H. H. GossenR. Zuckerkandlvon ZwiedineckR. StolzmannH. Oswalt | |||
Die Entstehung des Preises aus subjektiven Wertschätzungen [3/4]
VII. Erläuterungen zum Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge. Unsere Erklärung der Preisbildung und des tauschwirtschaftlichen Mechanismus überhaupt setzt sich aus einer Reihe von Gedanken zusammen, die alle von den bisherigen Auffassungen der Theorie stark abweichen. Ich frage mich daher, welche dieser Gedanken den Nationalökonomen, die natürlich an meine Theorien vom Standpunkt ihrer bisherigen Anschauungen herantreten, wohl am meisten Schwierigkeiten bereiten und zu Bedenken Anlaß geben würden. Da scheint es mir, daß meine Hauptgedanken in ihrer fundamentalen Bedeutung für die Erklärung der wirtschaftlichen Erscheinungen von unbefangenen Lesern, wozu allerdings gerade die Hauptvertreter der bisherigen Theorie vielleicht am wenigsten gehören werden, kaum mißverstanden und abgelehnt werden können. Wenn auch aus der Kritik meiner Schrift "Ertrag und Einkommen" vielleicht das Gegenteil geschlossen werden könnte, so glaube ich doch, daß aus den vorliegenden Ausführungen die Bedeutung des allgemeinen Ertragsbegriffs so klar herausspringt, daß dessen Annahme keinem Widerstand mehr begegnen wird. Es ist so selbstverständlich, daß, wenn Nutzen und Kosten die Grundlagen alles wirtschaftlichen Handelns sind, die Differenz beider, der Ertrag, der ja auch das Ziel aller Wirtschaftstätigkeit ist, ein Fundamentalbegriff bei der Erklärung der wichtigsten wirtschaftlichen Erscheinungen sein muß. Auch die Anwendung des Grenz gedankens ansich wird wohl kein Bedenken veranlassen, und vielleicht in unserer Form der Grenzertragstheorie selbst bei denen nicht, die mit der österreichischen Grenz wert lehre nichts anzufangen wußten. Daß ohne den Grenzgedanken, nur ganz allgemein mit dem Begriff Kosten die Preisbildung nicht zu erklären ist, dürfte aus unseren Ausführungen deutlich hervorgegangen sein und zeigt übrigens schon ein Blick auf das wirtschaftliche Leben zur Genüge. Auch der Ausgleichsgedanke, d. h. unsere Abänderung des zweiten Gossenschen Satzes und die Formulierung des Gesetzes vom Ausgleich der Grenzerträge dürfte vielleicht für die Einzelwirtschaft kaum Bedenken erregen, unsere Berücksichtigung der Kosten vielmehr als eine offensichtliche Verbesserung seines richtigen und fundamentalen Grundgedankens anerkannt werden. Denn auch die Richtigkeit dieses Satzes als Norm für unser wirtschaftliches Handeln kann zu leicht durch eigene Beobachtung erwiesen werden. Am ehesten, scheint mir, wird vielleicht die Anwendbarkeit des Gesetzes des Ausgleichs der Grenzerträge auf die Tauschwirtschaft, auf der ja unsere Erklärung der Preisbildung beruth, Zweifel begegnen. Man könnte dagegen einwenden, daß sie im Wirtschaftsleben nicht konstatiert werden kann. Dieser Einwand liegt umso näher, als, wie wir gleich sehen werden, unser Gedanke des Grenz ertragsausgleichs leicht mit viel weitergehenden Behauptungen des Ausgleichs einzelner Einkommensarten verwechselt werden kann, die sich in der bisherigen Theorie öfters finden. Diese gehen offenbar auf die gleiche richtige Beobachtung zurück, und gehen nur fehl, weil sie ihn nicht mit dem Grenzgedanken verknüpfen, sondern ganz allgemein für jedes Einkommen aller Wirtschaftssubjekte behaupten. Dann aber sind in der Tat im heutigen Wirtschaftsleben zahlreiche Hemmungen und Widerstände vorhanden, welche zumindest die Wirksamkeit der Ausgleichstendenz verdunkeln, indem sie selbst dem Beobachter viel deutlicher entgegentreten als jene. Diese Hemmungen zu untersuchen, wird noch ein wichtiges Gebiet der ökonomischen Theorie sein. Die bisherigen Versuche (Theorie der Kapitalbildung, Krisentheorie und dgl.) sind noch nicht sehr befriedigend, weil eben eine klare Erkenntnis des Grundprinzips der tauschwirtschaftlichen Organisation und der Preisbildung bisher fehlte. Trotz dieser Hemmungen kann das Vorhandensein einer Tendenz des Ausgleichs der Grenzerträge in der heutigen Volkswirtschaft nicht bezweifelt werden, wenn sie auch nicht unter allen Umständen mit statistischer Genauigkeit zu konstatieren ist. Es ist nicht zu bestreiten, daß eine Tendenz des Ausgleichs der Grenzerträge das Organisationsprinzip der heutigen Volkswirtschaft ist, wenn sich diese Tendenz auch nicht vollkommen durchsetzt. Ein anderes Organisationsprinzip der Tauschwirtschaft ist jedenfalls nicht anzugeben. Wie schon erwähnt, schwebt ja auch zahlreichen Nationalökonomen ein derartiger Gedanke vor, hat nur nicht die scharfe theoretische Formulierung wie hier gefunden, gerade deswegen aber bei manchen zu viel weitergehenden Behauptungen geführt, die den Grundgedanken etwas in Mißkredit gebracht haben. Der Gedanke, daß durch die "freie Konkurrenz" die Anpassung der Produktion an den Bedarf herbeigeführt wird, daß sie das Organisationsprinzip der Tauschwirtschaft darstellt, ist ja keineswegs neu. Aber, wie außerordentlich unvollkommen die Wissenschaft heute noch die wichtigsten Grundprinzipien des tauschwirtschaftlichen Mechanismus erörtert, kann man daraus erkennen, wie wenig selbst die neuesten Lehrbücher über die Konkurrenz als Organisationsprinzip der Volkswirtschaft zu sagen wissen (67). Man versteht darunter in der Regel nicht die Tatsache, daß das ganze tauschwirtschaftliche Angebot, der Zudrang zu den verschiedenen tauschwirtschaftlichen Erwerbszweigen durch sie bzw. durch das privatwirtschaftliche Streben nach höchstem Ertrag geregelt wird, sondern denkt vor allem an den Konkurrenz kampf und das damit verbundene Unterbieten im Preis. Es ist dabei aus der historischen Entwicklung der Nationalökonomie zu erklären, daß die Konkurrenz in den Lehrbüchern fast ausschließlich als eine wirtschaftspolitische Erscheinung aufgefaßt wird. Nur 2 Lehrbücher überhaupt, soweit ich sehen kann, erkennen und betonen, daß die Konkurrenz "das regelnde Prinzip der Produktion und des Erwerbs" (68) ist und geben damit eine gewisse Analyse des Organisationsprinzips der Tauschwirtschaft, das klar zu legen doch die Hauptaufgabe eines jeden nationalökonomischen Lehrbuchs wäre: ADOLF WAGNERs "Theoretische Sozialökonomik" und von PHILIPPOVICHs "Grundriß", die beiden Lehrbücher, die überhaupt in Bezug auf die Behandlung theoretischer Probleme die modernsten sind (69). ADOLF WAGNER betitelt zwar ein großes Kapitel von 18 Seiten "Die Organisation der Volkswirtschaft und der Staat in volkswirtschaftlicher Betrachtung", aber eine wirkliche Erklärung des tauschwirtschaftlichen Mechanismus aufgrund des Konkurrenz- und Ertragsprinzips findet sich darin nicht. Der Verfasser selbst und mit ihm sein Leser kommt vor zu vielen Unterabteilungen und Einschachteleien nicht dazu, die eigentlichen grundlegenden Erscheinungen zu erkennen. So unterscheidet WAGNER bekanntlich 3 Organisationsprinzipien der Volkswirtschaft: das privatwirtschaftliche, individualistische, spekulative (Schäffle), dann das gemeinwirtschaftliche, soziale und das karitative. Aber aus seiner eigenen Darstellung geht hervor, daß, wenn auch die beiden letzten in der Volkswirtschaft vorkommen, das erste doch das einzige ist, welches wirklich die tauschwirtschaftliche Bedarfsversorgung organisiert. Die Charakterisierung desselben ist aber recht unklar.
α) prinzipiell gefaßt: rein, praktisch stets nur: überwiegend, auf dem Befolgen des ersten egoistischen Leitmotivs (§ 2) bei wirtschaftlichen Tun und Lassen, ... β) die Rechtsform der Regulierung ist der Vertrag, γ) das Rechtsprinzip (?) der Regulierung ist die freie Konkurrenz, δ) das ökonomische Gesetz für die Zuführung der Güter an die Bedürftigen ist das von Angebot und Nachfrage [Dies ist von allen Punkten der ökonomisch allein wesentliche. Aber Wagner sieht bei seiner Preistheorie, wie wir schon betonten, Angebot und Nachfrage als gegebene Größen an. die Erklärung der Organisation der Volkswirtschaft besteht jedoch gerade darin zu zeigen, wie ein Angebot zustande kommt!], ε) das Ergebnis ist die spezielle Entgeltlichkeit von Leistung und Gegenleistung, die Kostendeckung beider durcheinander (?), die Feststellung des speziellen (Vertrags-)Preises jeden Gutes" (aber wie?). Man erkennt: eine wirkliche Erklärung des tauschwirtschaftlichen Mechanismus, des Organisationsprinzips, aufgrund dessen sich in der Tauschwirtschaft die Bedarfsversorgung vollzieht, das Angebot sich bildet, der Preis entsteht, sucht man hier vergebens. Wenn WAGNER sich selbst darüber klar gewesen wäre und seinen Lesern diese Klarheit hätte vermitteln wollen, hätte er statt all dieser Klassifizierungen sich besser in den 7 Worten ausgedrückt: Organisationsprinzip der Tauschwirtschaft ist: das Streben der Privatwirtschaften nach größtem Ertrag. Aber gerade dieser Begriff fehlt bei WAGNER völlig. Daher liefert er keine wirkliche Erklärung des Organisationsprinzips der Tauschwirtschaft und seine Preistheorie, die nur mit den individuellen Kosten operiert, steht mit diesem Organisationsprinzip nicht in einem notwendigen engsten Zusammenhang. von PHILIPPOVICH geht nicht so völlig wie ADOLF WAGNER an der eigentlichen Erklärung der tauschwirtschaftlichen Organisation vorbei. Er erkennt:
Wenn so die Wirksamkeit der freien Konkurrenz als Organisationsprinzip der tauschwirtschaftlichen Bedarfsversorgung wohl von manchen Nationalökonomen erkannt wird, aber mangels des Ertragsbegriffs nicht klar theoretisch zur Darstellung gebracht werden kann, so sind einige Nationalökonomen doch dadurch bemerkenswert, daß sie der freien Konkurrenz in irgendeiner Form eine gewisse Ausgleichswirkung zuschreiben und in dieser ein die Tauschwirtschaft organisierendes Prinzip erblicken (so von Philippovichs schon kritisierte Anschauung von der "Ausgleichung der Preise"). Die Vertreter des Grenzgedankens operieren ja mit dieser Ausgleichstendenz in der verschiedensten Weise, von der reinen subjektiven, psychischen Ausgleichung der Grenznutzen bei GOSSEN bis zu der ebenso rein materialistisch-quantitativen Lehre vom Gleichgewichtszustand bei den "mathematischen" Nationalökonomen von WALRAS über CLARK zu SCHUMPETER. Aber es ist bemerkenswert, daß hie und da auch Nationalökonomen, die nicht den Grenzgedanken vertreten, dennoch an einem Ausgleichsgedanken festhalten. Sie haben offenbar das Gefühl, daß mit diesem Prinzip in irgendeiner Weise die tauschwirtschaftliche Organisation erklärt werden muß. Die Erklärung selbst war ihnen aber, mangels des allgemeinen Ertragsbegriffs und der Erkenntnis seiner Bedeutung nicht in der scharfen Formulierung möglich, wie wir sie gegeben haben. Vielmehr hat der Umstand, daß man bisher, statt einer allgemeinen Ertragslehre, immer nur spezielle Einkommensarten betrachtete, bewirkt, daß auch die Ausgleichstendenz, durch welche die Anpassung der Produktion an den Bedarf gesorgt wird, immer nur für die speziellen Einkommensarten erörtert wurde (70). Dabei machte man, wie gleich bemerkt sei, noch den Fehler, daß man den Ausgleichs gedanken nicht mit dem Grenz gedanken verband, und jenen daher auf jedes einzelne Einkommen, statt nur auf die Grenzerträge anwandte, und der Ausgleichstendenz so eine viel zu weite Ausdehnung gab (71). Vor allem sind hier ADOLF WAGNERs Anschauungen zu erwähnen, der "das Gesetz der Gewinnausgleichung" bei der Besprechung des Unternehmergewinns sowie des Kapitalzinses eingehehend erörtert. (72) WAGNER konstatiert jedoch nur die Tendenz zum Ausgleich dieser Einkommensarten, zieht aber aus der Beobachtung dieser Tendenz keinerlei Folgerungen zur Erklärung wirtschaftlicher Erscheinungen. Er erkennt also in dieser Tendenz, die doch direkt aus dem grundlegenden Streben eines jeden Wirtschaftssubjekts nach größtem wirtschaftlichen Erfolg erwächst, weder das eigentliche Organisationsprinzip der Tauschwirtschaft im allgemeinen noch ihre Bedeutung für die Preisbildung im besonderen. Hinsichtlich letzterer steht er ja, wie wir sahen, ganz auf dem Boden der Produktionskostentheorie. Da also jene Ausgleichstendenz für ihn keinerlei Bedeutung zur Erklärung wirtschaftlicher Erscheinungen hat, unternimmt er es hauptsächlich, die verschiedenen Hindernisse, die ihr im Wirtschaftsleben entgegenstehen, zu untersuchen, und auf seine diesbezügliche ausgezeichnete Darstellung mag hier für diesen Punkt verwiesen werden. Nichtsdestoweniger behauptet er ausdrücklich sowohl für den Kapitalzins, wie für den Unternehmergewinn, daß jene zahlreichen Hindernisse die Richtigkeit jenes Gesetzes des Gewinnausgleichs nicht beeinträchtigen. Noch sehr viel weiter in der Anwendung des Ausgleichsgedankens geht LEXIS. Er knüpft an den zwar ganz allgemein vertretenen, aber von ihm mit besonderer Ausführlichkeit behandelten Verteilungsgedanken an der zusammen der mit ihm eng verbundenen Zurechnungslehre eines der dunkelsten Kapitel und meines Erachtens eine der unheilvollsten und unwirklichsten Theorien der Volkswirtschaftslehre bildet. Sie geht aus von der Gesamtheit der Einkommen oder "Produktionserträge" in einer Volkswirtschaft und lehrt, daß diese Summe an die bei der Produktion (denn regelmäßig wird nur diese beachtet) Mitwirkenden "verteilt" wird im Verhältnis der Mitwirkung der 3 "Produktionsfaktoren": Boden, Arbeit und Kapital. Diese "Verteilung" erfolgt also aufgrund der Zurechnungslehre, bei der dann die Verwechslung von technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten, von Produkt und Wert der Produkte ihre Triumphe feiert, die übrigens schon bei den Begriffen Volkseinkommen, gesamter Produktionsertrag und dgl. beginnt (73). Diese Verteilungslehre, die in der ganzen bisherigen Nationalökonomie gilt und einen ihrer wichtigsten Pfeiler bildet und die meines Wissens überhaupt noch nicht angegriffen wurde, ist, wie man leicht erkennen wird, der Hauptgrund, weshalb man die Bedeutung des Ertrags als privatwirtschaftlicher Erscheinung in unserem Sinne nicht erkannt hat. Denn diese Verteilungstheorie stellt das Ertragsproblem geradezu auf den Kopf. Während in Wirklichkeit das Ertragsstreben des einzelnen Wirtschafters natürlich das treibende Moment ist, das den ganzen Tauschverkehr in Bewegung setzt, geht sie von einem künstlich konstruierten Begriff des Gesamteinkommens oder Gesamtkapitalgewinns aus (74). Dieses Gesamteinkommen oder dieser "gesamte Produktionsertrag" wird dann "verteilt". Vielleicht die charakteristischsten Ausführungen dieser Art finden sich bei LEXIS.
Daher ist auch die Schlußfolgerung von LEXIS, "es besteht die Tendenz, den Gesamtgewinn durch die Preisbildung nach dem Verhältnis der Kapitalbeteiligung der einzelnen zu verteilen" ein auf falschen Voraussetzungen beruhender fundamentaler Irrtum. Diese Anschauung ist auch deswegen unmöglich, weil danach der Gewinn aller Unternehmungen im Verhältnis zum Kapital überall gleich hoch sein müßte (75). Aber nicht einmal die Tendenz dazu, wie sie WAGNER behauptet, ist vorhanden, sondern eben nur das Streben nach größten Erträgen, was dazu führt, das Angebot aufzugeben, wenn selbst ein gewisser Grenzertrag auf die Dauer nicht mehr erzielt wird. Kurzum, anstelle des "Gesamt gedankens ist der Grenzgedanke zu setzen. Die ganze "Verteilungslehre" und die Lehre vom "normalen Kapitalgewinn", den LEXIS dann mittels Zurechnung feststellen will, ist abzulehnen. Sie ist eine willkürliche Konstruktion, die zur Erklärung des tauschwirtschaftlichen Mechanismus nicht nur überflüssig ist, sondern sie sogar seit den Klassikern zum größten Teil verhindert hat. Doch lassen wir diese für den heutigen Zustand und die geringen Fortschritte der ökonomischen Theorie allerdings charakteristische Lehre auf sich beruhen. Ich gehe in der Benützung des Ausgleichsgedankens noch keineswegs so weit wie selbst ADOLF WAGNER, und denke nicht daran, eine wenn auch durch mancherlei Hemmungen eingeschränkte allgemeine Ausgleichstendenz, sei es des Kapitalzinses, sei es des Unternehmergewinns, sei es der Erträge für alle Unternehmungen zu behaupten. Denn ich behaupte - und das ist ein großer Unterschied - nur eine Tendenz des Ausgleichs der Grenzerträge. Wer das wirtschaftliche Leben beobachtet, kann unmöglich übersehen, daß es eine große Zahl von Kapitalien und Arbeitskräften gibt, die überdurchschnittliche Erträge, in der Regel Seltenheitserträge erzielen, die gar nicht durch Konkurrenz bestritten werden können. Sie beruhen auf besonders günstigen Produktionsbedingungen, besonderen Fähigkeiten der Leistenden und dgl. In der Regel genügen aber die so angebotenen Gütermengen und Leistungen nicht zur Befriedigung der Nachfrage, es wenden sich weitere Kapitalien und Arbeitskräfte diesem Angebotszweig zu. Für die Frage nun, wie sich die am ungünstigsten in der Volkswirtschaft verwendbaren Kapitalien und Arbeitskräfte auf die einzelnen Produktionszweige verteilen, dafür gilt das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge. Daß hier ein gewisser Ausgleich stattfindet, kann wohl nicht bezweifelt werden, was natürlich nicht ausschließt, daß schon angelegte Kapitalien nicht alsbald herausgezogen werden können, auch wenn sie sich zeitweise unter dem volkswirtschaftlichen Grenzertrag rentieren. Dabei ist nun aber darauf aufmerksam zu machen, daß die am ungünstigsten anwendbaren Kapitalien und Arbeitsleistungen nicht die letzten verfügbaren zu sein brauchen. Der letzte mit Kapital und Arbeit einem Wirtschaftszweig hinzutretende Produzent ist keineswegs immer der teuerste. Im Gegenteil, er ist oft der billigste, der, der die neuesten technischen Verbesserungen anwendet. Und damit berühren wir das ökonomische Phänomen, das es hauptsächlich verschuldet, daß die Tendenz des Ausgleichs der Grenzerträge im Wirtschaftsleben so wenig klar hervortritt. Es ist die Erscheinung, die wir als Kapitalersetzung bezeichnen, und der eines der wichtigsten Kapitel in unserer "Theorie des Volkswohlstandes" gewidmet sein wird. Das Aufkommen billigerer Produktionsmethoden bewirkt eine Störung der als im Zustand des Ausgleichs der Grenzerträge befindlich gedachten Volkswirtschaft und es muß daher, theoretisch betrachtet, eine Veränderung des volkswirtschaftlichen Grenzertrags und der Bedarfsbefriedigung die Folge davon sein, wie hier schon bemerkt sei, eines der wichtigsten Momente für die Theorie der Krisen. Bestände diese Tatsache nicht, daß aufgrund technischer Fortschritte neue billiger arbeitende Produktionsmittel an die Stelle vorhandener treten und sie allmählich verdrängen, so würde die Tendenz des Ausgleichs der Grenzerträge viel klarer zutage treten. So aber pflegen diese älteren Produktionsmittel häufig noch längere Zeit verwendet zu werden, selbst wenn sie nicht mehr den volkswirtschaftlichen Grenzertrag liefern. Daher kommt es, daß die Tendenz des Ausgleichs der Erträge am vollkommensten da beobachtet werden kann, wo die Beweglichkeit der Kapitalien und Arbeitskräfte am größten ist, und umso weniger, je mehr ein festes, stehendes Kapital eine Rolle spielt. Von einer völligen Bewegungsfreiheit der Kapitalien, wie auch der Arbeitskräfte, kann daher im wirtschaftlichen Leben natürlich nicht die Rede sein: Aber der Umfang, in dem sie vorhanden ist, ist groß genug, um der Tendenz des Ausgleichs der Grenzerträge doch ein großes Maß an praktischer Bedeutung zu geben. Und wenn auch beim Aufkommen neuer billigerer Produktionsmittel die alten nicht sofort aus dem Betrieb gezogen werden, so bewirkt doch die Schnelligkeit, mit der die neuen angewendet zu werden pflegen, daß in dem betreffenden Erwerbszweig alsbald allgemein der neue billigere Preis zur Geltung kommt, der beim allgemeinen volkswirtschaftlichen Grenzertrag der Herabsetzung der Produktionskosten entspricht. Der Einfluß des Gesetzes des Ausgleichs der Grenzerträge auf die Preisbildung bleibt also doch wirksam, auch wenn unter dem Grenzertrag liegende Gewinne infolge von Produktionskostenänderungen vorübergehend die Konstatierung des Grenzertrages in einem Erwerbszweig verdunkeln. Es ist kein Zweifel, daß im Ganzen die "Mobilisierung" des Kapitals in der heutigen Volkswirtschaft die Zuführung ersparten Einkommens aus den verschiedensten Quellen zu den rentabelsten Erwerbszweigen im Sinne eines Ausgleichs der Grenzerträge sehr vervollkommnet. Ja man kann mancherlei Gründe anführen, daß durch den Effektenkapitalismus, die Spekulation und die Börse die Tendenz zum Ausgleich der Erträge unter Umständen übermäßig wirksam werden kann, indem sich das Kapital oft in Unternehmenszweige drängt, in denen nur ganz vorübergehend überdurchschnittliche Erträge zu erwarten sind. Die eigentliche Börsenspekulation wirkt vielfach in dieser Hinsicht, weil sie zwar das Risiko der einzelnen Unternehmungen und Ertragszweige sehr genau abwägt, aber für ihre Bewertungen immer nur die Rentabilitätsaussichten des Augenblicks zugrunde legt. In der Verschiedenheit des Risikos ist überhaupt ein weiterer Umstand zu erblicken, der die Tendenz des Ausgleichs der Grenzerträge im Wirtschaftsleben verdunkelt. Da das Risiko in den einzelnen Unternehmenszweigen sehr verschieden ist, muß natürlich auch der Grenzertrag verschieden hoch sein, bei dem die Wirtschaftssubjekte von einer weiteren Investierung von Kapital und Arbeit abstehen. Bei manchen Industriezweigen, z. B. in der Woll-, Zucker-, Gummi-Industrie kann man zwar annehmen, daß der Durchschnitt der Erträge mehrerer Jahre einen Ausgleich für die Berücksichtigung dieses Faktors geben wird, aber bei anderen, z. B. beim Bergbau ist dies nicht der Fall. Hier spielen Betriebsgefahr und Risiko der Erschöpfung eine dauernde Rolle, erhöhen dauernd die Ertragsansprüche der Kapitalisten. Daher kommt es, daß ein Vergleich der am wenigsten rentierenden Unternehmungen verschiedener Erwerbszweige selbst dann keinen Aufschluß über den Ausgleich der Grenzerträge liefern würde, wenn nicht gerade in solchen Erwerbszweigen das erwähnte Moment der Weiterverwendung selbst ganz unrentabler Kapitalien eine große Bedeutung hätte. Auch ist das statistische Material (Aktiengesellschaften), um die Erträge festzustellen, viel zu gering, und bei dem geringen Material machen dann Zufälligkeiten: falsche Kalkulationen, Irrtümer, Betriebsstörungen, Defraudationen [Betrügereien - wp], die im einzelnen Fall den Ertrag beeinflussen, einen zu großen Prozentsatz aus. Daher kann man bei den Unternehmenserträgen den Ausgleich der Grenzerträge nicht statistisch feststellen, sondern man kann die in dieser Richtung wirkende Tendenz nur ganz allgemein indirekt konstatieren. Aber auch das ist, wie mir scheint, von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Man kann einen volkswirtschaftlichen Grenzertrag feststellen einmal für das Leihkapital mit größter Sicherheit der Anlage. Er entspricht ungefähr der Verzinsung der inländischen Staatspapiere im Verhältnis zum Kurs und kann bei uns auf etwa 3¾% bemessen werden (76). Mit einer geringeren Verzinsung wird zu Erwerbszwecken niemand sein Kapital anlegen. Viel wichtiger ist aber der volkswirtschaftliche Grenzertrag von Unternehmungen. Für ihn erhält man ein deutliches Bild aus dem durchschnittlichen Verhältnis des Dividendenertrags börsengängiger Beteiligungseffekten (Aktien) zum Kurs. Hierbei spielt allerdings die erwähnte Risikoverschiedenheit eine gewisse Rolle, die auch durch die Annahme von Durchschnittsziffern aus verschiedenen Erwerbszweigen nicht ausgeglichen wird, weil die Spekulation das Risikomoment zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden bewertet. Immerhin kann man sagen, daß für börsengängige Aktien der volkswirtschaftliche Grenzertrag je nach dem Risiko 5-6½% beträgt. Wo größere Erträge in Aussicht stehen, dahin drängt sich das Anlagekapital. Hier also ist es zweifellos die große Beweglichkeit des Leih- und Effektenkapitals, welche den Ausgleich der Erträge in einer Weise herbeiführt, daß sie sich nicht nur auf die Grenzerträge, sondern auf die ganzen so mobilisierten Kapitalmengen erstreckt. Was das für die Volkswirtschaft bedeutet, kann hier nicht näher erörtert werden. Aber es ist vielleicht nicht überflüssig, darauf aufmerksam zu machen, daß dieser Ausgleich der Effektenerträge im Verhältnis zum Kurs für den Ausgleich der Grenzerträge aus dem Sachkapital, aus dem jene eigentlich stammen, natürlich noch gar nichts beweist. Immerhin zeigt sie, daß die Tendenz des Ertragsausgleichs in der Volkswirtschaft vorhanden ist, was allerdings aufgrund des Strebens aller Wirtschaftssubjekte nach größtem Erfolg eigentlich selbstverständlich ist. Was schließlich die Arbeitserträge anbetrifft, so ist hier ein eigentlicher Ausgleich der Grenzerträge in einem größeren Maß zu beobachten als bei den Kapitalerträgen. Sie vollzieht sich umso vollkommener, je fungibler [austauschbarer - wp] die Leistung ist, und tritt umso mehr zurück, je qualifizierter und singulärer sie ist. Ein berühmter Arzt, Musiker, Schriftsteller kann seine besonderen Ansprüche stellen, für die Leistungen der großen Masse auf diesen Gebieten gelten mehr oder weniger feste Preise, die dem volkswirtschaftlichen Grenzertrag entsprechen. So mag das, was die Krankenkassen den Ärzten zahlen, etwa dem volkswirtschaftlichen Grenzertrag für diese Art von Leistungen entsprechen, wie es ebenso den Grenzertrag darstellen mag, wenn eine Klavierlehrerin eine Mark für eine Stunde bekommt. Für die unqualifizierten persönlichen Leistungen gilt das eherne Lohngesetz, selbstverständlich unter Berücksichtigung der allgemeinen Kulturbedürfnisse, als Bestimmungsgrund des volkswirtschaftlichen Grenzertrags derartiger Tätigkeiten. Es ist nur eine spezielle und extreme Formulierung der Tendenz zum Ausgleich der Grenzerträge. Zusammenfassend können wir über diese Frage etwa sagen: da das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge sowohl in der Einzelwirtschaft als auch in der Tauschwirtschaft offenbar den Maßstab für eine möglichst vollkommene Bedarfsversorgung darstellt, so ist es zweifellos, daß in einer auf dem Selbstinteresse, d. h. dem Streben nach dem größten Ertrag, beruhenden tauschwirtschaftlichen Organisation zumindest die Tendenz dazu vorhanden sein muß. Sie wird sich umso mehr praktisch durchsetzen, je größer die Beweglichkeit und Vertretbarkeit (Fungibiliät) der Kapitalien und Arbeitsleistungen ist. Sie wird also z. B. mit der wachsenden Mechanisierung der Arbeitsleistungen steigen, mit der Zunahme des stehenden Kapitals sich aber vermindern. Doch wird der letztere Gesichtspunkt in einer in der Ausdehnung (Bevölkerungsvermehrung) befindlichen Volkswirtschaft an Bedeutung verlieren, weil durch den Effektenkapitalismus die Zufuhr neuen Kapitals an die einzelnen Produktionszweige der bei ihnen hervortretenden Nachfragesteigerung genauer angepaßt werden kann. Im einzelnen werden die Wirkungen des privaten Ertragsstrebens auf die Organisation der tauschwirtschaftlichen Bedarfsbefriedigung auf der Grundlage dieser Erörterungen noch Gegenstand weitgehender Untersuchungen sein müssen, bei denen sich die ökonomische Theorie und Betrachtung des wirtschaftlichen Lebens auf das Engste berühren müssen, also ein würdiges Objekt einer neuen theoretischen Richtung, die sich auf den engeren Beziehungen beider aufzubauen hat.
67) Wo nichts steht, kann man auch nichts zitieren. Ich bitte aber einmal die verschiedenen deutschen und ausländischen Lehrbücher daraufhin anzusehen. 68) Titel des betreffenden Abschnitts bei von Philippovich. 69) Auch bei Wilhelm Lexis, "Allgemeine Volkswirtschaftslehre" sucht man dahingehende Erörterungen vergebens. 70) Die meisten Lehrbücher enthalten freilich nichts darüber. 71) Eine Vorstufe des Ausgleichsgedankens ist die schon erwähnte Lehre vom "normalen" oder "durchschnittlichen" Kapitalgewinn (siehe oben). In dem darin leise angedeuteten Ausgleichsgedanken liegt ihr einzig berechtigter Kern. 72) ADOLF WAGNER, Theoretische Sozialökonomik, Seite 328 und 368. 73) siehe darüber "Ertrag und Einkommen". 74) Die sehr interessante Geschichte des Verteilungsgedankens, der auf solche Gesamtbegriffe und in letzter Linie auf die Erörterungen über den "Volksreichtum" in der klassischen Nationalökonomie zurückgeht und der noch heute in der englisch-amerikanischen Literatur mit ihren zahlreichen Schriften über "Distribution of wealth" den Ausgangspunkt der ökonomischen Theorie überhaupt bildet, hoffe ich in nicht zu ferner Zeit im Zusammenhang darstellen lassen zu können. 75) Man beachte auch den Widerspruch, der darin liegt, daß "der Gesamtgewinn durch die Preisbildung nach dem Verhältnis der Kapitalbeteiligung des einzelnen verteilt wird", während doch andererseits der Preis offensichtlich den Gesamtgewinn erst bestimmt. - Mit der Ablehnung aller solcher "Gesamt"begriffe fallen auch alle solche künstlichen Konstruktionen wie Lohnfondstheorie und andere "Fonds"theorien, die viel Unheil angerichtet haben. 76) Beim kurzfristigen Kredit (Diskont, Depositenzins) kommen andere Bestimmungsgründe in Betracht, vor allem aber die kurze Kündbarkeit. |