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Beiträge zur Logik [4 / 4]
IV. Die Arten der Schlußfolgerung 1) Die bekannte Erklärung des ARISTOTELES: der Schluß sei dasjenige Satzverhältnis, in welchem, wenn etwas gesetzt ist (irgend Behauptungen aufgestellt sind), etwas anderes als das bereits vorliegende mit Notwendigkeit sich ergibt und zwar allein dadurch, daß das Gesetzte ist - enthält noch nicht nur die ausführlichste, sondern auch die beste Definition der Schlußfolgerung im Allgemeinen. Ihre Tragweite ist sogar eine größere, als die ihr von ARISTOTELES selbst gegebene, der sie auf sein syllogistisches Verfahren beschränkte. Sie schreibt keine bestimmte Zahl der zu einem Schluß vereinigten Sätze vor und gilt auch von jenen, syllogistisch nicht darstellbaren Folgerungen durch Zusammensetzung und Übertragung von Verhältnissesn, von denen BRADLEY gut gewählte Beispiele gibt. ( A liegt nördlich von B, dieses westlich von C; A nordwestlich von C. p ist schwerer als q; dieses schwerer als r; p schwerer als r usw.) Zweierlei ist in der aristotelischen Definition von Wichtigkeit. Fürs Erste wird durch sie der Schluß als einheitliches Ganzes aufgefaßt, wie ein einziger Satz, genauer als ein die sprachlich isolierbaren Sätze verbindendes Verhältnis, wodurch jene im Zusammenhang des Schlußprozesses ihre Selbständigkeit verlieren; fürs Zweite hebt sie nachdrücklich hervor, daß durch den Schluß ein wirklicher und nicht bloß scheinbarer Fortschritt des Urteilens zu einer neuen, in keinem einzelnen Satz für sich genommen enthaltenen Behauptung vollzogen wird. Mit Recht betrachtet sonach ARISTOTELES den Schluß als Erweiterung des Urteilsprozesses. Fassen wir mit ihm (wie es auch allein richtig ist) die Schlußfolgerung als Ganzes auf, die einzelnen Sätze mit Inbegriff der Konklusion als Momente dieses Ganzen, so erledigen sich ohne weiteres jene oberflächlichen Einwendungen, die ausdrücklich zwar nur gegen den Syllogismus gerichtet, in ihren Konsequenzen den Erkenntniswert des Folgerns überhaupt in Frage stellen. Wir geben dann nicht bloß zu, wir fordern sogar, daß im Schluß eine Wechselwirkung der vereinigten Sätze stattfinden muß, derart, daß die Konklusion nicht minder beweisend ist für die Prämissen, als diese beweisend sind für die Konklusion. Das schließt selbstverständlich nicht aus, daß wir psychologisch von den Prämissen zum Schlußsatz geführt werden. Es erscheint fast überflüssig, die in Rede stehende Wechselwirkung der Glieder einer Schlußfolgerung an einem Beispiel nachzuweisen. Der Satz: die Materie als solche ist ponderabel [wägbar - wp], hat nur dann allgemeine Gültigkeit, wenn auch der Schlußsatz: der Äther ist ponderabel, wahr ist, wie auch umgekehrt die Wahrheit dieses Schlußsatzes von derjenigen des Obersatzes (und des Untersatzes. der Äther ist Materie) abhängt. In wesentlicher Übereinstimmung mit ARISTOTELES erklären wir somit den Schluß für ein Urteil, das durch andere Urteile vermittelt wird. Schließen heißt mittelbar urteilen. (Der Ausdruck "Urteil" ist hier in seiner gewöhnlichen, begriffliche Sätze und Urteile im engeren Sinne umfassenden Bedeutung zu verstehen.) Das Schließen oder die Urteilsvermittlung bildet einen einheitlichen Denkvorgang, der sich von den vermittelnden Urteilen: den Prämissen zum vermittelten Urteil: der Konklusion, aber auch von dieser rückwirkend auf jene erstreckt. Von einer bloßen Kombination von Vorstellungen, die in einfacheren Fällen zum nämliche Ergebnis führen mag, wie eine eigentliche Schlußfolgerung, unterscheidet sich diese eben durch das Dazwischentreten eines oder mehrerer vermittelnder Urteile. Ich sehe eine Orange, assoziativ verknüpft sich mit ihrer Wahrnehmung durch das Gesicht die Vorstellung ihres Geschmacks. Ich schließe auf den Geschmack der Orange, wenn ich mich überdies erinnere, daß das Verzehren einer solchen Frucht jedesmal bestimmte Geschmacksempfindungen zur Folge hatte. Da das Zusammentreffen im Resultat niemals die Identität des Prozesses beweist, so erscheint es müßig nachzuforschen, ob und wie weit das Vermögen zu Schlußfolgerungen schon in der tierischen Intelligenz entwickelt ist. Jedenfalls auszuschließen ist aber die Annahme unbewußter Schlüsse. Weil die Schlußfolgerung einen einheitlichen Denkvorgang bildet, so müssen zwischen den durch sie vereinigten Sätzen irgendwelche Identitätsbeziehungen stattfinden. Nur unter Voraussetzung einer solchen Beziehung durch Identität, sei es die Identität des Gegenstandes der Aussagen oder eines Verhältnisses, das sich durch eine Reihe von Denkobjekten fortsetzt, wird es möglich, eine Mehrheit von Sätzen in Eins zusammenzufassen. Es gibt sonach kein anderes Prinzip des Folgerns (und des Beweisens) als das Prinzip der Identität. Doch hat man sich den Gebrauch dieses Prinzips nicht zu äußerlich zu denken. Die Frucht, auf deren Geschmack ich schließe, ist nicht die nämliche Frucht, deren Geschmack ich empfunden habe; sie gleicht jener in Gestalt und Farbe und daran erkenne ich sie als Orange. Schließe ich: Wärme muß die Schwingungen eines Pendels verlangsamen, weil, was immer ein Pendel verlängert, dessen Gang verlangsamt, so fällt der Begriff Wärme zwar unter das allgemeine Glied des Obersatzes, man kann aber gewiss nicht sagen, daß er genau dasselbe sei wie dieses Glied. Die Wärme ist nur eine der Ursachen, die ein Pendel verlängern, sie bildet nur einen der Werte, die in den obigen allgemeinen Ausdruck eingesetzt werden können. Das Prinzip der Substitution von Gleichem für Gleiches (eher die Formel des Schließens als ein Grundsatz) würde eine bloße Tautologie vorschreiben, also zu lauter Sätzen führen, die LOCKE als "spielende" bezeichnet hat, wenn es sich dabei wirklich nur um die Wiederholung eines und desselben Begriffes handelte. Wie aber schon die Größengleichheit, wo sie als Ergebnis einer Schlußfolgerung auftritt, mehr ist als eine Wiederholung von Identischem, nämlich Ausdruck der Übereinstimmung verschiedener Begriffe und Objekte hinsichtlich der Quantität, so erhellt der synthetische Charakter des Schlußprinzips noch deutlicher dort, wo eine Mehrheit von Begriffen aufgrund der Einheit ihres Gegenstandes verknüpft wird. Die Einsicht, daß zur Zusammenziehung zweier oder mehrerer Sätze in einen Schlußsatz irgendwelche Identitäsbeziehungen, sei es zwischen den Begriffen oder den Objekten der Begriffe, notwendig sind, hat an die Stelle der überlieferten Lehre von der Identität des Mittelbegriffes zu treten, einer Lehre, die genau genommen Unrichtiges vorschreibt. Wenn ich aus den Sätzen: p ist schwerer als r, aber leichter als s, schließe, daß r leichter ist als s, so fehlt hier der geforderte identische Begriff und der Schluß ist nichtsdestoweniger richtig. p schwerer als r und p leichter als s sind unfraglich zwei ungleiche Begriffe desselben Objektes (des Gewichtes p); der Schluß auf das Gewichtsverhältnis von r und s wird also nicht durch die Identität des Mittelbegriffs, sondern durch die des Gegenstandes der Begriffe ermöglicht und so in allen analogen Fällen. - Ich analysiere noch einmal das obige Beispiel vom Pendel. Jede Verlängerung eines Pendels ist Ursache der Vergrößerung seiner Schwingungsperioden; die Wärme ist eine der Ursachen der Pendelverlängerung - also muß die Wärme den Gang des Pendels verlangsamen (dessen Schwingungsperioden vergrößern). Hier vollzieht sich der Schluß nach dem Axiom: die Ursache einer Ursache ist auch Ursache der Wirkung. Eine Identität des Mittelbegriffs dagegen ist augenscheinlich nicht vorhanden. 2) Indem ich mich zur Aufgabe wende, die einzelnen Arten der Schlußfolgerung zu beschreiben, wird es unvermeidlich, die syllogistische Theorie des ARISTOTELES zu erwähnen. Hat doch diese für ihre Zeit und den wissenschaftlichen Standpunkt ihrer Zeit bewunderungswürdige Theorie beinahe bis zur Gegenwart das Ansehen behauptet, dem ableitenden Schlußverfahren die Gesetze vorzuschreiben. KANT, der die Unterscheidung der syllogistischen Figuren als falsche Spitzfindigkeit gekennzeichnet hatte, schließt sich doch in seinen Vorlesungen über Logik der überlieferten Lehre an, und noch MILL war der Überzeugung, daß der Syllogismus, dessen Wesen er freilich verkannte, allen von ihm sogenannten "rationativen" Schlüssen zur Richtschnur diene. Seine empiristische Meinung, daß der syllogistische Schluß nur scheinbar vom Allgemeinen auf das Besondere gehe, hat uns hier nicht weiter zu berühren. Die Abhängigkeit, in welcher sich die Logik vom Stand der Wissenschaften im Allgemeinen befindet, läßt sich durch Nichts deutlicher machen, als durch den Hinweis auf den Syllogismus. Die aristotelische Metaphysik der substantiellen, zu Wesenheiten oder Ursachen verdinglichten Formen und die syllogistische Theorie sind nach DILTHEYs treffender Bemerkung zwei zusammengehörige, sich wechselseitig fordernde Tatsachen. Ist die Form oder die Art der natürlichen Dinge kein bloßes Ergebnis unserer Abstraktion, sondern die gestaltende Ursache der Dinge, entwickelt sie sich aus sich selbst heraus zum Besonderen und Einzelnen, so vollzieht sich wirklich schon durch die Einordnung des Einzelnen in seine Art und mittels dieser in die Gattung ein Fortschritt des Erkennens. Das Neue oder wie ARISTOTELES sagt, das Andere, von dem bereits Gesetzten Verschiedene, zu dem dieser Weg führt, besteht dann nicht aus einer vorher unbekannten oder ohne den Syllogismus nicht zu erkennende Tatsache, sondern aus der Einsicht in den Grund des im Schlußsatz ausgedrückten tatsächlichen Verhaltens. SOKRATES stirbt an seinem Menschsein, die Notwendigkeit seines Sterbens ist das, was syllogistisch begründet werden soll. Doch wählen wir, um den tieferen, durch das rein formalistische Gespinst verdeckten Sinn des syllogistishen Schlusses wieder hervortreten zu lassen und zugleich dem Unterschied der antiken Deduktionsweise von der modernen zu zeigen, ein Beispiel, das nebenbei auch den Vorzug sachlichen Gehaltes besitzt. Zum Obersatz: leuchtende Kugeln, die sich um einen Beobachter bewegen, zeigen bestimmte aufeinander folgende Lichtphasen, fügt ARISTOTELES den Untersatz hinzu: der Mond ist eine solche Kugel und folgert daraus - nicht, daß der Mond jene Phasen zeige, denn das lehrt schon der Augenschein, sondern daß er sie zeigen muß. Die Kugelform ist die Ursache der Mondphasen, die Ableitung der in die Erscheinung tretenden Wirkungen aus dieser Ursache das, was der Syllogismus zu leisten hatte. Nicht die Tatsache, nur die Notwendigkeit der Tatsache wird hierbei syllogistisch gefolgert. Es ist leicht zu sehen, daß dabei gerade das Wesentlichste vorausgesetzt wird, das, was wirklich allein auf dem Weg einer Schlußfolgerung zu entdecken war. Der eigentliche Schlußsatz nimmt bei ARISTOTELES die Stelle des Untersatzes ein und er muß sie einnehmen, weil sein syllogistisches Verfahren ausschließlich auf die Ableitung der Folgen aus ihren Gründen, der Eigenschaften und Wirkungen aus den "Formen" der Dinge zielte. Wir schließen im gegebenen Fall vielmehr: weil nur Kugeln Phasen, wie die, welche wir am Mond beobachten, zeigen können, so muß der Mond Kugelgestalt besitzen -, ziehen also einen Schluß, der auf den Mittelbegriff des Syllogismus, wie ARISTOTELES ihn anordnet, führt und aher nach seiner Bezeichnung eigentlich "epagogisch" [Schluß von der Folge auf den Grund - wp] heißen müßte. Der Syllogismus mit seinen drei Figuren, äußerlich betrachtet ein bloßes Versetzungsspiel mit Begriffen, dem ungefähr der Wert einer einfacheren Aufgabe aus der Kombinationsrechnung zukommt, hat bei ARISTOTELES die Bedeutung eines echten deduktiven Schlusses, des Schlusses aus dem Allgemeinen auf das Besondere, aus dem Grund auf die Folgen, aus der Art oder Form auf die in ihr angelegten Eigenschaften, aus der Ursache auf die Wirkung, die aus ihr zu erkennen ist. Kein Zweifel ferner, daß ARISTOTELES nur eine, für sich selbst beweiskräftige Form des Syllogismus kennt, da er seine zweite und dritte Figur durch Umformung der Sätze auf die erste zurückführt. Mit anderen Worten: Es gibt nach ARISTOTELES eine einzige Art der (deduktiven) Schlußfolgerung und diese ist der Syllogismus seines ersten Schemas. Daß die syllogistische Theorie in der ursprünglichen Auffassung ihres Urhebers nur noch geschichtliches Interesse in Anspruch nehmen kann, sollte gegenwärtig nicht mehr bestritten werden. Das Schicksal der aristotelischen Wissenschaftslehre ist von demjenigen der aristotelischen Wissenschaft selbst nicht zu trennen. In der Tat muß man den Syllogismus erst verflachen, indem man ihn auf die Darstellung der bloßen Umfangsbeziehungen von Klassenbegriffen einschränkt, um ihn mit einigem Schein von Berechtigung in die Logik der modernen Wissenschaft herübernehmen zu können. Prüfen wir das syllogistische Verfahren auch nach dieser seiner rein formalen Seite. Es gibt Schlüsse, bei welchen die Form der Ableitung einfacher und solche, bei denen sie verwickelter ist als die syllogistische. A = B, B = C; A = C. A ist Sohn von B, dieser Sohn von C; A Sohnes-Sohn von C - sind zwei Beispiele einfacherer Schlußfolgerungen, als es die syllogistischen sind. Es fehlt hier der vom Syllogismus geforderte Obersatz, Beweis dafür: eine Subsumtion der Begriffe findet nicht statt. Der Grundsatz: zwei Größen, die einer und derselben dritten Größe gleich sind, sind unter sich gleich, den man im ersten Beispiel für den stillschweigend angenommenen Obersatz halten könnte, ist das Prinzip des Schlusses, nicht seine obere Prämisse. Er gibt dem Schluß die Regel, nach welcher (nicht aus welcher) in ihm geschlossen wird. Als Beleg für Schlußformen, die zusammengesetzter sind als die syllogistischen, kann jeder Beweis der reinen Mathematik dienen, der in Gleichungen fortschreitet. Auch hier sind die Operationsgesetze, nach denen die Umformung der Gleichungen erfolgt, als die Regeln der Schlüsse aufzufassen, nicht als deren obere Prämissen. Die Forderung also, daß jeder Schluß einen Obersatz haben muß, oder was dasselbe bedeutet, durch Subsumption unter den allgemeinsten Begriff vollzogen wird, gilt nicht allgemein und da sich nur Schlüsse mit eigentlichen Obersätzen syllogistisch darstellen lassen, so kann der Syllogismus nicht die allgemeine Form der Schlußfolgerung bilden. Nur die völlig äußerliche Regel: Obersatz eines Schlusses sei derjenige Satz, der das Prädikat der Konklusion enthält, vermag über die eingeschränkte Gültigkeit des syllogistischen Verfahrens hinwegzutäuschen. Wer diese Regel gelten läßt, wird freilich ohne Mühe auch in einem Schluß, wie: gewisse Völker beten die Sonne an, also ein lebloses Ding oder gar im Schluß: KARL I. wurde hingerichtet, also können auch Könige hingerichtet werden, Obersätze entdecken können. Auf einen weiteren Mangel der syllogistischen Theorie soll hier nur durch ein Beispiel aufmerksam gemacht werden. Aus dem Satz, daß im rechtwinkligen Dreieck die Beziehung besteht: x² + y'" = r², wo r, x, y die Maßzahlen der Hypotenuse, der gegenüberliegenden und der anliegenden Kathete bedeuten, folgern wir den Satz: cos²α + sin²α = 1. Die Folgerung geschieht durch Division der Gleichung r², welche zum Satz führt: und die Definitionen von cosα und sinα. Sie baut sich also aus ungleichartigen Sätzen auf, ein Umstand, der obgleich gewiss logisch bedeutsam, in der syllogistischen Darstellung des Schlusses unberücksichtigt bleibt. 3) Die Einteilung der Aussagen in begriffliche Sätze und eigentliche Urteile hat auch für die Einteilungen der Schlußfolgerungen maßgebend zu sein. So gewiß nämlich Schlußsatz und Prämissen ein einheitliches Ganzes bilden, so gewiß hängt auch der Charakter des Schlußsatzes vom Charakter der Voraussetzungen oder Prämissen ab, von denen er abgeleitet wird. Auszugehen ist daher bei einer Einteilung der Schlüsse vom Prädikat der Konklusion, weil dieses Prädikat die Natur des Schlußsatzes bestimmt. Existentialsätze oder Urteile im engeren Sinn lassen sich (wenigstens in kategorischer Form) nur wieder aus Urteilen folgern und irgendeine Annahme tatsächlicher Art ist notwendig, um auch nur hypothetisch auf Dasein oder Wirklichkeit zu schließen. Dagegen bedarf ein Urteil, das außer der Tatsächlichkeit auch die Notwendigkeit seines Inhaltes behauptet, hinsichtlich dieses zweiten Bestandteiles der Behauptung, eines begrifflichen Satzes zu seiner Vermittlung. Schließe ich in dem oben angeführten Beispiel: Wärme muß die Schwingungen eines Pendels verlangsamen, so muß ich dabei den Satz: die Verlängerung eines Pendels vergrößert dessen Schwingungsperioden als ausnahmslos gültiges und notwendiges Gesetz betrachten, das sich aus der Natur der Pendelbewegung ergibt. Ein begrifflicher Satz endlich, der als solcher Allgemeingültigkeit und Notwendigkeit zu seinem Prädikat hat, kann nur aus begrifflichen Vordersätzen als Schlußsatz gewonnen werden. Durch die Kombination begrifflicher Sätze und Urteile im engeren Sinn erhalten wir sonach drei Hauptarten von Schlußfolgerungen: Schlüsse mit begrifflichen Sätzen allein, Schlüsse durch Verbindung eines Urteiles mit einem begrifflichen Satz und endlich Schlüsse, deren Vordersätze aus lauter Urteilen gebildet werden. Unsere zweite Schlußart enstpricht, wie man sogleich sieht, ihrer Form nach dem ersten Schema des aristotelischen Syllogismus. Sie enthält den Typus des deduktiven Schließens, durch welches Tatsachen entdeckt und zugleich erklärt, d. i. als notwendig erkannt werden. Die dritte umfaßt Fälle nach dem zweiten Schema (aber mit positiven Prämissen) und solche der dritten Figur, bei denen ein eigentlicher Obersatz nicht gegeben ist. Diese drei Arten der Schlußfolgerungen, die sich nach dem zugrund gelegten Prinzip als die einzig möglichen herausstellen, sollen nun näher beschrieben und durch Beispiele erläutert werden. 4) Ich nenne die Schlüsse der ersten Art mathematische Schlüsse, weil die Mathematik, zu der ich hier auch die theoretische Mechanik zählen will, das Hauptgebiet ihres Vorkommens und ihrer Anwendung bildet. Doch lassen sich Belege für sie auch ebensogut philosophischen Deduktionen entlehnen, die wie jene in SPINOZAs Ethik die Form mathematischer Schlußfolgerungen nachahmen. - Man erinnere sich z. B. an den Beweis des XIV. Lehrsatzes im I. Buch der Ethik, den ich hier nur im Auszug anführen kann. Aus dem Satz: Gott ist die absolut unendliche Substanz, ergibt sich zunächst: ein jedes Attribut irgendwelcher Substanz ist ein Attribut Gottes und daraus folgt mit Hilfe des Satzes: zwei oder mehrere Substanzen desselben Attributes sind nicht möglich, der Schluß: Gott allein ist die Substanz. In mathematischen Schlüssen ist die Zahl der Vordersätze nicht begrenzt, ein Unterschied zwischen Obersätzen und Sätzen, die diesen subsumiert werden, findet nicht statt, die Vermittlung des Schlusses geschieht durch Gleichungen, womit sich die Rechnung und in der Geometrie die Konstruktion als Hilfsoperationen verbinden, Existenzbehauptungen endlich kommen in rein mathematischen Entwicklungen nicht vor; wie die Prämissen, so behauptet vielmehr auch der Schlußsatz notwendige, nicht tatsächliche Gültigkeit. Die Behauptung von Notwendigkeit schließt höchstens die hypothetische Behauptung von Existenz in sich ein, sie ist auch mit der Annahme der Nichtexistenz des als notwendig Behaupteten verträglich. Ob in der Natur eine absolut gleichförmige Bewegung vorkommt oder nicht, aus der Gleichung s = c • t, welche diese Bewegung definiert, folgt, wenn man für eine zweite Bewegung s'= c' • t' setzt, unter der Annahme, daß c = c' ist jedenfalls s:s' = t:t' und t:t' = s:s', und ebenso wenn t = t' ist, daß s:s' = c:c'; c:c' = s:s' sein muß. Die mathematische Analyse der Konsequenzen der Definition eines Begriffes ist unabhängig von der Existenz oder Nichtexistenz eines Objektes des fraglichen Begriffes. Gewiß ist die Erfahrung der Anlaß zur Bildung der Begriffe einer gleichförmigen und einer gleichförmig beschleunigten Bewegung, wie sie auch der Anlaß zur Bildung des Begriffs eines ebenen geradlinigen Dreiecks ist. Die analysierende Abstraktion aber berücksichtigt und entwickelt von der Bewegung nur das, was von ihr gelten muß, wenn sie absolut gleichförmig ist, was als notwendig folgt (z. B. Proportionalität der Geschwindigkeitszunahme mit der Zeit), wenn eine Bewegung gleichförmig beschleunigt wird. Daß die Fallbewegung wirklich eine gleichförmig beschleunigte Bewegung ist, ist ein Urteil, das experimentell erwiesen werden muß. Begriffliche Sätze, zu denen auch die Theoreme der abstrakten Mechanik gehörten, haben, als Urteile aufgefaßt, nur hypothetische Bedeutung. Treten in den Beweisen der Geometrie Existentialsätze auf, so drücken diese immer ein Urteil über ein bestimmtes geometrisches Gebilde aus; also ist die Schlußfolgerung in diesen Fällen nicht länger eine rein begriffliche, sie gehört vielmehr zum zweiten, gleich zu betrachtenden Schema der Unterorndung eines Urteils unter einen begrifflichen Satz. Haben wir erst mathematische Analyse und Synthese (durch Zerlegung der Figur und Vergleichung der zerlegten Bestandteile) gezeigt, daß von jedem rechtwinkligen Dreieck die pythagoräische Beziehung gelten muß, so folgern wir das Stattfinden dieser Beziehung für ein einzelnes vorliegendes Dreieck, das wir aus den Bedingungen seiner Konstruktion als rechtwinklig erkennen. In analoger Weise wenden wir die Kongruenzsätze auf bestimmte gegebene Dreiecke an, etwa solche, die wir bei der Zerlegung eines Parallelogramms durch die Diagonale erzeugen, - und so in allen Fällen dieser Art. Dergleichen besondere Konstruktionen, durch welche bestimmte einzelne Gebilde erzeugt werden, sind in der Geometrie das, was in der Physik Experimente sind. Sie führen gleich diesen zu Urteilen im engeren Sinn, zu Sätzen also, denen die Beziehung auf ein Objekt außer den Begriffen wesentlich ist. 5) Durch die Verbindung ungleichariger Sätze werden deren Prädikate: Notwendigkeit und Wirklichkeit einheitlich verknüpft. Hierin spricht sich vor allem das Eigentümliche des zweiten, von uns unterschiedenen Schlußschemas aus. Gefolgert wird nach diesem Schema nicht bloß eine Tatsache, sondern immer zugleich auch die Notwendigkeit der solchergestalt ermittelten Tatsache. Der Schlußsatz hat mithin die Bedeutung eines begriffenen, d. h. eben in seiner Notwendigkeit erfaßten Urteils. Aus dem Gesetz des Gleichgewichts einer Flüssigkeit in kommunizierenden Röhren schließen wir, daß das Grundwasser einer Gegend gleich hochstehen muß. Da die Doppelbrechung eines Kristalles durch die ungleiche Elastizität in der Richtung der Axen des Kristalls bewirkt wird, so folgert FRESNEL, daß ein transparentes Medium (z. B. Glas) durch einseitigen Druck doppelbrechend werden muß. Der Obersatz dieses Schlusses ergibt sich aus mathematischen Erwägungen in Verbindung mit gewissen Grundtatsachen der Optik und ist sonach als begrifflicher Satz oder als Gesetz aufzufassen, der Untersatz behauptet die Verwirklichung der im Obersatz ausgedrückten Ursache der Doppelbrechung: der ungleichen Elastizität, der Schlußsatz endlich erklärt das Eintreten der Wirkung unter der vom Untersatz als tatsächlich behaupteten Bedingung (der einseitigen Kompression) für notwendig und wirklich zugleich. Die gefolgerte Tatsache, deren Realität der Versuch bestätigt, gewinnt überdies im Zusammenhang dieses Schlußverfahrens die Bedeutung eines spezielleren Gesetzes: so oft ein durchsichtiger Körper einseitigen Druck erfährt, muß er doppelbrechend werden. Das ist allgemein der Fall, wenn die theoretisch abgeleitete Erscheinung willkürlich durch das Experiment hervorgerufen werden kann. Eine durch das Gewicht der ermittelten Tatsache besonders ausgezeichnete Schlußfolgerung nach unserem Schema, die daher kurz erörtert werden soll, ist diejenige LEVERRIERs, welche zur Auffindung des Neptun führte. Jede Störung in der Bahn eines Planeten (jede Abweichung der Bahn von den KEPLERschen Gesetzen) hat die Gravitation anderer Massen zu ihrer Ursache; nun zeigt die Bahn des Uranus Störungen, die aus der Gravitation der bereits bekannten kosmischen Körper nicht zu erklären sind, es muß also ein zur Zeit noch unbekannter Weltkörper existieren, auf dessen Einwirkung der unerklärte Teil der Uranusstörungen zurückzuführen ist, d. h. die Existenz eines solchen Körpers ist als eine notwendige zu behaupten. Dieses Beispiel zeigt nicht nur, was der deduktive Schluß vermag, es zeigt auch, was er für sich allein nicht vermag. Der wirkliche Schluß LEVERRIERs lautete nämlich weiter bestimmter, als der eben angebene, auf sein logisches Schema reduzierte. Er führte überdies auf den Ort des neuen Planeten zur Zeit seiner Entdeckung. (Der Planet sollte im August 1846 im Sternbild des Steinbocks ein wenig östlich vom Stern δ des Bildes zu suchen sein und bekanntlich hat ihn auch GALLE in Berlin kaum 1° von dem durch LEVERRIER theoretisch vorausgesagten Ort wirklich aufgefunden.) Dieser völlig bestimmte Schluß aber war nur durch mathematische Bearbeitung des Untersatzes, auf dem Weg der Rechnung zu gewinnen. Schließen und Rechnen sind ohne Zweifel zwei verschiedene Geistesoperationen, die vielfach zusammenwirken und miteinander Verbindungen eingehen, ohne daß es möglich wäre, die eine völlig in die andere aufzulösen. - Das Logik-Kalkül, die Verwandlung allen Schließens in Rechnen, bildet, beiläufig bemerkt, eher einen neuen Zweig der Mathematik, als, was er nach der Meinung seiner Urheber sein soll, eine allgemeine Theorie der Schlußfolgerungen. Während bei Schlüssen aus begrifflichen Sätzen ein Unterschied zwischen oberen und diesen unterzuordnenden Prämissen nicht besteht, vielmehr alle Vordersätze mitsamt dem daraus hergestellten Schlußsatz auf einer und derselben erkenntnistheoretischen Stufe stehen, sind die Schlüsse mit begrifflichen Sätzen und Urteilen und nur sie allein, Schlüsse, welche eigentliche Obersätze haben. Und zwar wird bei ihnen dem begrifflichen Satz oder dem Gesetz, als der oberen Prämisse, das betreffende Urteil untergeordnet, das dadurch zum Untersatz wird. Daher sind diese Schlüsse, gleich dem Syllogismus der alten Logik (genauer der ersten Figur desselben), aus drei Sätzen aufgebaut. Ihre allgemeine Formel lautet nach unserer Auffassung: Der Satz A ist B gilt notwendig, im Falle C gilt A tatsächlich, also gilt in diesem Fall B sowohl notwendig als auch tatsächlich oder was dasselbe bedeutet, der Satz C ist B hat notwendige Existenz zu seinem Prädikat, er ist ein begriffenes Urteil. Nach dieser Formel wird vom tatsächlichen Stattfinden einer Ursache auf das tatsächliche und notwendige der Wirkung geschlossen, ebenso aber auch vom Stattfinden der Wirkung auf die Realität und Notwendigkeit der Ursache - in jenen Fällen, in welchen die Ursache als allgemein-begrifflichen Gründen, als die einzig mögliche zu erkennen ist. Weil ein Körper, der Phasen zeigt wie der Mond, nur ein kugelförmiger Körper haben kann, muß der Mond Kugelgestalt besitzen. Hier geht der Schluß von der regelmäßig zu beobachtenden Wirkung auf die nicht zur Beobachtung gelangende, ausschließliche Ursache, wogegen er im früher erwähnten Beispiel vom gleichen Niveau des Grundwassers von der Ursache (Flüssigkeit in kommunizierenden Röhren) auf die Wirkung führt. Weitere Anwendungen des Schemas in hypothetischer Form und mit disjunktiven Obersätzen sollen hier übergangen werden. Ebenso halte ich es für überflüssig, Schlüsse mit negativen Obersätzen als besondere Art zu unterscheiden. Gilt der Satz: "was nicht A ist, ist nicht B" allgemein und notwendig, so gilt auch ohne weiteres der Satz: " B ist notwendig A" und der Schluß aus jenem negativen Satz als Obersatz fällt mit dem Schluß aus diesem positiven als oberer Prämisse zusammen. Schließe ich: Molekularanziehungen können nicht Wirkungen der Gravitation sein, so gewiß sie ein anderes Gesetz befolgen, als das NEWTONsche; so kann der Obersatz dieses Schlusses ebensogut lauten: was irgendein anderes Anziehungsgesetz als das NEWTONsche befolgt, ist nicht Wirkung der Gravitation, wie: "Gravitationswirkungen erfolgen ausschließlich nach dem NEWTONschen Gesetz." Als wirkliche Nebenform unserer Schlußart dagegen ist der Schluß mit verstecktem, nicht ausdrücklich hervorgehobenem Obersatz anzusehen, den man als Analogieschluß bezeichnet. Aus den mancherlei Übereinstimmungen zwischen Erde und Mars (der Wasserbedeckung, einer ähnlich zusammengesetzten Atmosphäre usw.) schließen wir auf die Bewohnbarkeit des Mars, weil wir voraussetzen, daß Wasser, eine bestimmt gemischte Luft, Temperatur zwischen gewissen Grenzen usw. für das organische Leben notwendig sind. Ohne die Beispiele dieser Schlußform zu häufen, will ich nur das Prinzip der Analogie in Kürze erörtern. Es handelt sich bei der Analogie nicht um die Zahl, sondern um das Gewicht der Merkmale; nicht um Eigenschaften, die regelmäßig zusammen bestehen, sondern um eine oder mehrere Eigenschaften, die gesetzlich die übrigen mit sich bringen; und das setzt wiederum voraus, daß zwischen den gegebenen Beschaffenheiten und den gefolgerten eine irgendwie einzusehende ursächliche Beziehung anzunehmen ist. 6) Aus Urteilen können nur wieder Urteile gefolgert werden. Unsere dritte Art der Schlußfolgerungen entbehrt daher gleich den Schlüssen der ersten Klasse eigentlicher Obersätze. Um diese von der gewohnten Vorstellungsweise abweichende Behauptungen zu rechtfertigen, müssen wir zwischen Notwendigkeit als Kennzeichen und Notwendigkeit als Ergebnis des Schlußverfahrens unterscheiden. Jeder Schluß, der logisch richtig ist, muß notwendig sein, aber nicht jeder Schluß hat Notwendigkeit auch zum Prädikat seiner Konklusion. Mit anderen Worten, wenn auch überall, wo eine richtige Schlußfolgerung vorliegt, mit Notwendigkeit geschlossen wird,so wird doch nicht überall auf Notwendigkeit geschlossen. Des weiteren hat man zwischen Prinzip und Obersatz eines Schlusses zu unterscheiden. Niemals geht das Prinzip, nach welchem geschlossen wird, in den Schluß selbst als Prämisse ein. Würde es erlaubt sein, die Prinzipien der Schlüsse in diese als Obersätze einzuführen, so ließe sich allerdings jeder beliebige Schluß syllogistisch einkleiden, man brauchte dann nur die Regeln des Syllogismus irgend einem besonderen Schluß voranzustellen. Aber geschlossen wird nicht aus diesen oder anderen Regeln, sondern nach den Regeln. Man versuche es, im Schluß: KARL I. war König von England und er wurde hingerichtet, also gab es (mindestens) einen König, der hingerichtet wurde, den Obersatz nachzuweisen. Wie die beiden Vordersätze geschichtlichen Tatsachen Ausdruck geben, so ist auch der Schlußsatz ein Urtel von zunächst rein faktischer Gültigkeit. Das Ereignis der Hinrichtung wird in diesem Schluß gewiß nicht den Eigenschaften des Königs als solchen irgendwie untergeordnet, somit als durch sie notwendig gesetzt erkannt; es erscheint eben nur wirklich mit ihnen verbunden. Allerdings hat der Schlußsatz noch eine weitere, über seinen nächsten Sinn hinausweichende Absicht, die seinen erkenntnistheoretischen Wert bedingt und welche wir aufdecken, wenn wir die Folgerung hinzufügen, also können auch Könige hingerichtet werden. Er will die falsche Behauptung widerlegen: Könige seien jederzeit von den Gesetzen ihres Landes eximiert gewesen oder genauer: weil es dem Begriff des Königtums widerspricht, den Gesetzen unterworfen zu sein, so kann auch in Wirklichkeit kein König dem Gesetz verfallen. Doch gehört diese Erwägung samt dem fälschlich als allgemeingültig betrachteten Urteil eben in den weiteren Denkzusammenhang, in den der Schluß eingeht, aus dem er aber nicht hervorgeht. Wir haben damit eine der Unterarten der Schlußfolgerungen aus Urteilen kennen gelernt: die Schlüsse mit partikulärem, d. i. der wahren Bedeutung des partikulären Satzes zufolge mit negativem Schlußsatz. Ich stelle sie der Wichtigkeit halber, die ihnen im Erkenntniszusammenhang zukommt, voran. Ob ich schließe: einige als Fixsterne betrachtete Sterne haben Eigenbewegung, also sind nicht alle scheinbaren Fixsterne auch wirklich unbewegt oder die Metalle Lithium, Kalium, Natrium u. a. schwimmen auf dem Wasser, folglich müssen nicht alle Metalle spezifisch schwerer sein als Wasser oder endlich ein Mineral: der Diamant ist brennbar, also schließen die übrigen Eigenschaften eines Minerals die Brennbarkeit nicht aus - Schlüsse, die aus lauter Urteilen im engeren Sinne bestehen - immer handelt es sich dabei um die Verneinung oder Widerlegung einer fälschlich für allgemein gehaltenen Aussage, die Konstatierung von Ausnahmen von einer prätendierten Regel und damit die Aufhebung der Regel selbst. Die übliche syllogistische Darstellung dieser Schlüsse (der III. Figur) führt von ihrem eigentlichen Sinn ab und lenkt die Aufmerksamkeit auf einen nebensächlichen (und selbstverständlichen) Umstand. Wenn ich nur weiß, daß einige M S sind (oder nicht sind), so muß ich freilich wissen, daß alle M P sind, um schließen zu können, daß gewiß einige S P sind (beziehungsweise nicht sind), dies aber nur aus dem Grund, um versichert zu sein, daß es die nämlichen S sind, von denen erst im sogenannten Untersatz und dann im Schlußsatz die Rede ist. Offenbar genügt aber auch ein einziges M zum Schluß und damit verschwindet zugleich der Schein, den die irreführende syllogistische Formulierung erzeugt, daß auch bei diesen Schlüssen ein wirklicher Obersatz vorhanden sein müsse. Die allgemeine Aussage, das universelle Urteil oder der begriffliche Satz, auf welchen sich die eben betrachteten Schlüsse mittelbar beziehen, ist jederzeit erst dem weiteren Erkenntniszusammenhang zu entnehmen, beziehungsweise in diesen Zusammenhang einzuführen, gehört also nicht zum Schluß als solchem. Denn gleichviel, ob ich die falsche Annahme teile oder nicht, daß alle Metalle schwerer sind als Wasser, durch die Verbindung der Urteile Lithium, Kalium ... sind Metalle und schwimmen auf dem Wasser, werde ich jedenfalls belehrt, daß es Metalle gibt, die auf dem Wasser schwimmen. Dennoch aber müssen wir bei der Behauptung bleiben, daß ein derartiger Schluß seinen wissenschaftlichen Wert erst von der Auffassung der Konklusion als eines partikulären oder negativen Urteils empfängt. Nicht alle S sind P oder sind P nicht; denn es gibt M, die S sind und P nicht sind, M, die zugleich S und P sind. Dazu fügte LOTZE noch den wichtigen Fall: wenn es ein M gibt, das weder S noch P ist, so ist die Annahme falsch, daß S und P eine vollständige Disjunktion bilden, alles, entweder S und nicht P oder P und nicht S sein muss. Wir überzeugen uns durch diesen Schluß von der Unvollständigkeit einer Einteilung der Objekte nach Begriffen, folgern also, daß es außer den Klassen S und P noch eine dritte R geben muß, eben diejenige, zu der das M gehört. Außer der Verneinung eines allgemeinen, aus dem Denkzusammenhang zu ergänzenden Satzes kann der Schluß aus zwei (oder mehreren) Urteilen auch die Bejahung eines solchen Satzes bezwecken oder er mag selbst beiden Absichten zugleich dienen, also durch die Verneinung einer allgemeinen Aussage die Bejahung der der verneinten entgegengesetzten Aussage anstreben. So schließen wir aus der Beobachtung, daß es Fixsterne mit Eigenbewegung gibt, nicht bloß, daß der Satz: alle Fixsterne sind unbeweglich an eine Sphäre geheftet, falsch sein muß, sondern überdies noch, daß es vielleicht gar keine Fixsterne gibt oder was dasselbe bedeutet, daß alle sogenannten Fixsterne in Wirklichkeit Sterne sind, welche Eigenbewegung besitzen. Doch hat in einem jeden derartigen Fall der Schlußsatz, entsprechend der hier in Betracht kommenden doppelten Bedeutung des Ausdrucks der Partikularität einen doppelten Sinn. Einige Fixsterne bewegen sich, heißt in der Richtung der Verneinung gelesen: nicht alle sind unbeweglich, bejahend aufgefaßt: möglicherweise bewegen sich alle. Treffen wir bei einer Reihe von Dingen auf eine beständige Verbindung, sei es der Gleichzeitigkeit oder der Folge zweier verschiedener Eigenschaften, so führt uns der Schluß aufgrund dieser Beobachtung zwar unmittelbar nur vom Vorkommen der einen Eigenschaft auf das Mitvorhandensein der zweiten, zielt aber noch darüber hinaus auf die Notwendigkeit der Verbindung, d. i. auf ein ursächliches Verhältnis zwischen den betreffenden Eigenschaften. Substanzen, wie Öl, kanadischer Balsam usw., mit hohem Brechungsindex, im Vergleich zu ihrer Dichte, zeigen zugleich leichte Verbrennlichkeit; wir folgern daraus nicht nur, daß, wo die erstere Eigenschaft vorhanden ist, auch die zweite vorhanden sein wird, sondern vermuten außerdem, daß ein hoher Brechungsindex die Ursache leichter Brennbarkeit bezeichne. Und ähnlich schließen wir aus der beständigen Verbindung von Ortsbeweglichkeit und einem höher entwickelten Empfindungsvermögen auf den ursächlichen Zusammenhang dieser beiden Fähigkeiten animaler Wesen. Abermals finden wir uns durch diese Beispiele auf sogenannte Analogieschlüsse geführt. Von der früher betrachteten Klasse dieser Schlüsse unterscheidet sich aber die gegenwärtige durch den Umstand, daß bei ihr der allgemeine Satz oder das Gesetz nicht wie bei jener schon vorher in unserem Gedanken liegt und bloß unausgesprochen bleibt, sondern erst durch den Schluß angestrebt wird. Er kann also unter keinen Umständen als der Obersatz eines derartigen Analogieschlusse gelten. Es mag zwar in manchem konkreten Fall zweifelhaft erscheinen, zu welcher Klasse ein bestimmter Analogieschluß zu zählen sei, theoretisch steht der Unterschied der beiden Klassen aber nichtsdestoweniger fest. - Die Anwendung des DOPPLERschen Prinzips auf die Messung der Eigenbewegung der Fixsterne z. B. beruhte auf einem Analogieschluß, von dem es fraglich sein kann, ob wir ihn der ersten oder der zweiten Klasse dieser Schlüsse einreihen sollen. Die Farbenstufe verhält sich analog der Tonhöhe. Wie diese durch die Anzahl der Luftschwinungen, so wird jene durch die Anzahl der Schwingungen des Äthers bedingt. Also werden auch die Erscheinungen, die von der Bewegung einer Lichtquelle ausgehen, denjenigen enstprechen müssen, welche von der Bewegung einer Schallquelle abhängen. Bewegt sich ein tönender Körper mit großer Geschwindigkeit zum Beobachter hin (oder dieser zur Schallquelle), so wird der Ton höher, in gleicher Weise wird also eine Farbe durch rasche Annäherung der Lichtquelle eine Verschiebung nach dem violetten Ende des Spektrums hin erleiden. Ein roter Stern wird daher gelb werden, wenn er sich in der Gesichtslinie des Beobachters nähert, ein gelber rot, wenn er sich entfernt. Daraus läßt sich der Sinn seiner Bewegung erkennen, deren Geschwindigkeit aus der Größe der Verschiebung zu berechnen ist. Während der letzte Teil dieser Schlußreihe durch Subsumption unter die Regel erfolgt, die durch den vorangehenden Analogieschluß gewonnen wird, fällt dieser Schluß selbst, je nachdem man seine Prämissen auffaßt, unter die erste oder die zweite Klasse der Folgerungen nach Analogie. Jenes, wenn wir die Bedingung der Erhöhung eines Tones und die analoge der Verschiebung der Farbe (die Vermehrung der Anzahl der Luftschwingungen, bzw. der Ätherwellen) in Gedanken als Obersätze hinzufügen, dieses, wenn wir uns nur im Allgemeinen an das analoge Verhalten von Ton und Farbe halten. Als eine weitere Form der Schlüsse aus Urteilen ist endlich diejenige anzuführen, welche man in Ermangelung eines anderen Namens als die der historischen Schlüsse bezeichnen könnte. Es handelt sich dabei um die Ableitung einer bestimmten Tatsache als solcher , d. i. die Gewinnung eines Einzelurteils, das lediglich Wirklichkeit und nicht zugleich Notwendigkeit des Vorgestellten behauptet, durch Verbindung zweier oder mehrerer anderer Urteile. Aus den beiden Sätzen: das Ereignis A ist früher als B, dieses früher als C, folgt, daß A früher ist als C. Ist A früher als B oder gleichzeitig mit diesem, B gleichzeitig mit C, so ist A früher als C oder gleichzeitig mit C. Die anschauliche Gewißheit der hier in Betracht kommenden Zeitverhältnisse - etwa die Erwägung: was früher ist, als das einem dritten vorangehende, ist auch früher, als das dritte - dient nicht als Obersatz, sondern als Prinzip des Schlusses. Ich gebe ein konkretes Beispiel. Diese Kiesel zeigen sichere Spuren menschlicher Bearbeitung, sie rühren aus einer bisher ungestörten quaternären [Zeitalter des aufkommenden Menschen vor ca. 2,5 Mio. Jahren - wp] Ablagerung her, also reicht das Alter des Menschen mindestens in die quaternäre Zeit zurück. Der Schluß auf diese Tatsache ist ohne Zweifel zwingend, sein Prinzip der ursächliche und zeitliche Zusammenhang zwischen dem Menschen und seinem Werkzeug. Wir würden aber sein Wesen verändern, wollten wir, nur um ihn syllogistisch einkleiden zu können, dieses Prinzip zu seinem Obersatz machen. Die Gesetze, die das Erscheinen des Menschen zu einer bestimmten Zeit erklärten, sind unbekannt und obgleich wir aus den angegebenen Sätzen mit Notwendigkeit schließen, daß der Mensch schon in der quaternären Zeit gelebt haben muß, schließen wir doch nicht auf die Notwendigkeit dieser Zeitbestimmung. Der Grund derselben bleibt uns nach dem Schluß so unbekannt wie zuvor. Von den Ableitungen einer Tatsache aus dem Gesetz der Tatsache unterscheiden sich somit die in Rede stehenden Folgerungen durch den Umstand, daß bei ihnen die Notwendigkeit wie bei jedem Schluß zwar zum Verfahren der Ableitung gehört, aber nicht zugleich als Ergebnis derselben, d. i. als Prädikat des Schlußsatzes auftritt. Aus diesem Grund müssen sie auch der dritten Art der Schlußfolgerung: den Schlüssen aus Urteilen beigezählt werden, womit zugleich unsere Übersicht der wichtigsten, in der Wissenschaft gebräuchlichen Schlußarten zuende geführt ist. |