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Die Geschichte des Griechischen Skeptizismus [1/2]
I. Die Vorläufer des griechischen Skeptizismus Allein für diese bescheidene und gerade durch ihre Bescheidenheit imponierende Auffassung wissenschaftlicher Tätigkeit war die Zeit noch längst nicht reif. Und wenn die Äußerungen des XENOPHANES auch wohl den Anlaß zu den in der nächsten Zeit auftauchenden erkenntnistheoretischen Erörterungen gegeben haben, so ist man doch noch nirgends geneigt, ihrer wertvollsten Anregung nachzugeben und vom Dogmatismus abzulassen. Und selbst DEMOKRIT, auf den von allen Philosophen dieser Periode die skeptischen Sentenzen des XENOPHANES den tiefsten Eindruck gemacht zu haben scheinen - ist er doch der einzige, der gestützt auf die Relativität aller sinnlichen Wahrnehmungen und aller lediglich auf ihnen beruhenden Ansichten immer wieder die ungemeine Schwierigkeit, die Wahrheit zu erkennen, betonte und im Zusammenhang damit die Forderung aufgestellt hat, bei allen wissenschaftlichen Arbeiten von der Überzeugung auszugehen, daß einem das wahrhaft Wirkliche nicht unmittelbar gegeben ist, sondern daß man sich weit genug von ihm entfernt befindet -, auch DEMOKRIT hegt trotz allem die feste Zuversicht, mit Hilfe der echten Erkenntnis, d. h. der Vernunft, über die Meinung zum Wissen vordringen zu können, und scheut sich nicht zu behaupten, daß die von ihm aufgestellte Theorie die Wahrheit enthält. In seiner Schule scheint dann aber der übrigens auch bei PROTAGORAS in seinem bekannten Ausspruch über die Götter anklingende Gedanke des XENOPHANES von der Unzulänglichkeit des menschlichen Erkennens größere Bedeutung erlangt zu haben. Denn bereits sein mittelbarer oder unmittelbarer Schüler METRODOR aus Chios beginnt sein naturphilosophisches Werk mit den deutlich an XENOPHANES erinnernden Worten: niemand unter uns weiß irgendetwas, nicht einmal das, ob wir wissen oder nicht wissen, oder überhaupt, ob es etwas gibt oder nicht und bestreitet von hier aus all unserem vermeintlichen Wissen - dann aber jedenfalls auch seinen eigenen, an DEMOKRIT anknüpfenden naturphilosophischen Ausführungen, die er ja mit diesen Worten einleitet - den Charakter eines strengen Wissens, um es als bloße Meinung hinzustellen. Den gleichen Standpunkt dürfen wir aber auch bei ANAXARCH aus Abdera voraussetzen, der METRODORs Schüler DIOGENES aus Smyrna, einen von protagoreischen Gedanken stark beeinflußten Philosophen, gehört hat und um 340-337 geblüht haben soll. Denn wenn er die Dinge mit Schattenbildern oder mit den Einbildungen der Träumenden und Wahnsinnigen verglichen hat, so wird sich die diesen Vergleichen zugrunde liegende Stimmung kaum von der des METRODOR unterschieden haben und auch seine Überzeugung dahin gegangen sein, daß uns kein sicheres Wissen, sondern nur ein Meinen möglich ist. Und allein den Charakter des Meinens wird er dann nicht nur für seine gleichfalls an DEMOKRIT erinnernden, aber scheinbar höchst geringfügigen naturphilosophischen Ansichten in Anspruch genommen haben, sondern auch für seine Ausführungen auf dem Gebiet der Ethik, die für ihn ebenso wie für den gleichzeitigen Kreis der mehr oder weniger von SOKRATES abhängigen Schulen im Mittelpunkt gestanden hat und im Einzelnen nicht ohne wesentlichen Einfluß von Seiten der Kyniker, in denen er auch für seine Lebensführung ein freilich nicht immer erreichtes Vorbild gesehen hat, zustande gekommen zu sein scheint. Zumindest ist die starke Betonung der Affektlosigkeit in sein, im Übrigen hauptsächlich an DEMOKRITs Wohlgemutheit mahnendes, ethisches Ziel, das er selbst als Eudämonie bezeichnet hat, schwerlich ohne erhebliche Mitwirkung kynischer Lehren hineingekommen. Aber selbst diese Männer können noch nicht eigentlich als Urheber der skeptischen Philosophie bezeichnet werden. Auch ihre Skepsis ist noch zu sehr Sache des Gefühls und der Stimmung und noch zu wenig Ergebnis wissenschaftlicher Überlegung; es fehlt ihr sowohl die erkenntnistheoretische Fundamentierung, als auch die methodische Begründung. Und deshalb kann man sie nur als Vorläufer der Skepsis bezeichnen, deren Begründer uns erst im Schüler eines von ihnen, nämlich ANAXARCHs, in PYRRHO entgegentritt. 1. Der dogmatisch-phänomenalistische Skeptizismus a) Pyrrho 365-275 PYRRHO wurde etwa im Jahr 365 zu Elis geboren als Sohn eines gewissen PLEISTARCHUS oder PLEISTOKRATES, der in ziemlich bescheidenen, wenn nicht gar dürftigen Verhältnissen lebte und auch im öffentlichen Leben keine Rolle spielte. Eben deshalb war sein Sohn, der uns geradezu als anfänglich arm und unbekannt bezeichnet wird, genötigt, sich durch Malereien seinen Unterhalt zu erwerben, von denen zur Zeit des ANTIGONUS, also im dritten vorchristlichen Jahrhundert, im Gymnasim zu Elis noch, freilich ziemlich mäßig gemate, Fackelträger erhalten waren, wie er sich überhaupt nur wenig auf dieses sein Gewerbe verstanden haben soll. Daneben fand er aber genügend Zeit, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. So wandte er sich mit großer Liebe der Literatur seines Volkes zu und befaßte sich besonders gern mit HOMER, den er des öfteren mit Sorgfalt von Anfang bis Ende durchgelesen hat und dessen Verse er später auch im Dienste seines philosophischen Vortrages zu verwenden liebte. Ja, von diesen Studien aus scheint er sogar dazu gekommen zu sein, sich selbst dichterisch zu versuchen, zumindest wird berichtet, daß er ALEXANDER dem Großen ein Gedicht gewidmet hat, für das ihm eine Belohnung von tausend Goldstücken zuteil geworden sein soll. Aber nicht nur die Poesie seines Volkes erweckte sein Interesse, sondern auch die philosophischen Lehren, die er zunächst aus den öffentlichen Vorträgen und Disputationen der damaligen Sophisten, und zwar vermutlich zuerst in seiner Heimt, kennengelernt haben wird. Sie aber machten auf ihn einen so nachhaltigen Eindruck, daß er sich ganz der Philosophie zu widmen vornahm. Zu dem Zweck schloß er sich nach der Gewohnheit seiner Zeit einem einzelnen Philosophen näher an und wählte dazu den Megariker BRYSO, der sich in besonders hohem Grad in der Eristik [Lehre des Streitens - wp] ausgezeichnet haben soll; bald jedoch wandte er sich dem ANAXARCH, einem Anhänger DEMOKRITs zu, mit dem ihn nach kurzer Zeit eine so enge Freundschaft verbunden hat, daß er ihn auf dem Alexanderzug bis zu den Indern und Magiern begleitet hat. Und während ihn nun BRYSO mit den megarischen Lehren bekannt gemacht hatte, - weshalb ihn Spätere, wenngleich ohne die geringste Berechtigung, auch als Sokratiker bezeichnen -, vor allem mit der megarischen Dialektik, in der sowohl die aus der Sophistik stammende Neigung, jeder These zu widersprechen, als auch wohl die auf dieselbe Quelle, genauer auf PROTAGORAS zurückgehenden "sich widersprechenden Sätze", die sich mit Rücksicht auf jedes Problem aufstellen und verteidigen lasen, keine geringe Rolle spielten, führte in ANAXARCH einmal in die Lehre DEMOKRITS ein, die PYRRHO, später auch aus eigener Lektüre mit ihr vertraut, von allen ihm bekannten Systemen - und deren Zahl kann, wie seine Opposition gegen die Dogmatiker beweist, nicht gering gewesen sein - stets am höchsten geschätzt hat, und trug ferner durch seine skeptischen Bemerkungen über die Erkenntnis nicht wenig zur Ausbildung der eigentümlichen und durchaus neuartigen philosophischen Stellung PYRRHOs bei. Nicht ganz leicht ist es nun aber, ein präzises Bild von der, soweit äußere Momente in Betracht kommen, wesentlich unter diesen Einflüssen entstandenen Position PYRRHOs zu gewinnen. Denn von schriftlichen Aufzeichnungen hat er nichts - zumindest nichts Philosophisches - hinterlassen, hat überhaupt nichts der Art geschrieben, sich vielmehr ganz damit begnügt, seine Ansichten, die er das Beispiel der indischen Weisen nachahmend fern vom Treiben des Lebens in stiller Einsamkeit sich zurechtzulegen liebte, seinen Schülern in seltenen und bündigen Ausführungen, bei denen er sich bald des fortlaufenden Vortrags, bald der Beantwortung an ihn gerichteter Fragen bediente, mündlich mitzuteilen. Und so sind wir zur Rekonstruktion seines philosophischen Standpunktes ganz und gar auf die Nachrichten aus zweiter und dritter Hand angewiesen. Diese lassen nun zunächst erkennen, daß das treibende Motiv seines Philosophierens ein durchaus praktisches gewesen ist, das Verlangen nach Glückseligkeit, die er in einem zweifellosen Anschluß an DEMOKRIT, in einem gleichmäßig dahinfließenden, von Beunruhigungen nicht gestörten und daher ruhig-heiteren Leben gefunden hat, für das auch er wohl schon den von seinem Vorbild stammenden Vergleich mit der ruhigen Heiterkeit des Meeres bei Windstille zu verwenden liebte. Wie aber diese Glückseligkeit zu gewinnen ist, dafür glaubte er in einer durchaus dogmatischen "Rede der Wahrheit" das einzig richtige Mittel angeben zu können. Wer glücklich werden will, der muß nach PYRRHOs lebhaft an kynische Gedanken erinnernden Ausführungen vor allem tugendhaft sein. Und darum sah er in der Tugend nicht nur das höchste, sondern sogar das einzige Gut, und in der Schlechtigkeit das einzige Übel, während ihm alles übrige, Krankheit und Gesundheit, Lust und Schmerz, Reichtum und Armut, Schönheit und Häßlichkeit, Leben und Tod und anderes mehr, als vollkommen gleichwertig, ja auch als vollkommen gleichgültig erschienen ist, so gleichgültig, daß er ihm gegenüber für den Weisen nur die völlige Empfindungslosigkeit gelten lassen wollte. Darum aber ging auch sein ganzes Streben darauf hinaus, selbst tugendhaft zu werden und auch andere tugendhaft zu machen. Unter dieser Tugend aber verstand er nichts anderes als die richtige Gemütsstimmung. Tugendhaft wird derjenige sein, welcher sich von allen menschlichen Vorurteilen und Affekten befreit hat und in allen Lebenslagen, ja selbst angesichts des Todes, seinen Gleichmut, seine Adiaphorie [Gelassenheit - wp] zu bewahren und dementsprechend zu handeln weiß. Da sich nun aber diese Beschaffenheit des Gemütes nur durch Vernunft und Philosophie erreichen läßt, so wird ein solcher Mensch zugleich ein Weiser sein. Damit sah sich nun aber auch PYRRHO in seinem Streben nach Tugend und Glückseligkeit an die Philosophie gewiesen als die einzige Instanz, die ihm zur Erreichung seines Zieles behilflich sein konnte. Als Aufgabe der Philosophie galt es aber damals ganz allgemein, die Wahrheit, oder, was man davon nicht unterschieden hat, die Wirklichkeit zu erforschen, zu erkennen, was ist. Diese Aufgabe trat also auch an PYRRHO heran, wenn auch mit der Eigentümlichkeit, daß sie für ihn von vornherein dem praktischen Zweck der Glückseligkeit untergeordnet war. Und nun würde sich jedenfalls ein weiterer Dogmatiker der Reihe der schon vorhandenen angeschlossen haben, wenn nicht, angerect durch die skeptischen Äußerungen seines Lehrers ANAXARCH in PYRRHOs Geist der geniale Gedanke aufgetaucht wäre, daß man sich vor aller wissenschaftlichen Beschäftigung sowohl mit den "Dingen", d. h. mit allem, was für wahrhaft wirklich gehalten wurde, also den naturphilosophischen Objekten, als auch mit den ethischen und ästhetischen Kategorien, zuerst einmal über die menschliche Erkenntnis unterrichten muß, um zu sehen, ob sie zu der ihr zugemuteten Leistung überhaupt imstande ist. Und so wandte er sich zunächst einmal der Erörterung dieses grundlegenden Problems der Erkenntnistheorie zu. Dabei ging er jedoch zunächst nicht so vor, daß er sogleich die Erkenntniskräfte direkt ins Auge faßte, vielmehr suchte er ihren Wert erst einmal durch eine im Prinzip stark an das Vorgehen der älteren Megariker erinnernde Kritik ihre Resultate zu prüfen. Und zu dem Zweck nahm er die Thesen der einzelnen Philosophen und Philosophenschulen, ja selbst Behauptungen nicht eigentlich philosophischen, sondern allgemein-wissenschaftlichen, z. B. philologischen Charakters, nacheinander vor, suchte, ein scharfer Dialektiker wie er war, unter Benutzung des ursprünglich sophistischen Verfahrens der Antilogie sowohl die Gründe auf, die gegen, als auch diejenigen, welche für sie sprechen - ein Verfahren, für das wohl schon er selbst neben dem alten Terminus der aporetischen Behandlung den neuen und als Verschärfung gedachten Begriff des skeptischen Betrachtens eingeführt hat -, wo sodann beide Reihen von Argumenten gegeneinander ab, wobei sich herausstellte, daß sie durchaus gleichwertig waren, und kam auf diesem Weg zu dem Ergebnis, daß man eben wegen dieses Gleichgewichts der Gründe nicht imstande ist, irgendeine dogmatische Bestimmung über das wahrhaft Seiende zu treffen, sondern genötigt ist, einzugestehen, daß man über ihr Ansich-Sein nichts ins Reine kommen kann, und sie daher so betrachtet für unerkennbar erkläruen muß. Aber diese Argumentation gegen den Wert der Erkenntniskräfte für die Erkenntnis des Transzendenten ergänzte er nun noch durch die weit prinzipiellere und die Erkenntniskräfte direkt angehende Bemerkung, daß alles, was wir erkennen, nicht die Dinge selbst, sondern allein unsere eigenen Zustände sind, und daß es uns wegen der aus der Relativität aller Wahrnehmungen und Gedanken folgenden Unglaubwürdigkeit aller Kriterien, der Sinne sowohl wie des Verstandes, völlig unmöglich ist, zu entscheiden, welche von ihnen der Wirklichkeit entsprechen und welche nicht. Steht es aber so mit unserer Erkenntnis, dann dürfen wir nach PYRRHOs Ansicht von den Wahrnehmungen nicht und auch nicht von den Meinungen behaupten, weder daß sie die Wahrheit sagen, noch auch, daß sie irren, dann dürfen wir ihnen aber auch kein Vertrauen schenken, sondern müssen in der Überzeugung, daß die Erkenntnis des Wirklichen nicht Sache des Menschen ist, wenn sie auch vielleicht den Göttern zusteht, auf das Wissen um das ansich Schöne und Häßliche, Gute und Schlechte, Gerechte und Ungerechte, so und so Beschaffene, kurz ganz allgemein auf das Wissen um das ansich Seiende Verzicht leisten und deshalb auch, ohne uns durch irgendetwas von diesem Standpunkt abbringen zu lassen, jede positive Stellungnahme zu ihnen ein für alle mal zurückhalten und dürfen höchstens erklären, daß es nicht mehr ist als nicht ist, oder sowohl ist als auch nicht ist, oder weder ist, noch nicht ist. Daraus aber ergaben sich für PYRRHO sogleich zwei weitere Konsequenzen: auf theoretischem Gebiet die, daß es gänzlich zwecklos ist, sich mit den Untersuchungen über das Seiende zu befassen, und allein richtig, sie, die auf diesem Standpunkt doch nur als Ausflüsse eines eitlen, sophistischen Wahns gelten können, frei von jeder dogmatischen Verblendung, ganz und gar beiseite liegen zu lassen, und auf praktischem Gebiet die, sich in seinen Handlungen nicht nach dem überhaupt unerkennbar Seienden zu richten, sondern nach dem, was erscheint. Kann nun aber eine solche Philosophie, die die Erkennbarkeit der Dinge, mit anderen Worten: all dessen, was für wahrhaft seiend gehalten wurde, leugnet, die das Handeln ganz auf die Erscheinungen stellt, auch wirklich zur Glückseligkeit führen? Das war die Frage, die sich PYRRHO jetzt vorlegen mußte. Und die Antwort darauf war ein entschiedenes Ja, das sogar den Anspruch darauf involvierte, daß diese Philosohie ganz allein imstande ist, zur Glückseligkeit zu führen; denn nur sie vermag jene tugendhafte Gesinnung zu erzeugen, welche die unentbehrliche Voraussetzung der Glückseligkeit bildet. Und sie tut das gerade dadurch, daß sie uns von der Unerkennbarkeit des wahrhaft Seienden überzeugt. Denn diese Überzeugung hat die notwendige Folge, daß uns alles Wirkliche, da es uns ja doch nicht zugänglich ist, gleichmäßig bedeutungslos erscheint. Und darum wird uns auf theoretischem Gebiet jede Neugier hinsichtlich der wahren Beschaffenheit der Dinge fern liegen, sodaß wir uns weder auf naturphilosophischem noch auf ethischem und ästhetischem Boden von irgendwelchen Dogmen beschwert und geknechtet fühlen, sondern frei von jeder dogmatischen Überzeugung, oder, wie PYRRHO selbst mit einem kynischen Terminus gesagt haben soll, frei von nebelhaftem Dünkel, auch frei von jedem Irrtum sind, und auf praktischem Gebiet werden wir angesichts der völligen Gleichgültigkeit des wahrhaft Seienden aller Affekte und aller gesellschaftlichen Vorurteile bar sein und auch dem Kommenden mit Ruhe entgegensehen, wird uns keine Furcht vor den Schmerzen und dem Tod mehr plagen, von denen ja jene für den Weisen überhaupt nicht vorhanden sind, während sich der Tod auf diesem Standpunkt vom Leben nicht mehr unterscheidet, dessen gar nicht zu gedenken, daß er schon von so vielen Besseren erduldet ist und schließlich von all den vergänglichen Blättern vergleichbaren Menschen ertragen werden muß. Und so ist in der Tat die skeptische Philosophie, die uns von der Unerkennbarkeit des wahrhaft Seienden überzeugt, und uns ür unser Handeln ganz und gar an die Erscheinungen verweist, gerade dadurch aber eben jene Adiaphorie hervorbingt, die die conditio sine qua non [Grundvoraussetzung - wp] der Glückseligkeit bildet, der sicherste, ja der einzig richtige Weg zum letzten Ziel allen menschlichen Strebens, zur Glückseligkeit. Diese Philosophie aber nicht nur zu bekennen, sondern ihr auch nachzuleben, war nun die ernste Absicht unseres Philosophen. Freilich gelang es ih, da er von Natur heftig war, nicht immer, diesem Vornehmen völlig gerecht zu werden, sodaß er sich hin und wieder dem tadelnden Spott seiner Bekannten und Gegner ausgesetzt gesehen hat, und auch selbst über die Schwierigkeit, ganz den Menschen auszuziehen, klagte, aber im Allgemeinen scheint er es doch, nach einigen über ihn berichteten Anekdoten zu urteilen, zu einer beachtenswerten Annäherung des Lebens an die Lehre gebracht zu haben. So wird z. B. eine Anekdote berichtet, die seine Gleichgültigkeit gegen den Schmerz illustriert; eine andere läßt uns seine Indifferenz gegenüber gesellschaftlichen Vorurteilen erkennen, noch andere zeigen ihn als völlig frei von jeder Todesfurcht. Daß nun ein solcher Mann, der seinen Zeitgenossen nicht nur einen Weg zur Glückseligkeit gewiesen, sondern ihn auch selbst mit aller Energie verfolgt hat, das größte Aufsehen machen mußte, ist selbstverständlich. Und so sehen wir ihn dann sogar von seinen elischen Mitbürgern, in deren Mitte er in seinen mit Gleichmut ertragenen bescheidenen Verhältnissen sein Alter zubrachte, auf das Höchste bewundert und gefeiert, was vor allen Dingen darin zum Ausdruck kommt, daß sie ihn zum Oberpriester machten und um seinetwillen alle Philosophen von Abgaben befreiten, ihm auch in einer Halle auf dem Marktplatz eine Bildsäule und in der Näher der Stadt ein Denkmal setzten; so sehen wir aber auch, daß sich, was für die Philosophie jedenfalls bedeutsamer ist, eine ganze Anzahl philosophisch veranlagter Männer und Jünglinge um ihn scharte und seinen Ausführungen mit dem größten Interesse folgte, bis er ihnen gegen 90 Jahre alt um 275 durch den Tod entrissen wurde. Von ihnen sind uns freilich nur wenige mit Namen bekannt. So NAUSIPHANES, der Lehrer EPIKURs, der noch als Jüngling durch PYRRHOs rhetorische Fähigkeiten für ihn gewonnen sein soll, im Übrigen aber erklärte daß man zwar dem Lebensideal PYRRHOs nachstreben, auf theoretischem Gebiet aber seine eigenen Wege gehen muß; so auch HEKATAEUS aus Teos oder Abdera, der Altersgenosse ALEXANDERs des Großen und Hofphilosoph von PTOLEMÄUS dem I., der freilich auch von anderer, nämlich kynisch-stoischer Seite beeinflußt zu sein scheint, und sich in seinem Verkehr mit PYRRHO ebenso wie NAUSIPHANES kaum mehr als die nicht einmal spezifisch pyrrhonische, sondern vielmehr die Ansicht des DEMOKRIT vom höchsten Gut angeeignet hat, das er in der Autarkie oder in der Genügsamkeit und Freiheit von Leidenschaften gefunden hat; so THEODORUS, der Kyrenaiker, der sich zur besseren Begründung des Hedonismus seiner Schule die Skepsis PYRRHOs völlig zueigen machte, ja sie, wie es scheint, durch die allerdings auch bei METRODOR vorhandene Bemerkung, daß wir nicht einmal wissen könnten, ob es außer unseren subjektiven Zuständen überhaupt etwas gibt, sogar noch überboten hat; so ein gewisser EURYLOCHUS, der uns als ein äußerst heftiger Gegner der Dogmatiker bezeichnet wird und auch selbst wieder einen Schülerkreis um sich gesammelt zu haben scheint, dem aber bei seinem Streben nach der pyrrhonischen Adiaphorie sein aufbrausendes Temperament unüberwindliche Schwierigkeiten gemacht haben soll, ferner der einsam grübelnde und sich von philosophischen Disputen fernhaltende PHILO, und endlich, als der bedeutendste von ihnen, TIMON. TIMON wurde zwischen 330 und 320 in Phlius als Sohn des TIMARCHUS einäugig geboren. Früh verwaist erwarb er sich zuerst als Chortänzer seinen Lebensunterhalt, begab sich später, dieses Gewerbes überdrüssig, nach Megara zu STILPO, kehrte aber, nachdem er sich dort eine Weile aufgehalten hatte, nach Phlius zurück und verheiratete sich. Hier traf er dann am Tempel des AMPHIARAOS zufällig mit PYRRHO zusammen, der auf der Reise nach Delphi begriffen war, und ließ sich mit ihm in eine Unterhaltung ein. Diese machte einen so gewaltigen Eindruck auf ihn, daß er sich entschloß, mit seiner Frau nach Elis zu gehen, um den Verkehr mit PYRRHO als dessen Schüler fortsetzen zu können. An diesem Ort muß er sich nun eine ziemlich lange Zeit aufgehalten haben, da hier seine beiden Söhne geboren wurden und auch noch während seiner Anwesenheit aufgewachsen sind. Hier wird er sich auch jene umfassende und eingehende Kenntnis aller früheren und gleichzeitigen Philosophen angeeignet haben, von den seine Sillen [Spottgedichte - wp] Zeugnis ablegen. Schließlich aber sah er sich aus Nahrungssorgen gezwungen, Elis zu verlassen, übertrug seinem ältesten Sohn die Sorge für sein Hauswesen und wandte sich als Sophist nach dem Hellespont und der Propontis, wo er vor allem in Chalcedon mit großem Erfolg tätig war. In dieser Zeit scheint er auch nach Byzanz gekommen zu sein und dort die Bekanntschaft des Tragikers HOMER gemacht zu haben, mit dem ihn seine Neigung zur Poesie eine enge Freundschaft schließen ließ, die ihn sogar zu einer eigenen Produktion veranlaßte, sei es nun, daß er befreundeten Dichtern Pläne und Stoffe an die Hand gab, sei es, daß er selbst auch zu ihrer Ausarbeitung geschritten ist. Auch dem Dichter ARATUS, den er am Hof des ANTIGONUS GONATUS kennenlernte, ist er näher getreten; ja, dieser ARATUS soll sogar sein Schüler gewesen sein und ihn, der als Pyrrhonäer ein tüchtiger HOMER-Kenner war, für die von ihm geplante HOMER-Ausgabe nicht vergeblich um Rat gefragt haben. Und endlich wird noch der Aetoler ALEXANDER unter seinen näheren Bekannten genannt, mit dem er ebenfalls am mazedonischen Hof oder aber in Alexandria zusammengekommen sein muß. - Durch seine Tätigkeit als Sophist gelant es ihm nun, sich ein größeres Vermögen zu erwerben, das ihm gestattete, um das Jahr 275 nach Athen zu gehen, wo er, von einem kurzen Aufenthalt in Theben abgesehen, den Rest seines Lebens in besonders enger Verbindung mit dem Rhetor ZOPYRUS zubrachte und, 90 Jahre alt, zwischen 240 und 230 gestorben ist. In ihm haben wir nun, wie gesagt, den bedeutendsten Schüler PYRRHOs zu sehen, denjenigen, der die prinzipielle Wichtigkeit der pyrrhonischen Philosophie am schärfsten erkannte, und sich daher auch am glühendsten für den Lehrer zu begeistern vermochte, so sehr, daß er ihn weit über alle anderen Philosophen stellt und ihn sogar mit der Sonne verglichen hat, weil er ebenso wie diese den Menschen ein Führer und Erleuchter auf ihrem Lebenspfad ist. Und darum machte er es sich geradezu zur Lebensaufgabe, die pyrrhonische Philosophie schriftlich darzustellen und als ihr Prophet aufzutreten, und so weit ging er in der Verehrung seines Meisters, daß er, ein zweiter PLATO, selbst die äußere Form der pyrrhonischen Ausführungen nachahmte und seine Werke bald dialogisch, bald in fortlaufender Rede abfaßte. Und so tritt uns die pyrrhonische Philosophie bei TIMON in folgender, durch die schriftliche Darstellung notwendig gewordener, systematischer, im Einzelnen aber nur wenig geänderter Gestalt entgegen. Das Streben des Menschen geht in letzter Linie auf die Glückseligkeit d. h. auf ein in ungestörter Ruhe und Heiterkeit hingebrachtes Leben. Das kann man aber nur erreichen, wenn man folgende drei Fragen beachtet: wie die Dinge von Natur beschaffen sind, wie wir uns zu ihnen verhalten müssen, und welches Resultat für uns aus diesem Verhalten hervorgeht. Von diesen Fragen nun beantwortete TIMON die erste genau so wie PYRRHO, indem er auf der einen Seite erklärte, daß die skeptische, alle Seiten ins Auge fassende Betrachtung der metaphysischen Probleme auf ein Gleichgewicht der für und gegen eine bestimmte Entscheidung sprechenden Gründe führt, und uns dadurch zwingt, die Unerkennbarkeit der Dinge-ansich einzugestehen, und auf der anderen Seite ebenfalls auf die alleinige Erkennbarkeit der subjektiven Zustände hingewiesen hat, wenn ihn auch sein Streben nach systematischer Klarheit insofern über PYRRHO hinausführte, als er diesen Hinweis zu einer eingehenden Untersuchung über die Glaubwürdigkeit der Kriterien ausgestaltet hat, und zunächst sowohl mit Rücksicht auf die Sinne, als auch mit Rücksicht auf den Verstand gezeigt hat, daß sie uns immer nur ihre eigenen Zustände erkennen lassen, als Kriterien des wahrhaft Seienden aber nicht zu gebrauchen sind, um sodann auf beide Überlegungen gestützt auch die Möglichkeit zurückzuweisen, in ihrer Kombination das Kriterium der Wahrheit zu erblicken, indem er erklärte, daß, wenn zwei Betrüger zusammenwirken, auch das Ergebnis nichts anderes sein kann, als Betrug. Aus dieser skeptischen Überlegung ergab sich dann aber als Antwort auf die zweite Frage, die unser Verhalten zu den Dingen betrifft, die Konsequenz, daß wir wegen des Fehlens jeder Möglichkeit, in begründeter Weise irgendeine dogmatische Stellung einzunehmen, keiner These zustimmen dürfen, sondern hinsichtlich der Dinge-ansich durchaus "ohne Meinung" zu bleiben und uns innerlich jeder Entscheidung über sie zu enthalten haben. Und hieraus folgte dann auch die Beantwortung der dritten Frage. Denn wenn wir den Dingen durchaus zurückhaltend gegenüberstehen müssen, so wird der nächste Erfolg für uns der sein, daß wir auf jede Äußerung über sie, ja überhaupt auf alle das wahrhaft Seiende angehende Untersuchung Verzicht leisten müssen. Und von hieraus unterzog er nun, auch darin sachlich kaum erheblich von PYRRHO abweichend, auf der einen Seite alle früheren und gleichzeitigen Philosophen in den Sillen einer scharfen Kritik, die zwar bei einigen von ihnen zumindest Ansätze der skeptischen Denkart findet, wie bei XENOPHANES, dem die Sillen sogar zugeeignet sind, in seinem bekannten Ausspruch über das Wissen, bei PARMENIDES in seinem Angriff auf die Glaubwürdigkeit der Sinne, bei ZENO in seiner sowohl gegen These als auch gegen Antithese gerichteten Dialektik, ja auch bei MELISSUS, der wenigstens von den meisten Einbildungen der Dogmatiker frei gewesen ist, bei PROTAGORAS ferner in seinem aus umsichtiger Betrachtung gewonnenen Satz über die Existenz und das Wesen der Götter, bei DEMOKRIT zweifellos in seiner ablehnenden Stellung zur Glaubwürdigkeit der Sinne und seiner zumindest stark an die Skepsis anklingenden Äußerungen über das Erkennen, die ihm das Lob eines allseitig erwägenden Denkers eintragen, selbst bei SOKRATES in seiner Ablehnung der naturphilosophischen Untersuchungen und seiner Beschränkung auf die Ethik, und endlich auch bei ARKESILAUS, dem er allerdings erst, nachdem er gestorben war, geradezu den Ehrennamen eines Skeptikers beigelegt hat, - ihnen aber trotzdem insgesamt - auch die genannten sind davon nicht ausgenommen - ihren ewigen Streit, ihre Neigung zu leeren Einbildungen und ihre wissensgierige Vielgeschäftigkeit vorwirft, und erst in PYRRHO den von allen dogmatischen Einbildungen und daher auch von allen Affekten befreiten wahren Weise sieht - auf der anderen Seite aber suchte er auch durch prinzipielle Erörterungen der einzelnen dogmatischen Disziplinen ihre Unhaltbarkeit und Sinnlosigkeit zu zeigen. Dabei scheint er jedoch nur die Naturphilosophie in einer besonderen Schrift behandelt zu haben, in der er ihr auf methodischem Gebiet die Berechtigung zur Verwendung von Hypothesen bestritten hat, während er ihr sachlich die Bemerkung entgegenhielt, daß schon ihre prinzipiellen Annahmen, wie das Entstehen und Vergehen, die qualitative und quantitative Veränderung, die räumliche Bewegung und dgl. vom Verstand für unmöglich erklärt werden müßten, da es undenkbar ist, daß sie als teilbare in unteilbarer Zeit - von der Art ist aber die allein wirkliche Zeit, die Gegenwart - vor sich gehen. Die Ethik dagegen scheint er nur im Zusammenhang allgemeiner Ausführungen berührt und dabei auf die rein konventionelle Bedeutung der grundlegenden Begriffe Gut und Übel und den nur positiven Wert der Gesetze hingewiesen zu haben. Und dasselbe gilt für die Philologie, der er sich neben den philosophischen Disziplinen ebenfalls zuwandete, um zu betonen, daß sie nur inofern einen Wert besitzen, als sie durch die Unterweisung im Lesen und Schreiben für das Leben von Nutzen ist, nicht aber insofern, als sie sich in dogmatisch-wissenschaftlicher Weise mit der Frage beschäftigt, welche Buchstaben von Natur VOKALE sind und welche Konsonanten, welche kurz und welche lang sind und anderes mehr. Derselbe Grund, der Nutzen für das Leben, scheint ihm dann aber auch eine gewisse Schätzung der, übrigens als Helferin des Leibes schon von DEMOKRIT der Philosophie als Helferin der Seele beigeordneten, Medizin gestattet zu haben, da er in ihr seinen ältesten Sohn entweder selbst unterrichtet hat oder von anderen unterrichten ließ. Aus dieser völligen Ablehnung aller Dinge-ansich betreffenden Äußerungen und Untersuchungen, die sich als das nächste Resultat des durch die Unerkennbarkeit der Dinge verursachten inneren Zustandes der Zurückhaltung ergab, und damit in letzter Linie aus dieser Zurückhaltung selbst, sollte dann aber weiterhin die Glückseligkeit hervorgehen. Sie folgt dem Endergebnis der skeptischen Erwägungen, wie es bei TIMON heißt, wie der Schatten dem Körper, und daher konnte auch dieses Endergebnis selbst, trotzdem nach skeptischer Ansicht im Grunde die Glückseligkeit das Ziel des menschlichen Strebens bildet, mit einem gerade jetzt durch die stoische Schule in den Mittelpunkt der ethischen Betrachtungen gerückten Terminus, und schwerlich ohne Zusammenhang mit dieser Tatsache, als letztes Ziel (telos) bezeichnet werden. Wer glücklich werden will, muß sich vor allen Dingen auf den Standpunkt der epoche erheben; mit diesem Standpunkt ist dann aber die Glückseligkeit auch ohne weiteres gegeben. Denn wer sich jeder Entscheidung über das Wesen der Dinge enthält, wer insbesondere die Auffassung, daß etwas von Natur ein Gut oder ein Übel ist, fallen läßt, der wird weder von der wissensgierigen Ruhelosigkeit und der hochmütigen Einbildung der Dogmatiker belästigt sein, noch auch von all jenen Affekten heimgesucht werden, die mit dem Dogmatismus, und zwar ganz besonders mit dem ethischen Dogmatismus, unzertrennlich verbunden sind, und zu denen als der erste von allen die Begierde gehört; der wird daher wahrhaft frei von nebelhaftem Dünkel wie auch von Furcht und Begierde in voller Glückseligkeit sein Leben hinbringen. Für die zum Leben nötige praktische Tätigkeit aber, der sich auch der Skeptiker nicht entziehen kann, wird er, wie TIMON auf den Einwurf der Dogmatiker, daß der skeptische Philosoph durch seine Lehre das ganze Leben unmöglich macht, weil er alles aufhebt, woraus das Leben besteht, mit aller Ruhe erwidert, in den Erscheinungen und, wo diese nicht ausreichen, in der Gewohnheit ein völlig ausreichendes Kriterium zu besitzen. Auch für TIMON hatte diese Philosophie nicht nur theoretische Bedeutung, sondern war ihm Lebenssache. Und so wir uns auch von ihm manches berichtet haben, was von seiner mit Hilfe der skeptischen Philosophie gewonnenen Adiaphorie Zeugnis ablegt. Dahin gehört es, wenn er sich seiner Einäugigkeit wegen selbst Zyklop nannte, wenn er seine poetischen Werke überall herumliegen ließ, so daß sie die Mäuse benagten, oder so in Unordnung gerieten, daß er ihren Anfang nicht wiederfinden konnte und anderes mehr. Aber doch hat auch er sein Ziel durchaus nicht erreicht. Denn gegen Störungen beim Arbeiten war er ungemein empfindlich und wird nicht zuletzt aus diesem Grund mit seiner Neigung zu fröhlichen Gelagen zugleich eine starke Vorliebe für die Einsamkeit, die ihm ein ruhiges Nachdenken über die ihn bewegenden Fragen gestattet hat, verbunden haben. Aber trotz seiner Neigung zum Alleinsein sammelte sich auch um ihn ein nicht kleiner Schülerkreis, zu dem der ebenfalls einäugige DIOSCURIDES aus Zypern, ferner NICOLOCHUS aus Rhodos, sowie EUPHRANOR, SELEUKUS und PRAYLUS aus Troas gehörten, wobei letzterer zugleich ein Bekannter des LAKIDES gewesen zu sein scheint. Von ihnen ist uns indessen, abgesehen von der Erzählung, daß sich PRAYLUS ungerecht verurteilt von seinen Mitbürgern ans Kreuz hat schlagen lassen, ohne sie in echt skeptischer Adiaphorie auch nur eines Wortes zu würdigen, nur bekannt, daß EUPHRANOR TIMONs Nachfolger im Scholarchat [als Schuloberhaupt - wp] wurde. Jedoch kann die philosophische Bedeutung dieser Schule, die übrigens ihren Sitz nicht mehr in Athen behalten, sondern ihn nach Alexandria verlegt zu haben scheint, nicht gerader erheblich gewesen zu sein, ja es wird uns durch einige Anzeichen sogar die Vermutung recht nahe gelegt, daß die pyrrhonische Skepsis mit EUPHRANOR überhaupt aufgehört hat, philosophisch tätig zu sein, und es vorgezogen hat, sich mit der nicht lange vorher und wahrscheinlich schon unter dem Einfluß der Skepsis entstandenen empirischen Ärzteschule zu verbinden und sich darauf zu beschränken, diese mit ihren Prinzipien zu durchtränken. Die Skepis als philosophische Richtung dagegen wurde von der Akademie, in die sie noch zu Lebzeiten TIMONs Eingang gefunden hatte, gepflegt und fortgebildet. Derjenige aber, welcher diese Schule vom Dogmatismus zum Skeptizismus hinübergeführt hatte, war TIMONs Bekannter und Altersgenosse ARKESILAUS. ![]() |