cr-3Die Sprache und das ErkennenDie Sprache als KunstGerber-Runze-Müller
 
GUSTAV GERBER
(1820 - 1901)
Kritik der Sprache
- I I -

Sprache und Erkennen
Die Sprache als Kunst
"Wenn wir nur anderes an den Dingen wahrnähmen, als eben Bilder! Und ferner für die Erfassung und Darstellung derselben als dieser Menschenbilder wiederum anderes als Bilder!"

Die Gattungsbegriffe, als die allgemeineren, sind besonders unvollkommen, sofern man immer mehr abstrahieren muß von den Besonderheiten, um sie bilden zu können, wie wenn man Gold und Silber unter die Gattung  Metall  bringt, sie kommen eben nur der Benutzung durch die Sprache zugute, welche durch sie zur schnellen Verständigung geschickter wird.

Daher rührt nun die Unsicherheit in der Bedeutung namentlich der zusammengesetzten Begriffswörter, wie denn z.B. selten moralische Begriffsnamen bei zweien Menschen dasselbe bedeuten; da kein Muster in der Natur da ist, nach welchem die Bedeutungen reguliert werden könnten, wie z.B. die von den Wörtern  spotten, betrügen, schmeicheln, Mord, Kirchenraub, Ruhm, Dankbarkeit.  Es lernen ja auch die Menschen von früh ab  erst  die Namen, wie  Ehre, Glaube, Gnade  etc. und bleiben dann beständig in Unsicherheit über sie, da diese notwendig in ihnen liegt. Die meisten Streitigkeiten drehen sich auch deshalb nicht sowohl um Begriffe, als um Worte; am wenigsten dem Irrtum ausgesetzt sind die Namen der einfachen Begriffe, wie  süß, sieben, Dreieck. 

So sind denn, wie LOCKE im zehnten Kapitel des dritten Buches auseinandersetzt, die Wörter gar sehr dem Mißbrauch anheim gegeben. Religiöse Sekten führen Wörter ein, die nur leerer Schall sind, wie z.B. das Wort  Materie  oder die  Weltseele  des PLATO, oder der Epikureer  Streben der ruhenden Atome nach Bewegung  etc. Es ist dies ein Punkt, über den sich in unsern Tagen SCHOPENHAUER vielfach ausgelassen hat.

Ferner werden - sagt LOCKE, andere Wörter höchst nachlässig, unrichtig und ungenau angewandt, wie z.B.  Ruhm, Weisheit  etc., oft auch wird dasselbe Wort mit verschiedenen Bedeutungen belegt, wozu die unnütze Geschicklichkeit des Disputierens viel beiträgt, namentlich aber wird darin geirrt, daß man die Menschenordnungen, in welche die Dinge durch ihre Namen gebracht werden, als den Dingen ansich zukommend erachtet.

Zu diesen letzteren Bemerkungen paßt als Erläuterung SCHOPENHAUERs Kunststück, welches er zum Besten gibt, auf solchem Kunststück nämlich

"beruhen eigentlich alle Überredungskünste, alle feineren Sophismen, denn die logischen sind für die wirkliche Anwendung offenbar zu plump. Wenn man z.B. von der  Leidenschaft  spricht, so kann man diese ebensowohl unter den Begriff der  größten Kraft,  des  mächtigen Agens  in der Welt subsumieren, als unter den Begriff der  Unvernunft,  und diesen unter den der  Ohnmacht  und  Schwäche.  Dasselbe Verfahren kann man nun fortsetzen bei jedem Begriff, auf den die Rede führt, von neuem anwenden. Fast immer teilen sich in der Sphäre eines Begriffs mehrere andere, deren jede einen Teil des Gebiets des ersteren auf dem ihrigen enthält, selbst aber auch noch mehr außerdem umfaßt: von diesen letzteren Begriffssphären läßt man aber nur die eine beleuchtet werden, unter welche man die übrigen unbeachtet liegen läßt, oder verdeckt hält."
Im Grunde, sagt SCHOPENHAUER, sind die meisten wissenschaftlichen, besonders philosophischen Beweisführungen nicht viel anders beschaffen: wie wäre es sonst auch möglich, daß sie vieles zu verschiedenen Zeiten, nicht für irrig angenommen, (denn der Irrtum selbst hat einen anderen Ursprung) sondern demonstriert und bewiesen, dennoch aber später grundfalsch befunden worden. SCHOPENHAUER findet solche Späße nur für die "Überredungskunst" geeignet, und sagt, daß ihre Möglichkeit beruhe auf der "eigentümlichen Beschaffenheit der Begriffe, d.i. auf der Erkenntnisweise der Vernunft" - sie beruht, wie wir gesehen haben, wesentlich auf der Eigentümlichkeit der Sprache.

Nach LOCKE also befindet sich der Mensch in der Wahrheit, so lange er die Sinneseindrücke rezipiert; will er dies aber in Worte fixieren, so hört die Sicherheit in dem Maße auf, als er sich vom Sinnlichen entfernt, denn die Worte als Bilder sind weder den Dingen adäquat, noch bedeuten sie überhaupt Dinge, sondern nur unsere Ideen von diesen.

Man tut wohl, LOCKE erst anzuführen, wenn man eine Übersicht gewinnen will, wie in der neueren Zeit Ansätze zu einer Kritik der Sprache gemacht wurden, denn LOCKEs Schriften haben in den Kulturstaaten bis in dieses Jahrhundert den größten Einfluß ausgeübt und stehen in genauem Zusammenhange mit den kritischen Untersuchungen unseres KANT, aber sehr wesentlich haben andere Engländer, namentlich BACON und HOBBES eine Kritik der Sprache schon vor ihm angebahnt.

BACON unterscheidet vier Arten von Götzenbildern, d.h. Vorurteilen:  idola tribus,  (Geschlechtsvorurteile, welche in der Natur des Menschen liegen)  idola specus,  (die Höhlen-Vorurteile der besonderen Individualität)  idola fori,  (die Vorurteile des Marktplatzes, welche aus der Rede sich erzeugen)  idola theatri,  (die Vorurteile, aus den philosophischen Theorien). Die Aufstellung der dritten Art geht auf eine  Kritik  der Sprache. Daß Definitionen nichts helfen können sieht er. Man habe Namen, zu denen keine Dinge gehörten, z.B.  Fortuna, Primum mobile, Planetarum Orbes  oder bei denen die Abstraktion in Konfusion geraten sei, wovon er an dem Begriff  Humidum  ein Beispiel durchgeht.

Besonders scharf und konsequent behandelt HOBBES die Kritik der Sprache. Die Dinge und Namen haben nichts miteinander zu tun. Das Allgemeine ist somit nur der Name eines Namens. Durch die Verbindung der Worte zu Sätzen kann demnach auch nur von diesen Worten etwas Wahres oder Falsches ausgesagt werden, nicht aber von den Dingen.

So hatte auch schon HERAKLIT, freilich mit mehr poetischer Auffassung gelehrt, der Weg zur Erkenntnis des Seienden gehe durch die Namen. Hierin liegt, wie LASSALLE richtig bemerkt, da die Sprache "Setzen des subjektiven Geistes" ist, ein Übergang zu den Konsequenzen des PROTAGORAS und der Sophistik. Der platonische SOKRATES sagt im KRATYLOS hierzu, daß wenn die Worte auch Bilder der Gegenstände seien, und man wirklich die Dinge durch die Namen kennen gelernt habe, man sie doch wohl noch sicherer und besser aus ihrem Wesen selbst, dessen Bild sie seien, erkennen würde.

Freilich die Dinge selbst! Wenn wir nur anderes an den Dingen wahrnähmen, als eben Bilder! Und ferner für die Erfassung und Darstellung derselben als dieser Menschenbilder wiederum anderes als Bilder! Und zwar sind diese Bilder nicht so ähnlich, wie etwa Nachgemaltes, sondern wie Nachgeschaffenes, Umgeschaffenes, eine Übersetzung ins Menschliche - und daher wird es in der Tat so sein, wie SOKRATES sagt:

"Mir auch selbst ja gefällt es, aß nach Möglichkeit ähnlich seien die Namen den Dingen, aber wenn nur nicht in Wahrheit dieser Zug der Ähnlichkeit zu dürftig ist, und es notwendig wird, jenes Gemeinere, die Übereinkunft, mit zu Hilfe zu nehmen bei der Richtigkeit der Worte."
Und so ist es in der Tat. Handelt es sich erst um eine  Richtigkeit  der Worte, d.h. will der Verstand, will die Wissenschaft sprechen, so bleibt nur Konvention, Definition, Periphrase nach Kräften übrig, und wird eine Menschen-Geister-Welt errichtet, welche zusammen wohl ein für uns analoges Bild der großen Welt bieten mag.

So schreibt z.B. HAMANN (an JAKOBI):
"Werdet wie die Kinder! heißt schwerlich so viel als: habt Vernunft, habt deutliche Begriffe! Gesetz und Propheten gehen auf Leidenschaft von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften - auf Liebe. Über die deutlichen Begriffe werden die Gerichte kalt und verlieren an Geschmack. Ich denke ebenso von der Vernunft, wie PAULUS vom ganzen Gesetz - ich traue ihr nichts als Erkenntnis des Irrtums zu, halte sie aber für keinen Weg zur Wahrheit und zum Leben. Der letzte Zweck des Forschens ist, was sich nicht erklären, nicht in deutliche Begriffe zwingen läßt.

Ich habe aber diese Untersuchung ganz aufgegeben, und halte mich jetzt  an das sichtbare Element, die Sprache.  Ohne Wort keine Vernunft, keine Welt. Hier ist die Quelle der Schöpfung und Regierung: was man in morgenländischen Zisternen sucht, liegt im  sensu communi  des Sprachgebrauchs, und dieser Schlüssel verwandelt unsere besten Weltweisen in sinnlose Mystiker, die einfältigsten Galiläer und Fischer in die tiefsinnigsten Forscher einer Weisheit, die nicht irdisch, menschlich und teuflisch ist, sondern einer heimlichen, verborgenen Weisheit Gottes - und diese Philosophie läßt keinen Rechtschaffenen, der an öden Stellen und Wüsten hingeängstet wird, ohne Hilfe und Trost."
JAKOBI sagt: (Allwills Briefsammlung)
"Werde ich es sagen, endlich laut sagen dürfen, daß sich mir die Geschichte der Philosophie je länger desto mehr als ein Drama entwickelte, worin Vernunft und Sprache die Menächmen spielen?"
Und weiter:
"Mehrere behaupten, es sei nun (nach KANT) das Ende (dieses Dramas) schon gefunden und bekannt. Vielleicht auch mit Recht ...  Und es fehlt nur noch an einer Kritik der Sprache, die eine Metakritik der Vernunft seine würde,  um uns alle über Metaphysik eines Sinnes werden zu lassen."
Wir verweisen hier nur kurz auf HERDER, der in den "Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit" sich ähnlich ausspricht, um noch einige Ausführungen JAKOBIs anzuführen. Es heißt bei diesem (DAVID HUME über den Glauben):
"Wer über seine Vorstellungen und den Vorstellungen von seinen Vorstellungen aufhört, die Dinge selbst wahrzunehmen, der fängt an zu träumen. Die Verknüpfungen dieser Vorstellungen, die Begriffe, die sich aus ihnen bilden, werden dann immer subjektiver, und in demselbigen Verhältnis an objektivem Inhalt ärmer. Wohl ist das ein großer Vorzug unserer Natur, daß wir fähig sind, von den Dingen solche Eindrücke, die uns ihr Mannigfaltiges unterscheidend darstellen, anzunehmen, und so das innere Wort, den Begriff zu empfangen, dem wir alsdann ein äußeres Wesen durch einen Schall unseres Mundes erschaffen, und ihm die flüchtige Seele einhauchen. Aber diese aus endlichem Samen gezeugten Worte sind nicht wie die Worte dessen, der da ist, und ihr Leben ist nicht wie das Leben des aus dem Nichts hervorrufenden Geistes.

Lassen wir diesen unendlichen Unterschied außer acht, so entfernen wir uns in demselben Augenblick von der Quelle aller Wahrheit, verlieren Gott, die Natur, und uns selbst. Und es ist so leicht, ihn außer acht zu lassen! Denn erst werden unsere der Natur abgeborgte Begriffe minder oder mehr nach subjektiven Bestimmungen der Aufmerksamkeit gebildet, fortgeleitet, verknüpft und geordnet. Hernach geht aus der erhöhten Fertigkeit zu abstrahieren, und willkürliche Zeichen an die Stelle Dinge und ihrer Verhältnisse zu setzen, eine solche blendende Klarheit hervor, daß die Dinge selbst davon verdunkelt und am Ende gar nicht mehr gesehen werden.

Nichts kann einem Traume ähnlicher sein, als der Zustand, in welchem sich der Mensch alsdann befindet. Denn auch im Traume sind wir nicht ohne alle Empfindung des Wirklichen. Aber die lebhafteren Vorstellungen überwiegen diese schwachen Eindrücke, und die Wahrheit wird im Wahn verschlungen."
JAKOBIs unrichtige Voraussetzung, als zeige uns, im Gegensatz zur Vernunft und zur Sprache, die unmittelbare, sinnliche Wahrnehmung, "die Dinge selbst", gebe uns "die Wahrheit", - braucht uns hier nicht zu beschäftigen; seine Kritik der Sprache in Bezug auf ihre Verwendung in der Wissenschaft ist darum nicht weniger treffend.

Wir führen ferner noch an aus JAKOBI (Über die Lehre des SPINOZA an den Herrn MOSES MENDELSSOHN / großenteils wiederholt in dem Briefe JAKOBIs an FICHTE):

"Das Prinzip aller Erkenntnis ist lebendiges Dasein; und alles lebendige Dasein geht aus sich selbst hervor, ist progressiv und produktiv. Das Regen eines Wurmes, seine dumpfe Lust ud Unlust könnten nicht entstehen, ohne eine nach den Gesetzen seines Lebensprinzips verknüpfende, die Vorstellung seines Zustandes erzeugende Einbildungskraft. Je mannigfaltiger nun das empfundene Dasein ist, welches ein Wesen auf diese Art erzeugt, desto lebendiger ist ein solches Wesen. Soll aber das in dem gegenwärtigen Augenblicke erzeugte Leben in dem folgenden nicht wieder untergehen, so muß das schaffende Wesen auch  erhalten  können.

Unter den Erhaltungsmitteln des Lebens (desjenigen Lebens, welches sich selbst genießt und allein den Namen des Lebens verdient) ist uns keines bekannt, welches kräftiger sich bewiese, als  Sprache.  Die enge Verbindung zwischen Vernunft und Sprache erkennt ein jeder; und ebenso, daß wir von einem höheren Leben als demjenigen, welches durch Vernunft besteht, keinen Begriff haben. Die vollkommenere Wahrnehmung und mannigfaltigere Verknüpfung erzeugt, in eingeschränkten Wesen, das Bedürfnis der Abstraktion und Sprache.

So entsteht eine Vernunftwelt, worin Zeichen und Worte die Stelle der Substanzen und Kräfte vertreten. Wir eignen uns das Universum zu, indem wir es zerreißen, und eine unseren Fähigkeiten angemessene, der wirklichen ganz unähnliche Bilder-, Ideen- und Wort-Welt erschaffen. Was wir auf diese Weise erschaffen, verstehen wir, insoweit es unsere Schöpfung ist, vollkommen; was sich auf diese Weise nicht erschaffen läßt, verstehen wir nicht; unser philosophischer Verstand reicht über sein eigenes Hervorbringen nicht hinaus." usw.-
KANTs Kritik wandte sich der Untersuchung einer "reinen Vernunft" zu, indem sie auf "allen Stoff und Beistand der Erfahrung" verzichtete; zu einer Kritik der Sprache fand sie demnach keine Veranlassung, sie hatte es nur mit Begriffen zu tun. Hiergegen richtete sich namentlich HAMANN in dem Aufsatz "Die Metakritik über den Purismus der reinen Vernunft", in welchem er die kantische Trennung der Sinnlichkeit und des Verstandes verwirft, "die  Sprache  als empirischen Purismus", "für das einzige, erste und letzte Organon und Kriterion der Vernunft" erklärt und ausführt, wie das ganze Vermögen zu denken auf  Sprache  beruhe, wenn sie auch der Mittelpunkte des Mißverstandes der Vernunft mit sich selbst sei.
"Laute und Buchstaben sind also reine Formen  a priori,  in denen nichts, was Empfindung oder zum Begriff eines Gegenstandes gehört, angetroffen wird, und die  wahren ästhetischen Elemente  aller menschlichen Erkenntnis und Vernunft."
Bei FICHTE finden sich nicht überall dieselben Ansichten über das Verhältnis der Sprache zum Gedanken. Es heißt einmal bei ihm (Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprunge der Sprache):
"Ich beweise nicht, daß der Mensch ohne Sprache nicht denken, und ohne sie keine allgemeinen abstrakten Begriffe haben könne. Das kann er allerdings vermittelst der Bilder, die er durch die Phantasie sich entwirft.  Die Sprache  ist meine Überzeugung nach für viel zu wichtig gehalten worden, wenn man geglaubt hat, daß ohne sie überhaupt kein Vernunftgebrauch stattgefunden haben würde."
So meint er  wortlos  denken zu können (Aus einem Privatschreiben)
"Erzeuge ich mir einen neuen Begriff, so bedeutet freilich das Zeichen, wodurch ich ihn für  euch  bezeichne ( denn für mich selbst bedürfte es überall keines Zeichens),  für eucht etwas Neues, das Wort erhält eine neue Bedeutung, da ihr bisher das Bezeichnete gar nicht besessen habt." etc.
Später modifizierte FICHTE seine Ansichten etwas. BUSSE (J.G. FICHTE und seine Beziehung zur Gegenwart des deutschen Volkes) sagt darüber:
"daß der  Philosoph Sprachbildner  ist, dies Bewußtsein ist FICHTEN erst aufgegangen, als er äußerlich genötigt wurde, (durch die Anklage auf Atheismus) sein Recht dazu zu verteidigen."
und:
"Er kommt nicht zu der Einsicht, daß er als Philosoph nichts als Sprachbildner ist, bedingt durch bestimmte, sprachliche Gebilde: sondern äußere Lebenserfahrungen nötigen ihm das Bewußtsein auf, aß er von der sprachlichen Tradition abhängig ist, daß er ein Recht hat, sprachbildend in die Geschichte seines Volkes einzugreifen. Auch hier gewinnt er nicht das Bewußtsein, daß seine philosophischen Begriffsbestimmungen durch die sprachliche Tradition seines Volkes und durch seine lebendige geschichtliche Individualität bedingt sind;  allein  faktisch nimmt er aus sprachlich gegebenen Wörtern seine philosophischen Begriffbestimmungen heraus."
SCHOPENHAUER, welcher die Spekulation nach KANT verwarf, bespricht verschiedentlich das Verhältnis der Begriffe zu ihrer Darstellung durch die Sprache, jedoch ohne besondere Förderung, z.B. in "die Welt als Wille und Vorstellung". Er sagt dort:
"Die enge Verbindung des Begriffs mit dem Wort, also der Sprache mit der Vernunft, beruht im letzten Grunde auf folgendem. Unser ganzes Bewußtsein, mit seiner inneren und äußeren Wahrnehmung, hat durchweg die Zeit zur Form. Die Begriffe hingegen, als durch Abstraktion entstandene, völlig allgemein und von allen einzelnen Dingen verschiedene Vorstellungen, haben in dieser Eigenschaft ein zwar gewissermaßen objektives Dasein, welches jedoch keiner Zeitreihe angehört. Daher müssen sie, um in die unmittelbare Gegenwart eines individuellen Bewußtseins treten, mithin in eine Zeitreihe eingeschoben werden zu können, gewissermaßen wieder zur Natur der einzelnen Dinge herabgezogen, individualisiert und daher an eine sinnliche Vorstellung geknüpft werden: diese ist das Wort.

"Es ist demnach das sinnliche Zeichen des Begriffs und als solches das notwendige Mittel, ihn zu fixieren, d.h. ihn dem an die Zeitform gebundenen Bewußtsein zu vergegenwärtigen und so eine Verbindung herzustellen zwischen der Vernunft, deren Objekte bloß allgemeine, weder Ort noch Zeitpunkt kennende Universalia sind, und dem an die Zeit gebundenen, sinnlichen und insofern bloß tierischen Bewußtsein. Nur vermöge dieses Mittels ist uns die willkürliche Reproduktion, also die Erinnerung und Aufbewahrung der Begriffe möglich und disponibel, und erst mittelst dieser die mit denselben vorzunehmenden Operationen, also  urteilen, schließen, vergleichen, beschränken  usw."
SCHOPENHAUER sieht vor allen Dingen nicht, daß eben die Begriffsbildung selbst nur durch die Sprache erfolgt. Er entwickelt, daß der Vernunft eine Funktion zukomme: Bildung des Begriffs, der nur im Geiste des Menschen vorhanden ist, und von dessen Wesen wir daher nimmer eine anschauliche Erkenntnis erlangen, sondern nur eine abstrakte.
"Nur denken, nicht anschauen lassen sie sich, und nur die Wirkungen, welche durch sie der Mensch hervorbringt, sind Gegenstände der eigentlichen Erfahrung. Solche sind die Sprache, das überlegt planmäßige Handeln und die Wissenschaft; hernach, was aus diesen allen sich ergibt. Offenbar ist die Rede, als Gegenstand der äußeren Erfahrung, nichts anderes, als ein sehr vollkommener Telegraph, der willkürliche Zeichen mit größter Schnelligkeit und feinster Nuancierung mitteilt.

Was bedeuten aber diese Zeichen? Wie geschieht ihre Auslegung? Übersetzen wir etwa, während der andere spricht, sogleich seine Rede in Bilder der Phantasie, die blitzschnell an uns vorüberfliegen und sich bewegen, verketten, umgestalten und ausmalen, gemäß den hinzuströmenden Worten und deren grammatischen Flexionen? Welch ein Tumult würde dann in unserem Kopfe während des Anhörens einer Rede oder des Lesens eines Buches!

So geschieht es keineswegs. Der Sinn einer Rede wird unmittelbar vernommen, genau und bestimmt aufgefaßt, ohne daß in der Regel sich Phantasmen einmengen. Es ist die Vernunft, die zur Vernunft spricht, sich in ihrem Gebete hält, und was sie mitteilt und empfängt, sind abstrakte Begriffe, nicht anschauliche Vorstellungen, welche ein für allemal gebildet und in verhältnismäßig geringer Anzahl, doch alle unzähligen Objekte der wirklichen Welt befassen, enthalten und vertreten usf."
Sofern nun die Sprache den Gedanken fixiert, fesselt sie ihn auch, sagt SCHOPENHAUER, und er bemerkt, daß dieses Hindernis durch die Erlernng mehrerer Sprachen zum Teil beseitigt werde.

Was den psychologischen Hergang beim Verstehen der Rede betrifft, so ist dessen Erklärung: "Es ist die Vernunft, die zu Vernunft spricht" ebenso nichtssagend als mystisch. - Man erfährt zuerst mehr oder minder vollständig, "wovon die Rede sein soll" - oder man entnimmt dies den Umständen, sonst kann man überhaupt Worte nicht verstehen. Vorläufig also empfängt die Seele gleichsam eine Bildersphäre, innerhalb welcher sich die Mitteilung hält. Die einzelnen Wörter werden nicht verstanden, sondern die Satzbilder. Wie nun diese im Bewußtsein aufblühn und aufblitzen, erleuchten sie bald diese, bald jene Stelle des Hauptbildes. Unsere Vorstellung folgt, deckt die Bildfläche bald hier, bald dort auf, gerät in Mitarbeit, bildet auch um und ergänzt.

Man sieht, wie wenig hier jemals von vollständigem Verständnis die Rede sein kann. Man nennt es Verständnis, wenn keine Veranlassung sich bot, daß die Verschiedenheiten der Vorstellungen hervortraten; diese zeigen sich aber unausbleiblich in dem Maße, als man später etwa ins Einzelne eindringt, um das volle Verständnis zu konstatieren. Die wissenschaftliche Abstraktion kann allerdings die Worte zu bloßen Formeln umzuwandeln scheinen, mit denen dann der Verstand nur rechnet, aber dadurch wird der Seele kein neuer Inhalt gewonnen, es wird der vorhandene nur rubriziert und reguliert.

Bei TRENDELENBURG findet sich zerstreut manche Bemerkung, welche unserer Auffassung entspricht. Von Interesse ist, daß er ("De Arist. categoriis" und "Geschichte der Kategorienlehre") zu zeigen suchte, wie die Kategorien des ARISTOTELES aus der Zergliederung des Satzes hervorgegangen sind. Von den hierher gehörigen Stellen in seinen Werken führen wir an (Logische Untersuchungen, Bd.II)

"Wenn sich die Philosophie in richtiger Selbsterkenntnis über die Mittel des Erkennens besinnt, träumt sie nicht mehr den riesenhaften Traum von einer adäquaten Erkenntnis Gottes,  in welchem man ausgesponnene Metaphern für bewiesene Wissenschaft ausgibt." 
ferner wo er SCHELLING widerlegt,
"die ganze große Identität des Erkennens und Seins hängt allein in der  Metapher  der Selbstbejahung";
ebenso wo SCHOPENHAUERs "Objektivität des Willens" eine " nichtserklärende Metapher"  genannt wird, wie sein Begriff vom Gewissen und wo gegen materialistische Ansichten bemerkt wird, daß sie von " der Metapher der Sprache"  in ihrer Erklärung des Selbstbewußtseins bestimmt werden, "und eine solche Erklärung löst sich mit dem Bilde, das nur Zeichen ist, von dem Wesen ab und zerrinnt." - Allgemein wird so der Satz hingestellt: "Alle Konstruktion (des Wesens Gottes) ist nur  ein Bild Gottes  aus der Welt." - Wer darüber hinausgeht, " dichtet ein theosophisches Gedicht"  und es findet sich zum Schluß als eine " künstlerische Tat  des Philosophen bezeichnet, wenn er "aus dem (ihm bekannten Bruchstück) (der Welt) den bildenden Geist entwirft", so daß "das Unendliche uns nun im Endlichen wie im Spiegel erscheint".

LITERATUR - Gustav Gerber, Die Sprache als Kunst, Berlin 1885