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HERMANN ULRICI
Das Wesen der logischen Kategorien
[Mit einigen Abkürzungen vorgetragen in der ersten
Philosophen-Versammlung zu Gotha am 24. September 1847]

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"Die Kategorien können sogar in gewissem Sinne als die Bestimmungen des Absoluten, Gottes bezeichnet werden. Sie sind auch in Gott logischer Natur, die logischen Urgedanken des absoluten Denkens, von ihm frei produziert als die allgemeinen ewigen Grundbestimmungen . . . mittels deren alles was ist, Natürliches wie Geistiges, seine Bestimmtheit durch die denkenschaffenden Tätigkeit Gottes erhält."

"Die Kategorien . . . sind die notwendigen Gesichtspunkte unseres Denkens, die wiederkehrenden Bestimmungen, unter welche wie unter höhere Mächte (d. h. unter allgemeine Normen, Regeln, Gesetze) all unser Denken fällt, sie sind die Grundbegriffe des Denkens wie des Seins, d. h. die Begriffe, mittels deren alles was ist, jeder Gedanke wie jedes Seiende seine Bestimmtheit erhält und eben damit sind sie die Begriffe der Grundverhältnisse der Dinge."

"Das Denken kann schlechthin nichts denken, ohne es zumindest von sich selbst, dem Denken zu unterscheiden. All unser Denken, Wahrnehmen, Anschauen, Vorstellen, Begreifen, Erkennen, Wissen, ja selbst unser Empfinden und Fühlen beruth auf der unterscheidenden Tätigkeit des Geistes; sie ist die Grundtätigkeit in theoretischer wie praktischer Beziehung, weil in ihr allein die Möglichkeit des Bewußtseins beruth, ohne welches das Denken nicht Denken, der Geist nicht Geist ist: Bewußtsein ist selbst nichts anderes als die unterscheidende Tätigkeit des Denkens oder, wenn man so will, zunächst des Empfindens, Fühlens, Wahrnehmens etc. durch welche es den Gedanken, die Empfindung (das Gedachte, Empfundene) in sich selbst von sich selbst unterscheidet."

Gleichwohl liegt auch der KRAUSE-HEGELschen Ansicht eine wichtige Wahrheit zugrunde, und es ist insbesondere das Verdienst HEGELs, diese Wahrheit mit Energie geltend gemacht, - den Kategorien nämlich die reelle objektive Bedeutung, die ihnen entweder geradezu abgeleugnet oder doch nicht ausdrücklich zugesprochen war, vindiziert [zugewiesen - wp] zu haben. Die Kategorien sind allerdings nicht bloße Bestimmungen unseres Denkens, sondern auch des reellen Seins; sie gehen durch beide Sphären hindurch und sind die Hauptbindeglieder zwischen beiden, durch die es allein möglich ist, daß die Bestimmtheit des uns äußerlich gegenüberstehenden Seins mit der Bestimmtheit unseres Denkens, d. h. mit unseren Anschauungen und Vorstellungen, so wie der Zusammenhang und die Ordnung des Seins mit der Ordnung und dem Zusammenhang unseres Denkens, d. h. mit unseren Begriffen und Ideen kongruieren [übereinstimmen - wp]. Ja die Kategorien können sogar in gewissem Sinne als die Bestimmungen des Absoluten, Gottes bezeichnet werden. Nur sind sie nicht Momente der Idee Gottes, nicht Bestimmungen seines Wesens, also auch selbst keine metaphysischen Wesenheiten, nicht substanzieller Natur, sondern sie sind auch in Gott, wie sich zeigen wird, logischer Natur, die logischen Urgedanken des absoluten Denkens, von ihm frei produziert als die allgemeinen ewigen Grundbestimmungen, die zwar nicht sich selbst in die konkrete Mannigfaltigkeit und Bestimmtheit des reellen Seins der Dinge wie das Allgemeine in das Besondere und Einzelne, entfalten, wohl aber die apriorischen, dem reellen Sein vorhergehenden Medien sind, mittels deren alles was ist, Natürliches wie Geistiges, seine Bestimmtheit durch die denkenschaffenden Tätigkeit Gottes erhält.

TRENDELENBURG erkennt diese ebenso ideelle wie reelle, subjektive wie objektive Bedeutung der Kategorien an. Nur gründet sich ihm dieselbe nicht auf das Wesen des Absoluten, sondern auf das, was er (in den "Logischen Untersuchungen") die Bewegung überhaupt oder (in der "Geschichte der Kategorien") die "konstruktive Bewegung" nennt. Diese Bewegung ist es, welche, dem Sein und dem Denken gemeinsam, in beiden Sphären wesentlich dieselbe und daher das beide verbindende, vermittelnde Medium, in ihrem Forschritt, ihrem Gang, ihrem Rhythmus, unmittelbar die Kategorien erzeugt. Demgemäß sind zwar wohl die realen Kategorien von den modalen zu unterscheiden: jene sind die Grundbegriffe des Seins, diese die Grundbegriffe des Denkens, "welche erst im Akt des Erkennens entstehen, indem sie dessen Beziehungen und Stufen bezeichnen"; jene (z. B. Substanz, Quantum) bezeichnen daher die Dinge unmittelbar, diese dagegen (wie Erscheinung, Mögliches) werden nur mittelbar von den Dingen ausgesagt, indem sie immer einen Bezug des Erkennens zu den Dingen mitbegreifen. Allein "da es kein Denken geben kann ohne das gegenüberstehende Sein, an dem es arbeitet, so werden die Grundbegriffe des Denkens (die modalen Kategorien) zugleich Grundbegriffe der Dinge, inwiefern diese gedacht werden und daran das Denken reift." Nachdem TRENDELENBURG diesen Unterschied zwischen den realen und modalen Kategorien erörtert und vermittelt hat, läßt er die letzteren vorläufig fallen und betrachtet die realen Kategorien näher. Diese, zu denen TRENDELENBURG Kausalität, Substanz, Form, Qualität, Quantum, Maß, Inhärenz und Wechselwirkung zählt, durchlaufen nämlich nach ihm gleichsam vier Bildungs- oder Entwicklungsstufen ihres Wesens und ihrer Bedeutung. Die erste derselben ist die mathematische. Zunächst nämlich bilden sich die realen Kategorien im Geist "durch die im Geist frei gewordene Bewegung, die der Ursprung der mathematischen Welt ist". Indem diese konstruktive Bewegung, die allgemeine Bedingung des Denkens, unmittelbar durch ihr bloßes Dasein Raum und Zeit, Figur und Zahl aus sich hervorbringt, so ist sie eben damit produktiv, und in diesem ihrem Produzieren, in ihrer erzeugenden Tat liegt zuvörderst die Kategorie der Kausalität. Durch dieselbe konstruktive Bewegung setzt und schließt sich aber in der Figur und Zahl auch ein relativ selbständiges Ganzes ab, und ein solches enthält in sich den Grundbegriff der Substanz. Das Verfahren oder die Handlungsweise des Produzierens derselben konstruktiven Bewegung ergibt ferner das, was im weitesten Sinne die Kategorie der die Materie befassenden Form heißt. Indem diese die Substanzen determiniert und zu eigentümlichen Bewegungen bindet, so daß an denselben Kausalität haftet, wird durch dieses Grundverhältnis die Qualität im weitesten Sinne erzeugt. Unmittelbar aus der stetigen Bewegung folgt das Quantum, und aus dem gleichartigen Ursprung desselben die Meßbarkeit, das Maß. Inhärenz und Wechselwirkung endlich ergeben sich, inwiefern die Qualitäten teils von der Substanz befaßt werden, teils zusammen die Substanz in ihrer Äußerung bilden." - Aber die konstruktive Bewegung liegt nach TRENDELENBURGs Grundvoraussetzung ebenso als "Grundtätigkeit" den Dingen zugrunde.
    "Wie sie im Denken konstruktiv wirkt, so ist sie in der Materie das Erzeugende: so weit wir Vorstellungen von der Materie haben, haben wir sie nur durch die Bewegungen, in denen sie sich äußert; die Sinne, deren Objekt die Materie ist, empfinden nichts als spezifizierte Bewegungen."
Darum haben die zunächst (auf der ersten mathematischen Stufe) im Geist erzeugten Kategorien unmittelbar "Anwendung in den Dingen". Damit ergibt sich die zweite Stufe, die man etwa die physische oder materielle nennen kann. Die Kategorien erhalten eine materielle Bedeutung, indem die mathematischen Kategorien "im Materiellen erfüllt" werden. Jene erste Grundlage bleibt, aber es tritt ein eigentümliches Element hinzu, das durch die Sinne gegeben wird, während im mathematischen Gebiet die selbsttätig erzeugenden Bewegung des Denkens allein wirkte. Durch dieses neue Element wird demgemäß das geschlossene Ganze, das auf der ersten Stufe z. B. in der Figur und Zahl erschien, auf der zweiten "zur materiellen Substanz"; die auf der ersten durch die Form bestimmten Qualitäten werden auf der zweiten zu "gebundenen Kräften" usw. - Auf diesen beiden ersten Stufen erscheint die die Kategorien erzeugende Tätigkeit des Denkens wie des Seins nur als eine natürliche, physische, indem vom Bewußtsein gänzlich abgesehen ist. Wo diese "nackte (unbewußte) Bewegung" herrscht, da kann nur von blinder Ursächlichkeit die Rede sein: das Erscheinende, Seiende liegt dem Gedanken als ein Prius vor, das er sich wie ein Fremdes nur anzueignen hat. Allein, fährt TRENDELENBURG fort,
    "schon aus der bewußten Richtung der konstruktiven Bewegung im Mathematischen entspringt bereits mehr als blind wirkende Kausalität; es wird durch dieselbe auf dem Gebiet der menschlichen Tätigkeit der große Begriff des Zwecks möglich und in der Natur erkennbar."
Mit ihm ändert sich jenes Verhältnis, nach welchem das Seiende das Prius des Gedankens war. Wo wir, wie im Organischen, den Zweck verwirklicht vorfinden, ist vielmehr das Sein von einem zugrunde liegenden Gedanken, von einem Bezug auf das im Gedanken vorgebildete Ganze bestimmt; das Sein ist nicht mehr dem Gedanken fremd, sondern selbst im vorangegangenen Denken gegründet. Wird nun dieses "Grundverhältnis" den Kategorien eingebildet, so erheben sie sich damit zu einer höheren Stufe, die man die organische nennen kann. Ihre Bedeutung wird damit eine andere, höhere: die wirkende Ursache, vom Zweck bestimmt, wird zum Mittel; die Substanz, deren Bau der leitende Gedanke (Zweck) zugrunde liegt, wird in verschiedener Abstufung zur Maschine oder zum Organismus; die physischen Kategorien verwandeln sich in organische. Durch diese dritte Stufe endlich ist schon zugleich die vierte, die ethische Stufe der Kategorien vorgebildet. Sie unterscheidet sich nur dadurch von der dritten, daß auf ihr nicht, wie in der Natur, der Zweck des Ganzen blind verwirklicht, sondern erkannt und mit freiem Bewußtsein ausgeführt wird. Alle sittlichen Begriffe ruhen auf den Zweck, der als göttliche Bestimmung dem Menschenleben zugrunde liegt, aber auf dem in Erkenntnis und Gesinnung aufgenommenen Zweck. Das Gute ist daher nur am unbedingten Zweck zu messen, und ein großer Teil der sogenannten Tugenden sind eben nur ethische Kategorien, die aus den organischen Kategorien durch die hinzugetretene Erkenntnis und Gesinnung hervorgehen; so wird z. B. das lebendige persönliche Maß, in welchem die Anschauung des Mathematischen nicht aufgegeben ist, zu jener sophrosyne, die wir mit "Besonnenheit" zu übersetzen pflegen. -

Wir wollen auch diese Ansicht TRENDELENBURGs nicht näher nach ihrer Begründung, nach ihrer Deduktion fragen; wir wollen nicht urgieren [darauf drängen - wp], daß die sogenannte "konstruktive Bewegung" als gleichmäßig durchgehend durch die Sphären des Seins und des Denkens nicht nur eine bloße hypothetische Voraussetzung ist, sondern daß auch nicht einzusehen ist, wie diese Bewegung, da doch das Denken und das materielle Sein verschieden sind und auch von TRENDELENBURG unterschieden werden, im Denken und Sein dieselbe sein kann; wir wollen nicht das Auftreten des Zweckbegriffs nach seiner Berechtigung fragen, obwohl wir nicht einzusehen vermögen, wie der Zweck aus der konstruktiven Bewegung hervorgehen, sich aus ihr als ein Grundbegriff des Seins wie des Denkens absetzen, noch wie er etwa selbst konstruktive Bewegung (oder eine besondere Form derselben) sein kann, da er ja vielmehr der feste, ruhende Punkt, das ideell bereits fertige Ganze ist, das die Bewegung der wirkenden Ursachen (Mittel) bestimmt, das also ohne selbst Bewegung zu sein die Bewegung der letzteren hervorruft oder doch beherrscht; (1) - wir wollen vielmehr wiederum nur die Ansicht selbst vom Wesen der Kategorien näher ins Auge fassen und kritisch beleuchten. Hier müssen wir es nun sogleich als einen Mangel der wissenschaftlichen Behandlung rügen, daß TRENDELENBURG weder in den logischen Untersuchungen noch in der Geschichte der Kategorien den Begriff derselben näher erörtert hat. Er läßt es bei ganz allgemeinen, beiläufig hervortretenden Bezeichnungen bewenden, gleich als wenn es sich von selbst verstünde, was man sich unter dem Namen Kategorie zu denken hat. Ja diese Bezeichnungen, die mannigfach variieren, stimmen nicht einmal untereinander überein. So bezeichnet er die Kategorien als "die wiederkehrenden Bestimmungen, unter welche wie unter höhere Mächte im Konkreten wir im Abstrakten all unser Denken fällt", als die Urbegriffe, die, weil die Bewegung, das Gegenbild der räumlichen, die erste und schöpferische Tat unseres Denkens ist, zunächst aus dieser ursprünglichen Tat hervorgehen", die aber weil die Bewegung das Gegenbild der räumlichen, die erste und schöpferische Tat unseres Denkens ist, zunächst aus dieser ursprünglichen Tat hervorgehen", die aber, weil die Bewegung ebenso auch das reelle Sein produktiv und konstruktiv beherrscht, nicht bloß "die Grundbegriffe des Denkens", sondern auch die "Grundbegriffe des Seins" sind, "letzte Begriffe", - "unter welche wir die Dinge fassen, weil sie ihr Wesen sind". ("Logische Untersuchungen", Bd. I, Seite 278f; "Geschichte der Kategorien", Seite 207 und 364) Er bezeichnet sie aber auch als "die allgemeinen Formen der Begriffe, inwiefern dem Denken wie dem Sein gleicherweise die Bewegung zugrunde liegt"; es sagt: "wir sehen die Kategorien als Begriffe von Grundverhältnissen durch die konstruktive Bewegung werden, und sie sind selbst nichts als diese fixierten Grundverhältnisse, - in sich klar, weil sie, vorausgesetzt daß die konstruktive Bewegung die Grundtätigkeit des Denkens ist, stillschweigend in jeder Äußerung des Denkens enthalten sind"; und wiederum sind sie ihm "die Grundbegriffe, in denen sich die in den Anschauungen wiederkehrenden Grundverhältnisse absetzen und einprägen, während das wechselnde Beiwerk und die veränderliche Zutat in den unbestimmten Hintergrund tritt und sich gegenseitig stört und verwischt." ("Logische Untersuchungen", Bd. II, Seite 72 und "Geschichte der Kategorien", Seite 366 und 369). - Wir gestehen, daß wir diese verschiedenen Erklärungen nicht wohl unter einen Begriff zu vereinigen vermögen. Sind die Kategorien die Ur- oder Grundbegriffe nicht nur des Denkens, sondern auch des Seins, ja sind sie das Wesen der Dinge selbst, so können sie doch wohl nicht zugleich bloße Formen von Begriffen sein. Und sind sie die wiederkehrenden Bestimmungen, unter welche wie unter höhere Mächte all unser Denken fällt, oder (was doch wohl dasselbe ist) die notwendigen Gesichtspunkte des Denkens, d. h. sind sie Normen, Regeln, Gesetze, die unser Denken bestimmen, denen gemäß sich die Tätigkeit unseres Denkens vollzieht oder durch die sie normiert, geregelt wird, die also ursprüngliche immanente (aktive) Bestimmungen unseres Denkens sind, so können sie wiederum nicht wohl bloße Grundbegriffe sein, in denen sich die in den Anschauungen wiederkehrenden Grundverhältnisse absetzen und einprägen: denn danach scheint es, als sollten sie nur die aus der Anschauung abstrahierten und damit von der Erfahrung veranlaßten Begriffe dieser Grundverhältnisse sein: Sind sie endlich Begriffe solcher Grundverhältnisse, so ist wiederum nicht wohl einzusehen, wie sie zugleich das Wesen der Dinge selbst sein oder auch nur ausdrücken sollen: wenigstens hätte erst gezeigt werden müssen, wie das Wesen der Dinge und ihre Grundverhältnisse in Eins zusammenfallen.

Diese Verwirrung rührt, wie wir glauben, einerseits daher, daß das Wesen der Kategorien, das was sie ansich (subjektiv wie objektiv, im Denken wie im Sein) sind und bedeuten, von der Art und Weise, wie sie uns zu Bewußtsein kommen und sich als Begriffe unseres Denkens bilden, nicht scharf und ausdrücklich genug unterschieden hat; andererseits aber darin, daß ihm dem gründlichen, ruhigen, unbefangenen Forscher, das Richtige, das, was wir zumindest für das wahre Wesen der Kategorien halten, zwar vorschwebte, aber nicht zur Klarheit und Bestimmtheit der Fassung kommen konnte, teils weil es noch mit fremdartigen Elementen gemischt, teils weil es durch die konstruktive Bewegung, aus der alles hergeleitet werden sollte, unter einen falschen Gesichtspunkt gestellt war. Zu den fremdartigen Elementen, die mit TRENDELENBURGs Grundanschauung selbst nicht stimmen, rechnen wir hauptsächlich die Behauptung, die Kategorien seien das Wesen der Dinge selbst, oder wie KRAUSE und HEGEL sagen würden: die Grundwesenheiten der Dinge. Denn zum Wesen der Dinge gehören doch nicht bloß die Form, die Gestalt, die Größe, das Maß, die Grundverhältnisse (der Ursache und Wirkung, des Ganzen und seiner Teile, der Substanz und ihrer Modifikationen oder nach TRENDELENBURG der Substanz und der teils von ihr befaßten, teils für sie bildenden Qualitäten), wie sie nach TRENDELENBURG durch die konstruktive Bewegung gesetzt werden, sondern vor allem das, was von der konstruktiven Bewegung bewegt wird oder sich selber in ihr bewegt. Dieses Was, dieses Inhaltliche, Subsistierende [Bestehende - wp] oder wenn man will Substrat, gesetzt auch daß es durch die konstruktive Bewegung seine Form, Größe, Qualität, Ganzheit, Wirkungsweise (Kausalität), kurz: die ganze Bestimmtheit seiner selbst wie seiner Grundverhältnisse empfängt, kann doch aus der konstruktiven Bewegung nicht selbst hervorgehen, und mithin auch in dem seine Bestimmtheit und Grundverhältnisse ausdrückenden Begriffen nicht mit enthalten sein. Folglich können auch diese Begriffe, d. h. die Kategorien nicht das Wesen der Dinge ausdrücken, geschweige denn selbst sein. Die konstruktive Bewegung vertritt bei TRENDELENBURG offenbar die schöpferische Tätigkeit Gottes, die Urtätigkeit, durch die alles was ist, Natürliches wie Geistiges (Sein und Denken), sein Dasein und seine Bestimmtheit hat. Aber weil er sie von vornherein nur als Bewegung, nicht als geistige, selbstbewußte, des Seins mächtige und es gemäß den Kategorien bestimmende Denktätigkeit faßt, - obwohl doch nicht einzusehen ist, wie die Bewegung konstruktiv sein kann, wenn sie nicht eine vom Denken bestimmte, vom Bewußtsein begleitete Tätigkeit ist, - so hat er sich dadurch den richtigen Gesichtspunkt verrückt, aus dem sich allein die Kategorien ihrem wahren Wesen nach begreifen lassen. Letztere (abgesehen von jener ihrer Bestimmung, das Wesen der Dinge selbst zu sein) sind daher wohl das, als was sie TRENDELENBURG bezeichnet; sie sind die notwendigen Gesichtspunkte unseres Denkens, die wiederkehrenden Bestimmungen, unter welche wie unter höhere Mächte (d. h. unter allgemeine Normen, Regeln, Gesetze) all unser Denken fällt, sie sind die Grundbegriffe des Denkens wie des Seins, d. h. die Begriffe, mittels deren alles was ist, jeder Gedanke wie jedes Seiende seine Bestimmtheit erhält und eben damit sind sie die Begriffe der Grundverhältnisse der Dinge. Aber es erhellt sich nicht, wie sie das alles sind und sich diese verschiedenen Bestimmungen aus ein und demselben Begriff ergeben können, wenn sie sich nur aus der konstruktiven Bewegung im Denken und Sein "absetzen". -

Ich stelle nun diesen verschiedenen Ansichten meine eigene ohne Weiteres gegenüber, die sich, wie mir scheint, wenn sonst durch nichts, jedenfalls doch durch ihre Klarheit und Einfachheit empfiehlt. Ich habe sie ihren wesentlichen Grundzügen nach bereits in meiner "Grundlegung des Systems der Philosophie oder der Lehre vom Wissen" dargelegt und fasse hier nur zusammen, was dort um der Deduktion willen an verschiedene Stellen verteilt werden mußte.

Im Gegensatz gegen die neuere von SCHELLING ausgegangene Spekulation muß ich behaupten, daß die reine, absolute Identität schlechthin undenkbar ist: das Denken kann schlechthin nichts denken, ohne es zumindest von sich selbst, dem Denken zu unterscheiden. All unser Denken, Wahrnehmen, Anschauen, Vorstellen, Begreifen, Erkennen, Wissen, ja selbst unser Empfinden und Fühlen beruth auf der unterscheidenden Tätigkeit des Geistes; sie ist die Grundtätigkeit in theoretischer wie praktischer Beziehung, weil in ihr allein die Möglichkeit des Bewußtseins beruth, ohne welches das Denken nicht Denken, der Geist nicht Geist ist: Bewußtsein ist selbst nichts anderes als die unterscheidende Tätigkeit des Denkens oder, wenn man so will, zunächst des Empfindens, Fühlens, Wahrnehmens etc. durch welche es den Gedanken, die Empfindung (das Gedachte, Empfundene) in sich selbst von sich selbst unterscheidet. Indem aber das Denken das Gedachte von sich, dem Denken, unterscheidet, wird das Denken sich selber gegenständlich, es wird selbst zu einem Gedachten, d. h.: in der dem Denken eigentümlichen und notwendigen Form des Bewußtseins, womit es erst ein Denken ist, liegt zugleich notwendig, daß das Gedachte nicht nur vom Denken, sondern auch vom Gedachten unterschieden wird. Ohne diese Unterscheidung bliebe das Gedachte ein schlechthin Unbestimmtes: denn alle Bestimmtheit ist Unterschiedenheit in sich oder von anderem, beruth auf Unterscheidung. Wie wir also nur in Unterschieden zu denken vermögen, - Denken ganz allgemein genommen als alle die verschiedenen sogenannten Vermögen oder Tätigkeitsweisen des Geistes umfassend, - so vermögen wir auch das Identische, Eine nur zu denken, indem wir es vom Mannigfaltigen unterscheiden: das Eine ist nur das ich sich Unterschiedene, das Mannigfaltige das von Anderem (außer ihm) Unterschiedene; nur in diesem Unterschied ihrer Unterschiedenheit besteht das Wesen beider, eben darin liegt auch zugleich ihre notwendige Beziehung auf einander und daß jedes nur denkbar ist im Unterschied vom Anderen. Deshalb endlich vermögen wir auch die Einheit des Mannigfaltigen, die Vermittlung des Unterschiedenen (der Gegensätze) nur zu denken, indem wir sie aus der Vielheit des Mannigfaltigen, aus der Unterschiedenheit des Unterschiedenen hervorgehen lassen, d. h. indem wir sie von letzterer, wenn auch als einer vergangenen, aufgehobenen, fortwährend unterscheiden.

Aber auch im (reellen) Sein wäre die absolute Identität nur das reine Chaos, die Urnach, in der alles verschwindet und eben deshalb nichts ist. Auch das Sein als solches - d. h. abgesehen von seinem immer schon notwendig mitgedachten Unterschied gegen das Denken - vermögen wir nur zu denken, indem wir sofort Unterschiede in ihm setzen oder es doch selbst vom Werden und Gewordensein (Dasein) unterscheiden. Ohne alle Unterscheidung und Entgegensetzung wäre das reine Sein nur die Abstraktion von allem Bestimmten, Unterschiedenen, nur das schlechthin Unbestimmte, Unterschiedslose (Einfache), d. h. die Negation alles Bestimmten und Unterschiedenen. Aber diese Negation, diese Abstraktion setzt das, was sie negiert und wovon sie abstrahiert, voraus, notwendig voraus, d. h. sie ist nur denkbar, indem das, was ihre notwendige Voraussetzung ist, ohne welches sie selbst nicht gedacht werden kann, zugleich mitgedacht und eben damit von ihr unterschieden wird. Dieses Mitgedachte, Unterschiedene muß aber notwendig selbst als seiend gedacht werden, weil sonst das reine Sein als Negation desselben nur ein Nichtseiendes und somit überhaupt nichts negieren, d. h. keine Negation sein würde. Also auch das (reelle) Sein kann als seiend nur gedacht werden und ist folglich (für uns) auch nur, sofern es in sich unterschieden ist. Diese Notwendigkeit liegt außerdem schon darin, daß das Denken sich selbst ebenfalls als reell seiend fassen muß und doch zugleich das reelle Sein außerhalb von ihm nur denken kann, indem es sich selbst von ihm und damit sein Sein von einem anderen Sein unterscheidet: eben damit ist schon das reelle Sein als in sich unterschieden gesetzt. Und da das Denken notwendig Tätigkeit, tätiges Sein ist und sich nur als solches fassen kann, so kann das von seinem (subjektiven) Sein unterschiedene reelle (objektive) Sein unmöglich ein schlechthin totes, starres, untätiges sein, weil ja sonst das ganze als denkendes und reelles Sein in sich unterschiedene Sein der reine undenkbare Widerspruch des Tätigen gegen das schlechthin Untätige wäre. Mithin kann auch das reelle (objektive) Sein nicht ein- für allemal, in schlechthin fixierten Unterschieden unterschieden sein, sondern sofern es Werden, Entwicklung, Bewegung, kurz sofern Tätigkeit in ihm ist, so können auch seine Unterschiede nur werden, sich entwickeln, d. h. aus einer ihm zugrunde liegenden Tätigkeit des Unterscheidens hervorgehen.

Diese von der Natur des Denkens und der in ihm waltenden Denknotwendigkeit ausgehende und insofern apriorische Deduktion wird von der Erfahrung vollständig bestätigt. Denn wenn wir nach den Resultaten der Physik und Physiologie das materielle Sein mittels der Sinne nur dadurch wahrnehmen, daß es sich physikalisch (für das Gefühl, Gehör, Gesicht) oder chemisch (Geschmack und Geruch) bewegt, so sind es doch nur spezifizierte, d. h. unterschiedene Bewegungen, die wir wahrnehmen, und ohne diese Unterschiedenheit, ohne diese Spezifikation würden wir schlechthin nichts wahrnehmen. Diese spezifizierten Bewegungen werden aber nicht nur von unserem Denken als sinnliche Empfindung unterschieden, sondern setzen auch ansich, in der Natur, eine unterscheidende Tätigkeit voraus, durch die sie unterschieden, spezifiziert sind. Alle empirische Naturwissenschaft behauptet zumindest, daß die Dinge nicht ein für allemal sind, sondern werden, entstehen, sich entwickeln; indem sie aber entstehen, werden sie zugleich zu bestimmten, begrifflich (nach Gattungen, Arten, Exemplaren) unterschiedenen Dingen; die Tätigkeit, durch die sie entstehen, ist also zugleich eine ihre Unterschiedenheit bestimmende und festhaltende d. h. unterscheidende Tätigkeit.

Sonach müssen wir behaupten: gibt es überhaupt irgendetwas Denkbares, sei es ein Seiendes oder bloß Gedachtes, ein Reelles oder Ideelles, so muß es ein Unterschiedenes sein, unterschieden durch eine unterscheidende Tätigkeit, so liegt ihm also notwendig eine unterscheidende Tätigkeit zugrunde. Denn auf ihr beruth nicht nur alle Bestimmtheit, aller Zusammenhang, alle Ordnung im Sein wie im Denken, sondern durch sie allein ist überhaupt Etwas denkbar, ist das Sein wie das Denken selbst denkbar. Eine unterscheidende Tätigkeit geht folglich notwendig durch das Sein wie durch das Denken, durch Natur und Geist gleichermaßen hindurch: durch sie allein ist die Natur ein zusammenhängendes, geordnetes Ganzes des Seins, der Geist ein zusammenhängendes, geordnetes Ganzes des Denkens und Bewußtseins; durch sie allein ist also die Natur Natur, der Geist Geist. -

Es fragt sich folglich: wie ist diese unterscheidende Tätigkeit möglich? wie vollzieht sie sich? worin besteht ihr Tun nach Inhalt und Form?

1. Zunächst leuchtet ein, daß die unterscheidende Tätigkeit nur relative Unterschiede setzen kann, weil der absolute Unterschied ebenso schlechthin undenkbar ist wie die absolute Identität. Denn alles, möge es unterschieden sein oder als unterschieden gedacht werden, hat zumindest die Eine, gleiche Bestimmung, ein Seiendes, ein Gedachtes zu sein. Der reine absolute Unterschied aber würde fordern, daß die Unterschiedenen in schlechthin keiner Beziehung Eins oder gleich sind, schlechthin keine Bestimmung gemein haben, daß also auch wenn das Eine von beiden ist, das Andere nicht ist, und wenn das Eine gedacht wird, das Andere nicht gedacht wird. Darin aber liegt unmittelbar die Forderung, das unterschieden Seiende vielmehr als nicht seiend, das unterschieden Gedachte vielmehr als nicht gedacht zu denken, d. h. der absolute Unterschied ist der reine Widerspruch, die contradictio in adjecto [Widerspruch in sich - wp], - das schlechthin Undenkbare. Aller Unterschied ist notwendig ein relativer, d. h. alles Unterschiedene muß wenigstens in einer Beziehung Eins, gleich, nicht unterschieden sein.

2. Was unterschieden ist, besteht als Unterschiedenes darin, daß das Eine ist, was das Andere nicht ist: der Unterschied überhaupt ist mithin das Nichtsein des Einen im oder am Andern. Gerade darin aber, worin das Eine das Andere nicht ist, besteht das, was jedes ansich ist: gerade darin ist das Eine das Eine, das Andere das Andere. Jenes Nichtsein des Einen am Andern ist folglich zugleich das positive Selbst-sein des Einen, und umgekehrt: jenes Nichtsein und dieses Selbstsein ist ein und dasselbe, und nur insofern beides als ein und dasselbe gesetzt wird, wird das Eine vom Anderen unterschieden. Im Unterscheiden wird folglich notwendig jenes Nichtsein des Einen als dieses Selbstsein desselben Einen, jenes = diesem und dieses = jenem gedacht, d. h. indem Eines vom Andern unterschieden wird, wird notwendig jedes von beiden als sich selber gleich gedacht. Und sofern etwas nur gedacht werden kann, indem es von einem Anderen unterschieden wird, so ist der sogenannte Satz der Identität: jedes Ding ist sich selbst gleich, A = A, notwendig ein allgemeines Denkgesetz, weil eben ein Ausdruck der notwendigen Art und Weise, wie sich die unterscheidende Tätigkeit allein vollziehen kann. Der sogenannte Satz des Widerspruchs, A nicht = non-A, ist nur die Kehrseite oder der negative Ausdruck des Satzes der Identität. Beide Sätze sagen ansich dasselbe aus: der Satz der Identität behauptet nur positiv, daß A = A gedacht werden muß, weil es überhaupt nur gedacht werden kann, indem es von Anderem unterschieden wird; der Satz des Widerspruchs behauptet dasselbe nur in negativer Form, daß nämlich A = non A nicht gedacht werden kann, weil es sonst von Anderem nicht unterschieden und also überhaupt nicht gedacht werden könnte: denn als gleich gesetzt mit non-A, d. h. mit seinem reinen Gegenteil, wäre es ja notwendig mit allem Anderen schlechthin einerlei, also ununterscheidbar, also undenkbar. Beide Sätze sagen daher zugleich nur aus, daß der absolute Unterschied ebenso undenkbar ist, wie die absolute Identität. Denn wäre A nicht gleich A, d. h. nicht zumindest sich selbst gleich, so wäre Alles absolut verschieden; und wäre A = non A, d. h. gleich seinem reinen Gegenteil, so wäre notwendig Alles absolut einerlei.

3. Ist also alle Einheit wie alle Unterschiedenheit nur eine relative, indem die Unterschiedenen nicht nur im Unterschied selbst (sofern der Unterschied das Nichtsein des Einen im oder am Anderen ist) sich aufeinander beziehen, sondern auch nur in der einen oder anderen Beziehung (Bestimmung) unterschieden sein können, in der einen oder anderen Hinsicht dagegen Eins, gleich sein müssen, so kann auch die unterscheidende Tätigkeit nur Unterschiede überhaupt setzen, indem sie zugleich die relative Einheit oder Gleichheit der Unterschiedenen setzt; - oder was dasselbe ist, die unterscheidende Tätigkeit kann alles, was sie setzt, nur beziehungsweise unterschieden setzen, indem sie eben Jedes nicht nur sich selber gleich, sondern in einer Beziehung zumindest auch mit anderem Eins setzen muß, mag sie es auch in allen übrigen Beziehungen als unterschieden von allem anderen setzen. Indem sie nun aber alles, was sie setzt, in einer Beziehung als Eins, in einer anderen als unterschieden setzt, so subsumiert sie eben damit im Setzen selbst alles unter diese Beziehungen der relativen Einheit und Unterschiedenheit. Denn sowohl die Beziehung, in welcher ein Mannigfaltiges Eins ist, wie auch die, in welcher es unterschieden ist, befaßt das Mannigfaltige unter sich, und die Tätigkeit, welche ein Mannigfaltiges unter ein solches, es umfassendes Eines stellt, heißt Subsumieren. Das Tun der unterscheidenden Tätigkeit, das Unterscheiden selbst ist folglich ein solches Subsumieren. Nun sind aber die Beziehungen oder Gesichtspunkte, in welchem das zu Unterscheidende als relativ unterschieden und bzw. Eins gesetzt, die Einheitspunkte, unter die ein Mannigfaltiges subsumiert werden soll, notwendig das Prius des Subsumierens und damit des Unterscheidens selbst: so wenig ich etwas in einen Kasten tun kann, ohne den Kasten schon zu besitzen, so wenig kann ich etwas subsumieren, ohne die Einheit, unter die ich es subsumieren will, vor mir zu haben, und ebensowenig kann ich etwas von einem Anderen unterscheiden, ohne die Beziehung, in welcher ich es als unterschieden vom Andern setzen will, vorher schon gesetzt zu haben oder wenigstens im Unterscheiden mit zu setzen. Diese Beziehungen, diese Gesichtspunkte der Unterscheidung müssen folglich entweder von der unterscheidenden Tätigkeit selbst gesetzt sein, bevor und indem sie unterscheidet, oder wenn sie nicht als causa sui [Ursache seiner selbst - wp] gefaßt werden kann, so müssen sie ihr vom Anderen, von dem sie selbst gesetzt ist, eingepflanzt, immanent ihr vorgesetzt sein. Im einen wie im andern Fall sind sie aber immer zugleich die immanenten Normen, nach denen die unterscheidende Tätigkeit selbst tätig ist. Denn obwohl jene Beziehungen ansich nur Beziehungen der relativen Einheit und Unterschiedenheit des zu Unterscheidenden oder bereits Unterschiedenen sind, so kann doch wie gezeigt, die unterscheidende Tätigkeit selbst nur Unterschiede setzen, sofern sie gemäß jenen Beziehungen das zu Unterscheidende unterscheidet, sofern sie also ihnen gemäß tätig ist, d. h. sofern ihr Tun durch jene Beziehungen geleitet, bestimmt, normiert wird. Daraus folgt schließlich, daß, wo eine unterscheidende Tätigkeit, wie im Wahrnehmen, Anschauen, Erkennen, nicht selbst ursprüngliche Unterschiede schöpferisch setzt, sondern die bereits gesetzten nur reproduziert, das bereits Unterschiedene nur nachunterscheidet, jene Beziehungen nicht nur die immanenten Normen der unterscheidenden Tätigkeit, sondern zugleich die gegebenen allgemeinen Unterscheidungskriterien sind, nach denen sie das bereits Unterschiedene als ein Unterschiedenes bemerkt, wahrnimmt, erkennt. Denn sie kann wiederum das Unterschiedene gar nicht als unterschieden wahrnehmen, ohne die Beziehungen wahrzunehmen, in welchen es unterschieden oder bzw. Eins ist. Eben aber als gegebene wahrzunehmende Gesichtspunkte, nach denen das Gegebene bereits unterschieden ist, sind sie für die nachunterscheidende Tätigkeit die allgemeinen Kriterien, mittels deren und an denen sie das Unterschiedene als solches erkennt. Denn alles Nachunterscheiden, alles Erkennen von Unterschieden, setzt ein Vergleichen des Unterschiedenen voraus oder ist selbst ein Vergleichen. Alles Vergleichen aber fordert gewisse Kriterien, gewisse Scheidepunkte, nach denen das zu Vergleichende gesondert und bzw. zusammengestellt wird: ich kann nicht alles mit allem vergleichen, nicht die Größe dieses Hause mit der Farbe eines anderen, sondern nur Größe mit Größe, Eigenschaft mit Eigenschaft usw. Diese allgemeinen Vergleichungspunkte, diese Unterscheidungskriterien des bereits Unterschiedenen sind notwendig dasselbe mit den allgemeinen Normen, nach denen die das Unterschiedene als solches ursprünglich setzende Tätigkeit im Unterscheiden verfährt. Wie also z. B. etwa der Gang eines der besonderen Kriterien oder derjenigen Punkte ist, worin der menschliche Körper mit anderen verglichen werden muß, um seinen Unterschied von anderen zu erkennen und woran er also als menschlicher Körper erkannt wird, so sind die Qualität, die Quantität usw. die allgemeinen Kriterien oder Vergleichspunkte, worin die Dinge überhaupt verglichen werden müssen, um ihre Unterschiede zu erkennen, woran sie also als unterschieden erkannt werden.

Diese allgemeinen Beziehungen der Unterscheidung und Unterschiedenheit, diese allgemeinen Normen der unterscheidenden Tätigkeit und allgemeinen Unterscheidungskriterien der unterschiedenen Dinge sind die Kategorien.

Dies sind die Kategorien ihrem Wesen und Begriff nach. Daß sie im Sein wie im Denken, reell und ideell, notwendig dieselben sind, ergibt sich unmittelbar aus diesem ihrem Wesen selbst. Denn sie sind eben die allgemeinen Unterscheidungsnormen, nach denen die unterscheidende Tätigkeit überhaupt notwendig verfährt, möge sie als reelle, das Seiende unterscheidende und damit bestimmende oder das ideelle, das Gedachte unterscheidende und bestimmende Tätigkeit wirksam sein, d. h. möge sie Natur- oder Geistestätigkeit sein. - Wird dagegen nach der Entstehung, nach der Genesis der Kategorien gefragt, so ist ihre Entstehung ansich, im Sein und Denken überhaupt, wohl zu unterscheiden von ihrer Entstehung im menschlichen Bewußtsein oder von der Art, wie sie uns zum Bewußtsein kommen. Ihre Entstehung ansich, ihre objektive Genesis ergibt sich wiederum unmittelbar aus ihrem Wesen und Begriff. Sie bilden sich
    A) im Denken notwendig unmittelbar damit, daß das Denken eine unterscheidende Tätigkeitt und sich als solche vollzieht, d. h. indem es denkt und Gedanken hat, möge es dieselben selbständig produzieren oder durch die Vermittlung eines Anderen außerhalb von ihm bloß perzipieren. Denn das Denken vermag schlechthin nichts zu denken, wahrzunehmen, anzuschauen, vorzustellen usw., ohne es von einem anderen Gedachten wie von sich selbst (dem Denken) zu unterscheiden, und es vermag nichts zu unterscheiden, ohne es gemäß den Kategorien auf Anderes zu beziehen, ohne es also z. B. nach seinem Sein oder Werden, nach seiner Qualität, Quantität, Modalität, usw. mit Anderem zu vergleichen, - gleichgültig, ob es sich dieser Beziehungen bewußt ist und ihre Bedeutung, ihr Wesen und ihren Begriff angeben kann.
Ebenso entstehen die Kategorien
    B) im (reellen) Sein notwendig unmittelbar damit, daß die Dinge überhaupt werden und entstehen. Denn eben damit unterscheidet sich das Sein in eine Mannigfaltigkeit von Seiendem, von Dingen, die eben nur kraft ihrer Unterschiedenheit einzelne, bestimmte, aufeinander sich beziehende, in Zusammenhang und Ordnung stehende d. h. überhaupt Dinge sind; und wiederum vermag es sich in diese Mannigfaltigkeit nur zu unterscheiden, sofern es gemäß den Kategorien tätig ist.
Ob das reelle Sein, die Natur, diese unterscheidende Tätigkeit selbsttätig ausübt oder vielmehr anzunehmen ist, daß dieselbe von einem das reelle Sein nicht bloß beherrschenden, sondern es setzenden und bestimmenden, weil eben unterscheidenden Denken ausgeübt wird, ist eine Frage, welche die Naturforschung zu entscheiden hat. Sollte sich jedoch aus dieser Forschung ergeben, - was wohl als ein längst feststehendes Ergebnis anzusehen ist, - daß da nicht mehr von Natur die Rede sein kann, wo eine Tätigkeit nach allgemeinen, ihr selbst vorangehenden Begriffen sich tätig zeigt, so würde damit jene Alternative zugunsten des zweiten Gliedes derselben entschieden sein. Denn es ist klar, daß das reelle Sein nicht gemäß den Kategorien unterschieden und als eine Mannigfaltigkeit besonderer (verschiedener) Dinge bestimmt und geordnet werden kann, ohne daß die es unterscheidende und bestimmende Tätigkeit die Kategorien als Normen und Regulative ihres Tuns vor sich hat, ohne daß sie ihr als Prius ihres Tuns immanent gegenständlich sind, d. h. es ist klar, daß die Kategorien notwendig als Vorstellungen der ihnen gemäß verfahrenden Tätigkeit zu fassen sind. Sie als solche fassen, heißt aber diese Tätigkeit selbst als Denktätigkeit fassen. Sollte sich insbesondere aus jener Forschung ergeben, daß die das reelle Sein unterscheidende, bestimmende und ordnende, d. h. als Natur setzende Tätigkeit zugleich nach der Kategorie des Zwecks tätig wäre, so würde auch daraus unmittelbar folgen, daß dieselbe keine blinde, bewußtlose Naturkraft sein kann, sondern eine Denktätigkeit, bewußte, das natürliche Sein nach seinen Gedanken setzende und bestimmende Tätigkeit eines selbstbewußten Geistes sein muß. Denn der Zweck fordert seinem Begriff nach die Priorität des Gedankens vor dem ihn erst realisierenden Sein. Da sich nun in der Tat der Zweckbegriff in der Natur nicht wegleugnen läßt, ohne den schlagendsten Tatsachen Gewalt anzutun und die Natur selbst aufzuheben; und da sich andererseits auch das menschliche Denken nicht als unbedingte absolute Selbsttätigkeit, als causa sui fassen läßt, folglich auch die Normen seiner unterscheidenden Tätigkeit ebensowenig als die Unterschiedskriterien der Dinge rein aus sich selber gesetzt haben kann, so führt die Genesis der Kategorien notwendig auf das absolute Denken des absoluten Geistes zurück. Das absolute Denken Gottes ist es, das die Kategorien setzt, indem es ihnen gemäß die Dinge und den kreatürlichen Geist von sich wie voneinander unterscheidet, und das umgekehrt sich selbst wie die Dinge setzt, indem es sich gemäß den Kategorien differenziert und distinguiert.

Was schließlich
    C) die Entstehung der Kategorien im menschlichen Bewußtsein betrifft, so leuchtet ein, daß dieselben im Bewußtsein, d. h. als bestimmte Gedanken unseres seiner Vorstellungen sich bewußten Geistes gefaßt, notwendig die Form des Begriffs haben müssen, nur Begriffe sein können. Denn als jene Beziehungen, Gesichtspunkte, Normen und Kriterien, nach denen die Dinge unterschieden sind und werden, sind sie notwendig Einheiten, die ein Mannigfaltiges unter sich begreifen, Allgemeinheiten, von denen jede eine Mannigfaltigkeit von Besonderem und Einzelnem unter sich befaßt.
So z. B. begreift die Kategorie der Qualität die unendlich mannigfaltigen Unterschiede der einzelnen Eigenschaften der Dinge und damit diese einzelnen Eigenschaften selbst unter sich. Denn indem die Dinge nur gemäß der Kategorie der Qualität voneinander qualitativ unterschieden und damit qualitativ bestimmt sind, so sind auch alle ihre einzelnen Eigenschaften nur Bestimmtheiten des allgemeinen Unterschieds, durch den die Kategorie der Qualität von der der Quantität, der Wesenheit, der Substanzialität usw. unterschieden ist. - Sind sonach die Kategorien notwendig Begriffe, so können sie auch nur auf dieselbe Weise in unserem Denken und Bewußtsein entstehen, wie die Begriffe überhaut. Die Genesis der Begriffe ist jedoch eine rein erkenntnistheoretische Frage, auf die ich hier unmöglich eingehen kann, wenn dieser Aufsatz seine ohnehin schon ungebührliche Länge nicht maßlos überschreiten soll. Ich verweise deshalb auf meine schon erwähnte Schrift: "Die spekulative Grundlegung des Systems der Philosophie oder die Lehre vom Wissen".

Dagegen muß ich schließlich zur näheren Begründung meiner Ansicht noch darauf aufmerksam machen, daß dieselbe nicht nur in dem, was die Spekulation bisher vom Wesen der Kategorien ermittelt hat, sondern auch im unmittelbaren gemeinen Bewußtsein ihre Bestätigung findet. Ich beginne mit letzterem. Denn sollen die Kategorien logische, d. h. denkgesetzliche Bestimmungen sein, so müssen sie notwendig für das gemeine Bewußtsein, für die Erfahrung und das empirische Wissen ebenso eine unmittelbare Geltung haben wie für die Spekulation. Was tut denn nun das gemeine Bewußtsein mit den Kategorien? was weiß es von ihnen? Es wendet sie offenbar tagtäglich an, ohne irgendetwas von ihnen zu wissen. Der gemeine Mann dürfte schwerlich zu sagen imstande sein, was Qualität, Quantität, Wesen, Substanz usw. sind, und den Männern der sogenannten exakten Wissenschaften dürfte es nicht viel besser ergehen. Und doch kommt keine Erfahrung, keine Naturerkenntnis, kein mathematischer Satz, ja keine Wahrnehmung, keine Vorstellung zustande ohne die Vermittlung der Kategorien. Diese sonderbare Erscheinung ist nur daraus erklärbar, daß eben die Kategorien die immanenten Normen sind, nach denen das Denken als unterscheidende Tätigkeit tätig ist, und daß erst mittels der gemäß den Kategorien sich vollziehenden Unterscheidungstätigkeit des Denkens das Bewußtsein selbst entsteht, daß also die Kategorien das Prius des Bewußtseins sind, obwohl sie auch nach der Entstehung desselben fortwährend in Anwendung bleiben. In der Tat, wir selbst brauchen nur auf unser alltägliches Denken, Wahrnehmen, Betrachten zu reflektieren, um zu erkennen, daß wir fortwährend nach den Kategorien der Qualität, Quantität usw. die Dinge unterscheiden, ohne uns der logischen Begriffe der Qualität, Quantität usw. irgendwie bewußt zu sein. Und wir brauchen uns nur die Frage vorzulegen: wie es denn kommt, daß wir z. B. einen großen Tisch von einem braunen oder polierten Tisch schlechterdings nicht zu unterscheiden vermögen, sondern überbaupt nur zur Vorstellung einer bestimmten Größe kommen, indem wir sie von anderen Größen, zur Vorstellung einer bestimmten Eigenschaft, indem wir sie von anderen Eigenschaften unterscheiden, um einzusehen, daß dies seinen Grund wiederum nur im Wesen der Kategorien hat als der allgemeinen Unterscheidungsnormen unseres Denkens und der allgemeinen Unterscheidungskriterien des Seins, unter welche das zu Unterscheidende subsumiert werden muß, um es überhaupt unterscheiden und damit denken zu können.

Aber auch alles, was die Spekulation bisher von den Kategorien ermittelt hat, trifft in unserer Ansicht zusammen und bildet ein Moment derselben. So sind zunächst die Kategorien, wie ARISTOTELES will, die allgemeinen Prädikamente der Dinge, nur freilich nicht darum, weil sie die Gattungs- und Artbegriffe aller möglichen einzelnen Prädikate wären, wohl aber darum weil sie die allgemeinen Unterscheidungsnormen und Unterschiedskriterien sind, nach denen alle Dinge unterschieden und damit bestimmt sind. Denn sofern die Dinge nach Qualität, Quantität usw. unterschieden sind und werden, kommt ihnen selbst notwendig Qualität, Quantität usw. zu. - Ebenso sind die Kategorien, wie KANT will, die Stammbegriffe des Verstandes, mittels derer er Einheit, Zusammenhang, Ordnung in die Mannigfaltigkeit der Erscheinungen bringt. Nur sind sie dies nicht in ihrer Qualität als bloß subjektive Begriffe des menschlichen Geistes, sondern in ihrer Qualität als die allgemeinen, subjektiven wie objektiven, ideellen wie reellen Unterscheidungsnormen und Unterschiedskriterien des Denkens wie des Seins. - Ebenso sind die Kategorien ferner, wie HEGEL und KRAUSE wollen, zwar nicht die reinen Grundwesenheiten der Dinge selbst, wohl aber das, was sich unter diesem falschen Ausdruck verbirgt, nämlich die allgemeinen bestimmenden, regelnden, ordnenden Mächte oder vielmehr Gedanken Gottes, durch die Alles ist, was es ist, durch die Alles sein bestimmtes Dasein, seine Beschaffenheit und Wesenheit, Ordnung und Zusammenhang hat, durch die also allerdings, wie HEGEL sagt, Vernunft ist in der Welt ist. Ja in gewissem Sinn können sogar mit HEGEL die Kategorien betrachtet werden als das Allgemeine, das in der Welt der Erscheinungen, in den mannigfaltigen Dingen und Wesen, seinen besonderen Ausdruck, seine spezielle Darstellung findet. Denn wie den Dingen, weil sie nach der Kategorie der Qualität, Quantität usw. unterschieden sind, notwendig selbst Qualität und Quantität, aber eine bestimmte Qualität, bestimmte Quantität zukommt, so kan diese bestimmte Qualität angesehen werden als der besondere Ausdruck der Qualität überhaupt, der Kategorie der Qualität: denn die Norm, nach der Etwas unterschieden ist, stellt sich notwendig in dem nach ihr Unterschiedenen auch dar. Nur ist dies nicht, wie HEGEL will, eine Folge der Selbstentfaltung der Kategorien oder der logischen Idee als des Allgemeinen in das Besondere und Einzelne, sondern die immanente unmittelbare Folge der unterscheidenden schöpferischen Tätigkeit des absoluten Geistes, sofern dieselbe gemäß den Kategorien als den Unterscheidungsnormen tätig ist. - Ebenso endlich sind die Kategorien, wie TRENDELENBURG will, auch die Begriffe der Grundverhältnisse der Dinge. Aber sie sind dies nicht als die Ur- oder Grundbegriffe des Seins und des Denkens, "unter welche wir die Dinge fassen, weil sie ihr Wesen sind", sondern wiederum nur als die allgemeinen Unterscheidungsnormen und Unterschiedskriterien von allem, was ist. Denn wenn den Kategorien gemäß die Dinge selbst nach ihrem Werden und Dasein, nach ihrer Qualität, Größe, Gestalt, Beschaffenheit, kurz: nach ihrer ganzen Dingheit unterschieden und damit bestimmt werden, so werden ihnen gemäß notwendig auch die Verhältnisse der Dinge unterschieden und bestimmt. Neben den einfachen Beschaffenheitskategorien (Qualität, Quantität, Gestalt, Maß, Grad usw.) gibt es daher notwendig gewisse Verhältniskategorien, die als solche gedoppelt, paarweise auftreten, weil sie eben die zwei Seiten eines Verhältnisses zu normieren haben und selbst ausdrücken, wie z. B. Inneres und Äußeres, Inhalt und Form, Ganzes und Teil, Wesen und Erscheinung, Grund und Folge, Ursache und Wirkung usw., - während die Kategorie des Begriffs die eine allgemeine Ordnungskategorie ist, mittels derer die Dinge nach der Norm des Allgemeinen, Besonderen und Einzelnen oder nach Gattung, Art und Individualität (Exemplarität) unterschieden, eingeteilt, zusammengestellt sind. Die Bestimmtheit der Dinge selbst, die Bestimmtheit ihres Verhaltens zueinander, die Bestimmtheit ihrer Ordnung, und damit die Regel- und Gesetzmäßigkeit in der Welt sind die Wirkungen der Kategorien, aber nicht ihrer selbst als unmittelbarer Ursachen, sondern ihrer die unterscheidende schöpferische Denktätigkeit Gottes leitenden und normierenden Wirksamkeit: - eine Wirksamkeit, die sie freilich nur durch das sie selbst erst setzende absolute Denken haben und ausüben.
LITERATUR: Hermann Ulrici, Das Wesen der logischen Kategorien, Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, Bd. 19, Halle/Saale 1848
    Anmerkungen
    1) Trendelenburg sagt zwar ("Logische Untersuchungen II, Seite 69): "Wo die wirkenden Ursachen sich dem Zweck unterwerfen, da sind viele zusammen tätig. Das mannigfache Spiel der Kombination, das versucht werden muß, um die Bedeutung der einzelnen für den Zweck zu finden, wird allein durch die frei entwerfende Bewegung möglich. Der Zweck kleidet sich dabei in eine eigentümliche Anschauung. Die verschiedenen für einen Zweck arbeitenden Kräfte (die wirkenden Ursachen) müssen sich nach einem Punkt hin zusammen neigen und in ihrer Richtung darauf hinweisen. Dieser Punkt, in vielen Fällen nur ideal, aber durch den Gang und die Ordnung der Kräfte angedeutet und notwendig gesetzt, bezeichnet der Anschauung die Einheit der Zwecke in der Fülle der dienenden Kräfte. Diese Konvergenz [Annäherung - wp] der Richtungen begleitet den Zweck dergestalt, daß, wo sie in der Erfahrung nicht nachgewiesen werden kann, auch der Zweck nicht zu erkennen ist." Allein durch diese Sätze ist auf keine Weise dargetan, weder daß der Zweck selbst (objektiv) in der konstruktiven Bewegung seinen Grund hat oder selbst wesentlich konstruktive Bewegung ist, noch daß wir (subjektiv) von ihr aus, sei es durch eine Anschauung der konstruktiven Bewegung unseres Denkens, zum Begriff des Zweck gelangen. Jene Konvergenz der Richtungen der wirkenden Ursachen (der konstruktiven Bewegung) auf einen Punkt ist wohl eine Folge des die wirkenden Ursachen und damit die konstruktive Bewegung beherrschenden Zwecks, aber keineswegs der Zweck selbst, weder seniem Wesen noch seiner Erscheinung nach. Und jenes mannigfache Spiel der Kombination, das auf der frei entwerfenden Bewegung beruth, würde uns ebensowenig als die Wahrnehmung dieser Konvergenz der Richtungen unter den wirkenden Kräften der Natur auf den Begriff des Zwecks führen, wenn wir nicht diesen Begriff, sei es auch noch so dunkel und unbewußt, bereits in uns hätten. Behauptet doch Trendelenburg selbst (Seite 66): "Wie wir die äußere Bewegung nur durch die eigene Bewegung des Geistes erkennen, so erkennen wir auch den äußeren Zweck, den die Natur verwirklicht hat, nur weil der Geist selbst Zwecke entwirft und daher Zwecke nachbilden kann." - Wo aber ist dann die Geburtsstätte des Zwecks und des Zweckbegriffs, wenn doch offenbar nicht in der konstruktiven Bewegung, weder des Seins noch des Denkens? Von woher will ihn Trendelenburg deduzieren? Oder sollen wir uns bei der Versicherung beruhigen, daß "der Zweck als ein zweites Apriori in die Wissenschaften eingreift", d. h. daß er nicht deduzierbar ist?