ra-2Paul TillichReinhold NiebuhrReligion    
 
JOHANN LOSERTH
(1846-1930)
Der Kommunismus der
Hutterischen Brüder in Mähren

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    I. Die wiedertäuferischen Kommunisten in Mähren
II. Die Lehre von der Gemeinschaft
III. Die Durchführung der Gemeinschaft

"Ich hab' je und alleweg also geredet von der Gemeinschaft der Güter, daß ein Mann auf den anderen ein Aufsehen haben soll, damit der Hungrige gespeist, der Durstige getränkt, der Nackte bekleidet werde, denn wir sind ja nicht Herrn sondern nur Schaffner und Austeiler unserer Güter."


II. Die Lehre von der Gemeinschaft

Von allen sonstigen Religionsverwandten war die Hutterische Gemeinde durch ihren auf das Strengste durchgeführten Kommunismus geschieden. Ihre  Lehre von der Gemeinschaft  hat sie in allem Wechsel der Zeit festgehalten. Die Frage der Gütergemeinschaft ist von all den zahlreichen Sekten, die unter dem Namen der Wiedertäufer zusammengefaßt werden, zweifellos schon von Anbeginn eifrig erwogen worden. Es genügt hier auf HUBMAIERs Worte hinzuweisen: "Ich hab' je und alleweg also geredet von der Gemeinschaft der Güter, daß ein Mann auf den anderen ein Aufsehen haben soll, damit der Hungrige gespeist, der Durstige getränkt, der Nackte bekleidet werde, denn wir sind ja nicht Herrn sondern nur Schaffner und Austeiler unserer Güter." "Es ist gewißlich keiner, der da sagt, daß man dem Anderen das Seinige nehmen und gemein machen solle, sondern viel eher den Rock zum Mantel lassen." Man ersieht daraus, daß sich schon 1525 und 1526 in HUBMAIERs Kreisen kommunistische Neigungen kundgaben, wenngleich er selbst ihnen keinen Geschmack abgewinnen konnte. Noch in den am 24. Februar 1527 zu Schlatten am Randen von den schweizer und schwäbischen Wiedertäufern des Oberneckarthales vereinbarten 7 Grundartikeln wird wohl von der Taufe und dem Bann, vom Brechen des Brotes und der Absonderung (von den übrigen Christen), vom Hirten und der Gemeinde, vom Schwert und vom Eid, nicht aber vom Kommunismus gesprochen. Erst in den Streitigkeiten, die in den Jahren 1527 und 1528 in Nikolsburg ausbrachen, tritt die Lehre von der  Gemeinschaft  in den Vordergrund. Jene Gruppen, die man unter dem Namen der  Stäbler  und  Kleinhäufler  zusammenfaßt, die behaupteten, ein Christ könne mit gutem Gewissen und nach dem Wort Gottes kein Schwert, keine Waffen und keinen Krieg führen und die auch dagegen waren, daß ein Christ in der Obrigkeit sitze, weil dies den Worten der Bibel widerspreche, huldigten zuerst kommunistischen Grundsätzen. Sie nehmen auch in dieser Frage von der Bibel ihren Ausgang (Apostelgeschichte IV, 32). JAKOB WIEDEMANN, PHILIPP JÄGER und vornehmlich JOHANNES HUT standen hierin gegen HUBMAIER: "Haben, heißt es in den Geschichtsbüchern der Wiedertäufer, in den Häusern hin und wieder Versammlung gehalten, die Pilgram, Gäst und Fremdling aus anderen Ländern aufgenommen," die  "Gemeinschaft  angenommen". Ihre Gesinnungsgenossen erhielten den bezeichnenden Beinamen "Gemeinschaftler". Und so finden wir denn unter den in jene Tagen in ferne Gegenden verbreiteten sogenannten Nikolsburger Artikeln gleich an zweiter Stelle den Satz: "Wer eigens hat, der mag des Herrn Abendmahls nit teilhaftig sein." (1) Die Wiedertäufer, die durch HUT und seine Genossen der neuen Lehre gewonnen wurden, bekannten sich insgesamt zum Kommunismus. (2) In den Wiedertäufer-Artikeln der Brüderschaft des HANS HUT in der Stadt Steyer und in Freistadt in Oberösterreich vom Jahre 1527 heißt es fast mit den Worten der Bibel: "Keiner soll eigens haben, sondern alle Ding ihnen gemein sein."

An dieser Frage vornehmlich zerschellte die Einigkeit unter den Nikolsburger Genossen. Die "Gemeinschaftler" zogen nach Austerlitz: "Sie haben hier, erzählt SEBASTIAN FRANCK, Ökonomikos, Schaffner und alle  ein  Kuchensäckel, daraus man einem jeden geben soll, was ihm Not ist. Ob es aber geschehe und recht ausgeteilt wird, da frag ich sie um." Aber weder hier in Auspitz, wohin sich eine starke Gruppe der Austerlitzer wandte, hörten die Streitigkeiten auf. Noch hingen sie alle am  Eigen. 

In die verfahrenen Zustände der jungen Gemeinde brachte erst die kräftige Hand des Tirolers JAKOB HUTTER Ordnung. Nachdem er unter unerquicklichen Kämpfen die Leitung der nunmehr nach ihm genannten Gemeinde erhalten hatte, "hat er die wahre Gemeinschaft in eine ziemliche Ordnung gebracht." Die große Reform, die er bei den Taufgesinnten aufrichtete, bestand in der Aufrichtung der  Gemeinschaft.  Gleich in seiner ersten Predigt behandelte er dieses Thema. In eigenen für die Zwecke des gemeinsamen Zusammenlebens errichteten großen Häusern - den Haushaben - brachten die Genossen zusammen, was sie an zeitlichen Gütern besaßen: Geld, Leinwand, Betten, Truhen usw. Nicht alle konnten sich in die neue Lage schicken. Mancher hielt Geld zurück, wofür er von der Gemeinde hart vermahnt wurde.

In Tirol, wo er keine Haushaben errichten konnte, benützte HUTTER die eingeflossenen Gelder zur Unterstützung armer Wittwen und Waisen. In Mähren sah man die Aufrichtung so großer Häuser, in denen Hunderte von Taufgesinnten zusammen lebten, auch nicht gern. Man fürchtete, besonders seit den Münsterer Ereignissen, sie könnten, an Zahl erstarkt, handeln wie die Münsterer Wiedertäufer.

Die Anzahl der Schriften, in denen die Wiedertäufer ihre Lehre von der Gemeinschaft behandeln, ist ziemlich groß. Nur die Hutterischen halten diese für das Allheilmittel aller bestehenden Übel. Die älteren Taufgesinnten lassen auch entgegengesetzte Meinungen zu Wort kommen. Eine dem Nürnberger Patrizier EITELHANS LANGENMANTEL, demselben, der 1529 für seine Überzeugung starb, zugeschriebene  Rede von der wahren Gemeinschaft  sagt noch, "es sei nit ein Gebot, daß man die Güter in Gemein haben sollt', so es aber in Lieb' und frommem Willen geschehe, sei es recht; sonst mag ein jeder es ins gemein geben oder behalten: er wird doch von der rechten Gemeinschaft Christi nicht ausgeschlossen sein." In den Tagen HUTTERs und später galt es als Sünde, selbst geringfügige Dinge als Eigentum zu besitzen. HANS SCHMIDT, zum Tod verurteilt, schickt seiner MAGDALENA seinen Ohrlöffel zum Andenken in der Voraussetzung, daß die Genossen nichts dawider haben. Die Diener der Notdurft, lehrt ULRICH STADLER, haben die Aufgabe, darauf zu sehen, daß nicht der eine Überfluß habe, der andere Not leide; sie besorgen die Einkäufe und Verkäufe der Gemeinde. "Wir gehören nicht uns selbst an, haben auch in Wahrheit nichts Eigenes, sondern alle Gaben Gottes, sie seien zeitlich oder geistlich, sind gemein. Im Haus des Herrn gibt es kein Mein, Dein und Sein. Gleiche Liebe herrsche, gleich sei die Sorge und gleich die Austeilung der Güter." Trotz so starker Sätze war auch STADLER kein Fanatiker des Kommunismus: "Jene, die gläubig werden, trotzdem sie bei ihren Häusern verbleiben, sollen nur treue Wirte und Ausspender sein" - ein Standpunkt, den bei den Hutterischen einzunehmen verboten war. Der rechte Lehrmeister dieser ist PETER RIEDEMANN. In seinem großen Lehrgebäude hat er der Gütergemeinschaft ein eigenes Kapitel gewidmet: Wer für sich sammelt, handelt gegen die Satzungen Gottes. CHRISTUS heißt zeitliches Gut fremdes. An solches soll niemand sein Herz hängen. An der Gemeinschaft halte alle Hutterischen fest: dem HANS SCHMIDT ist sie der höchste Schatz, dessen beraubt zu sein das größte Unglück ist. In ihr hat der Kranke den Arzt, der Schwache seine Lagerstatt, der Eifrige seine Predigt, der Hungrige Brot und der Durstige Trank. Wollt Ihr, ruft LEONHARD DAX (1567) aus, vom rechten Brauch der Güter reden, es kann ja nicht anders geschehen, als nach dem Brauch der ersten Kirche: Die rechte Gemeinschaft der Heiligen - das sind die Hutterischen - stellt unter dem Volk Gottes die sündhaften Zeichen der Finanz und des Betruges ab, Kaufen und Verkaufen, Eigennutz und Geiz, Wucher usw., was alles dem vom heiligen Geist in der Kirche gelegten Grund von der Gemeinschaft widerstrebt. Warum finden sich denn in Eurer Kirche, so redet er die Andersgläubigen an, so viele Landstreicher und Bettler, die auf den Straßen und vor Euren Häusern sich heiser schreien nach Almosen? Das ist kein Zeichen der wahren Kirche. Frei bekenne ich: Wenn PETRUS, PAULUS oder ein Engel vom Himmel käme und lehrte eine solche Gemeinschaft wie Ihr in Eurer calvinischen Kirche, so wäre sie meinem Herzen abscheulich. Bei uns gibt es verordnete Männer, die das Geld und Gut aufheben, um der Not der Gemeinde zu steuern. Wenn Ihr sagt, die Apostel lehren nicht, daß man alle Güter gemein machen soll, wie es unsere Kirche in Mähren zu tun pflegt, so antworte ich, daß das der Gebrauch in der alten Kirche gewesen ist. Soll das jetzt in der letzten Kirche schlecht sein?

PETER WALPOT sucht alle Stellen zusammen, die von der Gemeinschaft handeln. In dieser wird der Mensch, wie das Gold im Feuer geprüft. Gott will nicht, lehrt ZUCKENHAMMER, daß seine Kinder in der Zeitlichkeit leben, etwa wie die Hunde, die den Trog allein besitzen wollen. Gemeinschaft heißt nichts anderes, als aus Liebe zum Nächsten alles gemein haben. Jeder legt, was er hat, in die Gemeinschaft; da teilen alle alles miteinander: Leid und Freud. Nur bei den Heiden hat ein jeder sein eigenes Gesetz, sein Haus, seinen Acker, seine Küche, seinen Keller und seinen eigenen Tisch. Mein und Dein sind die Ursache aller Kriege und zunächst dem Geiz verwandt.

Die Gemeinschaft, sagt EHRENPREIS, ist nicht Zwang und Drang. Wen nicht Liebe, die Erkenntnis und der Geist Gottes dazu zwingt, der mag's bleiben lassen. EHRENPREIS muß die Gemeinschaft gegen zahlreiche Angriffe verteidigen. Freilich war sie zu seiner Zeit (1600) schon von vielen Wiedertäufern aufgegeben worden. Umso kräftiger nimmt sie HAUSER (1606) in einer Reihe kräftiger Antithesen in Schutz: "Die Gemeinschaft sucht den Nutzen des  Nächsten,  das Eigentum den  Eigennutz,  jene sorgt dafür, daß die Kinder nach der Schrift-Ordnung und Zucht erzogen werden, diese tut es nicht; die Gemeinschaft bringt es mit sich, daß man nach den Worten der Schrift mit den Händen arbeitet, redlich schafft und den Armen gibt; das Eigentum verursacht, daß man zeitlicher Nahrung wegen hadert und zankt, Wucher treibt und Renten nimmt, d. h. daß man nicht mit den Händen arbeitet. Die Gemeinschaft pflanzt ein einiges, gehorsames, gutwilliges und demütiges Volk, das Eigentum ein eigenwilliges, widerwärtiges und trutziges. Die Gemeinschaft hält das angenehme Jubeljahr, da niemand dem anderen etwas schuldig ist, es sei denn die Liebe, das Eigentum hält die unfreien Jahre, da ein Bruder den andern drängt, Schulden eintreibt, wuchert usw. Die Gemeinschaft handhabt gute Ordnung und Ehrbarkeit in ihren Versammlungen, das Eigentum Unehrbarkeit, daß oft ein Geschrei ist, als wäre ein Haufen trunkener, unfriedlicher Leute in einem Krug beisammen. Die Gemeinschaft besucht die Völker und hält sie zur Besserung des Lebens an, das Eigentum hat mit sich selbst zu tun. Die Gemeinsachft zeigt dem Reichen ein Nadelöhr und dem Armen gemeine Lieb', das Eigentum zeigt dem Reichen ein Stadeltor und dem Armen die Eigenlieb'." In diesem Ton geht es noch weiter.

Wer sich nun den mährischen Taufgesinnten zuwandte,  hatte sich seines gesamten Besitzes zu entäußern  und ihn den verordneten Vorständen zu übergeben. Der Gemeinde wandten sich vornehmlich arme Leute zu: Arbeiter, Handwerker, Kleinbauern, aber wir entnehmen den Tiroler Akten, daß sich auch, abgesehen von vereinzelten Adelsfamilien, recht wohlhabende Bauern der neuen Lehre zuwandten. "Ihr wißt," schreibt ein armer Handwerker, der 1606 ausgezogen war, um eine Anzahl von Wiedertäufern aus der türkischen Gefangenschaft zu retten,  "daß so viele ihre Heimat verlassen und ihr Vaterland, auch in der Gemein vor lauter Arbeit ihre Glieder verkrümmet,  alles in der Hoffnung, ihre Seele vor der Hölle retten zu können. Was kümmer Ihr Euch doch, da das Geld nicht gleich zur Hand ist, die Gefangenen zu lösen, um das schnöde Geld?" Das der Gemeinschaft zugeflossene Geld wurde von dieser selbst in  dem Falle  nicht mehr zurückerstattet, wenn ein Genosse aus der Gemeinschaft austrat. Mit diesem Vorgehen waren nicht einmal alle Taufgesinnten einverstanden. Die Schweizer Brüder verwarfen überhaupt eine Gerechtigkeit, von der die Hutterischen sagten, daß sie allein vor Gott gilt und von allen Gläubigen erfordert wird. Die Gemeinschaft, lehrt GABRIEL ASCHERHAM, die man jetzt hält, ist der in der alten Kirche nicht gleich: diese war freiwillig, zu jener müssen die Leute gezwungen werden. "Wirst du nicht selig  außerhalb  deiner Gemeinschaft,  innerhalb  ihrer wirst du's noch viel weniger. Ich meine, die einfältigen Päpstler werden dereinst  die  richten, die der Gnade und Barmherzigkeit Gottes in den Arm fallen wollen, mit Werken das Reich Gottes erzwingen und meinen, die Seligkeit bestünde auf ihrer Bußfertigkeit, Taufe und Gemeinschaft." Nicht daran werde aber die Seligkeit am Tage des Gerichtes gelegen sein, sondern an der Gnade Gottes.
LITERATUR Johann Loserth, Der Kommunismus der Hutterischen Brüder in Mähren im XVI. und XVII. Jahrhundert, Zeitschrift für Sozialpolitik und Wirtschaftsgeschichte, Bd. 3, Weimar 1895
    Anmerkungen
    1) CORNELIUS, Münsterer Aufruhr II, Seite 280
    2) LOSERTH, Balthasar Hubmaier, Seite 208