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WALTER ESCHENBACH
Fritz Mauthner und das
Problem der Geschichtlichkeit

I I

Die Sprachkrise des 19. Jahrhunderts
Das Problem der Abstraktion
Sprache und Denken
Die Kommunikationskrise
Überwindung der Sprachkrise
Wirkungsgeschichte Mauthners
Der gesamte Bau unserer gegenwärtigen Weltanschauung oder Sprache besteht aus einem Material, das die veraltete Weltanschau- ung oder Sprache war und darum heute Religion geworden ist.

Im Zeichen des  Lebenspathos  erschien die Sprache als ein totes, starres, vereinzelndes und fixierendes Gebilde, das dem dynamischen, sich stets verändernden Prozeß der Lebensganzheit ganz und gar inkongruent ist. In dem Bemühen um die sprachliche Erfassung und Wiedergabe der Vielfalt und Individualität der Wirklichkeit verkörperte die Sprachkrise um 1900 die Kritik am ungenügenden und täuschenden Abstraktionsprinzip der Sprache, das die Einzigartigkeit und Unvergleichbarkeit der realen Phänomene stets in begriffliche Allgemeinheit und Gleichheit verfälscht.

Der dritte wesentliche Aspekt der MAUTHNERschen Sprachkritik an dem Verhältnis  Sprache - Realität  entsprang seinem historisch-kritischen Sprachbewußtsein, der Erfahrung der permanenten Diskrepanz zwischen  aktueller, gegenwärtiger  Wirklichkeitserfahrung und  überliefertem, anachronistischem  Sprachmaterial. GUSTAV LANDAUER sprach im Anschluß an MAUTHNERs Auffassung vom "Fluch und Wesen der Sprache: sie muß neu Wahrgenommenes alt aussprechen, jedes Apercu [geistreiche Bemerkung - wp] an alte Worte" festkleben"(22).

Die Hypothek der Sprache stellt sich den stets veränderten Eindrücken und mehr noch dem neuen Ausdruckswillen ungewohnter und neuartiger Erfahrungen und Einsichten als ein kaum zu überwindendes Hindernis in den Weg.

Die wahre Erkenntnis muß sich also nicht nur gegen die  synchrone  Inkongruenz von Sprache und Wirklichkeit durchsetzen; sie ringt zusätzlich gegen eine  diachrone  Diskrepanz, die sich zwischen der Beharrungstendenz der Sprache und den fortschreitenden Bewußtseins- und Wissenselementen der geistigen Entwicklung auftut. Die historische Komponente gewinnt in der antihistorischen Wendung der MAUTHNERschen Sprachkritik ihre besondere Relevanz.

Der Verfasser kündigt an:
    "Ich werde an vielen Stellen darauf hinweisen, daß die Kategorien unserer Sprache nicht mehr mit unserer gegenwärtigen Welterkenntnis zusammenstimmen"(23).
Ein Vergleich der aktuellen Erkenntnisstufe mit den gebräuchlichen und bekannten Sprachgewohnheiten ergibt eine deprimierende Aussicht auf die Möglichkeit einer Durchsetzung zeitlich angemessener Sprachformen.
    "Niemals ist die Sprache einer Zeit vollkommen auf der Höhe dieser Zeit. Immer besteht die Anstrengung eines philosophischen Kopfes darin, sich teilweise von dem Netz der alten Kategorien zu befreien. Denn es ist das Eigentümlich bei diesem Netzwerk, daß der Fischer mit seinem eigenen Kopfe selbst ins Netz gerät. So ist die Sprache niemals so nützlich, wie sie sein könnte"(24).
MAUTHNER insistiert hartnäckig auf dieser Differenz zwischen den veralteten Sprech-, Seh- und Denkgewohnheiten und dem neuesten Stand der modernen Wissenschaft, wobei er zu dem pessimistischen Schluß gelangt: "aber die Vorzeit wirkt auf unser Leben wie auf unsere Sprache gespensterhaft" nach"(25). Die Sprache ist deshalb für MAUTHNER mehr oder weniger eine Totensprache.

Die Kluft zwischen den neuen Entdeckungen und Wissenserweiterungen auf allen Gebieten und einer  alten,  den Veränderungen kaum angepaßten Sprache hatte sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts zweifellos stärker ausgeprägt als je zuvor. Gegen Ende des Jahrhunderts hatten ein ungehemmtes Evolutionsdenken und eine gesteigerte Fortschrittsmentalität jener auf die Gegenwart und Zukunft gerichteten Denkhaltung den Weg ebnet, aus der die verschärften und radikalisierten Vorwürfe gegen die traditionellen, nach rückwärts gewandten Spracheigenschaften erwachsen konnten.
    "Es ist nicht wahr, daß die Wirklichkeitswelt unverändert nach irgend einem Schöpfungsplane fortbesteht. Die Welt entwickelt sich. Hinter ihr her, ihr nachhinkend, entwickelt sich die Sprache. Es kann also die Sprache schon aus diesem Grunde kein richtiges Weltbild geben"(26).
Die Religion ist für MAUTHNER die deutlichste Verkörperung dieser Sprachkrise, der Macht des Fortdauerns und Überlebens anachronistischer Sprachformen, die längst inhaltsleer geworden sind. Mehr noch: die Religion wird geradezu zum Symbol der modernen Sprachkrise überhaupt.
    "Religion und Wissenschaft müssen, vom Standpunkte unserer Kritik aus, darum in einem unüberbrückbaren Gegensatze stehen, weil Religion jedesmal und für jede Generation nichts anderes ist, als die eben überwundene Weltanschauung der früheren Generation oder die einer noch älteren Zeit. Religion ist die Weltanschauung oder die Sprache, die nicht mehr die Weltanschauung oder die Sprache der jeweiligen Gegenwart ist. (...) Der gesamte Bau unserer gegenwärtigen Weltanschauung oder Sprache besteht aus einem Material, das die veraltete Weltanschauung oder Sprache war und darum heute Religion geworden ist. (...) Da ist nie ein Wort in der neuen Sprache oder Weltanschauung, welches nicht seiner unverwischbare Geschichte hätte, welches nicht einen konservativen, einen veralteten, einen religiösen Sinn hätte. Darum kann nur die Kritik der Sprache uns zu einiger Klarheit über unsere eigene Weltanschauung verhelfen"(27).
In der Gegenüberstellung des religiösen, metaphysischen Weltbildes mit einer modernen, (natur-)wissenschaftlichen Wirklichkeitsauffassung charakterisiert MAUTHNER eine sprachliche Veränderung und Ablösung, die eigentlich bereits drei- bis vierhundert Jahre vor seiner eigenen Zeit stattgefunden hatte. Was an Sprach- und Bewußtseinsrelikten diese entscheidende Wende zum neuzeitlichen Weltbild möglicherweise noch überdauert hatte, hätte wohl einer etwas differenzierten Untersuchung der Sprach- und Denkgewohnheiten bedurft.

Wir stoßen hier auf ein ganz bezeichnendes Beispiel jener ungenauen, beinahe unhistorischen Betrachtungsweise MAUTHNERs, die die wesentlichen Unterschiede und Veränderungen, die zwischen der generell neuzeitlichen Sprachkrise und der besonderen Situation um 1900 bestanden, außer Acht ließ und sie auf einen großen gemeinsamen Nenner brachte. Das erleichterte zwar eine Ausweitung und Radikalisierung der sprachkritischen Thesen, reduzierte aber deren Gültigkeit und Wirkung innerhalb der spezifischen Sprachproblematik der Jahrhundertwende.

Dieser Vorwurf muß auch für die drei Altersperioden gelten, die MAUTHNER innerhalb der Begriffsgeschichte aufzuzeigen versucht.
    "Es dürfte wohl nicht anders sein, als daß gerade die großen Worte, um derentwillen Tausende von Hirnschalen im Frieden zerbrochen und im Krieg eingeschlagen worden sind, ihre drei Altersperioden gehabt haben. Diese großen Abstracta:  Gott, Ewigkeit, Schöpfung, Kraft  usw. sind von dichterischen Köpfen zuerst symbolisch aufgestellt worden. (...) In der zweiten Periode wird das große Wort zum Philister. Es wird etwas Hergebrachtes. Niemand zweifelt daran, weil eigentlich niemand daran glaubt. In der dritten Periode ist das Wort vom Philistertum so ausgelaugt, es ist so strohern geworden, daß es jetzt Philosophie heißt. Das einstige Symbol war zum Spiele gut, jetzt wird das Wort wörtlich genommen. Man hat seinen Sinn verloren und nimmt es darum sinnlos ernst"(28).
MAUTHNERs Argumentationsweise und auch die von ihm gewählten Beispiele verraten immer wieder jene verhängnisvolle Neigung zur Überzeichnung, Verabsolutierung und Radikalisierung, die einen an sich beachtenswerten und einleuchtenden sprachkritischen Gedanken allzu oft ins Triviale, Läppische, beinahe Lächerliche abgleiten lassen. Um die Berechtigung und Bedeutung seiner Sprachtheorie zu untermauern, wählte er mit Vorliebe extreme Positionen und längst überwundene Fragestellungen, die dann seinem eigentlichen Anliegen eher schaden und auch die Wirkung beim heutigen Leser erheblich vermindern. Gerade seine forcierte atheistische Einstellung verführte ihn immer wieder, religiöse oder allgemein metaphysische Sprachprobleme hochzuspielen, die in weit zurückliegende Epochen gehören und in der spezifischen Sprachkrise um 1900 kaum mehr eine Rolle spielten.

Eine weitere Schwäche der MAUTHNERschen Sprachkritik besteht darin, daß er die meisten historisch bedingten Sprachprobleme nicht im Zusammenhang des offenen Verhältnisses zwischen dem System Sprache und dem sprechenden Subjekt sah, sondern sie einer prinzipiellen und unüberwindlichen Unzulänglichkeit der Sprache zuschrieb. Dadurch wurde gerade das dialektische Wechselverhältniss zwischen der historischen Komponente des Systems Sprache und den aktuellen, bewußtseins- und sprachverändernden Sprechakten mißachtet oder zumindest unterschätzt.

MAUTHNERs Sprachkritik fehlte hier - wie an vielen anderen Stellen auch - das positive, schöpferische Gegengewicht zur skeptischen Sprachresignation. Die beharrende, konservative Macht der Sprache ist zwar ein echtes Sprachproblem, aber - wie vor allem Wissenschaft und Literatur bezeugen - keine unüberbrückbare Barriere für neue Erkenntnisse, Erfahrungen und deren sprachliche Übermittlung.

Die doppelte Natur der Sprache, die einmal als ein die Zeiten überdauerndes und sie verbindendes Kommunikationsmittel dienen und zum anderen auch gleichzeitig für aktuelle, bisher unbekannte Phänomene offen sein soll, muß auf einer differenzierten Betrachtungsebene als der MAUTHNERs diskutiert werden. Die Bindung der menschlichen Erkenntnis an die historisch gewordene Sprache ist ja nicht nur eine unausweichliche, sondern auch eine sehr nützliche Notwendigkeit, weil ohne geschichtliche Kontinuität und Überlieferung ein Fortschritt gar nicht möglich gewesen wäre.

Andererseits ist die "geschichtliche Fessel" der Sprache nicht so eng und absolut, wie sie MAUTHNER darzustellen versucht.
    "Sprache ist die jeweilige Objektivität. Nur was Sprache geworden ist, ist geistig da, weil es bewußt und in der Sprache Verwirklichung, Anknüpfung, Stufe, Sprungbrett geworden ist, ständig geführt, unmerklich beherrscht. Bis in die Weise unseres Erlebens hinein sind wir durch sie geworden was wir jeweils sind. Aber wir gehen über die gewonnene Sprache auch hinaus, befreien uns von der Bindung durch sie, jedoch nur so, daß wir Sprache mit Sprache vertauschen, nicht die Sprache überhaupt entbehren können"(29).
MAUTHNER schränkte die Ernsthaftigkeit und Überzeugungskraft seiner sprachkritischen Argumente vor allem auch dadurch ein, daß er sie allzu oft auf den Aspekt einzelner, losgelöster Begriffe reduzierte, ohne die Kontextsituation innerhalb und außerhalb des verbalen Textes mitzuberücksichtigen. Dadurch erscheint seine negatives Bild vom mangelnden Sprachwandel gewaltig verzerrt. JASPERSkommt zum Beispiel zu einer wesentlich optimistischeren Schlußfolgerung:
    "Es ist ein Wunder der Sprache, wie im Gebrauch der Worte durch den Zusammenhang des Gedankens, der Darstellung und der Satzgestalten Bedeutungen erwachsen aus den einfachsten, alltäglich verwendeten Worten. Alle Weisen des Umgreifenden sind Quellen für die Möglichkeit, daß solche Bedeutungen in die Erscheinung der Mitteilbarkeit treten"(30).
Die historisch geprägte und überlieferte Sprache, genauer gesagt: das in ihr beschlossene Vorverständnis ist grundsätzlich offen für neue Erfahrungen, Erkenntnisse und sprachliche Vermittlungen. Trotzdem bleibt natürlich - und hier ist der Ansatz der MAUTHNERschen Sprachkritik sehr berechtigt - die Gefahr einer jederzeit möglichen Sprachproblematik bestehen, weil der Bedeutungswandel und -verlust gewisser Vokabeln und Formulierungen, das Altern, die Abnutzung und Aushöhlung der sprachlichen Mittel eben nicht - quasi gesetzmäßig - koordiniert sind mit einer parallel verlaufenden Entwicklung des Sprachbewußtsein der jeweiligen Sprachbenutzer. Dieser Sachverhalt, nicht so sehr die Sprache selbst, entscheidet über das Ausmaß der historischen Komponente innerhalb der stets multidimensionalen Sprachproblematik.

Es kann also sehr wohl geschehen, und es gibt auch sicherlich eine Menge realer Beispiele dafür, daß das Vergangenheitselement der Sprache zu einem echten Denk- und Sprachhindernis wird, indem überlieferte Sprachformen, die inhaltlich längst entleert sind, dennoch weiterwirken, veraltete und unzeitgemäße Vorstellungen künstlich, d.h. rein verbal aufrechterhalten und dadurch nicht nur neue Denkansätze, sondern auch Verhaltensweisen verzögern oder gar verhindern. MAUTHNER verfolgte in dieser Richtung eine ganz wichtige Spur:
    "wie denn eine jede Einsicht, Beobachtung oder Entdeckung die gewohnte Sprache sprengt und damit das Gefühl verletzt, welches die Sprache zusammenhält. Die Sprache ist die konservativste Macht. Darin liegt vielleicht der Hauptgrund für die Erscheinung, daß sonst ganz gute und ehrliche Menschen sich so vor jeder neuen Wahrheit entsetzen. Jede neue Wahrheit ändert die Sprache und die Sprache will sich nicht ändern lassen.  Usus tyrannus"  konstituiert"(31).
Diese Art von Sprachkritik kann vornehmlich in außerliterarischen Bereichen, auf politischem und sozialem Gebiet, eine nicht zu unterschätzende Bedeutung erlangen, indem sie verbrauchte und entleerte Sprachschablonen abbauen hilft und einer zeitlich angemessenen Denk- und Sprachhaltung der veränderten Situation gegenüber die nötige Anerkennung verschafft.
    "Und die Geistesarbeit unserer Gegenwart scheint mir, der ich außerhalb der Kritik der Sprache nicht Wissbares erblicke, die weitverbreitete Ahnung zu sein, daß es so nicht weiter gehe, daß die Sprache immer nur in der Weltanschauung des vergangenen Geschlechts auf die Wirklichkeitswelt passe, daß in den gegenwärtigen WOrten die alten Götter stecken, daß die Wirklichkeit etwas sei und die Sprache etwas anderes. Am lebendigsten ist diese Ahnung geworden da, wo unser Leib und Leben in Frage kommt, wo (in sozialen Fragen) die Existenz der Menschengruppen oder (in der Medizin) die Existenz des Einzelmenschen bedroht ist. Da hat die Kritik tapfer eingesetzt und die bekanntesten Begriffe wie die des Rechts, der Krankheit, als mythologische nachgewiesen. Es wird lange währen, bevor auch die Artbegriffe des gewöhnlichen Schwätzens als mythologische Figuren erkannt sein werden" konstituiert"(32).
Innerhalb der literarischen Entwicklung um 1900 ist das Phänomen der Historizität der Sprache, des Altern und der Verbrauchtheit einerseits und des Stil- und Sprachwandeln als dichtungssprachlicher Aufgabe andererseits, eine zu grundlegende und umfangreiche Fragestellung, als daß wir hier darauf eingehen könnten. Die literarischen Möglichkeiten und Alternativen zur jeweiligen inner- und außerliterarischen Sprachtradition reichen von bewußter Archaisierung bis zum modernistischen Sprachexperiment, der Sprachrevolution, von der zeitadäquaten Wiederbelebung vergessener Vokabeln bis zur radikalen Neuschöpfung verbaler Begriffe und Strukturen.

MAUTHNER blieb uns sowohl in seinen erkenntnistheoretischen als auch belletristischen Werken die konsequenten Schlußfolgerungen und praktischen Anwendungen aus seiner "historischen Sprachkritik" schuldig; seine eigene Schreibweise blieb dem überlieferten Sprachgebrauch weit mehr verpflichtet als die epochemachenden literarischen Veröffentlichungen der Jahrhundertwende. Ein Teil der Dichtung um 1900 hat die theoretischen, aber oft zu direkten und oberflächlichen Forderungen MAUTHNERs verwirklicht und aus der Kritik an der traditionellen Macht der Sprache heraus zu neuen, veränderten und zeitgemäßen Sprachformen gefunden.
LITERATUR - Walter Eschenbach, Fritz Mauthner und die deutsche Literatur um 1900, eine Untersuchung zur Sprachkrise der Jahrhundertwende, Frankfurt/Bern 1977
    Anmerkungen
    22) GUSTAV LANDAUER: Skepsis und Mystik, "Versuche im Anschluß an Mauthners Sprachkritik", Köln 1923, Seite 41 - MAUTHNER ging in seinem "Bericht über die Herkunft des sprachkritischen Gedankens" auf die Beziehung seiner Sprachtheorie zum Historismus bzw. Antihistorismus ausführlich ein. NIETZSCHEs Schrift "Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben" sei neben OTTO LUDWIGs "Shakespeare-Studien" und der Persönlichkeit BISMARCKs das entscheidende auslösende Moment seiner Sprachkritik gewesen. "Wie hatten wir unter dem Leiden geseufzt, für es kein Heilmittel gab, das wir nicht einmal benennen konnten! Das Leiden, das nun plötzlich bei seinem Namen gerufen wurde; die historische Krankheit oder der Historismus, hatte uns unsere wissenschaftliche Jugend geraubt. Er lag über den Vorträgen unserer Lehrer ebensosehr wie über dem öffentlichen Leben." (Erinnerungen, Prager Jugendjahre, München 1918, Seite 209f)
          In NIETZSCHEs Ablehnung historischer Gesetze sah MAUTHNER das Vorbild für seine eigene Ablehnung sprachlicher Gesetze, gesetzmäßiger Sprachentwicklungen: "wenn es keine historischen Gesetze gibt, dann gibt es auch keine Gesetze der Sprachgeschichte." (aaO. Seite 212)
          Der Weg von NIETZSCHEs Historismus-Kritik zu MAUTHNERs Sprachkritik bleibt an vielen Stellen unklar und ist häufig von Irrtümern, Mißverständnissen und unhistorischen Gedankengängen MAUTHNERs gekennzeichnet. Kritik am Historismus darf ja keinesfalls in einen großen Anti- oder Unhistorismus verfallen, sondern kann und muß höchstens die Fehler und Überschreitungen gewisser Richtungen des Historismus in Frage stellen und korrigieren. Dies hat MAUTHNER - zum Nachteil der unumgänglichen historischen Komponente seiner Sprachkritik - häufig übersehen.
    23) Beiträge I, Seite 75
    24) Beiträge I, Seite 75
    25) Beiträge I, Seite 76
    26) Beiträge I, Seite 648
    27) Beiträge I, Seite 161f - Im "Philosophischen Wörterbuch" lesen wir: "Und Sprache ist immer wie Religion ein veraltendes oder veraltetes Wissen; (...) darum paßt die Sprache niemals zu den Einsichten oder Ahnungen der bahnbrechenden Forscher." (I, Seite 47)
    28) Beiträge I, Seite 49
    29) KARL JASPERS, Die Sprache (Kapitel aus: Von der Wahrheit) München 1964, Seite 46
    30 KARL JASPERS, Die Sprache (Kapitel aus: Von der Wahrheit) München 1964, Seite 49
    31) Beiträge II, Seite 68
    32) Beiträge I, Seite 163