zum größten Nachteil der Philosophie, ja, zum größten Schaden des gemeinen Besten selbst, fährt man doch immer fort, dem gemeinen Verstand ehrfurchtsvolle Verbeugungen zu machen, und ihn selbst noch über die Philosophie zu erheben. Nein, dieser gemeine Verstand hat von jeher Unordnung und Verwirrung gemacht und hört nicht auf, sie zu machen. Soll er Recht behalten, soll, was er ausgesagt hat, unwidersprechliche Wahrheit sein, soll auch in der Philosophie das: vox populi, vox dei[die Stimme des Volkes, die Stimme Gottes - wp] der höchste Grundsatz sein, soll, wie man es zu oft erlebt hat, die wichtigste Wahrheit, die die ruhige Forschung des tiefsten Denkers aufstellt, sobald sie sich nur im Geringsten von der gewöhnlichen Meinung entfernt, mit plumpem Ungestüm verworfen werden: so verbanne man lieber mit dem Wesen der Philosophie auch ihren Namen, um diesem gemeinen Verstand auch die Veranlassung zu nehmen, sich, nichtigerweise zu empören und zu toben, und im es gelassener zu ertragen, die Unwissenheit triumphieren zu sehen. Denn in der Philosophie hat er keine Stimme, ehe er nicht bewiesen hat, daß er sich der ihm natürlicherweise anklebenden Vorurteile und Irrtümer entledigt hat, und wenn er dies kann, so ist er schon Philosophie. Im gemeinen Leben weise man ihm seinen Wirkungskreis an, wo ihm die Gründe gegeben sind, und wo er sich nur nach den nächsten Gründen umzusehen braucht. Aber um die entfernteren Gründe, die die entscheidensten sind, darf er sich nicht bekümmern, weil er sie nicht sieht. Lachen und trotzig sein kann man ihn lassen, selbst spotten kann er des Philosophen, wie ein unwissender Kaufmann, der durch die beständige Anwendung der Regel de tri[Dreisatz: mathematisches Verfahren, um aus drei gegebenen Werten eines Verhältnisses den unbekannten vierten Wert zu berechnen - wp] reich geworden ist, des nächsten Fleißes des Astronomen spottet, ohne dessen Bemühungen er doch nicht einmal das Datum auf sein Laus deo[Lob Gottes - wp] setzen könnte.
Diese Geschmacklosigkeit, die der gemeine Verstand in manchen Philosophemen gefunden haben will, ist keine andere, als seine eigene. Sie ist ein kränlicher Widerwille gegen alles, was nicht so ist, wie er und diejenigen, welche zunächst um ihm leben, es gemeint, gedacht, empfunden haben. Wir könnten mit einem Wort sagen: sie ist nichts anderes, als die gänzliche Unfähigkeit zu abstrahieren, allein schon dieses würde Manchen äußerst geschmacklos klingen. Aber soll es so sein! wem der Beifall dieser Geschmackvollen etwas wert ist, der muß gar nicht untersuchen.