichkeiten des Lebens versorgt, die es jährlich verbraucht und die immer entweder im unmittelbaren Erzeugnis dieser Arbeit oder darin bestehen, was für dieses Erzeugnis von anderen Völkern erhandelt wird."

Die Arbeit ist also die wirkliche Quelle des Reichtums. Mit diesem berühmten Satz, der zu so vielen Mißverständnissen Anlaß gegeben hat, wollte SMITH sicherlich weder den Einfluß der Naturkräfte, noch den des Kapitals in der Produktion bestreiten. (2) Niemand hat stärker als er - vielleicht JEAN-BAPTISTE SAY ausgenommen - die Bedeutung des Kapitals betont und wir werden weiterhin sehen, daß er dem Boden eine besondere Produktivität beimißt. SMITH hat aber von Anfang an den Gegensatz seiner Lehre zu der der Physiokraten hervorheben wollen. Er behauptet, daß in summa die Tätigkeit des Menschen jedes Jahr die Menge der von ihm verbrauchten Güter erzeugt und nicht die Kräfte der Natur, die ohne die Leitung des Menschen unfruchtbar und unnütz bleiben würden.

Er zieht zugleich die Folgerungen aus diesem Gedanken. Da es im allgemeinen die Arbeit und nicht allein der Boden ist, der den Reichtum erzeugt, so ist es auch nicht die Arbeit einer einzigen Klasse, die der Landleute, sondern die Arbeit aller Klassen, die Arbeit des ganzen Volkes, die produktiv ist. Die in einem Land jährlich erzeugten Güter sind das Ergebnis der gemeinsamen Arbeit aller, die dort arbeiten. Sie enstehen aus ihrem Zusammenarbeiten, ihrer "Kooperation", wie er selbst schreibt. So gibt es keinen Unterschied mehr zwischen sterilen - nur die Müßiggänger sind steril - und produktiven Klassen, sondern eine große Werkstatt, wo alle verschiedenen Tätigkeiten zusammen am Reichtum der Gesamtheit arbeiten. Die Stelle, in der ADAM SMITH diesen Gedanken ausführt, ist wohlbekannt und verdient hier ausführlich angeführt zu werden.
    "Welch mannigfaltige Arbeit ist ferner nötig, um die Werkzeuge des geringsten unter diesen Arbeitern hervorzubringen! Von so komplizierten Maschinen, wie es ein Schiff, eine Walkmühle oder selbst ein Webstuhl ist, gar nicht zu reden, wollen wir nur betrachten, welch mannigfaltige Arbeit dazu erforderlich ist, jene höchst einfache Maschine, die Schafschere, mit welcher der Schäfer die Wolle abschert, zu verfertigen. Der Bergmann, der Erbauer des Hochofens, der Holzfäller, der Köhler, welcher Kohlen für die Schmelzhütte bereitet, der Ziegelstreicher, der Maurer, die Arbeiter, welche den Ofen zu besorgen haben, der Mühlenbauer, der Grobschmied, der Schmied: sie alle müssen ihre verschiedenen Arbeiten vereinigen, um sie zu erzeugen. Wollten wir auf dieselbe Weise alle verschiedenen Teile seines Anzuges und Hausrates untersuchen, das grobe, leinene Hemd, welches er auf dem Leib trägt, die Schuhe, die seine Füße bedecken, das Bett, worauf er liegt und all die verschiedenen Teile, woraus es besteht, den Rost in der Küche, auf dem er seine Speisen zubereitet, die Kohlen, die er dazu braucht und die dem Erdinnern entgraben und ihm vielleicht durch eine lange Land- und Seefahrt zugeführt worden sind, alle anderen Gerätschaften seiner Küche, alles Tischgeschirr, die Messer und Gabeln, die irdenen oder zinnernen Teller, auf denen er seine Gerichte aufträgt und schneidet, die verschiedenen Hände, die mit der Bereitung seines Brotes und Bieres beschäftigt sind, die Glasfenster, die Wärme und Licht hereinlassen, Wind und Regen abhalten, samt aller Kenntnis und Kunst, welche erforderlich war, diese schöne, glückliche Erfindung vorzubereiten, ohne welche diese nördlichen Teile der Erde kaum eine sonderlich behagliche Wohnung erhalten konnten, dazu endlich die Werkzeuge all der verschiedenen Arbeiter, die mit Hervorbringung der verschiedenen Genußmittel beschäftigt sind - wenn wir, sage ich, alle diese Dinge betrachten und erwägen, welche Mannigfaltigkeit der Arbeit an jedes derselben verwendet wird, so werden wir inne werden, daß ohne den Beistand und die Mitwirkung (Kooperation) vieler Tausende nicht der allergeringste Mensch in einem zivilisierten Land auch nur in der, wie wir sie uns fälschlich vorstellen, leichten und einfachen Art versorgt werden kann, in der er gewöhnlich ausgestattet ist." (3)
Diese Kooperaton hat sich in den menschlichen Gemeinwesen von selbst unter einer besonderen Form, der der Arbeitsteilung, verwirklicht. Das Hauptverdienst ADAM SMITHs besteht gerade darin, diese ökonomische und soziale Grundtatsache, die seit ihm so oft angeführt worden ist, daß sie uns heute als Behauptung banal erscheint, klar hingestellt (hiermit beginnt nämlich sein Buch) und sie zum grundlegenden Gedanken beim Aufbau seines ganzen Werkes gemacht zu haben.

Die Arbeitsteilung ist die Einrichtung, durch welche die Kooperation der Menschen zur Erzeugung des Nationalproduktes sich mühelos und natürlich vollzieht. Während die Tiere sich mit einer unmittelbaren Befriedigung ihrer einzelnen Bedürfnisse begnügen (4), beschränkt sich jeder Mensch, anstatt für die Gesamtheit seiner Bedürfnisse Vorsorge zu treffen, auf ein einziges Erzeugnis, das er dann gegen die, die ihm fehlen, umtauscht. Hieraus ergibt sich für die Gesamtheit ein enormer Güterzuwachs. Die Arbeitsteilung, die das Zusammenwirken aller zur Befriedigung der Bedürfnisse jedes einzelnen erzeugt, ist die wirkliche Quelle des Fortschritts und des Wohlstandes.

Um diese durch die Arbeitsteilung verursachte Gesamtproduktionssteigerung besser verständlich zu machen, nimmt SMITH als Beispiel die Wirkungen der technischen Arbeitsteilung in einer besonderen Industrie. "Die Wirkungen der Arbeitsteilung in der allgemeinen Gewerbstätigkeit der Gesellschaft lassen sich leichter verstehen", sagt er, "wenn man beachtet, in welcher Weise jene Teilung in einzelnen Gewerben wirkt." Mit diesen Worten beginnt er seine berühmte Beschreibung der Stecknadelfabrikation:
    "Ein Arbeiter, der für diese Tätigkeit (woraus die Teilung der Arbeit ein eigenes Gewerbe gemacht hat) nicht angelernt wäre, der mit dem Gebrauch der dazu verwendeten Maschinen (zu deren Erfindung wahrscheinlich eben dieselbe Teilung der Arbeit Gelegenheit gegeben hat) nicht vertraut wäre, könnte vielleicht mit dem äußersten Fleiß täglich kaum eine, gewiß aber keine zwanzig Nadeln herstellen. In der Tat aber, wie diese Tätigkeit jetzt betrieben wird, ist sie nicht nur ein besonderes Gewerbe, sondern sie teil sich in eine Anzahl von Zweigen, von denen die meisten wiederum besondere Gewerbe sind. Der eine zieht den Draht, ein anderer streckt ihn, ein dritter schneidet ihn ab, ein vierter spitzt ihn zu, ein fünfter schleift ihn am oberen Ende, wo der Kopf angesetzt wird; die Herstellung des Kopfes erfordert zwei oder drei verschiedene Tätigkeiten; das Ansetzen desselben ist eine besondere Tätigkeit, das Weißglühen der Nadel eine andere; ja sogar das Einlegen der Nadeln in Papier bildet ein Gewerbe für sich. So ist das wichtige Geschäft der Stecknadelfabrikation in ungefähr 18 verschiedene Verrichtungen geteilt, die in manchen Fabriken alle von verschiedenen Händen vollbracht werden, während in anderen zuweilen zwei oder drei derselben von einem einzigen Mann besorgt werden. Ich habe eine kleine Fabrik dieser Art gesehen, wo nur 10 Menschen beschäftigt waren und manche daher zwei oder drei verschiedene Verrichtungen zu erfüllen hatten. Obgleich nun diese Menschen sehr arm und darum nur leidlich mit den nötigen Maschinen versehen waren, so konnten sie doch, wenn sie sich tüchtig daran hielten, in einem Tag zusammen etwa 12 Pfund Stecknadeln liefern. 1 Pfund enthält über 4000 Nadeln von mittlerer Größe. Diese zehn Personen konnten demnach täglich über 48 000 Nadeln herstellen." (5)
Diese Beschreibung gibt sehr gut wieder, wie in der Gesellschaft der auf sich allein angewiesene Mensch kaum die allernötigsten seiner Bedürfnisse befriedigen könnte, während er durch die Arbeitsteilung und den Gütertausch seine Produktion und seinen Wohlstand verhundertfacht.

Daraufhin untersucht SMITH die Gründe dieser Macht der Arbeitsteilung und führt sie auf drei Hauptursachen zurück: Die große Fertigkeit, die jeder Arbeiter, der sich nur stets mit derselben Tätigkeit befaßt, erlangt; - die Zeitersparnis, die dadurch gewonnen wird, daß man nichzt ständig von einer Beschäftigung zur anderen übergeht, - endlich die Erfindungen und Vervollkommnungen, welche die stete Beschäftigung mit derselben Arbeit denen, die sie alle Tage ausüben, ganz natürlich nahe legt.

Man hat SMITH vorgeworfen, den Vorteilen der Arbeitsteilung nicht ihre Nachteile gegenübergestellt zu haben. Dies lag in seinem Plan und ist ohne wirkliches Interesse. Die Hauptsache ist, daß er sie nicht übersah, denn niemand hat sie klarer als er ins Licht gesetzt. Im 5. Buch führt er in Bezug auf die öffentliche Erziehung aus:
    "Je weiter die Teilung der Arbeit fortschreitet, umso mehr kommt es endlich dahin, daß die Beschäftigung des größten Teils derer, die von ihrer Arbeit leben, d. h. der Masse, auf einige wenige sehr einfache Verrichtungen, oft nur auf ein oder zwei, beschränkt wird." Nämlich: "Ein Mensch, der sein ganzes Leben damit verbringt, ein paar einfache Operationen zu vollziehen, deren Erfolg vielleicht immer derselbe oder wenigstens ein ziemlich ähnlicher ist, hat keine Gelegenheit, seinen Verstand zu üben oder seine Einbildungskraft anzustrengen, um Hilfsmittel gegen Schwierigkeiten aufzusuchen, die ihm niemals begegnen. Er verliert also die Fähigkeit zu solchen Übungen und wird am Ende so unwissend und dumm, als es nur immer ein menschliches Wesen werden kann." (6)
Zwischen diesen Ausführungen und den oben ausgeführten Gedanken scheint ein Widerspruch zu bestehen. Weiter oben stellt SMITH die Beschäftigung mit ein und derselben Arbeit als eine Quelle der Erfindungen hin; - hier ist sie die Ursache der Verblödung des Arbeiters. Der Widerspruch ist mehr scheinbar als wirklich, denn dieselbe Beschäftigung, die die Einbildung zuerst anspornen mag, kann später durch ihre Eintönigkeit eine Erschlaffung der Intelligenz nach sich ziehen. Auf jeden Fall ist der Schluß, den ADAM SMITH aus seiner Bemerkung zieht, sehr interessant. Um den Nachteilen dieses Übermaßes von Spezialisierung zu begegnen, legt er besonderen Wert auf die Notwendigkeit, den Elementarunterricht (der in Lesen, Schreiben und Rechnen besteht) (7) dem Volk durch die Errichtung von teilweise auf Staatskosten unterhaltenen Elementarschulen zu erleichtern und "sogar aufzuzwingen". Man bemerke hier diesen Verstoß gegen sein eigenes Prinzip der Nichteinmischung des Staates! Wir werden weiterhin sehen, daß er nicht der einzige geblieben ist.

Um seine Ausführungen betreffs der Arbeitsteilung zu vervollständigen, bezeichnet SMITH endlich die Grenzen, an denen sie Halt machen muß. Er erwähnt zwei: Erstens die Ausdehnung der Marktes:
    "Wenn der Markt sehr beschränkt ist, so kann niemand sich ermutigt finden, sich einer einzigen Beschäftigung ganz hinzugeben, weil es an der Möglichkeit fehlt, jenen ganzen Produktüberschuß seiner Arbeit, der weit über seinen eigenen Verbrauch hinausgeht, für solche Produkte der Arbeit anderer, die er gerade braucht, auszutauschen." (8)
Deshalb begünstigt der Handel mit den Kolonien und mit dem Ausland, der den Markt der Nationalindustrie vergrößert, die Arbeitsteilung und vermehrt den Reichtum. - Der andere Umstand, der nach SMITH die Arbeitsteilung begrenzt, ist die vorherige Kapitalansammlung. (9) Diese Bemerkung ist aber viel weniger genau als die vorhergehende. SMITH scheint hier von einer einzelnen Unternehmung auf die Gesamtheit der Gesellschaft geschlossen zu haben. Wenn es wahr ist, daß ein Fabrikant in seiner Fabrik die technische Arbeitsteilung umso höher vervollkommnen kann, je größer seine Kapitalkraft ist, so ist es umgekehrt klar, daß in der Gesamtheit der Gesellschaft gerade die Arbeitsteilung jeder einzelnen Person eine vorhergehende Ansammlung von Kapitalien erspart, die sie haben müßte, um, wenn sie allein lebte, die gleiche Arbeit auszuführen. (10)

Dies ist in ihren Hauptzügen die Theorie der Arbeitsteilung von ADAM SMITH, eine Theorie, die heute jedem so bekannt ist, daß wir oft Mühe haben, ihre Bedeutung und Originalität zu erfassen, obgleich si von gewissen Soziologen (DÜRKHEIM) zum Rang einer Grundlage der Moral erhoben worden ist. Es genügt jedoch, sie der physiokratischen Auffassung der Gesellschaft gegenüberzustellen, um ihre Überlegenheit ersichtlich zu machen.

Die Physiokraten stellten sich die Volkswirtschaft unter einer Reihe von  übereinandergelagerten  Klassenschichten vor. Die Landleute trugen gewissermaßen auf ihren Schultern den ganzen Rest der Gesellschaft, dem sie einen Teil des von ihnen dem Boden selbst abgewonnenen Nahrungssaftes abgaben. Daher kam die überwiegende Bedeutung der landwirtschaftlichen Klasse und die Notwendigkeit, ihren Interessen das ganze volkswirtschaftliche System unterzuordnen. SMITH betrachtet im Gegenteil die soziale Gütererzeugung in ihrer Gesamtheit als das Ergebnis einer Reihe von  nebeneinander bestehenden  und aufeinander angewiesenen Unternehmungen, zwischen denen der Güteraustausch die Verbindung herstellt. Der Fortschritt eines jeden Tätigkeitszweiges ist daher eng mit dem Fortschritt aller anderen verbunden. Keine der jedem Tätigkeitszweig entsprechenden Klassen hat die alleinige Aufgabe, für den Lebensunterhalt der anderen zu sorgen. Sie sind alle gleicherweise unentbehrlich. Der Handwerker, der dem Landarbeiter die Mühe des Baues seines Hauses oder der Anfertigung seiner Kleider erspart, trägt unter dieser Form zur Vermehrung des landwirtschaftlichen Produktes bei, ebenso wie der Landarbeiter, indem er es dem Handwerker erspart, Furchen zu ziehen und die Saat auszusäen, seinerseits zur Vergrößerung der industriellen Produktion beiträgt. Das Wachstum des nationalen Reichtums besteht daher nicht in einer Erhöhung des "Produit net" [Nettoprodukt - wp] allein, sondern in der Vermehrung aller der dem Verbraucher zur Verfügung stehenden Gegenstände.

Als klare, praktische Folge dieser Auffassung ergibt sich, daß die Steuer nicht, wie es die Physiokraten wollten, von einer einzigen Klasse getragen werden soll. Sie muß alle gleichmäßig treffen. Der einzigen Steuer setzt SMITH eine vielfache Steuer gegenüber, die gleichzeitig alle Einkommensquellen, die Arbeit und das Kapital, ebenso wie den Boden in Anspruch nimmt, - und er faßt sie im folgenden Grundsatz zusammen: "Die Untertanen jedes Staates müssen zur Unterstützung der Staatsgewalt so genau als möglich nach Verhältnis ihres Vermögens beitragen, d. h. nach Verhältnis der Einkünfte, die ein jeder unter dem Schutz des Staates genießt." (11) Die ist der berühmte Grundsatz von der Proportionalität der Lasten zur Leistungsfähigkeit eines jeden, auf den man sich seitdem so oft in Finanzfragen berufen hat. (12)

Es ist sehr merkwürdig, daß ADAM SMITH nicht imstande war, alle sich aus seiner Theorie ergebenden Folgerungen zu ziehen. Er scheint ihre ganze Tragweite nicht sofort begriffen zu haben. Die Theorie der Arbeitsteilung allein genügt schon, um das ganze physiokratische System hinfällig zu machen.

Nichtsdestoweniger bemüht sich SMITH im letzten Kapitel seines vierten Buches in langen Ausführungen und mit Gründen, die nicht immer überzeugend sind, die Physiokraten zu widerlegen. Mehr noch, er vergißt das Prinzip der Arbeitsteilung, eignet sich einen Teil ihrer Lehre an und kommt nicht dazu, sich vom Unterschied zwischen produktiver und unproduktiver Arbeit frei zu machen. Er definiert sie nur anders. Er nennt alle die Arbeiten unproduktiv, "die gewöhnlich im Augenblick ihrer Leistung zugrunde gehen und selten eine Spur oder einen Wert zurücklassen, wofür ein gleiches Maß von Diensten später beschafft werden könnte". (13) Dies sind alles Dienste, denen J.-B. SAY den Namen  "immaterielle Produkte"  geben sollte und die nach SMITH die Arbeit des Dienstboten, die der Verwalter, des Richters, Soldaten und Priesters, Advokaten, Ärzte, Schriftsteller, Musiker usw. umfassen. Indem er in dieser Weise den Sinn des Wortes "produire" auf die materiellen Gegenstände beschränkte, hat er einen ziemlich unnützen Streit über die produktiven und unproduktiven Arbeiten geschaffen, einen Streit, den SAY begann und JOHN STUART MILL wieder aufgriff und der heute zugunsten SMITHs entschieden scheint und zwar durch eine genauere Auslegung seiner eigenen Lehrsätze. Es ist in der Tat klar, daß alle Dienste einen Teilbeitrag des jährlichen Einkommens der Nationen ausmachen und daß die Gesamtproduktion vermindert würde, wenn sich nicht besondere Personen ausschließlich damit beschäftigten, sie zu liefern.

Aber noch besser. Nachdem SMITH den physiokratischen Unterschied zwischen besoldeten und produktiven Klassen kritisiert hat, gibt er trotzdem u, daß die Arbeit der Handwerker und der Kaufleute  weniger  produktiv ist, als die der Pächter und landwirtschaftlichen Arbeiter, denn diese, sagt er, stellen nicht nur das aufgewendete Kapital mit einem Profit wieder her, sondern bringen es sogar zuwege, dem Besitzer eine Rente zu zahlen. (14)

Woher diese Unsicherheit in den Gedanken SMITHs? Woher kommt diese Idee einer besonderen und höheren Produktivität der Landwirtschaft? Es ist interessant, ihren Gründen nachzugehen, denn sie gestatten den Platz, den ADAM SMITH in der Geschichte der Nationalökonomie einnimmt, noch genauer zu bestimmen.

Einerseits, und was man auch immer sagen möge, hat sich SMITH nicht vollständig dem Einfluß der Physiokraten entzogen. Er sagt von ihrem System, daß es unter allen bis dahin erschienenen der Wahrheit am nächsten komme. (15) Er spricht von ihnen nur mit Ehrfurcht; der Eindruck, den sie auf ihn ausgeübt hatten, ist so stark gewesen, daß er sich nicht von einigen ihrer Ideen hat freimachen können, auch wenn sie im Grunde genommen seiner eigenen Lehre widersprachen; dazu gehören die folgenden: daß es zwischen der Landwirtschaft und den anderen Industrien einen wesentlichen Unterschied gäbe, der darin besteht, daß in der Industrie und dem Handel keine Naturkräfte auftreten, während sie in der Landwirtschaft mit den Menschen zusammenarbeiten.
    "Niemals kann eine gleiche Quantität produktiver Arbeit in den Manufakturen ein ebenso großes Erzeugnis hervorbringen (wie in der Landwirtschaft). In ihnen (den Manufakturen) tut die  Natur nichts und der Mensch alles  und die Reproduktion richtet sich ja immer nach der Stärke der wirkenden Ursachen, welche dabei tätig gewesen sind." (16)
Man glaubt zu träumen, wenn man eine derartige Behauptung bei einem so bedeutenden Nationalökonomen liest. Sie denn das Wasser und der Wind, die Elektrizität und der Dampf keine Naturkräfte, die mit dem Menschen in der Industrie zusammen arbeiten?

Aber SMITH beachtet das nicht und er wird umso mehr in seinem Irrtum bestärkt, da dieser ihm die Erklärung einer anscheinend höchst seltsamen Tatsache liefert, die später allen englischen Nationalökonomen Kopfzerbrechen machen wird: die Tatsache der Bodenrente. Woher kommt es denn, währen alle anderen Produktionszweige im allgemeinen einen Ertrag liefern, der gerade ausreicht, um die normale Entlohnung des Kapitals und der Arbeit zu bestreiten, daß die Landwirtschaft außer diesen beiden Einkommen ein weiteres Einkommen liefert, nämlich die an den Grundbesitzer zu zahlende Pacht oder wie die Engländer sagen: seine Rente? Aus keinem anderen Grund, antwortet SMITH, weil "in der Landwirtschaft die Natur selbst mit dem Menschen arbeitet und ihre Produkte haben, obgleich ihre Arbeit nichts kostet, doch ebensogut ihren Wert als die der kostspieligsten Arbeiter ... Die Rente kann als das Produkt derjenigen Naturkräfte angesehen werden, deren Nutzung der Grundeigentümer dem Pächter leiht". (17) Wenn ADAM SMITH eine genaue Theorie der Rente gehabt hätte, würde er nicht auf die "Naturkräfte" des Bodens zurückzugreifen gebraucht haben, um das Einkommen des Grundbesitzers zu erklären und würde wahrscheinlich nicht so leicht den Gedanken einer besonderen Produktivität des Bodens angenommen haben. In volkswirtschaftlichen Theorien aber beruth eines auf dem anderen. Doch SMITH fand im Gegenteil in einer falschen Auffassung der Rente einen Grund mehr, um an dem Irrtum, den seine Anhänglichkeit an die Physiokraten verschuldet hatte, festzuhalten. (18)

Auf der anderen Seite hatte SMITH selbst auch außerhalb seines Verhältnisses zu den Physiokraten eine besondere Vorliebe für die Landwirtschaft.

Nichts ist falscher, als in SMITH, wie man es manchmal tut, einen Vorläufer oder Ankündiger des Industrialismus zu sehen und ihn in dieser Hinsicht den Physiokraten, den Verteidigern der Landwirtschaft, gegenüberzustellen. Als 1776 die  "Wealth of Nations"  erschien, hatte die ökonomische Umgestaltung, die in der Geschichte unter dem Namen "industrielle Umwälzung" bekannt ist und die in der rapiden Ersetzung der kleinen Hausindustrie in England durch die große maschinelle Industrie bestand, kaum begonnen. Zwar hatte HARGREAVES schon 1765 seine Spinnmaschine und ARKWRIGHT 1767 seine Wassermaschine (waterframe) erfunden, die der Baumwollindustrie ihren großen Aufschwung gestatteten. Zwar hatte JAMES WATT, den SMITH gut kannte (19), 1769 ein Patent auf seine Dampfmaschine genommen; aber diese Erfindungen sind noch ganz neu, haben noch keine Zeit gehabt, die industrielle Ordnung zu verändern und viele der bedeutenderen Maschinen wie die Mulemaschine CROMPTONs (20) (1779), die Spinnmaschine CARTWRIGHTs (1785) waren noch nicht erfunden. Diese Daten sind beredt. Die industrielle Umwälzung hatte gerade damals begonnen, als SMITH sein Buch veröffentlichte. Da andererseits verschiedene seiner Hauptideen sich scon in Glasgower Vorlesungen finden, wie er sie dort etwa 1759 hielt, ist es unmöglich, einen wirklichen Zusammenhang zwischen der industriellen Entwicklung, die sich eben vorbereitete, und der Auffassung des  Völkerreichtums  herzustellen. Man kann nicht einmal sagen, daß SMITH beim Fehlen der mechanischen Industrie von der Herrschaft der Manufaktur, wie MARX angenommen hat (21) einen besonders starken Eindruck ehalten habe, denn das Charakteristikum der damaligen englischen Volkswirtschaft war gerade (trotz offensichtlicher Fortschritte in der Industrie), weniger die Manufaktur als der Großhandel. (22) Glasgow im besonderen, wo SMITH die meisten seiner Beobachtungen gesammelt haben muß, war noch fast ausschließlich eine Handelsstadt, deren Hauptfunktion dar in bestand, als Niederlage für die Einfuhr des amerikanischen Tabaks zu dienen (23).

Das Werk SMITHs ist weit davon entfernt, eine prophetische Ankündigung der neuen industriellen Gesellschaft, die sich vorbereitete, zu sein. Man bemerkt in ihm im Gegenteil, auch bei oberflächlichem Durchlesen, daß ihm die "Kaufleute und Fabrikanten" ungemein antipathisch waren. Gegen sie wenden sich seine Sarkasmen und seine Kritik. Während die Interessen der Großgrundbesitzer und der Arbeiter ihm fast immer als in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Interesse des Landes erscheinen, fallen die der Kaufleute und der Fabrikanten, sagt er "niemals ganz mit dem öffentlichen Interesse zusammen"; "sie haben gewöhnlich ein Interesse daran, das Publikum zu täuschen und sogar zu drücken"; auch "haben sie es wirklich bei vielen Gelegenheiten getäuscht und gedrückt." (24)

Zwischen den Kapitalisten und den Arbeitern schwankt ADAM SMITH nicht. Aus mehr als einer Stelle wird leicht ersichtlich, daß alle seine Sympathien den Arbeitern gehören. Man könnte zahlreiche Stellen hierfür anführen. Es möge genügen, die verschiedene Art und Weise zu erwähnen, in der er von den hohen Löhnen der Arbeiter und dem großen Gewinn der Kapitalisten spricht. Sind die hohen Löhne der Gesellschaft vorteilhaft oder nicht? fragt er. "Die Antwort scheint beim ersten Anblick außerordentlich einfach. Dienstboten, Tagelöhner und Arbeiter aller Art machen den bei weitem größten Teil jeder Staatsgesellschaft aus. Was nun aber die Umstände des größten Teiles verbessert, kann nicht als ein Nachteil des Ganzen angesehen werden. Es kann sicherlich eine Gesellschaft nicht blühend und glücklich sein, deren meiste Glieder arm und elend sind. Überdies ist es nicht mehr als billig, daß diejenigen, die den ganzen Körper des Volkes mit Nahrung, Kleidung und Wohnung versorgen, am Erzeugnis ihrer eigenen Arbeit so viel Anteil haben, um selbst erträglich wohnen, sich kleiden und nähren zu können. (25)

Handelt es sich dagegen um große Gewinne, dann ändert SMITH den Ton. Er ist der Meinung, daß sie den Preis der Lebensmittel viel mehr als hohe Löhne in die Höhe treiben und er apostrophiert die Kapitalisten in folgender ironischer Auslassung: "Unsere Kaufleute und Fabrikherren klagen sehr über die schlechten Wirkungen des hohen Lohnes, der den Preis ihrer Güter hinauftreibt und dadurch den Verkauf derselben im In- und Ausland verringert; sie sagen aber nichts von den schlechten Wirkungen des hohen Gewinnes; indem sie von den verderblichen Folgen des Vorteils, den sie selbst ziehen, schweigen, klagen sie desto lauter über die Vorteile anderer Leute (26). Der Unterschied ist bezeichnend, vielleicht ist er noch stärker in dem Satz, den man eigentümlicherweise nur selten von den Urhebern der Arbeitsgesetzgebung angeführt sieht: "So oft die Gesetzgebung sich dazu herläßt, die Differenzen zwischen den Meistern und ihren Arbeitern auszugleichen, sind immer die Meister ihre Ratgeber. Fällt die Bestimmung zugunsten der Arbeiter aus, so ist sie immer gerecht und billig; wird sie aber zugunsten der Meister gegeben, so ist sie das manchmal nicht. (27) Dies war durchaus nicht der Ton der Mehrzahl der Schriftsteller seiner Zeit; es war durchaus nicht der Ton, den 50 Jahre später die patentierten Verteidiger des Industriesystems, die MacCULLOCH, URE, BABBAGE anschlugen. Man fühlt bei ihm eher den Hauch jenes warmherzigen Mitleids, das später einen Lord SHAFTESBURY oder einen MACAULAY beseelte, die die Urheber der Fabrikgesetzgebung in England waren.

SMITH ist daher nicht ein Vorläufer des entstehenden Industrialismus. Mit allen Fibern seines Wesens hängt er im Gegenteil an der Landwirtschaft und versäumt keine Gelegenheit seine Vorliebe zu zeigen. Die Landwirtschaft ist eine viel schwierigere Beschäftigung als irgendein industrielles Unternehmen: "und doch gibt es nächst den schönen Künsten und freien Berufsarten vielleicht kein Gewerbe, das eine solche Mannigfaltigkeit von Kenntnissen und Erfahrungen voraussetzt" (28) - sie ist nicht nur schwieriger, sondern sie ist auch nützlicher. Er zieht zwischen der Landwirtschaft, den Manufakturunternehmungen und dem Handel einen langen Vergleich (auf den wir zurückkommen werden) und aus dem sich ergibt, daß für die Kapitalien eines Landes die Landwirtschaft unter allen Verwendungsarten die vorteilhafteste ist, die am meisten mit den allgemeinen Interessen übereinstimmt.

Der "natürliche Lauf der Dinge" würde für die aufwärtsstrebenden Völker darin bestehen, ihr Kapital erst in der Landwirtschaft, dann in der Industrie und erst zum Schluß im Außenhandel anzulegen. Das ganze dritte Buch seines Werkes füllt SMITH mit Beweisen an, um zu zeigen, wie die Politik der europäischen Völker seit langen Jahrhunderten zu ihrem eigenen Schaden "diesen natürlichen Lauf" durch der Landwirtschaft feindliche Maßnahmen gehemmt hat, die mehr dem Interesse der Händler und der Handwerker dienten. So erscheint ihm die Landwirtschaft als ein rechtes Stiefkind. In seiner Steuertheorie führt er weiter aus, wie ein Teil der auf dem Gewinn und dem Lohn liegenden Steuern zum Schluß auf die Grundbesitzer zurückfällt. Wenn er endlich von den Einfuhrzöllen auf Getreide spricht, - diese Zölle, die die Entrüstung eines RICARDO gegen die "landlords" aufstachelten, - läßt SMITH seiner ganzen Voreingenommenheit freien Lauf. Er geht in seiner Nachgiebigkeit soweit, daß er den Satz aufstellt, nicht nur in ihrem persönlichen Interesse, sondern hauptsächlich nur in einer schlecht verstandenen Nachahmung der Fabrikanten und Händler hätten "der Landadel und die Pächter Großbrittanniens so sehr den ihrem Stand natürlichen Edelmut vergessen, daß sie um das ausschließliche Vorrecht nachsuchten, ihre Landsleute mit Getreide und Fleisch zu versorgen." (29)

Man sieht auch ohne weitere Ausführungen genügend klar, wie stark ADAM SMITH auf die Seite der Landwirtschaft und der landwirtschaftlichen Arbeiter hinneigte; daher hat SMITH auch in dieser Hinsicht wenigstens einen Teil der physiokratischen Vorurteile so bereitwillig übernommen. Trotz seiner eigenen Theorie der Arbeitsteilung hat er sich nicht entschließen können, die Landwirtschaft auf den Fuß vollständiger Gleichheit mit den anderen Formen wirtschaftlicher Tätigkeit zu stellen. Es liegt ihm daran, ihre althergebrachte Vorzugsstellung aufrecht zu erhalten.
LITERATUR, Charles Gide / Charles Rist - Die Geschichte der volkswirtschaftlichen Lehrmeinungen, Jena 1913
    Anmerkungen
    1) FRANCOIS QUESNAY, Ausgabe ONCKEN, Seite 331
    2) Die Theorie der drei Produktionsfaktoren - die in der Nationalökonomie klassisch geworden ist - findet sich nicht bei ADAM SMITH. Doch ist er es gewesen, der diese Theorie indirekt ins Leben gerufen hat, indem er in der Güterverteilung drei Einkommensquellen unterschied: die Arbeit, das Kapital und den Boden. Aufgrund dieser Unterscheidung mußte es ganz natürlich erscheinen, jede Einkommensquelle als einen Produktionsfaktor zu betrachten, was J.-B. SAY in seine,  Traité  tat. Vgl. hierüber CANNAN, A history of the theory of production and distribution, 1894, Seite 40.
    3) SMITH, Reichtum der Völker I, Seite 7
    4) "In fast jedem anderen Tiergeschlecht ist jedes Individuum, wenn es zur Reife gelangt ist, ganz unabhängig und hat in seinem Naturzustand den Beistand keines anderen lebenden Wesens nötig". (Reichtum der Völker I, Seite 8)
    5) SMITH, Reichtum der Völker I, Seite 3 - 4
    6) SMITH, Reichtum der Völker II, Seite 215
    7) "Mit einem sehr geringen Aufwand kann der Staat beinahe dieser ganzen großen Volksklasse die Erlernung dieser wesentlichsten Unterrichtsgegenstände erleichtern, kann sie dazu ermuntern und kann sie ihr sogar zur unerläßlichen Bedingung machen." (Lesen, Schreiben und Rechnen), Reichtum der Völker II, Seite 217.
    8) SMITH, Reichtum der Völker I, Seite 10
    9) "Wie die Anhäufung des Vorrates naturgemäß der Arbeitsteilung vorhergehen muß, so kann auch die Arbeit nur in dem Maße mehr und mehr geteilt werden, als vorher Vorrat angesammelt worden ist." (Reichtum der Völker I, Seite 160). An einer anderen Stelle bemerkt er allerdings, daß die Menge des Kapitals, die in einer Industrie zur Verwendung gelangen kann "sehr von der Menge der Arbeit abhängt, welche darin aufgewendet wird (Reichtum der Völker I, Seite 79), aber diese Bemerkung bleibt vereinzelt, während die erstere mit seinen wirklichen Gedanken übereinstimmt.
    10) Vgl. darüber die eingehende Kritik dieses Gedankens von CANNAN, a. a. O., Seite 80 - 83.
    11) Das ist der erste der vier berühmten Grundsätze, die SMITH an den Anfang seiner Steuertheorie stellt. Die drei anderen lauten: II. Die Steuer, die jeder einzelne Bürger zu zahlen verbunden ist, muß genau bestimmt und nicht willkürlich sein. Die Zeit der Zahlung, die Art und Weise derselben, die Summe, welche gezahlt werden soll: all das muß dem Steuerpflichtigen, sowie jeder anderen Person klar und deutlich sein. ... III. Jede Steuer muß zu der Zeit und auf die Weise eroben werden, zu welcher und auf welche es dem Steuerpflichtigen am leichtesten fällt, sie zu bezahlen. ... IV. Jede Steuer muß so eingerichtet sein, daß sie so wenig als möglich über die Summe, die sie dem Staatsschatz einbringt, aus der Tasche des Bürgers herausnimmt. ... (Reichtum der Völker II, Seite 243f).
    12) Dieser Grundsatz der Proportionalität hat SMITH nicht gehindert, an iner übrigens alleinstehenden Stelle sich zugunsten einer progressiven Steuer auszusprechen. Derartige unlogische Gedanken finden sich oft bei ihm. Wo er von der Mietssteuer spricht, bemerkt er, daß die Reichen dadurch härter als die Armen getroffen werden, weil der erstere im Verhältnis mehr als der zweite für seine Wohnung ausgibt. "Es ist eben nicht unbillig, daß der Reiche nicht nur nach Verhältnis seiner Einkünfte, sondern noch etwas über diese Verhältnisse hinaus zu den Staatsausgaben beitrage." (Reichtum der Völker II, Seite 254).
    13) Reichtum der Völker I, Seite 194
    14) "Pächter und Bauern bringen freilich außer dem Vorrat, womit sie unterhalten und beschäftigt werden, jährlich noch einen Reinertrag, eine freie Rente für den Gutsherrn hervor; und wie eine Ehe, welche drei Kinder bringt, ohne Zweifel produktiver ist ls eine Ehe, die deren nur zwei hat, so ist allerdings auch die Arbeit der Pächter und Bauern produktiver als die der Kaufleute und Gewerbetreibenden. Allein das stärkere Produkt der einen Klasse macht doch die andere nicht unfruchtbar oder unproduktiv." (Reichtum der Völker II, Seie 152
    15) Reichtum der Völker II, Seite 154
    16) Reichtum Völker I, Seite 213f
    17) Reichtum Völker I, Seite 213f. Wir sehen, wie SMITH hierüber und über andere Punkte gleichzeitig mehrere Meinungen hat. An anderen Stellen seines Buches betrachtet er die Rente als einen Monopolpreis und weist darauf hin, daß sie "auf andere Weise zur Bildung des Warenpreises beiträgt als der Arbeitslohn und der Kapitalgewinn. Hoher oder niedriger Lohn und Gewinn sind die Ursachen eines hohen oder niedrigen Preises; hohe oder niedrige Rente ist die Wirkung desselben. Gerade aus dem Grund, weil hoher oder niedriger Lohn und Gewinn gezahlt werden muß, damit eine bestimmte Ware zum Markt kommt, ist auch ihr Preis hoch oder niedrig; umgekehrt gewährt sie aber gerade aus dem Grund, weil ihr Preis hoch oder niedrig ist, d. h. weil er viel mehr oder weniger mehr oder gar nicht mehr beträgt, als zur Bezahlung des Lohnes oder Gewinns nötig ist, eine hohe, eine niedrige oder gar keine Rente" (Reichtum der Völker I, Seite 85). Es scheint nicht möglich, diese sich widersprechenden Auffassungen SMITHs in Übereinstimmung zu bringen. Nach der einen soll die Rente ein Bestandteil des Preises sein und nach der anderen ist sie einfach eine Folge des Preises. - In der ersten Ausgabe seines Buches ist dieser Widerspruch noch augenscheinlicher. SMITH führt da aus, daß die Rente mit dem Profit und der Arbeit eine  dritte  Wertquelle sei. Die Stelle ist aber in der zweiten Ausgabe ausgemerzt und die Rente wird nur mehr als ein  "integrierender Teil"  des Preises hingestellt. Vielleicht geschah diese Änderung aufgrund des Briefes, den HUME am 1. April 1776 nach dem ersten Durchlesen des "Reichtums der Völker" an SMITH richtete. Er sagt darin: "Ich kann nicht glauben, daß die von den Pächtern gezahlte Rente einen Teil des Preises für das Produkt ausmacht, der mir als Angebot und Nachfrage bestimmt scheint." Man sieht, wie die berühmte Streitfrage, ob die Rente einen Teil des Preises ausmacht oder nicht, nicht von gestern stammt. Sie ist gleichzeitig mit der Wissenschaft der Nationalökonomie geboren. Wird sie vor ihrem Ende aufhören?
    18) Sein Irrtum kommt teilweise daher, daß er nicht scharf genug zwischen dem Unternehmergewinn und den Kapitalzinsen unterscheidet. Das Wort Profit bezeichnet bei SMITH und bei fast allen seinen Nachfolgern gleichzeitig diese beiden Einkommensarten, sobald der Unternehmer zugleich Kapitalgeber ist. Das Wort  Zinsen  wird nur auf das Einkommen einer Person angewendet, die ihr Kapital ausleiht,  ohne selbst zu seiner Verwertung beizutragen.  "Das Einkommen, welches jemand aus der Verwaltung oder Verwendung von Kapital bezieht, heißt Gewinn (Profit). Dasjenige Einkommen aber, welches jemand aus dem Kapital zieht, das er nicht selbst verwendet, sondern einem anderen leiht, heißt Geldzins oder Interessen." (Reichtum der Völker I, Seite 29). J.-B. SAY war der erste, der den Begriff  Unternehmer  klar hervorhob. Wenn SMITH die Funktionen des Unternehmers besser unterschieden hätte, würde er wahrscheinlich bemerkt haben: 1. daß der industrielle Unternehmener oft, außer Kapitalzins, nocht Miete für Grund und Boden zahlt; 2. daß der eigentliche Profit einen Bestandteil enthält, der der Grundrente analog ist. SMITH betrachtet aber den Profit nur als Entschädigung für das übernommene Risiko oder als Lohn für die Arbeit der Leitung.
    19) JAMES WATT eröffnete seine Werkstatt 1756 im Gebäude der Universität Glasgow, für die er Präzisionsinstrumente herstellte. Die Zünfte hatten ihm das Recht verweigert, einen Laden in der Stadt zu eröffnen. SMITH fand hierin ein Schulbeispiel für die Engherzigkeit
    20) Eine Verbindung der beiden Spinnmaschinen von HARGREAVES und ARKWRIGHT.
    21) MARX nennt SMITH "den zusammenfassenden politischen Ökonomen der Manufakturperiode". (Das Kapital I, 4. Ausgabe, Seite 313, Anmerkung)
    22) Siehe auch das Werk MANTOUX, "La Revolution industrielle au XVIII. siecle", Paris 1905, Seite 71. "Man würde sich irren", schreibt er, "wenn man glaubt, daß die Manufaktur eine charakteristische und vorherrschende Erscheinung der Periode ist, die der der großen Industrien vorangeht. Wenn sie, logischerweise, die Vorstufe des  Fabriksystems  ist, so ist es doch, geschichtlich, nicht richtig, daß sie so allgemein auftrat, um der Industrie ihr Merkmal aufzudrücken. So sehr ihr Aufkommen zur Zeit der Renaissance ein bedeutendes und bezeichnendes Ereignis war, so sehr bleibt ihre Rolle - wenigstens in England - für die folgenden Jahrhunderte eine untergeordnete."
    23) RAE, Life of Adam Smith, Seite 89
    24) Reichtum der Völker I, Seite 150
    25) Reichtum der Völker, Seite 44f
    26) SMITH, Reichtum der Völker I, Seite 56
    27) SMITH, Reichtum der Völker I, Seite 83
    28) SMITH, Reichtum der Völker I, Seite 74. Die ganze Stelle ist in ihrem Lob der Grundbesitzer und Pächter merkwürdig.
    29) SMITH, Reichtum der Völker II, Seite 21