ra-2 A. HeldJ. G. Fichte    
 
DAVID HUME
Von der Handlung

"Ein öffentliches Korn- und Tuchmagazin, ein Zeughaus, alle diese Dinge sind offenbar wahre Reichtümer und eine Stärke des Staates. Die Handlung und der Fleiß sind in der Tat nichts, als ein Kapital von Arbeit, welches in Friedenszeiten zur Bequemlichkeit und zum Vergnügen der Privatpersonen dient, im Fall der Not aber zum Teil zum öffentlichen Dienst angewandt werden kann. Könnten wir eine Stadt in eine Art von einem befestigten Lager verwandeln und einer jeden Brust einen so kriegerischen Geist und einen solchen Eifer für das gemeine Wohl einflößen, daß ein jeder bereit wäre, sich den größten Beschwerlichkeiten zum Besten des Staates zu unterwerfen, so möchten diese Gesinnungen vielleicht jetzt wie in alten Zeiten allein zureichend zum Fleiß aufmuntern und das Gemeinwesen unterstützen können. Dann würde es vorteilhaft sein, aus einer solchen Stadt, als aus einem Lager, alle Künste und alle Üppigkeit zu verbannen und durch eine Einschränkung der Equipagen und der Tafel, den Vorrat und die Lebensmittel länger aufzusparen, als geschehen könnte, wenn das Heer mit einer Menge von überflüssigem Troß beschwert wäre. Aber da diese Grundsätze zu uneigennützig und zu schwer zu unterstützen sind, so muß man die Menschen durch andere Leidenschaften regieren und sie mit einem Geist des Geizes und des Fleißes, der Künste und der Üppigkeit beleben."

Der größte Teil der Menschen kann in zwei Klassen geteilt werden; die eine machen diejenigen aus, die seicht denken und die Wahrheit nicht erreichen; und die andere besteht aus solchen die zu tief denken und weiter als die Wahrheit gehen. Diese letztere Klasse ist die ungewöhnlichste, und ich kann auch hinzusetzen, die nützlichste und schätzbarste. Sie geben zumindest Mutmaßungen an die Hand und erregen Schwierigkeiten, die sie vielleicht nicht geschickt genug sind zu verfolgen, die aber schöne Entdeckungen veranlassen können, wenn sie Leuten von einer richtigeren Denkungsart in die Hände fallen. Und wenn dies auch nicht sein sollte, so ist doch das, was sie sagen, ungewöhnlich; und wenn es einige Mühe kostet, es zu begreifen; so hat man doch auch das Vergnügen, etwas Neues zu hören. Der Schriftsteller verdient wenig Achtung, der uns nichts sagt, als was wir aus einem jeden Kaffeehaus-Gespräch lernen können.

Alle Leute, die seicht denken, sind sehr geneigt, selbst Männer von gründlichem Verstand für Metaphysiker und spitzfindige Vernünftler auszuschreien und geben schwerlich zu, daß etwas richtig sei, das über ihre schwache Vorstellung geht. Ich gestehe es, es gibt einige Fälle, wo ein außerordentlich spitzfindiges Vernünfteln eine starke Vermutung der Falschheit mit sich führt und wo man keinem Vernünfteln trauen darf, als das natürlich und leicht ist. Wenn ein Mensch überlegt, wie er sich in einer besonderen Sache zu verhalten hat, und politische und ökonomische oder Handlungsentwürfe macht; so muß er nie seine Gründe zu fein ziehen, noch eine gar zu lange Kette von Folgerungen aneinander hängen. Es wird sich gewiß etwas zutragen, das seine Vernunftschlüsse verwirren und einen ganz anderen Erfolg hervorbringen wird, als er vermutet hatte. Aber wenn wir allgemeine Gegenstände untersuchen, so kann man ganz sicher behaupten, daß unsere Betrachtungen nicht zu spitzfindig sein können, sofern sie nur richtig sind; und daß man den Unterschied eines Mannes von seichtem Verstand und eines Mannes von Genie vornehmlich aus den seichten oder tiefen Grundsätzen ihrer Betrachtungen abnehmen kann. Allgemeine Betrachtungen scheinen verwirrt und spitzfindig, bloß darum, weil sie allgemein sind; und es ist für Leute von gemeinem Verstand sehr schwer, unter einer Menge von besonderen Umständen, den gemeinschaftlichen Umstand zu entdecken, worin sie alle übereinkommen, oder, mit anderen Worten, diesen Umstand rein und unvermischt von den überflüssigen abzuziehen. Bei solchen Leuten ist jedes Urteil, jeder Schluß besonders. Sie können ihr Gesicht nicht bis zu den allgemeinen Sätzen erweitern, die eine unendliche Menge von einzelnen unter sich begreifen und eine ganze Wissenschaft in einem einzigen Lehrsatz abfassen. Ihr Auge wird durch eines so weite Aussicht verwirrt und die Folgen, die daraus hergeleitet werden, scheinen ihnen dunkel, wenn sie auch noch so deutlich ausgedrückt sind. Aber so verwirrt diese allgemeinen Sätze auch scheinen mögen, so ist es doch gewiß, daß sie allemal, wenn sie richtig und gründlich sind, im allgemeinen Lauf der Dinge statt finden müssen, wenn sie auch in besonderen Fällen fehlen sollten. Ich kann noch hinzusetzen, daß dies das vornehmste Geschäft der Staatskundigen ist; vornehmlich in der häuslichen Regierung eines Staates, wo das gemeine Wohl, welches ihr Gegenstand ist oder sein sollte, von einer Menge von besonderen Fällen, die zusammenwirken, und nicht, wie in der Staatskunst auswärtige Angelegenheiten, vom Zufall, vom Ungefähr und dem Eigensinn einiger weniger Personen abhängt. Dies macht also den Unterschied zwischen besonderen Untersuchungen und allgemeinen Betrachtungen aus und ist die Ursache, daß ein scharfsinniges und spitzfindiges Vernünfteln sich zu den letzteren weit besser, als zu den ersteren, schickt.

Ich habe diese Einleitung für notwendig gehalten, ehe ich meinen Lesern die folgenden Abhandlungen über die Handlung, die Üppigkeit, das Geld, vorlegte, worin vielleicht einige Grundsätze vorkommen werden, die ungewöhnlich sind und die für solche gemeine Gegenstände gar zu fein und spitzfindig scheinen möchten. Sind sie falsch, so verwerfe man sie: aber niemand muß bloß darum ein Vorurteil gegen dieselben haben, weil sie ungewöhnlich sind.

Man gibt gemeinhin zu, daß die Größe eines Staates und die Glückseligkeit seiner Einwohner, so wenig sie auch sonst voneinander abhängen mögen, in Absicht auf die Handlung unzertrennlich sind; und wie die Macht des gemeinen Wesens dem Privatmann im Besitz seiner Handlung und seiner Reichtümer eine größere Sicherheit gewährt, so wird das gemeine Wesen mächtig, nachdem die Handlung und die Reichtümer der Privatleute mehr oder weniger weitläufig und groß sind. Dieser Grundsatz ist, überhaupt genommen, wahr; obwohl ich nicht leugnen kann, daß ich glaube, er leide einige Ausnahmen, und werde zu allgemein und uneingeschränkt angenommen. Es könen sich Umstände ereignen, wo die Handlung, der Reichtum und die Üppigkeit der Privatleute, anstatt das gemeine Wesen zu verstärken, dessen Kriegsheere verringern und dessen Ansehen bei den auswärtigen Nationen schwächen können. Der Mensch ist sehr veränderlich und vieler verschiedener Meinungen und Grundsätze, in Absicht auf seine Handlungen, fähig. Dasjenige was wahr sein kann, solange er einer Art zu denken nachhängt, wird falsch befunden, wenn er entgegengesetzte Meinungen und Sitten annimmt.

Der große Haufen eines jeden Staates kann in Landwirte und Handwerksleute eingeteilt werden. Die ersteren beschäftigen sich mit dem Landbau; die letzteren bearbeiten die Materialien, die ihnen von den ersteren geliefert werden und verfertigen daraus all die Bequemlichkeiten, die zum menschlichen Leben entweder notwendig sind oder demselben eine Zierde verschaffen. Sobald die Menschen ihren wilden Zustand verlassen, worin sie vornehmlich von der Jagd und der Fischerei leben, müssen sie sich in diese zwei Klassen teilen; doch so, daß die Künste des Landbaus am Anfang den zahlreichsten Teil der Gesellschaft beschäftigen (1). Die Zeit und die Erfahrung verbessern diese Künste so weit, daß das Land leicht eine größere Anzahl von Menschen unterhalten kann, als die, die unmittelbar mit dessen Anbau beschäftigt sind oder als diejenigen ausmachen, die denen, die auf diese Art beschäftigt sind, die notwendigsten Manufakturen verschaffen.

Wenn diese überflüssigen Hände zu den feineren Künsten angewandt werden, die gemeinhein die Künste der Üppigkeit genannt werden, so vermehren sie die Glückseligkeit des Staates; indem sie so vielen Gelegenheit zu Vergnügungen verschaffen, die ihnen sonst gänzlich unbekannt würden geblieben sein. Aber kann man nicht einen anderen Entwurf zur Beschäftigung dieser überflüssigen Hände in Anschlag bringen? Kann nicht der Monarch auf dieselben Anspruch erheben und sie in Flotten und Kriegsheeren gebrauchen, um die Grenzen des Staates zu erweitern und dessen Ruhm über entfernte Nationen zu verbreiten? Es ist gewiß, je weniger Begierden und Bedürfnisse die Eigentümer und Anbauer der Ländereien haben, desto weniger Hände werden sie gebrauchen und folglich werden die überflüssigen Produkte des Landes, anstatt die Handelsleute und Manufakturierer zu unterhalten, weit größere Flotten und Kriegsheere erhalten können, als wenn eine Menge von Künsten erfordert wird, um die Üppigkeit der Privatleute zu befriedigen. Hier scheint also eine Art von Widerspruch zwischen der Größe eines Staates und der Glückseligkeit seiner Einwohner zu sein. Nie ist ein Staat größer, als wenn alle seine überflüssigen Hände zum Dienst des Gemeinwesens angewandt werden. Die Bequemlichkeit der Privatpersonen erfordert, daß diese Hände sich zu ihrem Dienst beschäftigen. Das eine kann aber nie anders, als auf Kosten des andern geschehen. So wie der Ehrgeiz des Monarchen die Üppigkeit der Untertanen einschränkt, so schwächt die Üppigkeit der Untertanen die Stärke des Monarchen und tut seinem Ehrgeiz Einhalt.

Was ich hier sage, ist nicht chimärisch, sondern gründet sich auf die Geschichte und auf die Erfahrung. Die Republik Sparta war gewiß weit mächtiger, als jetzt ein Staat in der Welt ist, der nicht mehr Einwohner hat, als Sparta hatte. Dies muß man bloß dem Mangel der Handlung und der Üppigkeit zuschreiben. Die Heloten waren die Ackersleute, die Spartaner waren die Soldaten oder die Herren. Es ist offenbar, daß die Arbeit der Heloten eine so große Anzahl von Spartanern nicht würde haben erhalten können, wenn diese letzteren bequem und üppig gelebt und einer Menge von verschiedenen Handlungen und Manufakturen Beschäftigung verschafft hätten. Eine ähnliche Politik ist bei den ersten Römern zu bemerken; überhaupt ist es in der alten Geschichte merkwürdig, daß die kleinsten Republiken größere Kriegsheere aufbrachten und unterhielten, als es jetzt Staaten tun können, die dreimal so volkreich sind. Man rechnet, daß bei allen europäischen Staaten das Verhältnis zwischen den Soldaten und dem Volk nicht über eins zu hundert ist. Aber wir lesen, daß die Stadt Rom allein mit ihrem kleinen Gebiet in den ersten Zeiten zehn Legionen gegen die Lateiner aufbrachte und unterhielt. Die Stadt Athen, deren Gebiet nicht größer war, als Yorkshire, sandte beinahe vierzigtausend Mann in den sizilianischen Krieg (2). Die alten Geschichtsschreiber geben vor, daß DIONYSIUS der Ältere, ein stehendes Heer von hunderttausend Mann zu Fuß und zehntausend Mann zu Pferde, nebst einer großen Flotte von vierhundert Segeln (3) unterhalten habe; obgleich sein Gebiet nichts weiter begriff, als die Stadt Syrakus, ungefähr den dritten Teil von Sizilien und einige Seehäfen an der Küste von Italien und Jllyrien. Es ist wahr, die alten Kriegsheere lebten zur Zeit des Krieges größtenteils vom Plündern; aber plünderten die Feinde nicht auch? welches die verderblichste Art ist, auflagen zu erheben, die man nur erfinden kann. Kurz, es kann keine andere wahrscheinliche Ursache angegeben werden, warum die alten Staaten so sehr viel mächtiger als die neueren gewesen sind, als in ihrem Mangel an Handlung und Üppigkeit. Es wurden wenig Künstler von der Arbeit der Landleute unterhalten; destomehr Soldaten konnten also davon leben. LIVIUS sagt, daß die Römer zu seiner Zeit schwerlich ein solches Heer würden aufbringen können, als sie in den frühesten Zeiten der Republik wider die Gallier und Lateiner ausgesandt hätten. Anstatt der Soldaten, die zu CAMILLUS' Zeiten für die Freiheit und Herrschaft fochten, waren in den Tagen des AUGUSTUS, Tonkünstler, Maler, Köche, Schauspieler und Schneider. Und wenn das Land in beiden Zeitpunkten gleich gut bebaut worden ist, so ist es offenbar, daß es eine gleiche Anzahl von Leuten in der einen oder der anderen Lebensart unterhalten konnte. Im letzten Zeitpunkt war zu den bloßen Notwendigkeiten des Lebens nicht mehr hinzugesetzt, als im ersteren.

Es ist sehr natürlich, bei dieser Gelegenheit die Frage aufzuwerfen, ob die Monarchen nicht zu den Grundsätzen der Alten zurückzukehren und mehr auf ihren eigenen Vorteil, als auf die Glückseligkeit ihrer Untertanen sehen sollten? Ich antwortet hierauf: dieses scheint ganz unmöglich zu sein, und zwar darum, weil die Politik der Alten gewalttätig und dem natürlichen und gewöhnlichen Lauf der Dinge zuwider war. Man weiß, nach welchen besonderen Gesetzen Sparta regiert wurde und mit wieviel Recht diese Republik von demjenigen für ein Wunder gehalten wird, der die menschliche Natur untersucht hat, so wie sie sich bei anderen Völkern und zu anderen Zeiten geäußert hat. Wäre das Zeugnis der Geschichte nicht so gewiß und umständlich, so würde uns eine solche Regierungsform als eine philosophische Grille oder Erdichtung vorkommen, die nimmer könnte in Ausübung gebracht werden. Und obgleich die römische und andere alte Republiken auf Grundsätze gebaut waren, die etwas natürlicher sind, so müssen doch außerordentlich viele Umstände zusammenkommen, um sie zu bewegen, sich solchen beschwerlichen Lasten zu unterwerfen. Sie waren freie Staaten; sie waren klein; und der patriotische Geist, die Liebe zum Vaterland, mußte wachsen, wenn das Gemeinwesen in beständiger Unruhe war und wenn die Bürger alle Augenblicke gezwungen waren, sich den größten Gefahren zur Verteidigung desselben auszusetzen. Eine beständige Folge von Kriegen macht jeden Bürger zum Soldaten. Er geht für sich zu Felde und unterhält sich, solange er dient größtenteils selbst und obgleich diese Dienste ebenso beschwerlich sind, wie eine harte Auflage, so sind sie doch einem Volke, das den Waffen ergeben ist, das für Ehre und Rache mehr, als für den Sold ficht und dem der Fleiß und der Gewinn ebenso unbekannt, wie die Vergnügungen sind, lange nicht so empfindlich. (4) Hierzu kommt noch die große Gleichheit der Glücksumstände unter den Einwohnern der alten Republiken, wo jedes Feld seinen besonderen Besitzer hatte und imstande war eine Familie zu unterhalten und wodurch also die Zahl der Einwohner selbst ohne Handlung und Manufakturen sehr beträchtlich sein konnte.

Aber obgleich der Mangel der Handlung und der Manufakturen bei einem freien und sehr kriegerischen Volk bisweilen keine andere Wirkung haben kann, als daß das Gemeinwesen dadurch mächtig, so ist doch auch dieses gewiß, daß nach dem gemeinen Lauf menschlicher Dinge eine ganz widrige Wirkung erfolgen wird. Die Monarchen müssen die Menschen nehmen, wie sie sie finden, und können es nicht unternehmen, ihre Grundsätze und Denkungsart auf eine gewaltsame Weise zu ändern. Es wird ein längerer Zeitlauf nebst einer Menge verschiedener Zufälle und Umstände erfordert, um die großen Staatsveränderungen hervorzubringen, die die Gestalt der menschlichen Dinge so sehr verschieden machen. Und je unnatürlicher die Grundsätze sind, welche eine besondere Gesellschaft unterstützen; desto mehr Schwierigkit muß der Gesetzgeber antreffen, sie in Aufnahme zu bringen und zu unterhalten. Seine beste Politik ist diese, wenn er der gemeinen Neigung der Menschen nachgibt und sie so viel als möglich zu verbessern sucht. Nun vermehren, nach dem natürlichen Lauf der Dinge, der Fleiß, die Künste und die Handlung die Macht des Monarchen sowohl, als die Glückseligkeit der Untertanen; und die Politik ist gewaltsam, welche das Gemeinwesen durch die Armut der Privatleute vergrößert. Dies wird aus einigen wenigen Anmerkungen erhellen, die uns die Folgen der Trägheit und der Barbarei vorstellen werden.

Wo keine Manufakturen und mechanischen Künste getrieben werden, da muß sich der größte Haufen eines Volkes auf den Ackerbau legen und wenn die Geschicklichkeit und der Fleiß dieses Volkes zunehmen, so muß es von seiner Arbeit weit mehr erübrigen, als es zu seinem Unterhalt braucht. Es hat also keine Versuchung seine Geschicklichkeit und seinen Fleiß zu vermehren, da es die überflüssigen Produkte nicht gegen Bequemlichkeit und Waren umtauschen kann, die entweder zu seinem Vergnügen dienen oder seine Eitelkeit belustigen können. Es muß also notwendig die Trägheit die herrschende Neigung dieses Volkes werden. Der größte Teil des Landes liegt unbebaut, derjenige Teil, der angebaut wird, gibt nicht so viel, als er geben könnte; weil es seinen Anbauern entweder an Geschicklichkeit oder an Fleiß fehlt. Erfordert aber die Notdurft des Staates, daß zu seinem Dienst eine große Anzahl von Leuten gebraucht werden; so kann die Arbeit dann auch nicht soviel erübrigen, daß diese Leute unterhalten werden können. Der Landmann kann seine Geschicklichkeit und seinen Fleiß nicht auf einmal vermehren. Die Felder, die brach liegen, können nicht in wenigen Jahren zum Ackerbau brauchbar gemacht werden. Die Armee muß indessen entweder schleunige und gewaltige Eroberungen machen oder auch auseinander gehen, weil es ihr an Lebensmitteln fehlt. Von einem solchen Volk also kann man weder einen regelmäßigen Angriff noch Verteidigung erwarten; und seine Soldaten müssen ebenso unwissen und ungeschickt sein, als seine Bauern und Handwerksleute.

Alles wird in der Welt für Arbeit verkauft; und unsere Leidenschaften sind die einzigen Triebfedern der Arbeit. Wenn eine Nation einen Überfluß an Manufakturen und mechanischen Künsten hat, so legen sich die Eigentümer des Landes, sowohl als die Pächter, auf den Ackerbau, als auf eine Wissenschaft und verdoppeln ihren Fleiß und ihre Aufmerksamkeit. Das, was sie von ihrer Arbeit erübrigen, ist nicht verloren; sondern es wird gegen die Arbeit der Manufaktierer umgetauscht, wonach die Menschen dann begierig werden, weil sie üppig sind. Auf diese Art gibt das Land weit mehr von den Notwendigkeiten des Lebens, als zum Unterhalt seiner Anbauer nötig ist. Zu Friedenszeiten dient dieser Überschuß zum Unterhalt der Manufaktierer und derjenigen, die die freien Künste treiben. Aber es ist dem Staat sehr leicht, viele von diesen Manufaktierern in Soldaten zu verwandeln und sie vom Überschuß zu unterhalten, den die Arbeit der Landleute abwirft. Wir sehen auch, daß dieses in allen gesitteten Ländern stattfindet. Wenn der Monarch ein Kriegsheer auf die Beine bringt, so macht er Auflagen. Diese Auflage nötigt das Volk, alles, was zu seinem Unterhalt weniger notwendig ist, abzuschaffen. Diejenigen, die an diesen Dingen arbeiten, müssen entweder den Kriegsdienst aufnehmen oder sich auf den Ackerbau legen und hierdurch einige Ackersleute zwingen, Soldaten zu werden, weil sie sonst nichts zu tun haben. Und wenn wir die Sache an und für sich betrachten; so sehen wir, daß die Manufakturen nur insofern die Macht des Staates vermehren, als sie soviel und zwar solche Arbeit aufsparen, auf die das Gemeinwesen einen Anspruch machen kann, ohne die Untertanen der Notwendigkeiten des Lebens zu berauben. Je mehr Arbeit also, außer dem, was zum Unterhalt des Lebens notwendig ist, auf überflüssige Dinge verwandt wird, desto mächtiger ist der Staat; indem die Personen, die auf diese Art beschäftigt werden, sehr leicht zum öffentlichen Dienst gebraucht werden können. In einem Staat, der keine Manufakturen hat, können vielleicht ebensoviel Hände sein, aber es ist darin nicht soviel Arbeit und nicht soviel Arbeit von dieser Art. Alle Arbeit wird in einem solchen Staat auf die Notwendigkeiten des Lebens verwandt, die wenige oder gar keine Abnahme verstattet.

Auf diese Art ist die Größe des Monarchen und die Glückseligkeit des Staates in großem Maße in Absicht auf die Handlung und die Manufakturen miteinander vereinigt. Es ist ein gewaltsames und in den meisten Fällen unmögliches Unternehmen, wenn man den Landmann zur Arbeit zwingen will, um vom Land mehr zu erübrigen, als er zu seinem und seiner Familie Unterhalt braucht. Man verstehe ihn mit Manufakturen und Bequemlichkeiten, so wird er es von selbst tun. Hernach wird es sehr leicht sein, einen Teil seiner überflüssigen Arbeit zum öffentlichen Gebrauch anzuwenden, ohne ihm die gewöhnliche Wiedererstattung zu machen. Da er einmal zur Arbeit gewohnt ist, so wird es ihm lange nicht so schwer fallen, als wenn man ihn auf einmal, ohne die geringste Belohnung, zu einer Vermehrung seiner Arbeit nötigen will. Ebenso verhält es sich mit den übrigen Gliedern des Staates. Je größer das Kapital von Arbeit in aller Art ist, desto mehr kann man, ohne eine merkliche Veränderung zu verursachen, von dem Haufen nehmen.

Ein öffentliches Korn- und Tuchmagazin, ein Zeughaus, alle diese Dinge sind offenbar wahre Reichtümer und eine Stärke des Staates. Die Handlung und der Fleiß sind in der Tat nichts, als ein Kapital von Arbeit, welches in Friedenszeiten zur Bequemlichkeit und zum Vergnügen der Privatpersonen dient, im Fall der Not aber zum Teil zum öffentlichen Dienst angewandt werden kann. Könnten wir eine Stadt in eine Art von einem befestigten Lager verwandeln und einer jeden Brust einen so kriegerischen Geist und einen solchen Eifer für das gemeine Wohl einflößen, daß ein jeder bereit wäre, sich den größten Beschwerlichkeiten zum Besten des Staates zu unterwerfen, so möchten diese Gesinnungen vielleicht jetzt wie in alten Zeiten allein zureichend zum Fleiß aufmuntern und das Gemeinwesen unterstützen können. Dann würde es vorteilhaft sein, aus einer solchen Stadt, als aus einem Lager, alle Künste und alle Üppigkeit zu verbannen und durch eine Einschränkung der Equipagen [Kutschen - wp] und der Tafel, den Vorrat und die Lebensmittel länger aufzusparen, als geschehen könnte, wenn das Heer mit einer Menge von überflüssigem Troß beschwert wäre. Aber da diese Grundsätze zu uneigennützig und zu schwer zu unterstützen sind, so muß man die Menschen durch andere Leidenschaften regieren und sie mit einem Geist des Geizes und des Fleißes, der Künste und der Üppigkeit beleben. In diesem Fall ist das Lager mit einem überflüssigen Gefolge beschwert; aber der Zufluß von Lebensmitteln nimmt auch in eben diesem Maße zu. Die Harmonie des Ganzen wird beständig erhalten und indem der natürlichen Neigung der Menschen mehr nachgegeben wird; so finden sowohl einzelne Personen, als der ganze Staat ihre Rechnung bei der Ausübung dieser Grundsätze.

Auf eben die Art werden wir auch die Vorteile einer auswärtigen Handlung einsehen, wodurch nämlich die Macht des Staates, sowohl als die Glückseligkeit und der Reichtum der Untertanen vermehrt werden. Diese Handlung vermehrt das Kapital an Arbeit bei einer Nation; und der Monarch kann, nach seinem Gutbefinden, einen Teil derselben zum öffentlichen Dienst anwenden. Der auswärtige Handel verschafft durch die Einfuhr Materialien zu neuen Manufakturen: und durch die Ausfuhr verursacht derselbe Arbeit in gewissen Manufakturen, die im Land nicht verbraucht werden können. Kurz, ein Reich, das eine große Einfuhr und Ausfuhr hat, muß notwendig mehr Arbeit und zwar in feineren und üppigeren Künsten haben, als ein Reich, das sich mit seinen Landesprodukten begnügt. Es ist also weit mächtiger, reicher und glücklicher. Die Privatpersonen genießen die Vorteile dieser Manufakturen, insofern als sie ihre Sinnen und ihren Appetit vergnügen. Und das Gemeinwesen gewinnt gleichfalls dabei, weil auf diese Art gegen öffentliche Bedürfnisse ein größeres Kapital an Arbeit aufgespart wird; das ist, es wird eine größere Anzahl von arbeitsamen Leuten unterhalten, die zum Staatsdienst gebraucht werden können, ohne daß jemand dadurch der Notwendigkeiten des Lebens oder auch nur der vornehmsten Bequemlichkeiten beraubt wird.

Wenn wir die Geschichte befragen, so finden wir, daß die auswärtige Handlung bei allen Völkern vor der Ausbesserung der einheimischen Manufakturen vorhergegangen; daß die meisten Nationen einen auswärtige Handlung gehabt haben, ehe sie ihre Manufakturen zu einiger Vollkommenheit gebracht haben; und daß diese Handlung fast allezeit die häusliche Üppigkeit hervorgebracht hat. Die Versuchung ist weit stärker, auswärtige Manufakturen zu gebrauchen, die bereits fertig sind und uns ganz neu sind, als die einheimischen Manufakturen zu verbessern, welches nur langsam und nach und nach geschehen kann und die uns niemals durch ihre Neuheit einnehmen. Auch ist der Vorteil sehr groß, daß man diejenigen Produkte, die in einem Land überflüssig sind und in keinem Wert stehen, nach anderen Ländern ausführen kann, deren Boden oder Klima zur Hervorbringung derselben nicht geschickt ist. Auf diese Art lernen die Menschen die Wollüste der Üppigkeit und die Vorteile der Handlung kennen; und wenn ihr feiner Geschmack und Fleiß erst einmal aufgeweckt ist, so führen diese beiden Dinge sie zur Verbesserung von jeder Art, sowohl der einheimischen als auch auswärtigen Handlung. Dies ist vielleicht der größte Vorteil, der aus einer Handlung mit Fremden zu ziehen ist. Sie erweckt die Menschen aus ihrer Schlafsucht und Trägheit und indem sie den wollüstigeren und reicheren Teil der Nation Gegenstände der Üppigkeit zeigt, wovon ihnen vorher niemals geträumt hatte; so erregt sie bei ihnen die Begierde, nach einer prächtigeren Lebensart, als ihren Vorfahren bekannt gewesen. Zu gleicher Zeit machen die wenigen Kaufleute, die das Geheimnis der Einfuhren und Ausfuhren besitzen, ausnehmenden Vorteil; und indem sie dem alten Adel an Reichtum nacheifern, locken sie andere an, daß sie ihre Nebenbuhler in der Handlung werden. Die Nachahmung verbreitet alle diese Künste gar bald; indem die einheimischen Manufaktierer mit den auswärtigen wetteifern und jede einheimische Bequemlichkeit zu der größten Vollkommenheit zu bringen suchen, deren sie fähig ist. Ihr Stahl und Eisen wird in ihren arbeitsamen Händen so schätzbar als das Gold und die Rubine Indiens.

Wenn ein Staat sich in diesen Umständen befindet, so kann er den größten Teil seiner auswärtigen Handlung verlieren und dennoch groß und mächtig bleiben. Wollen die Ausländer eine oder die andere von unseren Manufakturen nicht mehr nehmen, so müssen wir aufhören, dieselbe zu verarbeiten. Eben dieselbigen Hände müssen alsdann an der Verbesserung anderer Bequemlichkeiten arbeiten, die im Land noch fehlen möchten. Es kann ihnen nie an Stoff zum Verarbeiten fehlen, bis die reichen Personen im Staat einen so großen Überfluß von einheimischen Bequemlichkeiten und zwar in einer so großen Vollkommenheit besitzen, daß sie nicht mehr verlangen, welches nie geschehen wird. China wird als das blühendste Reich in der Welt beschrieben und doch hat es sehr wenige auswärtige Handlung.

Es wird hoffentlich nicht als eine überflüssige Ausschweifung angesehen werden, wenn ich anmerke, daß die Menge der Personen, die die Produkte der mechanischen Künste genießen, dem Staat ebenso vorteilhaft sei, als die Menge der mechanischen Künste selbst. Eine gar zu große Ungleichheit in den Glücksumständen der Bürger schwächt den Staat. Billig sollte ein jeder, wenn es möglich ist, die Früchte seiner Arbeit genießen, und in einem völligen Besitz aller Notwendigkeiten und vieler Bequemlichkeiten des Lebens sein. Niemand wird daran zweifeln, daß eine solche Gleichheit der menschlichen Natur sehr gemäß sei und daß sie die Glückseligkeit der Reichen lange nicht so sehr vermindere, als sie die Glückseligkeit der Armen vermehrt. Sie vermehrt auch die Macht des Staates und macht, daß die außerordentlichen Auflagen viel bereitwilliger bezahlt werden. Wo die Reichtümer in den Händen weniger Personen sind, da müssen dieselben zum gemeinen Bedürfnis sehr viel herschießen. Aber wenn die Reichtümer unter viele verteilt sind, wird die Last einem jeden leicht und die Auflagen machen keine merkliche Veränderung in der Lebensart der Untertanen überhaupt.

Hierzu kommt noch, daß wenn die Reichtümer in wenigen Händen sind, die Besitzer derselben alle Macht allein haben und daß sie sich also vereinigen werden, die ganze Last auf die Armen zu wälzen. Durch diese gänzliche Unterdrückung werden sie ihnen allen Mut zum Arbeiten benehmen.

In diesem Stück hat England vor allen jetzigen und vormaligen Nationen einen großen Vorzug. Es ist wahr, die Engländer haben einige Beschwerlichkeiten bei der auswärtigen Handlung, weil der Preis der Arbeit so hoch ist; welches teils eine Folge von den Reichtümern der englischen Künstler, teils aber auch vom Überfluß des Geldes ist: da aber die auswärtige Handlung keine Hauptsache ist, so muß sie mit der Glückseligkeit so vieler Millionen nicht in Vergleichung gestellt werden. Und wenn den Engländern sonst nichts die freie Regierung, unter der sie leben, wert und schätzbar machen könnte, so würde dieser einzige Umstand zureichen. Die Armut des gemeinen Volks ist eine natürliche, wo nicht gar eine unfehlbare Folge einer unumschränkten Regierung; ob ich gleich auf der anderen Seite daran zweifle, daß ihr Reichtum eine unfehlbare Folge der Freiheit sei. Dieser Umstand scheint von besonderen Zufällen und von einer gewissen Denkungsart abzuhangen, die mit der Freiheit vereinigt sein muß. Wenn Lord BACON die Ursache angeben will, warum die Engländer in ihren Kriegen mit den Franzosen so große Vorteile erhalten haben, so schreibt er dieselben vornehmlich den bequemeren und überflüssigeren Umsänden zu, worin das gemeine englische Volk in Vergleichung mit den Franzosen lebt; und doch war die Regierung beider Reiche damals beinahe gleich. Wo die Arbeitsleute und Künstler gewohnt sind, für niedrigen Sold zu arbeiten und nur einen kleinen Teil vom Gewinn ihrer Arbeit für sich behalten, da wird es ihnen selbst unter einer freien Regierung schwer, ihre Umstände zu verbessern oder sich miteinander zu vergleichen, die Preise ihrer Arbeit zu steigern. Aber wenn sie auch zu einer besseren Lebensart gewöhnt sind, so ist es den Reichen unter einer despotischen Regierung leicht, sich wider sie zu vereinigen und ihnen die ganze Last der Auflagen aufzubürden.

Man wird es vielleicht für einen wunderlichen Satz halten, wenn ich behaupte, daß die Armut des gemeinen Mannes in Frankreich, Italien und Spanien einigermaßen dem vorzüglichen Reichtum des Bodens und dem glücklichen Klima dieser Länder beizumessen sei; und doch fehlt es mir nicht an Gründen, meinen Satz zu beweisen. Bei einem so schönen Erdreich, den die südlichen Länder haben, ist der Ackerbau eine leichte Kunst und ein einzelner Mann kann mit einem Paar elenden Pferden in einem Sommer so viel einernten, daß es dem Eigentümer etwas Beträchtliches einbringt. Die ganze Kunst, die der Pächter kennt, besteht darin, daß er sein Feld einige Jahre brach liegen läßt, wenn es erschöpft ist; und die Wärme der Sonne nebst dem gemäßigten Klima bereichern es und machen es wieder fruchtbar. Diese armen Bauern also, suchen für ihre Arbeit weiter nichts, als den bloßen Unterhalt. Sie haben kein Kapital, keine Reichtümer, die ihnen einen Anspruch auf etwas mehreres als den bloßen Unterhalt geben könnten und zu gleicher Zeit hängen sie auf ewig von ihrem Herrn ab, der ihnen keinen Pachtbrief zugesteht und nicht besorgt, daß sein Land durch den schlechten Anbau verdorben werden wird. In England ist der Boden reich, aber grob; er muß mit vielen Kosten bebaut werden und bringt eine magere Ernte hervor, wenn er nicht sorgfältig und zwar auf eine Art angebaut wird, die den ganzen Gewinn allererst in einer Folge von verschiedenen Jahren gibt. Ein Pächter in England also muß ein ansehnliches Kapital und einen langen Pachtbrief haben, woraus ihm auch ein gemäßer Vorteil erwächst. Die schönen Weinberge in der Champagne und Bourgogne, wovon ein Morgen dem Besitzer oft über fünf Pfund einbringt, werden von Bauern bebaut, die kaum Brot haben: die Ursache davon ist diese, weil diese Bauern kein anderes Kapital, als ihre Gliedmaßen nebst ihren Instrumenten gebrauchen, die sir für zwanzig Schillinge kaufen können. Die Pächter sind gemeinhin in diesem Land in etwas besseren Umständen; aber von allen stehen diejenigen, die Viehzucht treiben, am besten. Die Ursache ist eben dieselbe. Die Menschen müssen nach Maßgebung ihrer Kosten und der Gefahr, die sie laufen, gewinnen. Wo eine so ansehnliche Menge von den arbeitenden Armen in elenden Umständen sind, da muß der ganze übrige Teil an ihrer Armut teilnehmen, die Regierungsart der Nation mag monarchisch oder republikanisch sein.

Wir können in Absicht auf die allgemeine Geschichte der Menschen eine ähnliche Anmerkung machen. Warum hat noch kein Volk, das zwischen den Tropen wohnt, irgendeine Kunst der Gesittung oder eine Polizei in seiner Regierung und Kriegszucht erreichen können, da doch wenige Nationen unter den gemäßigten Himmelsgegenden dieser Vorzüge gänzlich beraubt gewesen sind? Es ist wahrscheinlich, daß die eine Ursache hiervon die Wärme und Gleichheit der Witterung in den heißen Erdstrichen ist, wodurch den Einwohnern die Kleider und die Wohnung weniger notwendig gemacht werden und wodurch also zum Teil die Notwendigkeit weggeräumt wird, die ein so großer Antrieb zum Fleiß und zur Erfindung ist.  Curis acuens mortalia corda  [Sorgen beschweren das Herz. - wp]. Nicht zu vergessen, daß je weniger Güter von dieser Art ein Volk besitzt, desto weniger Streitigkeiten entstehen unter demselben und daß folglich um desto weniger eine wohleingerichtete Polizei oder ein rechtmäßiges Ansehen, es wider auswärtige Feinde oder gegen sich selbst zu beschützen und zu verteidigen erfordert wird.
LITERATUR: David Hume, Vermischte Schriften über die Handlung, die Manufakturen und die anderen Quellen des Reichtums und der Macht eines Staates, Hamburg und Leipzig 1754
    Anmerkungen
    1) Herr MELON behauptet in seinen politischen Versuchen über die Handlung, daß selbst, wenn man in Frankreich in zwanzig Teile teilt, sechzehn Teile Ackersleute oder Bauern, zwei Künstler sind, ein Teil der Rechtsgelehrsamkeit, der Kirche und dem Kriegswesen zugehören und ein Teil aus Kaufleuten, Finanziers und Bürgern besteht. Diese Rechnung ist ganz gewiß irrig. In Frankreich, England, und in der Tat, in den meisten Teilen von Europa, lebt die Hälfte der Einwohner in den Städten; und selbst unter denjenigen, die auf dem Land wohnen, sind vielleicht über ein Drittel Künstler.
    2) THUKYDIDES, Lib. 7
    3) THUKYDIDES, Lib. 2. Ich gestehe es, diese Berechnng ist ein wenig verdächtig, wenn nicht gar falsch, vornehmlich aus der Ursache, weil dieses Heer nicht aus Bürgern, sondern aus gemieteten Truppen bestand.
    4) Die ältesten Römer lebten in beständigen Kriegen mit ihren Nachbarn und in der alten lateinischen Sprache bedeutet das Wort  hostis  zugleich einen Feind und einen Fremden. CICERO bemerkt dies, aber er schreibt es der Menschlichkeit seiner Vorfahren zu, die, soviel als möglich, die Benennung der Feinde mildern wollten, indem sie dieselben eben die Fremden nannten. Es ist indessen aus den Sitten der damaligen Zeiten weit wahrscheinlicher, daß dieses Volk so wild gewesen ist, daß es alle Fremden für Feinde angesehen und ihnen daher ein und denselben Namen beigelegt hat. Außerdem streitet es wider die allgemeinsten Grundsätze der Politik oder der Natur, daß ein Staat seine Feinde mit so freundschaftlichen Augen ansehe oder solche Gesinnungen für sie hege, als der römische Redner seinen Vorfahren zuschreiben will. Nicht zu gedenken, daß die ersten Römer wirklich Räuber waren, wie wir aus ihren ersten Traktaten mit den Karthagern sehen, die uns POLYBIUS aufbehalten hat und folglich hatten sie, so wie die Seeräuber von Algier fast mit allen Nationen Krieg und ein Fremder und ein Feind wollte bei ihnen beinahe einerlei sagen.