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ERNST STIEDENROTH
Theorie des Wissens
[mit besonderer Rücksicht auf Skeptizismus
und die Lehren von einer unmittelbaren Gewißheit]

[3/3]

"Es ist kaum zu begreifen, wie manche Denker so sehr in gewisse Argumentationen eingesponnen werden können, wenn man nicht bedenkt, wie sehr die Menschen gewöhnt sind, nur nachzudenken und sich ohne alle geistige Freiheit allein an die dargebotenen einseitigen Beispiele zu halten."

"Woher weiß denn der Skeptiker von jenem Substrat, welches er unter dem Namen Ich allen Vorstellungen, als Bestimmungen desselben, unterlegt? Er muß die Existenz des Subjekts, so wahr er der ist, der er ist, notwendig dahingestellt sein lassen; fällt ihm aber die Gewißheit von sich selbst als Subjekt weg, so fällt auch der Gegensatz zwischen Subjektivem und Objektivem und eben damit der ganze Skeptizismus, weil er ohne jenen Gegensatz gar nicht anheben kann."

"Die Wahrheit der Schlüsse gründet sich auf die Wahrheit der Urteile, die Wahrheit der Urteile auf die Wahrheit der Begriffe, diese aber ist vorausgesetzt, denn alles logische Denken geht nicht über Begriffsbildung hinaus. Die Wahrheit eines Schlusses durch einen neuen Schluß beweisen wollen, würde töricht sein, weil dieser neue Schluß gleichfalls eines Beweise bedarf und sich so jener alte Weg zum Unendlichen wieder auftut, der mit dem Weg zum Nichts der Erkenntnis ein und derselbe ist."


Zweiter Abschnitt
Kritik der gegen das
Wissen gerichteten Lehren


A. Skeptische Beweise

Schon in der Einleitung ist gezeigt, daß alle Philosophie entweder empirisch ist oder rational, d. h. daß sie entweder der äußeren und der inneren Erfahrung folgt oder die Unzulänglichkeit derselben erkennend, sie durch Anerkennen, Verwerfen und Umbilden berichtigt. Damit ist zugleich eine verschiedene Ansicht vom Wert des Gegebenen unzertrennlich, indem der Empirismus behauptet, die Erfahrung liefere richtige Erkenntnis, der Rationalismus hingegen diese leugnet. Wohl versteht es sich aber von selbst, daß auch die rationale Philosophie vom Gegebenen, d. h. von der Empirie ausgeht; denn über nichts läßt sich nicht philosophieren. Die kritische Philosophie ist in dieser Beziehung Rationalismus, in Bezug auf ihre Resultate Dogmatismus und kann auf keine Weise die dritte Stelle, auf die sie Anspruch macht, einnehmen. Der Empirismus erweitert die Erfahrung, oder will sie zumindest durch Schlüsse erweitern; der Rationalismus verwirft die Erfahrung durch Schlüsse und berichtigt sie auf dieselbe Weise. Beiden ist also das Argumentieren gemein und so muß es drei verschiedene Arten des Skeptizismus geben oder sie müßten noch werden, wenn sie nicht schon vorhanden wären: den empirischen, den rationalen, den logischen. Freilich wollen neuere Skeptiker nichts von solchen verschiedenen Arten wissen; ihne ist der Skeptizismus einer, ohne weitere Beinamen und nur verschiedene Darstellungen wollen sie gelten lassen. Allerdings ist es gewiß, daß aller Skeptizismus auf das Endresultat hinausläuft: ich weiß nicht, ob ich etwas weiß, was offenbar mit der anderen Formel: ich weiß nichts, zusammenfällt; allein ebenso gewiß ist es, daß nicht allein Endresultate, sondern auch Prinzipien eine Verschiedenheit der Systeme und Lehren begründen und jene Darstellungen sind entweder dieselben, nur anders eingekleidet oder nicht. Sind sie nun nicht dieselben, wie sie es in der Tat nicht sind, so muß ihr Resultat durch eine verschiedene Argumentation und diese durch verschiedene Prinzipien bewirkt sein; was dann verschiedene Arten des Skeptizismus ergibt. Wollte man dies nicht zugeben, so müßte es auch nicht verschiedene Arten des Pantheismus, verschiedene Arten der spekulativen Theologie geben, woran doch niemand zweifelt und zweifeln kann. Fallen diese Lehren in ihren Resultaten zusammen, so bringt man sie unter eine gewisse Rubrik, welche jedoch die Verschiedenheit derselben untereinander nicht aufhebt.

Wenn der Skeptizismus ferner seine Demonstrationen dadurch schützen will, daß er behauptet, sie dürften nicht als eigentliche Demonstrationen angesehen werden, dieselben wären im Grunde nur gewisse unmittelbare Aussprüche dieses oder jenen Bewußtseins, um mehrerer Deutlichkeit willen in eine schulgerechte Form gebracht, so werden wir eben sehen, ob sie dafür angenommen werden können und ob sie nicht vielmehr alle für halbe, unbesonnene und auf jede Weise flache Ansichten des im Bewußtsein Gegebenen gehalten werden müssen.

Prätendiert schließlich der Skeptizismus gar noch, wie PLATNER sagt, eine gewisse Laune, die Dinge von einer eigenen Seite aus anzusehen, so dient hierauf zur genügenden Antwort, daß dergleichen Launen mit dem Zweck und der ernsten Würde des Philosophierens ganz unvereinbar sind, und daß die Dinge von keiner anderen Seite angesehen werden dürfen, als von der, von welcher sie ihrer Natur nach angesehen werden wollen, weil sie sich so und nicht anders zeigen.

Nach diesen Vorerinnerungen dürfen wir zur Erwägung der einzelnen Arten übergehen.


1. Empirischer Skeptizismus

Der empirische Skeptizismus greift entweder die Prädikate, welche den Dingen zuzukommen scheinen, von der subjektiven oder objektiven Seite an. Wenn er in jener Beziehung weitläufig wird und zeigt, wie wir die wahren Eigenschaften der Dinge nicht erkennen können, weil sie dem einen so, dem andern anders und wieder demselben in verschiedenen Lagen und Entfernungen verschieden erscheinen, so daß dieser etwas angenehm oder sonstwie findet, während jener das gerade Gegenteil behauptet, so werden wir ihn sehr gern gewähren lassen, und ohne ihm die Schreckgestalt des Idealismus entgegenzuhalten, freiwillig erkennen, daß er uns teilweise recht belehrt hat, nicht aber, wie er, an der Erkenntnis der Wahrheit verzweifeln - was voreilig wäre -, sondern uns begnügen, geradezu zu behaupten, daß, was er bestreitet, allerdings nicht so ist. Wenn er ferner in jener objektiven Beziehung eine Menge von Widersprüchen in der Erfahrung aufdeckt, so ist dies verdienstlich und Rationalismus ist bloß dadurch ein solcher, daß er, über den Widersprüchen philosophierend, mit ihrer Lösung beschäftigt ist. Voreilig ist es aber wieder, nach der Entdeckung der Widersprüche die Erforschung der Wahrheit aufzugeben, und ihre Lösung nicht zu versuchen. Daher muß auch diese Art des Skeptizismus sogleich abgewiesen werden, weil über ihr der Rationalismus ein neues System begründet, und so würden wir uns sogleich zu den Argumentationen wenden müssen, die diesem entgegengesetzt sind, wenn nicht unter den empirischen Beweisarten eine hervorragen würde, welche zwar von jenem Rationalismus anerkannt wird, partiell nämlmich, der von den angeborenen Begriffen redet, oder den von der Erfahrung ganz unabhängig erzeugten, nicht aber von jeder rationalen Philosophie. Diese Beweisart ist die HUMEs, welche widerlegt sein wird, wenn wir zeigen, daß sie, ohne das vorauszusetzen, was sie vernichten will, gar nicht hätte zustande kommen können, wenn wir ferner zum Überfluß alles, was das Kausalitätsverhältnis fordert, in der Anschauung wirklich zeigen, und folglich den Ursprung dieses Begriffs und damit die Gültigkeit desselben bündig deduzieren, was diejenigen freilich befremden wird, welche seit KANT glauben, es sei zum Heil der Philosophie notwendig, daß dieser Begriff völlig a priori im kantischen Sinn ist und glücklicherweise wird es dann auch so befunden, ja welche diesen Begriff in die Vernunft setzend, sich gar geäußert haben, ohne Vernunft gebe es keinen Verstand und der letztere ruht auf jener.

HUME ging nicht von der Gewißheit aus, daß unsere Vorstellungen aus der Erfahrung stammen, denn in diesem Fall hätte er sich gleich von vornherein selbst widerlegt, sondern nur von der Voraussetzung; er nahm die damals in England allgemein herrschende Erfahrungsphilosophie problematisch an, um zu sehen, wohin sie führt und welche Ansprüche sie machen kann.

Seine Reflexion über dieselbe führte ihn zu folgender Argumentation: Wenn alle unsere Vorstellungen nur insofern gültig sein sollen, als sie aus der Erfahrung stammen, so müssen auch die Begriffe von Ursache und Wirkung, Kraft und die damit verwandten Begriffe von Tätigkeit, Leiden, Verknüpfung, Notwendigkeit, um eine reale Bedeutung und Brauchbarkeit zu haben, aus der Erfahrung unmittelbar oder mittelbar entstanden sein. Um zu erfahren, ob sie daraus entstanden sein können, müssen wir auf die Erfahrung achten. Sollen wir uns hier aber nicht täuschen, so müssen wir zuvor genau bestimmen, was durch das Kausalverhältnis gedacht wird und welche Bestimmungen davon unzertrennlich sind. Hier findet sich, daß diejenigen Dinge, welche im Kausalverhältnis stehen sollen, aneinander grenzen, sich einander berühren müssen; daß die Ursache in der Zeit vor der Wirkung sein muß, weil sie die Bedingung der Wirklichkeit der Wirkung ist; daß ferner Ursache und Wirkung nicht etwa in einer zufälligen, sondern in einer notwendigen Verbindung stehen müssen, was ohne Zweifel die wichtigste und unentbehrlichste Bestimmung im Verhältnis ist.

Erwägen wir nun, was wir in den Kausalnexus setzen, so finden wir die beiden ersten Bedingungen allerdings; nicht so die dritte. Weder die äußere noch die innere Erfahrung zeigt das Vermittelnde, dasjenige, was die Wirkung bestimmt und notwendig hervorgebracht haben soll; ja dieser Mangel findet sich selbst bei den Verhältnissen, bei denen wir der Ursache und Wirkung am meisten gewiß zu sein glauben, wie bei den Willensverhältnissen, so nichts destoweniger die Einsicht in das Band zwischen dem Willen und dessen Folgen durchaus fehlt. Freilich scheint das Kausalverhältnis durch eine Menge gleichartiger Erfahrungen sehr augenscheinlich zu werden und es leidet keinen Zweifel, daß eben diese uns zum Schluß einer ursächlichen Verbindung führen, allein die Menge verbessert offenbar die Sache nicht und wer sagt uns außerdem, daß das, was sehr lange oder sehr oft den beiden ersten Bedingungen des Begriffs entsprochen hat, auch immer so gewesen ist. Die Erfahrung kann in ihrer Begrenztheit ein solches nicht lehren. A priori kann dieser Begriff auch nicht sein, denn offenbar müßten wir, wenn dies der Fall wäre, beim ersten Anblick eines Gegenstandes sogleich angeben können, welche Wirkungen er haben würde. Hierüber aber vermögen wir nichts auszusagen, und erst dann, wenn wir dieses und jenes oft auf ihn folgen gesehen haben, legen wir ihm diese oder jene Kraft und Wirksamkeit bei.

So ergibt es sich dann, daß die Begriffe von Ursache und Wirkung keine Abdrücke gegebener Verhältnisse sind, daß sie auch durch keine Verhältnisse mit innerer Notwendigkeit gebildet sind, daß ihnen folglich keine reale Bedeutung zukommt, d. h. daß wir uns nicht anmaßen dürfen, durch ihren Gebrauch wirkliche Verhältnisse unter den Dingen erkannt zu haben, sondern nur annehmen, daß wir dadurch unseren Vorstellungen eine gewisse Ordnung, ohne Rücksicht darauf, ob ihnen außer uns etwas entspricht oder nicht, gegeben haben.

Da sind diese Begriffe jedoch einmal, und so müssen sie irgendwie entstanden sein. Die volle Einsicht in die Täuschung kann nur dann erhalten werden, wenn wir ihren Ursprung aufdecken. Hierüber mag uns wieder der Lauf unserer Vorstellungen belehren. - Wenige Erfahrungen setzen und nicht in den Stand, zwei Dinge in einen Kausalnexus zu setzen; hierzu werden öftere erfordert. Haben wir aber eine öftere Folge ähnlicher Begebenheiten wahrgenommen, so wird der Geist gewöhnt, nach dem Dasein der einen das Dasein der anderen zu erwarten, welche damit ehemals verknüpft gewesen ist, indem die Phantasie, gemäß ihren Assoziationsgesetzen - Gleichzeitigkeit und Ähnlichkeit - beide zusammen vorstellt. Wird diese Erwartung nun zufällig erfüllt, so wird die Verknüpfung solcher Vorstellungen so fest, daß nichts sie aufzulösen und zu trennen vermag. Daher dann die Meinung, weil unsere Vorstellungen in einer notwendigen Verbindung stehen, sei auch das Vorgestellte unabhängig von der Vorstellung im selben Verhältnis. Allein diese Meinung trägt etwas auf die Dinge über, was nicht in ihnen, wie sie wahrgenommen werden, liegt; vielmehr zeigen die gegebenen Erörterungen zur Genüge, daß der Kausalitätsbegriff ein Produkt der Selbsttäuschung, folglich ohne reale Bedeutung und Gültigkeit ist. Ist er dies aber, so bedarf es nur einer leichten Erwägung seines bisherigen Gebrauchs, um einzusehen, daß es ohne ihn keine Philosophie geben würde, folglich, daß es eine Philosophie gibt. Ich weiß nichts, ist daher das Endresultat des gründlichen Forschers.

Gegen diese Argumentation den gesunden Menschenverstand auftreten lassen, wie einige englische Philosophen getan haben, würde in der Tat töricht sein. Denn soll dieser das höchste Tribunal in philosophischen Angelegenheiten sein, so hat die Philosophie schon vor ihrem Anfang ein Ende. Oder soll sie ihn etwa von Irrtümern reinigen wollen? Diese würde eine Verletzung seiner Majestät sein, die ja aber anerkannt wird. Also soll er die Philosophie in ihre Schranken weisen; dann ist es an ihm genug, und diese ist unnötig. Oder soll sie nur bewähren, was er ausspricht? Dies hieße die Philosphie in Fesseln schlagen, welche sie ihrem Zweck nach nicht tragen darf.

Ebensowenig hat KANT den Skeptizismus HUMEs widerlegt. Mochte er auch immer jenen Begriff a priori deduzieren, oder vielmehr nur sagen: er ist so und so entstanden, was hatte er damit gewonnen? Nichts für die Erkenntnis. Und selbst die Deduktion konnte nicht stattfinden, ohne die vorläufige Anwendung desselben Begrifffs, dessen Anwendung von HUME eben für ungültig erklärt wurde. Offenbar hätte er die für ihn so wichtige Argumentation in sich selbst, oder durch das Aufzeigen vollständig gegebener Kausalverhältnisse widerlegen müssen.

Wenn HUME die Gültigkeit des Kausalbegriffs bündig bestreiten wollte, so durfte er nicht bloß zeigen, daß die Erfahrung nicht darstellt, was in ihm gedacht wird, sondern er mußte ihn als eine Wahnvorstellung ganz eigenlich deduzieren, wie er es auch getan hat. Diese Deduktion aber hebt sich durch den Gebrauch des bestrittenen Begriffs überall selbst auf. Die öftere Folge gewisser Begebenheiten wird als Ursache der Gewöhnung des Geistes angegeben, die gewöhnlich folgende nach der gewöhnlich vorangehenden wiederzuerwartenden; die vermeintlich oder wenigstens vorausgesetzt zufällige Erfüllung dieser Erwartung soll die Ursache einer unzertrennlichen Verknüpfung beider Vorstellungen sein; diese Verknüpfung schließlich wird angeführt als Ursache des Begriffs von einer inneren, notwendigen Verknüpfung und Abhängigkeit der durch die verbundenen Vorstellungen gedachten Gegenstände oder als Ursache des Begriffs der Kausalität. Lauter Ursachen, um die Entstehung des ganz falschen Begriffs von Ursache und Wirkung zu zeigen! Das Argument gegen das a priori des Begriffs könnte besser sein, denn was hat das Vorhandensein des Begriffs mit den besonderen, einzelnen Fällen zu tun, das allgemeine dadurch gedachte Verhältnis angenommen? Wie kann man vernünftigerweise verlangen, daß in und mit dem Begriff, wenn er a priori sein sollte, zugleich die besondere Art des Verhältnisses gegeben sein muß, welche ja offenbar von der Natur der in Verbindung tretenden Gegenstände abhängt, folglich, da diese noch nicht a priori gegeben sein kann, immer nur empirisch erkannt werden kann, es mag sich mit dem Begriff verhalten, wie es will?

So bleibt uns der Begriff von Kausalität stehen. Die Deduktion hebt sich auf, der Beweis gegen das a priori ist unhaltbar, und es frägt sich nur noch: hat der Skeptiker auf die Erfahrung zu einseitig reflektiert oder ist der Begriff wirklich a priori. Im letzteren Fall würde in der Tat, wenn die Erkenntnis dessen, was ist, werden sollte, eine prästabilierte [vorgefertigte - wp] Harmonie zwischen den Kausalfällen und einem praktischen Hervortreten des Begriffs angenommen werden müssen, und das umso mehr, als gar keine Einwirkung der gegebenen Fälle angegeben werden darf, ohne sogleich alle Bedingungen des Verhältnisses empirisch vollständig vor sich zu haben. Diesen wichtigen Punkt sollten doch diejenigen nicht aus den Augen verlieren, welche noch jetzt für das a priori, als einziges Rettungsmittel kämpfen, ohne zu bedenken, daß eben damit alles verloren wird. Die empirische Entstehung wäre also wünschenswerter und glücklicherweise leidet sie auch keinen Zweifel.

Auch diejenigen, welche das a priori des Kausalbegriffs annehmen, können doch nicht leugnen, daß er nicht rein, sondern erst durch die Erfahrung geweckt, hervortritt, und weiter können sie das a priori nicht direkt, sondern nur indirekt beweisen durch die Anwendung eben jener Gründe, welche HUME zur Bestreitung der Gültigkeit des Begriffs überhaupt gebrauchte. Hier aber ist keineswegs derselbe Fall, wie bei den sittlichen und ästhetischen Ideen, welche notwendig vorausgesetzt werden müssen, wenn sittliche und ästhetische Auffassungen und das damit verbundene Wohlgefühl oder widrige Gefühl stattfinden sollen, und nicht erst von außen durch die Erscheinungen, welche ohne die Ideen vom Anfang an ganz gleichgültig sein würden, in das Gemüt gekommen sein können; vielmehr, da hier kein Element des Verhältnisses subjektiv, sondern das ganze Kausalverhältnis rein objektiv ist, so kann auch selbst dann, wenn die Erfahrung die vollen Bedingungen, welche der Begriff erfordert, nicht darstellen sollte, nicht mit Bündigkeit geschlossen werden, daß dieser vor der Erfahrung sich im menschlichen Geist finden muß. Immer kann gedacht werden, daß er durch den Schein notwendiger Abhängigkeit, welcher gar nicht geleugnet werden kann, mit Notwendigkeit entsteht, und auch bei einer solchen Annahme würde er seine Gültigkeit solange behalten müssen, bis ein innerer Widerspruch mit der mit dem Begriff notwendig verknüpften Ansicht gefunden würde, wie dieses z. B. bei anderen Begriffen, dem Begriff des Raums, der Zeit, der Materie der Fall ist. Und sollten solche Widersprüche auch gefunden werden und Einfluß haben auf die Ansicht des realen Verhältnisses der in einem Kausalverhältnis stehenden Gegenstände oder auf die Ansicht der Art und Weise, wie die Wirkung im allgemeinen vollbracht wird, ob durch Übergang oder Widerstand, oder auf andere Art, so würde doch die Gültigkeit des Begriffs überhaupt durch das Allgemeine, welches die mehreren Erscheinungen ergeben, d. h. durch die aufgefundene Regel, nach welcher wir eine Wirkung nicht bloß außerhalb von uns erwarten, sondern sie selbst mit voller Sicherheit und mit Glück hervorbringen, immer nur bestätigt werden, und ein Skeptiker würde vergeblich auch nur ein einziges Argument ersinnen wollen, welches dieses nie fehlende Eintreffen als zufällig annehmbar macht. Es würde kaum zu begreifen sein, wie manche Denker so sehr in gewisse Argumentationen eingesponnen werden könnten, wenn man nicht bedächte, wie sehr die Menschen gewöhnt sind, nur nachzudenken und sich ohne alle geistige Freiheit allein an die dargebotenen einseitigen Beispiele zu halten. Abgesehen von dieser durchaus denkbaren Erzeugung durch den Schein und der eben deshalb völlig unnötigen Annahme des a priori, findet sich auch im menschlichen Geist selbst ein volles Kausalverhältnis mit allen nötigen Bedingungen als gegeben vor. Wenn nämlich eine oder mehrere Vorstellungen als Grund eine andere Vorstellung als Folge mit Notwendigkeit erzeugen, so sind im Hinblick auf die Entstehung die Grundvorstellungen die Ursache der Folgevorstellungen und diese die Wirkung von jenen; die innere notwendige Verknüpfung aber, entgegengesetzt der zufälligen, liegt eben im Inhalt der Vorstellungen oder im Verhältnis des Grundes zur Folge, wobei dieses Verhältnis rein ideal ist, einem jeden Bewußtsein klar zutage liegt und somit wird die empirische Entstehung, wie die Gültigkeit des Kausalbegriffs, vollkommen gerechtfertigt sein. Den Vorwurf allzugroßer Weitläufigkeit bei der Widerlegung von HUMEs Skeptizismus werden diejenigen aber hoffentlich nicht machen, welche wissen, welches Unwesen jene scheinbar so wichtige und so geprieses Argumentation noch immer in den Köpfen eines großen Teils der deutschen Philosophen treibt und welchen Einfluß sie hat auf die Bestimmung der sogenannten Denkbegriffe und die Lehren von Verstand und Vernunft.


2. Rationaler Skeptizismus

Wenn die erste Art des Skeptizismus sich auf die Gültigkeit der Vorstellungen unter empiristischen Voraussetzungen bezog, so setzt sich der rationale Skeptizismus der Objektivität der Vorstellungen, folglich dem Wissen, überhaupt entgegen, ohne Rücksicht auf die Quellen der Vorstellungen zu nehmen, und ohne sich darum zu kümmern, ob der ihm gegenüberstehende Dogmatismus positiv oder negativ ist, d. h. ob er ein objektives Wissen im engeren Sinne wissenschaftlich bejaht, dadurch, daß er es zu begründen versucht, oder ob er ein solches wissenschaftlich verneint, und damit eine Subjektivitätslehre aufstellt. Mit dem letzteren kann der Skeptizismus leicht verwechselt werden, doch ist der Unterschied bedeutend. Jener lehrt durch Analyse der menschlichen Erkenntnis, daß der Mensch von allem objektiven Wissen abgeschnitten ist; dies aber weiß er gewiß; dieser hingegen weiß gar nichts, als daß man überhaupt nichts wissen kann und nur sein Wissen eines allgemeinen Nichtwissens sucht er zu rechtfertigen. Die Gründe, mit denen er dies rechtfertigen will, sollen in einer Reflexion liegen teils über die Bedingungen des Wissens, teils über eine Einrichtung der menschlichen Natur, durch die die Unmöglichkeit des Wissens evident werden soll.

Zum Wissen soll nun erforderlich sein, daß zu den Vorstellungen nichts aus dem erkennenden Subjekt selbst hinzugetan wird. Es ist aber denkbar, daß sie ganz aus dem Subjekt selbst entspringen; ferner, daß sie doch zumindest durch dasselbe einen Zusatz erhalten, wodurch sie zu diesen oder jenen Vorstellungen werden. Soll wahrhaftes Wissen sein, so muß es sich bündig darlegen lassen, woher die Vorstellungen stammen, und wenn sie ja von außen stammen, wieviel sich in ihnen Objektives oder Subjektives finden mag. Das aber ist es eben, worüber man durchaus nicht bis zur Evidenz gelangen kann; denn wir können dem Ursprung und der Entstehung der Vorstellungen nicht zuschauen, vielmehr werden wir uns ihrer erst dann bewußt, wenn sie vollkommen fertig sind. Vergleicht man die Vorstellungen miteinander, so hat es gar sehr den Anschein, als wenn das, was wir vorausgesetzten Dingen ansich als Prädikat zuschreiben, nur eine Beziehung ist, die als solche größtenteils von unserer Subjektivität abhängt. Um genau zu wissen, wie es sich damit verhält, müßten wir aus unserem Selbstbewußtsein, in welchem die Vorstellungen fertig sind, heraustreten, und sie mit den Dingen vergleichen können, was schlechterdings unmöglich ist. Lassen sich die Objekte nun nicht ansich erkennen, so gibt es kein objektives Wissen, denn aus denselben Gründen folgt, daß es unmöglich ist, die Nichtübereinstimmung der Vorstellungen mit den Dingen zu beweisen. Ohne ein solches objektives Wissen im engeren und weiteren Sinn - denn auch das subjektive ist in gewissem Sinn objektiv - gibt es kein unbedingt gültiges, also auch kein allgemein gültiges Wissen. Doch wird damit nicht geleugnet, daß es nicht eine für alle Menschen von reiner Empfänglichkeit gültige Erkenntnis geben kann, denn offenbar haben alle Individuen, welche unter den Begriff Mensch fallen, eine gewisse gemeinschaftliche Einrichtung. Solche Erkenntnisse also, in denen alle Menschen übereinkommen, haben offenbar mehr Wert, als andere, in denen dies nicht der Fall ist - (der Skeptizismus muß also wohl wenig Wert haben!) - denn diese sind offenbar bloß subjektive Erzeugnisse, wogegen die Wahrheit jener nur zweifelhaft ist. Für solche Erkenntnisse darf man die logischen, die mathematischen und die aus innerer oder äußerer Erfahrung stammenden ansehen.

Die, welche über diese Gegenstände hinausgehen, bilden Hirngespinste, und sind miteinander in einem ewigen Streit. Schon dieser Streit, der nun gedauert hat, solange man philosophiert, kann den unbefangenen höchst mißtrauisch gegen alles angebliche Wissen machen. Es scheint jene Spaltung auf eine Verschiedenheit der Organisation hinzudeuten. Der menschliche Geist ist so alt, und hat so lange spekuliert, daß er die Wahrheit, wäre er anders fähig sie zu finden, längst gefunden hätte. Da dies nicht der Fall ist, so folgert man mit Recht, daß er die Fähigkeit dazu nicht besitzt und die Systeme der Philosophen gelten deshalb dem Skeptiker nur für Produkte philosophischer Idiosynkrasien [Mischungen - wp]. Hat der Skeptiker dies alles erwogen, so läßt er sich durch die scheinbarsten Gründe nicht zum kategorischen Urteil über objektive Gültigkeit verleiten (epoche) und daraus geht eine Ruhe und Heiterkeit der Seele hervor (atarxia), die nichts in der Welt zu trüben vermag (1)).

Wer diesen Skeptizismus zum ersten Mal vernimmt, ist geneigt, ihr für einen furchtbaren Gegner zu halten, mit dem man schwerlich einen guten Kampf kämpfen dürfte; wer ihn näher untersucht, findet bald, daß seine Waffen mehr schimmern, als schneiden; wer ihn endlich, im Philosophieren geübt, nach allen Seiten durchmustert, findet ihn lächerlich und absurd zugleich, und ist sehr aufgelegt, ihn unter allen philosophischen Denkweisen für die schlechteste zu erklären.

Zuerst werden wir einige beiläufige Äußerungen zurückweisen müssen, welche im Leben verbreitet gerade den stärksten Eindruck zu machen pflegen, wie jene über den unbeendeten Streit der Philosophen und das Alter des spekulierenden Geistes. Sollte man nicht glauben, der Skeptiker werde sich gar nicht erhoben haben, wenn die Philosophen nur in allen wesentlichen Punkten einig gewesen wären? Was hat diese Einigkeit mit der Wahrheit gemein, deren Kriterium doch hoffentlich keine Übereinstimmung der Urteile der Denker ist? Woher weiß ferner der Skeptiker, daß die verlassenen Systeme keine Wahrheit enthalten haben? Ist ihm das Verlassen etwa selbst Beweis ihrer Falschheit, und ist er so stumpf, um die zutage liegenden Ursachen nicht einzusehen, welche eine Verschiedenheit der Systeme bisher hervorgebracht haben, und ferner hervorbringen müssen, selbst dann hervorbringen müssen, wenn auch alle Denker, die bis zu einem gewissen Punkt der Tiefe durchzudringen imstande sind, nur ein System haben sollten? daß eben deshalb Systeme, und wenn sie auch durchaus wahr sein sollten, nicht unausgesetzt herrschen, oder auch nur hie und da gehegt werden können, sondern wie der Geist eines Volkes leichter und flacher wird, notwendig wieder verlassen werden müssen? Wenig Kenntnis setzt schließlich die Behauptung des bedeutenden Alters des menschlichen Geistes voraus; faßt man die Jahre zusammen, in denen der menschliche Geist in alter und neuer Zeit wahrhaft mündig war, d. h. reif und voll Kraft für unbefangene Spekulation, so findet sich eine sehr geringe Summe.

Um nicht allzusehr abzustoßen, eröffnet der Skeptiker den Menschen eine Hintertür, durch welche sie zu einem Schatten von Wahrheit hindurchdringen sollen. Er legt nämlich den Ansichten, in welchen die Menschen so ziemlich übereinstimmen, einen vorzüglichen Wert bei, ja er gibt solche Ansichten zu, in denen sie, sofern sie nur nicht irre sind, übereinstimmen müssen - man weiß selbst nicht warum. Diese Ansichten bezeichnet er als allgemein-menschengültig oder als menschlich wahr. Wie aber weiß der Skeptiker als solcher von anderen Menschen, er, der nicht einmal von sich selbst wissen kann, sondern sich notwendig zwischen dem äußersten Idealismus und dem Realismus in strengster Mitte halten muß? Der Standpunkt des gemeinen Menschenverstandes ist dem Skeptizimsu durchaus zuwider und schließt ihn aus; sofern also jemand Skeptiker ist, kann er nicht auf jenem stehen und von jenem aus seinem Skeptizismus einen gefälligen Anhang geben.

Dies führt zu den Widerlegungen der eigentlichen skeptischen Argumentation, welche darauf hinausläuft, zu zeigen, daß diese sich selbst aufhebt, und auch abgesehen hiervon auf einer letzten, ganz falschen Voraussetzung ruht.

Der Skeptizismus hat seinen Stützpunkt im Gegensatz des Objektiven und Subjektiven; alle Reden desselben beziehen sich auf die Ungewißheit, wieviel Subjektives die menschlichen Vorstellungen enthalten mögen, und ob ihnen nur überall etwas Äußeres entspricht. Der Skeptizismus muß folglich, um sich bilden zu können, das Subjekt als gewiß voraussetzen. Ein Skeptiker steht als solcher nicht auf dem Standpunkt des gemeinen Menschenverstandes, sondern auf einem philosophischen Standpunkt, also über den Urteilen jenes Menschenverstandes den philosophischen Systemen gegenüber. Hier aber ist ihm das Subjekt gerade so ungewiß, wie das Objektive im engeren Sinn, oder er hat wenigstens eine adäquate Vorstellung, mit der mehrere andere sogleich zusammenhängen und der Skeptizismus hört auf. Woher weiß denn der Skeptiker von jenem Substrat, welches er unter dem Namen Ich allen Vorstellungen, als Bestimmungen desselben, unterlegt? Er muß die Existenz des Subjekts, so wahr er der ist, der er ist, notwendig dahingestellt sein lassen; fällt ihm aber die Gewißheit von sich selbst als Subjekt weg, so fällt auch der Gegensatz zwischen Subjektivem und Objektivem und eben damit der ganze Skeptizismus, weil er ohne jenen Gegensatz gar nicht anheben kann. Es haben wohl neuere Skeptiker, so wie auch andere, welche sich zum Widerlegen unfähig fühlten, dem strengen Idealismus ihre Verachtung angedeihen lassen; sie könnten aber an diesem Beispiel, so wie an mehreren anderen sehen, wozu die Erscheinung des Idealismus benutzt werden kann und welche wissenschaftliche Bedeutung sie hat.

Nehmen wir den Skeptizismus, ohne auf jene Aufhebung zu achten, wie er liegt, so findet sich als letzter Haltungspunkt desselben die Ansicht, daß der Satz des Widerspruchs vielleicht ein bloß menschliches Denkgesetz ist, welches alles, was nach ihm behauptet wird, nur für Menschen verbindlich macht. Um dies einzusehen, braucht man nur irgendein Dilemma aufzustellen, z. B. dieses: die Materie ist entweder ins Unendliche teilbar oder nicht. Ergibt nun einen Widerspruch, wie ein jeder sieht, so würde der Skeptiker mit uns genötigt sein, das Letztere zu behaupten, und so in tausend anderen Fällen, wenn er sich nicht durch die erwähnte Ansicht glaubte retten zu können. Zuerst einmal ist es aber ganz falsch, was einige behaupten, daß der Satz des Widerspruchs bei allem Denken wirksam ist. Bei weitem das meiste Denken ist nichts als Abdruck des Gegebenen und der Satz des Widerspruchs hat dabei ebensowenig etwas zu tun, wie wenn ich, um ein physisches Gleichnis zu gebrauchen, ein Siegel in Wachs drücke. Jener Satz ist dann allein wirksam, wenn Vorstellungen, die sich aufheben, verbunden werden sollen. Will der Skeptiker jenes Vielleicht gegen den Satz erheben, so muß er es wenigstens nicht widersprechend finden, daß das Prinzip des Widerspruchs entweder im menschlichen Geist a priori ist oder doch nur in den menschlichen Vorstellungen erscheint. Die erstere Annahme ist sehr gemein und stützt sich eben auf die falsche Ansicht, daß alles Denken unter dem Gesetz des Widerspruchs steht und es also voraussetzt; dennoch ist sie nicht weniger absurd, als die letztere, wie das Folgende beweisen wird. Selbst dann aber, wenn gegen diesen Beweis angeführt werden sollte, daß er selbst nach dem Satz des Widerspruchs geführt ist, würde die Deduktion dieses Gesetzes den Streit erledigen, denn da jede Annahme a priori, weil wir uns eines a priori nicht rein bewußt werden können, nur aus der Undankbarkeit des Gegenteils abgeleitet werden kann, so muß sie sogleich aufhören, sobald die Deduktion aus dem Gegebenen selbst erfolgt.

Sollte das Prinzip des Widerspruchs im menschlichen Geist a priori, d. h. nach der gewöhnlichen Bedeutung dieses Wortes, vor allen empfangenen Vorstellungen liegen, so müßte es entweder gedacht werden als eine Grundeinrichtung des menschlichen Geistes, welche alles Denken reguliert; oder als ein vorhandenes Urteil, welches hervortritt, sobald das Denken beginnt. Beides aber kann nicht angenommen werden. Wäre jenes, so würden die Gedanken des Menschen niemals einen inneren Widerspruch enthalten können, was doch nur zu oft geschieht; dies aber kann nicht sein, weil jedes nicht gegebene Urteil Produkt einer Synthesis ist, also ein Akt der Spontaneität, der die zu verbindende Materie schon als gegeben voraussetzt. Das Urteil, welches der Satz des Widerspruchs ausspricht, kann sich mithin nicht eher bilden, bevor Teile desselben bei einem gegebenen Fall klar angeschaut werden.

Eben diese innere Anschauung ergibt die Deduktion jenes Gesetzes so leicht, daß man sich wundern muß, wie man auf jenes abenteuerliche a priori hat verfallen können. Unter den Vorstellungen sind bestimmte Gegensätze, vermöge deren sie sich gegenseitig ausschließen, weil das, was durch die eine gedacht wird, das was durch eine andere gedacht wird, geradezu aufhebt. Sobald also Vorstellungen dieser Art vor der inneren Anschauung vereinigt werden sollen, wird ihre Unvereinbarkeit nicht durch ein Gesetz erkannt, sondern durch ihren Inhalt selbst, der sich durch eine gegenseitige Aufhebung gegen die Vereinigung auflehnt. Diese gegenseitige Aufhebung würde bewirken, daß einem Gegenstand gar keines der entgegengesetzten Prädikate zugeschrieben wird, wenn man sie ihm zusammen zuschreiben wollte, woraus das Gesetz resultiert, daß einem Gegenstand zwei sich aufhebende Prädikate nicht zugleich zugesprochen werden können. Jedes einfachste Beispiel kann dies aufklären, und die Überzeugung von der Richtigkeit der Deduktion gewähren. Das Gesetz des Widerspruchs hat also nicht im menschlichen Geist a priori, sondern in den Gegensätzen, welche der Inhalt der Vorstellungen bildet, selbst seinen Sitz, es ist nicht vor den Vorstellungen, sondern mit diesen und tritt an ihren gegenseitigen Beziehungen bei der Assoziation hervor. Wollte der Skeptiker dies zugeben und erwidern: es sei doch denkbar, daß dieses Gesetz nur in den Verhältnissen menschlicher Vorstellungen zum Vorschein kommt, während andere Wesen unsere Widersprüche recht wohl möchten denken können, so wäre dies abermals töricht, denn absolute Gegensätze müssen die Vorstellungen aller Wesen bilden, wie man schon aus der Möglichkeit, ein jedes Prädikat zu verneinen, ohne weitere positive Bestimmung, sehen kann. Wie endlich auch immer die Sinnenvorstellungen durch den Organismus bestimmt sein mögen, so hat dies gar keinen Einfluß auf die allgemeinsten Begriffe, so daß nach den gegebenen Erörterungen alles, was über diese, dem Prinzip des Widerspruchs gemäß ausgesagt wird, für allgemeine und absolute Wahrheit gelten muß. Doch wir werden auf jenes Prinzip noch einmal zurückkommen. Seine Gültigkeit ist hier gerettet. Der Pantheismus sieht sich freilich genötigt, diese zu verneinen; da aber das Prinzip, wie die gegebene Deduktion gezeigt hat, so weit reicht wie das Denken selbst, so konstituiert sich der Pantheismus eben durch jene Verwerfung selbst als Dichtung.

Dieser Widerlegung des rationalen Skeptizsmus mögen einige wenige Andeutungen folgen, welche sein Tun und Treiben noch mehr beleuchten können. Der Skeptiker erklärt selbst, daß er menschlicherweise auf eine gewisse Art denken muß, er könnte also menschlicherweise auch wohl ein System erbauen, allein er zieht es vor, das notwendige Denken zu umgeben, und sich einem nicht notwendigen hinzugeben. Er erklärt ferner, um zu wissen, wie es sich mit den Dingen verhält, müsse man aus seinem Bewußtsein heraustreten und seine Vorstellungen mit den Dingen vergleichen können. Demnach wird der Skeptiker auch wohl in allen folgenden Daseinsepochen ein Skeptiker bleiben müssen und hoffen, daß auf irgendeiner höheren Lebensstufe die Dinge förmlich in ihn einziehen werden - und wäre er selbst dann nicht wieder an seine leidigen Vorstellungen gebunden? Muß schließlich der Skeptiker nicht seinen Skeptizismus selbst in das höchste Wesen legen?


3. Logischer Skeptizismus

Der logische Skeptizismus, wie er bei den Alten als Rückweisung ins Unendliche erscheint, erfordert zu seiner Widerlegung wenig Scharfsinn. Ein jedes Urteil, heißt es, bedarf eines Grundes, durch den es bewährt wird. Der Grund, gleichfalls ein Urteil, muß aufs Neue begründet werden, und so ins Unendliche fort. Führt aber jede Demonstration rückwärts ins Unendliche, gibt es für sie keinen erreichbaren Anfangspunkt, so läßt sich nichts demonstrieren, und ohne Demonstration kein Wissen. -

Dieser Skeptizismus demonstriert also, daß sich nichts demonstrieren läßt und hebt sich mithin selbst auf. Denn sein erster Satz: ein jedes Urteil bedarf eines Grundes, muß nach ihm gleichfalls begründet werden, und so ins Unendliche. Will man einwenden, man dürfe es damit nicht so genau nehmen, die ganze Argumentation sei im Grunde nur ein Ausspruch des Bewußtseins, in diese Form gebracht, so gilt dasselbe von allen übrigen Demonstrationen gleichfalls, und die Bedeutung dieses Skeptizismus wird dadurch nicht gehoben.

Der logische Skeptizismus ist neuerlich in einer etwas veränderten Form wieder zum Vorschein gekommen, in der er auf den ersten Anblick ungleich furchtbarer erscheint, als in jener einfachen alten. Doch auch so kann er das strenge Wissen nicht überwältigen, wie die Folge ergeben wird. Seine Argumentation führt er folgendergestalt (2).

Das bloß logische Denken, d. h. das Denken in Begriffen, Urteilen und Schlüssen, bewegt sich durchaus in der Sphäre des Mittelbaren, indem nur das mannigfaltige Gegebene unmittelbar genannt werden kann. Indem wir einen Begriff bilden, heben wir aus dem Mannigfaltigen der Wahrnehmungen das Übereinstimmende, also das logische überhaupt hervor. Mit diesem Hervorheben beginnt das logische Denken; es hat folglich gar keinen Bezug auf die problematische Wahrheit und Objektivität jenes Mannigfaltigen. Die Begriffe werden zu Urteilen verknüpft, die Urteile zu Schlüsen. Dies alles würde ersprießlich sein, wenn die Objektivität jenes Mannigfaltigen gewiß wäre; so aber bedeutet es nichts weiter, als ein subjektives Umherdrehen im Kreis der Begriffe, deren Wahrheit vorausgesetzt wird. Man hat wohl geglaubt durch Definitionen zur Erkenntnis gelangen zu können, allein da eine Definition gar nicht gegeben werden kann, wenn der Inhalt des Begriffes nicht bekannt ist, so liefert sie nichts, was wir nicht schon wissen. Folglich haben Urteile und Schlüsse, die auf definierte Begriffe gebaut werden, im Grunde keinen Anspruch auf Wahrheit, als solche, die auf undefinierten Begriffen ruhen. Rückwärts nun gründet sich die Wahrheit der Schlüsse auf die Wahrheit der Urteile, die Wahrheit der Urteile auf die Wahrheit der Begriffe, diese aber ist vorausgesetzt, denn alles logische Denken geht nicht über Begriffsbildung hinaus. Die Wahrheit eines Schlusses durch einen neuen Schluß beweisen wollen, würde töricht sein, weil dieser neue Schluß gleichfalls eines Beweise bedarf und sich so jener alte Weg zum Unendlichen wieder auftut, der mit dem Weg zum Nichts der Erkenntnis ein und derselbe ist. - Es läßt sich zwar nicht leugnen, daß die Wahrheit mancher Urteile, wie der sogenannten Axiome, von selbst einleuchtet, allein diese Urteile enthalten auch weiter nichts, als was sich von selbst versteht. In solchen Urteilen kann das Wort Wahrheit nichts weiter bedeuten, als die Übereinstimmung mit einer gewissen, unserer geistigen Natur gemäßen Vorstellungsart. Urteile, die eine höhere Bedeutung haben sollten, müßten bewiesen werden, welches nach den gegebenen Erörterungen nicht geschehen kann.

Manche glauben, mit dem Prinzip des Widerspruchs etwas ausrichten zu können, allein dies hat bloß logische, nicht aber metaphysische Würde, kann also keine Erkenntnis gewähren. Es verlangt nur, daß wir unseren Voraussetzungen treu bleiben, über den Wert dieser Voraussetzungen aber kann es nicht entscheiden. Täuschend wird allerdings die Anwendung des Prinzips des Widerspruchs, wenn dadurch die Möglichkeit beurteilt werden soll. Unmöglich ist zwar allerdings, was sich widerspricht; aber nicht alles, was sich nicht widerspricht, ist möglich, wie die vielfachen Kompositionen, welche die Phantasie, ohne daß ein innerer Widerspruch entsteht, bilden kann, überflüssig beweisen.

Aus all dem geht hervor, daß es kein sogenanntes erstes Wissen, oder ein Wissen, im strengen Sinn des Wortes, von Grund auf gibt, indem jedes Urteil, welches die Stelle des Grundes einnehmen soll, nur auf vorausgesetzten Begriffen ruht; daß es mithin gar kein Wissen geben würde, wenn es nicht vielleicht ein unmittelbares Erkennen gibt, welches als solches die Wahrheit seines Gegenstandes über allen Zweifel erhebt. Denn alles diskursive Erkennen ist bloß subjektiv; wir bewegen uns dadurch niemals über das Reich der mittelbaren Vorstellungen hinaus.

Diese Lehre, welche sich sogleich mit einer anderen von einer unmittelbaren Gewißheit in Verbindung setzt, kann ihre volle Beleuchtung nur dann erhalten, wenn die Prüfung der letzteren beginnen wird. Doch als skeptisches Argument muß sie, für sich genommen, an diesem Ort erwogen werden.

Gleich der Anfang setzt einen problematischen Unterschied zwischen einem logischen Denken und einem nichtlogischen. Das Wort "logisch" erhält hier eine wundersame Bedeutung, welche es sonst nicht zu haben pflegt. Logik ist die Theorie des Denkens, logisches Denken wird folglich dasjenige genannt, welches den Forderungen der Theorie entspricht, die sich nicht über einen Zweig des Denkens, sondern über das gesamte Denken ausdehnen. Hier aber wird das logische Denken nicht als das richtige, dem unrichtigen oder nicht logischen entgegengesetzt, sondern es wird darunter eine spezifisch verschiedene Art des Denkens verstanden, jenes Kombinieren der Vorstellungen nämlich, welches einem anderen Denken, das nicht kombiniert, entgegenstehen soll. Von einem nichtkombinierenden Denken aber hat niemand in seinem Bewußtsein eine Anschauung, und wäre sein Denken auch noch so dunkel. Vielmehr ist alles und jedes Denken ein Kombinieren von Vorstellungen, also im Sinn des Verfassers dieser Lehre ein logisches Denken, und jede isolierte Vorstellung ist eine Anschauung in der weiteren Bedeutung dieses Wortes. Soviel vorläufig gegen den angenommenen Gegensatz, was notwendig war, wenn das sogenannte logische Denken, als alleiniges Denken, in seiner Wichtigkeit hervortreten soll. Diesem Denken überhaupt nun wird hier die Sicherheit abgesprochen und der Philosophie nur dann ein Heil verkündet, wenn sie außer und vor dem Denken anheben, dann aber das ansich Wahre dem Denken zur weiteren Bearbeitung übergeben kann.

Zuerst möchten wir den Urheber der Lehre fragen, worauf denn nun wieder seine Argumentation gegen das vermeintlich logische Denken fußt? Er wird unstreitig antworten, sie ruhe auf dem Bewußtsein, und sei nicht sowohl eine Argumentation wie auch eine Deduktion. Genau genommen aber ruth sie auf dem problematischen Wert des Unmittelbaren oder des Gegebenen und man wird zugeben müssen, daß dieser problematische Charakter nicht wieder Sache des Bewußtseins oder mit anderen Worten, gleichfalls gegeben, sondern das Resultat philosophischer Spekulation ist. Mit welchem Recht wird also hier der Wert des Gegebenen in Zweifel gestellt, und wenn es einmal geschieht, auf welche sichere, über das logische Denken erhabene Basis stützt sich die Argumentation gegen den zuverlässigen Wert desselben? Das Forschen nach dieser Basis dürfte den Verfasser wohl die Basis für alle philosophische Spekulation auffinden lassen, und damit seine ganze logische Apodiktik aufheben.

Vermeintlich läßt sich über den Wert des Unmittelbaren nichts durch Denken begründen, weil alles Denken in Begriffen vom vorausgesetzten Gegebenen erst anheben soll. Hier hätte eine Erwägung des Gebrauchs, der sich vom Prinzip des Widerspruchs machen läßt, ungemein erfolgreich werden können, wenn nicht durch KANT die Verachtung dieses Prinzips vorurteilsmäßig eingewurzelt wäre. Es wird eingestanden, daß sich durch das Prinzip des Widerspruchs Unmöglichkeit beurteilen läßt, Möglichkeit jedoch nicht, weil etwas beliebig und ohne Widerspruch zusammengedacht werden kann, ohne deshalb möglich zu sein. Dieses Urteil setzt wieder eine schwankende Ansicht von der Grundlage aller Philosophie voraus. Die Philosophie wird nicht aufgebaut über willkürliche Phantasien, sondern über dem Gegebenen selbst, welches sein sicheres und bestimmtes Kriterium hat, wodurch es sich von allem Nichtgegebenen unterscheidet, nämlich Notwendigkeit und Unabweisbarkeit. Wird dies genau beachtet, so erhält das besprochene Prinzip sogleich eine wichtige metaphysische Bedeutung. Alles Beliebige, welches so oft angeführt wird, um jene Bedeutung zu bestreiten, fällt hier weg, das Gegebene muß genommen werden, wie es sich gibt; welchen Anspruch es aber auf Wahrheit machen kann, das kann alsdann nur nach dem Prinzip des Widerspruchs ausgemittelt werden, indem die kantische Lehre von den Formen des Geistes bündig genug widerlegt ist, um keiner Beachtung mehr zu bedürfen. Enthalten nämlich die Ansichten, welche das Gegebene uns mit Notwendigkeit aufdrängt, Widersprüche, so müssen diese Ansichten den entgegengesetzten Platz machen und eben damit wird durch die Unmöglichkeit die Möglichkeit erkannt, welche - immer die Basise des Gegebenen im Auge behalten - für uns zunächst nichts weiter ist als Denkbarkeit. Durch diese Umwandlung widersprechender Begriffe aber wird, was dem Urheber jener skeptischen Lehre auf dem Weg des Denkens gar nicht geschehen zu können schien, über den Wert des Materials, oder des Gegebenen, nicht seinem Sein, wohl aber seinem Wesen nach, selbst etwas ausgesprochen. Wie es nun aber wieder über das Sein des Gegebenen, sofern wir davon wissen, nur zwei entgegengesetzte Ansichten gibt, nämlich die realistische und die idealistische, so würden diese abermals untersucht werden müssen und im Fall, daß die idealistische widersprechend wäre, würde die realistische mit Notwendigkeit angenommen werden müssen. Auf diese Weise tut sich dem Skeptiker ein neuer Weg auf, trotz allem was über den Wert oder Unwert des sogenannten logischen Denkens gesagt ist, zur Realität durchzudringen, ohne jene Hilfen, welche wir weiter unten würdigen werden. Soll aber auch das alles erwidert werden: hiermit habe man eine intellektuelle Welt, infolge eines notwendigen Denkens, Wirklichkeit ansich aber bleibe nach wie vor dahingestellt, so gilt hierüber, was in der Widerlegung des rationalen Skeptizismus über die Gültigkeit des Prinzips des Widerspruchs gesagt wurde.

Auf diesen Gebrauch des Prinzips des Widerspruchs hätte schon die Evidenz gewisser Urteile (der Axiome) leiten können, von der die Lehre sagte, sie ruhe wohl auf einer gewissen Einrichtung des menschlichen Geistes, und jene Urteile enthielten auch im Grunde nichts, als was sich von selbst versteht. Diese Einrichtung des menschlichen Geistes hätte doch nachgewiesen werden sollen, und das "sich von selbst verstehen" hätte billig die Frage erregen mögen, wie sich nur überall etwas von selbst verstehen kann? Es ruhen jene Urteile aber unleugbar auf ihrer Anschaulichkeit, welche den Widerspruch des Gegenteils sogleich in die Augen fallen läßt oder mit anderen Worten: sie ruhen positiv auf der Identität, negativ auf dem Widerspruch.
LITERATUR: Ernst Stiedenroth, Theorie des Wissens, Göttingen 1819
    Anmerkungen
    1) Man vergleiche die Belege in der Exposition des Skeptizismus, welche ERNST GOTTLOB SCHULZE 1805 von BOUTERWEKs "Museum der Philosophie" unter dem Titel "Die Hauptmomente der skeptischen Denkart über die menschliche Erkenntnis" gegeben hat.
    2) Man vergleiche BOUTERWEKs "Lehrbuch der philosophischen Wissenschaften" nach einem neuen System entworfen, Teil 1, Seite 17-47 (logisch Apodiktik).