Freunde der echten Philosophie und des echten Philosophierens ... Ich sage des echten Philosophierens, denn es gibt ja und gab zu jeder Zeit auch Imitationen - eine Mimikry - der Philosophie, und wir finden etwas derart schon in der alten griechischen Zeit, wo die Sophisten an die Stelle aufrichtiger Wahrheitsforschung rhetorisch-dialektische Künste setzen und sich anheischig machten [aufgefordert fühlen - wp] für Jegliches, ja auch für Entgegengesetztes gleich glaubhafte Begründungen zu liefern.
Und das Angebot derartiger Leistungen begegnete auch zu allen Zeiten mehr oder weniger der Nachfrage, ja zeitweilig überstieg und übersteigt die Nachfrage sogar das Angebot. Jedenfalls sehen wir immer und immer wieder, aus dem Kreis verschiedener Lehrgebiete und Weltanschauungen und aus entgegengesetzten Lagern das Ansinnen an die Philosophie gestellt, daß sie sich als Herold und Wanderprediger in den Dienst von diesen oder jenen Ansichten stellen soll, die gerade dominieren, obwohl die betreffenden Meinungen vielleicht diese Gunst beim Publikum gar nicht ihrem Wahrheitsgehalt verdanken, sondern nur vorübergehende Vorurteile sind. Aber wer solche Dienste tut, der kann kein echter Philosoph sein. Vielmehr verdient diesen Namen nur derjenige, der sich allem gegenüber, was nicht bewiesen ist, das Recht des Zweifels und der Kritik wahr und der an jeden Beweisversuch, eigenen und fremden, die höchsten logischen Anforderungen zu stellen gewohnt ist, mag dies auch manchen Leuten so unbequem und odios [widerwärtig - wp] sein wie den Ratsherren von Athen, die einen ihnen verhaßten Logiker und Kritiker der Art zum Giftbecher verurteilten. Während umgekehrt solche, die mit dem großen Strom schwimmen, auch von ihm getragen, ja hoch gehoben werden, obwohl, was dem Vorübergehenden vielleicht wie ein Stern erster Größe erscheint, nur ein Irrlicht ist, entstiegen dem Sumpf einer ungesunden Methode oder ebenso ungesunder Reklame. Kurz: die echte Philosophie will nicht die Magd irgendeiner Partei sein, sondern nur im höchsten Dienst, in dem der Wahrheit stehen, keine Erscheinung einer blinden Macht, sondern eine solche der Einsicht und entschlossen nur mit dieser zu siegen und sonst lieber zu unterliegen. Diese Philosophie verbindet darum mit dem rein theoretischen Interesse das unentwegte Festhalten an der richtigen Forschungsmethode, die keine andere als diejenige ist, durch welche auch die Naturwissenschaften emporgeblüht sind. Eine Methode, die nicht in phantastischem Flug alle Erkenntnis wie mit einmal zu gewinnen hofft, sondern weiß, daß nur Schritt für Schritt ein Vordringen möglich ist und daß bedächtig und sorgfältig ein Baustein zum anderen gefügt werden muß, wenn ein solides Wissensgebäude entstehen soll.