ra-2Über die Grundbegriffe in der NationalökonomieR. Liefmann    
 
FRIEDRICH GOTTL-OTTLILIENFELD
(1823-1900)
Die wirtschaftliche Dimension
[4/8]

    Einleitung
I. Anlauf der Kritik
II. Vom Tatbestand der Wirtschaftlichen Dimension
III. Vom Werden der Wirtschaftlichen Dimension

"Lohn, Zins, Rente. Man kann sie als Theorien der  Wert-Analyse  bezeichnen. Weil einige von ihnen dabei viel auf  Arbeit  zu sprechen kommen, wirft man sie zusammen in den Topf der "Arbeitswerttheorien"! Das entspricht ganz der Art, wie in der Wertlehre überhaupt  Einteilungen  getroffen werden und so  Ordnung  geschaffen wird; ungefähr in dem Stil:  Vorurteil  und  Vorfrühling  in das eine Fach,  Vollblut  und  Blutwurst  in das andere."

"Wie im  Grundbegriffskapitel  der Lehrbücher vorgegangen wird: Ein Herumklauben in Worten und daran angehängte Begriffsspalterei, wobei nach den Tatbeständen selber eigentlich nur deshalb vom Wort her geschielt wird, um die Sache mit den  Einteilungen  abzuspeisen."

"Zum  Schätzer  wird genau so auch der Käufer, dem nicht schon ein Angebot entgegentritt; für ihn heißt es abermals, mit Hilfe einer mehr oder minder vorhandenen  enzyklopädischen Warenkenntnis  die Schachtel zu finden und sich in der Aufschrift nicht zu versehen, um sich den größenhaften Anhaltspunkt für den Entschluß zu Tausch und Preis zu verschaffen. Daraufhin ist er dann eines Angebots fähig, das aber sicherlich so wenig einer  Messung  entstammt, als die Lerche nach Noten trillert."


II. Vom Tatbestand der
Wirtschaftlichen Dimension


8.

Hält man diese beiden Spielarten der Wirtschaftlichen Dimension als "Üblichen Preisstand" und "Fällige Preishöhe" auseinander, so geschieht das in der Anempfindung an die Sprechweise des gewöhnlichen Lebens. Richtig beim Wort genommen, würde das Leben selber im ersteren Falle wohl schlechthin von "Wert", im letzteren aber von "Tagespreis", oder vielleicht von "Kurswert" reden. Die Sprache des Rechts wieder scheidet in der gleichen Richtung zwischen dem "Gemeinen Wert" und dem "Marktpreis", sie drückt sich noch vielfach anders darüber aus, z. B. "Gemeiner Preis" und "Handelswert" Mit ihrer weiteren Scheidung aber, zwischen "Verkehrswert" und "Ertragswert", da rückt sie gleich die  dritte  Spielart der Wirtschaftlichen Dimension vor Augen. Da ist diese etwas  Errechnetes.  Errechnet z. B. vom "Ertrag" auf den "Ertragswert" hin, von der "Rente" auf den "Kapitalwert", von den "Kosten" auf den "Kostenwert" hin und so fort. Man braucht nur noch an "Grundsteuerwert", "Versicherungswert", "Bilanzwert", an die zahlreichen "Werte" der "privatwirtschaftlichen" Werttheorien überhaupt zu denken, um einzusehen, daß dem Wechsel in der Art und Weise dieser Errechnung kaum eine Grenze gezogen ist. Immer jedoch geht diese Errechnung von Ansätzen aus, die eine der beiden anderen Spielarten der Wirtschaftlichen Dimension liefert; von  eitel  üblichen Preisständen oder Fälligen Preishöhen her werden alle diese "Werte" errechnet. Der Sinn aber der Errechnung ist stets eine  bestimmte Art der Veranschlagung von Objekten,  zu irgendeinem Behuf, in irgendeinem kalkulatorischen Zusammenhang. Daher man die "privatwirtschaftlichen" Werttheorien, die es auf die verschiedenen Modi der Veranschlagung im Dienste des "Erwerbs als Rechnung" absehen, bei der Führung also des Unternehmens, als Theorien der  "Wert-Kalkulation"  bezeichnen kann. Sie fassen unmittelbar den Tatbestand der Wirtschaftlichen Dimension ins Auge, sehen ihn aber - und von ihrem Standpunkt aus mit vollem Recht - einseitig als das Problem der  Errechnung  dessen, was hier als dritte Spielart der Wirtschaftlichen Dimension zu berühren war.

Aber gerade diese Spielart, die  Errechnete Preishöhe  jedesmal eingebunden in einen ganz bestimmten Zusammenhang, um dort allein zu gelten, sondert sich aus dem engeren Tatbestand der Wirtschaftlichen Dimension bereits aus, als etwas von ihm schon  Abgeleitetes,  weil doch der Errechnung immer Ansätze zugrundeliegen, die selber schon den Sinn der Wirtschaftlichen Dimension, einer geltenden Größe haben. Alles, was bisher zu sagen war und in der Folge über diesen Tatbestand zu sagen ist, bezieht sich darum nur mittelbar auf diese dritte Spielart, eben nur im Geiste ihrer schon abgeleiteten Artung; nur bedingt ist sie überpersönlicher Natur, nur bedingt der Öffentlichen Meinung zugehörig, nur bedingt ist sie Preishoffnung. Man könnte diese abgeleitete Spielart der Wirtschaftlichen Dimension die  "wirtschaftsokkasionelle"  [Okkasion = Gelegenheit - wp] nennen. Bestünde auch noch dazu ein Anlaß, so ließen sich die beiden ursprünglichen Spielarten als die  "wirtschaftsusuelle"  [Usus = Gewohnheit - wp] und die  "wirtschaftsaktuelle"  Dimension auseinanderhalten. Die erstere komme dem  Üblichen Preisstand  gleich, die letztere der  Fälligen Preishöhe. 

Keine von diesen Spielarten schließt die andere in ihrer Geltung aus. Ein und demselben Objekt, als Gattung oder Individuum, heften sich gegebenenfalls zugleich ein Üblicher Preisstand, eine Fällige Preishöhe und beliebig Errechnete Preishöhen an. Und dabei kann der Anschlag dort, der Ansatz zur Errechnung hier, immer noch auf ganz verschiedene Märkte abzielen und da wieder zwischen "Großhandelspreis", "Ladenpreis" usw. schwanken. Man sieht, wie zerklüftet der Tatbestand der Wirtschaftlichen Dimension ist und wieviel sich in der Sache schon der vorgeblichen Eindeutigkeit von Ausdrücken wie "Tauschwert", "objektiver Wert" usw. entgegenstemmt. Ganz abgesehen von der Verwirrung, die noch die Theorie hineinträgt, wenn z. B. KARL MENGER den "Tauschwert" als den Grad der Vertauschbarkeit eines Objektes deutet! Aber von allen jenen "Werten", die im Geist der Wirtschaftlichen Dimension sich um das Objekt herum häufen und dabei nicht bloß in der Höhe voneinander abweichen, sondern auch im Sinn ihrer Veranschlagung oder Verrechnung, von ihnen allen erhebt natürlich keiner den Anspruch, der "wahre Wert" zu sein; der hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun, ist bloß ein wissenschaftliches Wunschbild. Und wirklich suchen auch die Theorien ihren "wahren Wert" allemal bereits  jenseits  der Wirtschaftlichen Dimension. Sei es, daß sie als Theorien der  "Wert-Ethik"  über die Wirtschaftliche Dimension, wie sie ist, hinausblicken, nach ihrer Verklärung zum "gerechten Preis"; sei es, daß sie an der "Allpreisfolge" vorbei nach dem "Allpreisgrund" haschen; ob nun in der Art der  "Wert-Pragmatik"  - gleich der "Grenznutzenlehre", oder in der Art einer "Wert-Metaphysik"  - KARL MARX! Nur diese "klassischen" Werttheorien reden nicht bloß von einem "natürlichen Preis", ihnen schwebt tatsächlich so etwas wie der schlechthin "marktrichtige" Preis vor; unter diesem Vorbehalt stellen sich diese Theorien  unmittelbar  auf den Tatbestand der Wirtschaftlichen Dimension ein, um diese ihrer Höhe nach auf Komponenten zurückzuführen, ausdrücklich aber den Zusammenhängen der Erwerbswirtschaft entlang und darum auf die Einkommensarten zurück: Lohn, Zins, Rente. Man kann sie als Theorien der  "Wert-Analyse"  bezeichnen. Weil einige von ihnen dabei viel auf "Arbeit" zu sprechen kommen - in der Sache handelt es sich aber um die erwerbswirtschaftliche "Lohn-Komponente" - und KARL MARX erst recht, "Wert und Arbeit" verschweißt, wirft man sie und ihn zusammen in den Topf der "Arbeitswerttheorien"! Das entspricht ganz der Art, wie in der Wertlehre überhaupt "Einteilungen" getroffen werden und so "Ordnung" geschaffen wird; ungefähr in dem Stil: "Vorurteil" und "Vorfrühling" in das eine Fach, "Vollblut" und "Blutwurst" in das andere.

Mit dem fachlichen Aberglauben des "wahren Wertes" hat es dagegen nichts zu tun, wenn einerseits die Theorien der "Wert-Kalkulation" jene Art der Errechnung suchen, die vom Standpunkt des "Erwerbs als Rechnung" und je bei dem gegebenen Anlaß der Veranschlagung, die "richtige" wäre. Ebensowenig hat es mit dem "wahren Wert" zu tun, wenn andererseits der  Jurist  unter jeweils möglichen "Werten" jenen sucht, worin sich das Recht erfüllt; jedoch nicht gleich auf das  rechthaft Richtige,  im Sinne des "Gerechten", sondern auf das  rechtsgebührlich Richtige  muß seine Absicht gehen, auf das "von rechtswegen" Geltende an Wirtschaftlicher Dimension.. Aus Zwang des Faches bleibt er dabei überwiegend zur Deutung des Gesetzeswortes verbunden. Hier wird eben der Ausgang vom Wort der ganz besonderen Ausrichtung des fachlichen Denkens gerecht; mit Herrschaft des Wortes hat das nichts zu tun, aber Jurisprudenz ist eben auch keine Erfahrungswissenschaft. Bei der Interpretation des Gesetzes wird dann stets nur vom Wort her nach den Tatbeständen gesehen. Durchaus nicht ausnahmslos, aber sehr häufig bewirkt dies in den Ausführungen der Juristen, soweit es "werttheoretische" sein sollen, eine hier verzeihliche Umbiegung in etwas anderes, das auch im Bereich der nationalökonomischen Theorie selber auftritt. Was z. B. F. J. NEUMANN zur Wertlehre beisteuert, ist Werttheorie überhaupt nicht. "Wertkunde" habe ich es selber einst genannt, im Grunde ist es eine Art  "Wert-Philologie".  Es dreht sich da ebenso um Philologie, wo sie nicht hingehört, wie anderswo nachweislich um "Metaphysik am unrechten Ort". Ohne Verdienst ist selbst eine solche Philologie nicht, die ihren Beruf verfehlt hat, wird sie nämlich so gewissenhaft gehandhabt, wie eben von F. J. NEUMANN. Das unfreiwillige Verdienst seines Vorgehens aber findet die Kritik wo anders: er hat das vorbildliche Beispiel dafür geliefert, wie fast ausnahmslos in dem nicht umzubringenden  "Grundbegriffskapitel"  der Lehrbücher vorgegangen wird, nur hier nicht so gewissenhaft. Ein Herumklauben in Worten und daran angehängte Begriffsspalterei, wobei nach den Tatbeständen selber eigentlich nur deshalb vom Wort her geschielt wird, um die Sache mit den "Einteilungen" abzuspeisen. Im Ganzen ein trostloser Eindruck - einige auffallend schlecht geschriebene Seiten eines Deutschen Wörterbuchs. In solcher Art soll nun eine Erfahrungswissenschaft wuchtigsten Stoffes theoretische eingeleitet sein!


9.

Nun fehlt dem Außenbild der Wirtschaftlichen Dimension nur noch ein einziger Zug. Aufzugreifen war sie als die  wirtschaftlich charakteristische Zahl,  die sich den Objekten der Wirtschaft anheftet, bald als Gattung, bald als Individuum. Nich minder auf der Hand lag die Rolle der Wirtschaftlichen Dimension als  geltende Größe,  sowohl in die Wirtschaft hinein, als  Richtschnur aller Veranschlagung,  wie auch aus dem Wirtschaftsgebilde heraus, als  begründete Erwartung des Preises,  als Preishoffnung. Ihre drei Spielarten aber legten sich über der Erwägung auseinander, wie die Wirtschaftliche Dimension, als das  bedingt Preisbestimmende  im Sinne einer  bestimmenden Norm  des Tausches, letzten Endes eben doch das  Preisbestimmte  bleibt, die  "Allpreisfolge".  Ihre schlichte Darlegung schließt nun damit ab, sie überdies  als Zahl zu erläutern.  Was da noch zu sagen bleibt, liegt so platt auf der Hand, daß man es bisher ruhig verschweigen konnte, ohne der Eindeutigkeit der Darlegung Abbruch zu tun: Der Umstand nämlich, daß die Wirtschaftliche Dimension immerzu auf  Geld  lautet, daß sie sich als charakteristische Zahl aus  Geldeinheiten  aufbaut! In allen ihren Spielarten, als Üblicher Preisstand, Fällige Preishöhe oder in irgendeiner Art ihrer Errechnung, fällt sie stets mit sogenannten  "Geldpreisen"  zusammen. Eigentlich steht auch hinter dieser vereinzelten Zahl des "Geldpreises" stets ein  Verhältnis  zweier Mengen, gemäß dem Zusammenhang dieser Zahl mit den tauschgepaarten Mengen. Aber weil davon als die eine Menge stets die Mengeneinheit - oder individuelle Einheit - des Objektes gemeint ist, weil das Verhältnis der tauschgepaarten Mengen also stets auf den Fuß dieser Einheit zurückgerechnet, "reduziert" wird, ist es die so errechnete  Anzahl der Geldeinheiten  was sich dem Objekt, als Gattung oder Individuum, im Sinne der wirtschaftlich charakteristischen Zahl anheftet. Nichts, um es zu wiederholen, kann gemeinplätzlicher sein, als dieser Aufbau der Wirtschaftlichen Dimension aus Geldeinheiten. Aber was ist darin enthalten und blieb als Eingeständnis lieber bis zum Schluß der Darlegung aufgespart? Daß sich der Tatbestand der Wirtschaftlichen Dimension mit dem höchst verwickelten Tatbestand überschneidet, der von  "Geld"  zu reden zwingt; den ersteren Tatbestand zu erörtern, treibt also unausweichlich in die Schwierigkeit hinein, auch mit dem letzteren anzubinden.

Nun enthüllt zwar der Zusammenhang, wenn er hier auf Geld zu reden bringt, sofort und blitzartig den tieferen Sinn des Tatbestandes, der hiermit auftaucht. Läßt doch erst die Wirtschaftliche Dimension in die Wirtschaft hinein und aus der Wirtschaft in den Tauschverkehr hinaus  rechnen;  aber nur kraft ihrer Eigenschaft als Zahl, folglich kraft ihres Aufbaues aus Geldeinheiten. Daher der aufgetauchte Tatbestand des Geldes mittelbar dafür einsteht, daß  in der Wirtschaft alles mit allem verrechenbar  wird, mithin also die  Geldeinheit,  als das Bauelement der Wirtschaftlichen Dimension, recht eigentlich die  Recheneinheit der Wirtschaft  bedeutet, soweit liegt das nicht minder auf der flachen Hand. Aber wie nun den Problemen Herr werden, die erst dahinter alle auftauchen? Zum Glück wird sich ein Ausweg ganz von selber finden, daß man über das Geld gerade soviel sagen muß, als es die Aussprache über die Wirtschaftliche Dimension erheischt, soweit sie ihrerseits wieder bloß dem Bedarf der Kritik zu genügen hat.

Was hier zunächst aber den Weg kreuzt, sind verschiedene  Ausdrucksweisen , der hergebrachten Theorie sowohl, als auch des Alltags. In der Wertlehre, erstens, kehrt der Satz so oft wieder, daß es beinahe einer  communis opinio  [öffentlichen Meinung - wp] gleichkommt, zu sagen:  "Der Preis ist der in Geld ausgedrückte Tauschwert."  In dieser Aussage kann "Tauschwert" gar nicht als die Wirtschaftliche Dimension gemeint sein; diese, als charakteristische Zahl, ist selber ein Zahlenausdruck und eben in Geldeinheiten, nicht also das erst Auszudrückende. Als dieses aber ist hier der "Tauschwert" behauptet. Dieser Name, der es sonst tausendmal ausdrücklich auf die charakteristische Zahl selber münzt, gleitet hier offensichtlich von ihr ab und es liegt auch nahe, wohin: dorthin, wovon sie selber schon die Erstreckung darstellt. "Tauschwert" steht hier im Geist der hergebrachten Theorie für die später zu erörternde "Kaufkraft"! Während wieder als "Preis" unverkennbar eine geltende Größe gemeint ist, als gar nicht das Fallweise des Preises selber, sondern eben die Wirtschaftliche Dimension. An sich widerstreitet diese Ausdrucksweise keineswegs dem Sprachgefühl, das ja selber in dieser Hinsicht schwankt; man denke an die so geläufigen Ausdrücke wie "üblicher Preis", "Markt-" und "Tagespreis" usw. für eitel Spielarten der Wirtschaftlichen Dimension. Wäre es nur die Absicht, lieber zweideutig von "Preis", als vieldeutig von "Wert" zu sprechen, gut. So aber spielt dieses  quid pro quo  [dieses für jenes, angemessene Gegenleistung - wp] gleich das Gegenstück zum  quid pro quo  in Sachen "Tauschwert" im nämlichen Satz.Da geht also alles lustig durcheinander. Wenn es nun schon am grünen Holz einer stehenden Redeweise so irrlichtert, kann man sich vorstellen, wie erst am trockenen der gelegentlichen Redewendungen und gar erst am faulen Holz der Polemik von Theorie zu Theorie. Die spätere Kritik an der Wertlehre brandmarkt das als die liebe Gewohnheit der  hüpfenden Namen. 

Jener Satz aber wird sich inhaltlich in der Folge richtigstellen lassen. Ungefähr so, daß die befugte Anwärterin auf den Namen "Wert", die Wirtschaftliche Dimension, gerade daraufhin erst ins Dasein tritt, daß die  verworrenen Tauschgeschicke eines Objektes,  ob nun als Gattung oder als Individuum,  zu ihrem einheitlich größenhaften Ausdruck gelangen  und dies eben in  Geldeinheiten.  Preise, im Sinne des Verhältnisses der fallweise tauschgepaarten Mengen, sind dann längst schon da, aber der hier gemeinte "Wert" tritt erst damit auf. Dagegen, so wird es sich zeigen, brauchen die Preise selber auch nachher noch lange keine Geldpreise zu sein. Daß bereits stets in Geld  gezahlt  wird, ist schon die spätere und rein tatsächliche Folge vom Dasein der Wirtschaftlichen Dimension. Aber daß in Geld  gezählt  wird, in dem die Wirtschaftliche Dimension sich aus Geldeinheiten zahlenhaft aufbaut, das macht ihre grundsätzliche Daseinsbedingung aus. Gleichwie umgekehrt das Geld wieder nur als Ausdrucksmittel der Wirtschaftlichen Dimension in die Welt tritt, beide also "kongenital" [angeboren - wp] verknüpft, Zwillingsbrüder sind.


10.

Zweitens spricht der Alltag - im Walten des unbefangen sprachflüssigen Denkens - besonders bei bestimmten Anlässen von einem  "Schätzen des Wertes".  Und es ist offenbar bloß dieser Redeweise nachempfunden, wenn die Theorie dann auch den Hampelmann des Erwerbs mit der wunderbaren Gabe der unmittelbar größenhaften "Schätzung" ausstattet, die auf den "Wert" selber oder den "Nutzen" usw. ginge. Der Alltag aber hat dabei einfach eine  Veranschlagung  von Objekten im Auge, die klarerweise nach der Richtschnur der Wirtschaftlichen Dimension erfolgt, sie es bei einer Inventur oder vor einer Versteigerung oder aus Anlaß eines Schadensersatzes oder wo immer. So liegt es in der Sache wenigstens. Wie das "Schätzen" aber im Geiste des sprachflüssigen Denkens gemeint wäre, hält es sozusagen die Mite dazwischen, wie man einen Freund einschätzt und wie man eine Entfernung schätzt. Letzteres hat in keiner Weise etwas mit "Wert" zu tun. Man "schätzt" die Entfernung, sobald man sie darum weniger genau bestimmt, weil man keinen Maßstab anlegt, also nicht mißt, sondern irgendeinen Anhaltspunkt dafür wählt, um auf die Entfernung mit einiger Sicherheit zu raten; man hält sich etwa an die perspektivischen Verkürzungen, an das steigende Verblassen der Farben, Verschwimmen der Umrisse, usw. Wer dagegen einen Freund schätzt, vollzieht damit einen Akt der inneren Stellungnahme, im Sinne einer Zubilligung von zureichenden Gründen des Vorzuges; sei es nun gegenüber anderen Menschen oder auch gegenüber einer möglichen anderen Haltung des Freundes selber, je nachdem man nämlich "ihn" oder etwas "an ihm" schätzt. Darum, weil Vorzug im Spiel ist, springt für das hier zu Schätzende sofort auch das Wort "Wert" ein. Man sieht, mit dem Vorzug, nicht mit dem Schätzen hängt "Wert" für die Sprache untrennbar zusammen. Ein ähnliches Kriterium der inneren Stellungnahme, gegenüber den zu schätzenden Objekten, wird vom Alltag aber auch bei jenen nüchternen Anlässen unterstellt. Dieses "Schätzen des Wertes" malt sich also im sprachflüssigen Denken so, daß es vor sich ginge in der Art, wie man eine Entfernung schätzt, daß es dabei aber abzielt auf etwas von der Art, wonach man einen Freund schätzt.

Aber wie vollzieht sich dieses "Schätzen des Wertes" tatsächlich?  Es ist immer die Sache eines "Schätzers", dem zweierlei zugemutet wird. Erstens muß er die Objekte mit zureichender Sicherheit bestimmten Gattungen einzureihen wissen, oder, wenn es sich um Individuen handelt, muß er die richtigen Analogien dazu finden. Zweitens muß er einfach Kenntnis von der Wirtschaftlichen Dimension besitzen, die den betreffenden Gattungen oder analogen Individuen anhaftet. Was er also wirklich leistet, hat offenbar weder mit dem Schätzen von Entfernungen, noch mit jenem von Freunden etwas innerlich gemein. Es steht eher in gleicher Linie mit dem Gebaren eines Verkäufers, der erstens gut weiß, aus welcher Schachtel er den zu verkaufenden Artikel genommen hat und der zweitens die Zeichen an dieser Schachtel richtig als Preisangabe zu deuten vermag. Eigentlich braucht man bloß an den altertümlichen Ausdruck für diese "Wertschätzung" denken, "taxieren"! Das sagt alles: einfach die zutreffende "Taxe" finden, den von Amts wegen Schwebenden Preis. Das ist das atavistische Gleichnis, die heutige  Sache  aber der Akt der Veranschlagung vom Markt her. Wie überhaupt nichts anderes hinter diesem "Schätzen des Wertes" steckt, darüber wird sich natürlich jedermann bei der kürzesten Erwägung klar. Nur das sprachflüssige Denken, wenn es sich der hochtrabenden Wendung vom "Schätzen des Wertes" hingibt, schweift in jene Fabeleien aus. Aber gerade diese Fabeleien nimmt die Theorie blutig ernst, sobald sie sich selber in Sachen jener Gabe der "Wertschätzung" lächerlich macht.

Die durchschnittliche Theorie wagt sich hier sogar noch um einen Schritt weiter vor. Wie sie behauptet, ginge die geltende Größe, ausdrücklich also die Wirtschaftliche Dimension, als das  "Maß des Wertes",  aus einer richtigen "Messung" hervor, für welche angeblich das Geld, wohl seinem eigenen "Wert" nach, als der "Maßstab" diene. Das wird entweder mit ausdrücklichen Worten verfochten, so z. B. in den Ausführungen von KARL KNIES gegenüber KARL MARX. Zum mindesten aber steckt es ungenauer im geläufigen Theorem vom "Wertmesserdienst" des Geldes. Die Theorien der "Wert-Pragmatik" nehmen da allerdings eine Sonderstellung ein, da sie ja von ihrem Standpunkt aus an der Wirtschaftlichen Dimension ganz vorbeisehen. Den Tatbestand der Wirtschaftlichen Dimension erledigen sie nämlich so einseitig nur als das Problem des Entschlusses zu Tausch und Preis, daß sie ihren "Wert", in seiner Rolle als "Allpreisgrund", gar nicht erst der geltenden Größe unterschieben, vielmehr sofort dem Fallweisen des Preises selber, dem Verhältnis der tauschgepaarten Mengen; darum ist doch eigentlich der "Wert im objektiven Sinn" bei EUGEN von BÖHM-BAWERK nicht minder eine Inkonsequenz zu seiner Theorie, wie jener "Natürliche Wert" bei FRIEDRICH von WIESER, der so gar nichts von "Sachliebe" besagt, so ganz und gar nur auf geltende Größe hinausläuft, Wirtschaftliche Dimension. Wie sich anders wieder die marxistische "Wert-Metaphysik" hier seitab stellt, das Geld auch da nichts mißt, sonderm im "Äquivalent" aufgeht, kann erst später klar werden. Sonst aber spielt es sich als die theorienläufige, gemeine Meinung auf, daß in der Wirtschaftlichen Dimension der "Wert" das Gemessene, das Geld kraft seines "Wertes" das Messende sei.

Aber wer soll da eigentlich messen, wann soll es geschehen und was in aller Welt soll da erst aus einer Messung hervorgehen? Der "Schätzer", bei jenen Anlässen, denkt im Tod nicht daran, etwas zu messen. Für das womöglich richtig "Eingeschachtelte" besinnt er sich auf die womöglich richtige Wirtschaftliche Dimension; das ist alles. Zu einem "Schätzer" dieses Gebarens wird aber notgedrungen jedermann in der eigenen Wirtschaft, wo immer etwas zu veranschlagen ist, aus Antrieb zur "Wirtschaft als Rechnung". Auch da gilt es einfach, einzutaxieren, also die richtige Schachtel zu finden und die Aufschrift richtig zu lesen; worüber man sich möglicherweise in "Kurszetteln", in "Preisverzeichnissen" usw. Rat holt. Zum "Schätzer" wird genau so auch der Käufer, dem nicht schon ein Angebot entgegentritt; für ihn heißt es abermals, mit Hilfe einer mehr oder minder vorhandenen "enzyklopädischen Warenkenntnis" die Schachtel zu finden und sich in der Aufschrift nicht zu versehen, um sich den größenhaften Anhaltspunkt für den Entschluß zu Tausch und Preis zu verschaffen. Daraufhin ist er dann eines Angebots fähig, das aber sicherlich so wenig einer "Messung" entstammt, als die Lerche nach Noten trillert. In die Lage des gleichen "Schätzers" gerät der Urheber von jeglichem Schwebendem Preis, ob nun als Verkäufer zu "fixen Preisen", als Monopolist oder als Taxgewaltiger. Sie messen alle nicht, sie verstehen sich höchstens besser auf Schachtel und Aufschrift, als Spezialisten dieser Aufgabe.

Nicht um ein Haar näher an ein Messen drängt es endlich jenen heran, der mit einem  ganz neuen Objekt  auf dem Markt erscheint. Da fehlt die Schachtel zwar mit der Aufschrift zugleich, das Objekt selber entbehrt völlig einer Preisvergangenheit. Es ist keine Fällige Preishöhe, kein "Marktpreis" da, geschweige ein Üblicher Preisstand, ein "Gemeiner Wert". Aber  errechenbar  ist das Angebotspreis stets" So liegt einfach ein eigentümlicher Sonderfall der Veranschlagung von "wirtschaftsokkasioneller" Dimension vor, "Taxation". Auch bei dieser besonderen Gelegenheit des "Neupreises" wird einfach  kalkuliert,  in keiner Weise "gemessen". Auch diese "erste Schätzung des Wertes" geht den nüchternsten Weg, den Weg der Schachteln. Der Griff nach ihnen ist bloß umständlicher, man muß in der Runde herum gleich nach vielen greifen. Übrigens müssen es durchaus nicht bloß die Aufwände sein, die "Kosten", nach deren Veranschlagung, gemäß ihrer Wirtschaftlichen Dimension, man zurückzugreifen hätte, um den Neupreis zu errechnen. Daneben bleibt noch der Umblick frei, für welche "preishaften" Objekte, das vorläufig "preislose" Objekt einen Ersatz bieten kann und natürlich in welchem Verhältnis der Mengen; was abermals eine einfache Feststellung ist, keinerlei Messung, am wenigsten eine "Messung des Wertes".

Der Monopolist, der Taxgewaltige usw. kann schließlich auch der Erwägung folgen, bis zu welcher Höhe der "Neupreis" steigen darf, damit sein Objekt noch im Ausmaß zureichenden Absatzes Gnade findet vor den Augen derer, als mögliche Abnehmer, die sich an der Aufteilung des ihnen Verfügbaren auf den Bedarf orientieren und die es offenbar auf den "Neupreis" hin beurteilen, ob und wieiviel vom Objekt ihnen durch Kauf erreichbar erscheint. damit greift er ihrem eigenen Gebaren vor, um sich zu diesem auch selber richtig zu verhalten. Bei jener Aufteilung dreht es sich um eine Art "Anteilsberechnung" oder "Gesellschaftsrechnung". Mittelbar setzt sie eine Rangordnung, eine Hierarchie der Bedarfe voraus, die abermals beileibe aus keiner Messung hervorgeht, sondern aus bloßen Vergleichen, hin und her, im Zuge der letztentscheidenden Erwägung, jener nämlich über den Zusammenhang zum Ganzen der Wirtschaft! Unmittelbar aber führt sich diese Berechnung gar nicht ohne "positive" Ansätze durch, diese aber besagen eitel  Veranschlagung,  gemäß der Wirtschaftlichen Dimension, hinsichtlich aller Bedarfsobjekte überhaupt. Da erst recht triumphiert der Griff nach der Schachtel und der Blick nach ihrer Aufschrift. Damit jedoch ist gleich auch das Gebaren derer aufgedeckt, die sich auf das Angebot des "Neupreises" hin zu Tausch und Preis entschließen sollen. Diesem Angebot gegenüber fehlt allerdings jeder Anhaltspunkt an die einschlägige Wirtschaftliche Dimension; aber wie man sah, der "Weg der Schachteln" führt auch aus dieser Klemme sicher hinaus, auf beiden Seiten. Sofort aber, mit dem ersten vollzogenen Tausch, ist ausch schon der jüngste Preisfall da. Die Wirtschaftliche Dimension, eben erst als Errechnung, als "wirtschaftsokkasionelle" geboren, wächst alsbald zur "wirtschaftsaktuellen" und "wirtschaftsusuellen" aus. Es gestaltet sich eine Fällige Preishöhe und ein Üblicher Preisstand heraus. Sofort verwebt sich eben wieder Preisvergangenheit und Preiszukunft. Die "Messung des Wertes am Wert des Geldes" jedoch, die bleibt in allen diesen Lagen die  Fabel,  die sich die Theorie bloß vom sprachflüssigen Denken aufbinden läßt, unter der Herrschaft des Wortes.

In der Tat, nur für den oberflächlichen Blick widerspräche es der eigenen Natur der wirtschaftlichen Dimension, ihre Herkunft von einer Messung zu leugnen. Sieht man vorläufig noch darüber hinweg,  wovon  eigentlich diese charakteristische Zahl die Erstreckung, das Ausmaß darbietet, so hängt diese Eigenschaft doch als Dimension, als Ausmaß, hier als Bestimmtheit der Mengen, doch nicht seinerseits an einer Messung! Ein Mensch besitzt sicherlich nicht erst dadurch eine bestimmte Körpergröße, daß man ihn an den Türpfosten zur Messung stellt, ein Klumpen Gold verdankt sein ganz bestimmtes Gewicht doch nicht erst der Wage. Immer bloß zur  Kenntnis  des Ausmaßes führt in diesen Fällen das Messen, gleichsam als die Brücke.  Aber bei der Wirtschaftlichen Dimension ist diese Brücke doch allemal schon überschritten!  Ob nun von Preisen her errechnet oder aus Preisen niedergeschlagen, die Zahl der Geldeinheiten stellt sich damit schon ein; man knnte sagen, von den getauschpaarten Menschen her tritt dieses Ausmaß gleich als ein gemessenes ins Dasein! Ihr Verhältnis zum Geld ist für die Wirtschaftliche Dimension nicht im Traum jenes zwischen dem Gemessenen und dem Messenden; sondern nur zwischen dem, was eines  zahlenhaften Ausdruckes  bedarf, um überhaupt ins Dasein zu treten und andererseits dem  Mittel dieses zahlenhaften Ausdruckes.  Dazu bietet sich das  Geld  dar, indem die Wirtschaftliche Dimension in Geld ausgedrückt, als charakteristische Zahl aus Geldeinheiten aufgebaut ist. Aber diesen Aufbau, wie gesagt, besorgt allemal der Tausch selber, indem er die vertauschten Mengen so einander paart, wie ed dann in der Wirtschaftlichen Dimension hinterher zum Ausdruck kommt. Und selbst dem Beispiel ihrer Neugeburt ließ sich entnehmen, daß die Wirtschaftliche Dimension auch vom Entschluß zu Tausch und Preis her in keinerlei Weise einer Messung entstammt.  Alle Messung kommt da längst zu spät, wo das Ausmaß gleich zahlenhaft geboren wird. 

Aber man hat gut den Dunst aller dieser Fabelideen verscheuchen, womit das sprachflüssige Denken die einfachsten Dinge umnebelt, indem es sich so bombastischen Redensarten hingibt, man gerät dadurch doch nur vor eine andere Schwierigkeit: die Zusammenhänge, die sich über die Wirtschaftliche Dimension hinweg durch die Wirklichkeit weben, trotzen ihrer Entwirrung, man vermag sie klar nicht zu entfalten, weil sich das Denken in ihnen dauernd verfängt. WIe es sich erwies, gefällt sich die Wirtschaftliche Dimension förmlich in der Rolle des Igels, der in seiner schlauen Zweieinigkeit, als Mann und Frau, dem in der Furche hin und her wettlaufenden Hasen stets wieder zuruft: Ich bin schon da! Man findet bei der Wirtschaftlichen Dimension buchstäblich aus dem Bereich ihrer Geltung gar nicht heraus. Offenbar verknüpft sich dies mit ihrer Natur, als das preisbestimmend Preisbestimmte. Dadurch aber dreht man sich bei ihr fortwährend im Kreis. Selbst der "Neupreis" führt in diesen schier unauflösbaren Kreislauf zurück. In der hergebrachten Theorie hat gerade dieser Eindruck hinsichtlich ihrer Haltung entschieden; der Eindruck, daß man  gar nicht herausfindet aus den "Preisen" -  worunter bald an das Fallweise der wirklichen Preise, bald an das Geltende der Wirtschaftlichen Dimension gedacht wird. Man bemerkte eben, daß die "Preise" stets wieder nur aus "Preisen" erklärt werden, eben weil man von der "Allpreisfolge" nicht loskam. Daraus dann der Absturz in das Scheinproblem eines "Allpreisgrundes", im Geiste eines wahrhaft  "letzten Warums der Preise"! 

Aber wie ist es eigentlich mit dem  "Urpreis"?  Öffnet sich nicht dahinzu ein Ausweg? In der Tat, durch eine einfache Darlegung kommt man diesem Tatbestand der Wirtschaftlichen Dimension überhaupt nicht zureichend bei. Es bleibt nichts übrig, man muß ihm den Schein der "Uranfänglichkeit" nehmen. Die schlichte Darlegung, wie sie bisher geübt wurde, will ergänzt sein durch die Erwägung, wie sich dieser Tatbestand überhaupt erst herausgestalten konnte. So steht man vor der Frage,  welchen Werdegang nimmt die Wirtschaftliche Dimension, welchen Ursprung vorher der Tausch? 
LITERATUR Friedrich Gottl-Ottlilienfeld, Die wirtschaftliche Dimension - eine Abrechnung mit der sterbenden Wertlehre, Jena 1923