ra-1ra-3 W. StarkMHvon MohlH.-J. LieberH. Marcuse    
 
WERNER POST
Kritische Theorie und
metaphysischer Pessimismus

[Zum Spätwerk Max Horkheimers]
[2/3]

"Angesichts der funktionalen Ohnmacht philosophischer Reflexion wäre es töricht, von ihr direkte Impulse für eine totale Umwälzung der bestehenden Organisation zu erwarten. Sie kann einzig artikulieren, daß sich in unerlöstem Leiden und irreparablem Unrecht bezeugt, welche Opfer die wachsende Verfügungsgewalt über die Natur mit sich bringt. Wahrheit wird mit Martyrium bezahlt. In ihrer Ohnmacht nimmt Philosophie tendenziell daran teil."

"Wenn die Welt auf bösen Willen gründet, gibt es keinen Platz für Wahrheit mehr; mit dieser Destruktion fällt die Möglichkeit dahin, Hoffnung und Sinn, ja auch nur die eigene Widersprüchlichkeit des Denkens irgendwo in der Wirklichkeit zu befestigen. Aber noch dieser Sturz ins Bodenlose enthält die Hoffnung auf Wahrheit. Ohne diesen Gedanken müßte die Philosophie sprachlos werden; denn noch im einfachsten Satz, selbst wenn er oberflächlich nur auf Richtigkeit abzuheben scheint, ist ein Anspruch auf Wahrheit enthalten."

9. Der kategorische Imperativ KANTs uns sein rigoroses: Du kannst, denn du sollst, läßt sich nach der Nivellierung der objektiven Vernunft mühelos auf das Bestehende applizieren;  mundus intelligibilis  und die Gesetze und Maximen der praktischen Vernunft treten als Attribute jener transzendentalen Subjektivität auf, in welcher Macht und Erkenntnis eins sind; je genauer und methodisch exakter die Erscheinungswelt analysiert wird, desto präziser offenbart sie ihre Präformation durch die Totalität. Eine solche Verwertbarkeit seiner Erkenntnislehre wird KANT von der "Dialektik der Aufklärung" auch vorgehalten:
    "Kant hat intuitiv vorweggenommen, was erst Hollywood bewußt verwirklichte: die Bilder werden schon bei ihrer eigenen Produktion nach den Standards des Verstandes vorzensiert, dem gemäß sie nachher angesehen werden sollen." (48)
Das Vernunftinteresse KANTs an Objektivität setzte eine Selbstreflexion der Wissenschaft voraus, die diese gerade, in richtiger Einschätzung ihrer Inkompetenz, von sich weist. Damit aber wird vollends unmöglich, was die Morallehren der Aufklärung kennzeichnete: eine Begründung der Sittlichkeit. Die Erfahrung, daß die Natur ansich blind ist und zur Begründung von Moral nicht taugt, führte dazu, das Absolute, welches die Theologie im Glauben an Gott zu fixieren suchte, philosophisch ins autonome Individuum zu verlegen. Bei der Erkenntnisstruktur der aufgeklärten Philosophie ging vor allem der deutsche Idealismus nicht nur zur rigorosen Unterwerfung der Natur unter den Herrschaftswillen des Verstandes über, sondern er mußte auch in Aporien [Widersprüche - wp] der Moralbegründung geraten, wenn die faktischen Interessen von Individuum und Gesellschaft die Prinzipien der praktischen Vernunft nicht mehr abstützten. Die Identifizierung von Vernunftinteresse und Objektivitätswillen mit der Wirklichkeit, die Auffassung sittlicher Kräfte als Fakten, mußte die aufklärerische Vernunftmoral zerreißen. Die "Dialektik der Aufklärung" glaubt so wenig wie die Destrukteure der großen philosophischen Systeme - allen voran NIETZSCHE - an die Fähigkeit der Vernunft, stringente Argumente auch nur gegen den Mord vorzubringen; je formalisierter Vernunft wird, desto weniger ist sie dazu in der Lage. Der Versuch, die objektive Vernunft als Element der Aufklärung gegen deren instrumentalisierte Form aufzubieten, ist auch darum so verzweifelt, weil jene Vernunft ihren Objektivitätsanspruch aus den tatsächlichen Verhältnissen ableiten wollte. Eben dies mußte jedoch aufgrund von Veränderungen, die gerade durch die aufklärerische Rationalität inauguriert wurden, zur Anpassung der Moral an die jeweils herrschenden Interessen, zu einer kasuistischen Dogmatik oder in jenen Relativismus führen, der einer Selbstauflösung der Vernunft gleichkommt, zumindest jener Vernunft, die sich zu einem positiven System erhebt.

Die Kritik der materialistischen Dialektik kann dabei ihre eigene Herkunft aus der Aufklärung nicht unterschlagen. Dies bedeutet gleichzeitige Arbeit in zwei Richtungen: gegen die instrumentelle Verkümmerung der Aufklärung und gegen die internen Widersprüche in der Vernunftidee selbst. Kritik und Selbstreflexion fallen teilweise zusammen. Die hier entstehende Frage, aufgrund welcher Kriterien die Kritik dabei verfährt und sich legitimiert, wenn sie zwischen objektiver Vernunft und ihrer Verfallsform in der Aufklärung unterscheidet, ist in dieser Form falsch gestellt, weil sie vom Boden jener Systemaik aus gestellt wird, die inzwischen ihre Unhaltbarkeit bewiesen hat. Es gibt keine Erstprinzipien, aus denen Kriterien, Kategorien und Urteile unveränderlich deduziert werden könnten. Dennoch gibt es Motive für die Kritik, aus einer Option nämlich für die Abschaffung von Gewalt, Unrecht und Leiden. Wenn diese Motive vortheoretisch genannt werden, dann nicht deswegen, weil ihr mangelnder theoretischer Charakter gewissermaßen entschuldigt werden müßte, sondern weil es kein rationales System vermochte, die Untröstlichkeit über Erfahrungen realen Leidens in Geschichte und Gegenwart bei Mensch und Natur zu artikulieren, ohne entweder eine Scheinharmonie in vielfachen Gestalten von Theodizee [Rechtfertigung Gottes - wp] zu konstruieren oder aber selbst wieder durch Systematisierung von Vernunft neue Gewalt zu initiieren und überkommene zu rechtfertigen.

Die "Dialektik der Aufklärung" ist keineswegs eine bloße Jeremiade [Jammershow - wp]; ihre Trostlosigkeit beschwört kein Nihil [Nichts - wp], das sich selbst nicht mehr transzendiert und damit  nolens volens [wohl oder übel - wp] gerade in die Dienste der Positivität tritt; die Erbarmungslosigkeit ihrer Negation widerspricht vielmehr jedem Versuch von Trost auf der Basis des Bestehenden und hat hier ein affirmatives Moment: Sie ahmt die Erbarmungslosigkeit des auf Beherrschung gerichteten Denkens durch eine Verdoppelung nach, indem sie es auf den Begriff bringt; durch eine solche radikalisierte Negation wird die faktisch vorhandene Rationalität derart an ihren eigenen Ansprüchen gemessen und beim Wort genommen, daß sie einen Offenbarungseid leisten muß; dies
    "hat den geheimen Sinn, die Utopie aus ihrer Hülle zu befreien, die wie im kantischen Vernunftbegriff in jeder großen Philosophie enthalten ist: die einer Menschheit, die, selbst nicht mehr entstellt, der Entstellung nicht länger bedarf." (49)
Die Hoffnung auf eine solche Menschheit kann nichts erträglicher machen, gleichwohl zumindest in negativer Form die Option auf Wahrheit zum Ausdruck bringen. Aber diese Gestalt von Wahrheit bleibt  contra rem [dagegen - wp]; die Hoffnung auf Wahrheit verwünscht die Wirklichkeit, statt den Wunsch mit Wirklichkeit zu identifizieren; kein  Credo quia absurdum [Ich glaube, weil es absurd ist. - wp] also, das schließlich noch die Glorifizierung der Absurdität zur Legitimation von Identitätsdenken und Sinn in der Geschichte umfunktioniert. Geschichte ist alles andere als Heilsgeschichte; nur der Standpunkt des Siegers kann sie so deuten, und als Fortschritt mag sie jenem Denken erscheinen, dessen Organon selbst Herrschaft kanonisiert.

10. Gelegentlich mag es aussehen, als ob operationelles Denken und einzelwissenschaftliche Theorie samt ihren Ergebnissen von der Kritischen Theorie schlechthin verworfen würden. In der Tat gibt es Partien in der "Dialektik der Aufklärung", in denen die Kritik sich so massiert, daß Nutzen und Leistung des formalen und technischen Wissens kaum noch der Rede wert erscheinen. Dagegen braucht die triviale Wahrheit nicht eigens hervorgehoben zu werden, daß auch der Kritiker der instrumentellen Vernunft sich sehr wohl der Erleichterungen, welche Organisation, Apparate und Erfindungen bieten, zu bedienen weiß. Archaisierende Anwandlungen und Kult des Natürlichen werden streng vermieden, wenngleich die Natur ein Doppelgesicht zu tragen scheint: als chaotische, rohe Natur, auf die zu regredieren für die Menschheit ein Rückfall in die Barbarei wäre, zugleich aber auch als ein Element, dessen idealistischte, asketistische oder technologische Unterdrückung nicht ohne üble Folgen bleibt; das betrifft die außermenschliche Natur, insofern deren hemmungslose Ausbeutung sich gegen den Menschen selbst wendet - was in der Selbstzerstörung der Vernunft ebenso subtil wie in den lebensgefährdenden Schädigungen der Umwelt, durch chemischen Abfall beispielsweise, handfest zutage tritt; das betrifft die innermenschliche Natur; insofern gesellschaftlich und zivilisatorisch bedingte Triebunterdrückung zu Neurosen und zur Unfähigkeit führte, sinnliches Glück, Lust, Geschmack unverhohlen zu empfinden; das betrifft schließlich noch die romantische Hoffnung auf ein herrschaftsfreies Verhältnis von Mensch und Natur, durch das beide ihre glücklichen Potenzen realisieren könnten. (50) Der technische Fortschritt aber, sosehr er auch die Bedingung für ein glückliches Leben sein mag, ist nicht bloß jenes HEIDEGGERsche "Gestell", das nur in die Hände der Vernunft geraten muß, um seine Schattenseiten zu verlieren; er impliziert und produziert eben die Unfähigkeit, sich selbst dieser Vernunft selbst kompromittiert und verkürzt.

HORKHEIMER hat dies des öfteren am Beispiel der Medizin demonstriert (51): Der Zuwachs an Kenntnissen in der Humanmedizin erbringt unbestritten eine immer noch zunehmende Macht über Krankheit und Leiden: zugleich zwingt aber eben dieser Zuwachs an Wissen zu wachsender Spezialisierung, was sich wiederum auf die Verfahrensweise der Untersuchung und der Erstellung von Diagnosen auswirkt. Es handelt sich um eine Untersuchung von Einzelteilen des Körpers, wobei weder deren komplexe Zusammenwirkung noch die individuelle Pathogenese [Krankheitsgeschichte - wp] des Patienten - wozu neben den statistisch erfaßten Daten ja auch die familiäre, berufliche, psychische usw. Eigenart gehört - immer angemessen berücksichtigt werden können; dazu ist auch die Pro-Kopf-Quote der Ärzte viel zu gering, sie muß es aus einsichtigen Gründen auch bleiben. Der probate Ausweg besteht nun in einer gleichsam vollautomatisierten Behandlungsweise, wie sie in einigen besonderen Kliniken bereits betrieben wird; Datenverarbeitungsmaschinen rechnen genauer und wesentlich schneller aus, was die Meßapparate registrierten; nicht von ungefähr haben auch Auto-Reparaturwerkstätten sich "Diagnose-Zentren" zugelegt. Das Kränkende an diesem Vorgang steckt nicht so sehr darin, daß mechanische Vorgänge im Körper ähnlich gemessen werden können wie Automotoren, sondern in der immanenten Logik dieser Angleichung des medizinischen Betriebs an das Management von Großbetrieben und darin, daß die Krankheitsheilung zum reinen Geschäftsbetrieb wird: Kunde, Fachmann, Bedarfsermittlung, Programmfeststellung, Lieferung von Ware an den Konsumenten, Bezahlung. Die Effizienz der Medizin ist groß, der erfolgsbedingte gute Ruf gestattet es, den Patienten ebenso in Unkenntnis zu lassen über das, was ihm in der Prozedur im Einzelnen widerfährt, wie die behandelnden Ärzte über die jenseits des Somatischen liegenden Bedingungen. Der Erfolg gibt dieser Verfahrensweise, die zumindest für die großen Kliniken und Diagnose-Institute erstrebt wird, recht, so konkret auch individuelle Erfahrungen und Wünsche dem widersprechen mögen. Mit anderen Worten: der innere Widerspruch des Fortschritts nimmt zu; eine Hoffnung darauf, daß die aufklärerische Komponente im szientifischen und technische Progreß sich als rationales Potential erweist, das sich selbstreflexiv gegen seinen eigenen Wildwuchs und auf die Herkunft aus emanzipatorischen Implikationen des klassischen Vernunftbegriffs richtet - worauf immerhin etwa mit den Protesten von Wissenschaftlern beim Abwurf der ersten Atombomben einige Anzeichen hinzudeuten schienen -, gibt es kaum. Längst haben ja die Drohungen mit ABC-Waffen ihre Funktion im machtpolitischen Kalkül der Blöcke gefunden; in einer wahren Sisyphus-Anstrengung werden darüber hinaus immer neue Verwaltungsvorgänge installiert, um die bis zum biologisch bedrohlichen Chaos reichenden Begleiteffekte der wachsenden Naturausbeutung zu domestizieren. Diese Anstrengung aber läuft einstweilen darauf hinaus, den Teufel durch Beelzebub auszutreiben: Die notwendig gewordenen administrativen Eingriffe reglementieren das gesellschaftliche Leben immer mehr und vollziehen als Exekutive gleichsam die Rache der Natur an der Zivilisation durch einen Freiheitsentzug der Individuen.

Der Wunsch, das "Rad der Geschichte" aufzuhalten oder gar zurückzudrehen, ist indiskutabel und reaktionär; mit einer solchen pseudoromantischen Sehnsucht nach früheren, vermeintlich besseren Zuständen der menschlichen Geschichte hat die Kritik des technokratischen Denkens nichts gemein. Sie kann zunächst nur den immanenten Widerspruch, daß der Fortschritt in sich seine eigene Liquidierung enthält, artikulieren. Eine Aussicht auf Versöhnung dieser widersprüchlichen Tendenzen und des durch Gewalt gezeichneten Gegensatzes von Mensch und Natur zeigt sich nirgendwo im Bereich der Erscheinungswelt, umso energischer aber die Tendenz ihrer Perennierung. In zunehmendem Maß neigen die Menschen dazu, statt den Widerstand gegen diese Entwicklung zu mobilisieren, sich ihr zu unterwerfen und die von ihnen selbst produzierten Zwänge als naturnotwendig zu internalisieren. Die Identifizierung von Ding-ansich und Erscheinungswelt, die sich damit realisiert, gibt die Traditionen auf, aus denen sich noch Einspruch überhaupt motivieren läßt. Der philosophischen Reflexion muß, je energischer sie auf ihrem Widerspruch beharrt, desto unaufhaltsamer jener Konsens mit der realen Interessenbasis verlorengehen, auf welche die Konzeptionen der objektiven Vernunft ihre Hoffnung gesetzt hatte. Angesichts ihrer funktionalen Ohnmacht wäre es töricht, von ihr direkte Impulse für eine totale Umwälzung der bestehenden Organisation zu erwarten. Sie kann einzig artikulieren, daß sich in unerlöstem Leiden und irreparablem Unrecht bezeugt, welche Opfer die wachsende Verfügungsgewalt über die Natur mit sich bringt. Wahrheit wird mit Martyrium bezahlt. In ihrer Ohnmacht nimmt Philosophie tendenziell daran teil.

11. In der "Dialektik der Aufklärung und "Eclipse of Reason" bleibt gleichwohl noch ein schwaches Element von Hoffnung. Die "Dialektik der Aufklärung" verstand sich als Menetekel, als immanente Aufklärungskritik, deren radikale Negativität das historische Dilemma durch Benennung verdoppeln wollte, eine Ideologiekritik, die nicht davor zurückschreckte, sich gegen die Bedingung ihrer eigenen Möglichkeit zu wenden - in der Hoffnung aber, mit der Aufbietung dieser letzten Kräfte den ideologischen und historischen Bann zu brechen und durch die Denunziation der schlechten Wirklichkeit sowohl deren Unvernunft bloßzustellen wie mögliche Energien zur Veränderung zu mobilisieren.

Wie schwach diese Hoffnung war, zeigt sich nicht zuletzt darin, daß kaum konkrete Subjekte als Träger einer solchen Veränderung benannt werden; vor allem im alleingelassenen Individuum könnte sich Widerstand konstituieren, wobei ADORNO eher auf Spontaneität in Kunst und erotischer Leidenschaft - als einem in mimetischer Hingabe versöhnten Verhältnis von Ich und Natur - zu vertrauen scheint, HORKHEIMER mehr auf die Nötigung zur Konstistenz des Individuums bei unerträglich werdenden Kollektivzwängen.
    "Es gibt noch einige Widerstandskräfte im Menschen. Es spricht gegen den sozialen Pessimismus, daß trotz des fortwährenden Anstürmens der kollektiven Schemata der Geist der Humanität noch lebendig ist, wo nicht im Individuum als einem Glied gesellschaftlicher Gruppen, so doch im Individuum, sofern es allein gelassen wird." (52)
Doch zugleich wird diese Möglichkeit abgeschwächt durch den Hinweis auf die bereits früh wirksame Anpassung in der Erziehung des Kindes. Für einen Augenblick scheint noch einmal eine Perspektive auf, die an MARX erinnert: daß die gegenwärtigen Produktionsverhältnisse den Individuen Eigenschaften anerziehen, die sich schließlich gegen die inhumanen Konsequenzen des innertechnisch bleibenden Fortschritts wenden könnten:
    "Die industrielle Disziplin, der technische Fortschritt und die wissenschaftliche Aufklärung, gerade die ökonomischen und kulturellen Prozesse, die die Auslöschung der Individualität bewirken, versprechen - obgleich die Anzeichen gegenwärtig schwach genug sein - ein neues Zeitalter einzuleiten, in dem die Individualität als Element in einer weniger ideologischen und humaneren Daseinsform neu erstehen kann." (53)
Hinweise auf die "unreife Masse" erweisen sich bei genauem Hinsehen nicht als Argument gegen die Möglichkeit von Emanzipation, sondern als Teil des Instrumentariums zur Beschwichtigung denkbarer Unruhe; wer wie die Führer des Faschismus von dieser Unreife profitieren muß, hat allen Grund, einen Vergleich der massenhaften Unreife mit der eigenen zu scheuen. Philosophie soll ein Bewußtsein von diesen Zusammenhängen vermitteln und damit verhindern, daß die Möglichkeit eines realen Humanismus und der Autonomie des Individuums verpaßt wird. Das Spätwerk HORKHEIMERs - auch die Negative Dialektik ADORNOs - geht davon aus, daß diese Hoffnungen enttäuscht worden sind. Die Philosophie hat sich nicht verwirklicht; objektive Vernunft und Realität stehen sich unversöhnter als je zuvor gegenüber. Dies wird jedoch nicht Anlaß zur Suspendierung der Philosophie, sondern, scheinbar paradox, zur Begründung ihres Fortbestehens. Sie bleibt eine Insel der Resistenz schon dadurch, daß sie nicht schweigt - wenngleich es kaum mehr möglich ist, auch nur eine Sprache zu finden, die sich selbst nicht schon dadurch kompromittiert, daß sie bestehende reale Strukturen reproduziert und den widerspenstigen Inhalt damit integriert. Die frühe Hoffnung schlägt um in Verzweiflung: diese Hoffnungslosigkeit kann durch ihre bare Existenz allein noch dem unversöhnten Leiden Gestalt geben - ohne Aussicht auf Trost. Schon der Wunsch nach Tröstung im Bereich der Erfahrungswelt könnte der Versuch sein, Unwiederholbares rückgängig machen zu wollen und damit den geschehenen Schrecken zu verharmlosen.

In dieser Situation wird dem Materialismus sein pessimistisches Erbteil bewußter als je zuvor. Wenn sich dieses nun verstärkt und schließlich dominiert, ist es gleichwohl falsch, damit den Vorwurf des Verrats an früheren Auffassungen zu verbinden; wenn schon, dann hat die Gesellschaft selbst in ihr liegende Möglichkeiten und Traditionen verraten; und der Brauch, dem Schwächeren den Mangel, den er am Anderen nicht beseitigen konnte, selbst anzukreiden, setzt die Diskreditierung des Ohnmächtigen nur fort. Wer die Konsequenz des Pessimismus verwerfen will, ist gehalten, überlegene Gründe für seine Zuversicht zu nennen.

12. Ob die pessimistische Spätphilosophie HORKHEIMERs sich kontinuierlich oder diskontinuierlich zur frühen Kritischen Theorie verhält, ist eine müßige Frage. Kontinuität wie Veränderung sind keine Tugenden ansich, sondern bestimmt vom Gegenstand, dem Treue gehalten werden soll oder nicht. Die Dialektik dieser Theorie verbietet es, einmal gewonnene Einsichten zu kanonisieren - darin liegt ein Moment der Veränderung. Wenn zugleich als bestimmendes Motiv in der Kritischen Theorie der Widerstand gegen Unrecht und die Erinnerung an die Unversöhnbarkeit von Leiden in Natur und Geschichte zu nennen sind, so bleiben diese Züge gerade im pessimistischen Spätwerk präsent - darin liegt ein Moment der Kontinuität. Die Trauer ergreift das Denken nicht mehr nur angesichts des unversöhnten Leidens in Geschichte und Natur, sondern auch im Hinblick auf den Prozeß, den die Gesellschaft - nachdem sie ihre großen Möglichkeiten vergeben hat - offenbar unaufhaltsam beschreitet. HORKHEIMER erkennt in der Struktur des gegenwärtigen Fortschritts, dessen Irrationalismus schon früher, noch in der Hoffnung auf Änderung, kritisiert wurde, eine immanente Logik, die zur Geschichtslosigkeit und bloßen Gattungsexistenz führt - ein Verlust freilich, mit dem sich die Menschheit so arrangiert hat, daß sie ihn nicht einmal bemerkt.

Das aufhalten zu wollen hieße, den technischen Fortschritt zu verbieten; daß dieser gerade die Unfähigkeit erzeugt hat, einen vernünftigen Endzweck des Fortschritts zu bestimmen, kann kaum monokausal nur menschlicher Schwäche oder der Bosheit der Mächtigen allein angelastet werden: dazu müßten diese selbst mehr als Profit und Herrschaft gewinnen können. Aufklärung und Fortschritt demonstrieren in ihrer inneren Dialektik, daß auch die Vernunft nicht frei von jenen Fragen bleibt, die früher angesichts des Bösen dem Schöpfer der Welt vorgehalten wurden - auch die Vernunft hat also ihr Theodizeeproblem. Die damit auftauchenden metaphysischen Überlegungen haben im Spätwerk Horkheimers noch insofern pessimistisch verschärfte Züge angenommen, als er nicht einmal eine durchgehende Konstante des Leidens in der Geschichte annehmen will, weil die künftige Menschheit möglicherweise Leiden verringern kann, ohne daß dies eine Befreiung zum Glück wäre; oder anders: wenn ein auch nur negatives Systemprinzip der Geschichte aufgestellt wird, wäre ja zumindest alles erklärbar und die Individualität von Glück und Schrecken zu einem Identischen harmonisierbar. Vielmehr bleibt eine Differenz: Krankheit, Plagen, Hunger und Krieg hießen in der Vergangenheit die Hauptquellen des Leidens; in Zukunft lassen sich diese Übel vielleicht reduzieren - wenn nicht eine kriegerische Katastrophe einbricht. Die Leiden der Zukunft bestehen paradoxerweise eher darin, daß die technische Domestizierung des Individuums gerade wegen der Ausrottung von Zwängen, durch welche die Anstrengung, das Denken und die Phantasie des Menschen bewegt worden sind, zur trägen Differenzlosigkeit in der Wahrnehmung der Qualitäten führt: die Potenz für Glücksgefühl und Genuß schwindet.

Solange die Sensibilität für Unrecht und Leiden nicht erloschen und zweckmäßigeren Erwägungen untergeordnet ist, wird das Denken von einer unversöhnlichen Negativität gezeichnet sein. Aber niemand kann ausschließen, daß diese Sensibilität mit allen ihren Implikationen nicht mehr für immer fortdauert. Wenn diese Gestalt des Denkens alt geworden ist und ihr grau in grau als bloße Schwarzmalerei erscheint: dann hört das Leben nicht auf, es wird aber reduziert auf eine bloße Lebensfristung. Das biologische Gattungswesen Mensch hat es dann mit Erfolg verstanden, seine naturhaften Mängel durch eine perfekte Instrumentalisierung zu kompensieren - und sich stillschweigend damit abgefunden, daß mit der Abschaffung alter Mängel und Leiden immer wieder neue produziert werden. Die Einsicht in diese scheinbare Notwendigkeit der Geschichte schafft sich ihr gutes Gewissen aus der Suspendierung der Reflexion über solche Zusammenhänge. Glück, Vernunft, Phantasie werden quantifiziert und damit zum Objekt einer administrativen Distribution; "the pursuit of happiness" [Streben nach Glück - wp], als Menschenrecht im ersten Satz der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 proklamiert, geht über und wird allgemein in der Zufriedenheit mit der Gattungsreproduktion als Selbstzweck. Die Schwierigkeiten, ein solchermaßen problemloses Leben zu organisieren, scheinen nicht unüberwindbar zu sein; das Individuum muß zu diesem Zweck nur einen beträchtlichen Teil seiner subjektiven Ansprüche an die Allgemeinheit der großen Institutionen, Produktionsstätten und Verwaltungsapparate abtreten. Glück als Konsumgut ist keine absurde Idee schlechter philosophischer Phantasie, sondern kaum noch bloß Ideologie zu nennende Legitimationsbasis der Überflußgesellschaften in deren amtlichem Selbstverständnis. Die Sprache der kritischen Philosophie bezeichnet dies als perfekte Identifizierung von Ding-ansich und Erscheinungswelt. Veränderung heißt in domestizierter Form permanente Innovation; die darin enthaltenen Alternativen haben tautologischen Charakter, insofern sie wesentlich über Variationen des Gegebenen nicht hinausgehen können. Damit besteht prinzipiell die Möglichkeit, Gesellschaft und künftige Geschichte durch Regelsysteme sich selbst steuern zu lassen. Daß diese Verwaltung total ist, bedeutet noch nicht, daß sie totalitär ist; Politik, die Geschäft ist, ist nicht einfach Tyrannei; Wissenschaft, die sich in instrumenteller Vernunft erschöpft, braucht keine Inquisition; direkte Gewalt und offener Terror kennzeichnen diese Form von Zivilisation keineswegs - wenngleich sie eine ihrer nicht ganz auszuschließenden Potenzen bilden. Aber die Hoffnungen, die im Marxismus an die Möglichkeit voller materieller Bedürfnisbefriedigung gebunden waren, haben sich als irreal erwiesen: das Reich der Notwendigkeit hat sich nur den Schein des Reichs der Freiheit zugelegt. Die allseitige Entfaltung des Individuums und die spontane Verwirklichung seiner Kräfte verträgt sich schlecht mit ihrer faktischen Programmierung, wenn Menschen wir vor einer Ampel auf grünes Licht für ihre Aktivitäten warten. Der Staat als moralische Anstalt ebenso wie als Zwangsaggregat zur Bändigung der chaotischen Einzelwillen wird möglicherweise überflüssig - dennoch nur in einer höhnischen Parodie auf die MARXschen Perspektiven eines herrschaftsfreien Lebens.

13. Wenn weder diese Zukunft Grund zur Hoffnung bietet, wenn die Regression auf vergangene Phasen der Geschichte ebenso versperrt bleibt, wenn fernerhin das kritische Denken weder gewillt ist, seinen Frieden mit der faktischen Entwicklung zu machen noch die Unvernunft selbst zu vergötzen - dann wird Philosophie zur Sisyphus-Arbeit. Sie hat keine Instanz mehr, auf die sie sich berufen und von der sie eine Rechtfertigung erlangen könnte, als das trotzige Individuum.
    "Wahrheit ist dann nirgends mehr aufgehoben als in den vergänglichen Menschen selbst und so vergänglich wie sie. Noch das Denken über die Vergänglichkeit verliert den Glanz des Mehr-als-Vergänglichen." (54)
Dieser Gedanke erinnert weniger an STIRNER als vor allem an SCHOPENHAUER und NIETZSCHE. Der Anspruch auf Wahrheit ist selbstwidersprüchlich geworden, weil er eine Sicherheit intendiert, die mit eben diesem Wahrheitsanspruch unvereinbar geworden ist.
    "Die Philosophen suchten die Hoffnung zeitgemäßer, nämlich in menschlicher Vernunft zu begründen, die einst in der Autorität der Väter und der Offenbarung ihre Stütze hatte. Das ist die philosophische Überzeugung und zugleich die Funktion der Philosophie, mit der  Schopenhauer gebrochen hat. Das allerhöchste, allerrealste Sein, das metaphysische Wesen, auf das die Philosophie aus der wechselnden Welt der seienden Dinge den Blick richtet, ist nicht zugleich auch das Gute." (55)
Das Ding-ansich liegt für SCHOPENHAUER nicht in Prinzipien und Gründen, die der menschliche Intellekt entwickelt hat, sondern "es ist der unstillbare, nach jeder Sättigung sich wieder regende Drang nach Wohlsein und Genuß". (56) Der Intellekt gilt als Waffe für die Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur und den Menschen, die sich immer wieder in der Geschichte abspielt und aus Not und endlosem Streben hervorgeht.
    "Die Entfaltung des Intellekts beruth auf der des Bedürfnisses. Die größten Förderer der Wissenschaften waren Hunger, Machttrieb und der Krieg. Die idealistische Fabel von der List der Vernunft, durch die das Grauen der Vergangenheit mittels des guten Endes beschönigt wird, plaudert die Wahrheit aus, daß an den Triumphen der Gesellschaft Blut und Elend haftet. Der Rest ist Ideologie." (57)
Der Glaube an die Wahrheit der Wirklichkeit ist Trug; Jllusion noch der Gedanke an einen erkennbaren Endzweck der Geschichte: Aufklärung und Moral beginnen erst, wo die Aussicht auf Versöhnung und Belohnung enttäuscht ist - ohne deswegen die Abschaffung des Elends und die aufklärerische Kritik an Aberglauben jedweder Provenienz [Herkunft - wp] aufzugeben. SCHOPENHAUER hat sich nicht nur dem Identitätsgedanken strikt verweigern wollen, sondern ebenfalls jenem Dualismus, der zwar Wesen und Erscheinung zu trennen weiß, aber damit das Wesen, das Ding-ansich oder die reine Idee vergöttert.

Insofern der Positivismus und seine Nachfolger sich weigern, Erstprinzipien, absolute Wahrheit und ein Unbedingtes anzuerkennen, überhaupt Wahrheit und Gewißheit für identifizierbar zu halten, handelt er, gemäß SCHOPENHAUER, recht, gegen die überkommene Metaphysik.

Aber bei aller Hochachtung vor SCHOPENHAUER identifiziert sich HORKHEIMER nicht einfach mit ihm. SCHOPENHAUER neigt dazu, mit der pessimistischen Philosophie das Wesen der Welt für die von ihm prognostizierte Veränderung zum Schlechteren, ja zum Unheil, monokausal verantwortlich zu machen und den gesellschaftlichen Faktor zu gering oder gar nicht in Rechnung zu stellen. So rationalisiert er in seinem Pessimismus die schon sichtbar werdende Übermacht der unkontrolliert wachsenden technischen Verfügungsgewalt über Menschen und Natur. Die Aktualität seiner Kritik heute ist dennoch dadurch nicht geschwunden; sie antizipiert wichtige Elemente der Kritischen Theorie:
    "Gewiß nimmt er das Negative durchs Medium des geschichtlichen Untergangs seiner eigenen gesellschaftlichen Existenzform wahr. Bürger seiner Art verschwinden. Wenn aber in der emanzipatorischen Literatur einer besonderen gesellschaftlichen Schicht, in ihrem Optimismus, zugleich das allgemeine Interesse am Fortgang zum Besseren sich anmelden kann, so in der Philosophie ihres Untergangs, in ihrem Pessimismus, das Interesse an dem, was im sogenannten Fortschritt zu bewahren ist." (58)
Philosophie hat keine "Lust am Untergang", ihre Negation ist vielmehr so trostlos, daß sie nicht zu jener Resignation führt, welche sich schließlich doch noch in einem unbewegten Gewährenlassen des Fatalismus anpat und in dieser paradoxen Sinnbestimmung Halt gewinnt. Es mag dahingestellt bleiben, inwieweit SCHOPENHAUERs Philosophie als pessimistische Metaphysik ansich selbst noch auf subtile Weise den Widerspruch enthält, den er als Optimismus an jedweder auf Sinngebung bedachten Theorie als "ruchlos" verwirft.

Wenn die Welt auf bösen Willen gründet, gibt es keinen Platz für Wahrheit mehr; mit dieser Destruktion fällt die Möglichkeit dahin, Hoffnung und Sinn, ja auch nur die eigene Widersprüchlichkeit des Denkens irgendwo in der Wirklichkeit zu befestigen. Aber noch dieser Sturz ins Bodenlose enthält die von ihm selbst bestrittene Hoffnung auf Wahrheit. Ohne diesen Gedanken müßte die Philosophie sprachlos werden; denn noch im einfachsten Satz, selbst wenn er oberflächlich nur auf Richtigkeit abzuheben scheint, ist ein Anspruch auf Wahrheit enthalten.
    "Ohne einen Gedanken an die Wahrheit und damit an das, was sie verbürgt, ist kein Wissen um ihr Gegenteil, die Verlassenheit der Menschen, um derentwillen die wahre Philosophie kritisch und pessimistisch ist, ja nicht einmal die Trauer, ohne die es kein Glück gibt." (59)
Insofern enthält die theologisch inspirierte Metaphysik ein Element von Wahrheit gegen die partiell zugestandene Berechtigung des positivistischen Sinnlosigkeitsverdachts.

Freilich handelt es sich hier nicht um eine einfache Restitution [Wiederherstellung - wp] der klassischen Metaphysik; zu deutlich wird ihrer Positivität widersprochen und ihre Rechtfertigungsfunktion durchschaut. Aber in dieser Selbstkritik der Aufklärung, wie sie die "Kritik der instrumentellen Vernunft" und die "Negative Dialektik" betreiben, zeigt sich, zumal bei HORKHEIMER, eine bemerkenswerte Revision aufklärerischer Selbstverständlichkeiten. Neben den internen Ungereimtheiten, die schließlich zur eigenen Aufhebung führen, gibt es in gewissen Programmpunkten der Aufklärung nicht selten Formen von Schwarzweißmalerei; die bekannteste besteht vielleicht in der These vom finsteren Mittelalter.

14. Nun behauptet die Kritische Theorie nicht gerade, das Mittelalter sei das Reich des absoluten Geistes gewesen; aber, gemessen an der Kritik der selbst nicht widerspruchsfreien Aufklärung (60), verfehlt der Triumphalismus der autonomen Vernunft ebenfalls die volle Wahrheit. Deutlicher noch tritt diese dialektische Beurteilung an der aufklärerischen Kritik der bürgerlichen Gesellschaft zutage. Die religiöse und traditionelle Auffassung sah die Zivilisation auf drei Säulen gestützt: den Dekalog [zehn Gebote - wp], die väterliche Autorität und das Eigentum (61). Diese drei Prinzipien, ihrer innerer Zusammenhang und ihre praktischen Konsequenzen sind von der Aufklärung nachdrücklich als Mystifikation denunziert worden; sie sollten durch Vernunftprinzipien und eine rationale Organisation der Gesellschaft ersetzt werden. Dazu dienten - jetzt grob vereinfacht - das Bekämpfen und die Kritik der Religion, das Entmythologisieren der bürgerlichen Familie als Internalisierungsinstanz für gesellschaftliche Autorität, das Problematisieren der Monogamie, die psychoanalytische Aufdeckung der Zusammenhänge von Sexualität und Kultur sowie der Aufruf zur Revolutionierung der gesamen bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft.

Die Kritische Theorie hat sich diese Intentionen zu eigen gemacht und fortgeführt (62); am Beispiel der Untersuchung über Autorität und Familie läßt sich verfolgen, daß mit dem Funktionswandel der Familie, der sich in den letzten 25 Jahren etwa abzeichnet, auch die Kritik andere Akzente setzt.

Freilich war schon die frühe Untersuchung über Autorität und Familie bei HORKHEIMER keineswegs eindimensional. Zweifellos lag das bestimmende Moment der Kritik - in Fortsetzung der aufklärerischen Bestrebungen - in der Darstellung der Internalisierung von Vater-Autorität in der Familie, durch welche frühzeitig auf eine Respektierung und Anerkennung der gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisse hinerzogen wurde. Zugleich aber enthält sie im Hinweis auf die innerfamiliäre Möglichkeit der zweckfreien Hingabe einen dialektischen Einspruch gegen eine allzu gradlinige Direktheit der Kritik.

Der Satz des autonomen, bürgerlichen Aufgeklärten, keine Autorität als die vernunftgemäße zu akzeptieren, erweist sich also in sich selbst als brüchig (63);
    "ebenso wie die anderen Elemente des gegenwärtigen kulturellen Zusammenhangs befindet sich die Familie zu ihnen wie zum Ganzen nicht bloß in einem fördernden, sondern auch in einem antagonistischen Verhältnis." (64)
Im Unterschied zur negativen Gestalt des gemeinsamen Interesses, wie es sich in der bürgerlichen Gesellschaft bei Katastropen und Unglücksfällen beispielsweise zeigt, gibt es in der Geschlechterliebe und der mütterlichen Sorge positive Formen der Mitmenschlicheit, die über die bloße Abwendung von Gefahren hinausgehen. Hierin liegt ein alternatives Element zum gesellschaftlich Bestehenden, das freilich nicht unbeschädigt geblieben ist, ja unter den gegebenen Umständen schließlich gesprengt werden muß. Die bürgerliche Familie zerbricht an ihren inneren Divergenzen, wenn sie zugleich ein Ort zweckfreier Hingabe sein und Erziehung zur sozialen Tüchtigkeit leisten soll.

Während also der kritische Akzent dieser frühen Analyse deutlich auf das autoritätshörigen Struktur der bürgerlichen Familie und Erziehung liegt, betont HORKHEIMER im Spätwerk mehr und mehr die Rolle der Familie als Unterschlupf, in der Erfahrungen von Zuwendung möglich sind, die innerhalb des gesellschaftlichen Zusammenlebens nicht mehr vermittelt werden können.
    "Während die Familie als Ideologie zugunsten eines repressiven Autoritarismus wirkt, zeigt sich deutlich, daß die Familie als Realität die verläßlichste und erfolgreichste Gegeninstanz gegen den Rückfall in die Barbarei ist, von dem jedes Individuum während seiner Entwicklung bedroht wird." (65)
Diese Umakzentuierung als sentimentale Allüre zu bezeichnen, wie es in der Kritik gelegentlich zu hören ist, trifft nicht den Kern und geht überdies am Selbstverständnis der Kritischen Theorie vorbei. Da diese alles andere als die Kanonisierung einmal zutreffender Aussagen anstrebt, steht es ihr frei, auch den Zeitkern ihrer eigenen Erkenntnisse zu akzeptieren, wenn die Verhältnisse sich gewandelt haben.

Die Funktion von Institutionen, Traditionen und Theorien kann sich ändern. Wenn ein gesellschaftlicher Trend besteht, die bürgerliche Familie ohnehin zu liquidieren, dann muß eine dialektische Theorie angesichts der konstatierten Zweck-Mittel-Rationalität und totalen Integrationstendenz der gegenwärtigen Gesellschaft auf dem Negativen insistieren, das sich in dieser Auflösung der bürgerlichen Familie zeigt. Solange diese Stabilisierung von Unrechtsverhältnissen beiträgt, ist sie Gegenstand einer Kritik, die aber auf diese Funktion abzielt. Diese Rolle ist nun weitgehend in die Ideologie des bürgerlichen Familiarismus abgewandert. Nun zeigt sich, daß der in der Gesamtgesellschaft sich verselbständigende Prozeß einer universellen Nivellierung auch die Familie, die Ehe und die Erziehung einbezieht; HORKHEIMER konstatiert, daß Kinder von früh an auf Anpassung an gesellschaftliche Erwartungen hinerzogen werden; die erotische Liebe wird umgemünzt in ein partnerschaftliches Verhältnis, das ebenso von Zweckmäßigkeit und Rationalität beherrscht sein soll wie die Umwandlung der Vaterautorität in eine eher von Unsicherheit bestimmte, kumpanhafte Beziehung zum Kind. Die Emanzipation der Frau scheint gleichbedeutend zu werden mit der Berufstätigkeit, also der Übernahme gesellschaftlich nützlicher Funktionen. Selbst noch die familiäre Geborgenheit wird bewußt als Ressource für die Regeneration der im Arbeitsleben erschöpften Kräfte eingeplant. Diese Assimilation der Familie an gesellschaftliche Strukturen eignet sich das Kind schon früh mimetisch an; es ist durch eine bewußte Erziehung kaum möglich, diese Adaption später rückgängig zu machen.

Empirische Untersuchungen zeigen dagegen, daß die Bindung in traditional strukturierten Familien noch am ehesten eine Ich-Konsistenz gegenüber Gewalt und kollektiven Repressionen gewährleistet. (66)

Da der gesellschaftliche Wandel und die sozialen Sicherheiten rapide gewachsen sind, verliert die Familie auch einen Teil ihrer natürlichen Berechtigung: Die Erfahrung der Älteren wird wertlos, die Sicherheit, welche eine Familie in Notfällen bieten kann, geht zumeist ohnehin schon auf gesetzliche Vorsorge zurück. Die Erziehung wandert weitgehend an öffentliche Instanzen und Medien ab. Der Abbau des Vater-Mythos hat weitreichende Konsequenzen für die Bildung des Gewissens in gesellschaftlicher Hinsicht. Wenn eine neue Familienform entsteht, was noch nicht abzusehen ist, dann wird sie kaum die Möglichkeiten reaktivieren, welche in der bürgerlichen noch latent oder positiv enthalten waren. Daß ein solcher Verlust benannt wird, bedeutet aber keineswegs die Rechtfertigung etwa der patriarchalischen Tyrannei des "Herrn im Haus" und die Glorifizierung anderer Defekte der bürgerlichen Familie.

Je mehr sich die persönlichen Bindungen dem öffentlichen Reglement angleichen, desto weniger wir eine Hingabe an den Einzelnen möglich; der objektive Ernst von Liebe und Freundschaft verliert sich mit der Instrumentalisierung und Austauschbarkeit der intersubjektiven Beziehungen. In eben diesen Zusammenhang gehört auch die ambivalente Beurteilung der Folgen, die aus der Erfindung der Antibaby-Pille entstehen können. HORKHEIMERs diesbezügliche Äußerungen wurden mitunter als eine Verteidigung der Thesen Papst PAULs VI. und der Enzyklika "Humanae Vitae" zur Geburtenregelung mißverstanden. Daß die Pille eine bisher nie mögliche Zuverlässigkeit der Geburtenregelung gestattet, wird als Forschritt völlig anerkannt; damit ist aber nicht alles gesagt. HORKHEIMER empfindet es selbst als Beispiel für Kritische Theorie (67), auf die mit der Pille gegebenen Möglichkeiten einer völligen Veränderung bislang gültiger ethischer Strukturen hinzuweisen. Der Triumph der birth-control läßt es nicht mehr nur als phantasmagorisch erscheinen, daß eines Tages die Kindererzeugung der behördlichen Genehmigung bedarf - gewiß ist die Überbevölkerung das schlimmere Übel. Der vielfach allzu beifällige Konsens bleibt der Kritischen Theorie suspekt.

Sexuelle Promiskuität und Libertinage enthalten insofern befreiende Elemente, als sie die Verkrampfungen und Tabus der Vergangenheit auflösen. Aber auch Tabus gegenüber kann es sinnlose Bilderstürmerei geben. Verklemmte Sexualität, Triebunterdrückung und eine Verpönung des sinnlichen Genusses erzeugen Schuldgefühle, auf die sich Herrschaft stützen kann. Rabiate sexuelle Libertinage bleibt den Tabus genauso verhaftet; sie gleicht der befreiten Liebe wie Groschenpornographie der erotischen Literatur. Der Bann ist nicht gebrochen. Die Aura der Person, die Sehnsucht nach dem anderen Menschen, nach dem Geliebten, droht ihren Wert zu verlieren. Das alles mag nicht nur eine innere Konsequenz, sondern auch seine Vorteile gegenüber früheren Formen haben: dann aber zeichnet sich hier nur ein Wandel ab, der ehemaliges Strukturen zwar ablöst, sie aber nicht aufhebt im dialektischen Sinn, denn die ihnen anhaftenden Möglichkeiten löst der Wandel nicht ein, und zwar gerade aufgrund der Eigenart dieses Wandels. Dies zu bezeichnen, Partei zu ergreifen für das, was auf der Strecke bleibt und geopfert wird, den "blöden Optimismus" zu problematisieren, die Selbstgefälligkeit dieses Fortschritts in Frage zu stellen, versteht HORKHEIMER als praktische Aufgabe der Kritischen Theorie.

15. Der hier skizzierte Wandel in der Analyse der Zusammenhänge von Familie, Autorität und Gesellschaft läßt sich auf anderen Gebieten ebenfalls verfolgen. Zum nicht geringen Schrecken seiner marxistischen Anhänger hat sich Horkheimer kritisch über die Abschaffung des liberalistischen Eigentumsprinzips geäußert und bestritten, daß eine sozialistische Revolution und die Abschaffung der Konkurrenz Zustände von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit herbeiführen müßten. (68)

Der Sozialismus habe nicht bedacht, daß Konkurrenz im Liberalismus maßgeblich am Zustandekommen jener Leistungen beteiligt war, welche die Voraussetzung der freien Entfaltung aller Kräfte des Individuums bilden; zugleich geht selbst diese Vorstellung der freien individuellen Entfaltung mit den Intentionen des Liberalismus überein. Ein weiterer optimistischer Irrtum besteht etwa in der Auffassung, Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit seien problemlos vereinbar; dialektisch sieht es vielmehr so aus - und darin wird der konservativen Demokratie-Kritik nicht völlig widersprochen, obwohl Gründe und Konsequenzen anders sind -, daß Gleichheit mit dauernden Einschränkungen der Freiheit und auch der Gerechtigkeit bezahlt werden muß, und vice versa [umgekehrt - wp], ohne daß deswegen die Ungleichheit zum Prinzip der Gerechtigkeit erhoben werden könnte. Es scheinen keine neuen Anreize sichtbar zu sein, die das liberalistische Leistungs- und Gewinnstreben ablösen könnten. Emanzipation, welche gleichzeitig die gesellschaftliche Produktivität durch eine Verminderung des Leistungsanspruchs senkt oder zumindest nicht fördert, bleibt nur eine idealistische, scheinbare Emanzipation. Dabei zielt eine solche Argumentation nicht auf eine Restitution frühkapitalistischer Zustände ab, sondern deckt vielmehr Widersprüche der revolutionären Konzeption auf. MARX hoffte, die Revolution werde allen Menschen jene Lebensbedingungen gewähren, über die das Besitzbürgertum aufgrund seiner materiellen Gegebenheiten verfügte. Das aber erweist sich als widersprüchliche Absicht. Eine egalitäre Gesellschaft könnte zwar eine andere, bessere Distribution des sozialen Totalvermögens ermöglichen; die Parole "Wohlstand für alle" ist längst auch zur Maxime des Spätkapitalismus geworden; sei sie einstweilen auch eher noch rhetorisches Blendwerk, so wäre es doch töricht, zu bezweifeln, daß auch so in absehbarer Zeit eine Sättigung der primären Bedürfnisse erreicht und viele Formen von materiellem Elend beseitigt werden können, so sehr vielleicht, daß Besitz und Eigentum keine maßgeblichen Kriterien für soziale Differenzierung mehr sein werden. Damit aber erfahren die ehemals exklusiven, den liberalen Bürger auszeichnenden Eigenarten eine qualitative Veränderung. Denn materielle Egalisierung gewährleistet keineswegs schon die Einlösung jener Prädikate, die dem bürgerlichen (und auch dem feudalen) Leben unter dem schlechten Wort "Kultur" zumindest der Möglichkeit nach zugerechnet werden. Statt  Kultur  wäre genauer zu sprechen von einem Potential, menschenwürdig, frei und auf Emanzipation bedacht sich der zur Verfügung stehenden Mittel zu bedienen. Mit dem Wegfall der Interessen, welche die bürgerliche Zivilisation konstituierten, fällt auch die Möglichkeit, ihre Eigenart zu universalisieren. Die Alternative zu den revolutionären Programmen besteht nun nicht darin, überlebte Gestalten der Kultur mit ihrem Unrecht zu glorifizieren und in einem dumpfen Fatalismus alle Neuerungen und Fortschritte einfach zu verwerfen. Die Kritische Theorie versteht als ihre Aufgabe vielmehr, den Verlust beim Namen zu nennen, der durch die eingetretenen Veränderungen eintritt. Daß die positiven MARXschen Prognosen sich nirgends voll verwirklicht haben, braucht kaum noch erwähnt zu werden; eine kritische Analyse müßte erst herausbringen, woran diese Realisierung jeweils dort, wo sie versucht wurde, scheiterte und ob dieses Scheitern ursächlich in der MARXschen Theorie angelegt ist. Zur Bezeichnung des Verlusts bei gesellschaftlichen Veränderungen kommt jedoch noch ein pessimistisches Element hinzu: auch die revolutionären Perspektiven selbst enthalten dialektische Elemente; die völlig berechtigte Aufhebung bürgerlicher Privilegien und Autoritätsstrukturen schwächt zugleich jene Voraussetzung der Demokratie, die als Mündigkeit der Individuen im bürgerlichen Zeitalter unter Privilegierten durchaus anzutreffen war. Sie hing aber mit jenem Negativen zusammen: Autorität, Eigentum, Systemprinzipien, das gerade aufgehoben werden müßte, wenn Unrecht vermindert werden soll. Diese Dialektik erscheint unauflösbar, weil sie sich dem Zugriff menschlichen Handelns offenbar entzieht.

An vielen Stellen des Spätwerks von HORKHEIMER findet sich der Hinweis, daß Glück unvermeidlich mit Leiden verbunden ist. Das Glück des bürgerlichen Individuums wurde erkauft mit dem Leiden der Benachteiligten und der brutalen Ausbeutung von Menschen und Natur. In die gesellschaftlichen Tendenzen, die auf einen Abbau etwa der Ausbeutung drängen, fließt deswegen eine unvermeidliche Minderung jener Fähigkeit für Glück mit ein, die das bürgerliche Subjekt gleichwohl besaß oder besitzen konnte. Wiederum wäre es höchst töricht, einfach Kulturpessimismus zu diagnostizieren und die absurde Folgerung zu ziehen, darum Not und Elend zu fördern. In dieser schwermütigen Auffassung kehrt vielmehr jenes Element des Materialismus wieder, dem der metaphysische Pessimismus nie ganz fernstand.

Wie Glück fast stets auf dem Rücken von Leiden ausgetragen wird, so verbindet sich die Sensibilität für Schönheit mit der Empfindlichkeit für Schmerz und Grauen; und noch in der Liebe lebt die Trauer über die Vergänglichkeit des schönen Augenblicks. Wo die Negativität tendenziell durch geschäftliches Reglement aufgefangen wird, tritt eine Nivellierung ein, die eben jene Güter miterfaßt, derentwillen Fortschritt und Verminderung von Leiden überhaupt erst Gegenstand einer historischen Anstrengung wurde. In Science-Fiction-Versionen ist selbst der individuelle Tod nicht mehr von einer solchen Integrierung sicher; in der brutalen Gelassenheit, mit der das Sterben im Straßenverkehr und in Kriegen registriert und als body-counting quantifiziert wird, kündigt sich dies ebenso an wie in den makabren Verniedlichungen des Sterbens, die EVELYN WAUGH in "Tod in Hollywood" beschrieben hat.

Die Kritische Theorie hat hier sowenig wie anderswo ein Rezept für bessere Lösungen. Für HORKHEIMER stellt sich angesichts der Dialektik des Fortschritts sogar die Frage, ob die immanente Logik der gesellschaftlichen Entwicklung überhaupt verzögert werden, ob man nicht vielmehr zu ihrer Beschleunigung beitragen sollte. Der Schwund traditioneller Güter ist schlimm; schlimmer jedoch ist, ihretwegen die Verhinderung von abschaffbaren Übeln zu unterbinden. Wenn man das Bessere tut, handelt man sich den Verlust mit ein. Kaum noch anderes als eine Katastrophe kann die technokratische Zukunft verhindern - eine solche Alternative aber ist selbstmörderisch.

Dies alles muß in einer Sprache formuliert werden, die selbst jenem Wandel unterliegt, den sie gerade bezeichnen soll; der Gedanke von Objektivität, glücklichem Leben und Schönheit erfährt denselben Widerspruch an sich; nicht nur, daß ihm sein Inhalt als Leerformel präsentiert und damit als sinnlose Spekulation dargestellt wird, sondern auch seine Legitimationsbasis, das Interesse an eben diesem Gedanken, fällt damit ins Bodenlose. Dieser Wandlung zu widerstehen wird darum eine Sisyphus-Tätigkeit, weil der Widerstand der Kritischen Theorie sich immer nur auf jene Gedanken stützen muß, denen zuvor schon vom approbierten [genehmigten - wp], konformen Denken die Legalität strittig gemacht wurde.

Der Fall ins Bodenlose bleibt daher angewiesen auf Postulat, Wunsch und Sehnsucht. Wie die Aufklärung schon eindimensional die traditionalen Grundlagen der bürgerlichen Welt kritisierte, so auch die Kategorien Wunsch, Hoffnung, Sehnsucht: sie gelten als romantische Residuen der Innerlichkeit: daß Hoffen und Harren schon manchen zum Narren gemacht,  wishful thinking [Wunschdenken - wp] nichts mit dem real Möglichen zu tun hat und der Wunsch ein schlechter Vater des Gedankens sein kann, gilt unbestritten (69). Die Generalisierung dieser Erfahrung übersieht jedoch, wie sehr es Not ist, die erst denken lehrt: Hunger, Not und Kriege, ob kalter oder heißer, waren seit je die größten Förderer von Erfindungen und wissenschaftlichem Fortschritt.
LITERATUR: Werner Post, Kritische Theorie und metaphysischer Pessimismus, München 1971
    Anmerkungen
    48) Dialektik der Aufklärung, Seite 91
    49) Dialektik der Aufklärung, Seite 127
    50) Vgl. HORKHEIMER, Die Revolte der Natur in "Kritik der instrumentellen Vernunft", Seite 93-123.
    51) Vgl. HORKHEIMER, Bedrohungen der Freiheit, in "Kritik der instrumentellen Vernunft", Seite 343f.
    52) HORKHEIMER, Aufstieg und Niedergang des Individuums, in "Kritik der instrumentellen Vernunft", Seite 135.
    53) a. a. O. Seite 152
    54) HORKHEIMER, Die Aktualität Schopenhauers, in "Kritik der instrumentellen Vernunft", Seite 261
    55) a. a. O., Seite 257
    56) a. a. O.
    57) a. a. O., Seite 250
    58) HORKHEIMER, Schopenhauer und die Gesellschaft, in HORKHEIMER / ADORNO, Sociologica II, Reden und Vorträge in Beiträge zur Soziologie, Bd. 10, Ffm 1962, Seite 118f.
    59) HORKHEIMER, Aktualität Schopenhauers, a. a. O., Seite 264.
    60) Im Folgenden wird der Begriff  Aufklärung in mehrfacher Bedeutung gebraucht. Will man auf diesen Begriff nicht ganz verzichten, so sind semantische Schwierigkeiten unvermeidlich. Korrekt müßte jede einzelne Strömung, die philosophiegeschichtlich normalerweise unter Aufklärung subsumiert wird, mit einem spezifizierenden Index versehen werden: A (ufklärung) ¹, A², A³ usw. Selbst dies würde vermutlich nicht ausreichen, um etwa DESCARTES und NIETZSCHE, BACON und FREUD, LEIBNIZ und MARX, um raison, raison raisonable und raison raisonable raisonable etc. auf ein einheitliches Grundraster zu ziehen. Selbst eine Gegenaufklärung kann zu bestimmten Zeiten eine Aufklärung sein, soweit sich das überhaupt definitiv klären läßt. Ähnlich ergeht es Begriffen wie  Mündigkeit oder  Emanzipation. Die mißliche Vieldeutigkeit des Wortes "Aufklärung" in unserem Text läßt sich jedenfalls nicht einfach terminologisch beseitigen.
    61) Vgl. Le PLAY, La réforme social en France I, Paris 1864, Seite 168: Die Familie gilt als "unité sociale par excellence, comme la religion et la propriété une institution immuable". [als soziale Einheit schlechthin, wie Religion und Eigentum als unveränderliche Institution - wp] Innerhalb der Familie gilt noch einmal die Vaterautorität als besonders wichtig: "Le plus nécessaire, le plus legitime de tous les pouvoirs sociaux" [als notwendigste und legitimste aller sozialen Kräfte - wp] (a. a. O., Seite 199). Die "Dialektik der Aufklärung" weist darauf hin (Seite 123), daß de SADE bereits hundert Jahre zuvor den mythologischen Charakter dieser Prinzipien entlarvt. - Le PLAY hat diese Prinzipien des Bürgertums nicht erfunden, sondern sie als reaktionäres Programm formuliert, als die Bourgeoisie im Zerfall begriffen war.
    62) Vgl. "Studien über Autorität und Familie", hg. von MAX HORKHEIMER, Paris 1936; als "Allgemeiner Teil" ist HORKHEIMERs Beitrag abgedruckt in "Kritische Theorie I", Seite 227-360; auch in den späten Schriften finden sich Beiträge zu diesem Thema; z. B. "Autorität und Familie in der Gegenwart", "Die Zukunft der Ehe", in  Kritik der instrumentellen Vernunft, Seite 269-301.
    63) Kritische Theorie I, Seite 310
    64) Kritische Theorie I, Seite 345
    65) HORKHEIMER, Autorität und Familie in der Gegenwart, in "Kritik der instrumentellen Vernunft", Seite 287
    66) vgl. Kritische Theorie I, Seite 348
    67) vgl. das Spiegel-Interview Nr. 1-2, 1970, Seite 83-84. Vgl. ebenfalls dazu: HORKHEIMER, Die Sehnsucht nach dem ganz Anderen. Ein Interview mit Kommentar von HELMUT GUMNIOR, Hamburg 1970 (Bd. 97 der Stundenbücher)
    68) vgl. a. a. O., Seite 80
    69) Vgl. ERNST BLOCK, Kann Hoffnung enttäuscht werden?, in "Verfremdungen", Bd. 1, Ffm 1962, Seite 211-219; BLOCHs gesamtes Werk kann als Demonstration dafür gelten, wie sehr sich in Hoffnung, Wunsch und Traum noch Antizipationen eines besseren Lebens melden, ohne illusionär zu sein, die sich aber der Kontrolle in den Rastern positiver Rationalität entziehen.