cr-4Hamann und HerderHerder und die SpracheSprachkritischer Protestantismus    
 
SIEGFRIED J. SCHMIDT
Die Sprache als Werkzeug der Wissenschaften
bei Johann Gottfried Herder


Unsere arme Vernunft ist nur eine bezeichnende Rechnerin...

Versucht man, die theoretische Position HERDERs im Hinblick auf das hier behandelte Problem des Zusammenhangs von Sprache und Denken historisch einzuordnen, so läßt sich sagen, daß er einen bedeutenden Platz in der mit HAMANN beginnenden organisch -anthropologischen Betrachtungsweise der Sprache einnimmt. Hinzu kommt seine Bemühung um eine Beschreibung der transzendentalen Bedeutung der Sprache, um eine sprachphilosophische Fassung der transzendentalphilosophischen Fundamentalproblematik,  d.h. philosophiehistorisch gesehen um eine Auseinandersetzung mit KANT.

Es gehört nicht in den Rahmen dieser Untersuchung, geistesgeschichtlich vollständig die Einflüsse, Parallelen oder Kontroversen anzuführen, die HERDERs Sprachphilosophie beeinflußt haben oder die sie ihrerseits ausgelöst hat. Hier kommt es darauf an, aus den vorliegenden Bemerkungen die Grundlinien der Argumentation, die Strukturen der Beschreibung herauszulösen, um zu sehen, auf welche Art HERDER Sprache (und die mit ihr zusammenhängenden Fragen) charakterisiert, welcher Typ von Deskriptionsmodell hier abgehoben werden kann.


Die Ansätze zu einer allgemeinen Charakterisierung der Sprache
im Zusammenhang mit der Sprachursprungstheorie


HERDERs "Abhandlung über den Ursprung der Sprache" unterscheidet sich von ihren Vorläufern dadurch, daß hier versucht wird, den Punkt des Übergangs von ausgestoßenen Lauten zu artikulierten Lauten (vom Schrei zum Wort) als Ursprung der Vernunft, des Menschlichen am Menschen, zu bestimmen. Indem HERDER so von vornherein die Sprache in engsten Zusammenhang mit der Vernunft setzt, erreicht er ein Niveau über der einzelwissenschaftlichen (physiologischen) Fragestellung, das ihn vor linearen Vereinfachungen weitgehend bewahrt.

HERDER geht aus von der Bedeutung der Atembewegungen für jeden tierischen Organismus. Jede starke Gefühlsbewegung drängt auf eine (meist parallele) Ausdrucksbewegung im Schrei, Seufzen, Stöhnen etc., wobei diesen unartikulierten Schalläußerungen keine intentionale  Mitteilungs funktion zukommen muß. Sie sind primäre Bestandteile des Schmerz benehmens , die HERDER - mit einem in dieser Schrift noch sehr weit gefaßten Sprachbegriff - schon  Sprache  nennt, genauer: "Tonarten" der verschiedenen "Gattungen von Fühlbarkeit in unserer Natur". Diese expressiven Lautungen sind nun zwar nicht die "eigentlichen Wurzeln, aber die Säfte, die die Wurzeln der Sprache beleben". Gerade die altertümlichen Sprachen enthalten "in den Wurzeln ihrer Nominum und Verborum wie viel aufgefangene Reste dieser Töne!"

Erscheinungsweise und Funktion der Sprache im engen Sinne, d.h. menschlicher Sprache, läßt sich aber von der Expressiv-Lautung her nicht erklären, da auf diesem Level der  qualitative  Sprung vom Schrei zum Wort (als grammatisch- semantischer Einheit) nicht erklärt werden kann.

Untersucht man die HERDERsche Charakterisierung des Spezifischen der Sprache genauer, zeigen sich darin die Grundzüge (Modellcharaktere) seiner gesamten Sprachtheorie. Dazu der Wortlaut:
    "Alle Tiere bis auf den stummen Fisch tönen ihre Empfindungen; deswegen aber hat doch kein Tier, selbst nicht das vollkommenste, den geringsten, eigentlichen Anfang zu einer menschlichen Sprache. Man bilde und verfeinere und organisiere dies Geschrei wie man wolle: wenn kein Verstand dazu kommt, diesen Ton mit Absicht zu brauchen, so sehe ich nicht, wie nach dem vorigen Naturgesetze je menschliche, willkürliche Sprache werde?"
Mensch und Tier sind durch einen qualitativen Sprung voneinander getrennt, durch die Sprache. Der Grund hierfür liegt nicht darin, daß menschliche Laute artikuliert sind, sondern darin, daß die beobachtbare Artikulation Resultat und Ausdruck eines  willkürlichen  Aktes ist, dem eine Verwendungsintention, eine gerichtete Absicht, voraufgeht. Mit anderen Worten: menschliche Sprache kann zureichend nur über willkürlich bewußte Handhabung und deren Konsequenzen beschrieben werden, sie setzt nicht nur einen fühlenden Mechanismus voraus, sondern ein Dispositions- und Gebrauchssteuerungszentrum (Dispositionspotenz), mit HERDERschen Termini:  Besonnenheit  und  Verstand .

Alle Aussagen HERDERs über Sprache sind von der grundlegenden Einsicht geleitet, daß Sprache das menschliche Kriterium schlechthin darstellt, woraus schon im Ansatz (die Definition des Menschen als  ens rationale  vorausgesetzt) eine  notwendige  Zuordnung von Sprache und Vernunft folgt.


Artikulation und Besonnenheit

Die Artikulation setzt bestimmte physiologische und anatomischen Bildungen bei den Sprachwerkzeugen voraus, zudem ein Medium, daß von seiner physikalischen Beschaffenheit her eine deutliche Segmentierung erlaubt. Dieses Medium kann nach HERDER nur der Schall, der Ton sein, das entsprechende Organ das Gehör.

HERDERs Beschreibung des Zusammenhangs zwischen dem Gehör als  mittlerem Sinn  und der Sprache zeigt deutlich, daß alle Aussagen über Sprache sich über der als sicher angenommenen These der unlösbaren Verbindung von Sprache und Vernunft entwickeln.

Sprache ist zwar nicht aus Interjektion und Expressivlautung zu erklären, bleibt aber auch in ihrer artikulierten Form "noch immer eine Gattung Gesang". Repräsentative und kommunikative Funktion gewinnt ein Laut aber erst dadurch, daß ihn ein "besonnenes Geschöpf" als  Merkmal  (= in Zeichenfunktion) (Kennzeichen) gebraucht, indem es aus der Fülle sinnlicher Eindrücke, die Gegenstände in ihm erregen, den  akustischen  Eindruck auswählt, da dieser - im Unterschied zu der kaum gliederbaren Menge optischer oder gefühlsmäßiger Reize - leicht und dauernd rezipierbar und vor allem reproduzierbar ist; denn das Gehör ist in Bezug auf die "Sphären der Empfindbarkeit", die "Deutlichkeit und Klarheit", die "Lebhaftigkeit", die Zeit etc., der "mittlere der menschlichen Sinne" "und also wiederum Sinn zur Sprache".

Imitierbare und distinkt wahrnehmbare Laute waren nach HERDER naturgemäß die ersten Kennzeichen. Wie aber fand der Mensch "eine Sprache, wo ihm kein Ton vertönte"? Wie fand er Lautmerkmale etwa für optische Eindrücke oder Gefühlsregungen?

Zur Beantwortung dieser Frage, an der alle onomatopoetischen (lautmalenden) Wortbildungstheorien scheitern, nimmt HERDER ein Ergebnis der LOCKEschen Theorie in Anspruch, daß nämlich die Gegenstände nur als sinnliche Erscheinungen im Menschen vorhanden sind, d.h. die "Eigenschaften in den Gegenständen" "bloß sinnliche Empfindungen in uns" darstellen und als solche "in eins" fließen.

Das bedeutet: "wir sind ein denkendes  sensorium commune , nur von verschiedenen Seiten berührt". Die einzelnen Sinne hängen so zusammen, daß ihre Sensationen ineinander übergehen können. "Die Seele, die im Gedränge solcher zusammenströmenden Empfindungen und in dem Bedürfnis war, ein Wort zu schaffen, griff und bekam vieleicht das Wort eines nachbarlichen Sinns, dessen Gefühl mit diesem zusammenfloß - so wurden für alle und selbst für den kältesten Sinnn Worte." Auf diese Art gewinnt jeder Sinn (d.h. jede "Gefühlsart einer Seele") unmittelbar seinen Laut. Sprechenlernen heißt demnach "tönen, sowohl was" man "sieht, als was" man "fühlte".

Konsequenterweise sind nach dieser Theorie "tönende Verba" die ersten "Machtelemente", malende Nachahmungen, "sie lassen das Wesen und die Beschaffenheit der Sache im Klang hören; sie sind im lebendigen Anschauen derselben gebildet...". Unmittelbar bezeichnet wurden die Handlungen; erst auf Grund eines Abstraktionsprozesses entwickelten sich aus diesen Verben Nomina.

Diese Ansätze zur Erklärung der Wurzelbildung bleiben unklare Spekulation, wenn nicht die erkenntnistheoretische Voraussetzung der HERDERschen Sprachtheorie als Formans der Charakterisierung mitgesehen wird. Denn wie erklärt es sich sonst, daß ein akustisches Phänomen - durch welche Sinneskorrespondenzen es auch immer entstanden sein mag - repräsentative Funktion, Bedeutungs-Funktion überhaupt gewinnen?

Als Kriterium des Menschen gilt HERDER die Vernunftmäßigkeit und  Besonnenheit , die er bestimmt als "die gänzliche Bestimmung seiner denkenden Kraft im Verhältnis seiner Sinnlichkeit und Triebe".

Die Vernunft beschreibt HERDER als "Richtung aller Kräfte", d.h. als Vermögen, die sinnlichen Kräfte in ihrem triebhaften Durcheinander zu unterscheiden, zu unterdrücken und zu überschauen, wodurch ein freierer "Besinnungskreis ermöglicht wird und zugleich die dem Tier eigene instinktmäßige Beschränkung auf einen engen Kreis von Bedürfnissen aufgehoben wird.

Der Mensch ist ein  reflektierendes  Geschöpf, "dessen positive Kraft sich in größerem Raume, nach feinerer Organisation, heller äußerte; das abgetrennt und frei nicht bloß erkennt, will und wirkt, sondern auch weiß, daß es erkenne, wolle und wirke".

Der Reflex dieses  Patterns  in den sprachcharakteristischen Aussagen liegt auf der Hand: Absichtlichkeit in der Verwendung, Artikulation in der Hervorbringung, Willkürlichkeit und Bewußtsein sich ihrer zu bedienen. Grundlage der Absichtlichkeit ist die Entfaltungskraft "in größerem Raume", die Fähigkeit zu wollen und bewußt zu wirken; Grundlage der Artikulation ist die "feinere Organisation", das Vermögen, sich "heller" zu äußern, die Kraft, willkürliche Äußerungen hervorzubringen und sich dessen bewußt zu sein.

Damit wird die grundsätzliche HERDERsche Voraussetzung explizit gemacht, daß sinnvolle Äußerungen über Sprachliches, die dem sinnlich-geistigen Charakter der Sprache Rechnung tragen, von der (letztlich nicht mehr auflösbaren, für HERDER evidenten) Voraussetzung ausgehen müssen, daß  Mensch  und  Vernunftmäßigkeit  (Besonnenheit) konvertierbare Begriffe sind, daß sie nur als gesichtspunktbedingte Aspekte der Analyse ein und derselben komplexen Gesamtheit  Besonnenheit  zu fassen sind; denn wäre der Mensch als Mensch "einen einzigen Augenblick ohne Vernunft, so sähe ich nicht, wie er je in seinem Leben mit Vernunft denken könne..."


Herders Sprachbildungstheorie

Von der bis jetzt entwickelten Position aus wird es möglich, die HERDERsche Sprachbildungstheorie genauer zu beschreiben.

Die Anlage zu Besinnung ermöglicht es dem Menschen, "Reflexion" zu beweisen, d.h. bei HERDER, sich in dem "Ocean der Empfindungen" der seine "Sinne durchrauscht", selektiv, sistierend (festhaltend) und insofern konstitutiv- produktiv zu verhalten; er besitzt in ihr die Fähigkeit, den  Bewußtseins - strom  "anzuhalten", die "Aufmerksamkeit" auf ein Phänomen, eine Sensation zu "richten" und sich diesen Vorgang insgesamt bewußt zu halten, wobei Aufmerken und Selbstreflexion funktional aufeinander bezogen sind.

Mit anderen Worten der Mensch beweist Besinnung, "wenn er aus dem ganzen schwebenden Traum der Bilder, die seine Sinne vorbeistreichen, sich ein Moment des Wachens sammeln, auf einem Bild freiwillig verweilen, es in helle, ruhigere Obacht nehmen und sich Merkmale absondern kann, daß dies der Gegenstand und kein andrer sei". Reflexion meint nicht nur Erkennen, sondern zugleich Anerkennen einer an einem Gegenstand als repräsentativ ausgemachten Eigenschaft: sie verwirklicht sich als "Urteil der Seele" in Merkmalen der Besinnung (als "zweite Reflexion").

Mit anderen Worten die Anlage zur Reflexion realisiert sich in willkürlichen Akten, die den Strom der Sensation sistieren (festhalten), durch Konzentration und intentionale Ausrichtung einen Gegenstand durch Ablösen eines Merkmals und dessen Festhalten als solchen feststellen und damit die Möglichkeit gewinnen, sowohl Gegenstände, als auch den eigenen Prozeß der Gegenstands- Feststellung als Ob-ject (als Gesetztes) zu realisieren, d.h. zu reflektieren - wenn der Prozeß seinerseits wieder gliederbar wird durch "innerliche Merkworte".

Erst die Verbindung der Kennzeichnungs- und Merkmalsgewinnung mit der Besinnung auf die Repräsentationsfähigkeit des in Laute umgesetzten Merkmals charakterisiert nach HERDER einen artikulierten Laut als semantisches (in Funktion anerkanntes) Gebilde, als Name. Mit diesem Ergebnis läßt sich zugleich auch die Ausgangsfrage nach dem Ursprung der Sprache im Prinzip beantworten: Sprache ist eine  notwendig  menschliche Erfindung; "Erfindung der Sprache ist" dem Menschen "so natürlich, als er ein Mensch ist!"


Artikulation und Ausdruck

Nachdem das Schema der Sprachbildung als synchrones Moment der Bewußtseinsbildung entwickelt ist, lassen sich die Beschreibungen einzelner sprachlicher Erscheinungen und Formungen in diesen Zusammenhang einfügen.

Der produktive Gedanke der HERDERschen Sprachphilosophie liegt darin, daß Vernunft und Sprache  artikulieren , genauer: daß beide zu beschreiben sind als die Fähigkeit, gegliederte, distinkte, überschaubare und damit behandelbare Einheiten aus dem Kontinuum der Sensationen auszusondern; Sprache und Vernunft arbeiten mit  Charakterisierungen  (auf der Grundlage der Merkmalsbildung) und  Typisierungen , d.h.  abstraktiv  gemäß einer (organischen) kategorialen Organisation der Sinne und des Verstandes.

Das Wort ist bei HERDER das "lautbare Merkmal" der "inneren Abdrücke der Seele", "der empfangenden Eindrücke typisierender Ausdruck", ein "Metaschematismus tönender Gedankenbilder", wobei die "Artikulationen der Sprache" aufzufassen sind als Abbild der durch die Sinne vermittelten lebendigen inneren "Typen". Dabei wiederholen sich auf der Ebene des lautlichen Ausdrucks die Gliederungsprozesse, die sich auf der Verstandesebene abspielen, bzw. stehen in einem korrelativen und funktionalen Verhältnis dazu.

Gerade die Beobachtung, daß an einem Gegenstand nicht immer der deutlichste Eindruck als Merkmal gewählt wird, zeigt nach HERDER deutlich den Charakter der Sprache als "menschlicher Charakteristik" in Abhängigkeit von einem (nach bestimmten Umständen, Bedürfnissen etc. gewählten) "Gesichtspunkt" des Interesses.

In dieser Formel liegt die Struktur der HERDERschen Beschreibung der Sprache als zweckgebundener intentionaler menschlicher Gliederung der  Welt  zum Zweck der Überschaubarmachung und Aneignung.

Ein zweites Merkmal der Sprache ist ihr  Ausdruckscharakter . "Der bezeichnende Verstand erwies, daß er, gereizt von äußeren Gegenständen, empfindend ihren Eindruck, diesen selbst zum Ausdruck machte" in dem ihm gemäßen Lautmedium. Gemäß der oben entwickelten HERDERschen Theorie wird also jeder empfangene Eindruck transponiert in einen "geistigen Typus. Durch eine Metastasis, die wir nicht begreifen, ist uns der Gegenstand ein Gedanke."

Liest man einen Satz als inhaltliche Erklärung des Übergangs von Gegenstandswahrnehmung zur sprachlich-geistigen Charakterisierung, erscheint er nebulos und dürftig; betrachtet man ihn als phänomenologische Beschreibung dessen, was an diesem Vorgang beobachtbar ist: eben eine Meta-Stasis eines unabgeschlossenen, ungegliederten Eindrucks in einen Typus, d.h. in ein (logisch) geformtes, abgegrenztes und damit wiedererkennbares Element, das durch diese überschaubare Formung präpariert ist für den zweiten Schritt der Umsetzung in eine analog gegliederte Lautäußerung, wobei diese  Vorgänge  nur zu Zwecken der Beschreibung voneinander getrennt werden dürfen.


"...diese Philosophie über die Sprache"

HERDER weist darauf hin, daß in einem früher Zustand der Sprache die Lautäußerungen durch eine lebhafte Mimik unterstützt wurden. "Da gab die große Einstimmung der Gebärden gleichsam den Takt und die Sphäre, wohin es gehörte, und der große Reichtum der Bestimmungen, der im Wörterbuch selbst lag, ersetzte die Kunst der Grammatik" und ermöglichte es, "aus einzelnen Zeichen Zusammenhang zu erraten."

Schon sehr geringfügige Änderungen in der Artikulation modifizierten die semantische Bezüglichkeit der Laute (damit einem "Gesetz der Sparsamkeit" folgend.) Mit der weiteren Entwicklung der Sprache aber wurde eine formale Gliederung der Sprache unumgänglich, die den erweiterten Wortschatz gliederte und durch formale Operationskennzeichen im Gebrauch vielfältiger verwendbar und übersehbarer machte, "in der Sprache Haushaltung einführte".

Mit  Grammatik  bezeichnet HERDER die Kunst der Formalisierung der Zusammenhänge zwischen den Sprachmitteln zum Zweck überschaubarer und zuverlässigerer Gebrauchsregelung.

In der mündlichen Überlieferung, in den Lehr- und Lernprozessen innerhalb der Familie mit ihren ständigen (im Gespräch vollzogenen) Korrekturen gewinnt die Sprache dabei mit der Zeit eine "Form der Kunst, der Methode". Hatte sich die ursprüngliche Gliederung der Sprache als Abdruck der Organisation der menschlichen Seele in den Bahnen einer "natürlichen Logik" entwickelt, wird im erweiterten gesellschaftlichen Sprachbrauchen im Laufe der Zeit diese natürliche Logik durch eine "scharf prüfende Zensur berichtigt" und der Zustand einer allgemein verbindlichen Grammatik hergestellt.

Bezüglich des  Wortmaterials  beschreibt HERDER die Sprache nebeneinander mit "wesentlicher Dürftigkeit" und (etwa hinsichtlich der Fülle von Synonyma) "größtem unnötigen Überfluß", womit (wie der übrige Zusammenhang zeigt) implizite die Klassenhaftigkeit, Situationsanpassungsfähigkeit und Entwicklungsfähigkeit der Sprache zumindest angedeutet sind.
LITERATUR, Siegfried J. Schmidt, Sprache und Denken als sprachphilosophisches Problem von Locke bis Wittgenstein, Den Haag 1968