ra-2H. RitterJ. B. ErhardG. RoskoffF. MauthnerF. Boden    
 
ALFRED KÖPPEN
Der Teufel und die Hölle
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Um den Baum, zu dessen Seiten Adam und Eva stehen, ringelt sich die verführende Schlange, welche der Eva mit dem Maul den Apfel gibt. Diese Szene findet sich häufig auf Malerein und Skulpturen. Zuweilen kriecht die Schlange auch an der Wurzel des Baumes. Die Verführung des ersten Menschenpaares ist dann bereits vollzogen, Eva hat schon vom Apfel gekostet und reicht ihn Adam, während die Schlange nur der frohlockende Zuschauer ist. Manchmal wird sie aber auch direkt als Verführer dargestellt, wie sie Eva den Apfel entgegenstreckt Als Abweichung von der gewöhnlichen Auffassung ist diejenige anzusehen, in der die Schlange einen Wolfskopf hat.


Die Lehre der Kirchenväter über den Teufel und die Hölle

Die im neuen Testament niedergelegten Anschauungen vom Teufel und der Hölle sind nun dauerndes Eigentum der kommenden Jahrhunderte geworden. Das Böse zu erkennen, den Teufel zu besiegen, der Hölle zu entgehen, den Himmel zu erringen, das ist das heiße Sehnen der Gläubigen.

In der ersten großen Entwicklungsperiode des Christentums, die bis zum Untergang des weströmischen Reiches zu rechnen ist, verband sich der christliche Glaube mit dem römisch-hellenischen, sowie orientalischen an die alten Götter und Dämonen. Die philosophischen Spekulationen der Gnostiker und Manichäer über den Ursprung und das Wesen des Bösen berührte wenig den Volksglauben, dem die christlichen Priester im Gegenteil Konzessionen zugestehen mußten, um den Übertretenden die Heilsbotschaft begreiflich zu machen. (1) Die Existenz der alten Götter wurde nicht geleugnet, aber sie wurden als böse Dämonen erklärt oder wohl gar mit dem Namen von Heiligen in Verbindung gebracht. (2) Diente doch die Statue des jugendliche HERMES KRIOPHOROS als CHRISTUS. (3) Den alten Glauben mußten die Übertretenden abschwören, aber er lebte in dem an den Teufel weiter fort. So trieben Exorzisten den Täuflingen den Teufel aus. (4) Man glaubte, daß ein böser Dämon jeden Menschen von seiner Geburt an begleite und also erst vertrieben werden müsse, sollte der Mensch nicht für immer an seinem Leib und seiner Seele Schaden nehmen. Indem ferner die Kirchenväter den Glauben zum Dogma erhoben, lehrten sie, daß der Teufel und die Dämonen von Gott als gut geschaffen seien, dann abgefallen und eine Gemeinsachft unter einem Obersten bildeten. Ihr Sinnen und Trachten gehe nur darauf aus, alles, was Gott geschaffen und geordnet hat, zu vernichten. Der Teufel übt schrankenlose Macht auf Erden aus, kann indessen die Menschen zur Sünde nicht zwingen, wohl aber durch alle möglichen Mittel anreizen. Er steht zu den Menschen in inniger Beziehung, schließt mit ihnen Bündnisse, um sie zu gewinnen. (5) So sagt AUGUSTIN (6): "Die Zauberer leben mit den Dämonen in einer gewissen Gesellschaft und haben gleichsam einen Bund mit ihnen." In diesem Glauben an die wirkliche Existenz des Teufels sind alle Kirchenlehrer einig. Worin sie auseinandergehen, sind drei Fragen (7):
    1) Über die physische Gestalt und Beschaffenheit des Teufels.

    2) Worin bestand und wann fällt ihre erste Sünde?

    3) Welches ist ihr Aufenthaltsort zwischen ihrem Fall und dem jüngsten Gericht?
Der äußeren Gestalt nach ist der Teufel ein häßlicher Mohr von außergewöhnlicher Stärke und Größe (8) oder eine Mißgestalt mit Hundeschnauze, behaart bis zu den Füßen, mit glühenden Augen, Feuer aus der Nase und Mund speihend und mit den Flügeln der Fledermaus. (9) Eine bilderreiche Sprache schildert ihn als scheußlichen Drachen mit drei Köpfen (10) - nach dem Vorbild des ZERBERUS - oder vergleicht ihn mit einem bellenden Hund (11) oder einem schnaubenden Ross. (12) Die Frage, warum die Engel gefallen sind, ist verschieden beantwortet worden. Die einen meinten aus Hochmut, die andern aus Neid. (13) Als Aufenthaltsort aber dachte man sich gemeinhin die Erde. In dem die Väter diese drei Fragen zu lösen suchten, entwickelten sie allmählich das Wesen des Teufels genauer, gaben dem Begriff eine bestimmte Form und der Gestalt mehr Realität.

Am Bild der Hölle, wie sie das neue Testament schildert, hielten die Kirchenlehrer fest. (14) Sie verlegten sie in das Innere der Erde und vergleichen ihr Feuer mit dem von Sodom (15) oder nennen es ignis corporalis [Leibesfeuer - wp] (16). Indem sie so mit der Schilderung der Bibel übereinstimmen und auch den Glaube an das jüngste Gericht beibehalten, streiten sie nur über die Ewigkeit der Hölle, über den Beginn der Strafen der Verdammten und über das Ende des Teufels, welcher in der Hölle gefesselt liegt. Diese Streitigkeiten eingehend zu erörtern, muß der Theologie überlassen bleiben, wichtig aber ist ihr Resultat. Zum Dogma wurde die Lehre des ORIGENES erhoben, daß die Strafen sogleich nach dem Tod beginnen und das jüngste Gericht eine Erhöhung der Strafen bringe. Der Teufel, welcher bis dahin auf Erden und in der Hölle herrschte, bleibt jetzt in der letzteren. So haben zwar die Kirchenlehrer für die Topologie der Hölle wenig Neues beigebracht, aber das Verhältnis des Teufels und der Verdammten zu ihr näher bestimmt.


Die Anschauungen über den Teufel und die Hölle
im frühen Mittelalter bis zur Zeit der Ottonen.

Die Lehren der Kirchenväter haben im Mittelalter mit der Bekehrung der Germanen, deren Kultur wesentlich religiösen Inhalt enthielt, ihre fruchtbarste Verwertung gefunden. In der Poesie, dem Gebiet, auf welchem die schöpferische Geisteskraft der Germanen in besonders eigenartiger Weise zur Geltung gelangte, werden der Teufel und die Hölle oft geschildert. Durch Vermischung römisch-griechischer, christlicher und germanischer Vorstellungen erhält die Gestalt des Teufels Attribute, welche bleibend geworden sind und der Charakter das Satanische, was ihm bisher fehlte. (17)

Diese neue Metamorphose betont bald das Menschliche, bald das Tierische. Wie früher wird der Teufel als rabenschwarzer Mohr geschildert mit runzliger Haut. (18) Er ist entweder erschreckend groß oder eine Zwerggestalt, welche an Figuren der germanischen Mythologie erinnert. Zuweilen verrät ihn ein Bocksohr, Hörner, Schwänzchen, Pferdefuß, Attribute, welche den Satyrn eigen sind und auch leicht zu den Tieren Bezug nehmen, welche germanischen Göttern beigegeben waren, wie der Bock dem THOR, das Pferd dem ODIN. (19)

Auf den Teufel werden alle möglichen Laster zurückgeführt. Das Würfelspiel, dem die Germanen leidenschaftlich frönten, galt als seine Erfindung und von ihm glaubte man, daß er in der Hölle um Menschenseele spiele. (20) Der Teufel tritt als Zauberer und Wettermacher auf, er bewirft die Priester und Frommen mit Steinen und steckt die Häuser in Brand. Er bringt Ungeziefer, Würmer und Krankheiten hervor. So wird er zum handelnden Individuum mit menschlichen Leidenschaften. (21)

Wie seine Person allmählich aus verschiedenen Elementen erwuchs, so verschmolzen auch mit dem Begriff der Hölle die verschiedenartigsten Vorstellungen. Hier gingen die germanischen Anschauungen besonders leicht in die christlichen über. So wird HEL zur Hölle, wie schon die Etymologie des Wortes zeigt und die Vorstellung vom Weltuntergang wird mit der Idee vom jüngsten Gericht verbunden. Als Zeugnis für die Verschmelzung sei auf den HELIAND (22) und MUSPILLI (23) verwiesen. (24)

Die eingehende Ausmalung der Hölle bei der Schilderung des jüngsten Gerichts treten im Mittelalter in den Mittelpunkt fast aller Vorstellungen, zumals als man um das Jahr 1000 nach der Lehre der Kirchenväter den Untergang der Welt erwartete. (25) Als dieser dann nicht eintrat, blieb das jüngste Gericht als ein beliebtes Thema der Predigt bestehen, welche die Qualen der Hölle als ein memento mori [Mensch, bedenke, daß du sterblich bist. - wp] mit besonderem Behagen ausmalte.


Die Darstellung des Teufels und der Hölle
in der altchristlichen Kunst

Aus der Verbindung biblisch-christlicher, römisch-griechischer und germanischer Mythologie war also, wie wir gesethen haben, jene eigenartige Vorstellung von Hölle und Teufel allmählich erwachsen, welche ein Gemeingut aller Völker Europas bis auf den heutigen Tag geblieben ist. Es konnte nicht ausbleiben, daß sich die Kunst sehr bald dieses Themas bemächtigte. Der Moment traf etwa ungefähr in der karolingischen Periode um das siebente, achte Jahrhundert ein. Die vorangehende altchristliche Kunst, welche, wesentlich auf die Ausschmückung der Katakomben beschränkt, mit jenen in Beziehung stehende Stoffe vorzugsweise veranschaulichte, also heitere Bilder von der Auferstehung, dem ewigen Leben, vom guten Hirten, welcher der verirrten Seele nachgeht und durch Wunder seine göttliche Mission betätigt und erfüllt, konnte noch kein Bedürfnis empfinden nach Darstellung von Hölle und Teufel, vom jüngsten Gericht und der ewigen Verdammnis. In der Katakombenkunst wird man daher nur spärlichen Andeutungen und Darstellungen dieser Art begegnen. Doch fehlen sie nicht ganz.

So wird z. B. der Sündenfall, der ja die Ursache des leiblichen Todes der Menschen und ihrer Erlösung war, besonders gern im engen Anschluß an die Erzählung der Genesis vorgeführt, wobei der Teufel bekanntlich unter dem Bild der Schlange auftritt.

Um den Baum, zu dessen Seiten ADAM und EVA stehen, ringelt sich die verführende Schlange, welche der EVA mit dem Maul den Apfel gibt. Diese Szene findet sich häufig auf Malerein und Skulpturen. (26) Zuweilen kriecht die Schlange auch an der Wurzel des Baumes. (27) Die Verführung des ersten Menschenpaares ist dann bereits vollzogen, EVA hat schon vom Apfel gekostet und reicht ihn ADAM, während die Schlange nur der frohlockende Zuschauer ist. Manchmal wird sie aber auch direkt als Verführer dargestellt, wie sie EVA den Apfel entgegenstreckt. (28) Als Abweichung von der gewöhnlichen Auffassung ist diejenige anzusehen, in der die Schlange einen Wolfskopf hat. (29)

Für die Komposition dieser Szene fehlte es nicht an Vorbildern. Schon auf einem altbabylonischen Zylinder sehen wir in der Mitte einen heiligen Baum, zu beiden Seiten je eine sitzende Figur, im Hintergrund eine vom Erdboden sich aufrichtende Schlange (30). Eine altägyptische Darstellung, bei der allerdings die Schlange fehlt, zeigt den Baum in der Mitte, rechts und links Mann und Weib, im Hintergrund wahrscheinlich einen Gott. In den Zweigen des Baumes hängt wie zur Warnung eine mit Hieroglyphen bedeckte Tafel (31). In der antiken Kunst ist die Schlange als Hüterin der goldenen Äpfel der Hesperiden bestellt (32) und als ständiges Attribut des ASKLEPIOS umringelt sie den Stab des Gottes. (33)

Man wird vielleicht fragen, warum sich gerade der Sündenfall häufiger findet. Die Behauptung von KRAUS daß das Bild der Stammeltern an die Neuschaffung in CHRISTO erinnern sollte, daß ferner die Schöpfung nicht ein Werk des Bösen, sondern Gottes sei und daß, mag die Verschuldung des Menschen noch so groß sein, Buße und Bekehrung möglich sind, ist durch die einfache Handlung wohl ebensowenig, als durch die Hinweise auf Aussprüche des AUGUSTIN, PRUDENTIUS und AMBROSIUS motiviert, welche sie vielleicht gar nicht mit Rücksicht auf die künstlerische Darstellung des Sündenfalles, sondern nur, um eine ihrer Zeit gefällige Erläuterung über die biblische Erzählung zu geben, getan haben. Warum diese Szene so oft dargestellt worden ist, zeigt die Betrachtung ihres Zusammenhanges mit anderen Bildern derselben Räume oder derselben Gemälde. So ist in den Katakomben fast überall gleichzeitig CHRISTUS als guter Hirt gleichsam als Pendant dazugegeben, auf den zugleich hingewiesen wird als den Erlöser des durch den Teufel überwundenen und zum ewigen Tod verdammten Menschengeschlechts. Nach KRAUS' Auffassung würde die Schlange ferner eine nur nebensächliche Rolle spielen, während der doch gerade von ihm angeführte PRUDENTIUS sie gebührend hervorhebt. Und die Schlange, welche selbst den Apfel reicht, muß man doch als causa movens [bewegende Ursache - wp] des ganzen Vorgangs bestehen lassen. Daß sie aber das Bild des Teufels ist, bezeugt außer der Bibel der Ausspruch des AUGUSTIN.

Ein weiteres Bild zeigt den Teufel in der Figur einer Schlange oder eines Drachen, die durch den triumphierenden Erlöser besiegt sind, wohl im Anschluß an Psalm XCI, 13. So sieht man auf einer Tonlampe aus dem fünften Jahrhundert CHRISTUS mit der in ein Kreuz auslaufenden Lanze eine Schlange zu seinen Füßen durchbohren, während sich ein Drache neben ihm auf der einen Seite erhebt, auf der andern aber eine Viper sich windet. Auf einer aus derselben Zeit stammenden Bronzelampe wird das Haupt des Drachen, welcher den verderbenbringenden Apfel im Rachen trägt, vom Kreuz durchbohrt. Ein anderes Mal zertritt genau nach dem biblischen Text CHRISTUS die Schlange.

Ein ferneres Symbol für den Teufel ist GOLIATH, welcher von DAVID mit der Schleuder erlegt wird. Eine solche Darstellung ist sicher auf einem Deckengemälde zu San Callisto nachgewiesen.

In ähnlicher Weise wird der Pharao als der böse Feind der Kinder Gottes aufgefaßt, insofern als er das auserlesene Volk beim Durchgang durch das rote Meer vernichten wollte. Ein derartiges Mosaik ist in Santa Maria maggiore zu Rom vorhanden, doch ist es sehr fraglich, ob noch die symbolische Auffassung zulässig und nicht vielmehr die rein historische als solche vom Künstler gegeben ist. Von antiken Darstellungen, welche sich analog den heidnischen Göttern Umdeutungen im christlichen Sinne haben gefallen lassen müssen, kann nur eine als hierher gehörig angeführt werden: ODYSSEUS und die Sirenen. Im fünften Jahrhundert erklärte der hl. MAXIMUS von Turin das Schiff des ODYSSEUS für ein Vorbild der Kirche, den Mast als Symbol des Kreuzes, an welchem sich die Gläubigen festhalten. Die Sirenen bedeuteten die Personifaktion des Bösen, welcher die Menschen verführen will. Sie sind gewöhnlich als Vögel mit Menschenköpfen gebildet.

Noch spärlicher als der Versuch einer symbolischen Wiedergabe des Teufels ist in der altchristlichen Kunst die der Hölle. Nur eine allerdings häufig wiederkehrende Komposition läßt sich anführen: JONAS im Leib des Walfisches. Diese Szene wird wie die des Sündenfalls fast immer gleich komponiert. Die Besatzung eines mit den Fluten kämpfenden Schiffes wirft den Propheten, der sich als die Ursache des Unwetters bekennt, kopfüber in die schäumende Flut. Er wird von einem Seedrachen verschlungen. In einem anderen Bild sehen wir, wie ihn das Untier ausgespieen hat und wie er am Strand unter einer Kürbisstaude ruht. Die Leiden, welche der Prophet im Leib des Untieres erduldet, deuten auf jene am gefürchteten Ort der Finsternis; und somit stellte das Untier selbst die Hölle vor; die glückliche Errettung deutete man aber auf die Auferstehung. So paßte auch diese Szene vortrefflich zum Schmuck des Totengemachs. Motvie für diese Komposition dürften vielleicht in der antiken Darstellung: PERSEUS, die gefesselte ANDROMEDA vom Drachen befreiend, zu suchen sein. Der phantastische Drache, losgelöst aus der Komposition, ist dann zum Dekorationsbild geworden. Er verschlingt einen Jüngling, dessen Oberkörper aus dem Rachen ragt, während er die Arme wie Hilfe suchend ausstreckt.

Eine andere Darstellung aus dem alten Testament: SIMSON, welcher die Tore von Gaza auf seinen Schultern fortträgt wird vorbildlich auf CHRISTUS, der die Höllentore zertrümmert, gedeutet.

Aus diesen wenigen Darstellungen geht hervor, daß die altchristliche Kunst den Teufel und die Hölle nur symbolisch angedeutet und beide stets dem Gedanken der Verherrlichung CHRISTI untergeordnet hat. Die einzelnen Kompositionen zeigen in Übereinstimmung mit der gesamten Kunst ihre Abhängigkeit von der Antike und sind von besonderem Interesse, weil einige von ihnen wie die Darstellung des Sündenfalls und des JONAS in die spätere Kunst des Westens übergegangen und somit von frühester Zeit an ein bleibender Besitz derselben geworden sind.


Die Darstellung des Teufels und der Hölle
im Zeitalter der Karolinger und Ottonen.

Die symbolische Darstellung des Teufels und der Hölle war mit der altchristlichen Kunst zwar nicht erloschen, aber sie trat allmählich zurück, seitdem die Kunst den bekannten Vorstellungen der Zeit entsprechend unter den Karolingern und Ottonen den Teufel anthropomorphisiert [vermenschlicht - wp] und der Hölle ein plastisches Bild zu geben versuchte. Wo die Anfänge für diese Entwicklung zu suchen sind, dürfte bei diesem Mangel an Beispielen kaum zu bestimmen sein. Offenbar sind die betreffenden Kompositionen innerhalb des achten bis zwölften Jahrhunderts unter dem sich damals im Okzident stark äußernden Einfluß der byzantinischen Kultur ausgebildet, wie aus der Übereinstimmung mit vorhandenen gleichzeitigen byzantinischen Darstellungen hervorgeht. Sie werden wie schon früher im Anschluß an die Erzählung der Bibel, deren Jllustration damals das allgemeine Interesse beanspruchte, ziemlich wortgetreu wiedergegeben und es ist nicht schwer, aus der eingehenden Betrachtung derselben das Gesamtbild der künstlerischen Gestaltung des Teufels und der Hölle zu gewinnen.

Von den Erzählungen des alten Testaments wird der Sündenfall stets in gleicher Auffassung wie in der altchristlichen Kunst geschildert, weshalb von einer besonderen Aufzählung von Jllustrationen hier abgesehen werden darf. Beachtenswert ist jedoch, daß in dieser Zeit zuerst der Oberkörper der Schlange menschlich gebildet worden ist. Diese Auffassung ist ungleich feiner, als die frühere. Die sprechende, verführende Schlange ohne jede Vermenschlichung mochte den Künstlern als zu wenig der Wirklichkeit entsprechend erscheinen. Indem sie ihr nun einen menschlichen Oberkörper gaben, machten sie das Verführungswerk der Schlange wahrscheinlicher und gaben der Handlung eine größere Lebhaftigkeit. Erwähnt sei von den zahlreichen Darstellungen dieser Art eine bisher nicht edierte, wo der Verführer als Schlange mit fast menschlichem Oberkörper geformt ist. Mit einer Hand hält er der EVA den Apfel entgegen. Der Kopf ist mit einer Mütze bekleidet.

Ein in der altchristlichen Kunst bisher noch nicht nachzuweisende Komposition stellt SIMSON im Kampf mit einem Löwen dar, der bekanntlich als das Bild des Teufels gilt; der jugendliche Held reitet entweder auf dem Tier und reißt ihm, sich vorn überneigend, den Rachen auseinander oder er dringt auf ihn ein und ringt mit ihm wie z. B. auf einem Relief an der Tür des Doms von Augsburg zu sehen ist (XI. Jahrhundert) (34). Auch hier wie in der altchristlichen Kunst gilt SIMSON als Vorläufer CHRISTI; der Kampf des Guten gegen das Böse, die Überwindung des Teufels ist das Thema. Vielleicht war aber auch diese Darstellung schon in der früheren Kunstperiode vorhanden, in deren Rahmen sie hineingepaßt und aus der sie sich dann mit den übrigen in die Folgezeit hinübergerettet hätte.

Die erwähnten Szenen scheinen die einzigen aus dem alten Testament zu sein, in denen der Teufel symbolisch angedeutet ist. Für die reale Darstellung kann nur eine Miniatur zum Buch HIOB aus einer Bibel des IX./X. Jahrhunderts angeführt werden: Der Teufel HIOB steinigend. Der Teufel, ein kleines, schwarzes, geflügeltes Männchen, tanzt vor dem auf Trümmern sitzenden HIOB, frohlockend über sein vollbrachtes Werk. In der Hand hält er eine Kohlenpfanne, um die Trümmer zu entflammen. Auf demselben Blatt quält er den trauernden Dulder mit einem Stachel. Der Teufel ist hier in seltender, sonst in dieser Zeit nirgends wiederkehrenden Auffassung gleich den Engeln Gottes mit dem Nimbus dargestellt, ein Beweis für die byzantinische Herkunft der Miniatur; denn wie GODEH. SCHÄFER in den Noten zum Malerbuch von Berg Athos auseinandersetzt, bezeichnet der Nimbus im Orient irgendeine Gewalt, gut oder böse und nicht die Heiligkeit allein.

Die Mehrzahl der Darstellungen schließt sich indessen den Erzählungen des neuen Testaments an, in welchem ja der Teufel und die Dämonen, wie wir gesehen haben, häufig erwähnt und mit dem Leben des Herrn oder seiner Apostel und Nachfolger in Beziehung gebracht werden. Aus diesen Szenen lernen wir die künstlerische Gestalt des Teufels am besten kennen.

Eine beliebte Jllustration bilden die Versuchungen CHRISTI, welche jene Zeit, ohne zu grübeln, nach dem Text des Evangelisten buchstäblich wiedergegeben hat. Die Versuchung erfolgte bekanntlich an drei Orten: in der Wüste, auf der Zinne des Tempels und auf einem hohen Berg. Sie äußert sich auf dreifache Art. In der ersten wird der Heiland durch Hunger gequält, in der zweiten ein Beweis seiner Allmacht verlangt, in der dritten an seine Herrschsucht appelliert. Diese feinen Unterschiede der Erzählung sind in den Kompositionen der drei Szenn vom VIII. - XII. Jahrhundert nirgends zum Ausdruck gekommen, offenbar weil die Kunstmittel dazu nicht ausreichten, sondern der Teufel, der im Text als Repräsentant dreier Laster erscheint, der Genußsucht, des Stolzes und der Herrschbegierde, wird immer in gleicher Weise dargestellt. Welche Versuchung gemeint ist, kann man allein äußerlich aus der gewöhnlich ziemlich bestimmt gezeichneten Örtlichkeit erkennen. Von den häufigen Jllustrationen in Miniaturen dürfte die des GREGOR von NAZIAUZ (IX. Jahrhundert) die frühste sein, welche wir kennen. Im byzantinischen Manuskript ist der Versucher in menschlicher Gestalt, schwarz, geflügelt, nackt bis auf den Lendenschurz dargestellt. In einer Handschrift Kaiser OTTOs in Aachen (X. Jahrhundert) tritt der Teufel in drei Bildern als fast nackter Mann auf. Er ist nur mit einer graublauen Binde bedeckt, welche um den Leib gewickelt ist, zum Hals aufsteigt, ihn umschließt und von der rechten Schulter über die Brust herabhängt. Er stützt sich auf einen Stab. Als Teufel charakterisieren ihn Flammenhaare und große rote Flügel. Im einen Bild erscheint er als eine Kreatur von niedriger Gestalt, die vor CHRISTUS zu fliehen scheint, in einem andern ist er rein menschlich gebildet und zeigt mit lebhaftem Gestus auf die Steine. In der Handschrift Nr. 110 zu Berlin (X. Jahrhundert) ist er als geflügelter, stierköpfiger Mensch gebildet. Seine Farbe ist blaß schwarz. An den Waden und Ellenbogen hat er spitze, hornartige Auswüchse. Im gleichzeitigen Wandgemälde von Sankt Angelo in Formis, das zweifellos von griechischen Künstlern ausgeführt ist, kommt CHRISTUS zwischen Palmen von links her geschritten. Vor ihm steht der Teufel in gebückter Haltung und nimmt aus einer Vase Steine, wobei er CHRISTUS ansieht, als wollte er sagen: "Bist Du Gottes Sohn, so sprich, daß diese Steine Brot werden." Der Teufel ist ein hagerer Mann mit großen Flügeln gebildet in ähnlicher Auffassung wie bei GREGOR von NAZIANZ und in Aachen. Im Viörader Evangeliar (XII. Jahrhundert) trägt der Teufel, dessen Füße hier in Krallen ausgehen, eine Hacke, welche die in Brot zu verwandelnden Steine aufzuheben bestimmt ist. Eine interessante Darstellung findet man im psalterium cum figuris (XII. Jahrhundert). CHRISTUS steht auf dem Gipfel eines Berges, vor ihm Satan ein Spruchband haltend mit der Inschrift: "Haec omnia tibi dabo, si cadens adoraveris me." [Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest. - wp] Hinter dem Herrn steht der Teufel noch einmal, um anzudeuten, daß er den Heiland auf den Berg getragen hat. Der Versucher hat Adlerklauen, eine Fratze auf dem Leib und ein Schwänzchen. Mit diesen Miniaturen stimmt auch inhaltlich das Relief auf der Bernwardsäule überein. Der Versucher, ein nackter Mann ohne weitere Attribute, flieht entsetzt vor dem standhaft gebliebenen Erlöser.

Die Übereinstimmung der Kompositionen untereinander und mit den Vorschriften des Malerbuchs vom Berg Athos spricht nicht nur für den geistigen Zusammenhang der Jllustratoren, sondern auch für die gemeinsame Provenienz [Herkunft - wp] des Stoffes und die geringen Abweichungen, z. B. in den Attributen des Teufels fallen bei der gleichen Gesamtauffassung nicht ins Gewicht. Wenn DOBBERT sagt, daß das spezifisch-byzantinische der Versuchungsbilder in Sankt Angelo in Formis auf dem Gebiet der Gebärden- und Bewegungsmotive liegt, so gilt dies auch für die abendländischen Darstellungen.

LITERATUR Alfred Köppen, Der Teufel und die Hölle in der darstellenden Kunst von den Anfängen bis zum Zeitalter Dantes und Giottos, Berlin 1895
    Anmerkungen
    1) WETZER und WELTE, Kirchenlexikon (kath.), Bd. 10, Seite 228
    2) PIPER, Mythologie und Symbolik I, § 16
    3) Abbildung bei KRAUS: Roma sotteranea
    4) ROSKOFF, Die Geschichte des Teufels I, Seite 274, Seite 219 und 220
    5) BASILIUS der Große befreite einen Sklaven, welcher ein Bündnis geschlossen hatte, von diesem, und der hl. THEOPHILUS, welcher sich eigenhändig dem Teufel verschrieben hatte, konnte nur mit Hilfe der Jungfrau MARIA seine Verschreibung zurückerhalten (Acta S. S. Boll. 4. Februar) ROSKOFF I, Seite 285. Siehe GRIMM, Seite 970
    6) An anderer Stelle heißt es: "Daher einige Weiblein glauben und vorgeben, sie versammelten sich des Nachts und ritten mit der heidnischen Göttin DIANA oder mit der HERODIAS und der MINERVA und einer unzähligen Menge Weiber durch die Luft und befolgten deren Befehle." (ROSKOFF, Seite 271)
    7) Siehe WETZLER und WELTE, a. a. O.
    8) PERPETUA sieht in einer Vision einen Äthiopier, mit dem sie kämpfen soll. Bei PSEUDO ABBIAS III nahen dem Apostel ANDREAS zwei Äthiopier. Weitere Belegstellen bei X. KRAUS, Real Encyklopädie für christliche Altertümer, Artikel "Teufel". Mit Hörnern wird der Teufel zuerst im Leben des hl. PAULUS geschildert. ROSKOFF, Bd. I, Seite 280f
    9) Apocryph. Act. des BARTOLOMAEUS (Tischendorf, Acta, Apost., Leipzig, Seite 51
    10) Anrede des Hades an den Teufel in der Karfreitagsrede des EUSEBIUS von Alexandrien, THILO: Über die Schriften des Eusebius von Alexandrien; PIPER a. a. O. I, Seite 403
    11) AUGUSTIN angeführt bei WESSELY, Die Gestalten des Todes und Teufels in der Kunst
    12) CYRILLUS von Alexandrien angeführt bei WESSELY, Die Gestalten des Todes und Teufels in der Kunst
    13) WETZER und WELTE, a. a. O., angeführt bei WESSELY, Die Gestalten des Todes und Teufels in der Kunst
    14) BAUTZ, Die Hölle, § 104f
    15) BAUTZ, Die Hölle, Seite 25
    16) THOMAS von AQUIN nennt es später ebenfalls so in allen seinen Schriften (BAUTZ, Seite 107)
    17) Für die Darstellung findet sich das Material bei GRIMM, Deutsche Mythologie; SIMROCK, Deutsche Mythologie; PANZER, Beiträge; ROSKOFF, Geschichte des Teufels und andere. - Eine zusammenhängende Arbeit, welche auf die Verbindung heidnisch-germanischer und christlichen Vorstellungen eingeht, steht, soweit mir bekannt, da auch bei ROSKOFF wenig behandelt, leider noch aus.
    18) In den Akten des hl. AFRA wird der Teufel rabenschwarz, nackt, mit Runzeln wie von der Elephantisis bedeckt geschildert. (RETTENBERG, Kirchengeschichte I, Seite 144. RETTENBERG führt diese Erscheinung auf eine Quelle des 6. Jahrhunderts zurück.
    19) GRIMM, Deutsche Mythologie, Seite 946; SIMROCK, a. a. O. § 80; ROSKOFF, a. a. O. - Von anderen Tieren gilt der Eber, der Wolf, der Hund als Teufel. Unter den Vögeln gilt der Rae nicht nur wegen seiner Schwärze, List und Behendigkeit, sondern auc wegen seines Zusammenhangs mit ODIN als teuflisch.
    20) GRIMM, a. a. O. Seite 959
    21) ROSKOFF, Geschichte des Teufels, Seite 303
    22) HELIAND nach de Altsächsischen, hrsg. von K. SIMROCK, 1856, Seite 197; VILMAR, Altertümer, Seite 16
    23) MUSPILLI, Hrsg. von SCHMELLER, Seite 28f, Vers 49-104
    24) Interessant sind auch die Abschwörungsformeln. MASSMANN, Die deutschen Abschwörungs-, Glaubens-, Beicht- und Betformeln vom 8. bis 12. Jahrhundert, zitiert bei ROSKOFF, Seite 292
    25) KARL LAMPRECHT, Deutsches Geistesleben unter den Ottonen; von EICKEN, Forschungen zur Geschichte, Seite XXIII, 305f
    26) Abbildung bei ARINGHI, Roma subterranea, Bd. I. Siehe KRAUS, Real Enzyklopädie für christliche Altertümer, Artikel "Sündenfall" / Adam und Eva. Hier ist das ganze Material zusammengetragen. Auch PIPER, Mythologie und Symbolik, Seite 66
    27) Abbildung bei ARINGHI, Seite 427
    28) So auf einem Relief eines Sarkophages ex coeneteriis Pauli Apostoli bei KRAUS, Roma sotteranea, Seite 35
    29) ARINGHI, Seite 194
    30) GEORGE SMITH, Chaldeische Genesis, deutsch von H. DELITZSCH, Seite 87
    31) MÜNTER
    32) PIPER, Mythologie und Symbolismus I, Seite 66f
    33) Abbildung bei OVERBECK, Kunstmythologie
    34) Eine fernere, etwas spätere Darstellung dieser Szene ist auf dem Verduner Altar zu Kloster Neuburg, welcher 1181 vom Meister NICOLAUS von VERDUN gearbeitet ist (LÜBKE, Grundriss der Kunstgeschichte, Seite 395f).