tb-1Prolegomena einer jeden künftigen Metaphysik     
 
IMMANUEL KANT
Kritik der reinen Vernunft
[6/8]
    GeleitwortWidmungVorredeEinleitung
Transzendentale Elementarlehre
Teil 1:Transzendentale Ästhetik
1. Abschnitt: Vom Raum
2. Abschnitt: Von der Zeit
Teil 2: Transzendentale Logik
1. Abteilung: Transzendentale Analytik
2. Abteilung: Transzendentale Dialektik

"Diese Grundsätze haben das besondere an sich, daß sie nicht die Erscheinungen, und die Synthesis ihrer empirischen Anschauung, sondern bloß das Dasein, und ihr Verhältnis untereinander, in Anbetracht dieses ihres Daseins erwägen. Nun kann die Art, wie etwas in der Erscheinung apprehendiert wird,  a priori  dergestalt bestimmt sein, daß die Regel ihrer Synthesis zugleich diese Anschauung  a priori  in jedem vorliegenden empirischen Beispiel geben: d. h. sie daraus zustande bringen kann. Allein das Dasein der Erscheinungen kann  a priori  nicht erkannt werden, und, obgleich wir auf diesem Weg dahin gelangen könnten, auf irgendein Dasein zu schließen, so würden wir dieses doch nicht bestimmt erkennen, d. h. das, wodurch seine empirische Anschauung sich von andern unterschiede, antizipieren können."

I.
Transzendentale Logik
Erste Abteilung

Die transzendentale Analytik
[Fortsetzung]

Die Analytik der Grundsätze

Dritter Abschnitt
Systematische Vorstellung
aller synthetischen Grundsätze

Daß überhaupt irgendwo Grundsätze stattfinden, das ist lediglich dem reinen Verstand zuzuschreiben, der nicht allein das Vermögen der Regeln ist, in Anbetracht dessen, was geschieht, sondern selbst der Quell der Grundsätze, nach welchem alles, (was uns nur als Gegenstand vorkommen kann) notwendig unter Regeln steht, weil, ohne solche, den Erscheinungen niemals Erkenntnis eines ihnen korrespondierenden Gegenstandes zukommen könnte. Selbst Naturgesetze, wenn sie als Grundsätze des empirischen Verstandesgebrauchs betrachtet werden, führen zugleich einen Ausdruck der Notwendigkeit, mithin wenigstens die Vermutung einer Bestimmung aus Gründen, die  a priori,  und vor aller Erfahrung gültig sind, bei sich. Aber ohne Unterschied stehen alle Gesetze der Natur unter höheren Grundsätzen des Verstandes, indem sie diese nur auf besondere Fälle der Erscheinung anwenden. Diese allein geben also den Begriff, der die Bedingung und gleichsam den Exponenten zu einer Regel überhaupt enthält, Erfahrung aber gibt den Fall, der unter der Regel steht.

Daß man bloß empirische Grundsätze für Grundsätze des reinen Verstandes, oder auch umgekehrt ansehe, deshalb kann wohl eigentlich keine Gefahr sein; denn die Notwendigkeit nach Begriffen, welche die letztere aufgezeichnet, und deren Mangel in jedem empirischen Satz, so allgemein er auch gelten mag, leicht wahrgenommen wird, kann diese Verwechslung leicht verhüten. Es gibt aber reine Grundsätze  a priori,  die ich gleichwohl doch nicht dem reinen Verstand eigentümlich beimessen möchte, darum, weil sie nicht aus reinen Begriffen, sondern aus reinen Anschauungen (obgleich mittels des Verstandes) gezogen sind; Verstand ist aber das Vermögen der Begriffe. Die Mathematik hat dergleichen, aber ihre Anwendung auf Erfahrung, mithin ihre objektive Gültigkeit, ja die Möglichkeit solcher synthetischer Erkenntnis  a priori  (die Deduktion derselben) beruth doch immer auf dem reinen Verstand.

Daher werde ich unter meine Grundsätze die der Mathematik nicht mitzählen, aber wohl diejenigen, worauf sich dieser ihre Möglichkeit und objektive Gültigkeit  a priori  gründet, und die mithin als Prinzipium dieser Grundsätze anzusehen sind, und von Begriffen zur Anschauung, nicht aber von der Anschauung zu Begriffen ausgehen.

In der Anwendung der reinen Verstandesbegriffe auf mögliche Erfahrung ist der Gebrauch ihrer Synthesis entweder mathematisch, oder dynamisch: denn sie geht teils bloß auf die Anschauung, teils auf das Dasein einer Erscheinung überhaupt. Die Bedingungen  a priori  der Anschauung sind aber in Anbetracht einer möglichen Erfahrung durchaus notwendig, die des Daseins der Objekte einer möglichen empirischen Anschauung ansich nur zufällig. Daher werden die Grundsätze des mathematischen Gebrauchs unbedingt notwendig, d. h. apodiktisch [logisch zwingend, demonstrierbar - wp] lauten, die aber des dynamischen Gebrauchs werden zwar auch den Charakter einer Notwendigkeit  a priori,  aber nur unter der Bedingung des empirischen Denkens in einer Erfahrung, mithin nur mittelbar und indirekt bei sich führen, folglich diejenige unmittelbare Evidenz nicht enthalten, (obwohl ihrer auf Erfahrung allgemein bezogenen Gewißheit unbeschadet) die jenen eigen ist. Doch dies wird sich beim Schluß dieses Systems von Grundsätzen besser beurteilen lassen.

Die Tafel der Kategorien gibt uns die ganz natürliche Anweisung zur Tafel der Grundsätze, weil diese doch nichts anderes, als Regeln des objektiven Gebrauchs der ersteren sind. Alle Grundsätze des reinen Verstandes sind demnach

 
I.
Axiome
der
Anschauung

 
II.
Antizipationen
der
Wahrnehmung
 
III.
Analogien
der
Erfahrung
 
IV.
Postulat des
empirischen Denkens
überhaupt
 

Diese Benennungen habe ich mit Vorsicht gewählt, um die Unterschiede in Anbetracht der Evidenz und der Ausübung dieser Grundsätze nicht unbemerkt zu lassen. Es wird sich aber bald zeigen: daß, was sowohl die Evidenz, als die Bestimmung der Erscheinungen  a priori,  nach den Kategorien der Größe und der Qualität (wenn man lediglich auf die Form der letzteren acht hat) betrifft, die Grundsätze derselben sich darin von den zwei übrigen namhaft unterscheiden; indem jene einer intuitiven, diese aber einer bloß diskursiven, obwohl beiderseits einer völligen Gewißheit fähig sind. Ich werde daher jene die mathematischen, diese die dynamischen Grundsätze nennen. Man wird aber wohl bemerken: daß ich hier ebensowenig die Grundsätze der Mathematik in einem Fall, als die Grundsätze der allgemeinen (physischen) Dynamik im andern, sondern nur die des reinen Verstandes im Verhältnis auf den inneren Sinn (ohne Unterschied der darin gegebenen Vorstellungen) vor Augen habe, dadurch dann jene insgesamt ihre Möglichkeit bekommen. Ich benenne sie also mehr in Anbetracht der Anwendung, als um ihres Inhalts willen, und gehe nun zur Erwägung derselben in der nämlichen Ordnung, wie sie in der Tafel vorgestellt werden.


1.
Von den Axiomen der Anschauung
(Grundsatz des reinen Verstandes:
Alle Erscheinungen sind ihrer Anschauung nach extensive Größen)

Eine extensive Größe nenne ich diejenige, in welcher die Vorstellung der Teile die Vorstellung des Ganzen möglich macht, (und also notwendig dieser vorhergeht). Ich kann mir keine Linie, so klein sie auch sei, vorstellen, ohne sie in Gedanken zu ziehen, d. h. von einem Punkt alle Teile nach und nach zu erzeugen, und dadurch allererst diese Anschauung zu verzeichnen. Ebenso ist es auch mit jeder auch der kleinsten Zeit bewandt. Ich denke mir darin nur den sukzessiven Fortgang von einem Augenblick zum andern, wo durch alle Zeitteile und deren Hinzutun endlich eine bestimmte Zeitgröße erzeugt wird. Da die bloße Anschauung an allen Erscheinungen entweder der Raum, oder die Zeit ist, so ist jede Erscheinung als Anschauung eine extensive Größe, indem sie nur durch sukzessive Synthesis (von Teil zu Teil) in der Apprehension erkannt werden kann. Alle Erscheinungen werden demnach schon als Aggregate (als Menge vorgegebener Teile) angeschaut, welches eben nicht der Fall bei jeder Art Größen, sondern nur derer ist, die uns extensiv als solche vorgestellt und apprehendiert werden.

Auf diese sukzessive Synthesis der produktiven Einbildungskraft, in der Erzeugung der Gestalten, gründet sich die Mathematik der Ausdehnung (Geometrie) mit ihren Axiomen, welche die Bedingungen der sinnlichen Anschauung  a priori  ausdrücken, unter denen allein das Schema eines reinen Begriffs der äußeren Erscheinung zustande kommen kann, z. B. zwischen zwei Punkten ist nur eine gerade Linie möglich; zwei gerade Linien schließen keinen Raum ein usw. Dies sind die Axiome, welche eigentlich nur Größen (quanta) als solche betreffen.

Was aber die Größe, (quantitas) d. h. die Antwort auf die Frage: wie groß etwas sei? betrifft, so gibt es in Anbetracht derselben, obgleich verschiedene dieser Sätze synthetisch und unmittelbar gewiß (indemonstrabilia) sind, dennoch im eigentlichen Verstand keine Axiome. Denn daß gleiches zu gleichem hinzugetan, oder von diesem abgezogen, ein gleiches gebe, sind analytische Sätze, indem ich mir der Identität der einen Größenerzeugung mit der anderen unmittelbar bewußt bin; Axiome aber sollen synthetische Sätze  a priori  sein. Dagegen sind die evidenten Sätze der Zahlverhältnisse zwar allerdings synthetisch, aber nicht allgemein, wie die der Geometrie, und eben deswegen auch nicht Axiome, sondern können Zahlformeln genannt werden. Daß  7 + 5 = 12  ist, ist kein analytischer Satz. Denn ich denke weder in der Vorstellung von  7,  noch von  5,  noch in der Vorstellung von der Zusammensetzung beider die Zahl  12,  (daß ich diese in der Addition beiden denken soll, davon ist hier nicht die Rede; denn beim analytischen Satz ist nur die Frage, ob ich das Prädikat wirklich in der Vorstellung des Subjekts denke). Obgleich er aber synthetisch ist, so ist er doch nur ein einzelner Satz. Sofern hier bloß auf die Synthesis des gleichartigen (der Einheiten) gesehen wird, so kann die Synthesis hier nur auf eine einzige Art geschehen, wiewohl der Gebrauch dieser Zahlen nachher allgemein ist. Wenn ich sage: durch drei Linien, deren zwei zusammengenommen größer sind, als die dritte, läßt sich ein Triangel zeichnen; so habe ich hier die bloße Funktion der produktiven Einbildungskraft, welche die Linien größer und kleiner ziehen, desgleichen nach allerlei beliebigen Winkeln kann zusammenstoßen lassen. Dagegen ist die Zahl  7  nur auf eine einzige Art möglich, und auch die Zahl  12,  die durch die Synthesis der ersteren mit  5  erzeugt wird. Dergleichen Sätze muß man also nicht Axiome, (denn sonst gäbe es deren unendliche) sondern Zahlformeln nennen.

Dieser transzendentale Grundsatz der Mathematik der Erscheinungen gibt unserer Erkenntnis  a priori  große Erweiterung. Denn er ist es allein, welcher die reine Mathematik in ihrer ganzen Präzision auf Gegenstände der Erfahrung anwendbar macht, welches ohne diesen Grundsatz nicht so von selbst sich erhellen möchte, ja auch manchen Widerspruch veranlaßt hat. Erscheinungen sind keine Dinge ansich. Die empirische Anschauung ist nur durch die reine (des Raumes und der Zeit) möglich; was also die Geometrie von dieser sagt, gilt auch ohne Widerrede von jener, und die Ausflüchte, als wenn Gegenstände der Sinne nicht den Regeln der Konstruktion im Raum (z. B. der unendlichen Teilbarkeit der Linien oder Winkel) gemäß sein dürfe, muß wegfallen. Denn dadurch spricht man dem Raum und mit ihm zugleich aller Mathematik objektive Gültigkeit ab, und weiß nicht mehr, warum, und wie weit sie auf Erscheinungen anzuwenden sei. Die Synthesis der Räume und Zeiten, als der wesentlichen Form aller Anschauung, ist das, was zugleich die Apprehension der Erscheinung, mithin jede äußere Erfahrung, folglich auch alle Erkenntnis der Gegenstände derselben, möglich macht, und was die Mathematik im reinen Gebrauch von jener beweist, das gilt auch notwendig von dieser: Alle Einwürfe dawider sind nur Schikanen einer falsch belehrten Vernunft, die irrigerweise die Gegenstände der Sinne von der formalen Bedingung unserer Sinnlichkeit loszumachen gedenkt, und sie, obgleich sie bloß Erscheinungen sind, als Gegenstände ansich, dem Verstand gegeben vorstellt, in welchem Fall freilich von ihnen  a priori  gar nichts, mithin auch nicht durch reine Begriffe vom Raum, synthetisch erkannt werden könnte und die Wissenschaft, die diese bestimmt, nämlich die Geometrie selbst nicht möglich sein würde.


2.
Die Antizipationen der Wahrnehmung

Der Grundsatz, welcher alle Wahrnehmungen, als solche, antizipiert, heißt so: In allen Erscheinungen hat die Empfindung, und das Reale, welches ir am Gegenstand entspricht, (realitas phaenomenon) eine intensive Größe, d. h. einen Grad.

Man kann alle Erkenntnis, wodurch ich dasjenige, was zur empirischen Erkenntnis gehört,  a priori  erkennen und bestimmen kann, eine Antizipation nennen, und ohne Zweifel ist das die Bedeutung, in welcher EPIKUR seinen Ausdruck  prolepsis  brauchte. Da aber an den Erscheinungen etwas ist, was niemals  a priori  erkannt wird, und welches daher auch den eigentlichen Unterschied des empirischen von der Erkenntnis  a priori  ausmacht, nämlich die Empfindung, (als Materie der Wahrnehmung) so folgt, daß diese es eigentlich sei, was gar nicht antizipiert werden kann. Dagegen würden wir die reinen Bestimmungen im Raum und der Zeit, sowohl in Anbetracht der Gestalt, als Größe, Antizipationen der Erscheinungen nennen können, weil sie dasjenige  a priori  vorstellen, was immer  a posteriori  in der Erfahrung gegeben werden mag. Gesetzt aber, es finde sich doch etwas, was sich an jeder Empfindung, als Empfindung überhaupt, (ohne, daß eine besondere gegeben sein mag,)  a priori  erkennen läßt; so würde dieses im ausnehmenden Verstand Antizipation zu werden verdienen, weil es befremdlich scheint, der Erfahrung in demjenigen vorzugreifen, was gerade die Materie derselben angeht, die man nur aus ihr schöpfen kann. Und so verhält es sich hier wirklich.

Die Apprehension, bloß mittels der Empfindung, erfüllt nur einen Augenblick, (wenn ich nämlich nicht die Sukzession vieler Empfindungen in Betracht ziehe). Als etwas in der Erscheinung, dessen Apprehension keine sukzessive Synthesis ist, die von Teilen zur ganzen Vorstellung fortgeht, hat sie also keine extensive Größe: der Mangel der Empfindung in demselben Augenblick würde diesen, als leer, vorstellen, mithin  = 0.  Was nun in der empirischen Anschauung der Empfindung korrespondiert, ist Realität, (realitas phaenomenon) was dem Mangel derselben entspricht, Negation  = 0.  Nun ist aber jede Empfindung einer Veringerung fähig, so daß sie abnehmen, und so allmählich verschwinden kann. Daher ist zwischen Realität in der Erscheinung und Negation ein kontinuierlicher Zusammenhang vieler möglicher Zwischenempfindungen, deren Unterschied voneinander immer kleiner ist, als der Unterschied zwischen der gegebenen und dem Zero, oder der gänzlichen Negation, d. h. das Reale in der Erscheinung hat jederzeit eine Größe, welche aber nicht in der Apprehension angetroffen wird, indem diese mittels der bloßen Empfindung in einem Augenblick, und nicht durch sukzessive Synthesis vieler Empfindungen geschieht, und also nicht von den Teilen zum Ganzen geht; es hat also zwar eine Größe, aber keine extensive.

Nun nenne ich diejenige Größe, die nur als Einheit apprehendiert wird, und in welcher die Vielheit nur durch Annäherung zur Negation  = 0  vorgestellt werden kann, die intensive Größe. Also hat jede Realität in der Erscheinung intensive Größe, d. h. einen Grad. Wenn man diese Realität als Ursache, (es sei der Empfindung oder anderer Realität in der Erscheinung, z. B. einer Veränderung) betrachtet; so nennt man den Grad der Realität als Ursache, ein Moment, z. B. das Moment der Schwere und zwar darum, weil der Grad nur die Größe bezeichnet, deren Apprpehension nicht sukzessiv, sondern augenblicklich ist. Dieses berühre ich aber hier nur beiläufig, denn mit der Kausalität habe ich vorläufig noch nicht zu tun.

So hat demnach jede Empfindung, mithin auch jede Realität in der Erscheinung, so klein sie auch sein mag, einen Grad, d. h. eine intensive Größe, die noch immer vermindert werden kann, und zwischen Realität und Negation ist ein kontinuierlicher Zusammenhang möglicher Realitäten, und möglicher kleinerer Wahrnehmungen. Eine jede Farbe z. B. die rote hat einen Grad, der, so klein er auch sein mag, niemals der kleinste ist, und so ist es mit der Wärme, dem Moment der Schwere usw. überall bewandt.

Die Eigenschaft der Größen, nach welcher an ihnen kein Teil der kleinstmögliche (kein Teil einfach) ist, heißt die Kontinuität derselben. Raum und Zeit sind  quanta continua,  weil kein Teil derselben gegeben werden kann, ohne ihn zwischen Grenzen (Punkten und Augenblicken) einzuschließen, mithin nur so, daß dieser Teil selbst wiederum ein Raum, oder eine Zeit ist. Der Raum besteht also nur aus Räumen, die Zeit aus Zeiten. Punkte und Augenblicke sind nur Grenzen, d. h. bloße Stellen ihrer Einschränkung, Stellen aber setzen jederzeit jene Anschauungen, die sie beschränken, oder bestimmen sollen, voraus, und aus bloßen Stellen, als aus Bestandteilen, die noch vor dem Raum oder der Zeit gegeben werden könnten, kann weder Raum noch Zeit zusammengesetzt werden. Dergleichen Größen kann man auch fließende nennen, weil die Synthesis (der produktiven Einbildungskraft) in ihrer Erzeugung ein Fortgang in der Zeit ist, deren Kontinuität man besonders durch den Ausdruck des Fließens (Verfließens) zu bezeichnen pflegt.

Alle Erscheinungen überhaupt sind demnach kontinuierliche Größen, sowohl ihrer Anschauung nach, als extensive, oder der bloßen Wahrnehmung (Empfindung und mithin Realität) nach, als intensive Größen. Wenn die Synthesis des Mannigfaltigen der Erscheinung unterbrochen ist, so ist dieses ein Aggregat von vielen Erscheinungen, und nicht eigentlich Erscheinung als ein Quantum, welches nicht durch die bloße Fortsetzung der produktiven Synthesis einer gewissen Art, sondern durch Wiederholung einer immer aufhörenden Synthesis erzeugt wird. Wenn ich 13 Taler ein Geldquantum nenne, so benenne ich es insofern richtig, als ich darunter den Gehalt von einer Mark Feinsilber verstehe, welche aber allerdings eine kontinuierliche Größe ist, in welcher kein Teil der kleinste ist, sondern jeder Teil ein Geldstück ausmachen könnte, welche immer Materie zu noch kleineren enthielte. Wenn ich aber unter jener Benennung 14 runde Taler verstehe, als soviel Münzen, (ihr Silbergehalt mag sein, welcher er wolle), so benenne ich es unschicklich durch ein Quantum von Talern, sondern muß es ein Aggregat, d. h. eine Zahl Geldstücke nennen. Da nun bei aller Zahl doch Einheit zugrunde liegen muß, so ist die Erscheinung als Einheit, ein Quantum, und als ein solches jederzeit ein Kontinuum.

Wenn nun alle Erscheinungen, sowohl extensiv, als auch intensiv betrachtet, kontinuierliche Größen sind; so würde der Satz: daß auch alle Veränderung (Übergang eines Dings aus einem Zustand in den andern) kontinuierlich ist, leicht und mit mathematischer Evidenz hier bewiesen werden können, wenn nicht die Kausalität einer Veränderung überhaupt ganz außerhalb der Grenzen einer Transzendentalphilosophie läge, und empirische Prinzipien voraussetzte. Denn daß eine Ursache möglich sei, welche den Zustand der Dinge verändere, d. h. sie zum Gegenteil eines gewissen gegebenen Zustandes bestimmte, davon gibt uns der Verstand  a priori  gar keine Eröffnung, nicht bloß deswegen, weil er die Möglichkeit davon gar nicht einsieht, (denn diese Einsicht fehlt uns in mehreren Erkenntnissen  a priori)  sondern, weil die Veränderlichkeit nur gewisse Bestimmungen der Erscheinungen trifft, welche die Erfahrung allein lehren kann, indessen daß ihre Ursache im Unveränderlichen anzutreffen ist. Da wir aber hier nichts vor uns haben, dessen wir uns bedienen können, als die reinen Grundbegriffe aller möglichen Erfahrung, unter welchen durchaus nichts Empirisches sein muß, so können wir, ohne die Einheit des Systems zu verletzen, der allgemeinen Naturwissenschaft, welche auf gewisse Grunderfahrungen gebaut ist, nicht vorgreifen.

Gleichwohl mangelt es uns nicht an Beweistümern des großen Einflusses, den dieser unser Grundsatz hat, Wahrnehmungen zu antizipieren, und sogar deren Mangel insofern zu ergänzen, daß er allen falschen Schlüssen, die daraus gezogen werden möchten, den Riegel vorschiebt. Wenn alle Realität in der Wahrnehmung einen Grad hat, zwischen dem und der Negation eine unendliche Stufenfolge immer minderer Grade stattfindet, und gleichwohl ein jeder Sinn einen bestimmten Grad der Rezeptivität der Empfindungen haben muß, so ist keine Wahrnehmung, mithin auch keine Erfahrung möglich, die einen gänzlichen Mangel alles Realen in der Erscheinung, es sei unmittelbar oder mittelbar, (durch welchen Umschweif im Schluß auch immer) bewiese, d. h. es kann aus der Erfahrung niemals ein Beweis vom leeren Raum oder einer leeren Zeit gezogen werden. Denn der gänzliche Mangel des Realen in der sinnlichen Anschauung kann zum einen selbst nicht wahrgenommen werden, zum anderen kann er aus keiner einzigen Erscheinung und dem Unterschied des Grades ihrer Realität gefolgert, oder darf auch zur Erklärung derselben niemals angenommen werden. Denn wenn auch die ganze Anschauung eines bestimmten Raumes oder Zeit durch und durch real, d. h. kein Teil derselben leer ist; so muß es doch, weil jede Realität ihren Grad hat, der, bei unveränderter extensiven Größe der Erscheinung bis zum Nichts (dem leeren) durch unendliche Stufen abnehmen kann, unendlich verschiedene Grade, mit welchen Raum oder Zeit erfüllt sind, geben, und die intensive Größe in verschiedenen Erscheinungen kleiner oder größer sein können, obschon die extensive Größe der Anschauung gleich ist.

Wir wollen ein Beispiel davon geben. Beinahe alle Naturlehrer, da sie einen großen Unterschied der Quantität der Materie von verschiedener Art unter gleichem Volumen (teils durch das Moment der Schwere, oder des Gewichts, teils durch das Moment des Widerstandes gegen andere bewegte Materien) wahrnehmen, schließen daraus einstimmig: dieses Volumen (extensive Größe der Erscheinung) müsse in allen Materien, obwohl in verschiedenem Maße leer sein. Wer hätte aber von diesen größtenteils mathematischen und mechanischen Naturforschern sich wohl jemals einfallen lassen, daß sie diesen ihren Schluß lediglich auf eine metaphysische Voraussetzung, welche sie doch so sehr zu vermeiden vorgeben, gründeten, indem sie annehmen, daß das Reale im Raum, (ich mag es hier nicht Undurchdringlichkeit oder Gewicht nennen, weil dieses empirische Begriffe sind,) allerwärts einerlei dasselbe sei, und sich nur der extensiven Größe, d. h. der Menge nach unterscheiden können. Dieser Voraussetzung, dazu sie keinen Grund in der Erfahrung haben konnten, und die also bloß metaphysisch ist, setze ich einen transzendentalen Beweis entgegen, der zwar den Unterschied in der Erfüllung der Räume nicht erklären soll, aber doch die vermeinte Notwendigkeit jener Voraussetzung, gedachten Unterschied nicht anders, wie durch anzunehmende leere Räume erklären zu können, völlig aufhebt, und das Verdienst hat, den Verstand wenigstens in Freiheit zu versetzen, sich diese Verschiedenheit auch auf andere Art zu denken, wenn die Naturerklärung hierzu irgendeine Hypothese notwendig machen sollte. Denn da sehen wir, daß obschon gleiche Räume von verschiedenen Materien vollkommen erfüllt sein mögen, so, daß in keinem von beiden ein Punkt ist, in welchem nicht ihre Gegenwart anzutreffen wäre, so habe doch jedes Reale bei derselben Qualität ihren Grad (des Widerstandes oder des Wiegens) welcher ohne Verminderung der extensiven Größe oder Menge ins Unendliche kleiner sein kann, ehe sie in das leere übergeht und verschwindet. So kann eine Ausspannung, die einen Raum erfüllt, z. B. Wärme, und auf gleiche Weise jede andere Realität (in der Erscheinung) ohne im mindesten den kleinsten Teil dieses Raumes leer zu lassen, in ihren Graden ins unendliche abnehmen, und nichtsdestoweniger den Raum mit diesen kleineren Graden ebensowohl erfüllen, als eine andere Erscheinung mit größeren. Meine Absicht ist hier keineswegs, zu behaupten: daß dieses wirklich mit der Verschiedenheit der Materien, ihrer spezifischen Schwere nach, so bewandt sei, sondern nur aus einem Grundsatz des reinen Verstandes darzutun: daß die Natur unserer Wahrnehmungen eine solche Erklärungsart möglich mache, und daß man fälschlich das Reale der Erscheinung dem Grad nach, als gleicht, und nur der Aggregation und deren extensiven Größe nach, als verschieden annehme, und dieses sogar vorgeblichermaßen, durch einen Grundsatz des Verstandes  a priori  behaupte.

Es hat gleichwohl diese Antizipation der Wahrnehmung etwas für einen der transzendentalen gewohnten und dadurch behutsam gewordenen Nachforscher, immer etwas Auffallendes an sich, und erregt darüber einiges Bedenken, daß der Verstand einen dergleichen synthetischen Satz, als der vom Grad alles Realen in den Erscheinungen ist, und mithin der Möglichkeit des inneren Unterschiedes der Empfindung selbst, wenn man von ihrer empirischen Qualität abstrahiert, und es ist also noch eine der Auflösung nicht unwürdige Frage: wie der Verstand hierin synthetisch über Erscheinungen  a priori  aussprechen, und diese sogar in demjenigen, was eigentlich, und bloß empirisch ist, nämlich die Empfindung angeht, antizipieren könne.

Die Qualität der Empfindung ist jederzeit bloß empirisch, und kann  a priori  gar nicht vorgestellt werden, (z. B. Farben, Geschmack etc.). Aber das Reale, was den Empfindungen überhaupt korrespondiert, im Gegensatz mit der Negation  = 0  stellt nur etwas dar, dessen Begriff ansich ein Sein enthält, und bedeutet nichts als die Synthesis in einem empirischen Bewußtsein überhaupt. Im inneren Sinn nämlich kann das empirische Bewußtsein von  0  bis zu jedem größeren Grad erhöht werden, so daß eben dieselbe extensive Größe der Anschauung (z. B. erleuchtete Fläche) so große Empfindung erregt, als ein Aggregat von vielem anderen (minder erleuchteten) zusammen. Man kann also von der extensiven Größe der Erscheinung gänzlich abstrahieren, und sich doch an der bloßen Empfindung in einem Moment eine Synthesis der gleichförmigen Steigerung von  0  bis zum gegebenen empirischen Bewußtsein vorstellen. Alle Empfindungen werden daher, als solche, zwar nur  a priori  gegeben, aber die Eigenschaft derselben, daß sie einen Grad haben, kann  a priori  erkannt werden. Es ist merkwürdig, daß wir an Größen überhaupt  a priori  nur eine einzige Qualität, nämlich die Kontinuität, an aller Qualität aber (dem Realen der Erscheinungen) nichts weiter  a priori,  als die intensive Quantität derselben, nämlich, daß sie einen Grad haben, erkennen können, alles übrige bleibt der Erfahrung überlassen.


3.
Die Analogien der Erfahrung

Der allgemeine Grundsatz derselben ist: Alle Erscheinungen stehen, ihrem Dasein nach,  a priori  unter Regeln der Bestimmung ihres Verhältnisses untereinander in einer Zeit.

Die drei  modi  der Zeit sind Beharrlichkeit, Folge und Zugleichsein. Daher werden drei Regeln aller Zeitverhältnisse der Erscheinungen, wonach jeder ihr Dasein in Anbetracht der Einheit aller Zeit bestimmt werden kann, aller Erfahrung vorangehen, und diese allererst möglich machen.

Der allgemeine Grundsatz aller drei Analogien beruth auf der notwendigen Einheit der Apperzeption, in Anbetracht alles möglichen empirischen Bewußtseins, (der Wahrnehmung), zu jeder Zeit, folglich, da jene  a priori  zugrunde liegt, auf der synthetischen Einheit aller Erscheinungen nach ihrem Verhältnis in der Zeit. Denn die ursprüngliche Apperzeption bezieht sich auf den inneren Sinn, (den Inbegriff aller Vorstellungen) und zwar  a priori  auf die Form desselben, d. h. das Verhältnis des mannigfaltigen empirischen Bewußtseins in der Zeit. In der ursprünglichen Apperzeption soll nun all dieses Mannigfaltige, seinen Zeitverhältnissen nach, vereinigt werden; denn dieses sagt die transzendentale Einheit derselben  a priori,  unter welcher alles steht, was zu meinem (d. h. meiner vereinheitlichten) Erkenntnis gehören soll, mithin ein Gegenstand für mich werden kann. Diese synthetische Einheit im Zeitverhältnis der Wahrnehmungen, welche  a priori  bestimmt ist, ist als das Gesetz: daß alle empirischen Zeitbestimmungen unter Regeln der allgemeinen Zeitbestimmung stehen müssen, und die Analogien der Erfahrung von denen wir jetzt handeln wollen, müssen dergleichen Regeln sein.

Diese Grundsätze haben das besondere an sich, daß sie nicht die Erscheinungen, und die Synthesis ihrer empirischen Anschauung, sondern bloß das Dasein, und ihr Verhältnis untereinander, in Anbetracht dieses ihres Daseins erwägen. Nun kann die Art, wie etwas in der Erscheinung apprehendiert wird,  a priori  dergestalt bestimmt sein, daß die Regel ihrer Synthesis zugleich diese Anschauung  a priori  in jedem vorliegenden empirischen Beispiel geben: d. h. sie daraus zustande bringen kann. Allein das Dasein der Erscheinungen kann  a priori  nicht erkannt werden, und, obgleich wir auf diesem Weg dahin gelangen könnten, auf irgendein Dasein zu schließen, so würden wir dieses doch nicht bestimmt erkennen, d. h. das, wodurch seine empirische Anschauung sich von andern unterschiede, antizipieren können.

Die vorigen zwei Grundsätze, welche ich die mathematische nannte, in Anbetracht dessen, daß sie die Mathematik auf Erscheinungen anzuwenden berechtigten, gingen auf Erscheinungen ihrer bloßen Möglichkeit nach, und lehrten, wie sie sowohl ihrer Anschauung, als dem Realen ihrer Wahrnehmung nach, nach Regeln einer mathematischen Synthesis erzeugt werden könnten; daher sowohl bei der einen, wie bei der andern die Zahlgrößen, und, mit ihnen, die Bestimmung der Erscheinung als Größe, gebraucht werden können. So werde ich z. B. den Grad der Empfindungen des Sonnenlichts aus etwa 200 000 Erleuchtungen durch den Mond zusammensetzen und  a priori  bestimmt geben, d. h. konstruieren können. Daher können wir die ersteren Grundsätze konstitutive nennen.

Ganz anders muß es mit denen bewandt sein, die das Dasein der Erscheinungen  a priori  unter Regeln bringen sollen. Denn, da dieses sich nicht konstruieren läßt, so werden sie nur auf das Verhältnis des Daseins gehen, und keine andere als bloß regulative Prinzipien abgeben können. Da ist also weder an Axiomen, noch an Antizipationen zu denken, sondern, wenn uns eine Wahrnehmung in einem Zeitverhältnis gegen andere (obwohl unbestimmte) gegeben ist; so wird  a priori  nicht gesagt werden können: welche andere und wie große Wahrnehmung, sondern, wie sie dem Dasein nach, in diesem  modo  der Zeit, mit jener notwendig verbunden sei. In der Philosophie bedeuten Analogien etwas sehr Verschiedenes von demjenigen, was sie in der Mathematik darstellen. In dieser sind es Formeln, welche die Gleichheit zweier Größenverhältnisse aussagen, und jederzeit konstitutiv, so, daß, wenn zwei Glieder der Proportion gegeben sind, auch das Dritte dadurch gegeben wird, d. h. konstruiert werden kann. In der Philosophie aber ist die Analogie nicht die Gleichheit zweier quantitativer, sondern qualitativer Verhältnisse, wo ich aus drei gegebenen Gliedern nur das Verhältnis zu einem vierten, nicht aber dieses vierte Glied selbst erkennen, und  a priori  geben kann, wohl aber eine Regel habe, es in der Erfahrung zu suchen, und ein Merkmal, es in derselben aufzufinden. Eine Analogie der Erfahrung wird also nur eine Regel sein, nach welcher aus Wahrnehmungen Einheit der Erfahrung (nicht wie Wahrnehmung selbst, als empirische Anschauung überhaupt) entspringen soll, und als Grundsatz von den Gegenständen (der Erscheinungen) nicht konstitutiv, sondern bloß regulativ gelten. Eben dasselbe aber wird auch von den Postulaten des empirischen Denkens überhaupt, welche die Synthesis der bloßen Anschauung, (der Form der Erscheinung) der Wahrnehmung, (der Materie derselben) und der Erfahrung (des Verhältnisses dieser Wahrnehmungen) zusammen betreffen, gelten, nämlich, daß sie nur regulative Grundsätze sind, und sich von den mathematischen, die konstitutiv sind, zwar nicht in der Gewißheit, welche in beiden  a priori  feststeht, aber doch in der Art der Evidenz, d. h. dem Intuitiven derselben, (mithin auch der Demonstration) unterscheiden.

Was aber bei allen synthetischen Grundsätzen erinnert wurde, und hier vorzüglich angemerkt werden muß, ist dieses: daß diese Analogien nicht als Grundzüge des transzendentalen, sondern bloß des empirischen Verstandesgebrauchs, ihre alleinige Bedeutung und Gültigkeit haben, mithin auch nur als solche bewiesen werden können, daß folglich die Erscheinungen nicht unter die Kategorien schlechthin, sondern nur unter ihre Schemata subsumiert werden müssen. Denn wären die Gegenstände, auf welche diese Grundsätze bezogen werden sollen, Dinge ansich; so wäre es ganz unmmöglich, etwas von ihnen  a priori  synthetisch zu erkennen. Nun sind es nichts als Erscheinungen, deren vollständige Erkenntnis, auf die alle Grundsätze  a priori  zuletzt doch immer auslaufen müssen, lediglich die mögliche Erfahrung ist, folglich können jene nichts, als bloß die Bedingungen der Einheit der empirischen Erkenntnis in der Synthesis der Erscheinungen, zum Ziel haben; diese aber wird nur allein im Schema des reinen Verstandesbegriffs gedacht, von deren Einheit, als einer Synthesis überhaupt, die Kategorie, die durch keine sinnliche Bedingung restringierte Funktion enthält. Wir werden also durch diese Grundsätze, die Erscheinungen nur nach einer Analogie, mit der logischen und allgemeinen Einheit der Begriffe, zusammen zu setzen berechtigt werden, und daher uns im Grundsatz selbst zwar der Kategorie bedienen, in der Ausführung aber (der Anwendung auf Erscheinungen) das Schema derselben, als den Schlüssel ihres Gebrauchs an dessen Stelle, oder jener vielmehr, als restringierende Bedingung, unter dem Namen einer Formel des ersteren, zu Seite setzen.


A.
Erste Analogie
Grundsatz der Beharrlichkeit

Alle Erscheinungen enthalten das Beharrliche (Substanz) als den Gegenstand selbst, und das Wandelbare, als dessen bloße Bestimmung, d. h. eine Art, wie der Gegenstand existiert.


Beweis dieser ersten Analogie

Alle Erscheinungen sind in der Zeit. Diese kann auf zweifache Weise das Verhältnis im Dasein derselben bestimmen, entweder sofern sie nacheinander oder zugleich sind. In Anbetracht der ersteren, wird die Zeit, als Zeitreihe, in Anbetracht der zweiten als Zeitumfang betrachtet.

Unsere Apprehension des Mannigfaltigen der Erscheinung ist jederzeit sukzessiv, und ist also immer wechselnd. Wir können also dadurch allein niemals bestimmen, ob dieses Mannigfaltige, als Gegenstand der Erfahrung, zugleich sei, oder nacheinander folgt, wo an ihr nicht etwas zugrunde liegt, was jederzeit ist, d. h. etwas Bleibendes und Beharrliches, von welchem aller Wechsel und Zugleichsein nichts, als so viele Arten (modi der Zeit) sind, wie das Beharrliche existiert. Nur im Beharrlichen sind also Zeitverhältnisse möglich, (denn Simultaneität und Skuzession sind die einzigen Verhältnisse in der Zeit), d. h. das Beharrliche ist das Substratum der empirischen Vorstellung der Zeit selbst, an welchem alle Zeitbestimmung allein möglich ist. Die Beharrlichkeit drückt überhaupt die Zeit, als das beständige Korrelatum allen Daseins der Erscheinungen, allen Wechsels und aller Begleitung, aus. Denn der Wechsel trifft die Zeit selbst nicht, sondern nur die Erscheinungen in der Zeit, (so wie das Zugleichsein nicht ein  modus  der Zeit selbst ist, in welcher gar keine Teile zugleich, sondern alle nacheinander sind). Wollte man der Zeit selbst eine Folge nacheinander beilegen, so müßte man noch eine andere Zeit denken, in welcher diese Folge möglich wäre. Durch das Beharrliche allein bekommt das Dasein in verschiedenen Teilen der Zeitreihe nacheinander eine Größe, die man Dauer nennt. Denn in der bloßen Folge allein ist das Dasein immer verschwindend und anhebend, und hat niemals die mindeste Größe. Ohne dieses Beharrliche ist also kein Zeitverhältnis. Nun kann die Zeit ansich nicht wahrgenommen werden; mithin ist dieses Beharrliche an den Erscheinungen das Substratum aller Zeitbestimmung, folglich auch die Bedingung der Möglichkeit aller synthetischen Einheit der Wahrnehmungen, d. h. der Erfahrung, und an diesem Beharrlichen kann alles Dasein, und aller Wechsel in der Zeit nur als ein  modus  der Existenz dessen, was bleibt, und beharrt, angesehen werden. Also ist in allen Erscheinungen das Beharrliche der Gegenstand selbst, d. h. die Substanz (phaenomenon), alles aber, was wechselt, oder wechseln knna, gehört nur zu der Art, wie diese Substanz oder Substanzen existieren, mithin zu ihren Bestimmungen.

Ich finde, daß zu allen Zeiten nicht bloß der Philosoph, sondern selbst der gemeine Verstand diese Beharrlichkeit, als ein Substratum allen Wechsels der Erscheinungen, vorausgesetzt haben, und auch jederzeit als ungezweifelt annehmen werden, nur daß der Philosoph sich hierüber etwas bestimmter ausdrückt, indem er sagt: bei allen Veränderungen in der Welt bleibt die Substanz, und nur die Akzidenzien wechseln. Ich treffe aber von diesem so synthetischen Satz nirgends auch nur den Versuch von einem Beweis, ja er steht auch nur selten, wie es ihm doch gebührt, an der Spitze der reinen und völlig  a priori  bestehenden Gesetze der Natur. In der Tat ist der Satz: daß die Substanz beharrlich sei, tautologisch. Denn bloß diese Beharrlichkeit ist der Grund, warum wir auf die Erscheinung die Kategorie der Substanz anwenden, und man hätte beweisen müssen: daß in allen Erscheinungen etwas Beharrliches sei, an welchem das Wandelbare nichts als Bestimmung seines Daseins ist. Da aber ein falscher Beweis niemals dogmatisch, d. h. aus Begriffen geführt werden kann, weil er einen synthetischen Satz  a priori  betrifft, und man niemals daran dachte, daß dergleichen Sätze nur in Beziehung auf mögliche Erfahrung gültig sein, mithin auch nur durch eine Deduktion der Möglichkeit der letzteren bewiesen werden können; so ist es kein Wudner, wenn er zwar bei aller Erfahrung zugrunde gelegt (weil man dessen Bedürfnis bei der empirischen Erkenntnis fühlt), niemals aber bewiesen worden ist.

Ein Philosoph wurde gefragt: wieviel wiegt der Rauch? Er antwortete: ziehe vom Gewicht des verbrannten Holzes das Gewicht der übrigbleibenden Asche ab, so hast du das Gewicht des Rauchs. Er setzte also als unwidersprechlich voraus: daß, selbst im Feuer, die Materie (Substanz) nicht vergehe, sondern nur die Form derselben eine Veränderung erleide. Ebenso war der Satz: aus nichts wird nichts, nur ein anderer Folgesatz aus dem Grundsatz der Beharrlichkeit, oder vielmehr des immerwährenden Daseins des eigentlichen Subjekts an den Erscheinungen. Denn, wenn dasjenige an der Erscheinung, was man Substanz nennen will, das eigentliche Substratum aller Zeitbestimmung sein soll, so muß wohl alles Dasein in der vergangenen, wie das der künftigen Zeit, daran einzig und allein bestimmt werden können. Daher können wir einer Erscheinung nur darum den Namen Substanz geben, weil wir ihr Dasein zu aller Zeit voraussetzen, welches durch das Wort Beharrlichkeit nicht einmal wohl ausgedrückt wird, indem dieses mehr auf künftige Zeit geht. Indessen ist die innere Notwendigkeit zu beharren, doch unzertrennlich mit der Notwendigkeit, immer gewesen zu sein, verbunden, und der Ausdruck mag also bleiben.  Gigni de nihilo nihil, in nihilum nil posse reverti  [Nichts wird aus Nichts geboren und nichts kann ins Nichts zurückgeführt werden. - wp], waren zwei Sätze, welche die Alten unzertrennt verknüpften, und die man aus Mißverstand jetzt bisweilen trennt, weil man sich vorstellt, daß sie Dinge ansich angehen, und der erstere der Abhängigkeit der Welt von einer obersten Ursache (auch so gar ihrer Substanz nach) entgegen sein dürfte, welche Besorgnis unnötig ist, indem hier nur von Erscheinungen im Feld der Erfahrung die Rede ist, deren Einheit niemals möglich sein würde, wenn wir neue Dinge (der Substanz nach) wollten entstehen lassen. Denn sodann fiele dasjenige weg, welches die Einheit der Zeit allein vorstellen kann, nämlich die Identität des Substratum, als woran aller Wechsel allein durchgängige Einheit hat. Diese Beharrlichkeit ist indessen doch weiter nichts, als die Art, uns das Dasein der Dinge (in der Erscheinung) vorzustellen.

Die Bestimmungen einer Substanz, die nichts anderes sind, als besondere Arten derselben, zu existieren, heißen Akzidenzien. Sie sind jederzeit real, weil sie das Dasein der Substanz betreffen, (Negationen sind nur Bestimmungen, die das Nichtsein von etwas an der Substanz ausdrücken). Wenn man nun diesem Realen an der Substanz ein besonderes Dasein beilegt, (z. B. der Bewegung, als einer Akzidenz der Materie) so nennt man dieses Dasein die Inhärenz, zum Unterschied vom Dasein der Substanz, die man Subsistenz nennt. Allein hieraus entspringen viele Mißdeutungen, und es ist genauer und richtiger geredet, wenn man die Akzidenz nur durch die Art, wie das Dasein einer Substanz positiv bestimmt ist, bezeichnet. Indessen ist es doch, vermöge der Bedingungen des logischen Gebrauchs unseres Verstandes, unvermeidlich, dasjenige, was im Dasein einer Substanz wechseln kann, indessen, daß die Substanz bleibt, gleichsam abzusondern, und im Verhältnis auf das eigentlich Beharrliche und Radikale zu betrachten; daher dann auch diese Kategorie unter dem Titel der Verhältnisse steht, mehr, als die Bedingung derselben, als daß sie selbst ein Verhältnis enthielte.

Auf diese Beharrlichkeit gründet sich nun auch die Berichtigung des Begriffs von Veränderung. Entstehen und Vergehen sind nicht Veränderungen desjenigen, was entsteht oder vergeht. Veränderung ist eine Art zu existieren, welche auf eine andere Art zu existieren eben desselben Gegenstandes erfolgt. Daher ist alles, was sich verändert, bleibend, und nur sein Zustand wechselt. Da dieser Wechsel also nur die Bestimmungen trifft, die aufhören oder auch anheben können; so können wir, in einem etwas paradox scheinenden Ausdruck sagen: nur das Beharrliche (die Substanz) wird verändert, das Wandelbare erleidet keine Veränderung, sondern einen Wechsel, da einige Bestimmungen aufhören, und andere anheben.

Veränderung kann daher nur an Substanzen wahrgenommen werden, und das Entstehen oder Vergehen, schlechthin, ohne daß es bloß eine Bestimmung des Beharrlichen betrifft, kann gar keine mögliche Wahrnehmung sein, weil eben dieses Beharrliche die Vorstellung vom Übergang aus einem Zustand in den andern, und von Nichtsein zum Sein, möglich macht, die also nur als wechselnde Bestimmungen dessen, was bleibt, empirisch erkannt werden können. Nehmt an, daß etwas schlechthin anfängt zu sein; so müßt ihr einen Zeitpunkt haben, indem es nicht war. Woran wollt ihr aber diesen heften, wenn nicht an demjenigen, was schon da ist? Denn eine leere Zeit, die vorherginge, ist kein Gegenstand der Wahrnehmung; knüpft ihr dieses Entstehen aber an Dinge, die vorher waren, und bis zu dem, was entsteht, fortdauern, so war das letztere nur eine Bestimmung des ersteren, als des Beharrlichen. Ebenso ist es auch mit dem Vergehen: denn dieses setzt die empirische Vorstellung einer Zeit voraus, da eine Erscheinung nicht mehr ist.

Substanzen (in der Erscheinung) sind die Substrate aller Zeitbestimmungen. Das Entstehen einiger, und das Vergehen anderer derselben würde selbst die einzige Bedingung der empirischen Einheit der Zeit aufheben, und die Erscheinungen würden sich alsdann auf zweierlei Zeit beziehen, in denen neben einander das Dasein verflösse, welches ungereimt ist. Denn es ist nur eine Zeit, in welcher alle verschiedenen Zeiten nicht zugleich, sondern nacheinander gesetzt werden müssen.

So ist demnach die Beharrlichkeit eine notwendige Bedingung, unter welcher allein Erscheinungen, als Dinge oder Gegenstände, in einer möglichen Erfahrung bestimmbar sind. Was aber das empirische Kriterium dieser notwendigen Beharrlichkeit und mit ihr der Substanzialität der Erscheinungen sei, davon wird uns die Folge Gelegenheit geben, das Nötige anzumerken.


B.
Zweite Analogie
Grundsatz der Erzeugung

Alles, was geschieht (anhebt zu sein) setzt etwas voraus, worauf es nach einer Regel folgt.


Beweis

Die Apprehension des Mannigfaltigen der Erscheinung ist jederzeit sukzessiv. Die Vorstellungen der Teile folgen aufeinander. Ob sie sich auch im Gegenstand folgen, ist ein zweiter Punkt der Reflexion, der in der ersteren nicht enthalten ist. Nun kann man zwar alles, und sogar jede Vorstellung, sofern man sich ihrer bewußt ist, Objekt nennen; allein was dieses Wort, bei Erscheinungen zu bedeuten habe, nicht, insofern sie (als Vorstellungen) Objekte sind, sondern nur ein Objekt bezeichnen, ist von tieferer Untersuchung. Sofern sie, nur als Vorstellungen zugleich Gegenstände des Bewußtseins sind, so sind sie von der Apprehension, d. h. der Aufnahme in die Synthesis der Einbildungskraft, gar nicht unterschieden, und man muß also sagen: das Mannigfaltige der Erscheinungen wird im Gemüt jederzeit sukzessive erzeugt. Wären Erscheinungen Dinge ansich, so würde kein Mensch aus der Sukzession der Vorstellungen von ihrem Mannigfaltigen ermessen können, wie dieses im Objekt verbunden ist. Denn wir haben es doch nur mit unseren Vorstellungen zu tun, wie Dinge ansich, (ohne Rücksicht auf Vorstellungen, dadurch sie uns affizieren) sein mögen, ist gänzlich außer unserer Erkenntnissphäre. Ob nun gleich die Erscheinungen nicht Dinge ansich und gleichwohl das einzige sind, was uns zur Erkenntnis gegeben werden kann, so soll ich anzeigen, was dem Mannigfaltigen an den Erscheinungen selbst für eine Verbindung in der Zeit zukommt, indessen, daß die Vorstellung desselben in der Apprehension jederzeit sukzessiv ist. So ist z. B. die Apprehension des Mannigfaltigen in der Erscheinung eines Hauses, das vor mir steht, sukzessiv. Nun ist die Frage: ob das Mannigfaltige dieses Hauses selbst auch in sich sukzessiv ist, welches frelich niemand zugeben wird. Nun ist aber, sobald ich meine Begriffe von einem Gegenstand bis zur transzendentalen Bedeutung steigere, das Haus gar kein Ding ansich, sondern nur eine Erscheinung, d. h. Vorstellung, dessen transzendentaler Gegenstand unbekannt ist; was verstehe ich also unter der Frage: wie das Mannigfaltige in der Erscheinung selbst (die doch nichts ansich ist) verbunden sein möge? Hier wird das, was in der sukzessiven Apprehension liegt, als Vorstellung, die Erscheinung aber, die mir gegeben ist, ungeachtet sie nichts weiter, als ein Inbegriff dieser Vorstellungen ist, als der Gegenstand derselben betrachtet, mit welchem mein Begriff, den ich aus den Vorstellungen der Apprehension ziehe, zusammenstimmen soll. Man sieht bald, daß, weil Übereinstimmung der Erkenntnis mit dem Objekt Wahrheit ist, hier nur nach den formalen Bedingungen der empirischen Wahrheit gefragt werden kann, und Erscheinung, im Gegenverhältnis mit den Vorstellungen der Apprehension, nur dadurch als das davon unterschiedene Objekt derselben vorgestellt werden kann, wenn sie unter einer Regel steht, welche sie von jeder anderen Apprehension unterscheidet, und eine Art der Verbindung des Mannigfaltigen notwendig macht. Dasjenige an der Erscheinung, was die Bedingung dieser notwendigen Regel der Apprehension enthält, ist das Objekt.

Nun laßt uns zu unserer Aufgabe fortgehen. Daß etwas geschehe, d. h. etwas, oder ein Zustand werde, der vorher nicht war, kann nicht empirisch wahrgenommen werden, wo nicht eine Erscheinung vorhergeht, welche diesen Zustand nicht in sich enthält; denn eine Wirklichkeit, die auf eine leere Zeit folgt, mithin ein Entstehen, vor dem kein Zustand der Dinge vorhergeht, kann ebensowenig, als die leere Zeit selbst apprehendiert werden. Jede Apprehension einer Begebenheit ist also eine Wahrnehmung, welche auf eine andere folgt. Weil diese aber bei aller Synthesis der Apprehension so beschaffen ist, wie ich oben an der Erscheinung eines Haus gezeigt habe, so unterscheidet sie sich dadurch noch nicht von andern. Allein ich bemerke auch: daß, wenn ich an einer Erscheinung, welche ein Geschehen enthält, den vorhergehenden Zustand der Wahrnehmung  A,  den folgenden aber  B,  nenne, daß  B  auf  A  in der Apprehension nur folgen, die Wahrnehmung  A  aber auf  B  nicht folgen, sondern nur vorhergehen kann. Ich sehe z. B. ein Schiff den Strom hinab treiben. Meine Wahrnehmung seiner Stelle unterhalb, folgt auf die Wahrnehmung der Stelle desselben oberhalb des Laufs des Flusses, und es ist unmöglich, daß in der Apprehension dieser Erscheinung das Schiff zuerst unterhalb, nachher aber oberhalb des Stromes wahrgenommen werden sollte. Die Ordnung in der Folge der Wahrnehmungen in der Apprehension ist hier also bestimmt, und an dieselbe ist die letztere gebunden. Im vorigen Beispiel von einem Haus konnten meine Wahrnehmungen in der Apprehenison von der Spitze desselben anfangen, und beim Boden enden, aber auch von unten anfangen, und oben enden, desgleichen rechts oder links das Mannigfaltige der empirischen Anschauung apprehendieren. In der Reihe dieser Wahrnehmungen war also keine bestimmte Ordnung, welche es notwendig machte, wenn ich in der Apprehension anfangen müßte, um das Mannigfaltige empirisch zu verbinden. Diese Regel aber ist bei der Wahrnehmung von dem, was geschieht, jederzeit anzutreffen, und sie macht die Ordnung der einander folgenden Wahrnehmungen (in der Apprehension dieser Erscheinung) notwendig.

Ich werde also, in unserem Fall, die subjektive Folge der Apprehension von der objektiven Folge der Erscheinungen ableiten müssen, weil jene sonst gänzlich unbestimmt ist, und keine Erscheinung von der anderen unterscheidet. Jene allein beweist nicht von der Verknüpfung des Mannigfaltigen am Objekt, weil sie ganz beliebig ist. Diese also wird in der Ordnung des Mannigfaltigen der Erscheinung bestehen, nach welcher die Apprehension des einen (was geschieht) auf die des andern (das vorhergeht) nach einer Regel folgt. Nur dadurch kann ich von der Erscheinung selbst, und nicht bloß von meiner Apprehension berechtigt sein, zu sagen: daß in jener eine Folge anzutreffen sei, welches soviel bedeutet, als daß ich die Apprehension nicht anders anstellen kann, als gerade in dieser Folge.

Nach einer solchen Regel also muß in dem, was überhaupt einer Begebenheit vorhergeht, die Bedingung zu einer Regel liegen, nach welcher jederzeit und notwendigerweise diese Begebenheit folgt; umgekehrt aber kann ich nicht von der Begebenheit zurückgehen, und dasjenige bestimmen (durch Apprehension), was vorhergeht. Denn vom folgenden Zeitpunkt geht keine Erscheinung zum vorigen zurück, aber bezieht sich doch auf irgendeinen vorigen; von einer gegebenen Zeit ist dagegen der Fortgang auf die bestimmte folgende notwendig. Daher, weil es doch etwas ist, was folgt, so muß ich es notwendig auf etwas anderes überhaupt beziehen, was vorhergeht, und worauf es nach einer Regel, d. h. notwendigerweise folgt, so daß die Begebenheit als das bedingte, auf irgendeine Bedingung sichere Anweisung gibt, diese aber die Begebenheit bestimmt.

Man setze, es gehe einer Begebenheit nichts vorher, worauf dieselbe nach einer Regel folgen müßte, so wäre alle Folge der Wahrnehmung nur lediglich in der Apprehension, d. h. bloß subjektiv, aber dadurch gar nicht objektiv bestimmt, welches eigentlich das Vorhergehende, und welches das Nachfolgende der Wahrnehmungen sein müßte. Wir würden auf solche Weise nur ein Spiel der Vorstellungen haben, das sich auf gar kein Objekt bezöge, d. h. es würde durch unsere Wahrnehmung eine Erscheinung von jeder andern, dem Zeitverhältnis nach, gar nicht unterschieden werden; weil die Sukzession im Apprehendieren allerwerts dasselbe, und also nichts in der Erscheinung ist, was sie bestimmt, so daß dadurch eine gewisse Folge als objektiv notwendig gemacht wird. Ich werde also nicht sagen: daß in der Erscheinung zwei Zustände aufeinander folgen, sondern nur: daß eine Apprehension auf die andere folgt, welches bloß etwas Subjektives ist, und kein Objekt bestimmt, mithin gar nicht als Erkenntnis irgendeines Gegenstandes (selbst nicht in der Erscheinung) gelten kann.

Wenn wir also erfahren, daß etwas geschieht, so setzen wir dabei jederzeit voraus, daß irgendetwas vorausgehe, worauf es nach einer Regel folgt. Denn ohne dieses würde ich nicht vom Objekt sagen: daß es folge, weil die bloße Folge in meiner Apprehension, wenn sie nicht durch eine Regel in Beziehung auf ein vorhergehendes bestimmt ist, keine Folge im Objekt berechtigt. Also geschieht es immer in Rücksicht auf eine Regel, nach welcher die Erscheinungen in ihrer Folge, d. h. so wie sie geschehen, durch den vorigen Zustand bestimmt sind, daß ich meine subjektive Synthesis (der Apprehension) objektiv mache, und, nur lediglich unter dieser Voraussetzung allein, ist selbst die Erfahrung von etwas, was geschieht, möglich.

Zwar scheint es, als widerspreche dieses allen Bemerkungen, die man jederzeit über den Gang unseres Verstandesgebrauchs gemacht hat, nach welchen wir nur allererst durch die wahrgenommenen und verglichenen übereinstimmenden Folgen vieler Begebenheiten auf vorhergehende Erscheinungen, eine Regel zu entdecken, geleitet worden, der gemäß gewissen Begebenheiten auf gewisse Erscheinungen jederzeit folgen, und dadurch zuerst veranlaßt wurden, uns den Begriff einer Ursache zu machen. Auf solchem Fuß würde dieser Begriff bloß empirisch sein, und die Regel, die er verschafft, daß alles, was geschieht, eine Ursache habe, würde ebenso zufällig sein, als die Erfahrung selbst: seine Allgemeinheit und Notwendigkeit wären dann nur angedichtet, und hätten keine wahre allgemeine Gültigkeit, weil sie nicht  a priori,  sondern nur auf Induktion gegründet wären. Es geht aber hiermit so, wie mit andern reinen Vorstellungen  a priori,  (z. B. Raum und Zeit), die wir darum allein aus der Erfahrung als klare Begriffe herausziehen können, weil wir sie in die Erfahrung gelegt hatten, und diese daher durch jene allererst zustande brachten. Freilich ist die logische Klarheit dieser Vorstellung einer, die Reihe der Begebenheiten, bestimmenden Regel, als eines Begriffs von Ursache, nur dann möglich, wenn wir davon in der Erfahrung Gebrauch gemacht haben, aber eine Rücksicht auf dieselbe, als Bedingung der synthetischen Einheit der Erscheinungen in der Zeit, war doch der Grund der Erfahrung selbst, und ging ihr also  a priori  vorher.

Es kommt also darauf an, im Beispiel zu zeigen, daß wir niemals selbst in der Erfahrung die Folge (einer Begebenheit, da etwas geschieht, was vorher nicht war) dem Objekt beilegen, und sie von der subjektiven unserer Apprehension unterscheiden, so, als wenn eine Regel zugrunde liegt, die uns nötigt, diese Ordnung der Wahrnehmungen vielmehr, als eine andere zu beobachten, ja daß diese Nötigung es eigentlic sei, was die Vorstellung einer Sukzession im Objekt allererst möglich macht.

Wir haben Vorstellungen in uns, deren wir uns auch bewußt werden können. Dieses Bewußtsein aber mag so weit erstreckt, und so genau oder pünktlich sein, als man wolle, so bleiben es doch nur immer Vorstellungen, d. h. innere Bestimmungen unseres Gemüts in diesem oder jenem Zeitverhältnis. Wir kommen wir nun dazu: daß wir diesen Vorstellungen ein Objekt setzen, oder über ihre subjektive Realität als Modifikationen, ihnen noch, ich weiß nicht, was für eine, objektive beilegen. Objektive Bedeutung kann nicht in der Beziehung auf eine andere Vorstellung (von dem, was man vom Gegenstand nennen wollte) bestehen, denn sonst erneuert sich die Frage, wie geht diese Vorstellung wiederum aus sich selbst heraus, und bekommt objektive Bedeutung noch über die subjektive, welche ihr, als Bestimmung des Gemütszustandes, eigen ist? Wenn wir untersuchen, was denn die Beziehung auf einen Gegenstand unseren Vorstellungen für eine neue Beschaffenheit gibt, und welches die Dignität ist, die sie dadurch erhalten hat, so finden wir, daß sie nichts weiter tut, als die Verbindung der Vorstellungen auf eine gewisse Art notwendig zu machen, und sie einer Regel zu unterwerfen; daß umgekehrt nur dadurch, daß eine gewisse Ordnung im Zeitverhältnis unserer Vorstellungen notwendig ist, ihnen objektive Bedeutung erteilt wird. In der Synthesis der Erscheinungen folgt das Mannigfaltige der Vorstellungen jederzeit nacheinander. Hierdurch wird nun gar kein Objekt vorgestellt; weil durch diese Folge, die allen Apprehensionen gemein ist, nicht vom andern unterschieden wird. So bald ich aber wahrnehmen, oder voraus annehme, daß in dieser Folge eine Beziehung auf den vorhergehenden Zustand ist, aus welchem die Vorstellung nach einer Regel folgt, so stellt sich Etwas vor, als Begebenheit, oder was da geschieht, d. h. ich erkennen einen Gegenstand, den ich in der Zeit auf eine gewisse bestimmte Stelle setzen muß, die ihm, nach dem vorhergehenden Zustand nicht anders erteilt werden kann. Wenn ich also wahrnehme, daß etwas geschieht, so ist in dieser Vorstellung erstens enthalten: daß etwas vorhergeht, weil eben in Bezug auf dieses die Erscheinung ihr Zeitverhältnis bekommt, nämlich, nach einer vorhergehenden Zeit, in der sie nicht war, zu existieren. Aber ihre bestimmte Zeitstelle in diesem Verhältnis kann sie nur dadurch bekommen, daß im vorhergehenden Zustand etwas vorausgesetzt wird, worauf es jederzeit, d. h. nach einer Regel folgt; woraus sich dann ergibt, daß ich erstens nicht die Reihe umkehren, und das, was geschieht, demjenigen voransetzen kann, worauf es folgt: zweitens, daß, wenn der Zustand, der vorhergeht, gesetzt wird, diese bestimmte Begebenheit unausbleiblich und notwendig folgt. Dadurch geschieht es: daß eine Ordnung unter unseren Vorstellungen wird, in welcher das gegenwärtige (sofern es geworden ist) auf irgendeinen vorhergehenden Zustand Anweisung gibt, als ein, obwohl noch unbestimmtes Korrelatum dieses Ereignisses, das gegeben ist, welches sich aber auf diese, als seine Folge, bestimmend bezieht, und sie notwendig mit sich in der Zeitreihe verknüpft.

Wenn es nun ein notwendiges Gesetz unserer Sinlichkeit, mithin eine formale Bedingung aller Wahrnehmungen ist: daß die vorige Zeit die folgende notwendig bestimmt; (indem ich zur folgenden nicht anders gelangen kann, als durch die vorhergehende), so ist es auch ein unentbehrliches Gesetz der empirischen Vorstellungen der Zeitreihe, daß die Erscheinungen der vergangenen Zeit jedes Dasein in der folgenden bestimmen, und daß diese, als Begebenheiten, nicht stattfinden, sofern jene ihnen ihr Dasein in der Zeit bestimmen, d. h. nach einer Regel festsetzen. Denn nur an den Erscheinungen können wir diese Kontinuität im Zusammenhang der Zeiten empirisch erkennen.

Zu aller Erfahrung und deren Möglichkeit gehört Verstand, und das erste, was er dazu tun, ist nicht: daß er die Vorstellung der Gegenstände deutlich macht, sondern daß er die Vorstellung eines Gegenstandes überhaupt möglich macht. Dies geschieht nun dadurch, daß er die Zeitordnung auf die Erscheinungen und deren Dasein überträgt, indem er jeder derselben als Folge eine, in Anbetracht der vorhergehenden Erscheinungen,  a priori  bestimmte Stelle in der Zeit zuerkennt, ohne welche sie nicht mit der Zeit selbst, die allen ihren Teilen  a priori  ihre Stelle bestimmt, übereinkommen würde. Diese Bestimmung der Stelle kann nun nicht vom Verhältnis der Erscheinungen gegen die absolute Zeit entlehnt werden, (denn die ist kein Gegenstand der Wahrnehmung) sondern umgekehrt, die Erscheinungen müssen einander ihre Stellen in der Zeit selbst bestimmen, und dieselbe in der Zeitordnung notwendig machen, d. h. dasjenige, was da folgt, oder geschieht, muß nach einer allgemeinen Regel auf das, was im vorigen Zustand enthalten war, folgen, woraus eine Reihe der Erscheinungen wird, die mittels des Verstandes eben dieselbe Ordnung und stetigen Zusammenhang in der Reihe möglicher Wahrnehmungen hervorbringt, und notwendig macht, als sie in der Form der inneren Anschauung, (der Zeit) darin alle Wahrnehmungen ihre Stelle haben müßten,  a priori  angetroffen wird.

Daß also etwas geschieht, ist eine Wahrnehmung, die zu einer möglichen Erfahrung gehört, die dadurch wirklich wird, wenn ich die Erscheinung, ihrer Stelle nach, in der Zeit, als bestimmt, mithin als ein Objekt ansehe, welches nach einer Regel im Zusammenhang der Wahrnehmungen jederzeit gefunden werden kann. Diese Regel aber, etwas der Zeitfolge nach zu bestimmen, ist: daß in dem, was vorhergeht, die Bedingung anzutreffen sei, unter welcher die Begebenheit jederzeit (d. h. notwendigerweise) folgt. Also ist der Satz vom zureichenden Grunde, der Grund möglicher Erfahrung, nämlich der objektiven Erkenntnis der Erscheinungen, in Anbetracht des Verhältnisses derselben, in der Reihenfolge der Zeit.

Der Beweisgrund dieses Satzes aber beruth lediglich auf folgenden Momenten. Zu aller empirischen Erkenntnis gehört die Synthesis des Mannigfaltigen durch die Einbildungskraft, die jederzeit sukzessiv ist, d. h. die Vorstellungen folgen in ihr jederzeit aufeinander. Die Folge aber ist in der Einbildungskraft der Ordnung nach (was vorgehen und was folgen muß) gar nicht bestimmt, und die Reihe der einen der folgenden Vorstellungen kann eben sowohl rückwärts als vorwärts genommen werden. Ist aber diese Synthesis eine Synthesis der Apprehension (des Mannigfaltigen einer gegebenen Erscheinung), so ist die Ordnung im Objekt bestimmt, oder, um genauer zu reden, es ist darin eine Ordnung der sukzessiven Synthesis, die ein Objekt bestimmt, nach welcher etwas notwendig vorausgehen, und wenn dieses gesetzt ist, das andere notwendig folgen muß. Soll also meine Warnehmung die Erkenntnis einer Begebenheit enthalten, da nämlich etwas wirklich geschieht, so muß sie ein empirisches Urteil sein, in welchem man sich denkt, daß die Folge bestimmt ist, d. h. daß sie eine andere Erscheinung der Zeit nach voraussetzt, worauf sie notwendig, oder nach einer Regel folgt. Widrigenfalls, wenn ich das vorhergehende setze, und die Begebenheit folgt nicht darauf notwendig, so würde ich sie nur für ein subjektives Spiel meiner Einbildungen halten müssen und stellte ich mir darunter doch etwas objektives vor, sie einen bloßen Traum nennen. Also ist das Verältnis der Erscheinungen, (als möglicher Wahrnehmungen) nach welchem das Nachfolgende (was geschieht) durch etwas vorhergehendes seinem Dasein nach notwendig, und nach einer Regel in der Zeit bestimmt ist, mithin das Verhältnis der Ursache zur Wirkung die Bedingung der objektiven Gültigkeit unserer empirischen Urteile, in Anbetracht der Reihe der Wahrnehmungen, mithin der empirischen Wahrheit derselben, und also der Erfahrung. Der Grundsatz des Kausalverhältnisses in der Folge der Erscheinungen gilt daher auch vor allen Gegenständen der Erfahrung (unter den Bedingungen der Sukzession) weil er selbst der Grund der Möglichkeit einer solchen Erfahrung ist.

Hier äußert sich aber noch eine Bedenklichkeit, die gehoben werden muß. Der Satz der Kausalverknüpfung unter den Erscheinungen ist in unserer Formel auf die Reihenfolge derselben eingeschränkt, da es sich doch beim Gebrauch desselben findet, daß er auch auf ihre Begleitung paßt, und Ursache und Wirkung zugleich sein können. Es ist z. B. Wärme im Zimmer, die nicht in freier Luft angetroffen wird. Ich sehe mich nach der Ursache um, und finde einen geheizten Ofen. Nun ist dieser, als Ursache, mit seiner Wirkung, der Stubenwärme, zugleich; also ist hier keine Reihenfolge, der Zeit nach, zwischen Ursache und Wirkung, sondern sie sind zugleicht, und das Gesetz gilt doch. Der größte Teil der wirkenden Ursache in der Natur ist mit ihren Wirkungen zugleich, und die Zeitfolge der letzteren wird nur dadurch veranlaßt, daß die Ursache ihre ganze Wirkung nicht in einem Augenblick verrichten kann. Aber in dem Augenblick, da sie zuerst entsteht, ist sie mit der Kausalität ihrer Ursache jederzeit zugleich, weil, wenn jene einen Augenblick vorher aufgehört hätte, zu sein, diese gar nicht entstanden wäre. Hier muß man wohl bemerken: daß es auf die Ordnung der Zeit, und nicht den Ablauf derselben angekommen ist: das Verhältnis bleibt, obwohl keine Zeit verlaufen ist. Die Zeit zwischen der Kausalität der Ursache, und deren unmittelbaren Wirkung kann verschwindend, (sie also zugleich) sein, aber das Verhältnis der einen zur andern bleibt doch immer, der Zeit nach, bestimmbar. Wenn ich eine Kugel, die auf einem ausgestopften Kissen liegt, und ein Grübchen darin drückt, als Ursache betrachte, so ist sie mit der Wirkung zugleich. Allein ich unterscheide doch beide durch das Zeitverhältnis der dynamischen Verknüpfung beider. Denn wenn ich die Kugel auf das Kissen lege, so folgt auf die vorige glatte Gestalt desselben das Grübchen; hat aber das Kissen (ich weiß nicht woher) ein Grübchen, so folgt darauf nicht eine bleierne Kugel.

Demnach ist die Zeitfolge allerdings das einzige empirische Kriterium der Wirkung, in Beziehung auf die Kausalität der Ursache, die vorhergeht. Das Glas ist die Ursache vom Steigen des Wassers über seine Horizontalfläche, obgleich beide Erscheinungen zugleich sind. Denn sobald ich dieses aus einem größeren Gefäß mit dem Glas schöpfe, so erfolgt etwas, nämlich die Veränderung des Horizontalzustandes, den es dort hatte, in einem konkaven, den es im Glas annimmt.

Diese Kausalität führt auf den Begriff der Handlung, dieses auf den Begriff der Kraft, und dadurch auf den Begriff der Substanz. Da ich mein kritisches Vorhaben, welches lediglich auf die Quellen der synthetischen Erkenntnis  a priori  geht, nicht mit Zergliederungen bemengen will, die bloß die Erläuterung (nicht Erweiterung) der Begriffe angehen, so überlasse ich die umständliche Erörterung derselben einem künftigen System der reinen Vernunft: wie wohl man eine solche Analysis in reichem Maße, auch schon in den bisher bekannten Lehrbüchern dieser Art, antrifft. Allein das empirische Kriterium einer Substanz, sofern sie sich nicht durch die Beharrlichkeit der Erscheinung, sondern besser und leichter durch Handlung zu offenbaren scheint, kann ich nicht unberührt lassen.

Wo Handlung, mithin Tätigkeit und Kraft ist, da ist auch Substanz, und in dieser allein muß der Sitz jener fruchtbaren Quelle der Erscheinungen gesucht werden. Das ist ganz gut gesagt: aber, wenn man sich darüber erklären soll, was man unter Substanz verstehe, und dabei den fehlerhaften Zirkel vermeiden will, so ist es nicht so leicht verantwortet. Wie will man aus der Handlung sogleich auf die Beharrlichkeit des Handelnden schließen, welches doch ein so wesentliches und eigentümliches Kennzeichen der Substanz (phaenomenon) ist? Allein, nach unserem vorigen, hat die Auflösung der Frage doch keine solche Schwierigkeit, ob sie gleich nach der gemeinen Art, (bloß analytisch mit seinen Begriffen zu verfahren), ganz unauflöslich sein würde. Handlung bedeutet schon das Verhältnis des Subjekts der Kausalität zur Wirkung. Weil nun alle Wirkung in dem besteht, was da geschieht, mithin im Wandelbaren, was die Zeit der Sukzession nach bezeichnet; so ist das letzte Subjekt desselben das Beharrliche, als das Substratum alles Wechselnden, d. h. die Substanz. Denn nach dem Grundsatz der Kausalität sind Handlungen immer der erste Grund von allem Wechsel der Erscheinungen, und können also nicht in einem Subjekt liegen, was selbst wechselt, weil sonst andere Handlungen und ein anderes Subjekt, welches diesen Wechsel bestimmte, erforderlich wären. Kraft dessen beweist nun die Handlung, als ein hinreichendes empirisches Kriterium, die Substanzialität, ohne daß ich die Beharrlichkeit desselben durch verglichene Wahrnehmungen allererst zu suchen nötig hätte, welches auch auf diesem Weg mit der Ausführlichkeit nicht geschehen könnte, die zu der Größe und strengen Allgemeingültigkeit des Begriffs erforderlich ist. Denn daß das erste Subjekt der Kausalität allen Entstehens und Vergehens selbst nicht (im Bereich der Erscheinungen) entstehen und vergehen kann, ist ein sicherer Schluß, der auf empirische Notwendigkeit und Beharrlichkeit im Dasein, mithin auf den Begriff einer Substanz als Erscheinung, hinausläuft.

Wenn etwas geschieht, so ist das bloße Entstehen, ohne Rücksicht auf das, was da entsteht, schon ansich ein Gegenstand der Untersuchung. Der Übergang aus dem Nichtsein eines Zustandes in diesen Zustand, gesetzt, daß dieser auch keine Qualität in der Erscheinung enthielte, ist schon allein nötig zu untersuchen. Dieses Entstehen trifft, wie in der Nummer  A  gezeigt wurde, nicht die Substanz (denn die entsteht nicht), sondern ihren Zustand. Es ist also bloß Veränderung, und nicht Ursprung aus Nichts. Wenn dieser Ursprung als Wirkung von einer fremden Ursache angesehen wird, so heißt er Schöpfung, welche als Begebenheit unter den Erscheinungen nicht zugelassen werden kann, indem ihre Möglichkeit allein schon die Einheit der Erfahrung aufheben würde, obwohl, wenn ich alle Dinge nicht als Phänomene, sondern als Dinge ansich betrachte, und als Gegenstände des bloße Verstandes, sie, obschon sie Substanzen sind, dennoch wie abhängig ihrem Dasein nach von fremder Ursache angesehen werden können, welches aber alsdann ganz andere Wortbedeutungen nach sich ziehen, und auf Erscheinungen, als möglicher Gegenstände der Erfahrung, nicht passen würde.

Wie nun überhaupt etwas verändert werden kann, wie es möglich ist: daß auf einen Zustand in einem Zeitpunkt ein entgegengesetzter im andern folgen könne, davon haben wir  a priori  nicht den mindesten Begriff. Hierzu wird die Kenntnis wirklicher Kräfte erfordert, welche nur empirische gegeben werden kann, z. B. der bewegenden Kräfte, oder, welches dasselbe ist, gewisser sukzessiven Erscheinungen, (als Bewegungen) welche solche Kräfte anzeigen. Aber die Form einer jeden Veränderung, die Bedingung, unter welcher sie, als ein Entstehen eines anderen Zustandes, allein vorgehen kann, (der Inhalt derselben, d. h. der Zustand, der verändert wird, mag sein, welcher er wolle) mithin die Sukzession der Zustände selbst (das Geschehene) kann doch nach dem Gesetz der Kausalität und den Bedingungen der Zeit  a priori  erwogen werden. (1)

Wenn eine Substanz aus einem Zustand  a  in einen anderen  b  übergeht, so ist der Zeitpunkt des zweiten vom Zeitpunkt des ersteren Zustandes unterschieden, und folgt demselben. Ebenso ist auch der zweite Zustand als Realität (in der Erscheinung) vom ersteren, darin diese nicht war, wie  b  vom Zero unterschieden, d. h. wenn der Zustand  b  sich auch vom Zustand  a  nur der Größe nach unterschiede, so ist die Veränderung ein Entstehen von  b - a,  welches im vorigen Zustand nicht war, und in Anbetracht dessen er  = 0  ist.

Es frägt sich also: wie ein Ding aus einem Zustand  = a  in einen anderen  = b  übergehe. Zwischen zwei Augenblicken ist immer eine Zeit, und zwischen zwei Zuständen in denselben immer ein Unterschied, der eine Größe hat, (denn alle Teile der Erscheinungen sind immer wiederum Größen). Also geschieht jeder Übergang aus einem Zustand in den andern in einer Zeit, die zwischen zwei Augenblicken enthalten ist, deren der erste den Zustand bestimmt, aus welchem das Ding herausgeht, der zweite den, in welchen es gelangt. Beide also sind Grenzen der Zeit einer Veränderung, mithin des Zwischenzustandes zwischen beiden Zuständen, und gehören also solche mit der zur ganzen Veränderung. Nun hat jede Veränderung eine Ursache, welche in der ganzen Zeit, in welcher jene vorgeht, ihre Kausalität beweist. Also dringt diese Ursache ihre Veränderung nicht plötzlich (auf einmal oder in einem Augenblick) hervor, sondern in einer Zeit, so, daß, wie die Zeit von Anfangsaugenblick  a  bis zu ihrer Vollendung in  b  wächst, auch die Größe der Realität  (b - a )  durch alle kleineren Grade, die zwischen dem ersten und letzten enthalten sind, erzeugt wird. Alle Veränderung ist also nur durch eine kontinuierliche Handlung der Kausalität möglich, welche, sofern sie gleichförmig ist, ein Moment heißt. Aus diesen Momenten besteht nicht die Veränderung, sondern wird dadurch erzeugt als ihre Wirkung.

Das ist nun das Gesetz der Kontinuität aller Veränderung, dessen Grund dieser ist: daß weder die Zeit, noch auch die Erscheinung in der Zeit, aus Teilen besteht, die die kleinsten sind, und daß doch der Zustand des Dings bei seiner Veränderung durch alle diese Teile, als Elemente, zu seinem zweiten Zustand übergeht. Es ist kein Unterschied des Realen in der Erscheinung, sowie kein Unterschied in der Größe der Zeiten, der kleinste und so erwächst der neue Zustand der Realität vom ersten an, darin diese nicht war, durch alle unendlichen Grade derselben, deren Unterschiede voneinander ingesamt kleiner sind, als der zwischen  0  und  a. 

Welchen Nutzen dieser Satz in der Naturforschung haben möge, das geht uns hier nichts an. Aber, wie ein solcher Satz, der unsere Erkenntnis der Natur so zu erweitern scheint, völlig  a priori  möglich sei, das erfordert gar sehr unsere Prüfung, wenngleich der Augenschein beweist, daß er wirklich und richtig ist, und man also der Frage, wie er möglich gewesen ist, enthoben zu sein glauben möchte. Denn es gibt so mancherlei ungegründee Anmaßungen der Erweiterung unserer Erkenntnis durch reine Vernunft: daß es zum allgemeinen Grundsatz angenommen werden muß, deshalb durchaus mißtrauisch zu sein, und ohne Dokumente, die eine gründliche Deduktion verschaffen können, selbst auf den klarsten dogmatischen Beweis nichts dergleichen zu glauben und anzunehmen.

Aller Zuwachs der empirischen Erkenntnisse, und jeder Fortschritt der Wahrnehmung ist nichts, als eine Erweiterung der Bestimmung des inneren Sinnes, d. h. ein Fortgang in der Zeit, die Gegenstände mögen sein, welche sie wollen, Erscheinungen, oder reine Anschauungen. Dieser Fortgang in der Zeit bestimmt alles, und ist ansich durch nicht weiter bestimmt, d. h. die Teile desselben sind nur in der Zeit, und durch die Synthesis derselben, sie sind aber nicht vor ihr gegeben: Deswegen ist ein jeder Übergang in der Wahrnehmung zu etwas, was in der Zeit folgt, eine Bestimmung der Zeit durch die Erzeugung dieser Wahrnehmung, und da jene, immer und in allen ihren Teilen, eine Größe ist, die Erzeugung einer Wahrnehmung als einer Größe durch alle Grade, deren keiner der kleinste ist, vom Zero an, bis zu ihrem bestimmten Grad. Hieraus erhellt sich nun die Möglichkeit, ein Gesetz der Veränderungen, ihrer Form nach,  a priori  zu erkennen. Wir antizipieren nur unsere eigene Apprehension, deren formale Bedingung, da sie uns vor aller gegebenen Erscheinung selbst beiwohnt, allerdings  a priori  muß erkannt werden können.

So ist demnach, ebenso, wie die Zeit die sinnliche Bedingung  a priori  von der Möglichkeit eines kontinuierlichen Fortgangs des Existierenden zum folgenden enthält, der Verstand, mittels der Einheit der Apperzeption, die Bedingung  a priori  der Möglichkeit einer kontinuierlichen Bestimmung aller Stellen für die Erscheinungen in dieser Zeit, durch die Reihe von Ursachen und Wirkungen, deren die erstere der letzteren ihr Dasein unausbleiblich nach sich ziehen, und dadurch die empirische Erkenntnis der Zeitverhältnisse vor jede Zeit (allgemein) mithin objektiv gültig machen.


C.
Dritte Analogie
Grundsatz der Gemeinschaft

Alle Substanzen, sofern sie zugleich sind, stehen in durchgängiger Gemeinschaft, (d. h. Wechselwirkung untereinander).

Beweis

Dinge sind zugleich, sofern sie in ein und derselben Zeit existieren. Woran erkennt man aber: daß sie in ein und derselben Zeit sind? Wenn die Ordnung in der Synthesis der Apprehension dieses Mannigfaltigen, gleichgültig ist, d. h. von  A,  durch  B, C, D  auf  E,  oder auch umgekehrt von  E  zu  A  gehen kann. Denn, wäre sie in der Zeit nacheinander (in der Ordnung, die von  A  anhebt und in  E  endet) so ist es unmöglich, die Apprehension in der Wahrnehmung von  E  anzuheben, und rückwärts zu  A  fortzugehen, weil  A  zur vergangenen Zeit gehört, und also kein Gegenstand der Apprehension mehr sein kann.

Nehmt nun an: in einer Mannigfaltigkeit von Substanzen als Erscheinungen wäre jede derselben völlig isoliert, d. h. keine wirkte in die andere, und empfänge von dieser wechselseitig Einflüsse, so sage ich: daß das Zugleichsein derselben kein Gegenstand einer möglichen Wahrnehmnung sein würde, und daß das Dasein der einen, durch keinen Weg der empirischen Synthesis, auf das Dasein der anderen führen könnte. Denn, wenn ihr euch denkt, sie wären durch einen völlig leeren Raum getrennt, so würde die Wahrnehmung, die von der einen zur ander in der Zeit fortgeht, zwar dieser ihr Dasein, mittels einer folgenden Wahrnehmung bestimmen, aber nicht unterscheiden können, ob die Erscheinung objektiv auf die erstere folgt oder mit jener vielmehr zugleich ist.

Es muß also noch außer dem bloßen Dasein etwas sein, wodurch  A  und  B  seine Stelle in der Zeit bestimmt, und umgekehrt auch wiederum  B  dem  A,  weil nur unter dieser Bedingung gedachte Substanzen, als zugleich existierend, empirisch, vorgestellt werden können. Nun bestimmt nur dasjenige dem anderen seine Stelle in der Zeit, was die Ursache von Ihm, oder seinen Bestimmungen ist. Also muß jede Substanz, (da sie nur in Anbetracht ihrer Bestimmungen Folge sein kann) die Kausalität gewisser Bestimmungen in der andern, und zugleich die Wirkungen von der Kausalität der andern in sich enhalten, d. h. sie müssen in dynamischer Gemeinschaft (unmittelbar oder mittelbar) stehen, wenn das Zugleichsein in irgendeiner möglichen Erfahrung erkannt werden soll. Nun ist aber dasjenige, in Anbetracht der Gegenstände der Erfahrung notwendig, ohne welches die Erfahrung von diesen Gegenständen selbst unmöglich sein würde. Also ist es allen Substanzen in der Erscheinung, sofern sie zugleich sind, notwendig in durchgängiger Gemeinschaft der Wechselwirkung untereinander zu stehen.

Das Wort Gemeinschaft ist in unserer Sprache zweideutig, und kann sovie, als  communio,  aber auch als  commercium  bedeuten. Wir bedienen uns hier desselben im letzteren Sinn, als einer dynamischen Gemeinschaft, ohne welche selbst die lokale (communio spatii) niemals empirisch erkannt werden könnte. Unseren Erfahrungen ist es leicht anzumerken, daß nur die kontinuierlichen Einflüsse in allen Stellen des Raumes unseren Sinn von einem Gegenstand zum andern leiten können, daß das Licht, welches zwischen unserem Auge, und den Weltkörpern spielt, eine mittelbare Gemeinschaft zwischen uns und diesen bewirken, und dadurch das Zugleichsein der letzteren beweisen, daß wir keinen Ort empirisch verändern (diese Veränderung wahrnehmen) können, ohne daß uns allerwerts Materie die Wahrnehmung unserer Stelle möglich macht, und diese nur mittels ihres wechselseitigen Einflusses ihr Zugleichsein, und dadurch, bis zu den entlegendsten Gegenständen, die Koexistenz derselben (obgleich nur mittelbar) dartun kann. Ohne Gemeinschaft ist jede Wahrnehmung (der Erscheinung im Raum) von der andern abgebrochen, und die Kette empirischer Vorstellungen, d. h. Erfahrung, würde bei einem neuen Objekt ganz von vorne anfangen, ohne daß die vorige damit im geringsten zusammenhängen, oder im Zeitverhältnis bestehen könnte. Den leeren Raum will ich hierdurch gar nicht widerlegen: denn der mag immer sein, wohin Wahrnehmungen gar nicht reichen, und also keine empirische Erkenntnis des Zugleichseins stattfindet; er ist aber alsdann für alle unsere mögliche Erfahrung gar kein Objekt.

Zur Erinnerung kann folgendes dienen. In unserem Gemüt müssen alle Erscheinungen, als in einer möglichen Erfahrung enthalten, in Gemeinschaft (communio) der Apperzeption stehen, und sofern die Gegenstände als zugleich existierend verknüpft vorgestellt werden sollen, so müssen sie ihre Stelle in einer Zeit wechselseitig bestimmen, und dadurch ein Ganzes ausmachen. Soll diese subjektive Gemeinschaft auf einem objektiven Grund beruhen, oder auf Erscheinungen, als Substanzen bezogen werden, so muß die Wahrnehmung der einen, als Grund, die Wahrnehmung der andern, und so umgekehrt, möglich machen, damit die Sukzession, die jederzeit in den Wahrnehmungen, als Apprehensionen ist, nicht den Objekten beigelegt werden, sondern diese, als zugleich existierend vorgestellt werden können. Dieses ist aber ein wechselseitiger Einfluß, d. h. eine reale Gemeinschaft (commercium) der Substanzen, ohne welche also das empirische Verhältnis des Zugleichseins nicht in der Erfahrung stattfinden könnte. Durch dieses Commercium machen die Erscheinungen, sofern sie auseinander und doch in Verknüpfung stehen, ein zusammengesetztes aus (compositum reale) und dergleichen Komposita werden auf mancherley Art möglich. Die drei dynamischen Verhältnisse, daraus alle übrigen entspringen, sind daher das der Inhärenz, der Konsequenz und der Komposition.

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Dies sind dann also die drei Analogien der Erfahrung. Sie sind nichts anderes, als Grundsätze der Bestimmung des Daseins der Erscheinungen in der Zeit, nach allen drei modis derselben, dem Verhältnis zur Zeit selbst, als einer Größe (die Größe des Daseins, d. h. die Dauer), dem Verhälntnis in der Zeit, als einer Reihe (nacheinander), endlich auch in ihr, als einem Inbegriff allen Daseins (zugleich). Diese Einheit der Zeitbestimmung ist durch und durch dynamisch, d. h. die Zeit wird nicht als dasjenige angesehen, worin die Erfahrung uns mittelbar jedem Dasein seine Stelle bestimmte, welches unmöglich ist, weil die absolute Zeit kein Gegenstand der Wahrnehmung ist, womit Erscheinungen zusammengehalten werden könnten; sondern die Regel des Verstandes, durch welche allein das Dasein der Erscheinungen synthetische Einheit nach Zeitverhältnissen bekommen kann, bestimmt jeder derselben ihre Stelle in der Zeit, mithin  a priori,  und gültig für alle und jede Zeit.

Unter Natur (im empirischen Verstand) verstehen wir den Zusammenhang der Erscheinungen ihrem Dasein nach, nach notwendigen Regeln, d. h. nach Gesetzen. Es sind also gewisse Gesetze, und zwar  a priori,  welche allererst eine Natur möglich machen; die empirischen können nur mittels der Erfahrung, und zwar zufolge jener ursprünglichen Gesetze, nach welchen selbst Erfahrung allererst möglich wird, stattfinden, und gefunden werden. Unsere Analogien stellen also eigentlich die Natureinheit im Zusammenhang aller Erscheinungen unter gewissen Exponenten dar, welche nichts anderes ausdrücken, als das Verhältnis der Zeit (sofern sie alles Dasein in sich begreift) zur Einheit der Apperzeption, die nur in der Synthesis nach Regeln stattfinden kann. Zusammen sagen sie also: alle Erscheinungen liegen in einer Natur, und müssen darin liegen, weil ohne diese Einheit  a priori  keine Einheit der Erfahrung, mithin auch keine Bestimmung der Gegenstände in derselben möglich wäre.

Über die Beweisart aber, deren wir uns bei diesen transzendentalen Naturgesetzen bedient haben, und die Eigentümlichkeit derselben, ist eine Anmerkung zu machen, die zugleich als Vorschrift für jeden anderen Versuch, intellektuelle und zugleich synthetische Sätze  a priori  zu beweisen, sehr wichtig sein muß. Hätten wir diese Analogien dogmatisch, d. h. aus Begriffen, beweisen wollen: daß nämlich alles, was existiert, nur in dem angetroffen wird, was beharrlich ist, daß jede Begebenheit etwas im vorigen Zustand voraussetzt, worauf es nach einer Regel folgt, endlich, im Mannigfaltigen, das zugleich ist, die Zustände in Beziehung aufeinander nach einer Regel zugleich sind, (in Gemeinschaft stehen) so wäre alle Bemühung gänzlich vergeblich gewesen. Denn man kann von einem Gegenstand und dessen Dasein auf das Dasein des anderen, oder seine Art zu existieren, durch bloße Begriffe dieser Dinge gar nicht kommen, man mag dieselbe zergliedern wie man wolle. Was blieb uns nun übrig? Die Möglichkeit der Erfahrung, als einer Erkenntnis, darin uns alle Gegenstände zuletzt müssen gegeben werden können, wenn ihre Vorstellung für uns objektive Realität haben soll. In diesem Dritten nun, dessen wesentlich Form in der synthetischen Einheit der Apperzeption aller Erscheinungen besteht, fanden wir Bedingungen  a priori  der durchgängigen und notwendigen Zeitbestimmung allen Daseins in der Erscheinung, ohne welche selbst die empirische Zeitbestimmung unmöglich sein würde, und fanden Regeln der synthetischen Einheit  a priori,  mittels deren wir die Erfahrung antizipieren konnten. In Ermangelung dieser Methode, und in dem Wahn, synthetische Sätze, welche der Erfahrungsgebrauch des Verstandes, als seine Prinzipien empfiehlt, dogmatisch beweisen zu wollen, ist es dann geschehen, daß vom Satz des zureichenden Grundes so oft, aber immer vergeblich, ein Beweis versucht worden ist. An die beiden übrigen Analogien hat niemand gedacht; ob man sich ihrer gleich immer stillschweigend bediente (2), weil der Leitfaden der Kategorien fehlte, der allein jede Lücke des Verstandes, sowohl in Begriffen, als Grunsätzen, entdecken, und merklich machen kann.


4.
Die Postulate
des empirischen Denkens überhaupt
    1. Was mit den formalen Bedingungen der Erfahrung (der Anschauung und den Begriffen nach) übereinkommt, ist möglich.

    2. Was mit den materialen Bedingungen der Erfahrung (der Empfindung) zusammenhängt, ist wirklich.

    3. Dessen Zusammenhang mit dem Wirklichen nach allgemeinen Bedingungen der Erfahrung bestimmt ist, ist (existiert) notwendig.
Erläuterung

Die Kategorien der Modalität haben das besondere an sich: daß sie den Begriff, dem sie als Prädikate beigefügt werden, als Bestimmung des Objekts nicht im mindesten vermehren, sondern nur das Verhältnis zum Erkenntnisvermögen ausdrücken. Wenn der Begriff eines Dings schon ganz vollständig ist, so kann ich doch noch von diesem Gegenstand fragen, ob er bloß möglich, oder auch wirklich, oder, wenn er das letztere ist, ob er gar auch notwending sei? Hierdurch werden keine Bestimmungen mehr im Objekt selbst gedacht, sondern es frägt sich nur, wie es sich, (samt allen seinen Bestimmungen) zum Verstand und dessen empirischem Gebrauch, zur empirischen Urteilskraft, und zur Vernunft (in ihrer Anwendung auf Erfahrung) verhalte?

Eben deswegen sind auch die Grundsätze der Modalität nichts weiter, als Erklärungen der Begriffe der Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit in ihrem empirischen Gebrauch, und hiermit zugleich Restriktionen aller Kategorien auf den bloß empirischen Gebrauch ohne den transzendentalen zuzulassen und zu erlauben. Denn wenn diese nicht eine bloß logische Bedeutung haben, und die Form des Denkens analytisch ausdrücken sollen, sondern Dinge und deren Möglichkeit, Wirklichkeit oder Notwendigkeit betreffen sollen, so müssen sie auf die mögliche Erfahrung und deren synthetische Einheit gehen, in welcher allein Gegenstände der Erkenntnis gegeben werden.

Das Postulat der Möglichkeit der Dinge fordert also, daß der Begriff derselben mit den formalen Bedingungen einer Erfahrung überhaupt zusammenstimme. Diese, nämlich die objektive Form der Erfahrung überhaupt, enthält aber alle Synthesis, welche zur Erkenntnis der Objekte erfordert wird. Ein Begriff, der eine Synthesis in sich faßt, ist für leer zu halten, und bezieht sich auf keinen Gegenstand, wenn diese Synthesis nicht zur Erfahrung gehört, entweder, als von ihr erborgt, und dann heißt er ein empirischer Begriff, oder als eine solche, auf der, als Bedingung  a priori,  Erfahrung überhaupt, (die Form derselben) beruth, und dann ist es ein reiner Begriff, der dennoch zur Erfahrung gehört, weil sein Objekt nur in dieser angetroffen werden kann. Denn wo will man den Charakter der Möglichkeit eines Gegenstandes, der durch einen synthetischen Begriff  a priori  gedacht wurde, hernehmen, wenn es nicht von der Synthesis geschieht, welche die Form der empirischen Erkenntnis der Objekte ausmacht. Daß in einem solchen Begriff kein Widerspruch enthalten sein müsse, ist zwar eine notwendige logische Bedingung; aber zu objektiven Realität des Begriffs, d. h. der Möglichkeit eines solchen Gegenstandes, als durch den Begriff gedacht wird, bei weitem nicht genug. So ist im Begriff einer Figur, die in zwei geraden Linien eingeschlossen ist, kein Widerspruch, denn die Begriffe von zwei geraden Linien und deren Zusammenstoß, enthalten keine Verneinung einer Figur; sondern die Unmöglichkeit beruth nicht auf dem Begriff ansich, sondern der Konstruktion desselben im Raum, d. h. den Bedingungen des Raums und der Bestimmung desselben, diese haben aber wiederum ihre objektive Realität, d. h. sie gehen auf mögliche Dinge, weil sie die Form der Erfahrung überhaupt  a priori  in sich enthalten.

Und nun wollen wir den ausgebreiteten Nutzen und Einfluß dieses Postulats der Möglichkeit vor Augen legen. Wenn ich mir ein Ding vorstelle, das beharrlich ist, so, daß alles, was da wechselt, bloß zu seinem Zustand gehört, so kann ich niemals aus einem solchen Begriff allein erkennen: daß ein dergleichen Ding möglich sei. Oder, ich stelle mir etwas vor, welches so beschaffen sein soll, daß, wenn es gesetzt wird, jederzeit und unausbleiblich etwas anderes darauf erfolgt, so mag dieses allerdings ohne Widerspruch so gedacht werden könenn; ob aber dergleichen Eigenschaft (als Kausalität) an irgendeinem möglichen Ding angetroffen werde, kann dadurch nicht beurteilt werden. Schließlich kann ich mir verschiedene Dinge (Substanzen) vorstellen, die so beschaffen sind, daß der Zustand des einen eine Folge im Zustand des andern nach sich zieht, und so wechselweise, aber, ob dergleichen Verhältnis irgendwelchen Dingen zukommen könne, kann aus diesen Begriffen, welche eine bloß willkürliche Synthesis enthalten, gar nicht entnommen werden. Nur daran also, daß diese Begriffe die Verhältnisse der Wahrnehmungen in jeder Erfahrung  a priori  ausdrücken, erkennt man ihre objektive Realit, d. h. ihre transzendentale Wahrheit, und zwar freilich unabhängig von der Erfahrung, aber doch nicht unabhängig von aller Beziehung auf die Form einer Erfahrung überhaupt, und die synthetische Einheit, in der allein Gegenstände empirisch erkannt werden können.

Wenn man sich aber gar neue Begriffe von Substanzen, von Kräften, von Wechselwirkungen, aus dem Stoff, den uns die Wahrnehmung darbietet, machen wollte, ohne von der Erfahrung selbst das Beispiel ihrer Verknüpfung zu entlehnen; so würde man in lauter Hirngespinste geraten, deren Möglichkeit ganz und gar kein Kennzeichen vor sich hat, weil man bei ihnen nicht Erfahrung zur Lehrerin annimmt, noch diese Begriffe von ihr entlehnt. Dergleichen gedichtete Begriffe können den Charakter ihrer Möglichkeit nicht so wie die Kategorien,  a priori,  als Bedingungen, von denen alle Erfahrung abhängt, sondern nur  a posteriori,  als solche, die durch die Erfahrung selbst gegeben werden, bekommen, und ihre Möglichkeit muß entweder  a posteriori  und empirisch, oder sie kann gar nicht erkannt werden. Eine Substanz, welche beharrlich im Raum gegenwärtig wäre, doch ohne ihn zu erfüllen, (wie dasjenige Mittelding zwischen Materie und denkenden Wesen, welches einige haben einführen wollen) oder eine besondere Grundkraft unseres Gemüts, das Künftige im Voraus anzuschauen (nicht etwa bloß zu folgern), oder endlich ein Vermögen desselben, mit anderen Menschen in Gemeinschaft der Gedanken zu stehen (so entfernt sie auch sein mögen), das sind Begriffe, deren Möglichkeit ganz grundlos ist, weil sie nicht auf Erfahrung und deren bekannte Gesetze gegründet werden kann, und ohne sie eine willkürliche Gedankenverbindung ist, die, obgleich sie keinen Widerspruch enthält, doch keinen Anspruch auf objektive Realität, mithin auf die Möglichkeit eines solchen Gegenstandes, als man sich hier denken will, machen kann. Was Realität betrifft, so verbietet es sich wohl von selbst, sich eine solche  in concreto  zu denken, ohne die Erfahrung zu Hilfe zu nehmen; weil sie nur auf Empfindung, als Materie der Erfahrung, gehen kann, und nicht die Form des Verhältnisses betrifft, mit der man allenfalls in Erdichtungen spielen könnte.

Aber ich lasse alles vorbei, dessen Möglichkeit nur aus der Wirklichkeit in der Erfahrung kann abgenommen werden, und erwäge hier nur die Möglichkeit der Dinge durch Begriffe  a priori,  von denen ich fortfahre zu behaupten: daß sie niemals aus solchen Begriffen für sich allein, sondern jederzeit nur als formale und objektive Bedingungen einer Erfahrung überhaupt stattfinden können.

Es hat zwar den Anschein, als wenn die Möglichkeit eines Triangels aus seinem Begriff ansich erkannt werden könne (von der Erfahrung ist er gewiß unabhängig); denn in der Tat können wir ihm gänzlich  a priori  einen Gegenstand geben, d. h. ihn konstruieren. Weil dieses aber nur die Form von einem Gegenstand ist, so würde er doch immer nur eine Produkt der Einbildung bleiben, von dessen Gegenstand die Möglichkeit noch zweifelhaft bliebe, als wozu noch etwas mehr erfordert wird, nämlich daß eine solche Figur unter lauter Bedingungen, auf denen alle Gegenstände der Erfahrung beruhen, gedacht ist. Daß nun der Raum eine formale Bedingung  a priori  von äußeren Erfahrungen ist, daß eben dieselbe bildende Synthesis, wodurch wir in der Einbildungskraft einen Triangel konstruieren, mit derjenigen gänzlich dasselbe ist, welche wie in der Apprehension einer Erscheinung ausüben, um uns davon einen Erfahrungsbegriff zu machen, das ist es allein, was mit diesem Begriff die Vorstellung von der Möglichkeit eines solches Dings verknüpft. Und so ist die Möglichkeit kontinuierlicher Größen, ja sogar der Größen überhaupt, weil die Begriffe davon insgesamt synthetisch sind, niemals aus den Begriffen selbst, sondern aus ihnen, als formalen Bedingungen, der Bestimmung der Gegenstäne in der Erfahrung überhaupt allererst klar, und wo sollte man auch Gegenstände suchen wollen, die den Begriffen korrespondierten, wäre es nich in der Erfahrung, durch die uns allein Gegenstände gegeben werden, wie wohl wir, ohne eben eine Erfahrung selbst voran zu schicken, bloß in Beziehung auf die formalen Bedingungen, unter welchen in ihr überhaupt etwas als Gegenstand bestimmt wird, mithin völlig  a priori,  aber doch nur in Beziehung auf sie, und innerhalb ihrer Grenzen, die Möglichkeit der Dinge erkennen und charakterisieren können.

Das Postulat, die Wirklichkeit der Dinge zu erkennen, fordert Wahrnehmung, mithin Empfindung, deren man sich bewußt ist, zwar nicht eben unmittelbar, vom Gegenstand selbst, dessen Dasein erkannt werden soll, aber doch einen Zusammenhang desselben mit irgendeienr wirklichen Wahrnehmung, nach den Analogien der Erfahrung, welche alle reale Verknüpfung in einer Erfahrung überhaupt darlegen.

Im bloßen Begriff eines Dings kann gar kein Charakter seines Daseins angetroffen werden. Denn obgleich derselbe noch so vollständig ist, daß nicht das mindeste ermangelt, um ein Ding mit all seinen inneren Bestimmungen zu denken, so hat das Dasein mit all dem doch gar nichts zu tun, sondern nur mit der Frage: ob ein solches Ding uns gegeben ist, so, daß die Wahrnehmung desselben dem Begriff allenfalls vorhergehen kann. Denn, daß der Begriff der Wahrnehmung vorhergeht, bedeutet dessen bloße Möglichkeit, die Wahrnehmung aber, die den Stoff zum Begriff hergibt, ist der einzige Charakter der Wirklichkeit. Man kann aber auch vor der Wahrnehmung des Dings, und also komparativ  a priori  das Dasein desselben erkennen, wenn es nur mit einigen Wahrnehmungen, nach den Grundsätzen der empirischen Verknüpfung derselben (den Analogien) zusammenhängt. Denn sodann hängt doch das Dasein des Dings mit unseren Wahrnehmungen in einer möglichen Erfahrung zusammen, und wir können nach dem Leitfaden jener Analogien, von unserer wirklichen Wahrnehmung zum Ding in der Reihe möglicher Wahrnehmungen gelangen. So erkenen wir das Dasein einer alle Körper durchdringenden magnetischen Materie aus der Wahrnehmung des gezogen Eisenspäne, obgleich eine unmittelbare Wahrnehmung dieses Stoffs uns nach der Beschaffenheit unserer Organe unmöglich ist. Denn überhaupt würden wir, nach den Gesetzen der Sinnlichkeit und dem Kontext unserer Wahrnehmungen, in einer Erfahrung auch auf die unmittelbare empirische Anschauung derselben stoßen, wenn unsere Sinne feiner wären, deren Grobheit die Form möglicher Erfahrung überhaupt nichts angeht. Wo also Wahrnehmung und deren Anhang nach empirischen Gesetzen hinreicht, dahin reicht auch unsere Erkenntnis vom Dasein der Dinge. Fangen wir nicht von Erfahrung an, oder gehen wir nicht nach Gesetzen des empirischen Zusammenhangs der Erscheinungen fort, so machen wir uns vergeblich Staat, das Dasein irgendeines Dings erraten oder erforschen zu wollen.

Was endlich das dritte Postulat betrifft, so geht es auf die materiale Notwendigkeit im Dasein, und nicht die bloß formale und logische in Verknüpfung der Begriffe. Da nun keine Existenz der Gegenstände der Sinne völlig  a priori  erkannt werden kann, aber doch komparativ  a priori  relativisch auf ein anderes schon gegebenes Dasein, gleichwohl aber auch alsdann nur auf diejenige Existenz kommen kann, die irgendwoe im Zusammenhang der Erfahrung, davon die gegebene Wahrnehmung ein Teil ist, entalten sein muß: so kann die Notwendigkeit der Existenz, niemals aus Begriffen, sondern jederzeit nur aus der Verknüpfung mit demjenigen, was wahrgenommen wird, nach allgemeinen Gesetzen der Erfahrung erkannt werden können. Da ist nun kein Dasein, was unter der Bedingung anderer gegebener Erscheinungen, als notwendig erkannt werden könnte, als das Dasein der Wirkungen aus gegebenen Ursachen nach Gesetzen der Kausalität. Also ist es nicht das Dasein der Dinge, (Substanzen) sondern ihres Zustandes, wovon wir allein die Notwendigkeit erkennen können, und zwar aus anderen Zuständen, die in der Wahrnehmung gegeben sind, nach empirischen Gesetzen der Kausalität. Hieraus folgt: daß das Kriterium der Notwendigkeit lediglich im Gesetz der möglichen Erfahrung liegt: daß alles, was geschieht, durch ihre Ursache in der Erscheinung  a priori  bestimmt sei. Daher erkennen wir nur die Notwendigkeit der Wirkungen in der Natur, deren Ursachen uns gegeben sind, und das Merkmal der Notwendigkeit im Dasein reicht nicht weiter, als das Feld möglicher Erfahrung, und selbst in diesem gilt es nicht von der Existenz der Dinge, als Substanzen, weil diese niemals, als empirische Wirkungen, oder etwas, das geschieht, und entsteht, können angesehen werden. Die Notwendigkeit betrifft also nur die Verhältnisse der Erscheinungen nach dem dynamischen Gesetz der Kausalität und die darauf sich gründende Möglichkeit, aus irgendeinem gegebenen Dasein (einer Ursache)  a priori  auf ein anderes Dasein (der Wirkung) zu schließen. Alles, was geschieht, ist hypothetisch notwendig, das ist ein Grundsatz, welche die Veränderung in der Welt einem Gesetz unterwirft, d. h. einer Regel des notwendigen Daseins, ohne welche gar nicht einmal Natur stattfinden würde. Daher ist der Satz: nichts geschieht durch ein blindes Ungefährt, (in mundo non datur casus) ein Naturgesetz  a priori,  desgleichen keine Notwendigkeit in der Natur ist blinde, sondern bedingte, mithin verständliche Notwendigkeit (no datum fatum), beide sind solche Gesetze, durch welche das Spiel der Veränderungen einer Natur der Dinge (als Erscheinungen) unterworfen wird, oder, welches dasselbe ist, der Einheit des Verstandes, in welchem sie allein zu einer Erfahrung, als der synthetischen Einheit der Erscheinungen, gehören können. Diese beiden Grundsätze gehören zu den dynamischen. Der erstere ist eigentlich eine Folge des Grundsatzes von der Kausalität (unter den Analogien der Erfahrung). Der zweite gehört zu den Grundsätzen der Modalität, welche zur Kausalbestimmung noch den Begriff der Notwendigkeit, die aber unter einer Regel des Verstandes steht, hinzu tut. Das Prinzip der Kontinuität verbot in der Reihe der Erscheinungen (Veränderungen) allen Absprung; (in mundo non datur saltus) aber auch im Inbegriff aller empirischen Anschauungen im Raum alle Lücke oder Kluft zwischen zwei Erscheinungen (non datur hiatus); denn so kann man den Satz ausdrücken: daß in die Erfahrung nichts hinein kommen kann, was ein  vacuum  bewiese, oder auch nur als einen Teil der empirischen Synthesis zuließe. Denn was das Leere betrifft, welches man sich außerhalb dem Feld möglicher Erfahrung (der Welt) denken mag, so gehört dieses nicht vor die Gerichtsbarkeit des bloßen Verstandes, welcher nur über die Fragen entscheidet, die die Nutzung gegebener Erscheinungen zur empirischen Erkenntnis betreffen, und ist eine Aufgabe vor die idealische Vernuft, die noch über die Sphäre einer möglichen Erfahrung hinausgeht, und von dem urteilen will, was diese selbst umgibt und begrenzt, muß daher in der transzendentalen Dialektik erwogen werden. Diese vier Sätze (in mundo non datur hiatus, non datur saltus, non datur casus, non datur fatum) könnten wir leicht, so wie alle Grundsätze transzendentalen Ursprungs, nach ihrer Ordnung, gemäßt der Ordnung der Kategorien vorstellig machen, und jedem seine Stelle beweisen, allein der schon geübte Leser wird dieses von selbst tun, oder den Leitfaden dazu leicht entdecken. Sie vereinigen sich aber alle ledlich dahin, um in der empirischen Synthesis nichts zuzulassen, was dem Verstand und dem kontinuierlichen Zusammenhang aller Erscheinungen, d. h. der Einheit seiner Begriffe, Abbruch oder Eintrag tun könnte. Denn er ist es allein, worin die Einheit der Erfahrung, in der alle Wahrnehmungen ihre Stelle haben müssen, möglich wird.

Ob das Feld der Möglichkeit größer sei, als das Feld, was alles Wirkliche enthält, dieses aber wiederum größer, als die Menge desjenigen, was notwendig ist, das sind artige Fragen, und zwar von synthetischer Auflösung, die aber auch nur der Gerichtsbarkeit der Vernunft anheim fallen; denn sie wollen ungefähr so viel sagen, als ob alle Dinge, als Erscheinungen, insgesamt den Inbegriff und den Kontext einer einzigen Erfahrung gehören, von der jede gegebene Wahrnehmung ein Teil ist, der also mit keinen anderen Erscheinungen verbunden werden kann, oder ob meine Wahrnehmungen z ehr wie einer möglichen Erfahrung (in ihrem allgemeinen Zusammenhang) gehören können. Der Verstand gibt  a priori  der Erfahrung überhaupt nur die Regel, nach den subjektiven und formalen Bedingungen, sowohl der Sinnlichkeit wie der Apperzeption, welche sie allein möglich machen. Andere Formen der Anschauung, (als Raum und Zeit), desgleichen andere Formen des Verstandes (als die diskursive des Denkens, oder der Erkenntnis durch Begriffe,) ob sie gleich möglich wären, können wir uns doch auf keinerlei Weise erdenken und faßlich machen, aber, wenn wir es auch könnten, so würden sie doch nicht zur Erfahrung, als der einzigen Erkenntnis gehören, worin uns Gegenstände gegeben werden. Ob andere Wahrnehmungen überhaupt zu unserer gesamten möglichen Erfahrung gehören, und also ein ganz anderes Feld der Materie noch stattfinden könne, kann der Verstand nicht entscheiden, er hat es nur mit der Synthesis dessen zu tun, was gegeben ist. Sonst ist die Armseligkeit unserer gewöhnlichen Schlüsse, wodurch wir ein großes Reich der Möglichkeit herausbringen, davon alles Wirkliche (aller Gegenstand der Erfahrung) nur ein kleiner Teil ist, sehr in die Augen fallend. Alles wirkliche ist möglich; hieraus folgt natürlicherweise, nach den logischen Regeln der Umkehrung, der bloß partikulare Satz: einiges Mögliche ist wirklich, welches dann soviel zu bedeuten scheint, wie: es ist vieles möglich, was nicht wirklich ist. Zwar hat es den Anschein, als könne man auch geradezu die Zahl des Möglichen über die des Wirklichen dadurch hinaussetzen, weil zu jener noch etwas hinzukommen muß, um diese auszumachen. Allein dieses Hinzukommen zum Möglichen kenne ich nicht. Denn was über dasselbe noch zugesetzt werden sollte, wäre unmöglich. Es kann nur zu meinem Verstand etwas über die Zusammenstimmung mit den formalen Bedingungen der Erfahrung, nämlich, die Verknüpfung mit irgendeiner Wahrnehmung hinzukommen; was aber mit dieser nach empirischen Gesetzen verknüpft ist, ist wirklich, ob es gleich unmittelbar nicht wahrgenommen wird. Daß aber im durchgängigen Zusammenhang mit dem, was mir in der Wahrnehmung gegeben ist, eine andere Reihe von Erscheinungen, mithin mehr wie eine einzige alles befassende Erfahrung möglich ist, läßt sich aus dem, was gegeben ist, nicht schließen, und, ohne daß irgendetwas gegeben ist, noch viel weniger; weil ohne Stoff sich überall nichts denken läßt. Was unter Bedingungen, die selbst bloß möglich sind, allein möglich ist, ist es nicht in aller Absicht. In dieser aber wird die Frage genommen, wenn man wissen will, ob die Möglichkeit der Dinge sich weiter erstreckt, als Erfahrung reichen kann.

Ich habe dieser Fragen nur Erwähnung getan, um keine Lücke in demjenigen zu lassen, wasm der gemeinen Meinung nach, zu den Verstandesbegriffen gehört. In der Tat ist aber die absolute Möglichkeit (die in aller Absicht gültig ist) kein bloßer Verstandesbegriff, und kann auf keinerlei Weise von empirischem Gebrauch sein, sondern er gehört allein der Vernunft an, die über allen möglichen empirischen Verstandesgebrach hinausgeht. Daher haben wir uns hierbei mit einer bloß kritischen Anmerkung begnügen müssen, übrigens aber die Sache bis zum weiteren künftigen Verfahren in der Dunkelheit gelassen.

Da ich eben diese vierte Nummer, und, mit ihr, zugleich das System aller Grundsätze des reinen Verstandes schließen will, so muß ich noch den Grund angeben, warum ich die Prinzipien der Modalität gerade Postulate genannt habe. Ich will diesen Ausdruck hier nicht in der Bedeutung nehmen, welche ihm einige neuere philosophische Verfasser, wider den Sinn der Mathematiker, denen er doch eigentlich angehört, gegeben haben, nämlich: daß Postulieren soviel heißen soll, wie einen Satz für unmittelbar gewiß, ohne Rechtfertigung, oder Beweis ausgeben; denn, wenn wir das bei synthetischen Sätzen, so evident sie auch sein mögen, einräumen sollten, daß man sie ohne Deduktion, auf das Ansehen ihres eigenen Ausspruchs, dem unbedingen Beifall anheften dürfe, so ist alle Kritik des Verstandes verloren, und, da es an dreisten Anmaßungen nicht fehlt, deren sich auch der gemeine Glaube, (der aber kein Kreditiv ist) nicht weigert; so wird unser Verstand jedem Wahn offen stehen, ohne daß er seinen Beifall  den  Aussprüchen versagen kann, die, obgleich unrechtmäßig, doch in eben demselben Tone der Zuversicht, als wirkliche Axiome eingelassen zu werden verlangen. Wenn also zum Begriff eines Dings eine Bestimmung  a priori  synthetisch hinzukommt, so muß von einem solchen Satz, wo nicht ein Beweis, doch wenigstens eine Deduktion der Rechtmäßigkeit seiner Behauptungen unaufhörlich hinzugefügt werden.

Die Grundsätze der Modalität sind aber nich objektiv-synthetisch, weil die Prädikate der Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit den Begriff, von dem sie gesagt werden, nicht im mindesten vermehren, dadurch daß sie der Vorstellung des Gegenstandes noch etwas hinzusetzen. Da sie aber gleichwohl doch immer synthetisch sind, so sind sie es nur subjektiv, d. h. sie fügen zum Begriff des Dings, (realen) von dem sie sonst nichts sagen, die Erkenntniskraft hinzu, worin er entspringt und seinen Sitz hat, so, daß, wenn er bloß im Verstand mit den formalen Bedingungen der Erfahrung in Verknüpfung ist, sein Gegenstand möglich heißt, ist er mit der Wahrnehmung (Empfindung, als Materie der Sinne) im Zusammenhang, und durch dieselbe mittels des Verstandes bestimmt, so ist das Objekt wirklich; ist er durch den Zusammenhang der Wahrnehmungen nach Begriffen bestimmt, so heißt der Gegenstand notwendig. Die Grundzüge der Modalität also sagen von einem Begriff nichts anderes, als die Handlung des Erkenntnisvermögens, dadurch er erzeugt wird. Nun heißt ein Postulat in der Mathematik der praktische Satz, der nichts als die Synthesis enthält, wodurch wir einen Gegenstand uns zuerst geben, und dessen Begriff erzeugen, z. B. mit einer gegebenen Linie, aus einem gegebenen Punkt auf einer Eben einen Zirkel zu beschreiben, und ein dergleichen Satz kann darum nicht bewiesen werden, weil das Verfahren, was er fordert, gerade das ist, wodurch wir den Begriff von einer solchen Figur zuerst erzeugen. So können wir demnach mit eben demselben Recht die Grundsätze der Modalität postulieren, weil sie ihren Begriff von Dingen überhaupt nicht vermehren, (3) sondern nur die Art anzeigen, wie er überhaupt mit der Erkenntniskraft verbunden wird.

LITERATUR: Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, Erstausgabe, Riga 1781
    Anmerkungen
    1) Man merke wohl: daß ich nicht von der Veränderung gewisser Relationen überhaupt, sondern von Veränderung des Zustandes rede. Daher, wenn ein Körper sich gleichförmig bewegt, so verändert er seinen Zustand (der Bewegung) gar nicht, aber wohl, wenn seine Bewegung zu oder abnimmt.
    2) Die Einheit des Weltganzen, in welchem aller Erscheinungen verknüpft sein sollen, ist offenbar eine bloße Folgerung des insgeheim angenommenen Grundsatzes der Gemeinschaft aller Substanzen, die zugleich sind: denn, wären sie isoliert, so würden sie nicht als Teile ein Ganzes ausmachen, und wäre ihre Verknüpfung (Wechselwirkung des Mannigfaltigen) nicht schon um des Zugleichseins willen notwendig, so könnte man aus diesem, als einem bloß idealen Verhältnis, auf jene, als ein reales, nicht schließen. Wieviel wir an seinem Ort gezeigt haben; daß die Gemeinschaft eigentlich der Grund der Möglichkeit einer empirischen Erkenntnis, der Koexistenz sei, und daß man also eigentlich nur aus diese auf jene, als ihre Bedingung, zurückschließt.
    3) Durch die Wirklichkeit eines Dings, setze ich freilich mehr, als die Möglichkeit, aber nicht im Ding; denn das kann niemals mehr in der Wirklichkeit enthalten, als was in dessen vollständiger Möglichkeit enthalten war. Sondern da die Möglichkeit bloß eine Position des Dings in Beziehung auf den Verstand (dessen empirschen Gebrauch) war, so ist die Wirklichkeit zugleich eine Verknüpfung desselben mit der Wahrnehmung.