ra-4Fahrenheit 451Null-AxiomeEntenquak aus 1984Das große Netz    
 
JONATHAN SWIFT
Gullivers Reisen

"...da Wörter nur Bezeichnungen für Dinge sind, sei es zweckdienlicher, wenn alle Menschen die Dinge bei sich führten, die zur Beschreibung der besonderen Angelegenheit, über die sie sich unterhalten wollen, notwendig seien."

Fünftes Kapitel
Der Verfasser erhält die Erlaubnis, die Große Akademie von Lagado zu besichtigen. Ausführliche Beschreibung der Akademie. Die Künste, mit denen sich die Professoren beschäftigen.

Diese Akademie ist kein zusammenhängendes, einzelnes Gebäude, sondern besteht aus einer Reihe verschiedener Häuser auf beiden Seiten einer Straße die bei zunehmendem Verfall gekauft und zu diesem Zweck verwandt wurden.

Ich wurde von dem Präsidenten sehr freundlich aufgenommen und ging viele Tage lang zur Akademie. Jedes Zimmer beherbergt einen oder mehrere Projektemacher, und ich glaube, ich bin wohl in nicht weniger als fünfhundert Zimmern gewesen.

Der erste Mann, den ich aufsuchte, war von armseligem Aussehen mit rußigen Händen und Gesicht; Haare und Bart waren lang, zottig und an mehreren Stellen versengt. Seine Kleider, sein Hemd und seine Haut waren alle von der gleichen Farbe. Er hatte acht Jahre an einem Projekt gesessen, Sonnenstrahlen aus Gurken zu ziehen, die in hermetisch verschlossene Gefäße gegeben und in rauhen, unfreundlichen Sommern herausgelassen werden sollten, um die Luft zu erwärmen. Er sagte mir, er zweifle nicht daran, daß er nach weiteren acht Jahren imstande sein werde, die Gärten des Statthalters zu einem annehmbaren Preis mit Sonnenschein zu beliefern. Er klagte jedoch darüber, daß sein Betriebskapital gering sei, und bat mich, ihm etwas als Ermutigung für den Erfindungsgeist zu geben, zumal die Gurken in diesem Jahr sehr teuer gewesen seien. Ich gab ihm ein kleines Geschenk, denn Mylord hatte mich zu dem Zweck mit Geld versehen, weil er ihre Gewohnheit kannte, alle, die sie aufsuchten, anzubetteln.

Ich ging in ein anderes Zimmer, war aber drauf und dran, mich schleunigst wieder zurückzuziehen, da mich ein furchtbarer Gestank beinahe überwältigte. Mein Begleiter schob mich vorwärts, indem er mich im Flüsterton beschwor, kein Ärgernis zu erregen, was sehr übelgenommen würde, und deshalb wagte ich nicht einmal, mir die Nase zu verstopfen. Der Projektemacher in dieser Zelle war der älteste Gelehrte der Akademie; sein Gesicht und sein Bart waren von blassem Gelb, seine Hände und Kleider mit Schmutz beschmiert. Als ich ihm vorgestellt wurde, schloß er mich eng in die Arme (ein Kompliment, dessen Unterlassung ich durchaus hätte entschuldigen können). Seit seinem Eintritt in die Akademie beschäftigte er sich mit einem Verfahren, menschliche Exkremente in die ursprüngliche Nahrung zurückzuverwandeln, indem er die verschiedenen Bestandteile voneinander trennte, die Färbung, die sie von der Galle erhalten, beseitigte, den Geruch verfliegen ließ und den Speichel abschäumte. Er erhielt von der Gesellschaft ein wöchentliches Kontingent von einem Behälter, der mit menschlichem Kot gefüllt war und etwa die Größe eines Bristoler Fasses hatte.

Ich sah einen anderen damit beschäftigt, Eis zu Schießpulver auszuglühen. Er zeigte mir auch eine Abhandlung, die er über die Schmiedbarkeit des Feuers geschrieben hatte und die er zu veröffentlichen beabsichtigte.

Dort war auch ein wahrhaft genialer Architekt, der eine neue Methode für den Bau von Häusern ersonnen hatte, indem man mit dem Dach anfing und dann bis zum Fundament nach unten baute. Er rechtfertigte das mir gegenüber mit dem gleichen Brauch jener beiden klugen Insekten, der Biene und der Spinne.

Es gab dort einen blindgeborenen Menschen, der mehrere Lehrlinge hatte, die in der gleichen Lage waren. Ihre Beschäftigung bestand darin, Farben für Maler zu mischen; ihr Lehrer unterwies sie nämlich darin, sie durch Gefühl und Geruch zu unterscheiden. Freilich war es mein Mißgeschick, sie zu jener Zeit noch nicht sehr sicher in ihren Lektionen zu finden, und zufällig irrte sich meistens auch der Professor. Dieser Gelehrte wird von der ganzen Brüderschaft sehr ermutigt und geschätzt.

In einem anderen Gemach fand ich viel Vergnügen an einem Projektemacher, der einen Plan erfunden hatte, den Boden mit Schweinen zu pflügen, um die Kosten für Pflüge, Zugtiere und Arbeitskräfte zu sparen. Die Methode besteht in folgendem. In einem Morgen Land vergräbt man im Abstand von sechs Zoll und acht Zoll tief eine große Menge Eicheln, Datteln, Kastanien und anderes Mastfutter oder Futterpflanzen, die diese Tiere am liebsten haben. Dann treibt man sechshundert oder mehr von ihnen auf das Feld, wo sie auf der Suche nach ihrem Futter in einigen Tagen den ganzen Boden umwühlen und ihn so für die Saat vorbereiten, während sie ihn gleichzeitig mit ihrem Mist düngen. Es ist freilich wahr, daß man bei der Erprobung feststellte, daß Kosten und Mühe sehr groß waren und man nur einen geringen oder gar keinen Ernteertrag erzielte. Man zweifelt aber nicht daran, daß diese Erfindung noch sehr entwicklungsfähig sein könnte.

Ich ging in ein anderes Zimmer, wo die Wände und die Decke ganz mit Spinnweben behangen waren, außer einem engen Durchgang für den Gelehrten zum Hinein- und Hinausgehen. Bei meinem Eintritt rief er mir laut zu, seine Gewebe nicht zu stören. Er beklagte es, daß die Welt so lange in dem verhängnivollen Irrtum befangen gewesen sei, Seidenraupen zu benutzen, während wir doch eine solche Menge von Hausinsekten besäßen, welche die ersteren außerordentlich überträfen, da sie es verständen, sowohl zu weben als auch zu spinnen. Und er machte den weiteren Vorschlag, durch Verwendung von Spinnen die Kosten des Färbens der Seide völlig einzusparen, wovon ich voll und ganz überzeugt wurde, als er mir eine riesige Menge sehr schön gefärbter Fliegen zeigte, mit denen er seine Spinnen fütterte; und er versicherte uns, daß die Gewebe ihre Färbung annehmen würden. Da er nun Fliegen aller Farben besitze, so hoffe er, jedermanns Geschmack zu treffen, sobald er nur in gewissen Gummiharzen, Ölen und anderen klebrigen Stoffen passendes Futter für die Fliegen finden könnte, um den Fäden Stärke und Festigkeit zu verleihen.

Dort war auch ein Astronom, der es unternommen hatte, eine Sonnenuhr auf dem großen Wetterhahn des Rathauses anzubringen, indem er die jährlichen und täglichen Bewegungen der Erde und der Sonne so regulierte, daß sie allen zufälligen Drehungen durch den Wind entsprachen und mit ihnen zusammenfielen. Als ich über einen leichten Anfall von Darmkatarrh klagte, brachte mich mein Begleiter in ein Zimmer, wo ein bedeutender Arzt residierte, der dafür berühmt war, daß er diese Krankheit durch entgegengesetzte Verfahren mit demselben Instrument heilte.

Er hatte einen großen Blasebalg mit einer langen, dünnen Mündung aus Elfenbein. Diese führte er acht Zoll tief in den After ein und versicherte, er könne die Eingeweide so schlaff wie eine getrocknete Blase machen, wenn er die Luft einziehe. Wenn die Krankheit aber hartnäckiger und heftiger war, führte er das Mundstück ein, während der Blasebalg voller Luft war, die er in den Leib des Patienten blies. Dann zog er das Instrument heraus, um es wieder zu füllen, während er mit dem Daumen die Öffnung des Gesäßes fest zuhielt. Wenn das drei- oder viermal wiederholt worden war, brach die hinzugekommene Luft gewöhnlich hervor, führte die schädliche Luft mit sich fort (wie Wasser, das in eine Pumpe gegossen wird), und der Patient genas. Ich sah, wie er beide Experimente an einem Hund erprobte, konnte jedoch bei dem ersten keinerlei Wirkung feststellen. Nach dem zweiten war das Tier dem Platzen nahe und entlud sich so heftig, daß es mir und meinen Begleitern sehr ekelhaft war. Der Hund verendete auf der Stelle, und wir verließen den Doktor, während er versuchte, ihn durch das gleiche Verfahren wieder zum Leben zu erwecken.

Ich besuchte noch viele andere Gemächer, werde meine Leser aber nicht mit all den Merkwürdigkeiten belästigen, die ich beobachtet habe, da ich mich um Kürze bemühe.

Bisher hatte ich nur eine Seite der Akademie gesehen; die andere ist für die Förderer der spekulativen Wissenschaften bestimmt, von denen ich etwas sagen werde, wenn ich noch eine weitere ausgezeichnete Persönlichkeit erwähnt habe, die bei ihnen »der Universalgelehrte" genannt wird. Er sagte uns, er beschäftige sich seit dreißig Jahren damit, über die Verbesserung des menschlichen Lebens nachzudenken. Er hatte zwei große Zimmer, die voll von seltsamen Raritäten waren, und fünfzig Menschen, die dort arbeiteten. Einige verdichteten die Luft zu einer trockenen, greifbaren Substanz, indem sie den Stickstoff ausschieden und die wässerigen oder flüssigen Bestandteile filtrierten; andere erweichten Marmor zu Kopfkissen und Nadelkissen; andere versteinerten die Hufe eines lebenden Pferdes, um sie vor der Hufentzündung zu bewahren.

Der Gelehrte selbst war zu jener Zeit mit zwei großartigen Projekten beschäftigt. Das erste bestand darin, Ackerland mit Spreu zu bestellen, in der, so versicherte er, die wahre Keimkraft enthalten sei, wie er durch verschiedene Experimente bewies, die zu verstehen ich jedoch nicht genügend Fachkenntnisse besaß. Das andere Projekt war ein Plan, durch äußerliche Anwendung einer gewissen Mischung aus Gummiharzen, Mineralien und Pflanzen bei zwei jungen Lämmern das Wachsen der Wolle zu verhindern; und er hoffte, in angemessener Zeit die Zucht nackter Schafe im ganzen Königreich zu verbreiten.

Wir gingen über einen Weg zum anderen Teil der Akademie hinüber, wo, wie ich bereits sagte, die Projektemacher auf dem Gebiet der spekulativen Wissenschaften ansässig waren. Der erste Professor, den ich sah, befand sich in einem sehr großen Zimmer und war von vierzig Schülern umgeben. Nach der Begrüßung bemerkte er, daß ich angelegentlich einen Rahmen betrachtete, der den größten Teil der Länge und Breite des Zimmers einnahm, und sagte, ich wundere mich vielleicht, ihn mit einem Projekt zur Förderung der spekulativen Erkenntnis durch praktische und technische Verfahren beschäftigt zu sehen. Die Welt werde sich aber bald ihrer Nützlichkeit bewußt werden, und er schmeichle sich, daß nie ein edlerer, erhabenerer Gedanke dem Kopfe irgendeines anderen Menschen entsprungen sei. Jedermann wisse, wie mühevoll die gewöhnliche Methode sei, Kenntnisse auf dem Gebiet der Geistes- und Naturwissenschaften zu erwerben; dagegen könne durch seine Erfindung auch die unwissendste Person mit mäßigem Kostenaufwand und ein bißchen körperlicher Arbeit auch ohne die geringste Hilfe von Begabung oder Studium Bücher über Philosophie, Poesie, Politik, Recht, Mathematik und Theologie schreiben.

Dann führte er mich zu dem Rahmen, um dessen Seiten alle seine Schüler in Reihen standen. Er war zwanzig Fuß im Quadrat und stand in der Mitte des Zimmers. Die Oberfläche setzte sich aus verschiedenen Holzstücken von etwa der Größe eines Würfels zusammen, aber einige waren größer als andere. Sie waren alle durch dünne Drähte miteinander verbunden. Diese Holzstücke waren an jeder Seite mit Papier beklebt, und auf diese Papiere waren alle Wörter ihrer Sprache in ihren verschiedenen Modi, Tempora und Deklinationen geschrieben, aber ohne jede Ordnung. Der Professor bat mich dann achtzugeben, denn er wolle seinen Apparat in Betrieb setzen. Die Schüler ergriffen auf seinen Befehl alle je eine eiserne Kurbel, von denen vierzig rundherum an den Kanten des Rahmens befestigt waren, und dadurch, daß sie sie plötzlich drehten, wurde die ganze Anordnung der Wörter völlig verändert. Dann befahl er sechsunddreißig von den Burschen, leise die verschiedenen Zeilen zu lesen, wie sie auf dem Rahmen erschienen. Und wo sie drei oder vier Wörter beisammen fanden, die einen Teil eines Satzes bilden konnten, diktierten sie diese den vier übrigen Knaben, die Schreiber waren. Diese Arbeit wurde drei- oder viermal wiederholt, und der Apparat war so eingerichtet, daß sich die Wörter bei jeder Drehung an neue Stellen schoben, wenn sich die viereckigen Holzstücke herumdrehten.

Sechs Stunden am Tag waren die jungen Studenten mit dieser Arbeit beschäftigt, und der Professor zeigte mir mehrere Bände in großem Folioformat mit unvollständigen Sätzen, die sie bereits gesammelt hatten. Er hatte die Absicht, sie zusammenzusetzen und der Welt aus diesem reichen Material ein vollständiges System aller Geistes- und Naturwissenschaften zu liefern, das sich jedoch noch verbessern und viel schneller aufstellen ließe, wenn die Öffentlichkeit einen Fonds zur Herstellung und Inbetriebnahme von fünfhundert solcher Rahmen in Lagado aufbringen und die Leiter verpflichten würde, ihre verschiedenen Sammlungen zu einer gemeinschaftlichen beizusteuern.

Er versicherte mir, diese Erfindung habe all seine Gedanken seit seiner Jugend in Anspruch genommen; er habe den gesamten Wortschatz für seinen Rahmen ausgeschöpft und eine sehr genaue Berechnung des gewöhnlichen Verhältnisses vorgenommen, das in Büchern zwischen der Anzahl der Partikel, Substantive, Verben und anderen Wortklassen bestehe.

Ich bezeigte dieser ausgezeichneten Persönlichkeit meinen untertänigsten Dank für ihre große Mitteilsamkeit und versprach, falls ich je das Glück hatte, in mein Vaterland zurückzukehren, ihm Gerechtigkeit als dem einzigen Erfinder dieses wunderbaren Apparats widerfahren zu lassen; ich bat um Erlaubnis, dessen Form und Einrichtung auf Papier zu skizzieren, wie in der Abbildung, die hier beigefügt ist.
Wörtermaschine der Akademie von Lagado
Ich sagte ihm, obgleich es die Gewohnheit unserer Gelehrten in Europa sei, Erfindungen voneinander zu stehlen, wobei sie wenigstens den Vorteil hatten, daß ein Streit daraus entstehe, wer der rechtmäßige Besitzer sei, so wollle ich doch solche Vorsichtsmaßregeln ergreifen, daß er ohne einen Nebenbuhler die Ehre ungeteilt haben sollte.

Darauf gingen wir in die Fakultät für Sprachen, wo drei Professoren darüber berieten, die Sprache ihres eigenen Landes zu verbessern.

Das erste Projekt bestand darin, die Rede dadurch abzukürzen, daß man vielsilbige Wörter zu einsilbigen beschneidet und Verben und Partizipien ausläßt, da alle vorstellbaren Dinge in Wirklichkeit ja doch nur Hauptwörter seien.

Das zweite Projekt war ein Plan zur völligen Abschaffung aller Wörter überhaupt, und man machte geltend, daß das außerordentlich gesundheitsfördernd und zeitsparend wäre. Denn es ist klar, daß jedes Wort, das wir sprechen, in gewissem Maße eine Verkleinerung unserer Lungen durch Abnutzung bedeutet und folglich zur Verkürzung unseres Lebens beiträgt. Es wurde deshalb folgender Ausweg vorgeschlagen: da Wörter nur Bezeichnungen für Dinge sind, sei es zweckdienlicher, wenn alle Menschen die Dinge bei sich führten, die zur Beschreibung der besonderen Angelegenheit, über die sie sich unterhalten wollen, notwendig seien. Und zur großen Bequemlichkeit und zur Erhaltung der Gesundheit der Untertanen hätte diese Erfindung sicherlich Eingang gefunden, wenn nicht die Weiber im Verein mit dem Pöbel und den Analphabeten gedroht hatten, einen Aufstand anzuzetteln, falls man ihnen nicht erlaubte, nach Art ihrer Vorfahren mit ihren Zungen zu reden.

Solch ein beharrlicher, unversöhnlicher Feind der Wissenschaft ist das gemeine Volk! Viele der Gelehrtesten und Weisesten sind jedoch Anhänger des neuen Projekts, sich mittels Dingen zu äußern; das bringt nur die eine Unbequemlichkeit mit sich, daß jemand, dessen Angelegenheiten sehr umfangreich und von verschiedener Art sind, ein entsprechend größeres Bündel von Dingen auf dem Rücken tragen muß, falls er es sich nicht leisten kann, daß ein oder zwei starke Diener ihn begleiten. Ich habe oft gesehen, wie zwei dieser Weisen unter der Last ihrer Bündel fast zusammenbrachen, wie bei uns die Hausierer. Wenn sie sich auf der Straße begegneten, legten sie ihre Lasten nieder, öffneten ihre Säcke und unterhielten sich eine Stunde lang; dann packten sie ihre Utensilien wieder ein, halfen einander, ihre Bürden wieder auf den Rücken zu nehmen, und verabschiedeten sich.

Für kurze Gespräche aber kann man das Zubehör, um sich hinlänglich auszustatten, in den Taschen und unter den Armen tragen, und zu Hause kann man nicht in Verlegenheit kommen. Deshalb ist auch das Zimmer, wo Leute zusammenkommen, die diese Kunst ausüben, voll von allen griffbereit daliegenden Dingen, die erforderlich sind, um Material für diese Art künstliche Unterhaltung zu liefern.

Ein weiterer großer Vorteil, den diese Erfindung haben sollte, war der, daß sie als Universalsprache dienen würde, die man bei allen zivilisierten Nationen verstehen könnte, deren Waren und Gerätschaften im allgemeinen von gleicher Art oder so sehr ähnlich sind, daß man ihren Gebrauch leicht begreifen könnte. Und dementsprechend wären Gesandte dazu befähigt, mit fremden Fürsten oder Staatsministern zu verhandeln, deren Sprache ihnen vollkommen unbekannt ist.

Ich war auch in der mathematischen Fakultät, wo der Magister seine Schüler nach einer Methode unterrichtete, die uns in Europa kaum vorstellbar erscheint. Lehrsatz und Beweis wurden mit Tinte, die aus einer Gehirntinktur bestand, deutlich auf eine dünne Oblate geschrieben. Der Student mußte diese auf nüchternen Magen hinunterschlucken, und die drei folgenden Tage durfte er nur Brot und Wasser zu sich nehmen. Während die Oblate verdaut wurde, stieg ihm die Tinktur ins Gehirn und nahm den Lehrsatz mit sich. Bisher sind aber noch keine angemessenen Erfolge zu verzeichnen, und zwar zum Teil wegen irgendeines Fehlers im Quantum oder in der Zusammensetzung und zum Teil wegen des Eigensinns der jungen Burschen, denen diese Pille so ekelhaft ist, daß sie sich gewöhnlich wegstehlen und sie auf dem gleichen Wege wieder herausbringen, bevor sie wirken kann; sie haben sich auch noch nicht dazu überreden lassen, so lange Enthaltsamkeit zu üben, wie es das Rezept verlangt.

LITERATUR - Jonathan Swift, Gullivers Reisen, Berlin/Weimar 1981