"Die Täuschung kam daher, daß der betreffende Hypnotiseur entweder sich selbst täuschte, weil er bei seiner Beobachtung wissenschaftlich nicht exakt genug vorging und gar zu leicht etwas für eine ausgemachte Tatsache hielt, wenn es seinem Wunsch entsprach oder von seiner Versuchsperson absichtlich getäuscht wurde. Denn die Personen, von denen man gerade jene außerordentlichen Erscheinungen beobachtet haben wollte, waren Hysterische, welche nach dem übereinstimmenden Urteil der Fachgelehrten einen ganz unglaublichen Hang zur Verstellung und zum Lügen haben und oftmals in Wort oder Werk bloß zu dem Zweck lügen, um zu lügen, ja nach dem derben Wort Dr. Riegers, Psychiater in Würzburg, jeden Augenblick bereit sind, alle Teufel spielen zu lassen."
B. Die hypnotischen Erscheinungen
1. Im allgemeinen
15. Im Gegensatz zur Hypnose versteht man unter hypnotischen Erscheinungen diejenigen Erscheinungen oder Vorgänge, welche die Hypnose nicht bloß begleiten, sondern auch unter ihrem Einfluß zustande kommen, mag man sich nun diesen Einfluß als eine occasio[Gelegenheit - wp] oder eine conditio sine qua non[unbedingte Voraussetzung - wp] zu denken haben. Die eigentliche Ursache der hypnotischen Erscheinungen, ihr Erreger und Erzeuger ist aber, so scheint es wenigstens, wie sich später zeigen wird, die Suggestion, d. h. die Eingebung von Vorstellungen desjenigen, was der Hypnotisierte als solcher leisten soll. Ob ihm die betreffenden Vorstellungen durch das gesprochene Wort beigebracht werden, wie es gewöhnlich geschieht oder durch das geschriebene Wort oder durch ein anderes sinnfälliges Zeichen, durch welches man Vorstellungen erzeugen kann, ist ganz gleichgültig. Wie man hieraus ersieht, ist diese Art von Suggestion von derjenigen, durch welche jemand in Hypnose versetzt wird, dem Wesen nach durchaus nicht verschieden. Will man aber in einem gegebenen Fall dennoch beide von einander unterscheiden, so bezeichnet man die letztere als prä- oder antihypnotisch und erstere als intrahypnotische Suggestion. Diese wird auch kurzweg hypnotische Suggestion genannt und von ihr ist jetzt nur mehr die Rede.
16. Die hypnotische Suggestion teilt man unter verschiedenen Gesichtspunkten verschiedentlich ein. Je nachdem nämlich einem Hypnotisierten etwas ganz Bestimmtes oder etwas Unbestimmtes zu leisten eingegeben wird, spricht man von einer bestimmten oder von einer unbestimmten Suggestion. Wird ihm etwas eingegeben, was er während der Hypnose leisten soll und auch wirklich leistet, so bezeichnet man die Suggestion als Suggestion mit intra-hypnotischer Wirkung. Wenn ihm aber etwas suggeriert wird, was erst nach aufgehobener Hypnose stattfinden soll und tatsächlich stattfindet, so nennt man die Suggestion Suggestion mit posthypnotischer Wirkung; im übrigen gibt man auch diesen beiden Arten, wenngleich unrichtigerweise, die Namen hypnotische und posthypnotische Suggestion. Die posthypnotische Wirkung kann wieder entweder für die Zeit unmittelbar nach dem Aufhören der Hypnose beabsichtigt sein und erfolgen oder für eine spätere, aber genau angegebene Zeit. Im letzteren Fall heißt die Suggestion Suggestion auf Verfallszeit oder auf lange Sicht, auch Termineingebung. Im übrigen hat man zu beachten, daß die posthypnotischen Wirkungen nur mit Bezug auf diejenige Hypnose, in welcher sie eingegeben wurden, posthypnotisch genannt werden und eigentlich auch nur dann, wenn diese Hypnose als ein Ganzes, betrachtet wird. Denn man hält dafür, daß die besagte Hypnose, wenn unmittelbar nach dem Aufhören ihrer Totalität die eingebenen Wirkungen eintreten, teilweise noch fortdauert und daß sie, wenn diese Wirkungen erst nach vollständiger Beendigung derselben eintreten, durch irgendeinen Umstand von neuem hervorgerufen wird, so daß die betreffenden Wirkungen im einen wie im anderen Fall während einer Hypnose erzielt werden und insofern als intrahypnotische oder hypnotische bezeichnet zu werden verdienten.
17. Bevor man nun aber dazu übergehen darf, die hypnotische Erscheinungen im einzelnen aufzuführen und darzustellen, muß noch ein Doppeltes geschehen. Erstens hat man nämlich alle diejenigen Erscheinungen, welche fälschlich mit der Hypnose in Zusammenhang gebracht werden, hier auszuscheiden und zweitens die hypnotischen Erscheinungen, welche als solche wissenschaftlich beglaubtig und verbürgt sind, im Interesse der Übersicht in ihre Arten einzuteilen. Was zuerst die Erscheinungen betrifft, welche irrtümlicherweise zu den hypnotischen Erscheinungen gerechnet werden, so sind es namentlich folgende fünf:
1. Wirkungen der Arzneien aus der Ferne oder durch verschlossene Gläser hindurch;
2. magnetischer Transfer, d. h. Übertragung körperlicher Zustände (Lähmung, Katalepsie, Kontraktur usw.) von einer Person auf eine andere oder von einem Glied auf ein anderes, bei der nämlichen Person (gewöhnlich) mittels eines Magneten;
3. Transposition oder Translokierung einer Sinneswahrnehmung von ihrem eigentlichen Organ auf ein anderes, so daß die betreffende Person z. B. mit den Knien oder Ellenbogen hört und mit den Händen oder Füßen oder mit der Magengrube liest;
4. magnestisches Hellsehen, d. h. Wahrnehmung von Dingen durch undurchsichtige Körper hindurch oder in beliebig großer Entfernung dem Ort oder der Zeit nach, sodaß die betreffende Person z. B. in einem verschlossenen Buch lesen oder dasjenige, was sich gerade im Augenblick bei ihrem Gegenüber abspielt, wahrnehmen oder zukünftige Dinge voraussehen kann;
5. Telepathie, d. h. Fernwirkung von Geist zu Geist oder unmittelbare Übertragung von Gedanken einer Person auf eine andere, sodaß man von der letzteren sagen kann, sie errate die Gedanken der ersten. Im übrigen werden diese fünf Erscheinungen von manchem auch nicht zum Hypnotismus, sondern zum Mesmerismus gerechnet. Daß sie aber von den hypnotischen Erscheinungen, welche hier ganz allein in Betracht kommen, ausgeschlossen werden müssen, hat in dem Umstand seinen hauptsächlichen Grund, daß sie zum größten Teil auf einer Täuschung beruhen, was aufrichtige Hypnotisten auch öffentlich zugeben. Und die Täuschung kam daher, daß der betreffende Hypnotiseur entweder sich selbst täuschte, weil er bei seiner Beobachtung wissenschaftlich nicht exakt genug vorging und gar zu leicht etwas für eine ausgemachte Tatsache hielt, wenn es seinem Wunsch entsprach oder von seiner Versuchsperson absichtlich getäuscht wurde. Denn die Personen, von denen man gerade jene außerordentlichen Erscheinungen beobachtet haben wollte, waren Hysterische, welche nach dem übereinstimmenden Urteil der Fachgelehrten einen ganz unglaublichen Hang zur Verstellung und zum Lügen haben und oftmals in Wort oder Werk bloß zu dem Zweck lügen, um zu lügen, ja nach dem derben Wort Dr. RIEGERs, Psychiater in Würzburg, jeden Augenblick bereit sind, "alle Teufel spielen zu lassen."
18. Sodann wären die hypnotischen Erscheinungen, welche als solche wissenschaftlich beglaubigt und verbürgt sein dürften, in ihre Arten einzuteilen. Aber da zeigt es sich schon gleich, wie wenig aufklärendes Licht über das Wesen dieser merkwürdigen Erscheinungen des Menschenlebens noch bis jetzt verbreitet ist. Denn selbst die Hypnotisten, als die eigentlichen Fachleute, sind bis heute noch nicht imstande, eine Einteilung der hypnotischen Erscheinungen zu treffen, welche von allen als eine regelrechte und sachgemäße betrachtet würde. Dabei sei bemerkt, daß einige derselben in ihrer Einteilung das Wort Hypnose als gleichbedeutend mit Hypnotismus gebrauchen, sodaß in ihm die hypnotischen Erscheinungen mit inbegriffen sind. So unterscheidet, um nur die hauptsächlichsten Einteilungen der hypnotischen Erscheinungen anzuführen, Professor CHARCOT drei Grade der Hypnose, von denen, wie er meint, einer in den anderen nach vor- und nach rückwärts übergeleitet werden könne, nämlich den der Katalepsie oder Starrsucht, den der Lethargie oder Schlafsucht und den des künstlichen Somnambulismus oder Schlafwandels. Es sollen dies die sogenannten klassischen Zustände der "großen" Hypnose sein. Professor FOREL setzt der Zahl nach ebenfalls drei Grade oder Phasen der Hypnose an, aber der Sache nach doch andere, als die CHARCOTschen, nämlich den Grad der Schläfrigkeit oder Somnolenz, den des leichten Schlafes oder der Hypotaxie [mittlere Trance-Stufe - wp] und den des tiefen Schlafes oder des Somnambulismus. Dr. LIÉBEAULT nimmt scheinbar nur zwei Arten der Hypnose an, den leichten und den tiefen oder somnambulen Schlaf, läßt dafür aber wieder den tiefen Schlaf zwei und den leichten Schlaf vier Abstufungen umfassen, so daß es nach ihm eigentlich noch sechs Grade der Hypnose gibt. Professor BERNHEIM will sogar neun Grade der Hypnose unterschieden haben, welche er allerdings nachträglich in zwei Klassen zusammenfaßt. Im Gegensatz dazu stellen andere wirklich nur zwei Grade oder Stadien der Hypnose auf. So z. B. Professor KRAFFT-EBING die beiden "Gradstufen" der Schlaftrunkenheit und des Schlafes und der Psychologe MAX DESSOIR in Berlin, dem Dr. MOLL beipflichtet, zwei Gruppen hypnotischer Zustände, von denen sichdie erstere nur in Veränderungen der willkürlichen Bewegungen und die zweite dazu auch noch in Veränderungen der Sinnestätigkeiten kundgeben soll.
19. Alle diese Einteilungen, die von DESSOIR allenfalls ausgenommen, leiden an den gemeinsamen Fehlern, daß einerseits die Einteilungsglieder gegeneinander nicht fest abgegrenzt sind, sondern allmähliche Übergänge zwischen sich aufweisen und daß andererseits die angegebene Beschreibung der Einteilungsglieder höchstens für die Mehrzahl der beobachteten Fälle paßt, eine allgemeine Gültigkeit aber keineswegs beanspruchen kann. Das geben diejenigen, welche die Urheber der angeführten Einteilungen sind, auch selbst zu. Fast jeder von ihnen verwirft daher die Einteilung der anderen, um dann entweder den Versuch zu einer neuen Einteilung zu machen oder aber ausdrücklichermaßen auf eine strenge und eigentlich so zu nennende Einteilung der hypnotischen Zustände zu verzichten. Was sodann die von DESSOIR aufgestellte Einteilung der hypnotischen Erscheinungen betrifft, so ist sie freilich an sich genommen nicht ganz unrichtig, weil ja die beiden angeführten Gebiete, auf denen die hypnotischen Erscheinungen spielen sollen, tatsächlich von einander verschieden, ja sogar geschieden sind. Trotz allem entspricht auch sie noch nicht genau den Regeln, von welchen die Wissenschaft die Richtigkeit einer Einteilung abhängig macht. Denn sie ist auf der einen Stufe unvollständig und auf der anderen rein äußerlich; unvollständig besonders deshalb, weil sie die hypnotischen Zustände, welche sich in Veränderungen des vegetativen und geistigen Lebens manifestieren, nicht in sich begreift und rein äußerlich, weil sie die hypnotischen Zustände, die letztgenannten Arten derselben mitgerechnet, aufgrund der verschiedenen Lebenskreise zergliedert, welche während der Hypnose in Mitleidenschaft gezogen werden, einen Einblick in das innere Wesen der Hypnose und des Hypnotismus also nicht gewährt. Da indessen beim heutigen Stand der Wissenschaft nicht möglich ist, eine bessere Einteilung der hypnotischen Erscheinungen, als die zuletzt erwähnte, zu liefern, so muß man sich für einstweilen mit ihr begnügen, unterstellt freilich, daß sie um die fehlenden Glieder vervollständigt wird.
2. Die hypnotischen Erscheinungen im besonderen
a) auf vegetativem Gebiet
20. Vor allem gehören hierher die Zu- und Abnahme der Körpertemperatur, des Appetits, der Verdauung, des Stoffwechsels und der Stoffausscheidung. Wiederholt hat man die Beobachtung gemacht, daß bei Hypnotisierten durch eingebene Vorstellungen die Temperatur des Körpers beliebig geändert und in Verbindung damit sogenannte Gänsehaut hervorgerufen, der Appetit angeregt, der normale Stoffwechsel verschiedenartig geändert, dauernde Verstopfungen und Diarrhöen, die nicht auf Entzündungen beruhen geheilt und Verdauungsstörungen behoben wurden. Einen ganz merkwürdigen Fall von letzterer Art berichtet Dr. MURELL, Professor an der medizinischen Schule des Krankenhauses zu Westminster.
"Ich stellte", so sagt er, "an einen amerikanischen Hypnotiseur die Frage: Wenn Sie dem Mann (der bis dahin als Versuchsperson gedient hatte, während der Hypnose) ein Brechmittel geben und ihm einreden, daß es Wein sei, wird es dennoch seine brechenerregende Wirkung haben? Da der Amerikaner es nicht zu sagen wußte, so bat ich ihn, den Versuch zu machen. Derselbe hypnotisiert also den Mann und überreichte ihm dann das Brechmittel mit der Vorgabe, es sei Sherry. Der Mann trank es. Zu meinem Erstaunen zeigte sich aber bei ihm keine Spur von Gedrücktsein, der Pulsschlag war kräftig, die Haut normal und der Patient, weit entfernt, die gewöhnlichen Zeichen der Übelkeit zu bekunden, war sehr fröhlich, sang die lustigsten Lieder und begleitete sie auf einem Besenstiel. So ging es eine halbe Stunde lang. Dann wünschte ich, daß man ich wecken möchte. Gut, ganz gut, rief der Hypnotiseur, schnalzte mit den Fingern und der Mann kehrte in den normalen Zustand zurück. Fast augenblicklich darauf wurde der Mann totenbleich und fing an heftig zu würgen. Sofort versetzte ihn der Amerikaner wieder in Hypnose und damit verschwanden alle Symptome von Übelkeit."
21. Was hier an zweiter Stelle anzuführen ist, das sind die sogenannten sekretorischen und exsudatorischen Vorgänge, mit anderen Worten die Ausscheidungen und Ausschwitzungen während der Hypnose. An den Hypnotisierten kommt z. B. oft Schweißabsonderung vor, ja sie soll durch Eingebung zweckentsprechender Vorstellungen sogar leicht hervorzurufen wie auch umgekehrt leicht zu hemmen sein; auch Speichel- und Tränenabsonderung läßt sich an Hypnotisierten durch Suggestion bewirken, Tränenabsonderung z. B. durch die dem Hypnotisierten gemachte Vorspiegelung, er rieche Zwiebeln. All das ist schon auffallend genug; was aber noch auffallender ist, das sind die geröteten Anschwellungen der Haut oder die mit Serum gefüllten Epidermisblasen, die sogenannten Brandblasen oder Brandwunden, welche man an bestimmten Stellen der Hautfläche hypnotisierter Menschen mit ganz unwirksamen oder gleichgültigen Mitteln zustande gebracht haben will.
Einer von den Fällen dieser Art ist derjenige, über welchen Professor BEAUNIS zu Nancy in Gegenwart sachverständiger Zeugen, unter ihnen Professor BERNHEIM und Dr. LIÉBEAULT, beide ebenfalls aus Nancy, ein genaues Protokoll aufgenommen und veröffentlicht hat. Am 12. Mai 1885 um 11 Uhr Morgens, so heißt es darin, versetzte ein Apotheker aus Charmes, namens FOCACHON, eine Dame in Hypnose. Während derselben wurden ihr acht Freimarken auf die linke Schulter geklebt unter der Vorgabe, es seien Zugpflaster. Die Freimarken wurden durch Heftpflaster und Kompressen gehalten. In diesem Zustand ließ man sie den ganzen Tag über, nur zweimal, zum Mittag- und Abendessen, wurde sie geweckt, aber man verlor sie nie aus den Augen. Für die Nacht versetzte FOCACHON sie wieder in Hypnose mit der Erklärung, daß sie erst am folgenden Morgen um 7 Uhr erwachen werde. (1) Nach dem Erwachen, ein Viertel nach 8 Uhr, nahm FOCACHON im Beisein der anfänglichen Zeugen den Verband weg. "Wir stellen zuerst fest", heißt es im Protokoll dann weiter, "daß die Freimarken unberührt an der Stelle geblieben sind. Nach ihrer Entfernung bot die Stelle, wo sie gewesen waren, den folgenden Anblick. In einer Ausdehnung von 4 - 5 cm war die Oberhaut verdickt und mürbe, gelblichweiß, aber nicht aufgezogen und sie bildete keine Blasen, sie zeigte sich nur ein wenig runzelig und bot überhaupt alle Merkmale, welche unmittelbar dem eigentlichen Aufziehen und der Entwicklung der Flüssigkeit vorherzugehen pflegen; rund herum zog sich eine stark gerötete Schwellung von etwa 1/4 cm Breite." Um 11 Uhr desselben Morgens war keine weitere Veränderung der Stelle wahrzunehmen, später trat die Eiterung ein.
Ähnliche Fälle erzählt Professor FOREL. Er sagt: "Bei einer Wärterin (der von ihm geleiteten Irrenanstalt) gelang es mir, in kürzester Zeit (wenige Minuten) durch Suggestion und Markierung von kleinen Kreuzen auf dem Vorderarm mit der Spitze eines stumpfen Messers kreuzförmige, Urticaria (Nesselausschlag) ähnliche Quaddeln hervorzurufen. Mehrmals ist es gelungen, durch einfache Suggestion unter einem einfachen Stück Zeitungspapier große, mit Serum gefüllte Epidermisblasen wie durch ein Vesicaus (Zugpflaster) hervorzurufen. Dieses Experiment sah ich sehr schön bei Herrn Dr. MARCEL BRIAND in Villejuif (Paris) gelingen. Sowas gelingt freilich nur bei seltenen Somnambulen.
Auch Professor KRAFFT-EBING berichtet übre Fälle dieser Art. Einmal, so erzählt er, wurde der Versuchsperson, nachdem sie hypnotisiert worden war, mit dem Perkussionshammer ein Kreuz 7 cm lang auf die Haut über dem Bizeps des linken Arms gezeichnet und ihr dann gesagt, daß an derselben Stelle am folgenden Tag um 12 Uhr ein rotes Kreuz erscheinen werden. Um 11 Uhr des folgenden Tages wunderte sich die Person, daß sie am rechten Oberarm eine juckende, abgeschürfte Stelle habe. Und die Untersuchung ergab, daß am rechten Arm an ganz genau derselben Stelle, welche Tags zuvor am linken Arm markiert worden war, ein rotes, 7 cm langes Kreuz mit teilweise durch Kratzen abgeschürfter Fläche zu sehen war.
22. Es gibt aber noch viel auffallendere Ausscheidungen und Ausschwitzungen, welche bei Hypnotisierten durch Eingebung gewisser Vorstellungen erzeugt worden sein sollen. So teilten die Professoren der medizinischen Schule zu Rochefort dem "Verein für Fortschritt der Wissenschaft", der 1885 zu Grenoble versammelt war, folgenden Fall mit:
"Einer der Experimentatoren drückte dem Arm eines hypnotisierten Patienten die Buchstaben seines Names ein und sagte zu ihm: "Diesen Abend um 4 Uhr werden Sie in Schlaf fallen und es wird aus ihrer Haut den von mit gezogenen Linien entlang Blut fließen." Um 4 Uhr schlief der Patient ein, die auf der Haut eingekritzten Linien erschienen tiefer und kleine Tropfen Blut standen auf der Haut."
Dasselbe Experiment soll mit demselben Erfolg von anderen französischen Ärzten wiederholt worden sein. BOURRU und BURAT z. B., Professoren der Medizin zu Rochefort und MABILLE, Psychiater in Lafond, behandelten zur Zeit einen histero-epileptischen Marine-Soldaten. Eines Tages zeichneten sie ihm die Anfangsbuchstaben seines Namens auf den Unterarm und sagten: "Heute Nachmittag um 4 Uhr wirst du einschlafen und dann wird an der bezeichneten Stelle dein Namenszug mit blutenden Buchstabenn erscheinen." Der Kranke schlief zur bestimmten Stunde ein und auf seinem Arm erschienen wirklich die erhabenen, leicht blutenden Schriftzüge. Von solchen Blutausschwitzungen, welche an Hypnotisierten durch Suggestion zustande gebracht worden sein sollen, nimmt man in gewissen Kreisen sehr gern Notiz, auf sie weist man mit einer Art vorliebe hin. Der Grund ist leicht zu erraten. Übrigens gibt z. B. Dr. MOLL ihn auch ausdrücklich an, wenn er nach Anführung solcher Fälle sagt: "Jeder wird hier wohl an die Stigmatisierten der katholischen Kirche erinnert." Und Professor FOREL hat sicherlich das nämliche gedacht, als er die Stellen des Körpers, an denen solche Blutausschwitzungen während der Hypnose vorgekommen sein sollen, "blutende Stigmata" nannte; nicht minder gilt das Gesagte von Professor WUNDT, wenn er die vorgeblichen Hautblutungen als "Stigmatisierungen durch Eingebung" bezeichnet. Die Hypnotisierten sollen in der Tat mit Ekstatischen und Stigmatisierten der katholischen Kirche in Parallele gesetzt oder vielmehr die Stigmatisierten sollen zu Hypnotisierten degradiert werden. Das ist die Intention in jenen ungläubigen oder unkatholischen Kreisen.
23. Aber, so fragt man doch mit allem Recht, sind die erzählten Blutausschwitzungen so, wie sie erzählt werden, auch wahr? beruhen sie wirklich ganz allein auf der Eingebung gewisser Vorstellungen, wie sie oben mitgeteilt wurden und auf sonst nichts? "Die Frage, ob sie objektiv wahr sind, so darf man in der Tat mit Professor WUNDT sagen, könnte nur dann bejaht werden, wenn eine hinreichend große Zahl zverlässiger Beobachter unter Anwendung aller erforderlichen methodischen Regeln sich von ihrer Wahrheit überzeugte." Nun haben sich aber die zuverlässigsten Beobachter von der Wahrheit der behaupteten Blutausschwitzungen nicht überzeugt, ja nicht einmal von der Wahrheit der angeblichen Brandblase oder Brandwunden, im Gegenteil, sie äußern positive Zweifel am tatsächlichen Vorgekommensein der besagten Erscheinungen.
So schreibt Dr. MOLL betreffs der Brandblasen und Brandwunden, welche man bei Hypnotisierten durch die Vorspiegelung, es sei ihnen ein Zugpflaster aufgelegt worden, welche dieselben hervorgerufen haben soll: "Die Beobachtungen, die hierüber gesammelt worden sind, sind alle nicht einwandfrei; selbst da, wo genaue Versuchsprotokolle veröffentlicht worden sind, hat der Skeptiker genügend Bedenken." Er gibt auch den Grund der Bedenken an, indem er sagt: "Eine strenge Beaufsichtigung fand, während das Experiment im Gange war, nicht statt."
Was speziell die Versuche FORELs betrifft, welche oben mitgeteilt wurden, so bemerkt Dr. MOLL, welchem Professor FOREL die Veröffentlichungmancher seiner interessanten Versuche gestattete: "Von den erwähnten Versuchen hält FOREL nur das Experiment mit der Quaddel für beweisen. Betreffs der anderen Versuche macht FOREL seine Reserve, da eine strenge Beaufsichtigung bei ihnen nicht stattfand ... Es sei auch noch hinzugefügt, daß es einzelne Leute gibt, die unter dem Einfluß psychischer Erregungen ohne Hypnose Quaddelbildung zeigen." Und in Bezug auf das Blutströpfchen, dessen Erscheinen Professor FOREL seiner Versuchsperons nach Verlauf einer Stunde vorausgesagt hatte und das nach dieser Zeit auch wirklich erschien, schreibt Dr. MOLL: "Da FOREL die Wärterin während dieser Stunde nicht beobachtet hatte, legt er auf das Blutströpfchen keinen Wert, da ja ein Stick mit einer Nadel denkbar sei."
Jetzt begreift man auch, weshalb es dem ungarischen Arzt Dr. JENDRASSIK, einem so gewandten Hypnotiseur, nie gelang, an seiner vorzüglich geeigneten Versuchsperson Hautblutungen zu erzeugen und weshalb Professor BERNHEIM, das Haupt der Nancyer Hypnotisten-Schule, welcher bei dem oben mitgeteilten FOCACHONschen Versuch zugegen war und die dabei angewandten Mittel genau kannte, trotz wiederholter Bemühungen eingestandenermaßen nicht einmal eine Epidermisblase erzielte. Sie beide werden ihre Versuchspersonen sicherlich für die ganze Dauer des Experiments unter die schärfste Kontrolle gestellt haben. Aber dann hat Professor SCHULTZE Recht, wenn er schreibt:
Es leuchtet demnach ein, daß derartige Untersuchungen (über hypnotisch erzeugte Brandblasen) nicht genügen, um unsere bisherigen Erfahrungen in der Physiologie und Pathologie umzustoßen. ... Der normale Mensch mag sich nach LIÉBEAULT zwar Schlaf einreden können; daß ersich aber durch eine noch so lebhafte Vorstellung von Brandblasen oder sonstwie durch bloße psychische Affekte oder Willensanstrengungen eine Brandblase wirklich erzeugen könnte, ist bisher ebensowenig gesehen worden, wie etwa, daß man durch Herbeiwünschen einer Brandblase auf die Haut eines anderen dieselbe in der Tat hervorgebracht hat. Daß weiterhin im Schlaf oder in der Hypnose eines normalen Menschen durch die noch so intensive Vorstellung einer Brandblase seitens des Schlafenden oder des Hypnotisierten wirklich eine solche Blase zustande käme, ist ebenso ungeheuerlich, als wenn man annähme, daß durch eine bloß "traumartig verdichtete" Vorstellung einer Feuersbrunst in einem Nachbarhaus seitens eines Träumenden nun auch wirklich eine solche je herbeigeführt worden sei."
Und mit noch viel größerem Recht gilt das Gesagte von den Hautblutungen oder Blutausschwitzungen, welche man an Hypnotisierten erzielt haben will. So lange die vorgeführten Fälle der Art in Bezug auf ihre Beobachtung nicht allen und jeden Zweifel auf das bestimmtest ausschließen, ist man berechtigt, sie für die Wissenschaft abzuweisen und als nicht vorhanden zu betrachten.
b) auf dem Gebiet der Bewegung
24. Die Bewegungen sind teils unwillkürliche, teils willkürliche. Beide Arten stehen unter dem Einfluß der Hypnose und Suggestion, aber nicht in gleicher Weise und in gleichem Maße. Um mit den unwillkürlichen Bewegungen zu beginnen, - zu denen die sogenannten vasomotorischen, z. B. die Bewegungen des Herzens und der Blutgefäße sowie die Darmbewegung, ebenso aber auch die Atmungstätigkeiten, wenigstens insofern, als sie automatisch vonstatten gehen und die Bewegungen der Pupille gehören, - so verengt oder erweiterst sich die Pupille, wie es scheint, je nach der Methode, die Hypnose herbeizuführen, ganz von selbst, ohne daß der Hypnotiseur irgendwie auf ihre Bewegung einzuwirken vermöchte und mit den übrigen soeben angeführten unwillkürlichen Bewegungen verhält es sich gerade umgekehrt, so daß sie während der Hypnose nur durch Beeinflussung von seiten des Hypnotiseurs geändert werden können. So läßt sich durch Eingebung zweckenstprechender Phantasievorstellungen der Herz- und Pulsschlag eines Hypnotisierten verlangsamen und beschleunigen, infolgedessen dann bei ihm Blässe oder Röte des Angesichts von selbst ensteht. Auch Nasenbluten soll auf diesem Weg erzeugt worden sein.
Ja, "man kann auch", so versichert Professor FOREL, "die Menstruation der Frauen durch einfache Prophezeiung in der Hypnose hervorrufen oder zum Aufhören zwingen, ihre Dauer und Intensität regulieren, und zwar habe ich bereits bei einigen Personen die Pünktlichkeit ihres Gehorsams bis auf die angesagte Minute mit Sicherheit erzielt, sowohl für den Beginn, als auch für das Ende. ... Bei der Beeinflussung der Menstruation wird einfache eine vasomotorische Lähmung oder ein vasomotorischer Krampf durch die Vorstellung erzeugt."
Ferner können die Darmbewegungen eines Hypnotisierten durch Suggestion vom Hypnotiseur beeinflußt werden.
"Ich besitze", so erzählt Dr. MOLL, "verschiedene Erfahrungen darüber, mit welcher Sicherheit mancher Hypnotisierte sich seinen Stuhlgang suggerieren läßt. Ich sage dem einen: "In einer halben Stunde (eventuell nach dem Erwachen) haben Sie Ihren Stuhlgang" und der Erfolg tritt ein; "morgen zwischen 8 und 9 Uhr haben Sie dreimal Stuhlgang", genau derselbe Erfolg, trotzdem nach dem Erwachen keine Erinnerung besteht. Interessant ist es, daß man, wenn auch nur sehr selten, selbst die Wirkung von Abführmitteln durch entgegengesetzte Suggestion kompensieren kann. Eine Person bekommt eine Dosis Rhizinusöl, die genügt, einen reichlichen Stuhlgang zu haben; der Erfolg der Suggestion bleibt nicht aus, trotzdem dieselbe Person sonst nach der gleichen Dosis sehr bald reichlichen Stuhlgang hat. Oder man gebe den Hypnotischen einige Tropfen Wasser mit der Behauptung, es sei das stärkste Drastikum (stark abführendes Mittel); es erfolgt Stuhlgang. In ganz gleicher Weise wirken suggerierte Brechmittel. Es kann dies schließlich nicht so sehr verwundern, da wir wissen, daß diese und andere Funktionen, wenn auch unabhängig von unserem Willen, doch unter dem Einfluß der Psyche stehen. Das Erbrechen beim Ablick ekelhafter Dinge, die berühmten mica-panis-Pillen, als Abführmittel gegeben, beweisen das zur Genüge."
Endlich gelingt es auch, durch diese oder jene Vorspiegelung die Atmung des Hypnotisierten zu beeinflussen und zwar ebensowohl im Sinne einer Beschleunigung als in dem einer Verlangsamung derselben. Zwar berichtet einer und der andere, das Atmen gehe von selbst etwas langsamer und schwerfälliger zur Zeit der Hypnose vonstatten, man behauptet auch, die Atemfrequenz steige dann von selbst und Ähnliches sagt man auch vom Herz- und Pulsschlag. Demgegenüber erklärt aber Professor BERNHEIM auf das bestimmteste:
Die Atmung (bei den Hypnotisierten) ist regelmäßig und ruhig, der Puls normal. Sobald Sie bei einer zum erstenmal hypnotisierten Person eine ängstliche oder keuchende Atmung, einen beschleunigten Puls, ein gerötetes Gesicht, Muskelzuckungen oder Zittern wahrnehmen, seien Sie überzeugt, daß diese Phänomene nicht dem Vorgang der Hypnose selbst angehören, sondern durch die Aufregung der Person über den mit ihr vorgenommenen Versuch hervorgerufen sind."
Und ihm stimmen andere vollständig bei.
25. Was sodann die willkürlichen Bewegungen betrifft, so sind sie nach allen Richtungen hin und in jeder Weise hypnotisch beeinflußbar; sie bilden die eigentliche Domäne der hypnotischen Einwirkung; ja, auf ihrem Gebiet lassen sich hypnotische Erscheinungen aufweisen, welche weit mehr, als alle anderen, das Gepräge des Rätselhaften, Geheimnisvollen und Wunderbaren an sich tragen. Diese Erscheinungen kommen alle mit Willenlosigkeit (Abulie) d. h. ohne Beteiligung des freien Willens, sozusagen automatisch zustande, auch diejenigen, welche auf die Fremdeingebung irgendeiner Vorstellung hin erfolgen. Man unterscheidet zwei Arten solcher Erscheinungen, je nachdem sie in der Unterlassung oder Verhinderung oder aber in der Vollziehung oder Erzeugung einer Bewegung, die sonst willkürlich stattfindet, bestehen und nennt die einen Hemmungs- und die anderen Erregungserscheinungen. Beide Arten werden aber auch selbst wieder eingeteilt. Hemmungserscheinungen, welche man als solche aufgrund exakter Beobachtung festgestellt hat, sind folgende: Aphasie oder Alalie, Agraphie, Ataxie, Amimie, Katalepsie und Lethargie. Die Aphasie oder Alalie besteht in einem gänzlichen oder teilweisen Verlust der Sprache, mit anderen Worten im Unvermögen, auf gestellte und wohlverstandene Fragen mit deutlich artikulierten Lauten zu antworten, die Agraphie im Nichtmehrschreibenkönnen, die Ataxie im Unvermögen, sicher einher zu gehen, die Amimie im Verlust des Mienenspiels, welcher bis zu maskenhaften Ausdruckslosigkeit gesteigert werden kann, die Katalepsie in einer Erstarrung oder Bewegungslosigkeit aller Glieder und die Lethargie in einem festen, tiefen Schlaf, welcher anscheinend mit einer vollständigen Empfindungslosigkeit und Vergesslichkeit verbunden ist. Von diesen motorischen Erscheinungen verdienen die beiden letzteren als die hervorragendsten noch eine besondere Aufmerksamkeit.
26. Im Zustand der (totalen oder zweiseitigen) Katalepsie sitzt oder steht der Hypnotisierte da, wie festgebannt an allen Gliedern und Organen. Die Augen sind gewöhnlich ganz geöffnet, die Pupille erweitert oder verengt, der Blick stier und starr, der Gesichtsausdruck kalt und da die Augenlider nicht mehr zwicken, so laufen die Tränen über die bleichen Wangen, wie bei einem Sterbenden. Der Kataleptische ist noch empfänglich für äußere Sinneseindrücke, hat aber kein Gefühl mehr für Schmerz, zumal dann, wenn ihm eingeredet worden ist, daß er keinen Schmerz mehr verspüren werde; man mag ihn kneifen, stechen, schneiden, schlagen oder ihm sonst etwas antun, was im normalen Wachleben Schmerz bereitet, in seinen Gesichtszügen tritt nicht die geringste Änderung hervor, die eine Schmerzempfindung verriete. Indessen, wie regungs- und bewegungslos der Kataleptische an sich auch sein mag, unbeweglich ist er doch nicht und zum wenigsten dem Hypnotiseur gegenüber. Seine Glieder besitzen vielmehr die sogenannte Biegsamkeit des Wachses, indem sie sich wie die Glieder einer Gliederpuppe ohne die geringste Mühe in jede beliebige Stellung bringen lassen und in derselben so lange verharren, bis man sie ändert. So kann ein Kataleptischer lange Zeit, zuweilen mehrere Stunden lang mit hochemporgehobenen oder horizontal ausgestreckten Armen dastehen, ohne während dieser Stellung auch nur die geringste Ermüdung zu äußern oder nachher zu verspüren. Und noch ganz andere Bewegungen bringt der Hypnotiseur am Kataleptischen zustande. Ballt er ihm z. B. die Fäuste, so nimmt das Gesicht sofort einen zornigen Ausdruck an; faltet er ihm die Hände, so stellen sich seine Gesichtszüge in einer ernsten, dem Beten entsprechenden Weise ein und bewegt er vor ihm seine eigene Hand, als wolle er ihm eine Kusshand zuwerfen, so zieht ein freundliches Lächeln über das Antlitz des Kataleptischen. - Im Zustand der Lethargie sind die Augen ganz oder teilweise geöffnet, die Augäpfel krampfhaft nach oben und nasenwärts gekehrt und die Augenlider nicht selten in anhaltenden Zitterbewegungen begriffen. Der Kopf des Lethargischen sinkt auf eine der Schultern hinab und hebt man ihm ein Glied in die Höhe, so fällt es, losgelassen, kraftlos wieder herunter, so daß er ganz den Eindruck einer Leiche macht, bei welcher die Muskelstarre noch nicht eingetreten ist. Auf der anderen Seite ist es wieder Tatsache, daß das Leben während dieses Zustandes nach der motorischen Seite hin an Intensivität bedeutend zunimmt, insofern nämlich Nerven und Muskeln eine gesteigerte Reizbarkeit zeigen. Und die Reizbarkeit derselben ist zuweilen so groß, daß schon die Erschütterungen einer Taschenuhr, welche durch ihr Ticktack entstehen und mittels eines Fernsprechers zu einem Hypnotisierten weiter geleitet werden, vollständig genügen, um Nerven und Muskeln desselben zu reizen. Gewöhnlich wird aber der Reiz durch sanftes Streichen oder durch festen Druck ausgeübt. Drückt man z. B. einem Lethargischen fest auf den Streckmuskel eines Armes, so streckt sich der Arm sofort in krampfhafter Starre, so daß er nur durch einen starken Druck auf die entgegengesetzten Beugungsmuskeln wieder geschmeidig gemacht werden kann; und drückt man auf den nervus ulnaris, so ensteht eine Kontraktion aller Muskeln, die von ihm mit Nervenfasern versorgt werden, so daß eine ganz charakteristische Stellung der Finger entsteht. Zufolge dieser erhöhten Erregbarkeit der Nerven und Muskeln im Zustand der Lethargie vermag ein geschickter Hypnotiseur mittels einiger Handgriffe und Striche einen Lethargischen, besonders einen solchen mit kräftigem Körperbau, steif wie ein Brett zu machen im buchstäblichen Sinn des Wortes, so daß sich derselbe zu dem bekannten Schaustück eignet, bei welchem er mit dem Kopf auf einen Stuhl und mit den Fersen auf einen anderen gelegt und dazu noch mit einem schweren Gewichtstein belastet werden kann, ohne sein sein Körper zusammenknickt oder einbiegt.
27. Die Erregungserscheinungen sodann, welche während der Hypnose auf dem Gebiet der willkürlichen Bewegung vorkommen, sind von zweifacher Art, weil sie entweder in einer fast automatischen Nachahmung einer bloß vorgemachten Bewegung bestehen; sie heißen deshalb auch Kommando- oder Befehls- und Imitations- oder Nachahmungsautomatismen. Zu den Nachahmungsautomatismen, im von ihnen zuerst zu handeln, gehören allerlei Stellungen des Körpers und Bewegungen der Glieder, welche der Hypnotisierte dem Hypnotiseur durch die scheinbar geschlossenen, tatsächlich aber noch etwas geöffneten Lidspalten absieht; während der vollkommenen Nachahmungen pflegt daher der Hypnotisierte auch den Hypnotiseur mit einem eigentümlich gespannten Gesichtsausdruck starr anzusehen. Beugt sich z. B. der Hypnotiseur vor dem Hypnotisierten und erhebt er sich, so tut letzterer dasselbe; oder ballt der Hypnotiseur die Faust, nickt ermit dem Kopf, öffnet er den Mund, so wiederholt der Hypnotisierte alle diese Bewegungen. Der Hypnotisierte folgt dem Hypnotiseur auf Schritt und Tritt, genau im selben Takt und jede Geste nachahmend, geht mit ihm Treppe auf Treppe ab, bleibt stehen, wenn er stehen bleibt und dreht sich mit ihm um Als Nachahmungsautomatismus hat man es ferner zu bezeichnen, wenn der Hypnotisierte singt oder spricht, schnalzt oder schmatzt, sich räuspert oder klatscht, sobald der Hypnotiseur ihm das eine oder andere vormacht und jener davon durch seinen Gehörsinn Kenntnis erlangt. Was sodann die Befehlsautomatismen betrifft, so kommen dieselben gewöhnlich unter dem Einfluß eines gesprochenen Befehls zustande. Sagt der Hypnotiseur z. B. einem Hypnotisierten, er soll niederknien, so tut er es sofort. Aber auch durch ausgeübte Berührungen oder Betastungen können Befehlshandlungen hervorgerufen werden. Streicht der Hypnotiseur z. B. mit seiner Hand leise die unteren Flächen der ausgestreckten Hände eines Hypnotisierten, so erkennt dieser im Tastgefühl einen Befehl und folgt jenem.
c) auf dem Gebiet der Wahrnehmung
28. Alle Sinne des Menschen erleiden entweder schon durch die Hypnose allein oder durch sei in Verbindung mit der Suggestion eine Änderung ihrer Tätigkeit und zwar nicht bloß im Sinne einer Schwächung oder Stärkung, sondern auch in dem einer Täuschung. Die Abschwächung der Sinnestätigkeit geht oft bis zur Anästhesie, d. h. bis zum völligen Erlöschen ihrer Tätigkeit und die Steigerung derselben, mit anderen Worten die Hyperästesie ist nicht selten außerordentlich groß, daß man fast versucht ist, sie für etwas Übermenschliches zu halten. Noch viel merkwürdiger und wunderlicher aber tritt die Täuschung der Sinne, auf Parästhesie oder Jllusion genannt, in der Hypnose auf, welche da in der Verwechslung eines wirklich wahrgenommenen Sinnesobjektes mit einem anderen derselben Art besteht. Letztere Art von hypnotischer Beeinflussung der Sinne wird am zweckmäßigsten inbezug auf alle zugleich darstellt.
29. Um mit dem Gesichtssinn, dem vorzüglichsten aller Sinne zu beginnen, so bekunden die Hypnotisierten meistenteils eine verringerte Empfindlichkeit für Lichtreize und im tiefsten Stadium der Hypnose sogar vollständige Blindheit. Die meisten Hypnotisierten leiden zumal an sogenannter Alexie, d. h. sie sind nicht mehr imstande zu lesen und das kann man bei ihnen auch dann noch beobachten, wenn sie sonst gut zu sehen vermögen, wie solches zuweilen selbst im tiefen Stadium der Hypnose vorkommt. In einzelnen Fällen der Hypnose tritt auch eine außerordentlich erhöhte Seh- und Lesefähigkeit ein, so daß der Hypnotisierte eine sehr kleine Schrift, sogar Wörter von nur 0,15 mm Höhe, bei einer ganz geringen Beleuchtung und mäßigen Entfernung noch deutlich erkennen und lesen kann. Freilich hat sich das angebliche Lesen eines Hypnotisierten bei vollständig verschlossenen Augen oder im absolut dunklen Raum wiederholt als Täuschung erwiesen; denn bei näherer Untersuchung stellte sich entweder heraus, daß der angeblich Hypnotisierte in Wirklichkeit nicht hypnotisiert war und die Schrift, welche man ihm vorhielt auswendig hersagte oder daß die Augen des wirklich Hypnotisierten nicht ganz verschlossen oder verdeckt waren oder daß der betreffende Raum nur für das normale Auge eines Nichthypnotisierten dunkel schien.
Professor PREYER erklärt daher ganz kategorisch: "Im finsteren Raum sowie nach Einschaltung einer undurchsichtigen Scheibe zwischen Auge und Schrift im erleuchteten Raum ist ein hypnotisiertes Individuum ebensowenig, wie ein völlig wacher Mensch, imstande, irgendeinen Buchstaben zu erkennen."
30. Der Gehörsinn sodann wird, wie es scheint, von allen Sinnen am spätesten, vielleicht auch am wenigsten während der Hypnose alteriert. Doch hat man an einzelnen Hypnotisierten sowohl Taubheit als Hyperakusie beobachtet. Die Taubheit dauert sogar nach aufgehobener Hypnose zuweilen fort.
"Läßt man sie nach der Enthypnotisierung unbehoben", schreibt Professor KRAFFT-EBING, "so reagiert die Patientin (d. h. die Versuchsperson) nicht auf die stärksten akustischen Reize, nicht einmal auf einen Gong von 1 m Durchmesser." Und was die Hyperakusie oder die Verfeinerung des Gehörs anlangt, so berichtet schon BRAID von einem Hypnotisierten, welcher sonst nicht besonders gut hört, derselbe habe bei einem Abstand von 18 Fuss, mit dem Rücken ihm zugekehrt, sein Hauchen gehört, das ihm selbst trotz seines scharfen Gehörs unhörbar geblieben sei. Und J. G. SALLIS schreibt: "Ein Schwerhöriger, der das Ticken einer Taschenuhr in einem Abstand von 3 Fuß nicht mehr hörte, vernahm es in der Hypnose in einer Entfernung von 35 Fuß und ging geradewegs auf die Schallquelle zu."
31. Ferner ist auch beim Geruchssinn in der Hypnose sowohl ein gänzliches Erlöschen, als auch eine auffallende Erhöhung seiner Tätigkeit, mit anderen Worten sowohl eine Anosmie, als auch eine Hyperosmie festgestellt worden. Anosmie hat man bei Hypnotisierten, freilich nicht häufig gefunden, aber für das Vorkommen derselben überhaupt spricht z. B. schon die eine Tatsache, daß ein Hypnotisierter beim Einatmen übelriechender Gase durch die Nase absolut keine Reaktion zeigte. Hyperosmie dagegen hat man im Zustand der Hypnose viel öfter beobachtet.
"So war nach dem Bericht von SALLIS eine Patientin (Hypnotisierte) BRAIDs imstande, den Duft einer Rose in einer Entfernung von 46 Fuß wahrzunehmen und mit verbundenen Augen direkt darauf zuzugehen." - "Carpenter", so schreibt Dr. MOLL, "teilt einen Fall mit, wo eine hypnotisierte Person unter 60 Personen diejenige fand, der ein bestimmter Handschuh gehörte. Einen ähnlichen Fall berichtet SAUVAIRE, wo eine hypnotisierte Person lediglich durch den Geruch feststellte, welcher von acht anwesenden Personen, deren Hände sie beroch, acht Taschentücher gehörten, trotzdem man sie auf jede Weise irre zu führen suchte. BRAID und auch die alten Mesmeristen haben viele ähnliche Erscheinungen berichtet. BRAID erzählt von einem Fall, wo die Versuchsperson unter einer Anzahl fremder Leute jedesmal dem Richtigen seine Handschuhe gab; bei Verstopfung der Nase mißlang der Versuch jedesmal." - Weiterhin berichtet BRAID: "Ich hatte einen Patienten (Hypnotisierten), welcher mir sofort sagte, ob ich Tee, Kaffee, Wein oder stärkere alkoholische Getränke usw. in 30 Fuß Entfernung schmeckte, während sein Rücken mir zugewendet war; aber das geschah, wie er mir ausdrücklich sagte, mit Hilfe des Geruchs.
32. Weiterhin hält man es für wahrscheinlich, auch beim Geschmackssinn bald eine völlige Sistierung und bald wieder eine Potenzierung seiner Tätigkeit, mit anderen Worten bald eine Ageusie, bald eine Hypergeusie während der Hypnose durch Suggestion zu bewirken, ja es scheint, als ob der Geschmackssinn, ähnlich wie der Tastsinn, in der Hypnose leichter zu beeinflussen sei, als die übrigen Sinne. Daß man aber über das hypnotische Verhalten des Geschmackssinnes im Sinne eines defectus oder eines excessus seiner Tätigkeit einstweilen noch nichts Sicheres und Gewisses zu behaupten wagt, hat darin seinen Grund, daß man darüber bis jetzt noch zu wenige Versuche gemacht hat. Die Proben, welche man über das Verhalten des Geschmackssinnes während der Hypnose angestellt hat, bewegten sich meistens um die Frage, inwieweit man eine sogenannte Parageusie, d. i. eine Täuschung des Geschmackssinnes oder eine Verwechslung zweier gänzlich verschiedener Geschmäcke erzielen könne. Dabei hat man freilich nicht unterlassen, den Weg anzugeben, auf welchem die anfänglich hervorgehobene Wahrscheinlichkeit zur Gewißheit gemacht werden könnte.
So sagt z. B. Professor PREYER: "Vollständige Ageusie im hypnotischen Zustand läßt sich durch das Fehlen jeder Reaktion nach Benutzung der Zunge mit stark schmeckenden Stoffen, wie Chlorkalium, konstatieren. Und weiter: "Man könnte die hypnotische Hypergeusie wahrscheinlich experimentell feststellen, wenn man Lösungen wie Chinin, Kochsalz, Glycerin, Milchsäure, Soda von verschiedener Konzentration in gleichen Mengen, in gleicher Weise auf die Zunge solcher hypnotischer Individuen brächte, denen man vorher mitgeteilt hat, daß man ihnen etwas zu schmecken geben werde. Tritt dann die charakteristische Mimik des Bitteren, des Süßen, des Saueren usw. ein, eventuell Würgen, Hervorstrecken der Zunge und dgl., so läßt sich vielleicht durch Vergleichung der Konzentrationen, bei denen dieselben Individuen im wachen Zustand solche Geschmacksreflexe zeigen, eine Verfeinerung oder Abstumpfung des Geschmacksunterscheidungsvermögens eruieren."
33. Ob es sodann möglich ist, während der Hypnose beim Tastsinn nach den verschiedenen Richtungen seiner Tätigkeit eine vollständige Anästhesie zu erzeugen, ist einstweilen noch fraglich, wenigstens hat man eine solche bis jetzt noch nicht beobachtet. Dagegen hat man eine Hyperästhesie desselben oder eine äußerst hohe Verfeinerung seiner mannigfachen Tätigkeit wiederholt festgestellt.
"Nicht nur", sagt SALLIS, "daß Hypnotische die Gestalt eines Gegenstandes am Hinterkopf und Nacken durch Temperaturdifferenzen und wenn diese groß sind, manchmal bei 18 - 20 Zoll Abstand zu erkennen vermögen, sondern sie sind durch jede Strömung der Luft zum Nachfolgen und Ausweichen an Hindernissen vorbei zu bewegen. Eine junge Dame, die von mir des öfteren hypnotisiert worden war, wurden mit verbundenen Augen in eine Zimmerecke gestellt und folgte mir dann, der ich in ansehnlicher Entfernung auf Filzsohlen und weichem Teppich voranging, rückwärts schreitend durch eine ganze Flucht von Zimmern, dabei jede Biegung peinlich wiederholend, die ich im Gehen beschrieb. Versteckte ich mich hinter einem Möbel, so stand sie, wenige Augenblicke darauf an meinem Versteck angekommen, ebenfalls still."
Und daß die hypnotisierte Dame in diesem Fall wirklich bloß von ihrem Tast- oder Gefühlssinn, nicht aber etwa von ihrem Gehörsinn beim Gehen geleitet wurde, beweist der analoge, schon mehrmals beobachtete Fall, daß ein Hypnotischer mit verbundenen Augen oder bei absoluter Finsternis auf Befehl auch für sich allein durch ein Zimmer geht, ohne sich an irgendetwas im Zimmer zu stoßen, auch wenn er die Einrichtung des Zimmers nicht kennt, ähnlich einer Fledermaus, nachdem man sie ihrer Augen beraubt und ihr die Öffnungen der Ohren mit Wachs verstopft hat, in einem Zimmer mit Vermeidung aller Hindernisse, selbst wenn letztere aus ganz dünnen, ausgespannten Metalldrähten bestehen, umherfliegt. Einzig auf einem gesteigerten oder verfeinerten Tastgefühl beruthe es ferner, daß, wie BRAID berichtet, eine hypnotisierte Dame, der man zwischen die Augen ein Blatt Papier breites Buch hielt, trotzdem das Papier mit so korrekten Schriftzügen versah, daß bei keinem t ein Strich und bei keinem i ein Punkt ausblieb oder daß eine andere, welche eine Seite beschriebenen Briefpapiers korrigieren sollte, jedesmal an den richtig gefundenen Stellen änderte und ausstricht, wenn man sie sich selbst überließ, wenn man ihr aber das Papier verschob, die Korrekturen an falschen Stellen anbrachte.
34. Was endlich den Gemeinsinn oder den Sinn für Gemeingefühle des eigenen Körpers, z. B. für das Gefühl des Hungers und Durstes, der Müdigkeit, des Ekels, des Schmerzes usw. betrifft, so hat man durch Beobachtung festgestellt, daß seine Tätigkeit von der Hypnose sowohl in Richtung Anästhesie, als auch im Sinne der Hyperästhesie beeinflußt wird. Nur hat man die Beobachtung nicht gleichmäßig auf alle Gemeingefühle sowie auf das hypnotische Verhalten des Gemeinsinnes ihnen gegenüber ausgedehnt, sondern sich meistenteils damit begnügt, das Verhalten des Gemeinsinns in Bezug auf das Schmerzgefühl während der Hypnose zu beobachten. Und auch in Beziehung auf das Schmerzgefühl hat man nicht so sehr die Frage ins Auge gefaßt, ob und inwieweit eine Wahrnehmung desselben während der Hypnose gesteigert werden könne, obgleich man gelegentlich auch diese Frage anhand der Erfahrung bejahen konnte. Man wandte sich vielmehr mit seinen Versuchen der anderen Frage zu, ob es möglich sei, währen der Hypnose eine sogenannte Analgesie, d. h. eine Aufhebung der Schmerzempfindung zu erzielen. Dabei hat sich dann auch gezeigt, daß ein gewisser Grad von Unempfindlichkeit für sonst schmerzhafte Eindrücke, fast der regelmäßige Begleiter der Hypnose ist. Nadelstiche z. B. werden als bloße Berührungen oder gar nicht empfunden.
Ich habe Zähne in der Hypnose ausziehen lassen", so erzählt Professor FOREL, "Abszesse geöffnet, ein Hühnerauge exstirpiert, tiefe Stiche gemacht, ohne daß die Hypnotisierten irgendetwas gespürt hätten." Und ein amerikanischer Arzt namens J. L. LITTLE stach einem hypnotisierten jungen Mann, den man für einen Simulanten hielt, mit einer Nadel durch die Hornhaut des Auges, ohne daß derselbe die geringste Reaktion zeigte, obgleich nach aufgehobener Hypnose eine starke Hornhautentzündung eintrat."
Ob freilich in der Hypnose eine vollkommene Analgesie vorkomme, ist einstweilen noch eine offene Frage. Professor KRAFFT-EBING z. B. stimmt für Bejahung derselben, indem er schreibt:
Selbst der stärkste elektrische Strom, den kein Simulant aushalten würde, wird (bei suggerierter Gefühllosigkeit) ohne Reaktion ertragen."
Dagegen verneint z. B. Dr. MOLL die Frage mit den Worten:
"Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob man eine Person mit einer Nadel sticht oder ob man Stromstöße zufügt. Die Schmerzhaftigkeit bei Anwendung des letzteren, zumal wenn man eine bedeutende Stärke des elektrischen Stromes anwendet, ist so groß, daß nur wenige Personen in Hypnose ihn aushalten können, selbst wenn sie bei Nadelstichen keine Schmerzempfindung zeigen."
35. Was dann die Jllusionen oder Sinnestäuschungen alangt, so können sie bei allen, wenigstens bei allen äußeren Sinnen stattfinden, weil der Hypnotisierte die Dinge der Außenwelt jedesmal genau so erfaßt, wie der Hypnotiseur sie ihm bei der Suggestion beschreibt, wenn auch dessen Beschreibung mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt.
"Es wird dadurch das Bild (der Welt) so wechselvoll", um mit Dr. MOLL zu reden, "daß derjenige, der zum ersten Mal die Dinge sieht, ganz berechtigte Zweifel haben muß, betreffend der Realität der Erscheinungen. Wir haben uns so sehr daran gewöhnt, uns auf die Wahrnehmungen unserer Sinnesorgane zu verlassen, in ihnen zuverlässige Zeugen für alles, was vorgeht, zu finden, daß wir in der Tat erstaunt sind, wenn wir sehen, daß ein Wort genügt, um den Hypnotischen in eine ganz andere Umgebung zu versetzen". So berichtet z. B. Professor FOREL: "Aus einem und demselben Glas Wasser kann ich den Hypnotisierten in wenigen sich folgenden Sekunden und Schlucken bitteres Chinin, Salzwasser, Himbeersaft, Kakao und Wein trinken lassen."
Ebenso haben andere Hypnotiseure es durch die entsprechenden Suggestionen erreicht, daß ihre Versuchsperson während der Hypnose z. B. Zwiebeln, die sie aßen, für Birnen, - Ammoniak, den sie rochen, für Kölnisches Wasser, - ein vorgehaltenes Tuch für einen Hund, - das Klopfen auf einen Tisch für einen Kanonenschuß und das mehrmals wiederholte Pusten mit einem Blasebalg für das Dampfen einer ankommenden Lokomotive hielten. Daß aber in diesen und ähnlichen Fällen die Hypnotisierten die eingebenden Wahrnehmungen tatsächlich zu haben glaubten, bewies der Umstand, daß ihr Gesichtsausdruck, welcher jenen irrtümlichen Wahrnehmungen entsprach, den Gesichtsausdruck, welcher durch derartige wirklich stattfindende Wahrnehmungen bei Menschen im Wachzustand jedesmal hervorgerufen wird, täuschend nachahmten. Überdies erklären die Hypnotisierten auf Befragen auch ausdrücklich, daß sie die eingegebene Sinneswahrnehmung, um die es sich gerade handelt, in Wirklichkeit hätten.
"Ich lasse einen von mir Hypnotisierten", schreibt Professor PREYER, "eine widerlich schmeckende Flüssigkeit trinken, nachdem ich gesagt habe, es sei edler Rheinwein oder Zuckerwasser; er erklärt das Getränk für sehr guten Wein oder Zuckerwasser; ich lasse ihn Nelkenöl riechen und sage, es sei Rosenduft und es wird bestätigt."
LITERATUR - Ludwig Schütz, Der Hypnotismus, Philosophisches Jahrbuch, Bd. 9, Fulda 1866
Anmerkungen 1) Von einer Überwachung während der Nacht ist nichts im Protokoll vermerkt; eine solche wird daher wohl auch nicht stattgefunden haben.