p-4F. HillebrandWindelbandvon LeclairLippsHeydebreck    
 
JULIUS JACOBSON
Über die Beziehungen zwischen
Kategorien und Urteilsformen

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"Vielleicht daß eine genauer philologische, auf diesen Punkt gerichtete Durchforschung der kantischen Werke zerstreute Bemerkungen ausfindig machen würde über die Natur der einfachsten Denkhandlungen, über die Reihenfolge und Kombination derselben, wie sie zur Umformung des Empfindungsmaterials in die Reihe der Einzelvorstellungen erforderlich sind; irgendwelche zusammenhängendere Auslassungen oder gar eine durchgeführte Untersuchung dieses Gegenstandes findet sich bei Kant nicht. Vielleicht ist dies mit der Grund dafür gewesen, daß auch die nachkantische Philosophie in ihrer Anlehnung an Kant gerade diesen Teil des Kategorienproblems unbearbeitet gelassen hat: nirgendwo finden wir eine sorgfältige Zergliederung der Momente, welche in der Anschauung, in der Einzelvorstellung zur Empfindung hinzutreten; man ist darin einig, daß die Empfindung ihren Gegenstand durch die Kategorie erhält, aber es fehlt jede bestimmtere Angabe über den eigentlichen Mechanismus der Objektivation."

"Die Vermischung des psychologischen Bewußtseins mit dem Selbstbewußtsein des denkenden Wesens, von denen das erstere ganz unabhängig von allem Denken als psychisches Faktum von vornherein entsteht und existiert, während das letztere sich nur anhand apriorischer Vorstellungen, durch mannigfache innere Erfahrungen, in späteren Stadien der Entwicklung herausbildet, ist Ursache so abenteuerlicher Behauptungen als derjenigen, daß unser Empfinden auf der unterscheidenden Tätigkeit des Geistes beruth, während die Empfindung gerade als ein spezifisches, von geistiger Tätigkeit gegensätzlich unterschiedenes Moment unseres psychischen Lebens zu charakterisieren ist. Weiter fließt daraus, daß das Wesen der ersten Objektivation der Empfindung zur Vorstellung unrichtig aufgefaßt ist."

"Zu sagen, daß ich deshalb die Vorstellung einer qualitativen Verschiedenheit habe, weil meine Empfindungen qualitativ verschieden sind, erinnert an die Argumentation eines Menschen, der die transzendentale Idealität der Erscheinung durch eine Ohrfeige ins Antlitz des Idealisten zu widerlegen hofft."

Bei der außerordentlichen Schwierigkeit, welche der sprachliche Ausdruck gerade der Darstellung dieser ganz abstrakten Gedanken entgegenstellt, liegt die Gefahr eines Mißverständnisses doppelt nahe, und es wird deshalb vielleicht nicht unzweckmäßig sein, den Inhalt des Gesagten noch durch ein Beispiel zu erläutern. Die physiologische Optik pflegt von der Betrachtung des Auges als optischen Apparates überzugehen zur Betrachtung desselben als Organes einer psychischen Funktion, und sie hebt hier mit der Diskussion der einfachsten psychischen Äußerung an, die wir in den Gesichtsvorstellungen kennen, mit der Gesichtsempfindung. Sofern sie dieselbe von jedem gedanklichen Inhalt isoliert, raubt sie ihr zum Zweck der Erleichterung der Untersuchung die Beziehung auf Gegenstände, und für sie existieren alle Empfindungen so, als wenn sie in Wirklichkeit niemals aus subjektiven Erregungen zu Eigenschaften von Dingen würden. Hier erscheinen die Empfindungen nur als Modifikationen des empfindenden Subjekts; sie werden verursacht gedacht von äußeren Objekten, und das Subjekt steht mit in der Kausalreihe, welche die Gegenstände der sinnlichen Welt verbunden hält. Zweierlei ist hieraus einleuchtend. Einmal können Empfindungen betrachtet, folglich gedacht werden ohne eine Beziehung auf äußere Gegenstände - es ist ein Unterschied zwischen der Beziehung der Empfindung auf den Gegenstand als dessen Eigenschaft und dem Verhältnis zwischen Gegenstand und Subjekt nach Wirkung und Gegenwirkung, aus dem die Empfindung hervorgehend gedacht wird, - die Beziehung aber, in die sie dann gebracht werden, die Beziehung auf das empfindende Subjekt ist von derjenigen auf äußere Gegenstände nur der Richtung nach, nicht der Art nach verschieden, denn das Subjekt liegt innerhalb der Kausalverbindung, an welcher die Welt der Erfahrung abläuft. Daraus erhellt sich, daß das Subjekt der Physiologie ein anderes ist als das Subjekt der Erkenntnistheorie. Denn vor der letzteren erscheinen die Objekte, welche physiologisch die Zustände des Subjekts bedingen, sowie das bestimmbare Subjekt vielmehr selbst durch ein unbestimmbares, transzendentales Subjekt und seine - sit venia verbo! [Man verzeihe mir den Ausdruck! - wp] - Zustände bedingt; und den Unterschied, der hier vorliegt, wird selbst derjenige nicht wegleugnen können, der sich in der märchenhaften Annahme eines Verhältnisses von Wirkung und Gegenwirkung zwischen den Vorstellungen und ihrem transzendentalen Grund gefällt. Es erhellt sich ferner, daß selbst die ausgebildetste Physiologie der Sinnesorgane, welche zugleich eine Physiologie der seelischen Funktionen wäre, niemals anstelle der Erkenntnistheorie treten, ja dieselbe in ihren Bahnen niemals kreuzen kann, weil das Problem der letzteren an einer Stelle einsetzt, an der alle äußere Erfahrung und damit die Physiologie selbst in Vorstellungsreihen aufgelöst ist.

Diese letztere Einsicht in die sachliche Notwendigkeit einer Trennung physiologischer von erkenntnistheoretischen Problemen ist noch heute in naturforschenden Kreisen wenig verbreitet und auch in philosophischen nicht überall durchgedrungen. Während aber aus der Unbekanntschaft des Physiologen mit den Problemen der Erkenntnistheorie der Physiologie gar kein Schaden erwächst, wird der Philosoph, der diese Unbekanntschaft in übel angebrachter Berufung auf "naturwissenschaftliche Resultate" verrät, der Feind seiner Wissenschaft. Nachdem CLASSEN zuerst KANTs transzendentale Ästhetik als durch die moderne Sinnesphysiologie teils fortgebildet, teils als überwunden charakterisiert hatte (6), während sie in Wahrheit so unberührt dastand, wie von den Zeiten JOHANNES MÜLLERs, d. h. durch philosophische Gründe allein erschütterlich, machte er den Versuch, die physiologische Optik auf KANTs Theorie der Erfahrung zu gründen (7). Im Sinne KANTs ist dieses Unternehmen ebenso erfolgreich als dasjenige, die technischen Regeln eines Gewerbes aufgrund seiner Transzendentalphilosophie zu lehren; gewiß gibt die letztere für beide die Bedingungen ihrer Möglichkeit, aber sie ist nur eine Erklärung der Erfahrung überhaupt, nicht irgendeiner besonderen Erfahrung, und wenn man der kantischen Vorschrift eingedenk bleibt, Wissensgebiete nicht zu vermengen, die durch ihre Natur getrennt sind, so hätte man aus der physiologischen Optik KANT fortlassen können, der die Resultate derselben gewiß ebenso sehr bewundert und anerkannt haben würde, als sie die seinigen gar nicht berühren. Auch bei QUAEBICKER findet sich die falsche Behauptung, daß "durch die glorreichen Entdeckungen der modernen Physiologie der Sinnesorgane" sich KANT würde haben "überzeugen" lassen, daß die Trennung zwischen Sinnlichkeit und Verstand "überhaupt eine falsche Abstraktion ist, daß seine Annahme einer gedankenlosen Sinnlichkeit in der Tat eine Gedankenlosigkeit ist." (8) Zu einer so ausfahrenden Ausdrucksweise liegt umso weniger Grund vor, als, wie ich sogleich durch eine Berufung auf HELMHOLTZ zeigen werden, gerade die Physiologie der Sinne den Gedanken dieser Trennung nahe legt, wenn sie auch nicht imstande ist, über ihre faktische Existenz das letzte Wort zu sprechen. Auch LAAS bringt KANTs Anschauung in eine ungerechtfertigte Beziehung zu Resultaten moderner Physiologie. In dem letzten Werk "Kants Analogien der Erfahrung" wirft der Verfasser die Frage auf:
    "Wie ist es also? Verdanken wir es Begriffen, die nicht in der Erfahrung liegen, verdanken wir es reinen Verstandesbegriffen, daß, so weit wir zurückzudenken vermögen, wir mit jedem Blick, den wir öffneten, die Lichter und Schatten, die verschiedenen Farbtöne und Farbnuancen nach festen Richtungslinien zu einem durch unseren Kopf gehenden Koordinatensystem, einem imaginären Zyklopenauge oder Raumzentrum in Beziehung gesetzt fanden? daß die optischen Qualitäten jedesmal zu Flächen und Dingen von fester Größe und Gestalt im Raum unseres Bewußtseins zusammenrückten? daß Jegliches in dem Relief, das sich vor unseren Augen in die Tiefe wölbt und gliedert, eine gewisse Entfernung einnimmt?"
Der Titel des Buches wie die beständige Beschäftigung mit kantischen Ansichten läßt vermuten, daß KANT derjenige sein sollte, der all die Satzinhalte, die hier in interrogativer [fragender - wp] Form auftreten, in kategorischer hingestellt habe. Zu dieser Annahme läßt sich aus KANTs Werken nicht der mindeste Grund ableiten. Die "Kritik der reinen Vernunft" wie alle mit ihr in Zusammenhang stehenden Schriften enthalten auch nicht eine Andeutung ähnlicher Behauptungen, vielmehr wird wieder und wieder eingeschärft, daß, während zwar die Form der Raumanschauung ebenso a priori gegeben ist, wie die Beziehung der Empfindung auf einen Gegenstand überhaupt, doch alle "objektiven Determinationen" räumlicher Verhältnisse nur durch Erfahrung gegeben sind. Wenn wir also auf die oben zitierte Frage die Antwort erhalten:
    "So finden wir in Beziehung auf die objektiven Determinationen räumlicher Verhältnisse durchweg einen anderen Kristallisationskern als reine Verstandesbegriffe: wir finden die unmittelbaren Lokalisationen der Tast- und Muskelgefühle etc. etc.",
so wird die Frage nach der Bedeutung der Kategorien, insbesondere der kantischen, dadurch gar nicht berührt.

Im Übrigen sei bemerkt, daß es mit dem "so finden wir" nicht so gar glänzend bestellt ist. Alles, was äber den Zusammenhang von Tast- und Muskelgefühlen mit den Dimensionen und der Lage äußerer Objekte angenommen wird, ist Theorie, ist Hypothese und die Grundanschauungen dieser Theorien stehen mit der Annahme der Kategorien als "Gegenstand setzenden" Verstandesfunktionen so wenig im Widerspruch, daß sie dieselbe vielmehr gar nicht berühren. Durch Tast- und Muskelgefühle ist niemals erklärbar, daß Empfindungen überhaupt ihren Gegenstand erhalten - und nur das ist das Problem der Kategorien - nur die empirischen Merkmale des Gegenstandes können vielleicht daraus gesetzmäßig abgeleitet werden.

Wie wohl verträglich die Annahme der Kategorien als Grund aller Objektivation mit den Forschungen der Sinnesphysiologie ist, mögen folgende Auslassungen von HELMHOLTZ als des Meisters der letzteren Wissenschaft beweisen (Handbuch der physiologischen Optik, Seite 453):
    "Besinnen wir uns aber über den Grund dieses Verfahrens, so ist es klar, daß wir aus der Welt der Empfindungen zur Vorstellung von einer Außenwelt niemals kommen können, als durch einen Schluß von der wechselnden Empfindung auf äußere Objekte als die Ursachen dieses Wechsels; wenn wir auch, nachdem die Vorstellung der äußeren Objekte einmal gebildet ist, nicht mehr beachten, wie wir zu dieser Vorstellung gekommen sind."

    "Ebenso wie es die eigentümliche Tätigkeit unseres Auges ist, Lichtempfindungen zu haben, und wir deshalb die Welet nur als Lichterscheinung sehen können, so ist es die eigentümliche Tätigkeit unseres Verstandes, allgemeine Begriffe zu bilden, d. h. Ursachen zu suchen." (Seite 455) (9)
Die ausschließliche Berücksichtigung der Kausalität aus der Reihe der Kategorien, in der wir wohl den Einfluß SCHOPENHAUERs erkennen (10), soll später noch eingehender erörtert werden. Gewiß ist nicht nur die Zuverlässigkeit, sondern die Notwendigkeit der Verstandestätigkeit und damit der Kategorie zur Bildung der Einzelvorstellung in gerechter Schärfe hervorgehoben und zugleich die Unersetzlichkeit derselben durch die Annahme irgendeiner psychologischen Kombination von Empfindungen oder Gefühlen betont. Auch WUNDT, bei dem das Problem der Kategorien durch den ganz verunglückten Versuch, der Kategorie einen psychologischen Ursprung zu geben, verstümmelt erscheint, erkennt die "sekundäre" Bedeutung der Kategorie für die Bildung der gegenständlichen Vorstellungen (11).

Wenn nun die Erkenntnistheorie in der Kategorie das Prinzip jeder Objektivation kennen lernt, so ersteht ihr zugleich die Einsicht, daß der Unterschied zwischen Empfindungen, als Eigenschaften äußerer Objekte und Empfindungen, als Modifikationen des Subjekts in erster Instanz vor ihr zusammenbricht, sofern das einer Modifikation fähige Subjekt selbst in die Reihe der Objekte, die Modifikation in die Reihe der Eigenschaften fällt. Damit führt das Problem der Kategorien über zu der zweiten Frage: nach den einzelnen ursprünglichen Denkmomenten, die in der Objektivierung der Empfindung zum Ausdruck kommen, nach der Art und Zahl der einzelnen Verstandesakte, durch die aus Empfindungen Anschauungen oder Einzelvorstellungen werden können. Während uns die "Kritik der reinen Vernunft" über KANTs Verhältnis zu der erst erörterten Frage: worin der Grund der Objektivierung überhaupt zu suchen ist, vollkommenen und eindeutigen Aufschluß gab, läßt sie uns bei der Frage, deren Diskussion wir uns jetzt zuwenden, ganz im Stich. Vielleicht daß eine genauer philologische, auf diesen Punkt gerichtete Durchforschung der kantischen Werke zerstreute Bemerkungen ausfindig machen würde über die Natur der einfachsten Denkhandlungen, über die Reihenfolge und Kombination derselben, wie sie zur Umformung des Empfindungsmaterials in die Reihe der Einzelvorstellungen erforderlich sind; irgendwelche zusammenhängendere Auslassungen oder gar eine durchgeführte Untersuchung dieses Gegenstandes findet sich bei KANT nicht. Vielleicht ist dies mit der Grund dafür gewesen, daß auch die nachkantische Philosophie in ihrer Anlehnung an KANT gerade diesen Teil des Kategorienproblems unbearbeitet gelassen hat: nirgendwo finden wir eine sorgfältige Zergliederung der Momente, welche in der Anschauung, in der Einzelvorstellung zur Empfindung hinzutreten; man ist darin einig, daß die Empfindung ihren Gegenstand durch die Kategorie erhält, aber es fehlt jede bestimmtere Angabe über den eigentlichen Mechanismus der Objektivation. Diese Untersuchung konnte da übergangen werden, wo es nur auf Umrisse in der Durchführung eines erkenntnistheoretischen Prinzips, auf die großen Konturen eines metaphysischen Systems ankam, und die deutsche Spekulation hat sich im Ringen um die letzten Fragen der Philosophie stets angelegen sein lassen, die vermeintlich definitive Lösung als Beherrscherin des menschlichen Denkens in allen seinen Gebieten, praktischen wie theoretischen, zu erweisen. Bei dieser Riesenanlage solcher Unternehmungen bleibt im Leben des Einzelnen nicht die Zeit zu einer Detailforschung begrenzter Probleme. Dagegen hätte sich die Analyse der Anschauung denjenigen aufdrängen müssen, welche in der Darstellung der kantischen Lehren hier eine Leere wahrnehmen; aber selbst in dem ausgezeichneten Werk RIEHLs finde ich dieselbe Lücke wie bei KANT. LOTZEs Logik macht auch hier eine Ausnahme, indem sie in ihrem ersten Teil eine Reihe wertvoller und höchst scharfsinniger Erörterungen der ersten Erkenntnisakte bringt, welche wohl der Abrundung zu einer geschlossenen Theorie bedürfen, aber schon in der jetzigen Form die wesentlichen Gesichtspunkte bezeichnen, die eine Anleitung zu weiteren Forschungen geben. Ehe ich daran gehe, im Anschluß an die Ausführungen LOTZEs die Grundzüge dieses Teils der Kategorienlehre zu entwerfen, so weit dieselben in den Rahmen dieser Untersuchung gehören, habe ich das Verfahren zurückzuweisen, durch das SCHOPENHAUER den hier zu lösenden Knoten durchhauen hat, indem er die Zahl der Kategorien auf eine einzige reduzierte. Es heißt darüber in der "vierfachen Wurzel des Satzes vom zureichenden Grund, dritte Auflage, Seite 52:
    "Erst wenn der Verstand in Tätigkeit gerät und seine einzige und alleinige Form, das Gesetz der Kausalität in Anwendung bringt, geht eine mächtige Verwandlung vor, indem aus der subjektiven Empfindung die objektive Anschauung wird. Er nämlich faßt, vermöge seiner selbsteigenen Form, also a priori, d. h. vor aller Erfahrung (denn diese ist bis dahin noch nicht möglich) die gegebene Empfindung des Leibes als eine Wirkung auf (ein Wort, welches er allein versteht), die als solche notwendig eine Ursache haben muß. Zugleich nimmt er die ebenfalls im Intellekt, d. h. im Gehirn, prädisponiert liegende Form des äußeren Sinns zu Hilfe, den Raum, um jene Ursache außerhalb des Organismus zu verlegen."
Hier haben wir ein Gemisch aus Physiologie und Erkenntnistheorie, wie wir es im Kopf eines eben erst aus dem Schlaf des gesunden Menschenverstandes erwachenden Jüngers der empirischen Wissenschaft nicht vollendeter haben können. Ich sehe von der beständig bei SCHOPENHAUER wiederkehrenden Identifikation von Intellekt und Gehirn ab, welche fälschlich auch der apriorischen Raumanschauung eine Stelle im Gehirn gibt, während doch vielmehr das Gehirn eine Stelle im Anschauungsraum der empirischen Objekte, und zwar eine sehr winzige, einnimmt; ich sehe davon ab, daß in Wahrheit keineswegs die Ursachen aller Empfindungen außerhalb des Subjekts gesucht werden, daß die "subjektiven Empfindungen" der Physiologie keine Objektivation außerhalb des Organismus erfahren; ich sehe davon ab, daß in den Ausdrücken "gegebene Empfindung des Leibes" und eine "Verlegung außerhalb des Organismus" die oben gerügte Verwechslung zwischen empirischem und transzendentalem Subjekt ihren lebendigen Ausdruck erhält, - ich betone hier nur, daß die Hinstellung der Kausalität "als einziger und alleiniger Form des Verstandes" auf einer mangelhaften erkenntnistheoretischen Einsicht beruth. Es ist bereits früher darauf aufmerksam gemacht worden, daß ich mir eine Empfindung, z. B. die einer Farbe, wohl vorstellig machen kann, ohne dieselbe einem Objekt als Eigenschaft beizulegen. Nicht nur die Vorstellung des "Blau" überhaupt, sondern auch die eines bestimmten, eben erst in der Empfindung perzipierten Blau kann ich zu jeder Zeit meinem geistigen Auge vorführen, ohne ihr deshalb einen Gegenstand zu geben. Dies geschieht z. B. bei der physiologischen Betrachtung der einzelnen Farbempfindungen, wo dieselben, sofern sie Objekt der Untersuchung sind und in Reihen gedanklicher Verbindungen aufgenommen werden sollen, nicht nur empfunden, sondern als empfundene auch auf irgendeine Art gedanklich zubereitet in die Reihe der Vorstellungen eingetreten sein müssen. Es ist sogar fraglich ob die Empfindungen hier notwendig als Modifikationen des Subjekts gefaßt werden, oder ob ihnen nicht vielmehr eine Art von Realität vindiziert wird, die zwischen einem logischen und einem metaphysischen Sein etwa die Mitte hält und vielleicht der ersten Stufe der Objektivation LOTZEs entsprechen würde. Jedenfalls erscheinen die Empfindungen noch nicht als auf ihre Ursache bezogen, denn daß dieselben vom Verstand nicht im Subjekt gesucht werden, als dessen Modifikationen sie vorläufig nur gefaßt waren, beweist der Umstand, daß eben dieselben Empfindungen, die vorher noch keine Beziehung auf ein äußeres Objekt hatten, zu Eigenschaften des Gegenstandes werden, welche die Lehre von den Gesichtswahrnehmungen zu behandeln hat. Hieraus geht hervor, daß gewisse Arten der Objektivation der Empfindung durch die Kausalität unerklärbar, von SCHOPENHAUER nicht erklärt sind, daß schon allein deshalb die Kausalität nicht die "einzige und alleinige Form des Verstandes" sein kann. Es ist aber überdies hervorzuheben, daß die Anwendung der Kategorie der Kausalität selbst nicht denkbar ist ohne die gleichzeitige Anwendung mindestens zweier anderer Kategorien. Im Paragraph 24 derselben Schrift, der die Überschrift trägt: "Vom Mißbrauch des Gesetzes der Kausalität" heißt es:
    "Unserer bisherigen Auseinandersetzung zufolge begeht man einen solchen (Mißbrauch), so oft man das Gesetz der Kausalität auf etwas Anderes aus auf Veränderungen in der uns empirisch gegebenen, materiellen Welt anwendet, z. B. auf die Naturkräfte, vermöge welcher solche Veränderungen überhaupt erst möglich sind ... Der Ursprung eines solchen Mißbrauchs ist allemal teils, daß man den Begriff der Ursache wie unzählige andere in der Metaphysik und Moral viel zu weit faßt, teils ..."
Es ist, als ob hier SCHOPENHAUER sich selbst gerichtet hätte. Ich frage, worauf wird denn die Kategorie der Kausalität angewendet? Doch nicht auf die Empfindung, sofern sie empfunden wird, sondern auf den Inhalt derselben, sofern er als perzipiert vorgestellt ist. Heißt es doch bei SCHOPENHAUER: "Der Verstand faßt die die gegebene Empfindung als Wirkung auf." Dies kann er nicht, sofern dieselbe nur empfunden ist, sondern er kann es erst dann, wenn dieselbe bereits diejenige Form angenommen hat, in der sie einer Beurteilung des Verstandes überhaupt zugänglich wird, d. h. wenn dieselbe irgendeine Art der Objektivierung erfahren. Damit der Verstand die Empfindung als Wirkung faßt, muß der Schritt von der Empfindung zur Vorstellung des Empfindungsinhaltes bereits gemacht sein. Weiter lesen wir bei SCHOPENHAUER: "Die Kausalität darf nur auf Veränderungen angewendet werden." Wenn man nicht annehmen will, daß dieselbe Kategorie in ihrem "unmittelbaren (Seite 53 derselben Schrift) Gebrauch andere Regeln befolgt, als im "mittelbaren", so gilt diese Vorschrift auch bei der Verwertung der Kausalität zur Bildung der Einzelvorstellungen oder Anschauung. Wie komplizierte Mechanismen der Erkenntnis sind aber schon da in Tätigkeit getreten, wo eine Vorstellung als Veränderung einer anderen gefaßt wird. Da müssen schon zwei Vorstellungen als verschieden erkannt und doch als an einer gemeinsamen haftend gedacht werden: und wie die Kausalität diese Leistung vollziehen kann, bleibt unerklärt und unerklärlich, da ihr Werk, wie SCHOPENHAUER richtig bemerkt, erst da anhebt, wo die Vorstellung der Veränderung bereits entwickelt ist.

Deshalb war SCHOPENHAUERs wilde Polemik gegen KANTs Kategorienlehre nicht nur der Art nach ungehörig, sie war auch durch die Sache ganz und gar nicht gerechtfertigt. Wenn bei KANT Lücken in der Lösung des Problems der Kategorien bleiben, so ist dasselbe bei SCHOPENHAUER gar nicht erfaßt: und leider steht es mit allen anderen "Überwindungen" dieses Problems ebenso. Je tiefer die Einsicht in dasselbe ist, umso mehr Schwierigkeiten setzt es auch der größten geistigen Fähigkeit entgegen - eine Eigentümlichkeit, die es wohl mit allen letzten Problemen aller Wissenschaften teilt. In der Geschichte des wissenschaftlichen Geistes wird es stets eine charakteristische und denkwürdige Tatsache bleiben, daß die Naturforschung sich dieses mangelhaftesten Teils der Lehre SCHOPENHAUERs mit Eifer und Zustimmung annahm, während sie der glänzenden Ausführung der Weltanschauung des transzendentalen Idealismus ihr Ohr verschloß.

Die Frage nach den einzelnen Verstandesakten, die in der Bildung der Anschauung zum Ausdruck kommen, tritt nun, wie oben bemerkt, fast unvorbereitet und ohne historischen Anhalt in die Diskussion des Kategorienproblems ein. Vielleicht hat die ganz abstrakte Natur dieses Gegenstandes und die Schwierigkeit ihn sicher zu fassen, viel zu seiner Vernachlässigung beigetragen. Es kann hier nicht die Absicht sein, die vorhandene Lücke durch eine vollständige Untersuchung auszufüllen: für die Beurteilung der metaphysischen Deduktion kommt es nur darauf an festzustellen, daß in der Objektivierung der Empfindung in der Tat mehrere Denkakte zu vollziehen, daß mehrere Kategorin darin wirksam sind. So sehr eine Theorie der Anschauung außerhalb der Grenzen unseres Themas liegt, so unumgänglich notwendig ist für das Prinzip der Deduktion die Fixierung der Tatsache, daß die Objektivierung der Empfindung kein einfacher Verstandesakt ist. Alle Versuche, dieselbe als einen solchen zu erweisen, haben ihre Einseitigkeit in der Unvollkommenheit der durch sie gelieferten Erklärungen bewiesen.

Wenn das eigentliche Wesen der Objektivierung in der Setzung eines Inhaltes besteht, in der Ausstattung desselben mit dem Prädikat irgendeines Seins, so gehört als notwendiges Gegenstück dazu die Trennung desselben von allen anderen Inhalten; jeder dieser psychischen Akte ist nur im anderen, nur durch den anderen denkbar. Da wo ich die erste Empfindung aus der Menge meiner Empfindungen heraushebe, sie als ein eigenartig Bestehendes vor mich hinstelle, da ist dieselbe zugleich zu allen anderen Empfindungen in einen Gegensatz getreten: sie ist von der "reinen" Empfindung zur Vorstellung der Empfindung geworden, sie hat mithin ein Merkmal erhalten, für das sich im ganzen Kreis meiner Empfindungen kein Analogon findet. Aber nicht nur in diesem Sinne erfolgt die Trennung der Empfindungsinhalte in der Objektivierung der Empfindung; nicht nur daß ich die vorgestellte Empfindung durch das Prädikat der Existenz abtrenne von denjenigen, die nur als empfunden, nicht als vorgestellt in meinem Bewußtsein vorhanden waren, die also noch keine gegenständliche Existenz haben, ich trenne sie zugleich ab von anderen Existenzen. In dem Augenblick, in dem eine einzelne Empfindung sich dem Elementarbegriff des Seins verbindet, in demselben Augenblick ist derselbe Prozeß an anderen Empfindungen oder zumindest an der Summe aller anderen Empfindungen vollzogen. Die objektivierte Empfindung des "Grünen" hat eine gesonderte Existenz erhalten neben der Empfindung des "Blauen", "Roten" oder sie ist der Gesamtheit meiner Empfindungen als ein Wesen eigener Art gegenübergetreten, wobei dann aber diese Gesamtheit als solche im Gegensatz zur Empfindung des "Grünen" zu einer Existenz geworden ist. Ich kann keinen einzelnen Empfindungsinhalt objektiv machen, ohne zugleich festzusetzen, daß in der Gesamtheit meiner übrigen Empfindungen dieser eine Inhalt fehlt, ohne also diese Gesamtheit von der einzelnen Empfindung als ein für sich Seiendes abzuscheiden. Dabei ist es gleichgültig, ob ich eine, zwei oder irgendeine endliche Anzahl der Empfindungen gleichzeitig in Vorstellungen umwandle, in allen Fällen treten diese untereinander sowie zusammen gegen die Menge der nicht objektivierten Empfindungen in den Gegensatz getrennter Existenzen. Nur diese zweite Art der Trennung, die Trennung der Existenzen, vollzieht sich in diesem Akt der Objektivierung; die Trennung der einzelnen Existenz von der Menge des nur Empfundenen, deren zuerst Erwähnung geschah, kann sich in der Reflexion auf dem Prozeß meiner Erkenntnis vollziehen, in diesem Prozeß selbst vollzieht sie sich nicht. Denn der Verstand kann nur da trennen, wo die zu trennenden Inhalte schon Objekt geworden sind; das, was nur empfunden ist, ist niemals Gegenstand seiner Operationen. Daraus erhellt sich, wie die Setzung jedes Inhaltes die unverbrüchliche Bedingung für seine Trennung von anderen ist, wie in der Trennung diese anderen selbst zu objektivierten werden, und während der Verstand nur Inhalte trennen kann, die er objektiviert, so ist diese Objektivation nur ausführbar durch eine Trennung der Inhalte.

Hieran schließt sich eine naheliegende Frage, ob nämlich immer mindestens zwei Empfindungen im Bewußtsein existieren müssen, ehe die Objektivierung einer einzelnen vorgenommen werden kann, ob also die erste Empfindung notwendig auf den Eintritt der zweiten warten muß, ehe sie eine Existenz im Gedanken erhält. Ich sehe hier von der psychologischen Seite der Frage ab, ob der Eintritt einer einzelnen Empfindung ins Bewußtsein jemals Wirklichkeit werden kann; hier handelt es sich um die Feststellung einer Beziehung zur Empfindung, die im Wesen des Verstandes, nicht in seiner faktischen Ausübung liegt. Wenn in der Tat alle Objektivierung Trennung ist, wenn ferner Empfindungen der Stoff sind, an dem sich alle Tätigkeitsäußerungen des Verstandes vollziehen, dann scheinen zwei Empfindungen mindestens notwendig, um die Funktionen des Verstandes sich betätigen zu lassen. Mit Rücksicht auf frühere Auseinandersetzungen möchte ich mich dieser Auffassung anschließen. Im ganzen Bereich unserer inneren und äußeren Erfahrung vollziehen sich die Akte der Objektivierung an einer Mehrheit von Empfindungen, und es eröffnet sich hier von Neuem die Einsicht in die Richtigkeit der früher aufgestellten Behauptung, daß die Trennung zwischen der Empfindung als Modifikation des Subjekts und der Empfindung als Eigenschaft des Objekts vor dem Forum der Erkenntnistheorie wertlos ist. Sofern ich eine einzelne Empfindung auffasse als eine Art, "wie mir zumute ist", trenne ich sie zugleich ab von anderen Arten des "zumute seins", ich kann den Zustand beim Eintritt einer bestimmten Empfindung nicht als "Art" meines Zustandes im Allgemeinen betrachten, ohne mir denselben im nächstvorhergehenden oder in einem früheren Augenblick gegenwärtig zu machen. Man darf hiergegen nicht einwenden, daß ich der einzelnen Empfindung eine Existenz geben kann gegenüber dem Subjekt, zu dem sie als Modifikation gehört. Dieses Subjekt wird immer erst in der objektivierten Empfindung gegeben, sofern es das empirische, nicht das transzendentale ist; eine Art der Objektivation der Empfindung muß bereits vollzogen sein, damit das empirische Subjekt überhaupt in der Reihe der Objekte existiert, und diese Objektivation setzt wiederum voraus, daß zwei Empfindungen als verschiedene erkannt einen gemeinsamen Gegenstand erhalten haben, zu dem sie als Modifikationen gehören. Ich fürchte nicht der Anschuldigung zu begegnen, daß dadurch die Möglichkeit einer objektiven Gegenüberstellung einer einzelnen Empfindung und eines einzelnen Verstandesinhalts, z. B. auch der Vorstellung des transzendentalen "Ich", geleugnet ist. Daß der Verstand da, wo er, mitten im Gefüge der Erkenntnis stehend, auf sich selbst reflektiert, diese gegenständliche Unterscheidung machen kann, wie jede beliebige andere zwischen zwei sinnlichen oder nicht sinnlichen Vorstellungen, dessen ist die innere Erfahrung jedes Einzelnen Zeuge. Nur zu Beginn des Erkenntnisbaues darf die bewußte Unterscheidung zwischen dem Inhalt der Empfindung und dem der apriorischen Vorstellung nicht zugestanden werden, weil dies die Annahme einer besonderen Art der Erkenntnis der Inhalte apriorischer Vorstellungen erfordern würde, während unsere Erkenntnis vielmehr von der Art ist, daß die apriorischen Elemente, obwohl beständig in ihr wirksam, erst aus ihrem fertigen Gewand durch Abstraktion erschlossen werden können.

Die Reziprozität [Umkehrbarkeit - wp] zwischen der Setzung eines Empfindungsinhaltes und der Abtrennung desselben von anderen ist von LOTZE in großer Präzision ausgesprochen:
    "Ich habe durch diese letzte Wendung zugleich fühlbar machen wollen, in wie enger Verbindung jene bejahende Setzung des Inhaltes mit der verneinenden Ausschließung jedes anderen steht. Sie ist so eng, daß eben zur Bezeichnung des einfachen Sinnes der Setzung uns nur Ausdrücke zu Gebote stehen, die ihre volle Klarhit erst durch die Hinzufügung dieses zweiten Nebengedankens erhalten. Denn was mit jener Einheit des gesetzten Inhalts eigentlich gemeint war, interpretieren wir einleuchtend nur dadurch, daß wir seine Verschiedenheit von anderen hervorheben und nicht nur sagen, er ist was er ist, sondern auch, er ist nicht, was andere sind. Jene Bejahung und diese Verneinung sind nur ein untrennbarer Gedanke, und untrennbar verbunden begleiten sie jeden unserer Vorstellungsinhalte auch dann, wenn wir nicht mit ausdrücklicher Aufmerksamkeit dies stillschweigend verneinte Andere verfolgen."
Ich habe dem nur hinzuzufügen, daß in der Setzung des Inhalts das Ausgeschlossene zugleich mitgesetzt wird, seine Existenz erhält.

Schon vor LOTZE finden wir die Einsicht in die Bedeutung der unterscheidenden Tätigkeit des Verstandes in verworrener oder klarerer Form. FICHTEs Unterschiedsetzung zwischen Ich und Nicht-Ich muß in ihrer Ausführung als eine ganz mißlungene bezeichnet werden; aber das Prinzip derselben ruht auf dem Gedanken, daß der erste Anfang aller Erkenntnis nur im Unterschied gegeben werden kann. Dieses Prinzip wird weiterhin dadurch fehlerhaft, daß die Erkenntnis der Zusammengehörigkeit von "Setzung des Inhalts" und "Ausschließung jedes anderen" vollkommen fehlt, sofern das Ich in erster Linie sein eigenes Sein (damit den Satz der Identität) setzt, um erst in einem zweiten Akt die Position des Nicht-Ich zu schaffen.

Auch die Bedeutung, welche WEISSE (12) dem unendlichen Urteil als erstem und allgemeinsten Denkprozeß für die Konstitution jeder Erkenntnis gegeben hat, rührt daher, daß er in demselben die Setzung eines einzelnen Inhalts mit Ausschluß jedes andern am vollkommensten ausgedrückt fand. Während auch hier das erkenntnistheoretische Fundament wohl begründet ist, während die Notwendigkeit der Unterscheidung zweier Inhalte schon für den elementaren Erkenntnisakt richtig erkannt ist, so muß die Lösung des Problems doch als ungenügend zurückgewiesen werden. Denn wenn schon das unendliche Urteil überhaupt als ein "Kunststück der Logik, ähnlich den Zwitterformen von Pflanzen, welche die Gartenkunst bildet" (13), als ein "spitzfindig erdachter Lückenbüßer" (14), als "ein widersinniges Erzeugnis des Schulwitzes" (15), als "eine Grille der Wissenschaft" (16) nicht sonderlich geeignet war, zum Prinzip aller Erkenntnis erhoben zu werden, so war es ganz fehlerhaft, den ersten Akt der Objektivierung zu einem Akt des Urteils zu machen, und hier war derselbe Irrtum begangen, der heute nur zu häufig durch den nicht zweckmäßigen Ausdruck des unbewußten Schlusses hervorgerufen wird.

Am weitesten ist die Bedeutung der "unterscheidenden Denktätigkeit" von ULRICI gefaßt worden; jedoch haben wir es hier mit einer so übertriebenen und einseitigen Auffassung zu tun, daß sich dieselbe SCHOPENHAUERs "Mißbrauch des Kausalgesetzes" würdig an die Seite stellt. Es heißt darüber:
    "All unser Denken, Wahrnehmen, Anschauen, Vorstellen, Begreifen, Erkennen, Wissen, ja selbst unser Empfinden und Fühlen beruth auf der unterscheidenden Tätigkeit des Geistes; sie ist die Grundtätigkeit in theoretischer wie in praktischer Hinsicht, weil in ihr allein die Möglichkeit des Bewußtseins beruth, ohne welches das Denken nicht Denken, der Geist nicht Geist ist. Bewußtsein ist selbst nichts anderes als die unterscheidende Tätigkeit des Denkens oder, wenn man will, zunächst des Empfindens, Fühlens, Wahrnehmens etc., durch welche es den Gedanken, die Empfindung (das Gedachte, das Empfundene) in sich selbst von sich unterscheidet." (17)
Die Vermischung des psychologischen Bewußtseins mit dem Selbstbewußtsein des denkenden Wesens, von denen das erstere ganz unabhängig von allem Denken als psychisches Faktum von vornherein entsteht und existiert, während das letztere sich nur anhand apriorischer Vorstellungen, durch mannigfache innere Erfahrungen, in späteren Stadien der Entwicklung herausbildet, ist Ursache so abenteuerlicher Behauptungen als derjenigen, daß unser Empfinden auf der unterscheidenden Tätigkeit des Geistes beruth, während die Empfindung gerade als ein spezifisches, von geistiger Tätigkeit gegensätzlich unterschiedenes Moment unseres psychischen Lebens zu charakterisieren ist. Weiter fließt daraus, daß das Wesen der ersten Objektivation der Empfindung zur Vorstellung unrichtig aufgefaßt ist. Nicht der Gegensatz zwischen Gedachtem und Denken ist das eigentümliche Resultat der Objektivierung: erst sehr viel später entwickelt sich das Bewußtsein des Gegensatzes an einer Reihe fertiger objektivierter Vorstellungen, die "philosophische Besonnenheit" erscheint dann in ihren ersten Spuren. Aber lange vorher ist eine Welt von Objekten ganz fertig durch die Kraft des Verstandes geschaffen worden: nicht sowohl der Unterschied zwischen Denken und Gedachtem, als vielmehr der zwischen zwei Inhalten des Denkens oder einem Gedachten und einem andern war das organisatorische Prinzip dieser Welt; und zwar kennt das naive Bewußtsein den Unterschied der Inhalte nicht als den eines Gedachten von einem andern, worin allerdings eine Beziehung auf ein gemeinsames Denken läge, sondern nur als den Unterschied von Existenzen, deren metaphysischer Wert erst in einer weit entwickelten Erkenntnis festgestellt wird.

Bei LOTZE erschein nun neben der setzenden und vergleichenden Denktätigkeit in der Objektivierung der Empfindung als dritte und als vorzüglich betonte die vergleichende. Die Vergleichung der Empfindungsinhalte, die Bestimmung der Unterschiede des einzelnen Inhaltes von anderen, die Erkenntnis des Gemeinsamen in ihnen, die Unterordnung derselben unter einen allgemeinen Gesichtspunkt sind die Funktionen des dritten Aktes, die Bildung des "ersten Allgemeinen" ist die Resultante dieser Funktionen. Damit begrenzt sich die Leistung der Objektivation der Empfindung im Ganzen dahin: sie ist
    "nicht bloß Setzung überhaupt des a oder b, nicht bloß Unterscheidung überhaupt jedes a von jedem b, sondern zugleich eine Bestimmung der Weite und der Eigentümlichkeit des Unterschiedes, der nicht überall gleich groß und gleich geartet, sondern zwischen b und c ein anderer ist, als zwischen a und b. Und hiermit meine ich nicht, daß jede einzelne Vorstellung a von der entwickelten Vorstellung aller ihrer Beziehungen zu der unendlichen Anzahl aller übrigen begleitet werden muß; nur der allgemeine Nebengedanke, daß jede nach allen Seiten hin in ein solches Netz von Beziehungen eingefangen ist, umgibt allerdings in unserem logischen Bewußtsein jede." (Seite 29)
Diesen Ausführungen LOTZEs kann ich mich nicht ohne Weiteres anschließen. Zunächst halte ich die exklusive Stellung, welche der vergleichenden Denktätigkeit hier neben und über der setzenden und unterscheidenden eingeräumt wird, nicht für berechtigt. Während die Durchdringung der Setzung des einzelnen Inhaltes mit der Ausschließung jedes andern in der Bildung der Vorstellung ausdrücklich hervorgehoben und die Trennung dieser beiden Momente als eine nur begriffliche, nicht im Prozeß der Erkenntnis selbst sich vollziehende betont wurde, scheint die Vergleichung von einer Art höherer Selbsttätigkeit gedacht zu sein, insofern sie wohl der Setzung und Unterscheidung as präparatorischer Akte bedarf, nach deren Ausführung aber selbständig einen Schritt weiter in die Erkenntnis führt. Dieses ist, wie ich glaube, nur dann richtig, wenn die Vergleichung bereits im Sinne eines so viel höheren Erkenntnisaktes gefaßt wird - wie dies von LOTZE auch geschieht - daß sie nicht mehr in die Reihe der zur elementaren Objektivation gehörigen gezählt werden darf, sondern erst in einem späteren Teil der Erkenntnistheorie oder Logik ihre Erwähnung verdient. Ich verkenne nicht den Unterschied, der zwischen der Bildung des "ersten Allgemeinen" und derjenigen des Begriffs besteht und sehe denselben darin, daß im einen Fall der Inhalt der Empfindung, im andern der einer begrifflich zubereiteten Vorstellung, der fertigen Einzelvorstellung oder des Begriffs selbst, das Material der geistigen Operation ist. Aber diese Operation selbst ist dieselbe, ist die Urteilsbildung; und sofern man sich nicht der Annahme einer unbewußten Urteilsbildung anheimgeben will, womit man den von LOTZE in großer Schärfe gemachten Unterschied zwischen psychologischer und logischer Vorstellungsverbindung einreißt, so liegt hier eine Verstandestätigkeit vor, die nicht zu den elementaren gerechnet werden darf, wenn auch vielleicht der Ertrag, den sie liefert, auf einer niedrigeren Stufe der logischen Entwicklung steht, als diese Tätigkeit selbst. In der Bildung der Begriffe und der Urteile haben wir ein Analogon dazu. Es ist ziemlich allgemein zugestanden, daß Begriffe durch Urteile, Urteile durch Schlüsse gebildet werden, wiewohl wir im Urteil eine Potenzierung des logischen Geistes über den Begriff hinaus, ebenso wie im Schluß eine höhere geistige Potenz als im Urteil erkennen. Trotzdem hält die Logik die alte Reihenfolge der Behandlung: Begriff - Urteil - Schluß - aufrecht und tut dies mit dem Recht einer demonstrativen Wissenschaft, die vom Einfachen zum Zusammengesetzten aufsteigt. Eben dieses Prinzip muß auch da in Anwendung kommen, wo man das Gefüge der menschlichen Erkenntnis von den ersten einfachen Bausteinen bis zu allen Einzelheiten der "Architektonik" gleichsam von Neuem erstehen lassen will: weil ein kompliziertes Bauwerk in seiner Spitze mit einem einfachen Stein abschließen kann, wird man nicht den ganzen Bau zur elementaren Bedeutung dieses einen Steines herabwürdigen wollen. Die Baulehre des menschlichen Geistes forscht nicht, ob auf der Spitze der Pyramide, die wir Erkenntnis heißen, ein Sandkorn oder die enthüllte Form der Wahrheit steht, sie forscht, aus wieviel Steinen der Bau besteht und nach welchen Gesetzen diese verbunden sind. Es scheint mir vollkommen gleichgültig, ob das erste Allgemeine, ob ein Begriff, ob die Summe aller Erkenntnis das Resultat einer Urteilsbildung ist, die Erkenntnistheorie fragt nur nach dem Mechanismus des Prozesses, der hier in Ausübung kommt, und dieser kann in allen drei Fällen gleich zusammengesetzt sein. Auch entsteht ein verhängnisvoller Zirkel, wenn man das Urteil als Bildungsmittel derjenigen Elemente gelten läßt, aus denen es sich selbst zusammensetzen soll.

Daß in der Tat das Urteil das Werkzeug zur Bildung des ersten Allgemeinen ist, wird auch von LOTZE in den Worten zugestanden:
    "Ein Urteil, a sei stärker als b, ist als Urteil freilich eine logische Arbeit; aber der Inhalt, den es ausspricht, also die Tatsache selbst, daß es überhaupt Gradunterschiede der Vorstellungen gibt, sowie die besondere, daß der Grad des a den des b übersteigt, kann nur erlebt, empfunden oder als Bestandteil unserer inneren Erfahrung anerkannt werden." (Seite 32)
Hier ist das Urteil als integrierender Teil der Vergleichung anerkannt und damit ist diese in der Bedeutung, die ihr LOTZE gibt, aus dem Band der einfach objektivierenden Erkenntnisprozesses ausgeschlossen. Mit der letztangeführten Stelle kann ich die folgende ihrem Inhalt nach nicht vereinigen:
    "So ist dieses erste Allgemeine kein Erzeugnis des Denkens, sondern ein von ihm vorgefundener Inhalt." (Seite 30)
In demselben Sinn wie alle Erfahrung ist sie ein Erzeugnis des Denkens, ebenso wie diese durch keine "Selbstbewegung des Gedankens" herstellbar, sondern immer durch Empfindung "verunreinigt; aber der einzige vorgefundene Inhalt des Denkens ist der Inhalt der Empfindung, alles Andere sein Erzeugnis.

Trotzdem möchte ich den Vergleich der Inhalte nicht aus der Reihe der elementaren Momente der Objektivation gestrichen wissen; vielmehr halte ich dieselbe in einem anderen als dem LOTZEschen Sinn für einen unumgänglichen Bestandteil derselben. Nicht die "Bestimmung der Weite und der Eigentümlichkeit des nicht überall gleich großen und gleichgearteten Unterschieds", sondern die ursprüngliche Idee, welche eine solche Bestimmung überhaupt möglich macht, diese ist die Bedingung aller Objektivation, weil sie die Bedingung aller Unterscheidung ist. Ich kann nicht zwei Dinge voneinander scheiden, mithin keinen einzigen Inhalt als in irgendeinem Sinn vergleichbar anzunehmen: Gleichheit und Unterschied sind Wechselbegriffe, wie Ursache und Wirkung. Ich mag zwei Inhalte unterscheiden, aus welchem Gesichtspunkt ich will, dem Raum, der Zeit, der Qualität, der Intensität nach, immer muß einer dieser Begriffe als erstes Allgemeines zugrunde liegen. Dieses "erste Allgemeine" ist aber nur der "allgemeine Nebengedanke", daß es überhaupt ein Gemeinsames gibt, von dem aus Unterschiede erkannt werden können, nicht die Angabe dieses Gemeinsamen selbst, die nur in der Erfahrung gemacht werden kann, sondern die "Fähigkeit", ein solches Gemeinsames überhaupt abzuleiten, das "Vertrauen" unseres Verstandes, daß sich in zwei Inhalten ein Vergleichbares finden wird.Deshalb kann das "erste Allgemeine" in diesem Sinn nicht durch das Urteil gegeben werden, sondern ist vielmehr die Bedingung jeden Urteils; deshalb lehrt es mich nicht kennen, daß a stärker ist als b, sondern nur, daß a und b vergleichbar und deshalb unterscheidbar sind; deshalb ist dieses wahrhaft "erste Allgemeine" die Vorbedingung für die Bildung desjenigen, was LOTZE darunter versteht, wie es die Vorbedingung ist für die Bildung jedes höheren Allgemeinen.

Deshalb ist auch die Vergleichung als ursprüngliches Denkmoment keine höhere, keine selbständigere, keine "wesentlichere" Leistung der geistigen Arbeit als die Setzung oder Unterscheidung, vielmehr haben wir hier drei ganz koordinierte Kräfte unseres Verstandes vor uns, von denen wir keine ausschließen können, ohne nicht nur den Verstand als Ganzes, sondern auch jede der beiden anderen aufzuheben; und wenn es irgendeine Stelle in der menschlichen Erkenntnis gibt, die auf die Annahme einer einzigen, einigen Denkkraft als Prinzip alles einzeln Gedachten hinweist, so ist es diese, in der wir die elementaren Bedingungen allen Denkens und den Kreislauf ihrer Funktion in sich selbst vollenden sehen. Damit ich einen Inhalt setzen, damit ich zwei Inhalte vergleichen kann, muß ich im ersten Fall diesen einen von einem anderen, im zweiten die beiden voneinander unterschieden haben; um aber zwei Inhalte voneinander unterscheiden und damit jeden von ihnen setzen zu können, müssen sie wiederum verglichen gedacht werden, und daraus folgert der Verstand nach seinem innersten Gesetz, daß zwei Inhalte nicht verglichen, nicht unterschieden werden können, ohne daß zugleich jeder von ihnen gesetzt ist: er bestätigt diesen Schluß durch die innere Erfahrung und erweist dadurch, daß in ihm die logische und die kausale Verknüpfung zusammenfällt. Bei der Bewegung dieses dreispeichigen Rades spinnt die hand der Empfindung den Faden unserer Erkenntnis an.

Auf welchen Gesetzen des Verstandes ruhen nun diese drei elementarsten Äußerungen seiner Tätigkeit, welches sind die einfachsten Begriffe, welche zur Empfindung hinzutreten müssen, damit sie Vorstellung wird, d. h. damit sie eine Existenz erhält, mit anderen vergleichbar, von anderen unterscheidbar ist; ist die Anzahl dieser Begriffe gleich derjenigen der als elementar erkannten Erkenntnisprozesse, oder erweisen sich die letzteren bei der Zurückführung auf ihre Bedingungen doch noch als zusammengesetzt, als in Elemente auflösbar?

Eines läßt sich mit Sicherheit im Voraus behaupten: daß die Anzahl der einfachen Verstandeselemente nicht geringer sein kann als die der elementaren Tätigkeiten, denn wir erkannten in den letzteren die nicht weiter aufeinander zurückführbaren, weder ineinander, noch in eine höhere Tätigkeit auflösbaren Faktoren aller Erkenntnis. Dagegen läßt sich hier nicht absehen, ob im weiteren Verlauf des Erkennens, ob in seinem Fortschritt von der Objektivation der Empfindung durch die Einzelvorstellung, den Begriff, das Urteil zum Schluß, neue elementare Kräfte des Verstandes in Wirksamkeit treten, oder ob diese Trias in der Tat das vollkommene Prinzip allen Denkens ist. Frühere Erörterungen über die Kausalität lassen die letzte Annahme als falsch erkennen; in der Entwicklung seiner Kräfte offenbart der Verstand eine weit größere Mannigfaltigkeit als seine ersten Anfänge vermuten lassen: und ebenso bestimmt, als die Betrachtung eben dieser Anfänge lehrt, daß es nicht nur "eine einzige und alleinige Form des Verstandes" gibt, ebenso bestimmt weist die Betrachtung der Entwicklung über die Dreiheit der Formen hinaus, welche die Anfänge kennen lehren.

Damit ist die Untersuchung an demjenigen Punkt angelangt, von dem aus sie die metaphysische Deduktion der Kategorien ihrem Prinzip nach einer Beurteilung unterwerfen kann. Doch füge ich hier noch einige Bemerkungen über die Art derjenigen Kategorien hinzu, welche als den drei in der Objektivierung zusammenwirkenden Verstandestätigkeiten zugrunde liegend angenommen werden müssen.

Der Begriff eines Seins, einer Realität, einer Existenz, eines Gegenstandes überhaupt muß die erste Kategorie sein, und er muß korrespondierend gedacht werden der Setzung des Inhaltes; der Vergleichung der Inhalte muß die allgemeine Grundvorstellung einer Gleichheit und Verschiedenheit der Identität und des Widerspruchs als zweite Kategorie entsprechen. Diese letztere muß in der dritten Kategorie eine Einheit erhalten, nach der verglichene Inhalte als verschieden oder gleich gesetzt werden können: und diese Einheit kann auf doppelte Art gegeben werden durch die Allgemeinvorstellung der Quantität oder die der Qualität, durch den Begriff der Größe oder den der Eigenschaft. So viel Anstrengungen die Philosophie auch machen mag, um die Annahme dieser Kategorien herumzukommen, sie wird der ersten so wie der beiden, in welche sich die dritte Leistung der Objektivierung abzweigt, niemals entraten können: sie wir die Quantität niemals aus der Teilbarkeit des Raums oder der Zeit oder aus den Graden der Empfindungsstärke ableiten können, weil sie damit statt der Antwort die Frage zurückgibt. Die Teilbarkeit des Raums und der Zeit, die Grade der Empfindungsstärke sind die Gegenstände des Problems: die Kategorie der Quantität ist seine Lösung. Ganz ebenso ist es mit der Qualität. Zu sagen, daß ich deshalb die Vorstellung einer qualitativen Verschiedenheit habe, weil meine Empfindungen qualitativ verschieden sind, erinnert an die Argumentation eines Menschen, der die transzendentale Idealität der Erscheinung durch eine Ohrfeige ins Antlitz des Idealisten zu widerlegen hofft. Wie es geschehen kann, daß meine Empfindungen qualitativ verschieden sind, d. h. in meinem Denken qualitativ unterschieden werden können, das ist die Frage, zu der die Kategorie der Qualität die Antwort bringt. Vielleicht, daß es gelingt, die Kategorie der Vergleichung durch einen Bezug auf die Vorstellung des Ich umzugestalten, indem man das erste Allgemeine in dem alle Vorstellungen begleitenden "Ich denke" sucht, und indem man sie aus der Vereinigung der transzendentalen Apperzeption mit den Begriffe der Eigenschaft und Größe, mit den Kategorien des ersten Verstandesaktes entstehen läßt. Ich zweifle am Gelingen eines solchen Unternehmens, weil die Vorstellung des Ich nur das Gemeinsame, nicht die Unterschiede der Vorstellungen geben kann, und weil Quantität und Qualität, wenn sie auch die Richtung der Unterschiedssetzung bestimmen, doch auf die Vorstellung des Unterschiedes überhaupt als ihre Voraussetzung hinweisen. Immerhin wäre dadurch auch die zweite Kategorie nicht beseitigt, sondern nur durch die transzendentale Apperzeption ersetzt. Diejenige Kategorie aber, deren Existenz unter den Elementarbestandteilen der menschlichen Erkenntniskraft am gesichertsten ist, die die unveräußerliche und unerschütterliche Grundlage alles Gedachten bildet, ist die Kategorie des Gegenstandes, man mag dieselbe Substanz oder mit einem anderen Namen taufen. Alle diejenigen, welche der Kausalität ihr Amt übertrugen, waren darin einig, daß nur durch einen ursprünglichen Verstandesakt der Gegenstand gegeben werden kann, wenn sie auch in der Richtung fehlgingen, in der dieser Verstandesakt zu suchen war. SCHOPENHAUER (18), HELMHOLTZ, ZÖLLNER, sofern sie die Vorstellung des Gegenstandes durch die Kausalität erstehen lassen, pflichten der Ansicht von der gedanklichen Natur der ersteren bei, und nur in einer ganz rohen philosophischen Anschauung kann sich dagegen Widerspruch erheben. Man mag einem ungeschulten philosophischen Geist alle irgendwie möglichen Konzessionen hinsichtlich der transzendentalen Realität dieser Welt machen, man mag zugestehen, daß es nicht nur Gegenstände überhaupt, sondern Gegenstände ganz derselben Art ansich gibt, wie diejenigen sind, welche die empirische Welt ausmachen; aber dann darf man auch das Zugeständnis verlangen, da href="../spir/asf-duw2.html" target="_blank">gibt, wie diejenigen sind, welche die empirische Welt ausmachen; aber dann darf man auch das Zugeständnis verlangen, daß diese Gegenstände für das vorstellende Subjekt nur existieren, sofern sie vorgestellt werden, und daß deshalb die Vorstellung des Seins mit in der Reihe derjenigen sein muß, welche das Subjekt seinem Empfindungsinhalt zufügt, um sich zu der dem Gegenstand "adäquaten" Vorstellung desselben zu erheben.

Bei KANT erscheint schon im "Beweisgrund zu einer Demonstration des Dasein Gottes" das Sein als ein unauflöslicher, die Existenz als ein beinahe unauflöslicher Begriff, und die Lehre von den Einheitsfunktionen in der Synthesis des Mannigfaltigen, durch die erst der Gegenstand gegeben wird, ist die kritische Darstellung dieser Anschauung. Wir besitzen keine näheren Ausführungen darüber, keine einzige wirkliche Untersuchung, wieviel "Handlungen" es sind, wodurch der Verstand einen transzendentalen Inhalt in Vorstellungen bringt; nur von der Kategorie der Substanz wissen wir, daß sie auch in einem kantischen Sinn eine elementarere als die verbindende Funktion im Urteil hat. Die Behauptung ULRICIs, daß nach KANT "die Kategorie der Einheit oder vielmehr der Einzelheit" es ist,
    "mittels deren wir das Ding trotz seiner mehreren Eigenschaften doch als ein Ding fassen, d. h. daß es der reine Verstandesbegriff der Einzelheit ist, welcher den mannigfaltigen Empfindungen, Perzeptionen, Wahrnehmungen, in denen unsere Kenntnis von den Dingen besteht, erst Einheit gibt",
auf einem Mißverständnis beruth. Wohl ist es eine Kategorie, die dies zu Werk bringt, aber ich glaube nicht, daß sich irgendeine Stelle wird ausfindig machen lassen, aus der hervorginge, daß die Quantität das Objekt in der Synthesis des Mannigfaltigen gibt, vielmehr ist die Anwendung derselben erst da denkbar, wo der Gegenstand bereits in der Vorstellung existiert, d. h. wo die Substanz als das Beharrliche zu allen Veränderungen mit der Empfindung verbunden ist.

Während wir bei KANT über die Tätigkeit des Verstandes im Urteil mit großer Ausführlichkeit aufgeklärt werden, und zwar nicht nur über die allgemeine, sondern auch über jede besondere Funktion, fehlt ganz und gar der Nachweis, welcher Art die Tätigkeit des Verstandes ist, die als präparatorische alles Urteilen überhaupt erst möglich macht, diejenige nämlich, welche aus inkommensurablen Empfindungen verbindbare Vorstellungen macht. Man wird hier nicht den Einwand erheben, der ebenso unkantisch als ansich falsch ist, daß durch die verbindende Funktion auch jeder der zu verbindenden Inhalte seine Formung erhält. Es ist bereits früher ausgeführt worden, daß vom Versuch einer gedanklichen Verbindung von Empfindungen überhaupt nicht die Rede sein kann, daß die Formung als der Verknüpfung vorausgehend angenommen werden muß. Zudem aber beweisen Urteile wie das folgende schlagend die Unabhängigkeit, in der die verbindende Kategorie von denjenigen steht, durch welche die zu verbindenden Vorstellungen geformt sind. Wenn ich sage: Cajus ist drei Jahre alt, so ist dieses Urteil der Quantität nach ein einzelnes, die Einheit ist in Rücksicht auf eine quantitative Bestimmung des Urteils die gesetzgebende Kategorie; dagegen enthält das Prädikat die Kategorie der Quantität in der Form der Vielheit, und man wird nicht behaupten können, daß dieselbe Kategorie, welche die Form des Urteils bestimmt, zugleich die Form des Prädikats bestimmt hat. Das Gleiche gilt von Urteilen wie: dieses muß möglich sein, und ähnlichen.

LITERATUR: Julius Jacobson, Über die Beziehungen zwischen Kategorien und Urteilsformen [Inaugural-Dissertation] Königsberg 1877
    Anmerkungen
    6) Gesammelte Abhandlungen über physiologische Optik, Seite 14
    7) "Physiologie des Gesichtssinnes zum ersten Mal begründet auf Kants Theorie der Erfahrung", Braunschweig 1876.
    8) "Kritisch-philosophische Untersuchungen", Heft 1, Seite 12 und 13.
    9) Vgl. AUBERT, Physiologie der Netzhaut, Seite 12f
    10) Vgl. ZOELLNER, Natur der Kometen, Seite 344f.
    11) WUNDT, Grundzüge der physiologischen Psychologie, Seite 465 und 675f.
    12) J. CH. WEISSE, "Über den letzten Grund der Gewißheit im Denken", FICHTE und ULRICI, Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, Bd. XXVI, Seite 223 bis 254.
    13) TRENDELENBURG, Logische Untersuchungen II, Seite 184
    14) SCHOPENHAUER, Welt als Wille und Vorstellung, zweite Auflage I, Seite 514.
    15) LOTZE, Logik, Seite 61
    16) LOTZE, Logik, Seite 62.
    17) ULRICI, Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, Bd. XIX, 1848
    18) "Man muß von allen guten Geistern verlassen sein, um zu wähnen, daß die anschauliche Welt da draußen, wie sie den Raum in seinen drei Dimensionen füllt, im unerbittlich strengen Gang der Zeit sich fortbewegt, bei jedem Schritt durch das ausnahmslose Gesetz der Kausalität geregelt wird, in allen diesen Stücken aber nur die Gesetze befolgt, welche wir vor aller Erfahrung davon angeben können - daß eine solche Welt da draußen ganz objektiv-real und ohne unser Zutun vorhanden wäre, dann aber durch die bloße Sinnesempfindung in unseren Kopf hineingelangt, woselbst sie nun wie da draußen noch einmal dastände. Denn was für ein ärmliches Ding ist doch die bloßes Sinnesempfindung."