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(1870-1939) [mit NS-Vergangenheit] Der Gegenstand [2/2]
IV. Wenn sich mit dem im Vorstehenden Besprochenen SOHMs Argumente erschöpfen würden, so könnte ich meine Aufgabe als erfüllt betrachten. Aber dies ist nicht der Fall. Vielmehr macht die SOHMsche Verbindung des "Gegenstandes" mit der Verfügung es erforderlich, auch die letztere in den Kreis unserer Betrachtung zu ziehen und seinen Gedankengang weiter zu verfolgen. Verfügung ist nach SOHM "ein die Rechtslage eines Gegenstandes unmittelbar änderndes Rechtsgeschäft" (42). Wollen wir statt Gegenstand Vermögensrecht sagen, so können wir damit einverstanden sein; denn daß nicht über jedes "Recht" verfügt werden kann, ist SOHM wohl zuzugeben, wenn alsdann auch für uns die Notwendigkeit entsteht, für die den Verfügungen über Vermögensrechte im wesentlichen gleichartigen Qasi-Verfügungen einen neuen Terminus und für beide einen gemeinsamen Oberbegriff zu finden. Aber so, wie SOHMs Definition lautet, läßt sie auf einen circulus vitiosus [Teufelskreis - wp] hinaus: Gegenstand ist das, worüber verfügt werden kann, und Verfügungen sind nur über Gegenstände möglich. Eine solche Operation ist unzulässig. Aber sehen wir von diesem Fehler ab, so erscheinen uns SOHMs Ausführungen über die Verfügung fast durchweg als beifallswürdig, vor allem auch seine Replik gegen WILUTZKI in seinem zweiten, hier genannten Aufsatz. Verfügungen sind zunächst nur als Rechtsgeschäfte unter Lebenden denkbar (43). Den Beweis liefert zwar nicht der von SOHM dafür angeführte § 1395, da mit dem Zeitpunkt, wo die Verfügung der Ehefrau von Todeswegen wirksam wird, das Recht des Mannes auf eingebrachten Gut erloschen ist, wohl aber die von den negotia mortis causa [Rechtsgeschäfte von Todes wegen - wp] durchaus verschiedene Natur der Verfügungen unter Lebenden. Das eine Wort Verfügung dient, wie es häufig vorkommt, und vielleicht auch in Bezug auf den "Gegenstand" der Fall ist, zur Bezeichnung verschiedener Begriffe. Verfügungen sind ferner den Gegner einseitig bereichernde Zuwendungen (44) - auch hierin steckt ein richtiger Kern, wenn auch die Formulierung des Satzes zu weit ist, da beispielsweise de Begründung einer abstrakten Obligation zugunsten eines anderen eine diesen einseitig bereichernde Zuwendung und trotzdem keine Verfügung ist (45). Nicht alle Zuwendungen sind also Verfügungen und jedenfalls bezeichnet der Ausdruck Verfügung im Gegensatz zur Zuwendung den Effekt für den Verfügenden, nicht für den Empfänger. Verfügungen sind endlich notwendigerweise abstrakte Geschäfte, und daher bilden sie das Hauptanwendungsgebiet der Rechtssätze von der causa. (46) Neben diesen echten Verfügungsgeschäften kennt SOHM noch "Tatbestände mit Verfügungswirkung", nämlich "verfügende Gestaltungsgeschäfte" und "Zwangsverfügungen" (47). Die ersteren sind nach ihm keine wahren Verfügungen, weil sie zu Lasten, nicht zum Vorteil des Geschäftsgegners erfolgen, wie Kündigung, Aufrechnung, Wandlung, Rücktritt und unterliegen daher den Vorschriften über die Verfügungen grundsätzlich nicht, vor allem nicht dem § 185; die letzteren sind überhaupt keine Rechtsgeschäfte, weshalb von ihnen dasselbe gilt. Aber beide haben insofern eine Verfügungswirkung, als sie eine Änderung der Rechtslage eines Vermögensbestandteils bewirken. Man wird sich damit einverstanden erklären können. Weniger beifallswürdig erscheinen mir dagegen SOHMs Ausführungen über die Objekte dieser Verfügungen (48), über deren eigentliches Wesen wir infolge des oben erwähnten circulus vitiosus im Unklaren geblieben wären, wenn ich nicht eine Erörterung über die Vermögensrechte aus dem zweiten Aufsatz vorangestellt haben würde. Diese Verfügungsobjekte bezeichnet SOHM als "körperliche und unkörperliche Gegenstände". Damit kommt SOHM nach den Präliminarien zu seinem eigentlichen Gegenstand. A. Zunächst die res corporalis [körperliche Sache - wp]. Nach der herrschenden Lehre wird durch § 90 BGB als für den Rechtsbegriff der Sache wesentlich nur die Körperlichkeit bezeichnet. SOHM argumentiert anders. Nicht körperliche Dinge, sondern körperliche Gegenstände sind "Sachen", d. h. keine Sache ist, was trotz der Körperlichkeit nicht den Gegenstand einer selbständigen Verfügung bilden kann. Daraus würde es sich dann erklären, warum das BGB von res extra commercium [Dinge außerhalb des Handels - wp] vollkommen schweigt. Es gibt eben im Sinne des Gesetzbuchs keine verkehrsunfähigen Sachen. Sonne, Mond und Sterne sind ebensowenig "Sachen" als der menschliche Körper, das Getreidekorn, eine einzelne Biene, obwohl sie alle "Körper" sind; umgekehrt ist der Getreidehaufen, der Bienenschwarm eine Sache und nicht eine Sachmehrheit, trotzdem sie aus einer Menge einzelner Körper bestehen, und wiederum ein Couponbogen trotz der körperlichen Einheit eine Sachmehrheit. Das scheint mir sehr bedenklich zu sein. Kann ich über den Couponbogen nicht ebenso verfügen, wie über den einzelnen Coupon, den ich durch Abtrennen zu einer selbständigen Sache mache? Und wäre eine selbständige Verfügung über eine Biene, etwa die Königin eines Bienenschwarms, unwirksam? Auch darüber ließe sich doch wohl reden. Ich gestehe, der Satz: Soviel Verfügungsgegenstände im Verkehr, soviel Sachen im Rechtssinne (49), scheint mir das wahre Verhältnis auf den Kopf zu stellen. Grundsätzlich sind soviele Verfügungsgeschäfte möglich - und notwendig, als Sachen vorhanden sind, Sachen in einem natürlichen Sinn, weil sich ihrer Natur nach die Verfügungstatbestände nur in Bezug auf die einzelnen Sachindividuen verwirklichen lassen. Wenn dies bei den "Mengensachen" ausnahmsweise anders ist, so folgt daraus nicht, daß sie Sacheinheiten und nicht Sachvielheiten sind. Geradeso liegt die Sache bei den Gründstücken. Nicht was ein Grundbuchblatt hat, ist - beim System der Realfolien [ein eigenes Grundbuchblatt für jedes Grundstück - wp] - ein Grundstück (50), sondern: jedes Grundstück muß ein Folium haben, und daher hat die ohne Einwilligung des Eigentümers vorgenommene Vereinigung mehrerer Grundstücke auf einem Folium nicht die Wirkung, daß sie zu einem Grundstück werden (BGB § 890) (51). Im Übrigen scheint mir auch hier der Fehler der Argumentation schon im Ausgangspunkt zu liegen. SOHM meint: da das Gesetzbuch die Sachen als körperliche Gegenstände definiert, müssen Sachen eben Gegenstände (in seinem a prior aufgestellten Begriff) und keine Körper sein. Aber es läßt sich der positive Nachweis führen, daß diese Definition nur deshalb gewählt worden ist, um einen Pleonasmus [Doppelmoppel - wp] zu vermeiden. Man nannte die Sachen körperliche Gegenstände, weil man nicht körperliche Sachen nennen mochte, wie die ganze Erörterung der Motive (III, Seite 32) über den Begriff der Sachen als "körperlicher Dinge" (sic!) beweist.
Ebenso ist es richtig, daß ein Faß Wein, ein Glas Bier und dgl. nicht eine, sondern zwei Sachen im Rechtssinn bedeutet, und zwar Sachen von verschiedener natürlicher und rechtlicher Beschaffenheit. Den Wein kann ich vermischen und dadurch Miteigentum zur Entstehung bringen; am Faß dürfte mir das schwer werden (52). Aber nicht deshalb sind es verschiedene Sachen, weil getrennte Verfügungen denkbar sind und deshalb selbständige Gegenstände vorliegen, sondern weil verschiedene Sachen vorhanden sind, sind es verschiedene Gegenstände und Verfügungsobjekte. Und weil Sachinbegriffe, wie ich früher gezeigt habe, keine Individual-, sondern Kollektiveinheiten sind, weil sie nicht Sachen, sondern Sachmehrheiten sind, sind Verfügungen über sie im Ganzen grundsätzlich ausgeschlossen. Denn man verfügt genau besehen über Rechte, und an Sachinbegriffen gibt es nur Rechtsmehrheiten, aber kein einheitliches Recht; kein Eigentum an der Erbschaft, am Vermögen. Gewiß sind auch Sachbestandteile keine Sachen im Rechtssinn. Aber nicht weil sie "keine selbständigen Verfügungsgegenstände sind" (53), sondern weil ihnen die körperliche Selbständigkeit fehlt, und deshalb kann auch über sie nicht selbständig verfügt werden. Das gilt zunächst von den wesentlichen Bestandteilen. Sie sind keine selbständigen Objekte von Rechten und Verfügungen. Unwesentliche Bestandteile dagegen können jedenfalls (per arg. e contr. § 93 BGB) selbständige Rechtsobjekte sein; ob trotzdem eine Verfügung über solche schlechthin unmöglich ist, ist mir offen gestanden zweifelhaft (54). B. Unkörperlich sind nach SOHM (55) alle Verfügungsgegenstände, die keine Sachen sind. Dazu gehören Rechte, die durch ein Verfügungsgeschäft begründet werden, auch wenn sie, einmal entstanden, der selbständigen Übertragbarkeit entbehren und Rechte, die zwar zu ihrer Entstehung keiner Verfügung bedürfen, die aber durch Verfügung übertragen werden können. Dies dürfte der Angelpunkt der Erörterung in SOHMs erster Abhandlung sein; denn wenn irgendwo, so scheint sich hier der Zusammenhang des "Gegenstandes" mit der Verfügung zu zeigen. Aber doch hat mich auch diese Erörterung nicht überzeugt; denn es fehlt hier wie anderwärts der Nachweis eines inneren Zusammenhangs zwischen den beiden Begriffen und wenn dieser auch am Ende der ersten und in der zweiten Abhandlung durch die Gleichsetzung von Gegenstand, Vermögensrecht und verfügbarem Recht hergestellt werden soll, so scheitert dieses Unternehmen doch, wie wir bereits gesehen haben, an den Vorschriften des positiven Rechts. Vor allem ist das Verfügungsgeschäft, durch das die fortan nicht mehr veräußerlichten Rechte begründet werden, keine Verfügung über diese Rechte selbst, und wenn auch die Änderung und Aufhebung dieser Rechte durch echte Verfügungsgeschäfte erfolgt, so fehlt doch, wie bereits erwähnt, auch von diesem Moment aus die Brücke zu SOHMs Gegenstandsbegriff. Liegt nicht vielleicht doch die Sache viel einfacher, als SOHM glaubt? Nennen wir gewisse Rechte Vermögensrechte vielleicht nicht deshalb, weil wir zur Verfügung über sie mehr oder weniger vermögend sind, als weil wir durch ihren Inhalt etwas in der Gesellschaft "vermögen", weil sie uns den Genuß von Gütern, Verwertungs- und Tauschmöglichkeiten und damit Macht verleihen (56), und ist nicht etwa die größere oder geringere Verfügungsmöglichkeit nicht sowohl die Grundlage ihrer Vermögensqualität, als vielmehr die Folge davon, daß solche Genußmöglichkeiten grundsätzlich fungibel, unpersönlich sind? Erklärt es sich aus diesem Gesichtspunkt nicht vollkommen, daß es Vermögensrechte gibt, die der Verfügung des Berechtigten mehr oder weniger entzogen sind? Übrigens verstehe ich auch von SOHMs Standpunkt aus nicht, warum er sich so große dialektische Schwierigkeiten macht. Ich glaube, daß, wenn man das SOHMsche Kriterium der Verfügbarkeit zur Grundlage des Vermögensbegriffs machen will, man eben genötigt ist, eine Kategorie relativer Vermögensrechte einzuführen, und ich sehe in dieser Beziehung keine Schwierigkeit (57). Ebenso ist in Bezug auf die Rechte, die zwar nicht durch Verfügung entstehen, aber doch übertragen werden können, zu bemerken, daß sie ihre Vermögensqualität oder, um mit SOHM zu reden, ihre Gegenständlichkeit nicht diesem letzteren Umstand verdanken. Die Begründung einer Forderung ist keine Verfügung, weil die erst zu begründende Forderung nicht in einem Vermögen enthalten ist; die Verfügung setzt ein vorhandenes Objekt voraus. Aber das einmal entstandene Forderungsrecht um einen fungiblen Vermögensbestandteil handelt, die Übertragbarkeit. Nicht also, weil sie übertragen werden können, sind solche Rechte Vermögensrechte, sondern weil sie Vermögensrechte sind, sind sie grundsätzlich übertragbar. Nur das ist richtig, daß diese Übertragbarkeit selbst, wenn sie vorhanden ist, wieder eine besondere Genußmöglichkeit bietet - wie denn die Veräußerung eines Rechts auch Rechtsausübung ist - und daß insofern ein Recht dadurch, daß seine Übertragbarkeit anerkannt wird, den Charakter eines geldwerten Rechts erhält. Zum Beispiel kann ich auf die Urheberrechte verweisen. Daß sie im wesentlichen Vermögensrechte sind, habe ich früher zu zeigen versucht (58). Aber sie waren es nicht immer. Solange der Urheber nur durch die actio iniuriarum [Bußklage des römischen Rechts - wp] geschützt war, lag ein reines Persönlichkeitsrecht vor; ein Recht ohne wirtschaftlichen Wert. Die ganze folgende Entwicklung ist von der Tendenz geleitet, nicht die persönliche, sondern die finanzielle Seite der geistigen Produktion zu schützen; und in der Tat wird das Urheberrecht ein Vermögensrecht dadurch, daß der Autor des veröffentlichten Geistesprodukts ein Verbietungsrecht gegenüber dem Nachdrucker, in der Sprache der älteren gemeinrechtlichen Jurisprudenz die actio negatoria zum Schutz seiner res incorporalis [unkörperlichen Sache - wp] erlangt hat. Dieses Vermögensrecht fand dann seinen hervorragendsten Ausdruck in der Anerkennung seiner Übertragbarkeit und Vererbbarkeit. Ebeso ist, wie SOHM mit Recht bemerkt, die Aktie und auch die Mitgliedschaft in der Erbengemeinschaft ein Vermögensrecht (59). Nicht weil sie übertragbar sind; sondern umgekehrt: weil diese Mitgliedschaftsrechte eine ausschließlich finanzielle Bedeutung haben, weil der Erwerb einer Aktie ebensowenig wie die Zufälligkeit der Berufung mehrerer Personen zur Erbschaft eines Verstorbenen die Bedeutung haben kann, ein persönliches Band um die mehreren Berechtigten zu schlingen, sind es Vermögensrechte und infolgedessen sind sie übertragbar; sie wären aber Vermögensrechte oder Gegenstände, auch wenn sie aus irgendwelchen Gründen vom Gesetzgeber nicht als übertragbar behandelt worden wären. So bildet die Veräußerlichkeit allerdings ein Indiz für die Vermögensqualität eines Rechts, nicht aber das ausschlaggebende Kriterium. Gegenstände sind Vermögensbestandteile, einerlei ob sie Gegenstände von Verfügungen sein können oder nicht. Es gibt auch "höchstpersönliche Gegenstände". Ist Vermögen die Summe der geldwerten Rechte einer Person, so ist ohne Weiteres klar, daß der Besitz kein Gegenstand, kein Vermögensbestandteil ist (60), sofern man unter Besitz das tatsächliche Verhältnis des Besitzers zur Sache und nicht die regelmäßig an dieses Verhältnis geknüpfte Rechtsposition versteht. SOHM kommt zu dem gleichen Ergebnis, von dem Satz ausgehend, daß der Besitz kein Gegenstand rechtsgeschäftlicher Verfügung sein kann. So sehr ich mich darüber freue, daß ich in meinen Ausführungen über die Unmöglichkeit eines derivativen Besitzerwerbs SOHMs Zustimmung gefunden habe, so glaube ich doch, daß der Besitz nicht deshalb kein Vermögensbestandteil ist, weil er keinen Gegenstand von Verfügungen bilden kann, sondern weil er kein Recht ist, weil der Schutz, den die Rechtsordnung dem Besitzer gewährt, von durchaus anderer Art ist, als der Schutz subjektiver Privatrechte (61). Aber freilich ist er nicht etwa deshalb unübertragbar, weil er kein Recht, kein Vermögensbestandteil ist, sondern weil es für die Frage, ob der Erwerber Besitzer geworden ist oder nicht, ausschließlich darauf ankommt, ob er das erforderliche tatsächliche Verhältnis zur Sache hergestellt hat oder nicht, gleichgültig, wie es geschehen ist (62). Ebensowenig wie der Besitz gehören die Schulden zum Vermögen (63); sie sind Lasten, nicht Bestandteile des Vermögens, Subtrahenden, nicht Summanden, wie ich in meiner "Rechtsstellung des Erben" ausführlicher erörtert habe (64). Auch hierin habe ich erfreulicherweise grundsätzlich SOHMs Zustimmung gefunden. Infolgedessen kann das Subjekt des Vermögens nicht über seine Schulden "verfügen"; und es war ein ganz und gar perverser Gedanke, die Schuldübernahme als Verfügung des Schuldners über einen - negativen - Vermögensbestandteil konstruieren zu wollen, wie das DELBRÜCK seligen Angedenkens getan hat (65). In der Tat sollte man glauben, die Widersinnigkeit eines Vermögensbegriffs, die die Schulden mitumfaßt, müßte sofort einleuchten, sobald einmal das erlösende Wort gesprochen, das Vermögen als der Inbegriff nur der Rechte definiert worden war. Aber leider ist das nicht der Fall; kommt das juristische Publikum auch ganz neu geborenen Begriffen mit einer gewissen, oft sogar weitgehenden Empfänglichkeit entgegen, so trennt es sich ungern von eingewurzelten Vorstellungen und so mußte ich es mir gefallen lassen, meine Ausführungen über den Vermögensbegriff mit der freilich recht billigen Wendung abgetan zu sehen: "Daß zum Vermögen auch die Schulden gehören, sollte für das Erbrecht am wenigsten geleugnet werden." (66) Also auch sonst nicht! Aber was heißt denn das: "Zum Vermögen gehören die Schulden" und inwiefern ist ein Streit darüber überhaupt möglich? (67) Daß die Schulden kein Gegenstand der "Zwangsvollstreckung in das Vermögen", kein Bestandteil des die Konkursmasse bildenden Vermögens sind, braucht wohl nicht einmal gegenüber meinen Gegnern ausdrücklich gesagt zu werden; daß auch der Nachlaß oder die Erbschaft häufig im Gegensatz zu den Nachlaßverbindlichkeiten steht, wird sogar von STROHAL anerkannt; (68) daß die Schulden der Frau nicht zum eingebrachten Gut "gehören", wird sich kaum bestreiten lassen. Also um welchen Vermögensbegriff handelt es sich, im Sinne welches Gesetzes, wenn man die Schulden zum Vermögen rechnet? Sehen wir von der Erbschaft - nur einstweilen - ab, so bleibt nur der systematische Vermögensbegriff, den ich oben schon erwähnt habe. Dieser aber ist ein reiner Ordnungsbegriff, ein Klassifikationsmittel, keine juristische Realität. Ein Streit darüber, ob dieser Vermögensbegriff die Schulden mitumfaßt oder nicht, ist daher unmöglich. Vielmehr ist es ganz in unser Belieben gestellt, Aktiva und Passive, Rechte und Verbindlichkeiten, unter einen Begriff zu stellen oder nicht, und wenn wir dies tun und "Vermögen" im Sinne von "vermögensrechtliche Stellung" gebrauchen, so läßt sich dagegen allerdings nicht einwenden, daß dies falsch ist. Man kann vielmehr nur, wie ich es seinerzeit getan habe, behaupten, daß es sprachwidrig ist und daß dieser Begriff wertlos ist, weil es keine Rechtssätze gibt, die sich auf diesen Vermögensbegriff beziehen (69). Aber werden nicht gerade die Schulden im "Vermögensrecht" behandelt? Ich glaube: nicht die Schulden, sondern die Forderungen. Aber nicht nur wertlos ist dieser Begriff, sondern auch gefährlich, weil er zu unrichtigen Vorstellungen Veranlassung gibt, und deshalb wäre es allerdings mit Freuden zu begrüßen, wenn er möglichst bald von der Bildfläche verschwinden würde, und ich könnte dann zumindest in einer Beziehung mein Streben, das Unbegreiflich aus unserer juristischen Begriffswelt zu entfernen, das bisher so wenig Verständnis gefunden hat, von Erfolg begleitet sehen. Nun zurück zur Erbschaft! Giltt für sie etwas anderes? SOHM, dessen Zustimmung zu meinen Ausführungen im Allgemeinen ich erfreulicherweies und dankbar konstatieren darf, behauptet das und würde damit mein ganzes Gebäude zerstören, wenn ich ihm hierin zustimmen müßte. Denn der Begriff der Erbschaft bildete den Schlußstein meines Gebäudes; wird er entfernt, so muß es wohl oder übel zusammenstürzen. Aber wie ist es denn denkbar, daß für die Erbschaft etwas anderes gilt? Daß, wenn es widersinnig ist, die Schulden, diese begrifflichen Antipoden der Rechte, zum Vermögen zu rechnen, sie zum Vermögen des Erblassers gerechnet werden können? Diesen Widerspruch zu überbrücken finde ich keinen Weg; und ich sehe auch keine Veranlassung, der Erbschaft eine besondere Stellung einzuräumen. Aber immerhin muß ich gestehen, daß mir der Widerspruch, den mein Erbschaftsbegriff bei STROHAL, SOHM und anderen gefunden hat, psychologisch nicht ganz unverständlich ist, und deshalb will ich bei dieser Frage noch etwas verweilen. Zunächst muß ich zugeben, daß das Erbrecht die einzige Materie ist, in der der Vermögensbegriff der herrschenden Lehre einen Schein von Berechtigung hat, weil sich hier nämlich ein Rechtssatz findet, der sich in gleicher Weise auf Rechte und Verbindlichkeiten bezieht, der Satz nämlich, daß beim Erbfall Rechte und Verbindlichkeiten auf den Erben übergehen. Will man für dieses Objekt der Vererbung die gemeinschaftliche Bezeichnung "Vermögen" wählen, so ist dies zwar ebenso wie in den anderen Fällen sprach- und sinnwidrig; aber die Schaffung eines gemeinsamen Oberbegriffs für die Rechte und Schulden ist hier zumindest nicht ebenso zwecklos, wie in den anderen Fällen. Sind wir aber so weit gelangt, so ergibt sich das Übrige von selbst: Daß dieser Oberbegriff als "Vermögen des Erblassers", als "Erbschaft" oder "Nachlaß" bezeichnet wird, ist uns durch Vermittlung des gemeinen Rechts aus dem römischen Recht überkommen, das unter dem Ausdruck "hereditas" sehr verschiedene Begriffe vereinigt hat, nur mit der Besonderheit im Vergleich mit unserer Jurisprudenz, daß es dabei sprachlich vollkommen korrekt verfahren ist. Die hereditas der lateinischen Sprache bedeutet nämlich einerseits das heredem esse, die rechtliche Stellung, die der Erbe infolge des Erbschaftserwerbs erlangt, wozu außer dem aktiven Vermögen auch andere Rechtspositionen, wie z. B. die conditio usucapiendi, die hereditas petitio, und vor allem die - keineswegs bloß vererbten - Erbschaftsschulden gehören (70). In diesem Sinne sprechen die Quellen von der successio in universum ius defuncti und sagen: hereditas personam defuncti sustinet (71). Andererseits aber bezeichnet hereditas auch das Vermögen des Erblassers in dem von mir behaupteten Sinne, den Inbegriff der vom Erblasser auf den Erben vererbten Rechte (72); es ist die hereditas im objektiven Sinn, die Erbschaft, der Nachlaß, wie ja auch proprietas bald objektiv, bald subjektiv gebraucht wird. Daß sich beide in Bezug auf das Objekt decken, davon kann keine Rede sein; denn das heredem esse kann begrifflich gar kein Objekt haben. Diese lateinische "hereditas" hat man nun mit Erbschaft oder Nachlaß verdeutscht, ohne der beiden grundverschiedenen Bedeutungen des verdeutschten Wortes gewahr zu werden, und obwohl wir unter Erbschaft oder Nachlaß gewiß nichts anderes verstehen können, als die hereditas im objektiven Sinne, die Erbschaft als Vermögen des Erblassers, wenn wir der Sprache nicht Gewalt antun wollen. So erklärt es sich aber auch, warum die gemeinrechtliche Jurisprudenz das Erbrecht immer bloß unter dem Gesichtspunkt der Nachfolge in das Vermögen des Verstorbenen aufgefaßt hat, wodurch ihr natürlich unmöglich werden mußte, den zahlreichen rechtlichen Beziehungen, die für den Erben entstehen und nicht auf ihn vererbt werden, wie der hereditas petitio, der Vermächtnisobligation, der Erbengemeinschaft, den richtigen Platz in der hereditas anzuweisen. Daß man aber von diesem erbrechtlichen Vermögensbegriff generalisierend zu einem Recht und Schulden umfassenden allgemeinen Vermögensbegriff gelangt ist, wird jetzt nicht mehr verwunderlich sein; hat man doch sogar die hereditas petitio als vindicatio universalis und das senatus consultum Juventianum ganz arglos auf das Vermögen im Allgemeinen angewandt! War aber dieses Verfahren schon im gemeinen Recht verfehlt, so ist es noch mehr unter der Herrschaft des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu tadeln, das uns die Möglichkeit gegeben hat, uns von begrifflich bedenklichen terminologischen Reminiszenzen zu befreien. Es besteht in der Tat kein Anlaß, unter dem Vermögen im erbrechtlichen Sinn etwas anderes zu verstehen als sonst, d. h. die Summe der geldwerten Rechte einer Person. (73) Wenn dies verkannt wird, so liegt dies häufig am Mangel methodischen Bewußtseins. Und deshalb möge noch eine allgemeine Bemerkung von methodologischem Charakter gestattet sein. Wenn wir juristische Dinge mit Namen belegen, um uns über sie mit anderen zu verständigen, so vollzieht sich ein eigentümlicher psychologischer Prozeß, der vielleicht damit zusammenhängt, daß wir Vorstellungen nur von außen her durch unsere Sinnesorgane erhalten und infolgedessen vielleicht wieder in die Außenwelt projizieren. Reine Gedankendinge, Begriffe, die gar keine Sachbegriffe sind, werden für uns dadurch, obwohl sie der realen Existenz durchaus ermangeln, zu außerhalb von uns existierenden, beinahe körperlichen Dingen. Das zunächst nur subjektiv Gedachte wird objektiviert. Das begründet für das Operieren mit solchen Begriffen eine gewisse Gefahr, nämlich die, daß man sie wirklich als Realitäten betrachtet. So erklärt es sich, warum so häufig darüber gestritten wird, ob es diesen oder jenen Rechtsbegriff "gibt"; warum aus so vielen, wenn ich so sagen darf, Denominativkontroversen Realkontroversen geworden sind. Dahin gehört auch der Streit über die Bedeutung von Erbschaft und Vermögen. Noch eine andere Gefahr für die juristische Begriffsbildung [preuss] hängt damit zusammen, daß die Welt des Juristen eine Gedankenwelt ist, die sich einer beständigen Kritik und Korrektur durch die Welt der Realitäten entzieht. Daher gilt hier das Wort:
Es müsse sich dabei auch etwas denken lassen." ![]() ![]()
42) Sohm I, Seite 7, II Seite 192f. 43) Sohm I, Seite 8. 44) Sohm I, Seite 9 45) Daß die Dereliktion [Besitzaufgabe - wp] keine Verfügung ist, führt Sohm II, Seite 193, Note 18 in überzeugender Weise aus. 46) Das Wesen des abstrakten Rechtsgeschäfts erblickt Sohm darin (I, Seite 9, Note 5), daß sie aus ihrem Inhalt "rechtlich unverständlich sind", d. h. wohl erst durch das Kausalgeschäft rechtlich verständlich werden. Richtiger wäre es meines Erachtens, von psychologischer oder wirtschaftlicher Verständlichkeit zu reden; denn daß das abstrakte Geschäft einen vollständigen und abgeschlossenen juristischen Tatbestand bildet, dessen Rechtswirkung rechtlich nur aus ihm und nicht aus dem Kausalgeschäft verstanden werden kann, dürfte mir wohl zugegeben werden. Nebenbei mag die Bemerkung gestattet werden, daß eine Reihe von Schwierigkeiten in Bezug auf die Lehre von der Causa mit der Terminologie zusammenhängen dürfte. Das, was man gewöhnlich Causa - Rechtsgrund - nennt, ist beim abstrakten Geschäft nicht Causa der Rechtswirkung, sondern Causa des Geschäfts. Nicht der Rechtserwerb ist, genau genommen, "ohne Rechtsgrund", wenn die Causa fehlt, sondern das Rechtsgeschäft, das den Rechtsgrund für den Rechtserwerb bildet. Daher sollte man die abstrakten Geschäfte kausale Geschäfte nennen, weil sie eine Causa voraussetzen, und die kausalen Geschäfte abstrakt nennen, weil sie von einer solchen Causa absehen. Daß Verpfändung und Hypothekbestellung im Sinne der gewöhnlichen Terminologie kausale Verfügungsgeschäfte sind, im Gegensatz zur Bestellung einer Grund- oder Rentenschuld, wie Sohm Seite 9, Note 5 im Anschluß an Zitelmann, Allgem. Teil, Seite 129, behauptet, kann ich nicht zugeben. Diese Auffassung beruth, wie ich glaube, auf einem anderen Begriff von "abstrakt", der dem mecklenburgischen Hypothekenrecht entstammt. Der Gegensatz der "abstrakten Hypothek" ist nicht die kausale, sondern die (mehr oder weniger) akzessorische Hypothek. Nicht, weil die Hypothek des BGB kausal ist, hängt sie von der Forderung ab, sondern obwohl die Hypothekbestellung (ebenso wie die Verbürgung, deren abstrakter Charakter trotz der akzessorischen Natur der Bürgschaft bei der römischen fideiussio selbstverständlich ist) ein abstraktes Rechtsgeschäft ist, hängt die Hypothek in gewissem Maß von der Forderung ab. Die Frage, inwieweit das abstrakte Geschäft durch die Ungültigkeit der Causa beeinflußt wird, ist anläßlich des Zwiespalts zwischen § 817 und den §§ 134 und 138 viel erörtert worden. Vgl. jetzt Oertmann, zweite Auflage, Seite 924f. Dabei übersieht man, daß Causa sehr verschiedene Bedeutungen hat und ein gegen Gesetz oder Sitte verstoßendes abstraktes Geschäft nicht deshalb den §§ 134 und 138 nicht unterworfen sein kann, weil es ein abstraktes Geschäft ist. Die Frage scheint mir deshalb gründlich verfahren zu sein. 47) Sohm I, Seite 11f. 48) Sohm I, Seite 16f. 49) Sohm I, Seite 17. 50) So Sohm I, Seite 18. 51) Richtige Biermann, Bemerkung 1 zu § 890 BGB. 52) Sohm I, Seite 17, Note 7 gegen Planck I, Seite 164. 53) Sohm I, Seite 18. 54) Sohm I, Seite 18, Note 10 behauptet im Anschluß an Endemann (Bürgerliches Recht I, Seite 238f), daß es unwesentliche Bestandteile nur bei Grundstücken gibt. Dies kann ich nicht zu geben. Das Rad eines Schubkarrens ist ein unwesentlicher Bestandteil im Sinne des § 93 BGB. Richtig ist aber, daß die Vorschriften über Verbindung und Vermischung nicht zu dem aus § 93 zu entnehmenden Begriff der wesentlichen Bestandteile passen. 55) Sohm I, Seite 20. 56) vgl. Savigny, System I, Seite 340. 57) Zumal Sohm selbst diesen Schritt in Bezug auf die höchstpersönlichen Forderungsrechte tut. 58) vgl. meine "Rechtsstellung des Erben", Bd. 1, Seite 23f. 59) Vgl. Sohm I, Seite 22: "Verfügungsgegenstände können nur Vermögensgegenstände, mit Einschluß der vermögensrechtlich behandelten Mitgliedschaftsrechte, sein", wozu er auch die Mitgliedschaft in einer Erbengemeinschaft rechnet. Dazu ist jedoch das bei Sohm II, Seite 186 Gesagte zu vergleichen. 60) Sohm I, Seite 24. 61) Dies vor allem gegen Wilutzky im "Archiv für bürgerliches Recht", Bd. 28, Seite 67, Note 16. 62) Zustimmend Sohm I, Seite 26. 63) vgl. dazu Sohm I, Seite 24; Kipp bei Windscheid I, § 42, Note 1, der in Bezug auf das BGB meine Ausführungen über den Vermögensbegriff allerdings vollkommen unerwänt läßt. 64) Bd. 1, Seite 7f. 65) Sohm I, Seite 24f. 66) Fischer, "Der Schaden nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch", Seite 8, Note 1. 67) vgl. jetzt auch Gierke, Deutsches Privatrecht II, Seite 66, Note 80. 68) Strohal, Erbrecht I, Seite 15 zu Note 15. 69) Man liest jetzt häufig die Behauptung, es sei "römische Auffassung", daß die Schulden zum Vermögen gehören. Zum Beispiel Dernburg, Pandekten I, § 22, Note 6; Mitteis in Kohlers Enzyklopädie I, Seite 421. Aber dagegen läßt sich doch einiges sagen. Auf welche Rechtssätze stützt sich diese Behauptung? Offenbar auf Wendungen, die sich auf die Universalksukzession beziehen. Darüber weiter unten. Daß die bona die Schulden nicht umfassen, habe ich in meiner "Rechtsstellung" I, Seite 7, Note 42 zugegeben. Sollen die bona im Sinne der bonorum posessio [Nachlaßbesitz - wp] die Schulden mitumfassen? 70) vgl. Brinz, Pandekten III, Seite 1f. 71) vgl. Windscheid, Pandekten III, § 528, Note 4 72) Wie Cicero, Topica IV sagt: "Hereditas est pecunia quae morte alicuius ad quempiam pervenit." [Eine Erbschaft ist Geld, das jemandem zufällt, wenn jemand stirbt. - wp] (vgl. Cicero, De leg. II 19; Gaius III, 78) 73) Dafür, daß das Vermögen im Sinne des § 1922 etwas Anderes als sonst bedeutet, nämlich einen Inbegriff von Rechten und Verbindlichkeiten, beruft sich Sohm Seite 38f, 42 Note 10 auf "die schlagenden Ausführungen Strohals. Aber worin bestehen diese? Ich muß bei diesem Punkt etwas länger verweilen. Strohal (dritte Auflage, Bd. 1, Seite 14f) macht geltend, allerdings der Ausdruck "Vermögen" sehr oft in dem von mir behaupteten Sinn gebraucht wird, daß er aber im § 1922 die Schulden mitumfaßt. Denn: a) es findet zweifellos Beerbung statt, auch wenn der Erblasser keine Berechtigungen, sondern nur Verbindlichkeiten hinterläßt, und b) es gibt zahlreiche vermögensrechtliche Beziehungen des Erblassers, die weder den Charakter von subjektiven Rechten noch den von Verbindlichkeiten haben "und die trotzdem vermöge der Erbfolge nunmehr für den Erben in gleicher Weise maßgebend sind, wie sie es vorher für den Erblasser waren". "Mit Rücksicht auf all das muß daran festgehalten werden, daß der Erbe als Gesamtnachfolger des Erblassers hinsichtlich aller von der Vererbung nicht ausgeschlossenen vermögensrechtlichen Beziehungen in dessen Rechtsstellung und somit in diesem Sinne in das »universum ius defuncti« eintritt." (Strohal, a. a. O., Seite 17) Dies akzeptiert Sohm, indem er ausführt, daß zwar im allgemeinen Gesamtnachfolge keine Gesamtschuldennachfolge, sondern bloße Gesamtrechtsnachfolge ist, daß sich aber gerade in diesem Punkt die Erbfolge von der schlichten Gesamtnachfolge unterscheidet. Die Erbfolge ist mehr als eine bloße Nachfolge in einem Inbegriff von Gegenständen; sie bedeutet wirklich Nachfolge in eine Rechtsstellung, nämlich "in die gesamte vermögensrechtliche Persönlichkeit des Erblassers" (Seite 41f). Aber was hatte ich denn behauptet? Habe nicht gerade ich ausführlicher, als es bis dahin geschehen war, zu zeigen versucht, daß sich die Erbfolge nicht in der Nachfolge in das (Aktiv-) Vermögen des Verstorbenen erschöpft, sondern daß dazu noch die Nachfolge in die Schulden und eine ganze Reihe von Rechtsverhältnissen gehört, die man zu diesem "Vermögen", zum Nachlaß, zur Erbschaft in dem Sinne, in dem das BGB, wie Strohal und Sohm ausdrücklich zugeben, häufig diese Ausdrücke gebraucht, nicht rechnen kann? (vgl. meine "Rechtsstellung des Erben", Bd. 1, Seite 7f, 21 zu Note 104, 30f, 39f, 51 nach Note 53. Ferner habe ich ausdrücklich anerkannt, daß sich aus dem I. Entwurf die Frage, was zu dem "Vermögen als Ganzem" gehört, nicht mit völliger Sicherheit beantworten läßt, was sich eben daraus erklärt, daß der Entwurf auf den Gedankengängen der communis opinio des gemeinen Rechts beruth, die sich über diese Frage kaum je den Kopf zerbrochen und den Ausdruck Vermögen bald so bald anders verwendet hat. Aber daß die §§ 1922, Ziff. I und 1967 Ziff. I BGB ihre Gestalt der von mir vertretetenen Auffassung verdanken, habe ich Seite 10 a. a. O. gezeigt und darüber sollte man doch nicht mit Stillschweigen hinweggehen. Ist es richtig, was Sohm zugibt und was vor ihm viele andere akzeptiert haben, daß das Vermögen, dem Wortsinn entsprechend, in BGB im Allgemeinen das Aktivvermögen bedeutet, und daß, was Strohal einräumt, unter dem Ausdruck Erbeschaft, Nachlaß, "regelmäßig nur die Gesamtheit der Berechtigungen verstanden wird" (Strohal, Seite 15), so wird das Gleiche auch für den § 1922 gelten müssen, zumal sich dafür aus der Entstehungsgeschichte der direkte Nachweis erbringen läßt. Wo also sind die schlagenden Gründe Strohals? In Wahrheit richtet sich auch die Polemik der beiden Gelehrten nicht gegen meinen Vermögens- und Erbschaftsbegriff, sondern gegen den von mir aufgestellten Begriff der Universalsukzession (Bd. 1, Seite 11), die ich damals noch unter Brinzens und Birkmeyers Einfluß stehend und von meinem Vermögensbegriff verleitet als "Rechtsnachfolge durch einheitlichen Erwerb" definiert habe, als das universelle Moment an ihr nicht das Objekt, sondern die Sukzession betrachtet. Daß dies der Kern der genannten Polemik ist, ergibt sich sowohl aus den von Strohal vorgebrachten Argumenten, die die Frage, was Erbschaft ist, gar nicht berühren, als auch und vor allem aus Sohms Beweisführung, die der Frage, was wir unter Erbschaft zu verstehen haben, sofort die andere substituiert (Seite 41, 42), was Erbfolge ist. Ich gebe nun unumwunden zu, daß ich den oben genannten Begriff von Universalsukzession nicht aufrechterhalten kann; denn daraus, daß Erbschaft ein Inbegriff nur von Rechten ist, folgt keineswegs, daß Erbfolge auch nur Rechtsnachfolge in einem Inbegriff von Rechten sein kann. Das war mir damals, als ich den ersten Band meiner "Rechtsstellung" geschrieben habe, noch nicht klar; es ist mir aber allmählich klar geworden, wie sich aus meinem Ausführungen im zweiten Band, Seite 19, ergibt: "Die Haltung des Erben für die Nachlaßverbindlichkeiten ist die Kehrseite des Erbschaftserwerbs. Erst in ihr kommt der Begriff der Erbfolge als Nachfolge in die gesamte vermögensrechtliche Stellung des Erblassers zum vollkommenen Ausdruck", und noch deutlicher aus dem dritten Band, wo einerseits daran festgehalten ist, daß die Nachlaßschulden keinen Bestandteil der hereditas bilden (Seite 2, Note 6), andererseits aber doch betont wird, daß der "Erbschaftserwerb (richtiger wäre: die Erbfolge) seine Wirkungen nicht auf die hereditas im objektiven Sinn beschränkt, ohne daß wir uns deshalb genötigt sehen müßte, auch die früher genannten Nebenfolgen zur universitas zu rechnen" (Seite 20), und endlich (Seite 57f), daß sich das Rechtsverhältnis der Miterben "nicht in der unmittelbaren Beziehung zu den Nachlaßgegenständen erschöpft", wie sich (Seite 61) "das Erbrecht im subjektiven Sinn und die Erbschaft im objektiven Sinn nicht decken, nicht zwei Seiten desselben Verhältnisses sind, sondern das erstere über die letztere hinausgreift, wozu bei der Erbenmehrheit noch ein weiteres Rechtsverhältnis tritt, das sich in seinem Umfang weder mit dem einen noch mit dem andern deckt, die Miterbenobligation." Vgl. ferner Seite 89f: "Wir müssen das Erbesein und das Recht am Nachlaß unterscheiden; das letztere fließt aus dem ersteren; aber dieses greift über jenes hinaus." "Da die Erbschaft sich aus Rechten zusammensetzt, so kann der Erbteil auch nur aus einer Summe von Quotenrechten bestehen, womit es im Einklang ist, daß die Miterben für die Nachlaßverbindlichkeiten nicht pro rata, sondern in solidum haften"; - und Seite 402, wo in Bezug auf den Gegenstand des Erbschaftsanspruchs gesagt wird. "Wie in der gemeinrechtlichen Lehre die Erbfolge als Sukzession in das Vermögen des Erblassers als Einheit, so wurde die Erbschaftsklage als das Mittel, das Recht des Erben an dieser Einheit geltend zu machen, gedacht. ... Aber dagegen läßt sich Verschiedenes einwenden. Die gemeinrechtliche Auffassung ist, daß die Erbschaft ein Konglomerat von Rechten und Verbindlichkeiten bildet, das ... ein einheitliches Rechtsobjekt, nämlich des Erbrechts, im subjektiven Sinn ist. So erscheinen die Erbschaft und das Erbrecht als sich dem Umfang nach deckende Begriffe. ... Gerade am Erbschaftsanspruch scheint mir ihre Unhaltbarkeit dargetan werden zu können" usw. In der Tat zeigt sich, wie ich nebenbei bemerken möchte, die Verschiedenheit des Erbrechts und der Erbschaft am Besten bei der Erbschaftsklage. Daß die letztere keine Universalklage ist, glaube ich für das BGB bewiesen zu haben; sie geht auf Leistung dessen, was der Beklagte aus der Erbschaft hat. Davon verschieden ist heutzutage die Erbrechtsfeststellungsklage, die das heredem esse zum Gegenstand hat und den Erbschaftsbesitz des Beklagten überhaupt nicht voraussetzt. Daß die Verschiedenheit der gemeinrechtlichen Lehre nicht zu Bewußtsein gekommen ist, scheint begreiflich, wenn man bedenkt, daß die römische hereditas petitio, ebenso wie andere vindicationes, beide Funktionen vereinigt und das Wort hereditas als technische Bezeichnung für das Erbrecht des Erben als auch für die Erbschaft gedient hat. So erklärt es sich, warum man beides beständig verquickte. Aber umsoweniger kann ich die Opposition begreifen, die sich gegen meinen Versuch einer Klärung der Begriffe erhoben hat, da ihr ja selbst diese formelle Grundlage fehlte und die moderne Unterscheidung von Feststellungs- und Leistungsansprüchen von selbst den richtigen Weg weist. Fehlt es doch auch dieser Opposition an jeder erkennbaren, praktischen Grundlage. Wozu sollen wir Begriffe festhalten, die wir als unbegreiflich erkennen und deren einzige Berechtigung in einem durch die historischen Grundlagen bedingten früheren Zustand der Verworrenheit besteht? Nun wird man vielleicht einwerfen: Wie kommt es, daß Erbrecht und Erbschaft verschieden sind? Und warum sollen wir die hereditas im subjektiven Sinn nicht als Nachlaß, Erbschaft, Vermögen des Erblassers bezeichnen? Hierauf ist zu erwidern: Weil sich daran unrichtige Vorstellungen anknüpfen und immer wieder anknüpfen werden. Will man durch die Rechtsstellung des Erben, das heredem esse oder die successio in universum ius defuncti als Erbschaft oder Nachlaß bezeichnen, so läßt sich freilich nicht behaupten, daß diese Bezeichnung falsch ist. Daraus erklärt sich ja die Unfruchtbarkeit so vieler juristischer Kontroversen, daß sie im Grunde sich auf den Namen und nicht auf die Sache beziehen, und von einer Benennung läßt sich bekanntlich niemals behaupten, daß sie a priori richtig oder falsch ist. Das gilt auch von unserer Kontroverse. Wenn Strohal und Sohm unter der Erbschaft einen Inbegriff von Rechten und Verbindlichkeiten verstehen, so kann ich sie natürlich niemals von der Unrichtigkeit ihrer Ansicht überzeugen, da ich in Bezug auf die Rechtsfolgen des heredem fieri ja mit ihnen übereinstimme, ebensowenig wie ihre Argumente mir beweisen können, daß ich im Unrecht bin. Ganz anders liegt die Sache aber, wenn wir uns darüber klar werden, daß es sich um die Denomination von Begriffen handelt; und man wird mir wohl oder übel zugeben müssen, daß es sich nicht empfiehlt, verschiedene Begriffe mit demselben Namen zu bezeichnen, weil dann eben Verwechslungen und Unklarheiten nicht zu vermeiden sind, und daß die Berufung auf den bisherigen Sprachgebrauch und selbst auf das Vorbild der Römer dabei nicht entscheiden kann. Welche Fortschritte knüpfen sich an die erst der jüngsten Zeit angehörende konsequente Unterscheidung von Tatbestand und Rechtswirkung, die man ehedem in unserer modernen Dogmatik beispielsweise beim Rechtsgeschäft ebenso beständig durcheinander geworfen hat, wie es die Römer mit contractus, obligatio, possessio und dgl. gemacht haben, so daß man immer erst untersuchen mußte, was das Wort im einzelnen Fall zu bedeuten hat. Schon aus diesem Grund scheint es mir also wünschenswert zu sein, unter Erbschaft usw. nur den "Inbegriff der Nachlaßgegenstände" zu verstehen. Außerdem spricht dafür, daß Nachlaß und Erbschaft für unsere Vorstellung nach ihrer allgemeinen sprachlichen Bedeutung wenig geeignet sind, das subjektive Erbrecht, das heredem esse zu bezeichnen, was für die Römer in Bezug auf die hereditas gewiß nicht der Fall war; ein technischer Ausdruck aber soll bezeichnend sein, d. h. gerade die Vorstellung erwecken, die dem zu bezeichnenden Gegenstand entspricht; er ist, wenn dies nicht geschieht, darum nicht falsch, aber doch gewiß unpassend. Vor allem gilt dies vom Vermögensbegriff der herrschenden Lehre. "Unter dem Vermögen auch die Schulden zu verstehen, ist sprachlich ebenso unmöglich, wie unter die bona auch die incommoda zu rechnen", schrieb ich schon im Jahr 1901 (Rechtsstellung I, Seite 7, Note 42). Überdies ließ sich der Nachweis ohne sonderliche Schwierigkeit führen, daß auch das BGB unter "Vermögen" die geldwerten Rechte und nicht auch die Schulden versteht, so daß mein Bestreben, diesen Ausdruck auf das Aktivvermögen zu beschränken, aus einem doppelten Gesichtspunkt gerechtfertigt sein mußte. In der Tat erwartete ich, wenn irgendwo, so hier Zustimmung zu finden. Denn welcher Grund besteht dafür, daß wir alle die verschieden gearteten Verhältnisse, in die der Erbe durch die Erbfolge sukzediert, Vermögen nennen müssen? "hereditas sine ullo corpore iuris intellectum habet" [Erbschaft versteht sich auch ohne Gesetzestext. - wp], daß, um mit Strohal zu reden, ein Erblasser, der keine Berechtigungen, sondern nur Schulden hinterläßt, doch "beerbt" wird (Strohal, Seite 16). Wer hätte das jemals bestritten? Aber ebenso gewiß wird niemand in einem solchen Fall sagen wollen, der Erblasser habe "Vermögen" hinterlassen, oder gar: ein bedeutendes Vermögen, wenn er sehr bedeutende Schulden hinterließ. Ich gebe zu, daß wir eines einheitlichen Ausdrucks für die Nachfolge in das universum ius defuncti [das gesamte Recht des Verstorbenen - wp] bedürfen, aber ich kann nicht einsehen, daß dasselbe Bedürfnis für die verschiedenartigsten Konsequenzen dieser Universalsukzession besteht, und am allerwenigsten, daß, wenn man durchaus die hereditas im subjektiven Sinn durch einen deutschen Ausdruck ersetzen will, das "Vermögen", die "Erbschaft", der "Nachlaß" dafür geeignet sind. |