ra-2J. SchumpeterR. StolzmannTugan-BaranowskiJ. St. Mill    
 
ROBERT LIEFMANN
Grundlagen einer
ökonomischen Produktivitätstheorie

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"In dem großen theoretischen Kampf, der namentlich in dieser Zeitschrift ausgefochten wurde, war es charakteristischerweise allgemeine Meinung, daß der Wert eines Winterrocks, den jemand für 40 Gulden kauft, für ihn = 40 Gulden wert ist, mit anderen Worten = den aufgewendeten Kosten. Das ist aber eben nicht wahr. Er ist das  höchstgeschätzte Genußgut,  das der Betreffende für 40 Gulden kaufen kann. Wieviel er aber allen möglichen Umständen dafür ausgegeben haben würde, wissen wir nicht. Jene Anschauung, daß der Wert eines Gutes gleich den Kosten ist, ist nichts weiter als die alte  objektive  Werttheorie (Produktionskostentheorie), die auch die Anhänger der sogenannten "subjektiven" Wertlehre wenigstens für die beliebig vermehrbaren Güter, praktisch daher für fast alle Güter aufrechterhalten. Der Preis werde bestimmt durch die  niedrigsten  zur Herstellung der Güter notwendigen Produktionskosten!"

"Ich kann nochmals betonen: es gibt keinen besseren Beweis für den trostlosen Zustand der heutigen theoretischen Nationalökonomie als die Tatsache, daß die Sätze  Gossens - und ich scheue mich nicht, den zweiten als den  wichtigsten Satz der nationalökonomischen Theorie  überhaupt zu bezeichnen - in keinem einzigen nationalökonomischen Lehrbuch erwähnt werden. Da werden die kniffligsten Untersuchungen angestellt über Wert, Gut, Kapital usw., da werden die kompliziertesten Konstruktionen vorgetragen zur Erklärung des Kapitalzinses, der Grundrente, des Unternehmergewinns usw., aber die Sätze, die der Schlüssel sind zum Verständnis sowohl des Handelns des einzelnen Wirtschafters als auch des Organisationsprinzips der auf der Konkurrenz beruhenden Tauschwirtschaft, diese Sätze, die schon vor 60 Jahren aufgestellt wurden, haben bis auf den heutigen Tag einige Nationalökonomen wohl gelegentlich erwähnt, keiner aber in ihrer fundamentalen Bedeutung für die Wirtschaftstheorie erkannt."


III. Die Theorie der Bedingungen
größter Produktivität


1. Die Produktivitätsfrage als Maximalproblem

Nach dem Gesagten wäre also der Begriff der  volkswirtschaftlichen Produktivität  oder des  Volkswohlstandes  zumindest in der ökonomischen  Theorie  ganz zu verwerfen und in den anderen Zweigen wirtschaftlicher Betrachtung nur mit der allergrößten Vorsicht und unter Verzicht auf bedeutsame und sichere Resultate zu benutzen. Und in der Tat, wenn ich folgenden von einer Theorie der Produktivität und des Volkswohlstandes spreche, so ist zuzugeben, daß diese Ausdrücke hier in einem etwas anderen Sinne gemeint sind. Die bisherige Nationalökonomie wollte unter diesem Begriff den Volksreichtum  messen,  seine Veränderungen feststellen und glaubte, daß es einen einheitliche Maßstab dafür gibt. Das ist aber, wie wir sahen, unmöglich. Dagegen ist es der ökonomischen Theorie möglich, allgemein die  Bedingungen  festzustellen,  unter denen alle Einzelwirtschaften  innerhalb einer sogenannten Volkswirtschaft - oder wenn man diesen Ausdruck vermeiden wll - alle miteinander in Verkehr stehenden Einzelwirtschaften den "größtmöglichen Ertrag", das größtmögliche Einkommen erzielen. 

Was ist damit gegenüber den bisherigen Fragestellungen und Bestrebungen der Wissenschaft auf diesem Gebiet geändert? Vor allem eins, und das ist, obwohl es zunächst nicht sehr hervortritt, von fundamentaler Bedeutung. Das Problem ist damit, um es kurz auszudrücken, von einem  komparativen  zu einem  superlativen,  zu einem  Maximalproblem  gemacht worden.

Die bisherige Auffassung des Produktivitätsproblems wollte den Erfolg der gesamten Tätigkeiten in einer Volkswirtschaft feststellen, wollte vergleichen und messen,  fragte nach einem plus oder minus.  Daraus ergaben sich die bezeichneten Schwierigkeiten, daß einmal das Maßstab ein sehr verschiedener sein kann, daß es aber, wenn man nach den Erfolgen einer ganzen Volkswirtschaft fragt, einen einheitlichen Maßstab nicht gibt und geben kann.

An die Stelle des Plus oder Minus setzen wir nun das  Maximum.  Wir fragen uns also nicht: ist der Volkswohlstand gestigen oder gesunken, suchen nicht nach einem Maßstab dafür; sondern wir fragen:  unter welchen Bedingungen ist die "größte" Produktivität vorhanden?  Damit wollen wir aber nicht die Produktivität selbst  feststellen,  wir fragen überhaupt nicht nach  Graden  der Produktivität, sondern was wir theoretisch feststellen wollen, sind die  Bedingungen der Produktivität.  Diese Fragestellung ist von der, wie sie bisher beim Produktivitätsproblem üblich war, himmelweit verschieden. Denn wir fragen nicht nach dem größeren oder geringerem Maß des Volkswohlstandes und auch nicht wie es scheinen könnte,  nach  dem Maximum, nach seiner irgendwie feststellbaren Höhe. Sondern wir fragen in Wirklichkeit nach einer besonderen  privaten oder volkswirtschaftlichen "Organisation",  wir fragen:  Bei welcher "Organisation" der Einzelwirtschaft sowohl wie des Verkehrs zwischen ihnen erzielen alle das größte Maß an Bedarfsbefriedigung? 

Schon daraus ergibt sich, wovon wir später noch zu sprechen haben werden, daß hier  Werturteile gar keine Rolle spielen.  Denn wie groß das Einkommen oder der Volkswohlstand ist, ob und wie weit sich die Bedarfsbefriedigung gesteigert hat, auf welche Güter sie sich erstreckt, das kommt hier alles nicht in Betracht. Uns interessiert nur das eine: wie die Einzelwirtschaft und das Zusammenwirken mehrerer organisiert sein muß, damit jeder einen möglichst hohen Ertrag, eine möglichst große Bedarfsbefriedigung erzielt?

Kann man nun einer derartige Fragestellung als  volkswirtschaftliches  Produktivitätsproblem bezeichnen? Sicherlich. Denn wenn auch hier von einem möglichst großen Einkommen der Einzelwirtschaften die Rede ist, so soll doch, wie nochmals betont sei, dieses Einkommen nicht festgestellt werden; die Frage, wie hoch sie sind, scheidet vollkommen aus. Wir fragen, wie gesagt, nur nach einer volkswirtschaftlichen Organisation des Wirtschaftslebens, bei welcher alle Einzelwirtschaften ein möglichst hohes Einkommen erzielen, als die  produktivste  bezeichnen kann.

Nur ein Bedenken kann noch aufgeworfen werden: wenn wir von einem möglichst großen Ertrag oder Einkommen oder Volkswohlstand sprechen, handelt es sich da um die Menge der  Produkte,  das sogenannte  Realeinkommen,  oder um eine möglichst hohe  subjektive Bewertung  dieser Produkte, oder drittens um die objektiven  Preise  derselben verglichen mit den Kosten? Es ist dieselbe Frage, die bei der bisherigen Auffassung des Produktionsproblems von so ausschlaggebender Bedeutung war. Hier aber bleibt sie bedeutungslos, weil wir eben nur nach den  Bedingungen  des größten Ertrages fragen. Das quantitative Problem scheidet gerade deswegen freilich von selbst aus. Denn es ist klar, daß man nicht nach den technischen Bedingungen des Ertrags, nach einer technischen *Organisation, durch die die meisten Produkte hergestellt werden können, sondern nach einer  wirtschaftlichen  Organisation fragt. Da es sich hier aber um Wirtschaftstheorie handelt, haben wir es mit Bewertungsvorgängen zu tun. Ob wir dabei jedoch den subjektiven Nutzen der Produkte bzw. die Differenz zwischen ihm und den Kosten oder aber den Geldertrag, also die Differenz zwischen den Verkaufspreisen und den Kosten betrachten wollen, das kann jedem selbst überlassen werden. Im allgemeinen hat die Wirtschaftstheorie ja die Tauschvorgänge zu untersuchen und kann daher den sogenannten objektiven Tauschwert, den Geldpreis oder Geldertrag zugrunde legen. Unsere Theorie gilt aber, wie noch gezeigt werden soll, ganz ebenso für die Einzelwirtschaft, und bei ihr kommt es natürlich auf die Differenz zwischen der subjektiven Bewertung der Produkte und den Kosten, d. h. auf den reinen Nutz-(Wert-)ertrag im Gegensatz zum  Preis  oder Geldertag an (20). Daher können wir, wenn man die Ausdrücke  Produktivität  und  Volkswohlstand  vermeiden will, ganz allgemein von einer  Theorie der maximalen oder optimalen Begriffsversorgung  sprechen.


2. Ist das Einbringen einer
überreichen Ernte "produktiv"?

Wenn wir nun dazu übergehen, unsere Produktivitätstheorie zu entwickeln, so möchte ich denselben Weg einschlagen, auf dem ich selbst zu ihr gelangt bin. Ich ging aus von dem Beispiel, das schon FOURIER Anlaß zu Erörterungen über die Produktivität, aber natürlich ganz im Sinne der "Quantitätstheorie" gegeben hat und das auch von PHILIPPOVICH, im selben Sinn, in seinem Referat erwähnt: die Vernichtung großer Mengen Reis im Hafen von Marseille, die erfolgte, um ein Überangebot an Reis und dadurch den verursachten Preisdruck zu verhindern. Diese Handlung wird in der ganzen Produktivitätstheorie als unproduktiv bezeichnet. Als Begründung wird nur eine einzige angeführt, die auch noch in der Debatte des Vereins für Sozialpolitik MAX WEBER mir entgegenzuhalten glaubte: Es hätten viele Leute gern diesen Reis gegessen. Ich sage nun darüber folgendes: ob diese Handlung volkswirtschaftlich produktiv war oder nicht, läßt sich nicht behaupten, wie man das überhaupt nie von einer einzelnen Handlung behaupten kann. Das habe ich schon früher festgestellt. Aber nehmen wir zunächst einmal ein anderes Beispiel und drehen dabei den Spieß um! In Amerika und anderen großen Getreideländern kommt es sehr häufig vor, daß so viel Getreide wächst, daß nicht alles geerntet wird. Man läßt dann einen großen Teil einfach auf dem Feld verfaulen.  Wäre es nun nicht volkswirtschaftliche produktiver gewesen, es zu ernten?  Die herrschende Quantitätstheorie muß hier ebenso unbedenklich mit ja antworten, wie in der umgekehrten Fragestellung des ersten Falles, und mit genau derselben Begründung: Es hätten viele Leute gern das Korn gegessen!

Es werden aber doch vielleicht manchen gewisse Bedenken über die Richtigkeit und den Sinn dieser Antwort aufsteigen, wenn wir weiter fragen:  Unter welchen "Bedingungen" hätte denn wohl dieses Korn geerntet werden können?  (Man sieht, daß wir uns damit schon der Fragestellung  unseres  Produktivitätsproblems nähern!) Wenn man sich den Fall näher ansieht, wird man feststellen, daß diese Menge Getreide zu ernten nur möglich war mit einer Vermehrung der Arbeitskräfte. Woher aber diese nehmen? Sie müßten aus anderen Erwerbszweigen vorübergehend herangezogen werden. Untersuchen wir einmal, was das bedeutet, an einem praktischen Beispiel.

Ich hatte vor einigen Jahren Gelegenheit, in den Vereinigten Staaten solche Vorgänge in der Nähe zu beobachten und bin nur dadurch auf meine Theorie gekommen. Im Herbst 1907 hielt ich mich in den großen Getreidestaaten des Nordwestens auf. Es gab eine außerordentlich reiche Getreideernte. Überall in den Städten waren von den landwirtschaftlichen Organisationen Werbebüros errichtet, um Arbeitskräfte auf das Land zu ziehen. Sie boten hohe Löhne von 1½ - 3 Dollar pro Tag, je nach der von den Agenten nach dem Aussehen und der bisherigen Tätigkeit der Arbeitssuchenden abzuschätzenden persönlichen Leistungsfähigkeit. Außerdem boten sie freie Eisenbahnfahrt zum Bestimmungsort. Es folgten Arbeiter aus den verschiedenen Industriezweigen, Handelsangestellte, Studenten und andere. Aber das Angebot von Arbeitskräften genügte bei weitem nicht. In meinem Hotel in St. Paul hielten die Gouverneure der Getreidestaaten eine Versammlung ab, um zu beraten, wie dem Arbeitermangel entgegenzusteuern ist. Gleichzeitig aber kamen auch die industriellen Unternehmer zusammen - die wirtschaftliche Lage befand sich damals noch auf dem Höhepunkt - und beschlossen mehrfach eine Erhöhung der Löhne, um das Weglaufen der Arbeiter zu verhindern. Tatsächlich aber konnten zahlreiche Landwirte einen Teil ihres Getreides nicht einbringen, weil die Arbeitslöhne für sie zu hoch waren, und die Zeitungen brachten häufig Nachrichten, daß da und dort das Getreide ungeerntet auf den Feldern verfault.

Fragt man nun: Warum haben die Landwirte es nicht doch geerntet?, so wird man antworten müssen: Offenbar, weil sie so hohe Löhne hätten zahlen müssen, daß sie beim Verkauf wenig oder nichts verdienten und noch fürchten mußten, den ohnehin schon gesunkenen Getreidepreis noch weiter zu drücken. Oho, werden darauf die Vertreter der herrschenden Lehre erwidern, und hat mir in der Tat MAX WEBER geantwortet: "das ist doch ein  Standpunkt rein privatwirtschaftlicher Rentabilität,  der Standpunkt der "Unternehmerinteressen, der hier zugrunde gelegt wurde" (a. a. O., Seite 581). Nein! behaupte ich. Im Gegenteil, die Forderung, daß die Landwirte, auch wenn sie keinen Gewinn damit erzielen, das Getreide ernten sollten,  ist einseitig, ist nur vom Standpunkt einiger Getreidekonsumenten  erhoben. Die möglichste Förderung des Volkswohlstandes verlangt das obige Vorgehen. Einen Teil des Getreides nicht zu ernten, ist zweifellos nicht nur privatwirtschaftlich, sondern auch  volkswirtschaftlich  die produktivere Handlung. Warum? Ganz einfach. Die Landwirte können einen Teil ihres Getreides nur ernten, wenn sie Arbeitskräfte heranziehen, die bisher in anderen Erwerbszweigen tätig waren. Wenn nun die Löhne in den anderen Erwerbszweigen höher sind, so daß sie keine Arbeiter mehr bekommen können, oder daß sie eben Löhne zahlen müßten, bei denen sie nichts verdienen, was bedeutet das? Das bedeutet, daß in anderen Erwerbszweigen diese Arbeitskräfte notwendiger gebraucht werden, oder anders ausgedrückt, daß jene Unternehmer  ihren Arbeitern höhere Löhne zahlen können, weil sie mit den von ihnen hergestellten Produkten mehr verdienen.  Sie verdienen aber mehr,  weil eine dringendere Nachfrage nach ihren Waren noch unbefriedigt ist. Es sind für diese Waren noch Konsumenten vorhanden, die einen so hohen Preis zu zahlen gewillt sind, daß damit ein höherer Gewinn erzielt werden kann als mit dem Verkauf des Getreides.  Mit anderen Worten:  Die Tatsache, daß mit dem Verkauf von Getreide  bei einer sehr reichlichen Ernte  schließlich  nur so niedrige Preise zu erzielen sind, daß sie die Kosten der Arbeitslöhne überhaupt nicht mehr decken oder den Landwirten doch nur einen viel geringeren Gewinn lassen als anderen Unternehmern: Diese Tatsache zeigt an, daß zuviel Getreide angeboten wurde, daß das Getreideangebot schon in Käuferschichten hinabgestiegen ist, deren Kaufkraft für Getreide so gering war, daß sie durch die Kaufkraft bzw. die Bedarfsintensität anderer Personen für andere Produkte übertroffen wurde.

Man muß eben erkennen, daß kein auftretender Bedarf  ganz,  d. h. bis  zur vollen Sättigung  befriedigt werden kann. (Hier zeigt sich schon, weshalt der Satz über das Maximum der Bedarfsversorgung sowohl  innerhalb der Einzelwirtschaft  als auch für die  ganze Volkswirtschaft  gilt.) Darin besteht ja gerade das Wesen und die Notwendigkeit wirtschaftlichen Handelns, daß alle - deswegen so genannten - "wirtschaftlichen Güter" nur  beschränkt  beschafft werden können. Man darf sich also dadurch nicht irre machen lassen, daß "noch viele Leute gern Reis oder Getreide gegessen hätten", und daß dieser *Konsum etwas sehr Nützliches und seine Ausdehnung sehr erwünscht ist. Sondern man muß sich fragen:  Müssen nicht, wenn auch diese Nachfrage nach Getreide oder Reis befriedigt werden würde, andere dringendere Bedürfnisse unbefriedigt bleiben?  Ob das der Fall ist, wird, wie unten noch näher ausgeführt werden soll, in der heutigen Tauschwirtschaft angezeigt durch die  Höhe der Gewinne,  die die einzelnen Wirtschaften bei der Versorgung des Bedarfs anderer erzielen (21).

Es ist also ausschließlich der Standpunkt der noch nicht befriedigten Konsumenten gerade des betreffenden Produkts, den man vertritt, wenn man unter dem Hinweis, daß zwar noch manche des richtigen Verhältnisses der für die Beschaffung eines bestimmten Produktes aufzuwendenden Kapitals- und Arbeitsmengen zu den überhaupt in einer Volkswirtschaft verfügbaren Mengen von Kapital und Arbeit.  Größte  Wohlstandsförderung ist dann erreicht, wenn, wie wir es einstweilen ausdrücken wollen, die auf die Beschaffung der verschiedenen Güter verwandten Kapital- und Arbeitsmengen im richtigen Verhältnis zueinander stehen.

Wodurch bestimmt sich nun dieses "richtige Verhältnis", erkennt man mit anderen Worten, daß die auf die Beschaffung eines bestimmten Produktes verwandten Kapital- und Arbeitsmengen zu den auf die Beschaffung anderer Güter verwandten und zu den überhaupt in einer Volkswirtschaft verfügbaren in einem solchen Verhältnis stehen, daß dadurch ein möglichst großer Volkswohlstand gewährleistet ist? Auf diese Frage kann die Theorie in einem allgemeinen Satz antworten:  das richtige Verhältnis wird im Wirtschaftsleben selbst angezeigt durch den "Ertrag", die Gewinne der beteiligten Personen bzw. der betreffenden Unternehmungszweige,  vor allem auch durch die Löhne der Arbeitleistenden. Die Einfuhr von Reis fängt an, unproduktiv zu werden oder ist doch nicht mehr im Interesse größter Wohlstandsförderung, wenn das darauf verwandte Kapital, anders angelegt, einen größeren Ertrag erzielt hätte. Die zu erwartende Preissenkung für Reis und die daraus für die Importeure resultierende Einkommensverminderung zeigt an, daß zuviel Kapital auf den Import von Reis verwendet worden ist, daß das Reisangebot schon in Schichten hinabgestiegen ist, deren Kaufkraft dafür so gering war, daß sie  durch die Kaufkraft bzw. die Bedarfsintensität anderer Personen für andere Produkte übertroffen wurde,  daß also ein Teil des für den Reisimport verwendeten Kapitals  privatwirtschaftlich rentabler und volkswirtschaftlich produktiver auf die Beschaffung anderer Güter  hätte verwendet werden können.

Genau das Gleiche, was in diesem Beispiel für den unproduktiven Import gilt, gilt natürlich auch für die im Inland gewonnenen Produkte. Das Einbringen des Getreides ist dann in diesem Sinn unproduktiv, d. h. entgegen dem Prinzip möglichster Wohlstandsförderung, wenn die Löhne, die die Landwirte zahlen können, so niedrig werden, daß die Arbeiter in anderen Beschäftigungen mehr verdienen, oder was theoretisch auf dasselbe hinausläuft, wenn die Löhne, die sie zahlen müssen, um Arbeiter zu bekommen, anfangen so hoch zu werden, daß sich ihr durchschnittlicher Verdienst im Verhältnis zu den anderen Erwerbszweigen vermindert. Die Theorie muß natürlich eine völlige Bewegungsfreiheit von Kapital und Arbeit, eine vollkommene Einsicht der Wirtschaftspersonen in die ökonomischen Verhältnisse voraussetzen. Aber wenn man längere Zeiträume in Betracht zieht und keine Wirtschafts politik  verändernd eingreift, reagiert das praktische Leben sehr genau auf diesen Regulator:  Höhe der Erträge. 

Wir können also sagen:  die größte allgemeine Wohlstandsförderung ist dann gegeben, wenn auf jeden Erwerbszweig so viel Kapital und Arbeitskräfte, nicht mehr und nicht weniger, verwendet werden, daß seine durchschnittliche Rentabilität derjenigen anderer Erwerbszweige ungefähr gleichkommt, praktisch unter Berücksichtigung verschiedenen Risikos. 

Dies läßt sich unter Benutzung der sogenannten  *Grenznutzenlehre  bzw. derjenigen Seite derselben, für die sie meines Erachtens allein gilt, noch schärfer formulieren. Denn die Grenznutzentheorie gilt, wie ich in meiner Schrift "Ertrag und Einkommen" auszuführen versucht habe, nicht für die  Wert lehre, nicht für den Nutzen, auf die sie die Hauptvertreter derselben vor allem anwenden, sondern sie gilt meines Erachtens nur für die  Kosten  und für die  Ertrags lehre. Sie sollte daher auch nicht Grenznutzen-, sondern  Grenzkosten- oder  Grenzertrags lehre heißen (22). Unter Benutzung des ihr zugrunde liegenden Prinzips, angewendet auf die Ertragslehre, kann man sagen:  die größte volkswirtschaftliche Produktivität ist dann gegeben, die Grenze für die volkswirtschaftliche Produktivität eines Erwerbszweiges ist die, wenn derselbe so mit Kapital und Arbeitskräften ausgestattet ist, daß der "Grenzertrag", d. h. der Ertrag den das letzte noch Kapital und Arbeit aufwendende Wirtschaftssubjekt erzielt, in allen Erwerbszweigen ungefähr gleich ist,  oder - was auf dasselbe hinauskommt -, daß er, unter Berücksichtigung verschiedenen Risikos, nicht geringer ist als der in anderen Erwerbszweigen durchschnittlich erzielte. Man kann diesen Satz  das Prinzip  oder - wenn man will - das "Gesetz" des Ausgleichs der Grenzerträge  nennen. Das wirtschaftliche Leben folgt, längere Zeiträume in Betracht gezogen, diesem Prinzip mit ziemlicher Vollkommenheit, und es wird nur eingeschränkt durch monopolistische Stellungen verschiedener Art.

Und damit sind wir von den bloßen  Bedingungen  größer volkswirtschaftlicher Produktivität zwar nicht, wie die bisherige Theorie das versuchte, zu einem  Maßstab  für dieselbe, wohl aber zu einem  allgemeinen Merkmal  derselben gelangt. Denn der Ausgleich der Grenzerträge, oder was für die praktische Feststellung auf dasselbe hinausläuft,  die ungefähre Gleichheit der durchschnittlichen Erträge verschiedener Unternehmenszweige  bildet ein  Merkmal  dafür, daß Kapital und Arbeitskräfte in der volkswirtschaftlich produktivsten Weise verwendet worden sind. Warum und inwiefern das der Fall ist, wird unten noch näher zu erörtern sein.


4. Der Ausgleich der Grenzerträge in der Einzelwirtschaft
und die privatwirtschaftliche Rentabilität

Bevor wir diese Tendenz des Ausgleichs der Grenzerträge in ihrer Wirksamkeit im praktischen Leben näher untersuchen, sei darauf hingewiesen, daß dieselbe ebensowohl auch im wirtschaftlichen Handeln  des einzelnen Menschen  und daher auch in der tauschlosen Wirtschaft zutage tritt.  Robinson  hat immer dann entgegen dem Prinzip größter Wirtschaftlichkeit oder größter Wohlstandsförderung gehandelt, wenn er, kurz gesagt, so viel Arbeit auf einen Gegenstand verwendet, daß noch andere stärkere Bedürfnisse unbefriedigt bleiben. Das ist aber nur eine vereinfachte Formulierung. In Wahrheit handelt es sich auch hier nicht um die Befriedigung derjenigen, die mit dem größten Ertrag, d. h. der größten Spannung zwischen *Bedürfnis (Wert, Nutzen) und Kosten, hier also Arbeit, erlangt werden, bei welchen also das größte Maß an Lustgefühlen über die mit den Kosten verbundenen Unlustgefühle erzielt wird. Gerade hierin besteht, wie wir noch sehen werden, der Unterschied meiner Theorie gegenüber der bisher einzigen Formulierung dieses Gesetzes durch GOSSEN. Auch  Robinson  erzielt ja einen Ertrag und strebt nach größtem Ertrag bei seiner Wirtschaftstätigkeit. Auch für ihn wäre es natürlich ebenso unproduktiv wie für die ganze Volkswirtschaft, wenn er bei einer überreichen Getreideerzeugung alles Getreide ernten und, ohne Rücksicht auf seine anderen Bedürfnisse, seine ganze Arbeitskraft oder den größten Teil auf das Einbringen derselben verwenden wollte. Es ist für die heutige Theorie charakteristisch, daß das regelmäßig übersehen wird, daß es immer so dargestellt wird, als ob das Wirtschaftssubjekt die dringendsten Bedürfnisse zuerst befriedigt (23). Es fehlt eben an der allgemeinen Berücksichtigung des  Ertrags  als dem Ziel allen menschlichen Handelns. Obgleich jeder zugibt, daß das "wirtschaftliche Prinzip" in der Erlangung eines größten Überschusses über die Kosten besteht, wird doch von fast sämtlichen Schriftstellern übersehen, daß das selbstverständlich  auch für die Beschaffung von Konsumgütern  gilt, daß man auch bei der Beschaffung derselben einen Gewinn erzielen will. Die beiden einzigen Nationalökonomen, die meines Wissens das erkennen, sind ALFRED MARSHALL und S. N. PATTEN, und dennoch kommen auch sie nicht zu einer allgemeinen Ertragslehre. MARSHALL, "Principles of Economics", fünfte Auflage, 1907, Seite 124f, spricht gelegentlich von  consumer's surplus  als "dem Mehr, das ein Wirtschafter, um ein Gut zu erlangen, über den Preis hinausgehen würde, den er tatsächlich bezahlen muß". Sein Beispiel: ein Wirtschafter kauft zum Preis von 20 Schilling 1 Pfund Tee, zum Preis von 14 Schilling 2 Pfund, zum Preis von 10 Schilling 3 Pfund und erzielt damit einen Konsumertrag von mindestens 0 bzw. 6 bzw. 14 Schilling, ist aber doch wieder ganz falsch. Denn MARSHALL berücksichtigt nicht, daß dem Mann jedes weitere Pfund Tee ein weniger dringendes Bedürfnis befriedigt. (Die allein richtige Ertragsberechnung siehe in "Ertrag und Einkommen", Seite 50f.)

MARSHALL kommt also trotz dieses Anlaufs ebensowenig wie alle anderen dazu, das Streben nach größtem Ertrag, mit anderen Worten, das wirtschaftliche Prinzip zur Grundlage der ganzen Wirtschaftsorganisation zu machen. Das liegt schon in seinem Ausgangspunkt:  wealth  gegeben. Er betrachtet daher auch den  consumer's surplus  nicht als das allgemeinste Ergebnis des volkswirtschaftlichen Prinzips, sondern nur als ein Ergebnis der  "Konjunktur"  im Sinne *ADOLF WAGNERs, der "allgemeinen, technischen, ökonomischen, sozialen und gesetzlichen Verhältnisse". Die ganz richtige Fragestellung MARSHALLs am Anfang des Kapitels: "how far the price which is actually paid for a thing represents the benefit that arises from its possession" [wie weit der tatsächliche Preis der für ein Ding bezahlt wird den Nutzen repräsentiert der durch den bloßen Besitz desselben entsteht - wp] führt daher leider zu keinen weiteren Ergebnissen.

Ebenso kommt S. N. PATTEN, "The Theory of Prosperity, London und New York 1902, Seite 18f, aufgrund eines ganz richtigen Ausgangspunktes doch nicht zu einer allgemeinen Ertragslehre.  Consumer's surplus  ist nach ihm "the amount of utility that consumers enjoy above the value of the goods" [die Höhe des Gebrauchswerts der Konsumenten über den eigentlichen Wert der Güter hinaus erfreut - wp].  Value  (in diesem Sinn faktisch gleichbedeutend mit Preis, was PATTEN aber nicht erkennt) ist =  producer's surplus + costs.  Statt nun aber diese beiden Ertragsarten: Konsum- und Produzentenertrag (Kapitalertrag) weiter zu verfolgen, gerät er dann doch wieder in die Bande der speziellen Einkommenslehre auf dem Boden der Zurechnungstheorie. Von Konsum- und Produzentenertrag ist später nicht mehr die Rede (24).

Alle anderen Nationalökonomen kamen trotz des wirtschaftlichen Prinzips längst nicht so weit, das Vorhandensein eines Konsumertrags überhaupt zu erkennen. In dem großen theoretischen Kampf, der in den 80er Jahren, namentlich in dieser Zeitschrift, zwischen *BÖHM-BAWERK, DIETZEL, PATTEN, SCHARLING u. a. ausgefochten wurde, war es doch charakteristischerweise  communis opinio  [allgemeine Meinung - wp], daß der Wert eines Winterrocks, den jemand für 40 Gulden kauft, für ihn = 40 Gulden wert ist, mit anderen Worten = den aufgewendeten Kosten. Das ist aber eben nicht wahr. Er ist das  höchstgeschätzte Genußgut,  das der Betreffende für 40 Gulden kaufen kann. Wieviel er aber unter allen möglichen Umständen dafür ausgegeben haben würde, wissen wir nicht (vgl. dazu "Ertrag und Einkommen", Seite 49f). Jene Anschauung, daß der Wert eines Gutes gleich den Kosten ist, ist nichts weiter als die alte  *objektive  Werttheorie (Produktionskostentheorie), die auch die Anhänger der sogenannten "subjektiven" Wertlehre wenigstens für die beliebig vermehrbaren Güter, praktisch daher für fast alle Güter aufrechterhalten. Der Preis werde bestimmt durch die  niedrigsten  zur Herstellung der Güter notwendigen Produktionskosten! (25)

Die Anschauung daß in der tauschlosen und in der Konsumwirtschaft Produktionsmittel und Genuß  Äquivalente  sind, die bekanntlich auch für den  Tausch  erst in der neuesten Zeit beseitigt wurde, scheint noch die übliche zu sein. So sagt z. B. noch neuestens LEXIS in einer "Allgemeinen Volkswirtschaftslehre" (Seite 215): "der privatwirtschaftliche Verbrauch von Konsumtionsgütern findet sein Äquivalenz in der dadurch erlangten Bedürfnisbefriedigung." Der Materialverbrauch in der Unternehmung dagegen wird aus dem Kapital gedeckt, daß  nicht  nur einen Ersatz dieser Kosten sondern auch einen Gewinn beansprucht" (!) Wenn man verkennt, daß das wirtschaftliche Prinzip überall in der Erzielung von Gewinn besteht, ist natürlich eine richtige Einkommenstheorie unmöglich. Ebenso auch, wenn manche gelegentlich den "erwarteten" Gewinn zu den Produktionskosten (!) rechnen: z. B. von PHILIPPOVICH, a. a. O., § 88, Seite 210:
    "Bei beliebig vermehrbaren Gütern ... stellt sich der Preis auf die Höhe der niedrigsten (!) Produktionskosten, die zur Herstellung der Güter notwendig sind, wobei unter Produktionskosten verstanden die zur Herstellung einer bestimmten Quantität Güter von bestimmter Art benötigten Gütermengen bzw. ihr Wert inklusive des erwarteten Gewinnes verstanden werden." (!)
Auch das ist eines der vielen Überbleibsel der "klassischen Theorie" und zeigt, wie willkürlich ohne jede Berücksichtigung der Tatsachen des Wirtschaftslebens man damals ökonomische Lehren konstruiert hat. Was würde ein Kaufmann dazu sagen, wenn man den Gewinn, den er erwartet (!), zu den Produktionskosten rechnen wollte. (!) (26)

Jedes einzelne Wirtschaftssubjekt, ob nun isoliert wirtschaftend oder in den Tauschverkehr verflochten,  strebt also nach größtem Ertrag, nach größtem Überschup des Nutzens über die Kosten. Und es erzielt den größten Ertrag nur dann,  wenn es sein Bedürfnis nach irgendeinem Gegenstand nur so weit befriedigt,  daß der Grenzertrag, d. h. der Ertrag der letzten Teilquantität, nicht geringer wird als bei der Befriedigung anderer Bedürfnisse.  Also auch für die Wirtschaft des einzelnen Menschen genau wie für die gesamte Volkswirtschaft gilt das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge als das Prinzip, unter welchem die größte Wohlstandsförderung erreicht wird.

Dieses Prinzip größter Wohlstandsförderung kann man auch als  Prinzip größter Wirtschaftlichkeit  bezeichnen. Denn man kann sich leicht ausrechnen, daß niemand in seiner Wirtschaft einen höheren Gesamtertag erzielen kann, als wenn er dem Gesetz des Ausgleichs der Erträge folgt, sein Gesamtertrag vielmehr immer niedriger ist, wenn er ein Bedürfnis über den Grenzertrag hinaus befriedigt. Und genau das gleiche gilt beim Zusammenwirken aller in einer Volkswirtschaft für den  Gesamtertrag  derselben. Dieser kann nie höher sein, als wenn das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge vollkommen zur Wirkung gelangt ist. Deshalb ist "größte Wohlstandsförderung" und "größte Wirtschaftlichkeit" in der Volkswirtschaft identisch.

Aber wohlgemerkt, was für den  Gesamtertrag  der Volkswirtschaft gilt, gilt natürlich nicht für die  einzelne  Wirtschaft in derselben in ihrem Verkehr mit anderen. Wenn eine einzelne Unternehmung sehr hohe Gewinne erzielt, geschieht das oft auf Kosten anderer, ist z. B. die Folge einer monopolistischen Stellung. Die privatwirtschaftliche Rentabilität einer einzelnen Unternehmung besagt also natürlich nichts für eine besondere volkswirtschaftliche Wohlstandsförderung. Die volkswirtschaftliche Produktivität einer einzelnen Unternehmung ist ja, wie wir wissen, überhaupt nicht festzustellen. Wenn man nun aber nicht die Rentabilität einer einzelnen Unternehmung berücksichtigt, sondern  nach der größten Rentabilität aller Unternehmungen  frägt, dann gilt unser Satz, daß der Ausgleich der Grenzerträge das Merkmal ist. Dann kann man sagen:  größte volkswirtschaftliche Produktivität und größte privatwirtschaftliche Rentabilität "aller" Einzelwirtschaften muß identisch sein.  Oder anders ausgedrückt:  Wenn größte volkswirtschaftliche Produktivität gegeben ist, muß auch die Gesamtheit der Einzelunternehmungen am besten rentieren, und umgekehrt. 

Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge gilt, wie gesagt, entweder  innerhalb  der einzelnen Wirtschaft oder für die  gesamte  Volkswirtschaft. In dieser aber gilt es nur zwischen  verschiedenen Unternehmungszweigen,  bedeutet, daß Kapital und Arbeit entweder dem einen oder dem anderen Unternehmenszweig zuströmen, entsprechend seinen größeren Rentabilitätsaussichten. Es bedeutet aber natürlich nicht, daß die Erträge der  einzelnen Unternehmungen  desselben Erwerbszweiges eine Tendenz zum Ausgleich zeigten. Die Rentabilität der einzelnen Unternehmung ist, da bei freier Konkurrenz die Preise für alle ungefähr gleich sind, abhängig von den Produktions- und Vertriebskosten. Sie kann daher innerhalb desselben Erwerbszweiges sehr verschieden sein, darauf beruth der sogenannte Unternehmergewinn. Für das Prinzip größter Wohlstandsförderung ist aber nur der durchschnittliche Gesamtertrag eines Unternehmenszweiges, theoretisch: der  Grenzertrag,  im Verhältnis zu dem anderer von Bedeutung. Trotzdem kann natürlich aus dem Umstand, daß in einem Erwerbszweig zahlreiche Unternehmungen eine den Durchschnitt überragende Rentabilität erzielen, ein Schluß darauf gezogen werden, daß hier dringendere Wertschätzungen der Konsumenten für die betreffenden Produkte noch unbefriedigt sind als in anderen; während umgekehrt die Tatsache, daß zahlreiche Unternehmungen derselben Art eine nur sehr geringe oder gar keine Rentabilität aufweisen, den Schluß zuläßt, daß hier, wenigstens zur Zeit, die Produktion dem Bedarf, der nach unserem Satz nur hätte befriedigt werden dürfen, vorausgeeilt ist. Dies war unwirtschaftlich, weil der Bedarf nach anderen Güter mit einem größeren Ertrag hätte befriedigt werden können.


IV. Erläuterungen zum Gesetz des
Ausgleichs der Grenzerträge

Das ist es, was die Wirtschaftstheorie meiner Meinung nach über das Produktivitätsproblem aussagen kann. Sie zeigt ganz allgemein, sowohl für die Einzelwirtschaft als auch für die Volkswirtschaft diejenige Organisation, bei welcher das  wirtschaftliche Prinzip,  also das Grundprinzip allen wirtschaftlichen Handelns, am besten gewahrt ist, weshalb man hier von größter Wohlstandsförderung sprechen kann. Die Tendenz des Ausgleichs der Grenzerträge, die wir hier entwickelt haben, ist zweifellos einer der wichtigsten Grundsätze, die die ökonomische Theorie aufstellen kann. Sie zeigt nicht nur, in welcher Weise der einzelne Mensch die Verteilung seiner Arbeitskraft und seiner Produktions- und Erwerbsmittel auf die Befriedigung seiner Bedürfnisse am besten einrichtet, sondern auch wie die in der ganzen Volkswirtschaft vorhandenen Kapitalien und Arbeitskräfte verteilt sein müssen, um der Gesamtheit die größte Wohlstandsförderung zu ermöglichen. Und drittens, und vor allem erkennt man erst durch sie, wie das *Selbstinteresse, d. h. das wirtschaftliche Prinzip, die ganze Organisation der Tauschwirtschaft zusammenhält (27).

Bevor wir dazu übergehen, dies noch näher zu untersuchen, wollen wir zunächst noch zwei Vorfragen erledigen. Die eine ist die Frage:


1. Enthält unsere Lösung des
Produktivitätsproblems Werturteile?

Wir haben diese Frage schon oben berührt, und man wird nach unseren bisherigen Erörterungen vielleicht ohne weiteres zugeben, daß das nicht der Fall ist, weil wir ja, wie gesagt, überhaupt nicht nach Graden der Bedarfsbefriedigung fragen, sondern nach einer wirtschaftlichen Organisation, die die höchste Bedarfsbefriedigung ermöglicht, ohne jede Rücksicht, worin dieselbe besteht. Aber es ist doch vielleicht nicht unzweckmäßig, noch einmal etwas näher auf diese Frage einzugehen. In den Verhandlungen des Vereins für Sozialpolitik hat nämlich MAX WEBER seine Behauptung, meine Theorie enthalte doch Werturteile und sei ausschließlich vom Standpunkt der Unternehmerinteressen aufgestellt, außer durch den oben wohl schon genügend widerlegten Einwurf: es hätten noch viele Leute gern den zuviel importierten Reis gegessen, noch durch ein Beispiel zu beweisen versucht, das gerade geeignet ist, unsere Theorie nochmals zu prüfen.

Er führt uns die  römische Campagna  vor.
    "Sie ist in der Hand einer Handvoll riesig reicher Grundbesitzer, diesen stehen gegenüber eine Handvoll riesig reicher Pächter und ihnen stehen gegenüber - mit etwas Übertreibung- einige Handvoll Hirten, die mit Leichtigkeit von diesen Geldmächten so bezahlt werden könnte, daß auch sie  zufrieden  wären. Die dünne Menschengruppe, welche diese  Wüste  bevölkert, könnte bei diesem Zustand ein Maß an privatwirtschaftlichem Wohlstand haben, welches allen von ihnen selbst gestellten Anforderungen entsprich. Wenn Sie, meine Herren, sich aber auf einen Bewertungsstandpunkt, welcher Art auch immer er sein mag, stellen wollen, der sich nicht absolut mit dem egoistischen Interesser dieser paar Leute, mit dem rein privatwirtschaftlichen Rentabilitätsinteresse deckt, dann frage ich Sie: sind Sie mit diesem Zustand zufrieden, entspricht er ihrem  Produktivitäts-*Ideal  angesichts des Umstandes, daß - um von anderen Gesichtspunkten zu schweigen - auf diesen gewaltigen Ländereien Massen von Bauern Platz hätten mit Geldeinkommen, deren Summen außerordentlich viel größer sein könnten als die Summen der Einkommen, die jetzt aus jener Wüste kommen? Kritisiert man aber den heutigen Zustand von irgendwelchen derartigen Gesichtspunkten aus, so ist sofort ein anderer als der uns hier entwickelte Begriff von  Wohlstand  vorausgesetzt."
Was ist nun darauf zu sagen? Der Erklärung dieser Zustände und die Widerlegung dieser Anschauungen ist vom Standpunkt unserer Theorie sehr leicht. Denn jenes scheinbar aus dem Leben gegriffene Beispiel ist in Wahrheit eine *Fiktion. Denn da einer Handvoll sehr armer Hiren wenige riesig reiche Grundbesitzer gegenüberstehen, so können diese Leute ihren Reichtum  gar nicht mit jener Handvoll Hirten erworben haben.  Er muß irgendwo anders herstammen, mit einer Handvoll Hirten große Reichtümer zu erzielen ist unmöglich. Und diese rein theoretisch gewonnene Erkenntnis wurde mir dann auch durch die Feststellung der tatsächlichen Verhältnisse in überraschender Weise bestätigt. Die Reichtümer jener Grundbesitzer und Pächter der Campagna, soweit sie überhaupt dort erworben wurden, stammen aus der Bewirtschaftung durch Tausende von  Wander arbeitern, die im Spätjahr und im ersten Frühjahr aus den Gebirgsgegenden dort zusammenströmen, wenn ihrer Heimat die Zeit für landwirtschaftliche Arbeiten vorbei oder noch nicht gekommen ist. Wegen des gesundheitsschädlichen Klimas halten sich dauernd nur sehr wenige Leute dort auf (28). Mit ihnen sind jene Reichtümer jedenfalls nicht erzielt worden. Das Beispiel schwebt also in der Luft, ist ein willkürlich aus einem viel komplizierteren ökonomischen Ganzen herausgerissenes Teilstück. Wenn  wir auch vielleicht nicht mit dem Zustand dieser Leute "zufrieden" sind und sie selbst wohl auch nicht, so müssen wir von einem ökonomischen Standpunkt aus doch sagen: sehr verschieden vom Zustand anderer Leute gleicher Bildungsstufe in Italien kann er auch nicht sein, denn sonst wären diese Hirten längst fortgezogen, was ja auch in Italien genugsam geschieht.  Er kann aber auch nicht sehr viel besser werden als der Zustand anderer italienischer Hirten, selbst wenn die reichen Grundbesitzer ihre Millionen nur in deren Interesse verwenden wollten, denn sonst würden alle Landarbeit hier zusammenströmen und das Arbeitsangebot würde die Löhne auf den durchschnittlichen Stand in Italien herabdrücken.

Wenn wir die Frage gleich so stellen: Entspricht dieser Zustand unserem *Ideal?, denn es ist natürlich leicht zu sagen, daß hier Wertvorstellungen vorliegen. Das nenne ich aber nicht, meine Theorie kritisieren, wie WEBER mit seinen Ausführungen es sich vorgesetzt hatte, sondern sie einfach ignorieren. Die Frage, ob der Zustand jener Leute unserem oder ihrem  "Ideal"  entspricht, ob sie "zufrieden" sind, heißt aber überhaupt nicht ökonomische Theorie treiben. Denn Aufgabe der *Theorie ist es, diesen Zustand zu  erklären.  Das kann sie aber, wie ich oben gezeigt habe, ganz ohne sich auf den Interessenstandpunkt der Grundbesitzer oder von irgendjemand anderen zu stellen.

Wenden wir aber unsere Theorie weiter auf dieses Beispiel an, so erklärt sie uns auch, weshalb die Grundbesitzer mit ihren Millionen jene "Wüste" nicht fruchtbar machen. Da sie ihre Kapitalien sicher nicht in barem GEld in ihren Geldschränken liegen haben, ist der Grund dafür offenbar der, daß sie dieselben in anderen Unternehmungen mit größerem Ertrag anlegen können. Wenn einmal alle ertragreicheren Unternehmungen in Italien errichtet sind, wird sich das Kapital sicher auch der Campagna zuwenden. Da die Kosten dafür hauptsächlich in Arbeitslöhnen bestehen, wird dieser Fall dann eintreten, wenn die Arbeitslöhne in Italien so niedrig sind und die Produkte, die dort gewonnen werden können, so hoch im Preis stehen, daß die zu erwartenden Gelderträge dem durchschnittlichen Ertrag derartiger Kapitalanlagen mindestens gleichkommen. Den angesessenen und neu hinzugezogenen Arbeitern - denn ohne die letzteren, nur mit einer Handvoll Hirten können weder Millionen verdient, noch auch eine Wüste urbar gemacht werden - wird es mindestens so gut, aber auch nicht viel besser gehen, als den anderen italienischen Landarbeitern.

Das ist meine Produktivitätstheorie angewendet auf das Beispiel der römischen Campagna. Sie enthält keine irgendwo hergenommenen Werturtele, ist von keinem Interessenstandpunkt aus gesehen, aber sie beruth auf den Tatsachen und kombiniert, gruppiert und erklärt sie aufgrund des wirtschaftlichen Prinzips und ist deswegen eben eine wirtschaftliche Theorie.


2. Inwieweit ist meine Lösung des
Produktivitätsproblems neu?

Es wird gewiß jeder aufgrund der Erläuterungen des vorigen Kapitels die Frage aufwerfen, ob diese Theorie der Produktivität neu ist, jeder wird auch natürlich gerne bei der Hand sein, das zu bestreiten, aber nur sehr wenige werden - ohne meine eigenen Hinweise hier und in früheren Schriften - in der Lage sein, ihre Behauptung zu beweisen. Jedenfalls kann ich behaupten, daß man in sämtlichen volkswirtschaftlichen Lehrbüchern der Welt nicht auch nur die geringste Andeutung derartiger Theorien finden wird. Ich kann auch behaupten, daß ich ganz selbständig zu ihnen gelangt bin, aber dennoch kann ich die Priorität der Grundgedanken nicht für mich in Anspruch nehmen, sondern nur eine, wie mir scheint, allerdings wesentliche Verbesserung und Erweiterung. Das Grundprinzip, der hier entwickelten Produktivitätstheorie sowohl für die Einzelwirtschaft als auch für die Volkswirtschaft ganz klar aufgestellt zu haben, ist das Verdienst von HERMANN HEINRICH GOSSEN in seiner "Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs", Braunschweig 1854 (29).

GOSSEN will die Nationalökonomie zu einer  "Genußlehre"  erweitern und geht aus von dem Satz: "der Mensch wünscht sein Leben zu genießen und setzt seinen Lebenszweck darein,  seinen Lebensgenuß auf die möglichste Höhe  zu steigern" (Seite 1). GOSSEN fragt nun:  wie muß der Mensch sein Leben einrichten, um ein Maximum an Genuß zu erlangen?  und kommt auf diese Weise zu einem ähnlichen Satz, wie ich ihn oben entwickelte. Ausgehend von der Beobachtung, daß "die Größe ein und desselben Genusses, wenn wir mit seiner Bereitung ununterbrochen fortfahren, fortwährend abnimmt, bis zuletzt Sättigung eintritt" (Seite 4): ausgehend von dieser Beobachtung, die man auch das  erste Gossensche Gesetz  genannt hat, kommt er zu folgender Hauptregel für alles menschliche Handeln:
    "Der Mensch, dem die *Wahl zwischen mehreren Genüssen freisteht, dessen Zeit aber nicht ausreicht, sich alle vollaus zu bereiten, muß,  wie verschieden auch die absolute Größe der einzelnen Genüsse sein mag, um die Summe seines Genusses zum größten zu bringen, bevor er auch nur den größten sich vollaus bereitet,  sie alle teilweise bereiten, und zwar in einem solchen Verhältnis, daß die Größe eines jeden Genusses in dem Augenblick, in welchem seine Bereitung abgebrochen wird, bei allen noch die gleiche bleibt" (Seite 12).
Das drückt man heute einfach so aus, daß man sagt: der Mensch darf alle seine Bedürfnisse nur bis zu dem Grad der Sättigung befriedigen, daß der  Grenznutzen  bei allen der gleiche bleibt. Dieser Satz, den man das  zweite Gossensche Gesetz  genannt hat, enthält ungefähr dasselbe, was ich als dem Prinzip größter Wirtschaftlichkeit entsprechend und daher am meisten wohlstandsfördernd für das wirtschaftliche Handeln des einzelnen Menschen aufgestellt habe. Nur daß ich den gleichen Grenz ertrag  entscheidend sein lasse, während GOSSEN von  Grenz"genuß", Grenznutzen  spricht.

GOSSEN wendet seinen Satz aber auch schon auf die Tauschwirtschaft an und sagt:
    "der Tausch erweist sich so lange für alle Teile als vorteilhaft und es wird durch ihn ein Größtes an Wert geschaffen",  wenn  "das letzte Atom, welches jedem von einem jeden Gegenstand zufällt, bei ihn den gleich großen Genuß schafft, wie das letzte Atom desselben Gegenstandes bei einem jeden andern." (Seite 35)
Und im Zusammenhang damit stellt sich GOSSEN dieselbe Aufgabe, die wir als volkswirtschaftliches Produktivitätsproblem bezeichnet haben, und fragt nach
    der theoretischen Lösung der Aufgabe, wieviel von jedem Gegenstand zu produzieren ist, damit die größtmögliche Summe des Genusses für die ganze Menschheit erzeugt wird." 
Diese Aufgabe meint er, sei gelöst,
    "wenn die Produktion der verschiedenen Gegenstände derart eingerichtet wird, daß das letzte Atom, welches einem jeden von jedem Gegenstand zufällt, im Verhältnis der Anstrengung beim Schaffen desselben den gleich großen Genuß gewährt." (Seite 90)
Ich kann nochmals betonen: es gibt keinen besseren Beweis für den trostlosen Zustand der heutigen theoretischen Nationalökonomie als die Tatsache, daß diese Sätze - und ich scheue mich nicht, den zweiten als den  wichtigsten Satz der nationalökonomischen Theorie  überhaupt zu bezeichnen - in keinem einzigen nationalökonomischen Lehrbuch erwähnt werden. Da werden die kniffligsten Untersuchungen angestellt über Wert, Gut, Kapital usw., da werden die kompliziertesten Konstruktionen vorgetragen zur Erklärung des Kapitalzinses, der Grundrente, des Unternehmergewinns usw., aber diese Sätze, die der Schlüssel sind zum Verständnis sowohl des Handelns des einzelnen Wirtschafters als auch des Organisationsprinzips der auf der Konkurrenz beruhenden Tauschwirtschaft, diese Sätze, die schon vor 60 Jahren aufgestellt wurden, haben bis auf den heutigen Tag einige Nationalökonomen wohl gelegentlich erwähnt, keiner aber in ihrer fundamentalen Bedeutung für die Wirtschaftstheorie erkannt.

Allerdings bedürfen sie in nationalökonomischer Hinsicht in einem wesentlichen Punkt der Verbesserung und dieser besteht, wie schon gesagt, darin, daß es ökonomisch nicht auf den "Genuß des letzten Atoms, den  Grenzgenuß,  sondern auf den Grenz ertrag  ankommt. Mit seiner letzten Formulierung kommt GOSSEN daher meinem Satz am nächsten. Denn dies ist die einzigste Stelle, wo er auch die Kosten zumindest andeutungsweise berücksichtigt: "im Verhältnis der Anstrengung", und daher das Verhältnis von Anstrengung und Genuß, als den  Ertrag,  hier entscheidend sein läßt. Daßer das nicht überall getan hat, erklärt sich aus seiner Absicht, eine über das Wirtschaftliche weit hinausgehende allgemeine  Genußlehre  zu liefern. Infolgedessen kommt er aber nicht über den vagen Begriff der Anstrengung hinaus, der erst, wenn er sich auf die  ökonomische  Betrachtung beschränkt, zum scharfen Begriff  Kosten  verdichtet werden kann. Inwieweit GOSSENs Sätze die allgemeine psychologische Geltung haben, die er ihnen beimißt, wollen wir hier nicht untersuchen. Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus sind sie zweifellos grundlegend, konnten sie aber, wie gesagt, schärfer gefaßt werden. Für das wirtschaftliche Handeln gilt eben der Satz, daß der Mensch nicht das dringendste Bedürfnis absolut betrachtet, befriedigt, sich nicht den größten Genuß bereitet, sondern diejenigen, die im  Verhältnis zu den Kosten  den größten  Überschuß  an Genuß, den größten  Ertrag  liefern. Und daher sind nicht die Genüsse, deren weitere Bereitung bei gleicher Stärke abgebrochen wird, der Maßstab für das wirtschaftliche Handeln, sondern die Grenzerträge, die bei der Befriedigung verschiedener Bedürfnisse gleich sein müssen. -


3. Die Theorie des Ausgleichs der Grenzerträge
und die Preisbildung

Jedenfalls aber erkennt man, daß mit diesen Ausführungen unsere Produktivitätslehre an die ersten Grundlagen der nationalökonomischen Theorie anknüpft, und sie findet darin nicht nur den Beweis ihrer Richtigkeit, sondern es ergibt sich auch in einem systematischen Aufbau der ökonomischen Theorien ohne weiteres ihre Stelle. Sie knüpft an an die Lehre vom  Preis,  und zwar steht sie mit denjenigen Abänderungen der herrschenden Preistheorie im engsten Zusammenhang, die ich schon in der Schrift "Ertrag und Einkommen" vorzunehmen versucht habe (30). Die bisherige Preistheorie lehrt immer, daß der Preis bestimmt wird einerseits durch die Wertschätzungen der Konsumenten, andererseits durch die Produktionskosten zur Deckung des notwendigen Bedarfs des Produzenten. Zum Beispiel sagt von PHILIPPOVICH ("Grundriß" § 79) in direktem Anschluß an MENGER und von BÖHM-BAWERK:
    "der Preis wird sich feststellen innerhalb eines Spielraums, der nach oben begrenzt wird durch die Wertschätzung des letzten, noch zum Tausch kommenden Käufers und des tauschfähigsten unter den vom Verkauf bereits ausgeschlossenen Verkäufern, und nach unten durch die Wertschätzung des mindest tauschfähigen noch zum Tausch kommenden Verkäufers und des tauschfähigsten der vom Tausch bereits ausgeschlossenen Kauflustigen".
Es ist klar, daß diese Sätze in keiner Weise erklären, wie nun ein Preis zustande kommt.  Warum,  so wird man doch alsbald fragen, ist denn der Käufer mit der Wertschätzung  x  der letzte noch zum Tausch kommende? Weil kein Verkäufer mehr da ist, wird von PHILIPPOVICH vielleicht antworten. Schön!  Warum ist aber keiner mehr da, warum  ist der "tauschfähigste unter den vom Verkauf bereits ausgeschlossenen Verkäufern", der - sagen wir einmal die Produktionskosten  y  hat - vom Verkauf ausgeschlossen? Darauf bleibt die ganze bisherige Preistheorie die Antwort schuldig. Sie sieht immer das Angebot und die Produktionskosten als eine  gegebene Größe  an und meint immer, daß bis zu dem Punkt getauscht wird, wo die Stärke der Nachfrage und die Produktionskosten gleich sind.

Ebenso macht es z. B. von BÖHM-BAWERK mit seinen bekannten Preisbestimmungsgründen (31):
    1) die Zahl der Kauflustigen,
    2) die Menge der von ihnen begehrten Waren,
    3) die Wertschätzungen der Kauflustigen für die Waren.
    4) die Wertschätzungen des Preisgutes durch die Kauflustigen,
    5) die Zahl der Verkaufslustigen,
    6) die Menge der von ihnen angebotenen Waren,
    7) die Größe der Wertschätzung der Verkäufer für ihre Waren,
    8) die Wertschätzung des Preisgutes durch die Verkäufer.
Hier wie überall in der Preistheorie, wird es so dargestellt, als ob das alles feste Größen sind. Woher kommt es denn aber, daß soundso viele Verkaufslustige vorhanden sind, bzw. eine soundso große Menge an Waren angeboten wird? Woher kommt es - um ein in "Ertrag und Einkommen" und früher von BÖHM-BAWERK selbst gebrauchtes Beispiel zu benutzen - daß zwar 100 000 Leute einen Bedarf an einem Winterrock haben, aber nur 10 000 angeboten werden? Das ist es, was die Preistheorie zu erklären hat. Ich behaupte aber, daß bisher noch nicht einmal ein Versuch zur Erklärung dieser Erscheinung gemacht worden ist. Die ganze bisherige Theorie muß darauf die Antwort schuldig bleiben. Denn man kann sie nur erklären mit dem  Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge.  Dies ist der Grund, weshalb ich den  zweiten Gossenschen Satz  in der eben erwähnten Weise verändert und auf die Tauschwirtschaft angewendet, den wichtigsten Lehrsatz der Nationalökonomie nannte, weshalb ich vorher so scharf tadelte, daß keiner bisher seine Bedeutung erkannte. Die ganze Preistheorie beruth auf diesem Satz. Seine zweimalige Anwendung, zuerst in der Wirtschaft des einzelnen Menschen, dann innerhalb der Volkswirtschaft, führt von den rein subjektiven Bedürfnissen zum objektiven Preis. Aufgrund dieses Satzes bestimmt zuerst der einzelne Wirtschafter die Intensität seiner Bedürfnisse im Vergleich zu seinen Mitteln, den Grad seiner Nachfrage, und aufgrund desselben Satzes bildet sich dann in der Volkswirtschaft das Angebot und der Preis. Ohne das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge gibt es keine Preistheorie. Die subtilen Untersuchungen über die nebensächlichsten Preisbestimmungsgründe haben keine Bedeutung, hängen gewissermaßen in der Luft, solange man nicht die  fundamentale  Erklärung dafür gefunden hat, wie aus den rein subjektiven Bedürfnissen ein objektiver Preis entsteht. Die Untersuchungen von MENGER und *JEVONS, die ja gegen die früheren Anschauungen auf dem Boden der Äquivalenztheorie schon einen bedeutenden Fortschritt darstellen, und aller Nachfolger, BÖHM-BAWERK, MARSHALL usw., stellen stets das Angebot als der Nachfrage gleichwertige feste Größe hin. Charakteristisch für den heutigen Stand der Preislehre ist z. B. auch von SCHMOLLERs Definition von Angebot und Nachfrage (32):
    "Das Angebot ist die von den Interessenten gewußte oder geschätzte, bestimmte Menge einer Gattung von Waren, die auf einem bestimmten Markt, in einer bestimmten Zeit Käufer sucht, zum Verkauf bereit liegt oder zu den üblichen Lieferungsterminen erwartet wird. Die Nachfrage ist der durch den Besitz von Geld und Kredit unterstützte Wunsch der Käufer desselben Marktes und derselben Zeit - der Händler, der Produzenten und der Konsumenten - diese  Waren zu erwerben."
Eine derartige Definition schreibt jeder tieferen Einsicht des tauschwirtschaftlichen Mechanismus einen Riegel vor. Angebot ist bei freier Konkurrenz, von der die Preistheorie ja immer ausgeht, kurz gesagt, die gesamte Produktionsmöglichkeit einer Ware, die Gesamtheit dessen, was mit den vorhandenen Produktionsmitteln erzeugt werden kann, und daher bei geordneter Volkswirtschaft auch erzeugt werden sollte. Das Angebot ist aber niemals das Primäre und die Nachfrage nicht der Wunsch der Käufer,  "diese"  Waren zu erwerben, mit anderen Worten, keine feste Größe. Beide sind nicht, oder doch im allgemeinen nicht, nach Menge, Zeit und Ort fest "bestimmt". Nachfrage ist der Gesamtausdruck für die tauschwirtschaftlichen Bedürfnisse der einzelnen Menschen im Verhältnis zu ihrer Kaufkraft. Nach dem Urteil der Produzenten über dieselbe richtet sich das Angebot. "Objektive Nachfrage" (LEXIS) und "zahlungsfähige Nachfrage" (zahlreiche Schriftsteller) sind meines Erachtens irreführende Begriffe, die nichts zur Erklärung der Entstehung des Preises beitragen. Sie sind vielmehr ein Ausdruck für Größen, die erst nach der Bildung des Preises vorhanden sind.

Aber auch wenn die heutigen Theoretiker, wie die Vertreter der Grenznutzenlehre, prinzipiell die  Nachfrage  als das Primäre ansehen, stellen sie doch das Angebot jener als einen gleichartigen Preisbestimmungsgrund gegenüber und erkennen nicht, daß das Angebot in der Weise, wie ich das schon in "Ertrag und Einkommen" ausgeführt habe, doch wieder von der Nachfrage abhängt. Auch MENGER und alle seine Nachfolger beginnen ihre Lehre vom Konkurrenzpreis immer mit dem Satz, daß  A  soundso viele Güter verkaufen will,  B  eine soundso große Nachfrage nach ihnen hat. Woher es kommt, daß  A  soundso viele Güter zum Verkauf produziert hat, diese Frage hat sich noch keiner vorgelegt. Die bisherigen Preistheorien sind mehr oder weniger  objektive  Preistheorien (33), d. h. Produktionskostentheorien, die den Preis durch die Produktionskosten bestimmt sein lassen. Zur Beantwortung jener Frage ist eben eine ausgebildete Ertragstheorie notwendig, die nicht nur, wie die üblichen Lehrbücher (34), gelegentlich einmal, am Anfang bei der Erwähnung des wirtschaftlichen Prinzips, betont, daß jeder Wirtschafter bei seiner Tätigkeit einen Ertrag erzielen will - nachher aber lassen sie den Preis bestimmt sein durch "die Produktionskosten des letzten zur Deckung des Bedarfs notwendigen Produzenten", der dann also ständig ohne Ertrag produziert - sondern die den Ertrag entsprechend seiner Bedeutung als Ziel des ganzen wirtschaftlichen Handelns, auch zu einem Fundamentalbegriff der Theorie macht.

Von diesem Standpunkt aus habe ich in "Ertrag und Einkommen" darauf hingewiesen, daß  *Bedarf  stets noch in großem Umfang vorhanden ist, daß aber  der  Bedarf, der ausfallen muß und nicht befriedigt werden kann, bestimmt wird  durch den Ertrag der Produzenten,  indem sich Kapital und Arbeit, wenn der Ertrag in einem Unternehmenszweig eine gewisse Grenze erreicht hat, anderen Unternehmenszweigen zuwenden, in denen höhere Wertschätzungen der Konsumenten für deren Produkte noch unbefriedigt sind und einen größeren Ertrag in Aussicht stellen. Die  Theorie des Ausgleichs  der Grenzerträge ist also die Grundlage der Preistheorie. Es gibt keine Theorie des Konkurrenzpreises ohne sie, denn der Ertragsbegriff ist es, der die Vermittlung zwischen subjektiven Wertschätzungen und objektiver Preisbildung übernimmt. Wie das geschieht, kann sich nach dem Gesagten und nach meinen Ausführungen in "Ertrag und Einkommen" nun jeder leicht selbst konstruieren, ich verweise aber auf meinen in der Einleitung genannten Aufsatz, der meines Erachtens die einzig mögliche Lösung dieses Zentralproblems der Wirtschaftstheorie bringt.


4. Das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge
und die freie Konkurrenz

Von einer Erkenntnis der Bedeutung des  zweiten Gossenschen Satzes  für die Tauschwirtschaft kann also in der bisherigen nationalökonomischen Theorie keine Rede sein, und auch GOSSEN selbst kommt, wie wir sahen, nicht zu einem allgemeinen Gesetz des Ausgleichs der  Grenzerträge,  sondern, da er das Kosten- und damit das Ertragsmoment überhaupt nicht berücksichtigt, nur um Satz vom Ausgleich der Grenz genüsse.  Dagegen sind einige Theoretiker, statt das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge als  allgemeines,  sowohl für die Einzelwirtschaft wie für die Tauschwirtschaft geltendes Gesetz zu erkennen, gewissermaßen von der entgegengesetzten Seite dazu gelangt, eine Ausgleichstendenz für einige  spezielle Einkommensarten  zu behaupten. Wie ja überhaupt die Entwicklung der ökonomischen Theorie leider dazu geführt hat, daß man, statt eine  allgemeine  Ertragslehre aufzustellen, gleich mit der verhängnisvollen "Zurechnung" einzelner Ertragsteile auf die drei "Produktionsfaktoren" begann - natürlich veranlaßt durch das Bestreben, die verschiedenen  Einkommensarten,  die man unterscheiden zu müssen glaubte, zu  rechtfertigen - so hat man auch die Ausgleichstendenz der Erträge bisher, wenn überhaupt, immer nur bei einzelnen jener Einkommensarten, insbesondere beim Kapitalzins und beim Unternehmergewinn, konstatiert und näher untersucht. Der Hauptfehler dabei ist aber, daß man diesen  Ausgleichsgedanken  nicht mit dem  Grenzgedanken  verband.

Vor allem ist dies durch ADOLF WAGNER geschehen, der das "Gesetz der Gewinnausgleichung" bei der Besprechung des Unternehmergewinns und des Kapitalzinses eingehend erörtert (35). Doch konstatiert er eben nur die Tendenz zum Ausgleich dieser Einkommensarten, zieht aber, wie gesagt, aus der Beobachtung dieser Tendenz keiner Folgerungen zur Erklärung wirtschaftlicher Erscheinungen. Insbesondere erklärt er natürlich nicht die Preisbildung damit, da er ganz auf dem Boden der Produktionskostentheorie steht. Er hat es hauptsächlich unternommen, die  Hindernisse,  die der Tendenz des Ausgleichs der Erträge entgegenstehen, hervorzuheben. Auf seine diesbezügliche ausgezeichnete Darstellung mag hier für diesen Punkt hingewiesen werden. Doch behauptet WAGNER ausdrücklich, daß diese zahlreichen Hindernisse die Richtigkeit des Gesetzes des Ausgleichs der Erträge nicht beeinträchtigen (36).

Von den neueren Schriftstellern legt scheinbar ALFRED MARSHALL diesem Gesetz die größte Bedeutung bei. Er gibt dem ganzen 5. Buch seines Werkes den Titel "Theory of equilibrium of Demand and Supply (37). Das ist aber nur scheinbar. Denn obwohl er in der Einleitung zu diesem Buch wenigstens den  ersten Gossenschen Satz  erwähnt, kommt er doch nur zu einem "Ausgleich von Angebot und Nachfrage". Hierbei ist aber natürlich das Wort  Ausgleich  in einem ganz anderen Sinn gebrauch als bei meinem Satz von der  Gleichheit  der Grenzerträge. Zur Erkenntnis von der Bedeutung des Ertragsmoments für die Organisation des Tausches und die Bildung des Preises konnte auch er als Anhänger der Produktionskostentheorie nicht gelangen. Sonst ist mir kein ausländischer Schriftsteller bekannt, der die Tendenz des Ausgleichs der Erträge irgendwie behandelt.

Einige wenige deutsche Nationalökonomen behandeln dieses Problem gelegentlich bei der Besprechung der Wirkungen der freien Konkurrenz, aber freilich in sehr unvollkommener Form und ohne daraus irgendwie allgemeine Schlußfolgerungen zu ziehen. Wie unvollkommen, um nicht zu sagen, falsch die Anwendungen eines richtigen Grundgedankens sind, zeigt von PHILIPPOVICH. Er sagt (§ 74):
    "Die Preise für alle Produkte, für die Benutzung von fremden Kapitalien und für Arbeitskräfte werden (durch die freie Konkurrenz) ausgeglichen (!) und auf das durch die gesamten Umstände bedingte niedrigste Maß (?) herabgedrückt werden. Denn wo die Preise so hoch stehen, daß unter Berücksichtigung aller Umstände ein mehr als durchschnittlicher Gewinn, Kapitalzins oder Arbeitslohn erzielt wird, werden Unternehmer, Kapitalien und Arbeitskräfte hinströmen, welche von dieser Gunst der Lage einen Vorteil ziehen wollen, und werden durch ihr Angebot bewirken, daß die Preise auf das Durchschnittsmaß (?) gemindert werden." (38)
Von einem Ausgleich der Preise kann man natürlich nicht sprechen, sondern nur von einem Ausgleich der Gewinne, und ein "Durchschnittsmaß der Preise" ist eine ganz unklare Vorstellung. Etwas Ähnliches schwebt anderen Nationalökonomen vor, wenn sie die beliebte, aber leider ebenfalls sehr unklare und unmißverständliche Ausdrucksweise vom "normalen Gewinn" anwenden. So z. B. LEXIS, "Wörterbuch der Volkswirtschaft", zweite Auflage, Artikel "Überproduktion": "Wird der normale Gewinnsatz nicht erreicht, so ist Überproduktion vorhanden, auch wenn die Unternehmer die Konsumtionsgegenstände billiger kaufen können."

Von einem "normalen Gewinn" kann man aber, zumindest theoretisch, nicht sprechen, abgesehen davon, daß dieser Ausdruck es nahe legt, an eine ethische Beurteilung der Gewinnhöhe zu denken, wie man jahrhundertelang und selbst heute noch von einem  justum pretium  [gerechter Preis - wp] gesprochen hat. Allen diesen Anschauungen liegt eine gewisse richtige Vorstellung, eine noch unklare Beobachtung zugrunde, daß in der Volkswirtschaft in irgendeiner Weise eine Ausgleichstendenz wirksam sein und daß darin zugleich das eigentliche Organisationsprinzip des Tauschverkehrs liegen muß. Es entspricht der bisherigen quantitativ-materialistischen Theorie, daß dieser  "Ausgleichs gedanke" bei den meisten zu einem  "Gleichgewichtsgedanken"  wird, eine Auffassung, die mit unerhörter Konsequenz bei CLARK und *SCHUMPETER dazu führt, überhaupt die ganze ökonomische Theorie als die "Lehre von Veränderungen, die sich in den Güterquantitäten vollziehen", zu erklären.

Was - ganz abgesehen von der Unsinnigkeit dieses mechanisch-materialistischen Standpunktes - alle  Autoren fehlt, ist einmal der allgemeine  Ertrags gedanke und dann die  Verbindung des Grenz- und des Ausgleichsgedankens mit demselben.  Die Ausgleichstendenz gilt für alle Arten von Ertrag oder Gewinn, aber sie gilt eben ur für die  Grenzerträge  in jedem Erwerbszweig. Von einem allgemeinen Ausgleich des Unternehmergewinns zu sprechen, ist auch irrig, angesichts der Tatsache, daß in jedem Erwerbszweig einige Unternehmungen sehr hohe und andere geringe, manche auch vorübergehend gar keine Gewinne erzielen. Aber es besteht die Tendenz des Ausgleichs der  Grenz erträge. Es bildet sich so ein  volkswirtschaftlicher Grenzertrag  heraus, der allerdings in den verschiedenen Erwerbszweigen je nach der Verschiedenheit des Risikos kleinen Differenzen unterliegt, die aber z. B. beim Börsenkurs genau berücksichtigt werden.

Die Konstatierung dieser Ausgleichstendenz wird allerdings durch verschiedene Momente erschwert. Die Tendenz des Ausgleichs der Grenzerträge wirkt nicht immer in der Weise, daß die Kapitalisten und Unternehmer plötzlich sagen: Aha, jetzt ist in diesem Erwerbszweig der ungefähre Grenzertrag erreicht, jetzt wollen wir unser Kapital lieber einem anderen zuwenden, wo der Ertrag des teuersten Produzenten noch über dem durchschnittlichen Grenzertrag steht. Sondern heute, im Zeitalter der technischen Umwälzungen, werden neue Unternehmungen sehr oft gegründet, ganz ohne Rücksicht auf die augenblicklichen Erträge des teuersten Produzenten oder, wie man zu sagen pflegt, auf das augenblickliche Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Sie werden vielmehr errichtet aufgrund besserer Produktionsmethoden oder irgendeiner sonstigen Verbilligung der Produktionskosten, durch die die neuen Unternehmer hoffen, sich in jedem Fall einen Absatz erzwingen zu können. Die neu hinzutretenden Unternehmer sind also in der Regel nicht diejenigen, die die teuersten, sondern sehr oft, die die billigsten Produktionskosten haben, und der Ausgleich der Erträge vollzieht sich dann meist in der Weise, daß schließlich diejenigen der älteren Unternehmer, die teurere Produktionskosten haben, die Produktion aufgeben. Die sogenannte  Anpassung der Produktion an die Nachfrage,  genauer ausgedrückt: die volkswirtschaftliche Erledigung des Problems, welcher Teil der ansich vielleicht unbegrenzten Nachfrage tatsächlich befriedigt werden soll, vollzieht sich bei freier Konkurrenz nicht sowohl in der Weise, daß weitere Unternehmer in einem Erwerbszweig durch eine Aussicht auf zu geringen Gewinn  abgehalten  werden als vielmehr dadurch, daß alte, teurere Produzenten  ausgemerzt  werden. Die letztere Art ist auch nötig, um bei einem Aufkommen neuer billigerer Produktionsmethoden in einem Unternehmenszweig den Ausgleich mit der durchschnittlichen Höhe des Grenzertrags in der Volkswirtschaft wieder herbeizuführen.

Untersuchen wir jetzt noch näher, welche Bedeutung diesem Satz vom Ausgleich der Grenzerträg im praktischen Wirtschaftsleben zukommt. Zunächst: für das wirtschaftliche Handeln des einzelnen Menschen gilt er unbedingt. Es ist klar, daß der Mensch dann am wirtschaftlichsten handelt und den größten Überschuß an Lustgefühlen, den größten Ertrag erzielt, wenn er jedes *Bedürfnis nur so weit befriedigt, daß die Grenzerträge bei allen ungefähr gleich sind. Das kann sich jeder leicht selbst an einem Zahlenbeispiel ausrechnen. In der Volkswirtschaft aber, beim Zusammenwirken der einzelnen Wirtschaften, gelten diese Sätze nur unter einer Voraussetzung, die wir früher schon erwähnten:  freie Konkurrenz, d. h. völlige Bewegungsfreiheit der Kapitalien und Arbeitskräfte und vollkommene Einsicht in die Ertragsverhältnisse.  Daraufhin wird man vielleicht geneigt sein zu sagen: dann haben also die SÄtze gar keine praktische Bedeutung, sind reine Theorien, da jene Voraussetzungen im heutigen Wirtschaftsleben wenigstens nicht allgemein gegeben sind. Letzteres ist richtig. Aber der Umfang, in dem sie vorhanden sind, ist groß genug, um jenen Sätzen dennoch ein großes Maß an praktischer Bedeutung zu geben. Sie treten ja immer schon dann in Wirksamkeit, wenn nur in einzelnen Erwerbszweigen das durchschnittliche Ertragsniveau das allgemein in der Volkswirtschaft vorhandene, den  volkswirtschaftlichen Grenzertrag  übersteigt. Dann werden alle in der Volkswirtschaft verfügbaren Kapitalien und Arbeitskräfte dahin dirigiert, die so vermehrte Konkurrenz schaffen und in diesem Unternehmenszweig das durchschnittliche Ertragsniveau bald wieder herstellen. Das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge tritt in jedem solchen einzelnen Fall in Wirksamkeit.

Daß die völlige Bewegungsfreiheit nicht für alle in der Volkswirtschaft vorhandenen Kapitalien und Arbeitskräfte gilt, insbesondere ein großer Teil des Kapitals, das stehende Kapital, seine ihm einmal verliehene Sachform nicht verändern kann, ist selbstverständlich. Wenn eine große Nachfrage nach Zucker, aber eine geringe nach Webstoffen besteht, kann man aus einer mit unterdurchschnittlichem Gewinn arbeitenden Weberei doch keine Zuckerfabrik machen, ebensowenig wie den Weber alsbald zum Rübenbauer. Aber  neue  Kapitalien und  neue  Arbeitskräfte werden  den  Unternehmenszweigen und Berufen zuströmen, wo eine stärkere Nachfrage der Konsumenten zu höheren Erträgen und höheren Löhnen führt. Und so ist die  Tendenz  des  Ausgleichs der Erträge  sicherlich überall vorhanden, muß vorhanden sein, weil sie ja dem Prinzip größter Wirtschaftlichkeit entspricht. Wenn auch durch die Entwicklung des Großbetriebes und die Zunahme des stehenden Kapitals die Übertragung von schon in einem Unternehmenszweig angelegten Kapitalien in andere gegen früher vielleicht schwieriger geworden und oft unmöglich ist, so ist doch andererseits durch die  "Mobilisierung"  des Kapitals die Zufuhr ersparter Einkommen aus den verschiedensten Quellen zu den rentabelsten Erwerbszweigen außerordentlich vervollkommnet. Und wenn auch durch die wachsende Spezialisierung aller Leistungen und durch die Zunahme der gelernten Arbeiter der Übergang von einer Arbeitsleistung zu einer anderen, für die momentan dringendere Nachfrage vorhanden ist, heute vielleicht oft schwieriger sein mag als früher, so ist doch andererseits durch die Entwicklung der Verkehrsmittel die Heranziehung von Arbeitskräften derselben Art aus anderen Gegenden oder von neu anzulernenden Arbeitskräften außerordentlich erleichtert. Im Ganzen kann man sagen, daß sich der Ausgleich der Grenzerträge in der ganzen Volkswirtschaft, längere Zeiträume in Betracht gezogen, mit großer Genauigkeit in der angegebenen Weise vollzieht.

Daß dabei allerdings ein verschiedenes Risiko der Ertragserzielung berücksichtigt werden muß, wurde schon erwähnt. Besonders genau werden Risikoverschiedenheiten in der Ertragserzielung bei Unternehmungen durch die  Börse  berücksichtigt. Daher kommt es z. B. daß Aktien von Unternehmungen aus verschiedenen Erwerbszweigen trotz derselben Ertragshöhe oft außerordentlich verschieden bewertet werden. Wegen der Berücksichtigung verschiedener Risikos ist daher der effektive Ertrag, den ein Aktionär mit seinem Besitz zum heutigen Kurs erzielt, ein sehr verschieden hoher. Ja, die Börse dehnt diese Beurteilung des Risikos und der künftigen Erträge so weit aus, daß sie sogar die Aktien von Unternehmungen von ein und demselben Erwerbszweig, selbst wenn sie längere Zeit hindurch die gleiche Dividende erzielt haben, oft sehr verschieden bewertet. Man vergleiche z. B. die Kurse der die gleiche Dividende zahlenden großen Banken in verschiedenen Jahren.

Die Tendenz des Ausgleichs der Grenzerträge ist überhaupt durch die Gesellschaftsunternehmungen, die Entwicklung des mobilen Kapitals, in neuerer Zeit sehr gefördert worden, weil man jetzt viel genauer als früher die Ertragshöhe der Unternehmen und ganzer Unternehmenszweige feststellen kann. Ja man kann mancherlei Gründe dafür anführen, daß die Tendenz zum Ausgleich der Erträge durch den modernen Kapitalismus vielfach  übermäßig  wirksam geworden ist, indem sich das Kapital oft in Unternehmenszweige drängt, in denen nur ganz vorübergehend überdurchschnittliche Erträge erzielt werden. Auch dies wird vielfach durch die Börse gefördert, indem sie zwar das Risiko der einzelnen Unternehmungen und Unternehmenszweige sehr genau abwägt, aber für ihre Bewertungen immer nur die Rentabilitätsaussichten des Augenblicks zugrunde legt. So kann sie leicht das Kapital in Unternehmenszweige leiten, wo nur ganz vorübergehend größere Erträge winken. Es führt dann dazu, daß mehr Kapital in solche Unternehmenszweige gesteckt wird, als - wie ich jetzt kurz sagen kann - dem Prinzip größter Wohlstandsförderung entspricht. Charakteristische Beispiele dafür waren die Elektrizitätsindustrie und die Montanindustrie in der Krise Ende des 19. Jahrhunderts und sind heute vor allem die Kali-Industrie und vielleicht in naher Zukunft wieder die Montanindustrie. In allen solchen Fällen sehen wir, daß das Kapital, das die Arbeitskräfte naturgemäß nach sich zieht, übermäßig derartigen Unternehmenszweigen zudrängt. Häufig kommt es dann heutzutage nicht mehr zu einer Überproduktion - wir wissen jetzt genau, was das heißt -, nicht zu einem starken Sinken der Preise, sondern das Preisniveau wird durch Kartelle gehalten und wegen mangelnden Absatzes die Produktion stark eingeschränkt. Das typischste Beispiel dafür ist heute die Kali-Industrie (39), wo aus gleich zu erwähnenden Gründen der Andrang neuer Kapitalien ganz besonders stark erfolgte. Millionen wurden in neue Werke gesteckt, die jetzt nur zu einem ganz geringen Bruchteil beschäftigt sind. Eine solche Investierung von Kapitalien, die dann brach liegen, ist natürlich ebenso entgegen dem Prinzip größter Wohlstandsförderung, wie in unseren früheren Beispielen das Einbringen einer übermäßig großen Getreideerzeugung oder der übermäßigen Produktion oder Einfuhr irgendwelcher Produkte. Das hier zu viel investierte Kapital hätte mit einem größeren Ertrag in anderen Unternehmenszweigen verwandt oder als Einkommen verbraucht, im Konsum verwendet werden können. Der Grenzertrag wäre in der Kali-Industrie schon längst unter den allgemeinen Durchschnitt gesunken - einige glänzend fundierte alte Werke hätten trotzdem hohe Dividenden erzielen können - wenn nicht durch staatliches Eingreifen und insbesondere durch das Kaligesetz von 1910 der Preis künstlich hoch gehalten würde. Aber gerade dieses künstliche Hochhalten der Preise hat jenes übermäßige Herandrängen des Kapitals in der Industrie verschuldet.


5. Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge
und die Monopole.

Und damit sind wir bei der Frage angelangt, wie die Tendenz zum Ausgleich der Grenzerträge den  Monopolstellungen  gegenüber wirkt. Denn in der Kali-Industrie wird eben das Preisniveau gehalten durch die staatlich gesicherte künstliche Monopolstellung. Zunächst ist klar, daß, solange eine staatlich gesicherte Monopolstellung besteht, das Gesetz des Ausgleichs der Erträge nicht in Wirksamkeit tritt. Das hindert, wie wir am Beispiel der Kali-Industrie sehen, unter Umständen nicht, daß das Kapital sich solchen monopolisierten Unternehmenszweigen zuwendet. Aber es bleibt dann eben unproduktiv, solange es nicht im Sinne des Ertragsausgleichs wirken kann, es wirkt nicht wohlstandsfördernd. All das ist jetzt aufgrund meiner früheren Erörterungen ganz leicht verständlich.

Es kommen aber verschiedene Arten monopolistischer Stellungen in Betracht. Man kann unterscheiden:
    1) natürliche Monopole, beruhend auf Seltenheit, beschränkter Vermehrbarkeit von Genußgütern, Kapitalgütern und Arbeitsleistungen; und

    2) künstliche Monopole, nämlich
      a) staatlich gewährte, wie Patente, Zölle und dgl. (40) und
      b) auf Vereinbarung beruhende.
Die Seltenheitsmonopole beruhen nicht darauf, daß die Nachfrage überhaupt das Angebot übersteigt - das tut sie genau genommen, wie wir sahen, immer - sondern daß sie es  in dem Grad übersteigt, daß der letzte Anbieter noch einen den durchschnittlichen übersteigenden Grenzertrag erzielt. (41) Die meisten Monopolstellungen sind aber nur  relative,  d. h. sind nur bis zu einer gewissen Preishöhe vorhanden. Absolute Monopole sind eigentlich nur die rechtlich verliehenen und dann vor allem gewisse Leistungsmonopole berühmter Künstler und dgl. Auch die vertragsmäßigen, am besten  Kollektivmonopole  benannten Monopolstellungen: Kartelle, Ringe, Trusts sind in der großen Mehrzahl nur relative Monopole. Ebenso ist es bei Grund und Boden.

Diese Monopolstellungen, wenigstens die relativen, spielen nun bekanntlich in der modernen Volkswirtschaft eine große Rolle. Aber dennoch heben sie das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge nicht auf, sondern im Gegenteil, sie  verstärken diese Tendenz.  Es ist das Eigentümliche der Monopolstellungen, daß sie der Tendenz zum Ausgleich der Erträge nur einen umso stärkeren Antrieb geben, sich durchzusetzen. Sofern die Monopolstellung nicht staatlich verliehen ist, sucht die Volkswirtschaft überall, wo Ansätze zu relativen Monopolen vorhanden sind, sie zu brechen und eine neue Konkurrenz groß zu ziehen. Das gilt vor allem auch für die monopolistischen Vereinigungen. Besonders typisch ist hier wieder die Kali-Industrie. Hier erfolgte ein so enormer Zudrang des Kapitals zu Neugründungen, weil man stets erwartete, daß der Staat, der ja von Anfang an an der Industrie interessiert war, die Konkurrenz einschränken und die Kartellvereinbarungen schützen wird. Aber selbst nachdem er das getan und das Kaligesetz erlassen hatte, hat das Zuströmen des Kapitals und die Gründung neuer Werke nicht aufgehört, weil man trotz der für sie sehr ungünstigen Bedingungen für die Zukunft eine Sicherung ihrer monopolistischen Stellung durch den Staat erwartete. Kurzum, die Tendenz des Ausgleichs der Erträge sucht sich überall durchzusetzen und monopolistische Stellungen, wo sie bestehen, zu sprengen. Sie kann dann, wie dieses Beispiel zeigt, auch zu viel tun und unwirtschaftliche Kapitalaufwendungen veranlassen. Überhaupt ist bekanntlich die freie Konkurrenz keineswegs immer die wirtschaftlichste Organisation. Sie kann zum sogenannten anarchischen Zustand der Produktion führen, bei welchem jede Übersicht über die Angebots- und Nachfrageverhältnisse, die ja gerade eine Voraussetzung größter Wohlstandsförderung ist, fehlt. Freie Konkurrenz ist auch natürlich mit der Tendenz des Ausgleichs keineswegs identisch, nur daß sich dieser Ausgleich am sichersten bei freier Konkurrenz vollzieht. Die Übersicht über die Ertrags-, Angebots- und Nachfrageverhältnisse gewähren monopolistische Stellungen viel vollkommener, und so ist es erklärlich, weshalb die Volkswirtschaft in Wirklichkeit immer zwischen diesen beiden Prinzipien hin und her schwankt, niemals ganz durch die freie Konkurrenz, niemals ganz durch das Monopol organisiert wird.

Hinter diesen beiden möglichen  Organisationsprinzipien  der Volkswirtschaft steht als einzigstes  Regulationsprinzip  das Streben aller Wirtschaftssubjekte  nach dem höchsten Ertrag.  Er ist der Regulator sowohl der Einzelwirtschaft wie der Volkswirtschaft. Dieses Grundprinzip allen wirtschaftlichen Handelns, dieses  "wirtschaftliche Prinzip"  führt sowohl zur freien Konkurrenz wie zum Monopol. Ersteres, wenn es einzelne Wirtschaftspersonen gibt, die bei ihrem Streben nach dem höchsten Ertrag alle andern aus dem Feld zu schlagen vermochten, letzteres solange der Kampf noch andauert. Auf dieses Prinzip muß jede richtige Erklärung der volkswirtschaftlichen Organisation und daher auch das Problem größter Wohlstandsförderung zurückgehen. So unbefriedigend dieser Regulator vom ethischen und sozialen Standpunkt aus oft sein mag, so unvollkommen er selbst von einem wirtschaftlichen Standpunkt aus das Ziel größter Wohlstandsförderung verwirklicht, so hat bisher niemand ein besseres und einfacheres, ebenso automatisch wirkendes Prinzip der volkswirtschaftlichen Regelung vorzuschlagen vermocht. Das Prinzip ist gut, die Mängel der heutigen wirtschaftlichen Organisation liegen nur an den Unvollkommenheiten der Menschen. Diese gilt es allmählich zu vermindern. Aber, wie es der Sozialismus will, die jetzige automatische Selbstregulierung der Volkswirtschaft unter der Herrschaft des wirtschaftlichen Prinzips zu ersetzen durch eine staatliche Regelung, heißt nur den Unvollkommenheiten der Menschen einen sehr viel größeren Einfluß auf die volkswirtschaftliche Bedarfsbefriedigung gewähren. Dadurch wird der Volkswohlstand niemals weiter gefördert werden.
LITERATUR Robert Liefmann, Grundlagen einer ökonomischen Produktivitätstheorie, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, III. Folge, Bd. 43, Jena 1912
    Anmerkungen
    20) Für die Unterscheidung von Nutz-(Wert-) und Preisertrag vgl. "*Ertrag und Einkommen"*, Seite 54f.
    21) Aus dem Gesagten läßt sich ein für die Wirtschaftstheorie sehr wichtiger Schluß ableiten: Abgesehen von den wirklichen Monopolgütern, Werken verstorbener Künstler, Boden in besonderer Lage und ähnlichen Dingen, sowie dem Gold, das als Geldstoff in praktisch unbeschränkter Menge begehrt wird, gibt es nur ein Gut, das vom wirtschaftlichen Standpunkt, d. h. innerhal der durch das wirtschaftliche Prinzip gezogenen Grenzen, nicht beliebig vermehrbar ist: die menschliche Arbeit. An der Grenze menschlicher Arbeitsfähigkeit scheitert im letzten Grund jeder Versuch einer weiteren Ausdehnung der Bedarfsbefriedigung. Siehe jetzt auch die Erörterungen in meinem Aufsatz "*Die Entstehung des Preises*", Kap. VI.
    22) Eine  allgemeine  Ertragslehre in die Wirtschaftstheorie einzuführen, war der Hauptzweck meiner kleinen Schrift "Ertrag und Einkommen", Jena 1907. Denn die bisherige Wirtschaftstheorie kennt nur  spezielle  Einkommenstheorien, beruhend auf dem Axiom der Zurechnungslehre. Dieser Hauptinhalt meiner Schrift, die allerdings nur eine vorläufige und keine systematische Darstellung meiner Anschauungen enthält, ist von den Kritikern derselben bisher konsequent übergangen worden. Neuestens habe ich eine erneute Darstellung und erweiterte Anwendung meiner Grundanschauungen gegeben in dem Aufsatz "Die Entstehung des Preises aus subjektiven Wertschätzungen", Archiv für Sozialwissenschaft und Politik, Bd. 34.
    23) Vgl. dazu "Ertrag und Einkommen", Seite 50f
    24) Es ist kaum nötig zu erwähnen, daß das Buch PATTENs trotz seines Titels über die Theorie der Produktivität nichts enthält.
    25) siehe z. B. von PHILIPPOVICH, Grundriß, § 88.
    26) Etwas ganz anderes ist es natürlich, wenn ein Unternehmer bei der Kalkulation der Preise, auf die er  äußerstenfalls  im Konkurrenzkampf hinabgehen wird, auf das einzelne Produkt einen gewissen Minimalsatz an Gewinn rechnet, den er nicht zu unterschreiten hofft. Dieser wird dann dem volkswirtschaftlichen Grenzertrag gleichkommen. Aber eine Einrechnung des erwarteten Gewinns in die Produktionskosten ist schon deswegen unmöglich, weil der Unternehmer keinen bestimmten Gewinn  erwarten kann.  denn selbst wenn seine Preise feststehen, hängt doch der Gewinn von der ihm noch unbekannten Höhe des Absatzes ab. - In der neuesten Auflage seines Lehrbuches (§ 81) spricht von PHILIPPOVICH statt von "erwartetem" von einem  "gewöhnlichen"  Gewinn! - - - LEXIS, "Allgemeine Volkswirtschaftslehre", Seite 77, spricht nicht von "erwartetem", sondern von "normalem" Kapitalgewinn. "Für die beliebig vermehrbaren Güter bestimmt sich der normale Preis, um den der wirkliche Marktpreis mit mäßigen Aufschlägen schwanken soll, durch die jeweilig erforderlichen Produktionskosten mit Einschluß des normalen Kapitalgewinns." Vgl. zu all dem jetzt meine eingehende Kritik in dem Aufsatz über die Entstehung des Preises.
    27) Wie dieses Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge auch die Entstehung des  *Preises  und damit das Zentralproblem der ökonomischen Theorie erklärt, wird in dem oben erwähnten Aufsatz gezeigt.
    28) Ob die Campagna wieder neue besiedelt werden kann, ist eine Frage des Volkswohlstandes. Bisher hat selbst der Staat die dazu nötigen Mittel nicht aufbringen können. Richtig ist, daß auch manche politischen und sozialen Verhältnisse, nicht nur ökonomische Produktivitätsfragen heute die tatsächliche Besiedelung verhindern, aber die  Theorie  muß, wie gesagt, von solchen nicht ökonomischen Umständen eines konkreten Beispiels absehen.
    29) Für eine genauere Inhaltsangabe von GOSSENs Werk, das zwar heutzutage häufiger erwähnt, aber immer noch sehr wenig gelesen wird, verweise ich auf meinen Aufsatz: * Hermann Heinrich Gossen und seine Lehre, * in diesen Jahrbüchern 1910, Oktoberheft. Ich bin erst, nachdem ich obige Produktivitätstheorie selbständig entwickelt und in Wien vorgetragen hatte, wieder auf GOSSEN aufmerksam geworden.
    30) Die weitere Ausgestaltung zu einer völlig neuen Erklärung der Preisbildung findet sich im oben genannten Aufsatz. Ich möchte erwähnen, daß der vorliegende Aufsatz schon im Anschluß an die Wiener Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik und daher früher verfaßt wurde als jener über die Preistheorie.
    31) EUGEN von BÖHM-BAWERK, Grundzüge der Theorie des wirtschaftlichen Güterwertes, Conrads Jahrbücher, 1886, Bd. 47, Seite 508f.
    32) von PHILIPPOVICH, Grundriß, Bd. 2, Seite 109
    33) Charakteristisch wieder das Lehrbuch von PHILIPPOVICHs.
    34) Charakteristisch wieder das Lehrbuch von PHILIPPOVICHs.
    35) ADOLF WAGNER, Theoretische Sozialökonomik, Leipzig 1907, Seite 328 und 368.
    36) WAGNER, a. a. O., Seite 328 und 368.
    37) ALFRED MARSHALL, Principles of political economy, dritte Auflage, Seite 400-470. In der neuesten 5. Auflage enthalten nur einige Kapitel des 5. Buches im Titel diesen Ausdruck.
    38) von PHILIPPOVICH, a. a. O., neueste neunte Auflage § 70.
    39) Eine Kritik der neueren Entwicklung der Kali-Industrie und des die Überkapitalisierung fördernden deutschen Kaligesetzes vom Standpunkt dieser Produktivitätstheorie habe ich in einem Aufsatz im November- und Dezemberheft der neuen Zeitschrift "Recht und Wirtschaft" gegeben.
    40) Auf ihre verschiedenen Unterabteilungen braucht hier nicht eingegangen zu werden.
    41) Ein sehr wichtiges Ergebnis unserer Erörterungen mit bedeutsamen Konsequenzen für die übliche Lehre vom Seltenheitswert, auf die aber hier nicht eingegangen werden soll.