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Nichtverbale Kommunikation
Gesellschaftliche Systeme verfügen sowoh über Regeln zu ihrer Kontrolle, z.B. über Regeln, die die Anpassung der Menschen an das System gewährleisten, als auch über Regeln, die die Erklärung für solche Anpassung formulieren. Da soziale Kontrolle am besten ausgeübt werden kann, wenn sie nicht evident ist, und wir am besten beeinflußt werden können, wenn wir in dem Glauben sind, daß wir aus unserem eigenen freien Willen heraus agieren, ist die beste Erklärung für unser Verhalten aus der Sicht der Mächtigen nicht die, die auf der gesellschaftlichen Kontrolle, die in das System eingebaut ist, basiert, sondern die, die die freiwillige Anpassung der Menschen an das System herausstellt. Typisch für ein System wie das unsere sind die Regeln, die die Konformität seiner Mitglieder erklären:
Diejenigen, die diese den Status quo erhaltenden Erklärungen in Frage stellen, werden mit Beweismaterial konfrontiert, das scheinbar freiwillig gewählte Anpassung und freiwillig gewählten Gehorsam zeigen soll oder die interne psychologische Motivation der Wahl; sie werden darauf hingewiesen, was für massive Kontrollen nötig wären, um ein ganzes Volk oder auch nur die halbe Bevölkerung in Unterwerfung zu halten. Meine These ist, daß nonverbale Kommunikation zu einem großen Teil dazu dient, diese massive, verdeckte Kontrolle auszuüben, eine Kontrolle, die insbesondere die weibliche Hälfte unserer Bevölkerung in einer De-facto-Unterwerfung hält. Viele Probleme, mit denen Frauen konfrontiert werden, wenn sie sich mit Macht befassen, gewinnen an Perspektive, wenn der Stellenwert des nichtverbalen Verhaltens für die Erhaltung der Machtstruktur betrachtet wird. Nichtverbales Verhalten ist ein Hauptfaktor der Kommunikation, es soll sogar mehr als viermal informativer sein als verbales Verhalten. Obwohl populär-wissenschaftliche Publikationen und akademische Forschungen uns nahelegen, nichtverbale Kommunikation hauptsächlich als von emotionalem Inhalt geprägt zu sehen, gibt uns der nichtverbale Kanal tatsächlich sehr viel Information über Status, Dominanzverhalten und Machtbeziehungen. Gerade weil nichtverbales Verhalten als trivial angesehen wird und noch wenig erforscht ist, ist es ein perfekter Weg für subtile Beeinflußung. Wir werden durch die nichtverbale Kommunikation unbewußterweise von anderen beeinflußt, oder es wird uns gesagt, daß unser eigenes nichtverbales Verhalten etwas vermittelt, was uns nicht bewußt ist. Überdies ist nichtverbale Kommunikation für Frauen von größerer Wichtigkeit als für Männer, und zwar in verschiedener Hinsicht. Wir Frauen werden zu Fügsamkeit erzogen, die uns ganz besonders aufnahmebereit für solche subtile Kontrolle macht. Und im Gegensatz zu anderen machtlosen Gruppen stehen wir in unmittelbarer Verbindung zu den Machtzentren, z.B. als Ehefrauen und Sekretärinnen, was häufige Interaktion mit den Mächtigen nötig macht. Schließlich und endlich sind wir sensibler, was nichtverbale Signale anbelangt - eine Eigenschaft, die sowohl Geschenk als auch Belastung für die Unterdrückten ist. Sklaven wurden für besonders sensibel gegenüber anderen Menschen gehalten, und bei Schwarzen wurde größere nichtverbale Sensibilität festgestellt als bei Weißen. In der Interaktion zwischen Frauen und Männern können viele nichtverbale Akte entweder als Dominanzsignale, die von Männern ausgehen, gesehen werden, oder als Unterwerfungssignale, mit denen Frauen darauf antworten. Obendrein kommt der nichtverbalen Kommunikation für die Ausübung von Macht eine einzigartige Position zu. Sie steht an der Trennungslinie zwischen offenem und verdecktem Ausdruck sowohl der Dominanz als auch der Unterwerfung. Betrachten wir jetzt den Faktor Macht. Macht kann definiert werden als Fähigkeit, andere zu beeinflußen, die bestimmt wird durch die Kontrolle von Gütern. Diese Güter müssen gegen diejenigen, die sie nicht haben, verteidigt werden, um die Fortdauer der Macht sicherzustellen. Obwohl die Grundlage der Macht letztlich physische Gewalt ist, wird die soziale Kontrolle im allgemeinen nur mit der geringsten Andeutung von Kraft und durch ein kompliziertes System von unterstützenden Institutionen, Sitten und Gewohnheiten aufrechterhalten. Macht wird in einem Kontinuum ausgeübt, welches von der kleinsten zu der größten Gewaltanwendung reicht. Dieses Kontinuum enthält mindestens die folgenden Schritte vom Subtilsten zum Eklatantesten:
Die Forschung zeigt auch, daß diese Verhaltensweisen, die hohen Status indizieren, von Männern ausgeübt werden; das Verhalten von Frauen in diesen Bereichen hat die Form von unterwürfigerem und sich mehr anpassendem Verhalten. Andere Ergebnisse zeigen, daß Personen, die mehr Macht haben, andere anstarren können, ohne die ersten zu sein, die die Augen abwenden, daß sie weniger lächeln und weniger Emotionen zeigen und im allgemeinen persönliche Informationen zurückhalten; untergeordnete Personen dagegen wenden ihren Blick ab, wenn sie angestarrt werden, lächeln häufig und zeigen größere emotionale Breite. Wir erkennen auch diese Verhaltensweisen als charakteristisch für Frauen. Bestimmte menschliche Gesten sind analog zu den Dominanz- und Unterwerfungsgesten, die für Primaten festgestellt wurden, z.B. ist das Anstarren eine Geste der Dominanz, auf die mit einer Unterwerfungsgeste durch Abwenden des Blickes oder durch Blinzeln reagiert wird; Berührung zeigt Dominanz, sich berühren lassen zeigt Unterwerfung. Unterbrechung ist dominant - das Wort abzugeben ist unterwürfig. Ähnliches gilt bezüglich der Ausbreitung im Raum auf Kosten anderer bzw. bezüglich des Zurücktretens, des Aussendens strenger Blicke oder des Zurücklächelns. Wiederum ist es so, daß die Gesten der Dominanz eher von Männern ausgeübt werden und die Gesten der Unterwerfung eher von Frauen. Ein weiterer Aspekt von nichtverbalem Dominanzverhalten ist, daß es eine subtile körperliche Bedrohung mit sich bringt: z.B. sind Anstarren, auf jemanden zu zeigen, sich vor jemandem aufzubauen konkrete Kampfelemente; sie sind wahrscheinlich Überreste einer in ihrem Ursprung körperlichen Konfrontation. Wegen ihrer Sozialisierung können Frauen schnell und unbewußt durch solches Dominanzgebaren eingeschüchtert werden und selbst solches Verhalten nicht einsetzen. Diese Beobachtungen geben uns eine neue Sichtweise was die unterwürfige Haltung von Frauen anbelangt. Viele der weiblichen Verhaltensweisen, die als Selbstbeschränkung interpretiert wurden, sind vielleicht in Wirklichkeit nichts anderes als das Ende einer Folge, in der Selbstbehauptung versucht worden war und auf einer nichtverbalen Ebene unterdrückt wurde. Auf ähnliche Weise kann uns das Studium des nichtverbalen Verhaltens über andere Fragen aufklären, die für die Befreiung von Frauen grundlegend sind: In der nichtverbalen Kommunikation sehen wir, wieviel Persönliches in Wahrheit politisch ist. Einiger der für den Zusammenhang von Frauen und Macht relevanten Fragen, die durch das Studium von nichtverbalem Verhalten angegangen werden können, sind:
Macht ist die Fähigkeit, andere zu beeinflußen oder zu zwingen, und sie basiert auf der Kontrolle von wichtigen Gütern. Sie wird in einem Kontinuum, das von der gerinsten bis zu der größten Anwendung von Gewalt reicht, ausgeübt. Im allgemeinen wird die mildeste Form von Gewalt, die ausreicht, den gewünschten Effekt zu erreichen, benutzt. Nichtverbales Verhalten ist eine Hauptmethode innerhalb der Kommunikation in unserem Alltagsleben, und Macht ist ein Hauptthema innerhalb der nichtverbalen Kommunikation. Nonverbale Kommunikation funktioniert als Methode sozialer Kontrolle sowohl auf der größeren Ebene als auch auf der kleineren Ebene der interpersonalen Dominanz. Weil in unserer Kultur nichtverbales Verhalten als trivial bezeichnet wird, ignoriert wird und wir in der Schule nichts darüber lernen, ist es eine vage Stimulussituation. Die Interpretation nichtverbalen Verhaltens ist deshalb sehr empfänglich für soziale Beeinflussung, z.B. für Erklärungen, die Geschlechtsstereotypen verwenden, die wieder den Status quo aufrechterhalten. Viele nichtverbale Verhaltensweisen haben die doppelte Funktion, Dominanz als auch Intimität auszudrücken, jeweils abhängig davon, ob sie asymmetrisch oder symmetrisch von den Teilnehmenden in einer Beziehung benützt werden. Deshalb kann nichtverbale Dominanz, wenn sie angegriffen wird, als Intimität ausgegeben werden. Tausende von täglichen Handlungen der nichtverbalen Beeinflussung repräsentieren als nonverbale Machtgesten eine mikropolitische Struktur, die der makropolitischen unterliegt und sie stützt. Nichtverbales Verhalten nimmt eine entscheidende Position in dem Kontinuum ein, in welchem Macht ausgeübt wird, zwischen offener und verdeckter Kontrolle und zwischen verdecktem und offenem Widerstand. Weil Frauen vor allem bezüglich des Widerstandes gegen Macht sehr viel vorsichtiger sein müssen als Männer, fallen ihre Aktionen genau in diesen Bereich. Nichtverbale Kontrolle ist auch deshalb von besonderer Bedeutung für Frauen, weil sie sensibler auf Kontrollsignale reagieren und wahrscheinlich auch mehr das Ziel solcher Kontrolle sind. Der überwiegende Teil des geschlechtsspezifischen nichtverbalen Verhaltens ist anerzogen und nicht genetisch vorgegeben; er wird entwickelt, um Unterschiede zwischen den Geschlechtern, die ansonsten unwichtig wären, herauszustellen. Viele nichtverbale Verhaltensweisen, die bedeutungslos und nicht machtbezogen erscheinen, sind tatsächlich Aspekte von Geschlechtsprivilegien oder reflektieren gesellschaftliche Vorurteile, die schließlich auf Machtunterschieden begründet sind. Die Verhaltensweisen, die von Männern und Frauen in der gleichen Beziehung der Geschlechter benützt werden, snd oft parallel zu denen, die Dominanz und Unterwerfung zwischen Ungleichen ausdrücken. Die sexuelle Anziehung kann den größeren Gebrauch von Dominanz- und Intimitätsgesten durch die Männer nicht genügend erklären. Das Sich-zu-eigen-Machen von nichtverbalen Machtsymbolen durch Frauen kann ignoriert, verleugnet oder auch bestraft werden, es wird jedenfalls nicht akzeptiert. Die Verleugnung von Dominanzgesten, die von Frauen ausgehen, geschieht oft in der Form, daß die Geste als sexuelles Manöver interpretiert wird und nicht als Akt der Dominanz. In bezug auf die Erklärung weiblichen Unterwerfungsverhaltens, spielt nichtverbales Verhalten für beide Ansätze eine Rolle, für den, der die Sozialisation heranzieht, und auch für den, der den Faktor der äußeren Kontrolle betont: Vieles, was im Verhalten von Frauen als Selbsteinschränkung interpretiert wird, ist in Wirklichkeit das Ergebnis einer Folge von Handlungen, in denen eine Frau Selbstbehauptung versuchte, aber auf der nichtverbalen Ebene unterdrückt wurde. Wenn wir Frauen Macht verstehen wollen, und zwar auf beiden Ebenen, der politischen und der mikropolitischen, die die erstere aufrechterhält, dann müssen wir mehr über nichtverbale Kommunikation lernen. Auf jede wichtige Entscheidung in Washington oder Wall Street, bei der es darum geht, ob und wieviel Zucker oder Öl wir haben, welche Information wir zu lesen bekommen, kommen Tausende unbeachteter stiller Machtgesten - der anstarrende Blick, die stillmachende Berührung, das Ergreifen des Armes -, die garantieren sollen, daß wir keine Frage an unseren Chef, an unseren Mann oder unseren Liebhaber stellen und ganz gewiß nicht an Washington oder Wall Street. ![]() |