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Die Festlegung einer Überzeugung
CHARLES SANDERS PEIRCE
Nehmen wir einmal an, es sei der Wille des Staates, der handelt und nicht mehr der des Individuums. Zu schaffen wäre dann eine Institution, die die Aufgabe hat, die Aufmerksamkeit des Volkes für die richtigen Lehren zu erhalten, sie ständig zu wiederholen und sie der Jugend beizubringen: laß sie gleichzeitig die Macht haben zu verhindern, daß entgegengesetzte Lehren gelehrt, befürwortet oder ausgesprochen werden. Halte alle möglichen Gründe einer Geistesänderung vom menschlichen Auffassungsvermögen fern. Halte die Menschen in Unwissenheit, damit sie nicht auf irgendwelche Gründe kommen, anders zu denken, als sie es tun. Stelle ihre Leidenschaften in deinen Dienst, so daß sie private und ungewöhnliche Ansichten mit Haß und Abscheu betrachten. Bring ferner alle, die die so festgelegte Überzeugung ablehnen durch Terror zum Schweigen. Laß das Volk sie vertreiben, laß es solche Leute teeren und federn oder laß durch Inquisitionen die Denkweise dieser verdächtigen Personen erforschen und, wenn sie verbotener Überzeugungen für schuldig befunden werden, unterwirf sie exemplarischer Bestrafung. Kann völlige Übereinstimmung nicht anders erreicht werden, so hat sich ein allgemeines Blutbad unter denen, die nicht in bestimmter Weise dachten, als ein sehr wirksames Mittel erwiesen, um eine Ansicht in einem Land durchzusetzen. Wenn dir aber die Macht, das zu tun, fehlt, so laß eine Liste von Ansichten aufstellen, denen kein Mensch, der die geringste gedankliche Unabhängigkeit besitzt, zustimmen kann und verlange von den Gläubigen, daß sie all diese Sätze annehmen, um sie so radikal wie möglich vom Einfluß der übrigen Welt zu trennen.
Diese Methode ist von frühesten Zeiten an eines der hauptsächlichsten Mittel gewesen, gültige theologische und politische Lehren aurechtzuerhalten und ihren universalen oder katholischen Charakter zu bewahren. Besonders in Rom wurde sie von den Tagen des NUMA POMPILIUS bis zu PIUS IX. praktiziert. Das ist wohl das vollkommenste Beispiel in der Geschichte, aber wo immer es eine Priesterschaft gibt - und es hat noch keine Religion ohne eine solche gegeben -, ist diese Methode mehr oder weniger angewandt worden. Überall, wo es eine Aristokratie gibt, ein Zunftwesen oder irgendeine Vereinigung einer Klasse von Menschen, deren Interessen von gewissen Thesen abhängig sind oder für abhängig gehalten werden, findet man unweigerlich einige Spuren dieses natürlichen Erzeugnisse sozialen Fühlens. Grausamkeiten begleiten immer dieses System und wenn es folgerichtig durchgeführt wird, werden sie zu Greueltaten der entsetzlichsten Art in den Augen jedes vernünftigen Menschen. Und das ist noch nicht einmal überraschend, denn der Beamte einer Gesellschaft fühlt sich nicht berechtigt, die Interessen dieser Gesellschaft aus Mitleid zu opfern, so wie er seine eigenen privaten Interessen opfern könnte. Es ist daher natürlich, daß Sympathie und Kameradschaftsgeist so eine höchst unbarmherzige Gewaltherrschaft hervorbringen.
Die Methode der Autorität wird immer die Massen der Menschheit lenken; und diejenigen, welche die verschiedenen Formen organisierter Macht im Staate in der Hand haben, werden niemals überzeugt werden, daß man gefährliches Denken nicht in irgendeiner Weise unterdrücken sollte. Wenn die Redefreiheit nicht durch gröbere Formen des Zwangs eingeschränkt wird, dann wird man die Uniformität der Meinung durch moralischen Terror sichern, dem die gesellschaftliche Wohlanständigkeit ihre volle Billigung erteilen wird. Der Methode der Autorität folgen heißt den Pfand des Friedens gehen. Gewisse Abweichungen sind erlaubt; gewisse andere (die als gefährlich betrachtet werden), sind verboten. Sie sind in den verschiedenen Ländern und den verschiedenen Zeitaltern verschieden, aber wo du auch hinkommst - läßt du wissen, daß du ernsthaft einer Überzeugung bist, die mit einem Tabu belegt ist -, so kannst du sicher sein, daß du mit einer Grausamkeit behandelt wirst, die weniger brutal, dafür aber raffinierter ist, als wenn man dich wie einen Wolf jagte. Daher haben die größten geistigen Wohltäter der Menschheit nie gewagt und wagen es auch heute nicht, das Ganze ihrer Gedanken auszusprechen; und daher liegt prima facie [auf den ersten Blick - wp] ein Schatten von Zweifel auf jedem Satz, der als wesentlich zur Sicherheit der Gesellschaft betrachtet wird. Seltsam genug ist, daß die Verfolgung nicht allein von außen kommt, sondern daß der Mensch sich selbst quält und oft in höchster Not ist, wenn er sich von Sätzen überzeugt sieht, die er aufgrund seiner Erziehung mit Abscheu betrachtet. Der friedliche und empfindsame Mensch wird es deshalb schwer finden, der Versuchung, seine Ansichten der Autorität zu unterwerfen zu widerstehen.
LITERATUR, Charles Sanders Peirce, Illustrationen zur Logik der Wissenschaft, 1877
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