ra-2ra-1M. E. MayerG. RadbruchG. HeymansC. SigwartK. Birkmeyer    
 
MAXIMILIAN von BURI
Über Kausalität und deren Verantwortung

"Ein Wille kann nicht verschuldet sein, wenn ein Bewußtsein dieses Verschuldetseins nicht im Handelnden existiert. Zur Begründung einer Strafbarkeit für Fahrlässigkeit genügt es darum nicht, daß man unter den vorliegenden Verhältnissen eine größere Aufmerksamkeit auf seine Handlung vom Handelnden hätte verlangen können, sondern es ist hierzu erforderlich, daß sich der Handelnde selbst bewußt ist, daß er fahrlässig handelt, er also nicht das Nötige getan hat, um sich über die mögliche Kausalität seiner Handlung aufzuklären."


I. Kausalität

Unter Kausalzusammenhang wird man wohl den Prozeß der Entstehung einer Erscheinung begreifen dürfen. Will man den Kausalzusammenhang einer konkreten Erscheinung ermitteln, so muß man in geordneter Reihenfolge sämtliche Kräfte feststellen, welche für die Entstehung der Erscheinung irgendeine Wirksamkeit geäußert haben. Die ganze Summe dieser Kräfte ist dann als die Ursache der Erscheinung anzusehen. Mit demselben Recht läßt sich aber auch jede einzelne dieser Kräfte für sich allein schon als die Ursache der Erscheinung betrachten, denn die Existenz derselben hängt so sehr von jeder Einzelkraft ab, daß, wenn man aus dem Kausalzusammenhang auch nur eine einzige Einzelkraft ausscheidet, die Erscheinung selbst zusammenfällt. Es verleiht daher jede Einzelkraft der, wenn man von ihr absieht, toten Masse aller übrigen Einzelkräfte erst die Lebenskraft, es macht jede Einzelkraft alle übrigen kausal (siehe meine Abhandlung, Gerichtssaal 1870, Seite 1f). - Der menschliche Wille kann nur insofern als ein Bestandteil des Kausalzusammenhangs angesehen werden, als man in ihm lediglich das  agens  erblickt, welches die Körperkräfte in Bewegung gesetzt hat. Ob aber dieser Wille ein bewußter - vorsätzlicher oder fahrlässiger - oder derjenige eines unzurechnungsfähigen Menschen ist, erscheint für den Kausalzusammenhang gleichgültig, denn es tritt in der Verkettung von Tatsachen keine Änderung ein, mag man auch an die Stelle des bewußten Willens einen bewußtlosen setzen, oder umgekehrt. Allerdings können  dolus  [Vorsatz - wp] und  culpa  [Schuld - wp] durch eine in diesen Willenszuständen unternommene Handlung in den Kausalzusammenhang übertragen werden, allein die Existenz des Kausalzusammenhangs selbst ist hierdurch in keiner Weise bedingt. Es hat der zurechnungsfähige Wille mit dem Kausalzusammenhang weiter nichts zu schaffen, als daß von ihm die Frage abhängt, ob ein Mensch für denselben rechtlich in Anspruch genommen werden kann.

Dagegen behauptet nun von BAR (1) (Seite 4), diejenigen Rechtslehrer seien im Unrecht, welche sich nicht an dem wahren Satz begnügen lassen "was nicht Bedingung einer Erscheinung ist, kann auch nicht Ursache der letzteren sein", sondern hieraus den positiven Satz formulieren "Alles was Bedingung ist, muß als Ursache gelten." Man müsse vielmehr scharf Bedingung von Ursache unterscheiden. Als Beispiel wird hier gegeben: ein Stein im Wasser sinkt auf den Grund, und (Seite 8, 9) auseinandergesetzt, wer die Anziehungskraft verschiedener Körper untersucht, wird diese; wer die Wirkung der Anziehungskraft auf verschiedene Erscheinungen untersucht, wird den Umstand, daß der Stein sich in einer bestimmten Entfernung von der Erde befunden hat; wer das spezifische Gewicht des Steins untersucht, dieses; wer schließlich die Sache moralisch oder juristisch untersucht, den Menschen als die Ursache betrachten. Wenn die Naturgesetze untersucht würden, so sei alles menschliche Tun Bedingung und nicht Ursache; wollten wir aber juristisch oder moralisch urteilen, so seien die Naturgesetze Bedingungen und nicht Ursachen des menschlichen Handelns.

Gegen diese Ausführung ist zunächst zu bemerken, daß man einen Kausalzusammenhang - also die Verkettung von Tatsachen - nicht juristisch oder moralisch untersuchen kann. - Sodann aber wird die Verschiedenheit zwischen Bedingung und Ursache von der Methode, oder auch dem Zweck der Untersuchung, mithin von einer subjektiven Verfahrensweise abhängig gemacht. Da es sich aber hier lediglich um objektive Wirksamkeit handelt, so mußte, dem zu untersuchenden Objekt entsprechend, nachgewiesen werden, daß die Bedingung für die Erscheinung gar nicht mitwirkt, oder daß doch ihre Wirksamkeit eine von derjenigen der Ursache absolut verschiedene ist. - Handelt es sich um die Erforschung der Entstehung einer  konkreten  Erscheinung, so kommt es wesentlich darauf an, in welcher Weise das Naturgesetz seine Wirksamkeit geäußert hat. Und wenn es sich da findet, daß diese Wirksamkeit durch menschliche Tätigkeit veranlaßt worden ist, wie etwa die verwüstende Kraft des aus einem durchstochenen Damm hervorbrechenden Wassers, so kann nicht, je nach der Methode der Untersuchung, bald dem Wasser die Ursache zugeschrieben, bald aber wieder das Wasser nur als Bedingung angesehen und die Ursache in der menschlichen Tätigkeit gefunden werden - es wäre das lediglich ein Spiel mit Worten. Es kann vielmehr, wenn es sich herausstellt, daß eine Erscheinung ihre Entstehung der gleichen Wirksamkeit verschiedener Kräfte verdankt, keine einzige Kraft im Vergleich zur anderen zur Bedingung degradiert, sie müssen vielmehr alle als gleichberechtigt angesehen werden. - Übrigens wird man doch wohl, wenn der Luftschiffer sich von der Erde erhebt, zugleich auch die Luft als das verursachende Element und ebenso, wenn sich an einem heißen Sommertag beim Marschieren eine größere Müdigkeit einstellt, als an einem kühlen Herbsttag, dieses  plus  der Müdigkeit als durch die Hitze mit verursacht bezeichnen können.

Diese Unterscheidung zwischen Bedingung und Ursache kommt dann auch bei den ferneren Deduktionen von BARs in kenntlicher Weise nicht zur entsprechenden Verwertung. Als Prinzip dieser Deduktionen tritt vielmehr lediglich hervor: Wer der Regel des Lebens gemäß handelt, haftet nicht für den durch seine Handlung herbeigeführten strafrechtlichen Erfolg, selbst wenn er ihn vorhergesehen hat, denn es besteht hier kein Kausalzusammenhang. Wer aber der Regel des Lebens zuwiderhandelt, der haftet für den verursachten Erfolg, insofern der Kausalverlauf ein regelmäßiger geblieben war, sollte er auch die hinzugetretenen regelmäßigen Zwischenursachen nicht vorhergesehen haben. War hingegen der Kausalverlauf ein regelwidriger, so müssen, wenn eine Haftbarkeit für den eingetretenen Erfolg begründet sein soll, die hinzugetretenen unregelmäßigen Zwischenursachen zumindest einigermaßen vorhergesehen gewesen sein, da sie andernfalls den Kausalzusammenhang unterbrechen. - Es wird aber

1) was eine der Regel des Lebens entsprechende und bzw. eine derselben widersprechende Handlung ist, und welche Konsequenzen sich aus dieser Erfordernis der aufgestellten Theorie ergeben, nicht auseinandergesetzt. - Namentlich wirft sich hier die Frage auf, ob in Betreff der Haftbarkeit der regelwidrigen Handlung für den Erfolg nebenbei auch noch darauf reflektiert wird, daß sie  dolos  [absichtlich - wp] oder  culpos  [schuldhaft - wp] begangen worden sein muß. Bejahendenfalls würde ein zu beseitigender Pleonasmus [Doppelmoppel - wp] vorliegen, denn die  dolose  und  culpose  Handlung widerspricht stets der Regel des Lebens. Hält man nun an den Begriffen von  dolus  und  culpa  fest, so hat von BAR nur gesagt: eine weder  dolos  noch  culpos  unternommene - also der Regel des Lebens entsprechende - Handlung zieht keine Haftbarkeit für den Erfolg nach sich, wohl aber eine  dolose  und  culpose  Handlung. - Soll hingegen lediglich mit der Regel des Lebens operiert werden, so muß man von den Begriffen des  dolus  und der  culpa  durchaus abstrahieren, weil der Begriff der Regelwidrigkeit, der im Grunde genommen auch das lediglich unmoralische und zivilrechtswidrige Handeln umfaßt, ein weiter gehender ist, als der ihrige. Darum kann aber dann auch nicht die Haftbarkeit für den Erfolg von  dolus  und  culpa,  sondern sie kann nur davon abhängen, ob die vorgenommene Handlung der Regel des Lebens entspricht oder nicht; und es muß im letzteren Fall eine Haftbarkeit für den Erfolg eintreten, wenn  dolus  und  culpa  auch nicht konkurrieren, bzw. der Erfolg nicht voraussehbar gewesen war. Wenn daher von BAR eine Erörterung über  dolus  und  culpa  sowie die Voraussicht der unregelmäßigen Zwischenursachen als für seine Theorie geboten erachtet, so liegt hierin ein Abfall von derselben.

2) Ursache (objektiv) und Verantwortlichkeit für die Ursache (subjektiv) bedeutet für von BAR dasselbe. Das heißt nicht allein: wenn keine Ursache vorliegt, ist auch keine Verantwortlichkeit begründet, sondern zugleich auch: wenn keine Verantwortlichkeit besteht, ist auch keine Ursache vorhanden. Darum mußten natürlich die Behauptungen aufgestellt werden,
    a) durch das Eingreifen unvorhergesehener regelwidriger - also nicht zu verantwortender - Zwischenursachen werde der Kausalzusammenhang unterbrochen. Es liegt daher (Seite 21), wenn der regelmäßige Verlauf der menschlichen Tätigkeit durch ein später hinzugetretenes unregelmäßiges Ereignis abgeändert worden ist, die Ursächlichkeit lediglich in diesem, und im Falle des Eingreifens mehrerer regelwidriger Ereignisse stets im letzten mit Ausschluß der vorausgegangenen. Schwer verständlich möchte es aber sein, warum, wenn der an und für sich schon tödlich Verletzte durch das Hinzutreten eines nicht vorhergesehenen unregelmäßigen Ereignisses etwas früher stirbt; oder zwei aufeinander folgende außerordentliche Sturmfluten, von welchen jede für sich keinen Effekt erzielt haben würde, den Damm durchbrochen haben, nicht auch im ersten Ereignis eine Ursächlichkeit (objektiv) zu finden sein soll.

    b) die der Regel des Lebens entsprechende - also (siehe unten VII) straflose - Handlung könne überhaupt keine Ursächlichkeit für den durch sie herbeigeführten Erfolg enthalten. Auch hier ist aber nicht einzusehen, was das Erlaubtsein oder Unerlaubtsein der Handlung - also lediglich subjektive Beziehungen - mit dem objektiven Ergebnis derselben - dem Kausalzusammenhang - zu tun haben könnten. Wer in gerechter Notwehr seinen Gegner durch einen Schuß tot zu Boden streckt, begeht sicher eine der Regel des Lebens entsprechende Handlung; aber schwerlich wird behauptet werden können, daß er den Tod des Anderen nicht verursacht hat. Freilich versichert  von Bar  (Seite 124, Note 16), der rechtswidrige Angreifer habe sich die Verletzung selbst  verursacht;  mit richtigem Instinkt sage der Laie, er trage selbst die  Schuld  daran. Es liegt hier aber eine totale Verwechslung zwischen Ursache und Schuld vor. Und wenn zwei Personen in dem verzeihlich guten Glauben, es handle sich für sie um Notwehr, sich gegenseitig geötet zu haben, so würde, da dann auf jeder Seite der Regel des Lebens gemäß gehandelt worden wäre, eine Ursache gar nicht existieren.  Bar  fragt, ob man den Arzt, welcher durch eine fehlerlose Operation den, von ihm als wahrscheinlich bevorstehend vorausgesehenen, Tod des Kranken herbeigeführt habe, der  Tötung schuldig sprechen soll.  Sicherlich nicht; aber ebenso gewiß erscheint hier der Arzt als Urheber (Verursacher) des Todes.
3) Eine Begründung für die Behauptung, daß die unregelmäßigen Zwischenursachen zumindest einigermaßen vorhergesehen werden müssen, während diese Voraussicht in Bezug auf regelmäßige Zwischenursachen nicht erforderlich ist, wird von BAR nicht gegeben. In Wirklichkeit kann der Grund der Haftbarkeit für den Erfolg nur in der Tätigkeit für den Erfolg und zugleich im Verhältnis der Subjektivität zur Tätigkeit und bzw. zum Erfolg gefunden werden. Beide aber, die Tätigkeit selbst sowohl als uch die Subjektivität des Handelnden, bleiben ganz die nämlichen, es mag der Eintritt des Erfolges durch regelmäßige oder regelwidrige Zwischenursachen, welche sich an die Tätigkeit angeschlossen haben, vermittelt worden sein. Man verlegt darum, wenn man die Gestaltung der an die Tätigkeit sich anschließenden Zwischenursachen für maßgebend dafür erklärt, ob der Handelnde für die Vollendung zu haften hat oder nicht, den Grund für diese Haftbarkeit außerhalb des Kreises, innerhalb dessen er allen enthalten ist. Besteht aber sonach die fragliche Unterscheidung nicht zu Recht, so muß man auch, im Fall daß man am Erfordernis des Vorhergesehenhabens der unregelmäßigen Zwischenursachen festhalten will, das Nämliche auch für die regelmäßigen Zwischenursachen gelten lassen, und bzw. man darf, wenn man ein solches Vorhersehen für die regelmäßigen Zwischenursache nicht für erforderlich erachtet, in Bezug auf regelwidrige Zwischenursachen nicht das Gegenteil dekretieren. - Überdies hat sich von BAR nicht darüber ausgesprochen, ob die zur Zeit der Handlung  bereits vorhandenen  kausalen unregelmäßigen Ereignisse dem Handelnden bekannt gewesen sein müssen oder nicht; ob also etwa derjenige für Vollendung haftet, welcher mit einer Anwendung ansehnlicher Gewalt ein Bauwerk umzustürzen trachtet, im Falle dasselbe wegen heimlicher Mängel unerwartet schon beim ersten Spatenstich zusammenstürzt. Ersterenfalls würde ein Widerspruch mit der Behauptung entstehen, daß  jedesmal  das letzte regelwidrige Ereignis die strafbare Ursache enthält; letzterenfalls aber würde die Erfordernis, daß der Handelnde die  zukünftigen  unregelmäßigen Ereignisse zumindest einigermaßen vorhergesehen haben muß, als inkonsequent erscheinen. -Es liegen endlich aber auch auch bedenkliche Widersprüche in dieser Richtung vor. Nachdem in § 3 mit bloßem Akkomodieren [Anpassen - wp] an die praktische Notwendigkeit erörtert worden ist, daß die Zwischenursachen - regelmäßige wie unregelmäßige - nicht zur Ursache zugerechnet werden sollen, wenn sie sich nicht vorher im Bewußtsein des Handelnden wenigstens einigermaßen reflektiert hatten, wird daselbst weiter behauptet: da weder die Notwendigkeit eines Kausalzusammenhangs noch die bloße Möglichkeit desselben entscheiden sein kann, so bleibt nur übrig, eine gewisse Wahrscheinlichkeit als Norm anzunehmen, oder, was  genauer ist,  zu sagen: alle Folgen sind auf den Handelnden als Ursache zu beziehen, welche im  regelmäßigen  Verlauf der Dinge liegen. Diese rein objektive Schlußfolgerung steht jedoch in einem diametralen Gegensatz zu den Vordersätzen, weil hiernach der Handelnde die regelmäßigen Zwischenursachen nicht vorausgesehen zu haben braucht. Aber sofort wird dann wieder in die Subjektivität übergesprungen. Denn wenn der Handelnde auf eine regelwidrige Zwischenursache gerechnet hat, so soll er auch für sie einstehen. Müssen aber unregelmäßige Zwischenursachen zur Ursache gerechnet werden, wenn sie nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorausgesehen worden sind, so liegt hierin der Beweis, daß der Kausalzusammenhang nicht durch seine Regelmäßigkeit bedingt wird. von BAR behaupt darum kurzer Hand (Seite 21), daß die in Aussicht genommenen unregelmäßigen Zwischenursachen seien in Wahrheit nicht als unregelmäßige anzusehen. Aber wie kann denn eine Erscheinung, welche, wenn sie nicht vorausgesehen wird, eine regelwidrige ist, diese objektive Qualität abstreifen und sich zu einer regelmäßigen gestalten, falls mit ihr gerechnet worden ist - also lediglich infolge eines rein subjektiven Hergangs? Ja, es kann sogar der Täter selbst überzeugt sein, daß die Erscheinung, auf welche er rechnet, eine regelwidrige ist. Sicher wird man ihm auch in diesem Fall die Erscheinung zur strafbaren Ursache zurechnen, obgleich sie dann weder objektiv noch subjektiv regelmäßig ist - insofern nur dem Handelnden seine Berechnung nicht ganz unwahrscheinlich erschienen war.

4) Man erfährt endlich aber nicht einmal von BAR, was unter einer regelmäßigen und einer unregelmäßigen Zwischenursache zu verstehen ist. Mit "regelmäßig" kann natürlich nicht dasjenige betrachtet werden, was der Handelnde für regelmäßig hält, denn sonst wäre bei entgegengesetzter Subjektivität das Regelmäßige unregelmäßig und das Unregelmäßige regelmäßig. Unter "regelmäßig" im Sinne von BAR wird vielmehr nur das zu begreifen sein, was allgemein als regelmäßig erachtet wird. Aber diese allgemeine Anschauung releviert [relevant sein - wp] darum nicht, weil in subjektiver Beziehung die Strafe nurdurch das eigene Wissen und Wollen bedingt ist, und in objektiver Beziehung ein wirklicher Kausalzusammenhang ungeachtet der entgegengesetzten allgemeinen Ansicht zur Existenz kommen kann. Oder man versteht unter "regelmäßig" das wirkliche Verhalten der Erscheinungen zueinander. Dann jedoch wird es eine Unregelmäßigkeit überhaupt nicht geben, weil, wenn die Bedingungen wirklich vorhanden sind, das Resultat stets als ein notwendiges erscheint. - Auffallen muß es, daß, wenn die beabsichtigte Tötung durch das Ricochetieren [Abprallen - wp] der Kugel bewirkt wird, hierin eine Regelmäßigkeit erblickt werden soll. Weder der Handelnde kann hierin eine Regelmäßigkeit finden, denn er ist sich bewußt, daß es ihm schwerlich nochmals gelingen wird, in gleicher Weise ein Ziel zu treffen, noch aus dem nämlichen Grund die Allgemeinheit. Nicht mehr und nicht weniger regelmäßig erscheint es, wenn Jemand, statt durch die Kugel, durch ein abgesprungenes Stück des beim Abschißen überladen gewesenen Gewehrlaufs getötet wird, in welchem Fall von BAR (Seite 83) eine Unregelmäßigkeit annimmt und daher eine Haftbarkeit für Vollendung bestreitet.

Aus seinen Vordersätzen zieht nun von BAR (Seite 11) das Resultat: der Mensch müsse als strafbare Ursache einer Erscheinung bezeichnet werden, wenn wir uns ihn  dächten  als diejenige Bedingung, durch welche der sonst als regelmäßig  gedachte  Lauf (Verlauf Seite 11) der Erscheinungen ein anderer geworden wäre. Es wird jedoch diese Definition nicht als eine berechtigte anerkannt werden dürfen. - Offenbar ist der Mensch nicht schon dann Ursache, wenn er nur als Bedingung  gedacht  wird, sondern erst dann, wenn sich seine Handlung tatsächlich als wirksam für den Erfolg erwiesen hat. Bleibt dies auch nur zweifelhaft, so kann von einem gelieferten Beweis der Ursächlichkeit der Handlung keine Rede sein. Noch weniger ist einzusehen, warum durch die Handlung gerade der  regelmäßige  Verlauf der bereits vorhandenen Erscheinungen abgeändert worden sein muß. Die Möglichkeit der Denkbarkeit eines regelmäßigen Verlaufs der bereits vorhandenen Erscheinungen kann in einem gegebenen Fall vollständig ausgeschlossen sein. Angenommen der Reisende steht bei Nacht auf einem Scheideweg. Der eine Weg führt nach  A,  seinem Reiseziel, der andere in einen Abgrund. Dann kann, während der Reisende noch deliberiert [nachdenkt - wp] wie er sich aus der Verlegenheit helfen soll, niemand auch nur annähernd voraussagen, ob derselbe demnächst den richtigen oder den falschen Weg einschlagen wird. Bezeichnet nun ein Anderer dem Reisenden den falschen Weg als den richtigen, damit er in den Abgrund stürzen soll, so wird dann doch wohl behauptet werden müssen, daß derselbe, obwohl sich nicht sagen läßt, er habe einen regelmäßigen Verlauf von Erscheinungen abgeändert, den hierdurch herbeigeführten Tod des Reisenden verursacht hat. Es dürfte wohl auch der Arzt, welcher den  unregelmäßigen  Verlauf der Krankheit zu einem regelmäßigen gestaltet hat, als die Ursache der Rettung des Kranken anzusehen sein. Und wer die regelmäßige Entwicklung des Verlaufs gegebener Erscheinungen vor den Eingriffen einer unregelmäßigen Erscheinung bewahrt hat, ist nicht minder als die Ursache anzusehen, daß es bei der regelmäßigen Entwicklung sein Bewenden behielt. Handelt es sich schließlich um ruhende Kräfte, etwa um die in einer Schachtel aufbewahrten Streichhölzer, so ist derjenige, welcher sie entzündet, Ursache der Erscheinung des Brennens, obgleich sich hier wohl nicht gerade sagen läßt, er habe den regelmäßigen Verlauf von Erscheinungen abgeändert. - Es mußte auch nach der Definition von BARs zur Feststellung der Ursächlichkeit der Beweis erbracht werden, daß ohne das Eingreifen der menschlichen Tätigkeit in bereits vorhandene Erscheinungen der Verlauf derselben wirklich ein regelmäßiger geblieben sein würde. Nicht darum ist aber jemand Ursache der neuen Erscheinung, weil er es verschuldet hat, daß nicht der regelmäßige Verlauf der früheren Erscheinungen eingetreten ist. Es ist vielmehr durchaus gleichgültig, welchen Verlauf die früheren Erscheinungen ohne die hinzugetretene menschliche Tätigkeit genommen haben würden - einen regelmäßigen oder unregelmäßigen.

Die Berufung von BARs schließlich auf die römischen Quellen (Seite 119f) trägt zur Rechtfertigung seiner Theorie nichts bei. - Für den Satz, daß der aus einer der Regel des Lebens entsprechenden Handlung hervorgegangene Erfolg nicht verantwortet zu werden braucht, wird auf den  bonus pater familias  [guten Vater der Familie - wp] hingewiesen. Aber dieser abstrakte Mustermann darf für das Strafrecht keine Berechtigung beanspruchen, weil es das Strafrecht lediglich mit dem Individuum zu tun hat. Darum mag zwar das Zivilrecht jeden ohne Ausnahme nach der  diligentia  [Sorgfalt - wp] eines "bonus pater familias" beurteilen, das Strafrecht aber kann bei seiner Beurteilung nicht außer Berücksichtigung lassen, ob nicht etwa gerade das in Rede stehende Individuum eine größere oder geringere Intelligenz besitzt, als diejenige eines Durchschnittsmenschen. Für diese Beurteilung kann der Schwerpunkt nich in der  Handlung  gefunden werden, wie die von von BAR geschieht, sondern nur in der Wirksamkeit der Handlung - dem Erfolg - und dem Verhältnis des Subjekts zum Erfolg - also gerade in dessen Voraussehbarkeit für das Subjekt. - Die Ansicht, daß zwischen einer Regel des Lebens entsprechenden Handlung und dem durch sie herbeigeführten Erfolg kein Kausalzusammenhang besteht, soll zwar eine direkte Bestätigung in den Quellen nicht finden. Aber es trete doch zumindest in der Entscheidung ULPIANs (1.11 pr. D. ad legem Aquil.), daß, wenn jemand sich an einem belebten Ort rasieren läßt und nun der von einem Dritten gestoßene Barbier ihn beschädigt, "ipsum de se queri debere" [selber schuld - wp], das Prinzip hervor, daß die Regelmäßigkeit des Sichrasierenlassen an einem solchen Ort den Kausalzusammenhang zwischen dem unabsichtlichen Stoß und der verursachten Beschädigung aufhebt. In Wirklichkeit aber spricht diese Entscheidung nicht im Entferntesten für eine solche Aufhebung des Kausalzusammenhangs und verneint vielmehr lediglich nur den Anspruch des Verletzten auf Schadensersatz. - In den Quellentexten, mit welchen von BAR zu beweisen sucht, daß das Vorhersehen des Schadens einer der Regel des Lebens entsprechenden Handlung noch keine Verantwortlichkeit begründet, mangelt es - wenn etwa der  Aedil  [niederer römischer Beamter - wp] bei der Freihaltung der Passage fremdes Eigentum demoliert - an einer  injuria  [Rechtsverletzung - wp]. - Daß endlich die  culpa  des Beschädigten selbst - als eine regelwidrige Zwischenursache - den Kausalzusammenhang unterbricht (siehe auch unten IV), ergibt sich weder aus 1. 205 D. de r. j.:  quod quis ex sua culpa damnum sentit non intelligitur damnum sentire  [Niemand hat ein Recht, sich über die Schäden, die er selbst verschuldet hat, zu beklagen. - wp] noch aus den übrigen hierfür zitierten Gesetzesstellen. Es ist hierin von einem Kausalzusammenhang überhaupt keine Rede.


II. Verantwortlichkeit für die Kausalität

Vorsätzliches Handeln

Die  eigene  Ansicht geht, wie schon angedeutet, dahin, daß die Frage nach dem Kausalzusammenhang scharf zu trennen ist von der Frage nach den Bedingungen der Verantwortlichkeit für denselben; und daß, wie der Kausalzusammenhang lediglich bedingt ist durch das Ineinandergreifen von Tatsachen, so in Bezug auf die Verantwortlichkeit für denselben lediglich die Willensbeschaffenheit entscheidet. - Man kann nun durch die Erwägung, daß die mitwirkende Ursache den ganzen Erfolg verursacht, zu der Annahme verleitet werden, daß es, um für den Erfolg haftbar zu werden, ausreicht, wenn nur der Erfolg und die eigene mitwirksam gewesene, zur Herbeiführung desselben unternommene, Handlung gewollt gewesen sei, ein Gewollthaben der übrigen mitwirksam gewesenen Ursachen aber hierzu nicht erforderlich erscheint (Goltdammers Archiv, Bd. 1). In der Tat ist auch in Anbetracht der  Kausalität  ein besonderes Wollen der übrigen mitwirkenden Ursachen ganz einflußlos, man mag die volle Kausalität jeder Einzelkraft - die Einheit und Unteilbarkeit des Erfolgs - anerkennen, oder, ander Teilbarkeit des Erfolgs festhaltend, jeder Einzelkraft nur einen entsprechenden Teil des Erfolgs zumessen. Denn im ersteren Fall liegt das Moment der Verursachung bereits voll und ganz in der eigenen mitwirkenden Tätigkeit, und im letzteren Fall kann selbstverständlich ein bloßes Wollen der übrigen mitwirkenden Kräfte nicht den Zuwachs der übrigen, durch die eigene Tätigkeit nicht bereits verursachten, Teile des Erfolgs herbeiführen. Diese übrigen Teile des Erfolgs können hier vielmehr nur bei stattgefundener Anstiftung (siehe unten IX) auf die eigene Rechnung gesetzt werden, während man, wenn der Naturkausalismus zur eigenen Tätigkeit hinzutritt, in der Beurteilung ratlos ist. - Aber in subjektiver Beziehung kann das Gewollthaben lediglich der eigenen mitwirksam gewesenen Handlung und des eingetretenen Erfolgs nicht zur Zurechnung dieses Erfolgs für genügend erachtet werden.

Es verleiht erst, wie oben schon erwähnt, die eigene Wirksamkeit allen übrigen, ihr vorausgegangenen oder nachfolgenden, fremden - regelmäßigen wie unregelmäßigen - Kräften, welche im Verein mit ihr den Erfolg herbeiführen, die Kausalität. Darum umfaßt die eigene Wirksamkeit nicht bloß dasjenige, was unmittelbar durch die Handlung hervorgebracht worden ist, sondern sie umfaßt zugleich auch die Wirksamkeit der übrigen fremden Kräfte als  eigene  und erstreckt sich somit über das ganze Gebiet der Verursachung von der Handlung an bis zum Eintritt des Erfolgs. Aber es kann zu einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit nicht genügen, daß der Erfolg nur objektiv durch die eigene Wirksamkeit verursacht worden ist. Es muß vielmehr diese bis zum Erfolg reichende, über die fremden Kräfte sich erstreckende, eigene Wirksamkeit zugleich auch in ihrem vollen Umfang vom eigenen verbrecherischen Willen durchdrungen sein, gerade so wie dies auch der Fall ist bei der unmittelbar zur Herbeiführung des Erfolgs unternommenen Wirksamkeit. Es muß also, wenn der Erfolg zur Schuld soll zugerechnet werden können, nicht allein ein Kausalzusammenhang, sondern auch ein Willenszusammenhang zwischen der eigenen Handlung und dem eingetretenen Erfolg bestehen. Hat sich ein Teil der bis zum Erfolg reichenden eigenen Wirksamkeit  ohne  den Willen (nicht bloß  gegen  den Willen; siehe Goltdammers Archiv, Bd. 1) des Handelnden entwickelt, so tritt eine Unterbrechung - nicht des Kausalzusammenhangs, der vielmehr ruhig bestehen bleibt - sondern nur des Willenszusammenhangs ein. Das vom Willen des Handelnden nicht erfüllte Stück des Kausalzusammenhangs muß, wenn es sich um dessen verantwortliche Zurechnung handelt, ausgeschieden werden, und es fällt darum, daß die Existenz des Kausalzusammenhangs - und somit des Erfolgs - von jedem einzelnen Teil desselben bedingt ist, dem Handelnden nicht die Vollendung, sondern nur der Versuch zur Last.

Einen Erfolg  wollen  kann man nur, wenn man sich bewußt ist, daß man denselben auch mit  einiger Wahrscheinlichkeit  durch seine Tätigkeit erreichen wird. Hatte man dieses Bewußtsein bei der Vornahme seiner Handlung nicht, so war auch der Erfolg, auf welchen man sein Augenmerk gerichtet hatte, nicht gewollt, sondern nur gewünscht. Es kann darum ein solcher Erfolg nicht zugerechnet werden, wenn er auch durch den Hinzutritt eines Zufalls objektiv durch die eigene Tätigkeit verursacht worden sein sollte. Das würde der Fall sein, wenn jemand einen anderen veranlaßt hat, mit der Eisenbahn zu fahren, in der Hoffnung, daß derselbe mit dem Zug verunglücken wird.

Das Bewußtsein, den gewollten Erfolg mit einiger Wahrscheinlichkeit durch seine Handlung herbeiführen zu können - das Bewußtsein von der Tauglichkeit der Handlung - erhält man aber nur dann, wenn man sich eine Vorstellung darüber gemacht hat, in welcher Weise denn der Verlauf der eigenen Handlung, ihre Verbindung mit anderen wirkenden Kräften, sich demnächst gestalten wird. Es muß sich mithin der demnächstige Kausalverlauf als einigermaßen wahrscheinlich vorher im Bewußtsein des Handelnden reflektiert haben. Tritt dann der Kausalzusammenhang und somit der Erfolg entsprechend der Vorstellung welche sich der Handelnde von demselben gemacht hatte, ein, so hat weder nach der Willens- noch nach der Tatseite eine Unterbrechung stattgefunden, und es ist darum eine Haftbarkeit für den vollendeten Erfolg begründet.

Zugleich  weiß  aber auch derjenige, welcher eine Handlung mit dem Bewußtsein ihrer wahrscheinlichen Ursächlichkeit vornimmt, daß der Kausalzusammenhang sich möglicherweise auch anders zu diesem Ziel gestalten kann, als er sich denselben vorstellt, und daß, wenn er nur die vorliegenden Verhältnisse in ihrem ganzen Umfang prüfen will, er sich diesen anderweitigen Kausalverlauf als mit einiger Wahrscheinlichkeit bevorstehend möglicherweise zum sofortigen Bewußtsein bringen kann. Wird mit diesem - immanenten - Bewußtsein eine solche nähere Prüfung unterlassen, und kommt dann der gewollte Erfolg durch die eigene Tätigkeit in Verbindung mit fremden, nicht besonders vorgesehenen, aber dem Handelnden  voraussehbar gewesenen,  Kräften zur Existenz, so hat der Handelnde durch seine Tätigkeit den Erfolg nicht allein objektiv in seinem ganzen Umfang herbeigeführt, sondern es fällt ihm auch zugleich in Anbetracht des Teils seiner von der Handlung bis zum Erfolg sich erstreckenden Wirksamkeit, welcher - nicht im Voraus  ausdrücklich  von seinem Willen umfaßt war, eine Verschuldung des Willens - jedenfalls eine  culpa  zur Last. Darum hätte er zumindest in Konkurrenz mit einem Versuch der Vollendung für eine culpose Vollendung einzustehen.

Man wird aber wohl behaupten können, das Dasjenige, was man sofort wissen kann, wenn man will, bereits im Bereich des Wissens liegt, wenn auch gegenwärtig nicht besonders daran gedacht wird. Wenn ich, morgen mit der Eisenbahn auf längere Zeit zu verreisen, beabsichtige, so weiß ich jetzt schon - und will - daß ich mir zu diesem Zweck ein Billett kaufen und mich mit Wäsche und Kleidungsstücken versehen muß, sollte ich mir auch gegenwärtig noch keine besondere Vorstellung hiervon machen. Ob man nicht Kenntnis von einer Sache, die man überhaupt wissen kann, besitzt, läßt sich erst behaupten, wenn man über die Sache nachgedacht hat. Ist dies noch nicht in ausreichendem Maß geschehen, so hat derjenige, welcher sich einen Verlauf der Kausalität zum gewollten Erfolg als mit einiger Wahrscheinlichkeit bevorstehend vorgestellt hat, nicht allein das Bewußtsein der Möglichkeit eines anderweitigen Kausalverlaufs, sondern er ist sich zugleich auch bewußt, daß er von diesem anderweitigen Kausalverlauf möglicherweise bereits Kenntnis besitzt, die er sich sofort, wenn er nur will, zum ausdrücklichen Bewußtsein bringen kann. Unterläßt dies nun der Handelnde, weil er kein besonderes Interesse daran hat, so liegt hierin der Wille ausgesprochen, daß sich der Kausalzusammenhang eventuell dieser Kenntnis gemäß zum beabsichtigten Erfolg vollziehen mag und er haftet darum für diesen anderweitigen Kausalverlauf als seinem Wissen und Willen entsprechend. Wer seinen Gegner tief im Wald an einen Baum festbindet, damit er in seiner hilflosen Lage verhungern soll, der haftet auch dann für vollendete Tötung, wenn der Verlassene aus Mangel an Wasser gestorben ist. Denn, wenn er auch bei der Vornahme seiner Handlung nicht besonders an diese Entwicklung des Kausalzusammenhangs dachte, so war es ihm doch damals schon bekannt, daß auch eine solche Entwicklung mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht, und er auch hiermit einverstanden ist.

Tritt aber in die Kette des Kausalzusammenhangs ein Ereignis ein, welches der Handelnde auch bei einer näheren Prüfung der Verhältnisse nicht als mit einiger Wahrscheinlichkeit bevorstehend vorausgesehen haben würde, so kann nicht behauptet werden, daß sich der anderweitige Kausalverlauf mit dem Wissen und Willen des Handelnden vollzogen hat. Denn, wenn man auch sagen kann, man wolle eventuell auch die etwa weiter noch in der eigenen Handlung gelegenen, noch nicht zum ausdrücklichen Bewußtsein gebrachten, Keime zur Entwicklung des Erfolgs, so hat doch dieses  Wollen  seine natürlichen Grenzen in dem Bewußtsein, man könne das nicht  wollen,  was man nicht mit einiger Wahrscheinlichkeit als bevorstehend vorauszusehen vermag. Es muß darum der Handelnde seinen  Willen  auf diejenige anderweitige Entwicklung des Kausalverlaufs beschränken, welche er, wenn er gewollt hätte, vorausgesehen haben würde. War jemand in dem Augenblick, als er im Begriff stand, ein Schiff zur Auswanderung nach Amerika zu besteigen, an. necandi [tödlich - wp] verletzt worden, so daß er sein Vorhaben aufgeben mußte, und wird er dann nach seiner Wiederherstellung in Europa durch einen vom Dach heruntergefallenen Ziegel erschlagen, so liegt keine Haftbarkeit für vollendete Tötung vor. Nicht darum, weil hier der Kausalzusammenhang eine Unterbrechung erlitten hätte, sondern weil der Willenszusammenhang zwischen Handlung und Erfolg unterbrochen worden ist. Denn hätte sogar der Handelnde an einen solchen eventuellen Ausgang seiner Handlung gedacht, so hätte er doch diese Entwicklung des Kausalzusammenhangs wegen ihrer Unwahrscheinlichkeit nicht als mit einiger Wahrscheinlichkeit bevorstehend wollen können. Der Tod seines Gegners ist zwar allerdings, wie er dies beabsichtigt hatte, durch seine Handlung objektiv verursacht worden, aber es ist kein Wille vorhanden, welcher sich von der Vornahme der Handlung an bis zum Eintritt des Erfolges erstreckt; es ist vielmehr durch den Eintritt des nicht voraussehbar gewesenen Ereignisses eine nicht zu beseitigende Lücke im Willenszusammenhang entstanden. Der  in concreto  eingetretene Erfolg war sonach nicht gewollt und konnte nicht gewollt gewesen sein; es ist nur ein Erfolg von der nämlichen gesetzlichen Beschaffenheit eingetreten, wie er gewollt war, aber nicht der wirklich gewollte Erfolg. Darum liegt auch nur ein Versuch des  beabsichtigt  gewesenen Erfolges zur Bestrafung vor.

Sollte es vorkommen, daß jemand aus besonderen Gründen eine fremde Kraft, weil er dieselbe vielleicht irrtümlich für entgegenwirkend erachtet, für den Erfolg nicht verwenden will, und vielleicht sogar besondere Veranstaltungen gegen den Hinzutritt dieser Kraft zur eigenen Wirksamkeit trifft, so würde, wenn dennoch ein solcher Hinzutritt stattfindet, eine Haftbarkeit für die dolose [vorsätzliche - wp] Vollendung nicht vorliegen, weil auch hier ein Willenszusammenhang zwischen der Handlung und dem Erfolg nicht begründet wäre. Es würde hier neben dem Versuch höchstens nur eine Fahrlässigkeit entstehen. Das Nämliche kann aber auch eintreten, wenn es sich um eine fremde Kraft handelt, an deren wahrscheinlichen Hinzutritt zur eigenen Tätigkeit zur Zeit der Vornahme dieser Tätigkeit nicht besonders gedacht wurde, obwohl die Wahrscheinlichkeit damals vom Wissen des Handelnden umfaßt war. Lagen hier in gleicher Weise Gründe im Wissen des Handelnden, welche, wenn die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Kraft selbst zum gegenwärtigen Bewußtsein gekommen wäre, den Handelnden zum Ausschluß dieser Kraft von seinem Willen bestimmt haben würden, so wäre doch die hinzugetretene Kraft selbst nicht gewollt gewesen. Ein Willenszusammenhang zwischen Handlung und Erfolg liegt darum in einem solchen Fall nicht vor.

Übrigens brauchen die fremden mitwirksam gewesenen Kräfte nicht ihrem Ursprung, ihrer näheren Beschaffenheit nach, von einem Willen umfaßt gewesen zu sein, denn auf die Form dieser Kräfte kommt es nicht an, sondern nur auf deren Wirksamkeit. Weiß daher jemand aus seiner  Erfahrung,  daß sich aus einer bestimmten Tätigkeit durch den Hinzutritt einer fremden Kraft ein bestimmter Erfolg ergibt, so kann er diesen Erfolg wollen, sollte ihm auch die fremde Kraft selbst, die Art und Weise der Entwicklung des Kausalzusammenhangs, ganz unbekannt sein. Wird dann durch seine Tätigkeit in Verbindung mit der fremden hinzugetretenen Wirksamkeit der Erfolg herbeigeführt, so haftet er für denselben, insofern der Kausalverlauf ein erfahrungsmäßiger geblieben ist - der Kausalverlauf sich  in concreto  so gestaltet hat, daß der  Handelnde  darauf rechnen könnte, er werde sich bei etwaiger nochmaliger Vornahme seiner Tätigkeit in gleicher Weise wiederholen. - Damit ist jedoch nicht gesagt, daß, wie von BAR behauptet, der Handelnde stets für die regelmäßige Entwicklung seiner Tätigkeit einstehen muß. Es erscheint zwar ohne besondere Anhaltspunkte nicht glaubhaft, daß jemand  das  nicht gewußt haben sollte, was  alle  wissen; und es wird darum  im Allgemeinen  auf die Versicherung, man habe die stattgefundene regelmäßige - einigermaßen wahrscheinliche - Entwicklung des Kausalzusammenhangs nicht vorausgesehen oder voraussehen können, ein besonderes Gewicht nicht zu legen sein. Ergibt sich aber, daß wirklich der Handelnde keine Vorstellung davon hatte, welcher denn der regelmäßige Verlauf seiner Tätigkeit sein wird, lehrt denselben auch nicht wenigstens seine Erfahrung, daß aus seiner Tätigkeit der Erfolg hervorgehen wird, hatte er mit Bestimmtheit eine regelmäßig - aber nicht notwendig - hinzutretende fremde Kraft von seinem Willen ausgeschlossen, oder hatte er irrtümlich den regelmäßigen Verlauf seiner Tätigkeit für so unregelmäßig gehalten, daß er ihn gar nicht wollen kann, so war auch der, nach allgemeiner Anschauung in regelmäßiger Weise entstandene Erfolg von ihm nicht gewollt und braucht darum auch nicht von ihm verantwortet zu werden. - Mit der Behauptung, daß der regelmäßige Verlauf der eigenen Tätigkeit zum beabsichtigten Erfolg unbedingt verantwortet werden muß, legt man das Kriterium, ob der Erfolg zu verantworten ist oder nicht, in die Objektivität und erklärt den Willen als hierfür gleichgültig. Damit sagt man aber, daß man, um für den Erfolg haftbar zu werden, nur ihn und die eigene Tätigkeit gewollt zu haben braucht, woraus sich weiter ergeben würde, daß eine Haftbarkeit auch dann vorliegt, wenn der Erfolg unter Mitwirkung der unberechenbarsten Ereignisse eingetreten ist. Denn es verursacht, wie oben ausgeführt, schon die eigene Tätigkeit objektiv allein für sich den ganzen Erfolg, und es erscheint darum für den Handelnden gleichgültig, ob der Kausalzusammenhang durch den Anschluß regelmäßiger oder unregelmäßiger Ereignisse zur Existenz gekommen ist.

Es würde zugleich in der Behauptung, daß man auch ohne darauf gerichteten Willen für den objektiv regelmäßigen Verlauf seiner Tätigkeit einzustehen hat, die Behauptung des Gegenteils gelegen zu sein, daß man nämlich den unregelmäßigen Verlauf seiner Tätigkeit nicht zu verantworten braucht, selbst wenn der Wille auf eine solche Unregelmäßigkeit gerichtet gewesen ist. - Freilich je unregelmäßiger für die allgemeine Anschauung der Eintritt des Erfolges ist, je weniger Gründe für die Erreichbarkeit desselben sprechen, desto weniger wird angenommen werden können, daß der Wille des Handelnden auf Herbeiführung desselben gerichtet gewesen ist. Und wenn der Eintritt des Erfolgs so unwahrscheinlich ist, daß man denselben nach allgemeiner Überzeugung gar nicht wollen kann, so kann durchgängig auch nicht angenommen werden, daß ihn der Handelnde gewollt hat. Sollte selbst ein Geständnis des Handelnden vorliegen, so kann hierauf kein Gewicht gelegt werden, weil das bloße Geständnis als reiner Ausfluß der Subjektivität nicht imstande ist, dem Willen die ihm fehlende, zu seinem Erkennen erforderliche, äußere Gestalt zu verleihen (siehe meine Abhandlung über den Versuch, Gerichtssaal 1867, Heft 1, Seite 62). An und für sich aber kann man auch das Unwahrscheinliche, ja das anscheinend Unmöglich, erreichen wollen, insofern man es irrtümlicherweise für erreichbar gehalten hatte. Es liegt dann ein wirklicher Willenszusammenhang zwischen der Handlung und dem etwa dennoch unter  Mitwirkung  der eigenen Tätigkeit eingetretenen Erfolge vor, welcher die Haftbarkeit für diesen Erfolg nach sich ziehen muß - vorausgesetzt nur, daß der dem Handelnden unterlaufene Irrtum äußerlich erkennbar ist. Unter dieser Voraussetzung muß der Handelnde für den Erfolg haften, wenn er aus total verfehlten Gründen auf den Hinzutritt einer Naturkraft zu seiner Tätigkeit gerechnet hatte, auf welche nach allgemeinem menschlichen Ermessen so wenig zu rechnen war, daß der spätere wirkliche Eintritt derselben nur als eine Zufälligkeit aufgefaßt werden kann. - Hierher dürfte auch das von BAR Seite 5, Anmerkung, ohne Angabe von Gründen abgelehnte Beispiel vom Totbeten zu rechnen sein. Freilich zur Verhängung einer wirklichen Strafe wird es hier kaum jemals kommen können - aber nur darum, weil es hier wohl stets am Nachweis des Willens- und Kausalzusammenhangs fehlen wird. Nimmt man jedoch den Kausalzusammenhang und weiter als erwiesen an, der Handelnde ist aus besonderen Gründen überzeugt gewesen, die Person, auf die er es abgesehen hat, glaube an die Wirksamkeit des Mittels und kann darum möglicherweise infolge des in ihr erregten Schreckens sterben, so wird, im Falle des in dieser Weise wirklich eingetretenen Erfolgs, die Haftbarkeit nicht bezweifelt werden dürfen. Denn es bedarf hierzu nichts mehr als Ursächlichkeit und Willenszusammenhang, was beides alsdann gegeben sein würde. Unterstellt man etwa, es habe in einem abergläubischen Distrikt schon mehrmals ein solches Totbeten, verbunden mit einem jedesmaligen Durchbohren des Herzens einer Wachspuppe oder mit anderen derartigen Hantierungen, stattgefunden, und es sei jedesmal die Person, auf welche es abgesehen war, wirklich in auffallender Weise gestorben, so braucht hier gar nicht einmal der Schrecken als der Vermittler zwischen der Handlung und dem Erfolg besonders in Aussicht genommen gewesen zu sein, weil sich der Handelnde auf seine, wenn auch nicht zutreffende, Erfahrung berufen kann.

Geht man davon aus, daß der Handelnde schon dann für eine Vollendung haftbar wird, wenn er nur seine mitwirksam gewesene Handlung und den Erfolg gewollt hat, so ist er auch schon dann verantwortlich, wenn er die von ihm beabsichtigte Tätigkeit auch nur zum Teil ausgeführt hat, hieran aber sich eine, sei es auch selbst ganz unerwartete, fremde Wirksamkeit anschloß und im Verein mit dem bereits Geschehenen den beabsichtigten Erfolg herbeiführte. Das würde der Fall sein, wenn der Reisende in eine Höhle geschleppt wurde, um in derselben ermordet zu werden, er aber, noch ehe dies ausgeführt werden konnte, durch einen herunterfallenden Stein erschlagen wurde. Zu einem anderen Resultat gelangt man jedoch hier, wenn man annimmt, daß ein Willenszusammenhang zwischen Handlung und Erfolg bestehen muß. Erhebt jemand die Pistole, um sie sodann auf seinen Gegner abzudrücken, die Pistole geht jedoch schon bei der Erhebung des Arms von selbst los, so entspricht, ungeachtet der objektiven Regelmäßigkeit des Kausalverlaufs, die Bewegung des Arms dem Willen nur zum Teil ihrer Wirksamkeit, während sie im Übrigen nicht von einem Willen umfaßt war und darum keine Haftbarkeit wegen Vollendung begründen konnte. Wußte der Handelnde aber, daß sich bei der schlechten Beschaffenheit der Pistole sich ein unfreiwilliges Losgehen derselben ereignen kann, so wird er für die Vollendung einstehen müssen. Wollte jemand mit zwei Schlägen auf den Kopf den Gegner töten, oder die Vergiftung mit zwei Dosen bewerkstelligen, er erreicht aber seinen Zweck schon mit dem ersten Schlag, der ersten Dosis, so wird er die Verantwortlichkeit für eine Vollendung nicht von sich weisen können, weil, wenn er auch momentan nicht daran dachte, er doch wußte, daß bei der verschiedenen Körperbeschaffenheit der Menschen, die Unberechenbarkeit der Wirkungen von Gift, er möglicherweise schon mit seiner ersten Handlung zur Vollendung kommen kann. Die Erwägung aber, daß der Handelnde, wenn er noch eine weitere Handlung vor der Vollendung auszuführen gedachte, bis dahin noch keinen festen Willen gehabt hat, kann darum hier für die Entscheidung nicht relevieren, weil sie nicht überall zutreffen wird, und im Fall daß sie zutreffen sollte, nicht einmal eine Strafe für den Versuch am Platz wäre. Noch weniger wird die Haftbarkeit für Vollendung beseitigt, wenn nach bereits abgebrochener menschlicher Tätigkeit der Erfolg später, als er erwartet wurde, zum Eintritt gelangt, insofern nur nicht diese Verzögerung durch eine vom Willen überhaupt nicht umfaßte Wirksamkeit, die in den Kausalverlauf eingriff, verursacht wurde.

Es würde auch, wenn zur Haftbarkeit für den Erfolg nur das Gewollthaben der eigenen Handlung und des Erfolgs erforderlich wäre, der freiwillige Rücktritt vom Versuch durchaus einflußlos sein, im Fall daß später eine freme, vom Willen nicht umfaßt gewesene, Kraft durch ihren Hinzutritt zum bereits Geschehenen den Erfolg herbeigeführt hätte. Wenn daher der Handelnde, um den von ihm verursachten Brand zu löschen, durch eine Verwechslung Petroleum statt Wasser in das Feuer gießt, oder durch ungeschickte Rettungsversuche gerade erst den Tod des von ihm Verletzten herbeiführt, so müte er für die Vollendung haften. Geht man aber von der Notwendigkeit eines Willenszusammenhangs zwischen Handlung und Erfolg aus, so brauchen selbstverständlich nach dem Rücktritt vom verbrecherischen Vorhaben eingetretene, von Anfang an nicht voraussehbar gewesene, Ereignisse, durch welche wider Erwarten der Erfolg herbeigeführt wurde, nicht verantwortet zu werden. Entwickelt sich jedoch der Erfolg in der Weise, wie sie von Anfang an im Bewußtsein gelegen hatte, so muß für die Vollendung gehaftet werden, sollte selbst der Handelnde, als er seinen Versuch aufgab, der festen Überzeugung gewesen sein, daß jetzt, etwa infolge der von ihm getroffenen Gegenmaßregeln die Möglichkeit der Vollendung beseitigt ist. Denn die Wirksamkeit, deren er sich bereits in einem vollständigen Willenszusammenhang mit dem Erfolg zur Herbeiführung desselben entäußert hatte, und die eben darum als spätere in der ursprünglich vorausgesehenen Weise mitwirkende Ursache Haftbarkeit für den ganzen Erfolg nach sich ziehen muß, konnte durch die bloße in der Mitte liegende, jetzt auf unrichtiger Anschauung der Verhältnisse beruhende, Willensänderung nicht wieder beseitigt werden. Etwa mit einer Willensänderung verbundene Gegenmaßregeln aber erscheinen lediglich als ein mißlungener Versuch, das bereits mit vollem Willen Geschehene seiner möglichen demnächstigen Wirksamkeit zu entkleiden, der höchstens zu einer Minderung der Strafe für die Vollendung führen kann.

Es würde endlich unter dieser Voraussetzung auf die Beschaffenheit der bereits  vor  der Entäußerung der eigenen Wirksamkeit vorhandenen Kräfte, zu welchen jene hinzutritt, nichts ankommen. Es würde also Haftbarkeit für Vollendung etwa auch dann begründet sein, wenn, bevor der Eintritt des Erfolgs auch nur entfernt vom Handelnden erwartet werden konnte, daß ein Bauwerk schon beim ersten Spatenstich umstürzt. Dieser Einsturz war zwar objektiv regelmäßig, denn unter den vorliegenden Verhältnissen - bei den heimlichen Mängeln des Bauwerks - mußte dasselbe schon durch die gegen es geäußerte geringfügige Gewalt zum Einsturz gebracht werden. Aber diese schlechte Beschaffenheit des Bauwerks hatte sich in keiner Weise im Wissen und Willen des Handelnden reflektiert, und sie braucht darum auch von demselben als mitwirkende Ursache nicht respektiert zu werden. Hat jedoch der Handelnde den schlecht aus Erde errichteten, von den Fluten hart bedrängten Damm früher, als er sich dies vorgestellt hatte, durchbrochen, so wird er für eine Vollendung haften, weil, wenn er auch an die Möglichkeit einer bereits vorhandenen Beschädigung nicht besonders dachte, er doch hierauf gefaßt sein mußte. Ebenso, im Fall daß sich der Anzustiftende früher entschloß, als er dies annahm. - Übrigens genügt es auch hier zur Haltbarkeit für Vollendung, wenn sich der Handelnde nur den Effekt der vorausgegangenen mitwirksam gewesenen Kräfte zu Bewußtsein gebracht hatte. Hat er durch die offene Tür das Haus betreten, so braucht er nicht zu wissen, daß sie absichtlich vom untreuen Diener für ihn offengelassen worden war. Auch nicht, daß ein Anderer die Waffen seines wehrlosen Opfers vorher beseitigt hatte.


Fahrlässigkeit

Die Beschaffenheit des Kausalzusammenhangs ist ganz die nämliche, es mag demselben ein doloser oder ein fahrlässiger Wille zugrunde liegen. Namentlich macht auch die fahrlässige Wirksamkeit erst alle übrigen mitwirkenden Kräfte kausal, und es erstreckt sich mithin auch bei ihr die eigene Wirksamkeit von der Handlung an bis zum Erfolg. So wenig daher die strafrechtliche Verantwortlichkeit des  dolos  Handelnden von der Beschaffenheit des Kausalzusammenhangs abhängig gemacht werden kann und vielmehr von der Verschuldung seines Wissens abhängt, so wenig kann dies bezüglich des Fahrlässigen geschehen. - Glaubt man annehmen zu dürfen, daß schon das Gewollthaben der Handlung und des Erfolgs genügt, um denselben zur dolosen Vollendung zurechnen zu können, insofern nur der Verlauf des Kausalzusammenhangs ein regelmäßiger gewesen ist, so würde auch der Fahrlässige schon dann für den Erfolg verantwortlich sein, wenn er nur mit dem Bewußtsein der Möglichkeit desselben seine Handlung gewollt hätte, und der Kausalverlauf ein regelmäßiger geblieben wäre. Das spätere Eingreifen eines dem Handelnden nicht voraussehbar gewesenen, wenn nur regelmäßigen, Ereignisses in den Kausalzusammenhang würde unbeachtlich sein. Und glaubt man, daß es zur Zurechnung einer dolosen Vollendung erforderlich erscheint, daß sich der Handelnde die Zwischenursachen zum  ausdrücklichen  Bewußtsein gebracht gehabt haben muß, so muß man das gleiche Erfordernis auch bezüglich der Fahrlässigkeit aufstellen. Das geschieht aber allgemein nicht.

Auch die Willensbeschaffenheit bei der  culpa  ist die nämliche wie beim  dolus;  nur ist der Wille des Fahrlässigen nicht auf den strafbaren Erfolg, sondern auf ein anderes Ziel gerichtet. Zugleich weiß aber auch er, daß sich möglicherweise der Kausalverlauf anders gestalten kann, als er sich denselben vorgestellt hat, daß er namentlikch auch zu einem das Strafrecht interessierenden Erfolg hinführen und es ihm vielleicht bei näherer Prüfung der Verhältnisse gelingen kann, sich diesen anderweitigen Kausalverlauf zumindest als einen möglichen zum ausdrücklichen Bewußtsein zu bringen, demgemäß aber den strafrechtlichen Erfolg zu vermeiden. Unterläßt er diese nähere Prüfung der Verhältnisse, so geschieht dies mit dem Willen, sich die nötige Aufklärung nicht verschaffen zu wollen, und es fällt ihm darum durch dieses Wollen des Nichtwollens eine Verschuldung des Willens zur Last, welche sich nicht allein auf seine Handlung, sondern auch auf deren gesamte Wirksamkeit bis zum Erfolg hin erstreckt. Aber nur dann kann der Erfolg einem verschuldeten Willen entsprungen sein, wenn der Handelnde auch wirklich bei einer näheren Prüfung der Verhältnisse sich den gesamten Kausalverlauf bis zum Erfolg hin als mit einiger Wahrscheinlichkeit bevorstehend klar gemacht haben würde. Muß angenommen werden, daß auch bei einer näheren Prüfung der Verhältnisse dem Handelnden die eine oder die andere der später hinzugetretenen Zwischenursachen unbekannt geblieben sein würde, so wäre der Kausalverlauf nicht bis zum Erfolg hin von einem verschuldeten Willen durchdrungen und könnte darum auch nicht zugerechnet werden. Die Unterlassung der näheren Prüfung der Verhältnisse wäre bedeutungslos, da sie doch nichts geholfen haben würde.

Das  Bewußtsein,  daß man durch die Unterlassung der erforderlichen Prüfung der Verhältnisse einen vermeidbaren strafrechtlichen Erfolg herheiführen könne, bildet das Schuldmoment bei der Fahrlässigkeit. Es ist dieses Bewußtsein mit der Vornahme jeglicher Handlung notwendig verbunden, solange man nicht das andere Bewußtsein hat, sich nach allen seinen Kräften überzeugt zu haben, daß ein strafrechtlicher Erfolg der Handlung mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten ist. Ein Irrtum in dieser Richtung wird kaum vorkommen können, da, solange auch nur noch  ein  Zweifel vorliegt, ein solches, das Schuldmoment ausschließende, Bewußtsein nicht aufkommen kann. Ist aber einmal der Handelnde zum Bewußtsein der Ungefährlichkeit seiner Handlung gekommen, so braucht er dann auch den dennoch durch diese Handlung etwa verursachten Erfolg als einen fahrlässigen nicht zu vertreten, sollte selbst diese Überzeugung auf einem entschuldbaren Irrtum beruhen. Denn ein Wille kann nicht verschuldet sein, wenn ein Bewußtsein dieses Verschuldetseins nicht im Handelnden existiert. Zur Begründung einer Strafbarkeit für Fahrlässigkeit genügt es darum nicht, daß man unter den vorliegenden Verhältnissen eine größere Aufmerksamkeit auf seine Handlung vom Handelnden hätte verlangen können, sondern es ist hierzu erforderlich, daß sich der Handelnde selbst bewußt ist, daß er fahrlässig handelt, er also nicht das Nötige getan hat, um sich über die mögliche Kausalität seiner Handlung aufzuklären. Läßt man sich an dem Gedanken genügen, die Haftbarkeit für Fahrlässigkeit ist schon begründet, wenn jemand die gesetzliche Vorschrift, auf seine Handlung zu achten, damit sie nicht Schaden stiftet, nicht ausreichend erfüllt hat, so bestrft man im Grunde genommen lediglich die Kausalität der Handlung. Denn der Handelnde fühlt sich, wenn er, sei es auch irrtümlich, zu der festen Überzeugung von der Ungefährlichkeit seiner Handlung gelangt ist, zu einer weiteren Prüfung der Verhältnisse nicht mehr aufgefordert. Praktisch freilich wird die richterliche Überzeugung, es habe jemand nicht die ihm mögliche Sorgfalt auf seine Handlung verwendet, zugleich zu dem Schluß hindrängen, es hat derselbe auch nicht die Überzeugung von der Ungefährlichkeit seiner Handlung gehabt.

Ist aber nach diesen Ausführungen die Kausalität die nämliche, es mag ihr ein doloser oder ein fahrlässiger Wille zugrunde liegen, und ist das Schuldmoment in Bezug auf die nicht besonders vom Willen umfaßt gewesenen Zwischenursachen sowohl beim dolosen wie auch beim fahrlässigen Willen darin begründet, daß man dieselbe bei gehöriger Aufmerksamkeit - wirklich, nicht bloß möglicherweise - als mit einiger Wahrscheinlichkeit bevorstehend vorhergesehen haben würde, so wird sich auch behaupten lassen, daß der  dolose  Wille  gerade so weit  mit den Zwischenursachen verhaftet ist,  wie dies der Fall sein würde, wenn an seiner Stelle ein fahrlässiger Wille stände.  Muß für Fahrlässigkeit gehaftet werden, wenn das in der Richtung nach einem Menschen, etwa um denselben zu erschrecken, abgedrückte, wie bewußt geladene Gewehr zerspringt und ein abgesprengtes Stück desselben tötet, so hat auch derjenige, welcher in gleicher Weise die von ihm gewollte Tötung verursachte, das vollendete Verbrechen zu verantworten, bzw. die Nichtverantwortlichkeit ist in beiden Fällen dieselbe.

Es scheint fast so, als wenn von BAR hiermit übereinstimmt, indem er einmal Seite 63 im Fall der abgeprallten Kugel bemerkt, es müsse für dolose Vollendung gehaftet werden, wenn nicht das Abprallen in einer Weise erfolgt, daß selbst die Zurechnung zur  culpa  ausgeschlossen erscheint, falls der Schießende überhaupt nicht habe treffen wollen.
LITERATUR Maximilian von Buri, Über Kausalität und deren Verantwortung, Leipzig 1873
    Anmerkungen
    1) siehe CARL LUDWIG von BAR, Die Lehre vom Kausalzusammenhang, Leipzig 1871