Felix DahnEmil LaskJulius von KirchmannGustav von RümelinOtto Gierke | |||
Der Zweck im Recht (7/7) 12. Der Zweck des Rechts - die Lebensbedingungen der Gesellschaft (2)
Exemplifikation an den Zwecken des Individuums, des Staates und der Gesellschaft im engeren Sinn 1. Das Rechtsverhältnis an Sachen In Bezug auf das ökonomische Bestimmungsverhältnis der Sachen für das menschliche Bedürfnis unterscheidet das römische Recht zwei Gestaltungen, die wir als primäres und sekundäres Bestimmungsverhältnis bezeichnen können. Die normale Form des ersteren ist das Eigentum, die des zweiten das jus in re. Aber in einer Richtung geht das erstere Verhältnis über die Form des Eigentums hinaus, nämlich in Bezug auf die res publicae. Das primäre Zwecksubjekt derselben ist zweifellos nicht der Staat, die Stadt, die Gemeinde als juristische Person, sondern die unbestimmte Vielheit der Individuen, die sich ihrer bedienen: die Masse, das Volk, kurz, ein Zwecksubjekt, auf welches der Begriff des Eigentums, wie die römischen Juristen ihn erfassen: als exklusives Recht einer bestimmten (physischen oder juristischen) Person keine Anwendung finden. Sie bringen es statt dessen unter den Gesichtspunkt des Gemeinbrauchs (usus publicus). Dasselbe ist kein bloß faktisches, sondern ein rechtlich (durch actiones populares) geschütztes Verhältnis, ein eigentümlich gestaltetes Rechtsverhältnis an der Sache; ich nenne es Gemeinrecht. Nach Maßgabe der Verschiedenheit unserer drei Zwecksubjekte erhalten wir demnach drei Gestaltungen des primären Bestimmungsverhältnisses der Sache für das menschliche Bedürfnis:
b) das Staatseigentum (Zwecksubjekt der Staat, beziehungsweise die Kirche oder eine Korporation); c) das Gemeinrecht (Zwecksubjekt die Gesellschaft im engeren Sinn); Alle drei genannte Formen bezwecken die Sicherung der ökonomischen Lebensbedingungen der Gesellschaft im weiteren Sinn. Keine derselben kann fehlen. Nicht das Individualeigentum - wir haben oben gezeigt, wie die physische Selbstbehauptung mit nontwendiger Konsequenz die ökonomische, d. i. das Privateigentum hervortreibt. Nicht das Staatseigentum - der Staat muß einen Vorrat von ökonomischen Mitteln zur jederzeitigen Verwendung für seine Zwecke bereit haben und eben darin besteht ja die Funktion des Eigentums. Ebensowenig das Gemeinrecht - ohne Gemeinsamkeit der öffentlichen Wege, Plätze, Flüsse ist der menschliche Verkehr undenkbar, die ausschließliche Geltung des Privateigentums würde jede Kommunikation im Raum unmöglich machen. Die Sicherung des letzteren Verhältnisses erfolgt heutzutage durch die Polizei, die Römer waren so verständig, daneben noch dem Publikum selber die Vertretung seiner Interessen zu verstatten, indem sie jedem die Befugnis einräumten, gegen denjenigen, welcher den Gebrauch der res publicae durch irgendwelche unstatthaften Maßregeln beeinträchtigte, Klage zu erheben (actio popularis). (1) Die Zweckbestimmung der Sache für eine unbestimmte Vielheit von Personen (gesellschaftliches Eigentum im obigen Sinn), welches das charakteristische Merkmal der res publicae bildet, wiederholt sich auch bei den gemeinnützigen Stiftungen. Die juristische Form, welche bei ihnen zur Anwendung gelangt und deren praktische Notwendigkeit ich nicht gesonnen bin zu bestreiten: die Personifikation der Stiftung (universitas bonorum), darf uns auch hier über das wahre Verhältnis nicht täuschen. Das Eigentum der bloß gedachten juristischen Person ist ein gänzlich leeres, dasselbe kommt nicht ihr, sondern den Individuen zugute, welche stiftungsmäßig die Vorteile der Stiftung genießen sollen. Jenes Eigentum ist nichts als ein Konstruktionsapparat, um diesen Zweck in juristisch bequemer Weise zu vermitteln, ohne alle praktische Realität für das Subjekt desselben. Letzteres ist bloßer Rechtsträger im fremden Interesse, nicht Zwecksubjekt, das Zwecksubjekt sind die Benefiziaten und das römische Recht hat dies anerkannt, indem es ihnen wie bei den res publicae eine actio popularis zugesteht. Indem ich von der juristischen Form gänzlich absehe und ausschließlich meinen Gesichtspunkt des Zwecksubjekts anlege, gelange ich zu dem Resultat, daß die gemeinnützigen Stiftungen in Bezug auf ihr soziales ökonomisches Bestimmungsverältnis auf eine Linie mit den res publicae zu stellen sind. Allerdings trifft die Übereinstimmung mit letzteren nicht in dem Sinn zu, daß bei ihnen ebenso wie bei jenen der Gebrauch schlechthin einem jeden freistände. Neben denjenigen, bei denen dies der Fall ist, z. B. öffentlichen in Form der Stiftung begründeten Gemäldegalerien, die ein jeder, der Lust hat, besuchen kann, ganz so wie er sich der öffentlichen Wege und Brunnen bedienen kann, gibt es auch solche, bei denen die Teilnahme an gewisse Bedingungen geknüpft ist, die nicht vom Benefiziaten selber abhängen, z. B. Aufnahme iin ein Wittwenstift, Erteilung eines Stipendiums. Aber diese Verschiedenheit darf uns, wenn wir einmal den Gesichtspunkt des Zwecksubjekts anlegen, nicht abhalten, auch bei ihnen die Gesellschaft im obigen Sinn als Zwecksubjekt anzuerkennen. Das Interesse, welches die Stiftungen für die Gesellschaft beanspruchen, wird es rechtfertigen, wenn ich die wensentlichen Momente selbst hervorhebe. Unter "Stiften" versteht die Sprache die Widmung von Sachen oder Kapitalien zu Gunsten unbestimmter Personen, aber nicht für einen vorübergehenden, sondern dauernden Zweck. Das Moment der Unbestimmtheit des Destinärs unterscheidet das Stiften von der liberalen Vermögenszuwendung an eine bestimmte Person (unter Lebenden: Schenkung; im Testament: Erbeinsetzung, Vermächtnis). Das Moment der Dauer des Zwecks oder besser der Kontinuität, das Repetieren der Zuwendung aus den Erträgnissen des Stiftungskapitals unterscheidet die Stiftung von den einmaligen, sich sofort konsumierenden Zuwendungen an eine Vielheit unbestimmter Personen: den öffentlichen Spenden, (2) wie man sie passend nennen könnte. Bei beiden erhebt sich das Wohlwollen aus der Sphäre der individuellen, durch persönliche Verhältnisse oder Eigenschaften (Freundschaft, Armut) motivierten Freigiebigkeit in die der abstrakten. Es ist nicht die bestimmte einzelne Person, der sich die Freigiebigkeit zuwendet, sondern die Kategorie, sei es eine weitere oder engere (Arme - Ortsarme - Ortsarme einer bestimmten Konfession; Wittwen - Wittwen schlechthin - von Staatsdienern - einer bestimmten Kategorie; Studierende - Studierende der Landesuniversität - eines bestimmten Fachs); man könnte sie als Akte der gesellschaftlichen Liberalität zu denen der individuellen in Gegensatz stellen. In Bezug auf den Zweck reichen die Stiftungen ungleich weiter als die Spenden. Letztere beschränken sich auf Verabreichung einer Unterstützung an Bedürftige, sie sind öffentliche Almosen, deren Annahme ebenso wie die eines gewöhnlichen Almosens das Eingeständnis der Bedürftigkeit seitens des Empfängers enthält und eben darum etwas Beschämendes, Demütigendes in sich schließt. Das Zweckgebiet der Stiftungen dagegen reicht so weit, als das Bedürfnis des menschlichen Lebens, es umfaßt neben denen des physischen (Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Pflege: Armenanstalten, Wittwenstifte, Waisenhäuser, Hospitäler) auch die des geistigen (Gewährung der Mittel für künstlerische oder wissenschaftliche Ausbildung oder Genüsse: Bibliotheken, Kunstanstalten, Stipendien). In Bezug auf die juristische Form unterscheidet der Jurist Stiftungen mit eigener Persönlichkeit (universitates bonorum) und ohne dieselbe, d. h. solche, bei denen das für den Zweck ausgeworfene Vermögen einer bereits vorhandenen Persönlichkeit (Staat, Gemeinde, Kirche, Universität u. a.) unter Auflage der dauernden stiftungsmäßigen Verwendung zugewiesen wird, wie dies z. B. bei den heutigen Stipendien für Studierende die regelmäßige Form ist; man könnte die ersten selbständige, die zweiten unselbständige Stiftungen nennen. In beiden Fällen befindet sich das Stiftungsvermögen im Eigentum einer Person, dort in dem der Stiftung selber, hier in dem des Zweckfiduziars. (3) Zu den Stiftungen der letzteren Art gehören nach juristischer Auffassung auch diejenigen, welche in der Errichtung von res publicae bestehen. In der heutigen Zeit sind dieselben selten, in Rom waren sie sehr häufig, z. B. Errichtung von öffentlichen Brunnen, Theatern, Setzen von Statuen u. a. m. Das moslemitische Recht hat dafür sogar einen eigenen Begriff aufgestellt. (4) Wenn ich schließlich noch der Form der Errichtung von Stiftungen gedenke, so geschieht es nur aus dem Grunde, um einen Begriff des römischen Rechts, der sich auf die Stiftung bezieht, in das richtige Licht zu rücken, es ist der der pollicitatio. Der Jurist hebt für ihn regelmäßig nur das formal-juristische Moment der bindenden Kraft des einseitigen Versprechens hervor, während er die soziale Bedeutung der pollicitatio unbeachtet läßt. Sie besteht darin, daß die pollicitatio die Form der Stiftung unter Lebenden ist, sie enthält das Seitenstück der testamentarischen; beiden zusammen vereinigen sich unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Liberalität'. Während das ältere römische Recht sich zur selbständigen juristischen Anerkennung der Liberalität an das Individuum unter Lebenden ( Schenkung) noch nicht erhoben hat, hat es die gesellschaftliche Liberalität unter Lebenden als selbständigen Begriff schon früh anerkannt und sich dabei sogar über das technische Bedenken, welches die Vertragstheorie mittels des Erfordernisses des beiderseitigen Konsenses der pollicitatio entgegenstellte, hinweggesetzt. Der Römer opfert sich nicht für den Einzelnen, aber für das Gemeinwesen. Dem entspricht das Recht, indem es für jenen Fall die Form versagt, für diesen sie zur Verfügung stellt. Zu einer selbständigen Form für die letztwillige Stiftung (Begründung einer Stiftung durch das Testament als einziger Inhalt desselben) hat es das römische Recht nie gebracht, der Zweck ließ sich nur auf mittelbarem Wege durch Einsetzung eines Erben erreichen, der die Stiftung ins Leben zu rufen hatte. Als die laxe Sitte der Testamentserrichtung in der späteren christlichen Zeit unmittelbar auf diesen Zweck gerichtete letztwillige Verfügungen zu Tage förderte (z. B. Erbeinsetzungen der "captivi", "pauperes" usw.), bedurfte es erst eines von JUSTINIAN eingeschlagenen Umweges (Substituierung der Kirche, Gemeinde als der mit Ausführung der Verfügung betrauten Erbin), um die juristischen Bedenken, welche sich ihrer rechtlichen Möglichkeit entgegensetzten, zu entkräften. Nachdem unsere heutige Theorie nach vielen Kämpfen sich zur Anerkennung der Zulässigkeit der unmittelbaren letztwilligen Begründung einer Stiftung erhoben hat, hat der Rechtsbegriff der gesellschaftlichen Liberalität, der im römischen Recht in der pollicitatio seine erste, nur partielle Anerkennung fand, seinen vollständigen Abschluß erlangt und die Theorie hat dieser Tatsache gerecht zu werden, indem sie den Satz ausspricht: das Zwecksubjekt bei der Liberalität kann nicht bloß eine Person im Sinne des Rechts (persona certa - physische, juristische), sondern auch die Gesellschaft (persona incerta) sein, die Güter, welche ihr in dieser Weise zugewendet werden, sind, welche Form immerhin die juristische Technik auf sie zur Anwendung bringen möge, vom sozial-ökonomischen Gesichtspunkt aus als gesellschaftliches Vermögen oder Eigentum zu bezeichnen. In Bezug auf das sekundäre Bestimmungsverhältnis der Sache wiederholt sich der Gegenstaz unserer drei Zwecksubjekte bei der Servitut [= Dienstbarkeit, dingliches Nutzungsrecht an einer fremden Sache - wp], nämlich:
b) für den Staat: die Staatsservitut, c) für die Gesellschaft: der rechtlich geschützte Gemeingebrauch an Privatländereien Ich setze den Begriff derselben als bekannt voraus und beschränke mich lediglich auf den Nachweis der Verschiedenheit der Gestaltung, welche dieselbe nach Maßgabe unserer drei Zwecksubjekte annimmt. Das Zwecksubjekt kann sein a) das Individuum In diesem Falle gehört das Verhältnis dem Privatrecht an. Das Mittel zur Geltendmachung derselben ist die Verfolgung des Anspruchs im Wege des Zivilprozesses. Der spezifisch juristische Ausdruck dafür ist Obligation; für die beiden folgenden Arten, die staatsrechtliche und gesellschaftliche Verbindlichkeit wird dieser Ausdruck nicht gebraucht, er ist der privatrechtlichen ausschließlich eigentümlich. b) Der Staat Auch die Staatsgewalt kann die gewöhnlichen Verträge des Privatrechts abschließen, in diesem Fall gelten für sie aktiv wie passiv die Grundsätze der Privatrecht, die Staatsgewalt (der Fiskus) klagt und wird beklagt. Anders dagegen, wenn die Verpflichtung in den eigentümlichen Zwecken und Aufgaben des Staates ihren Grund hat, wie z. B. die Zahlung der Steuern, Abgaben (aktiv), der Gehalte (passiv). Hier fällt sie dem öffentlichen Recht anheim und ihre Geltendmachung geschieht nicht im Wege des Zivilprozesses, sondern in besonderen dafür vorgesehenen Formen. Wie "Obligation" die Verpflichtung des Privatrechts, so bezeichnet "Pflicht" (5) und das Adjektivum "pflichtig" die des öffentlichen Rechts. (6) Allerdings gebrauchen wir den Ausdruck Pflicht auch von den Verhältnissen des Privatrechts, aber die Art, wie dies geschieht, bewährt die Richtigkeit der hier gegebenen Begriffsbestimmung und zugleich das feine Unterscheidungsvermögen der Sprache. Wir sprechen von Pflichten der Vormünder, Eltern, Kinder, Gatten, aber nicht von Pflichten des Käufers, Verkäufers, Mieters, Vermieters. Insofern das Gesetz in gewissen Verhältnissen des Privatrechts, wie in den oben genannten der Vormünder, Eltern usw. im Interesse der Gesellschaft der Verbindlichkeit der Person eine feste Gestalt vorzeichnet, die durch die Autonomie der Partei nicht alteriert werden soll, sprechen wir auch in diesen Verhältnissen von Pflichten, ohne auf den Umstand, ob jemand freiwillig in das Verhältnis eingetreten ist, wie der Gatte oder gezwungen, wie der Vormund, Gewicht zu legen , da derselbe für seine Pflichtstellung gleichgültig ist. Anders dagegen, wo der Verpflichtete Inhalt und Maß seiner Verpflichtung selber bestimmt, wie bei den Kontrakten. Von ihm sagen wir zwar, daß er sich "verpflichte", daß er "Verpflichtungen übernehme", allein wir nennen letztere nicht "Pflichten". Insofern aber zum freien Willen des Individuums, welcher die Verbindlichkeit, die Obligation begründet, der staatliche Rechtszwang sich hinzugesellt, mündet dieselbe in die Pflicht ein. Der Verkäufer übernimmt nicht gleich dem Vormund eine Pflicht, sondern die Verbindlichkeit, die Sache zu leisten, aber nachdem er sie begründet hat, gestaltet sie sich, wenn er sich weigert, sie zu erfüllen, vor dem Tribunal des Richters zur Pflicht. Letzterer würde, wenn er sich korrekt ausdrücken wollte, ihm zurufen müssen: weil Du die Verbindlichkeit eingegangen bist, die Verpflichtung übernommen hast, so hast Du die Pflicht, sie zu erfüllen. Denselben Gegensatz drücken die Römer durch obligatio und oportet aus. Obligatio bezeichnet wie alle Verbalia in io in erster Linie einen Akt: es ist der des Sich-Bindens von Seiten des Schuldners ( ligare, einem andern gegenüber = ob-ligare), in zweiter Linie den Zustand, der dadurch begründet wird (das obligatum esse, Ge-bundenheit, Ver-bindlichkeit). An dieses Binden, welches auf die Partei fällt, (7) schließt das Gesetz als sein Conclusum das "oportet", das Gebot der Erfüllung an. Es ist derselbe Gegensatz der privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Seite des Verhältnisses, wie bei "Verpflichtung, Verbindlichkeit" auf der einen, und "Plicht" auf der anderen Seite, jene beiden Ausdrücke und die obligatio fallen auf die Partei, Pflicht und oportet auf den Richter - wenn die Partei sich derselben bedient, so geschieht es in Hinblick auf ihn. c. Die Gesellschaft Das Gesetz legt uns manche Verpflichtungen auf, die weder einen bestimmten Einzelnen, noch den Staat (Gemeinde, Kirche) sondern die Gesamtheit, die Gesellschaft zum Destinär haben, es sind diejenigen, welche das gemeine Beste, die öffentliche Sicherheit bezwecken, z. B. die Instandhaltung der Wege vor unserem Grundstück, der Deiche usw. Heutzutage ist die Erzwingung derselben regelmäßig der Polizei anvertraut, bei den Römern fand der Gesichtspunkt, daß es sich dabei um die Interessen der Gesamtheit (populus), um eine gesellschaftliche Verpflichtung handle, seinen prozessualischen Ausdruck in der jedem Bürger als Vertreter des Volkes zustehendn actio popularis. In Hinblick auf die veränderte heutige Gestalt der Sache könnte man diese dritte Klasse der Verpflichtungen als polizeiliche oder polizeirechtliche bezeichnen im Gegensatz der privatrechtlichen und staatsrechtlichen. Neben den Ausdrücken für die Verbindlichkeit, die uns im Bisherigen begegnet sind, besitzt unser deutscher Sprachschatz noch einige andere, welche sich auf eine besondere Gestaltung des Verhältnisses beziehen. Es sind folgende. Zwang. Der Ausdruck drückt die Verpflichtung von jemandem aus, etwas nicht sowohl selber zu tun, als tun zu lassen. Der Impfzwang verpflichtet uns, unsere Kinder impfen, der Schulzwang, sie unterrichten, der Zeugniszwang, uns als Zeugen vernehmen zu lassen. Die Anwendung von Zwangsmitteln zum Zweck der Erfüllung dieser Verbindlichkeiten fällt unter den Gesichtspunkt der Exekution, nicht unter den der Bestrafung. Die für den Fall der Widersetzlichkeit angedrohten "Strafen" sindnichts als Pressionsmittel, um den Widerstand zu brechen. (8) Last. Der ursprüngliche Sinn des Ausdruckes scheint eine der Person nicht direkt, sondern durch Vermittlung eines Grundstücks auferlegte Verbindlichkeit gewesen zu sein - eine Form der Belastung der Person, welche eine Eigentümlichkeit des alten germanischen Rechts gegenüber dem römischen bildete. Zwecksubjekt der Last konnte sein: ein Individuum (Reallast, Grundlast) der Staat (Kirche, Gemeinde; Staats-und Kommunallasten, Zehnten), die Gesellschaft (Deichlast, Wegebaulast, Kirchenbaulast). Einige dieser Lasten sind später vom Grundstück auf die Person übertragen worden (z. B. Einquartierungslast, Kommunallasten) und der Name Last hätte jetzt durch einen anderen ersetzt werden müssen, allein wie so oft behielt man den einmal stehend gewordenen Namen bei, obschon er nicht mehr paßte; selbst auf die erst in jüngster Zeit in Aussicht genommene gesetzliche Verpflichtung der Gemeinden zur Unterhaltung von Schulen hat man den Ausdruck ausgedehnt und sie "Schullast" genannt; richtiger wäre es, von Schulpflicht zu sprechen. Schuld. In der heutigen Rechtssprache versteht man darunter eine auf Geld gerichtete privatrechtliche Verbindlichkeit (Schulden = Geldschulden). Ihr korrespondiert als Erfüllung die Zahlung (Zählen des Geldes; ebenso numerare von numerus). Konsequenterweise müßte auch der Ausdruck: Schuldner und der ihm korrespondierende: Gläubiger auf dieselbe Voraussetzung beschränkt werden. Allein der juristische Sprachgebrauch hat sich daran nicht gebunden und gebraucht beide Ausdrücke ähnlich wie die Römer die ihrigen creditor, debitor, welche ursprünglich ebenfalls bloß auf die Geldschuld gingen, für den obligatorisch Berechtigten und Verpflichteten schlechthin. Dienst. Von Dienst leistungen sprechen wir, wenn es sich bloß um einzelne vorübergehende Akte handelt, von Dienst, Dienstverhältnis, wenn die gesamte Dienstkraft überlassen wird (Diener, Dienstboten, Bediente, Dienstmiete, Staats- und Kirchendienst, Militärdienst). Die "Last" ruht auf der Sache, der "Dienst" auf der Person. Man hat das Verbrechen, worunter hier auch die Vergehen und die Übertretungen verstanden werden sollen, (9) definiert als eine mit öffentlicher Strafe belegte oder strafgesetzwidrige Handlung. Die Definition ist richtig, sie enthält das äußere Kriterium, an dem dasselbe zu erkennen ist, aber sie ist lediglich formaler Art, sie setzt uns in Stand, die menschlichen Handlungen nach Anleitung eines bestimmten positiven Rechts zu klassifizieren, ob sie Verbrechen sind oder nicht, ohne uns über die wichtige Frage Auskunft zu erteilen: was das Verbrechen ist und warum das Gesetz es mit Strafe belegt - kurz sie gibt uns das äußere Merkmal, aber nicht das innere Wesen des Verbrechens. Diesem Mangel haben andere Definitionen abzuhelfen gesucht, aber meines Erachtens mit wenig Glück. Die eine setzt das Wesen des Verbrechens in die Verletzung von subjektiven Rechten (des Individuums oder Staates). Aber die Verbrechen wider die Sittlichkeit, der Meineind, die Gotteslästerung u. a. verletzen kein subjektives Recht. Oder in die Verletzung der durch den Staat gesicherten Freiheit. Aber durch die genannten Verbrechen wird die Freiheit nicht verletzt. Oder in die Verletzung der Rechtsordnung. Aber die Rechtsordnung umfaßt auch das Privatrecht und das Privatrecht ist nicht durch Strafe geschützt, nicht jede rechtswidrige Handlung ist ein Verbrechen. Ganz dasselbe ist gegen die Definition des Verbrechens als Auflehnung des Einzelnen gegen den allgemeinen Willen zu bemerken. Denn insoweit dieser allgemeine Wille rechtliche Gestalt angenommen hat - und darüber hinaus kann von einer rechtlich verpflichtenden Kraft desselben nicht die Rede sein - fällt er zusammen mit der Rechtsordnung. Die Definition sagt ganz dasselbe aus, wie die vorhergehende, nur in schlechterer, weil unbestimmterer Fassung. Bringt man sie zur Anwendung, wie sie lautet, so enthält auch die Abweichung von der herrschenden Mode oder der häuslichen Lebensweise ein Verbrechen und suppliert man das fehlende Moment "rechtlich", so sind auch alle privatrechtlichen Rechtswidrigkeiten als eine Auflehnung gegen den allgemeinen Willen zu charakterisieren; letzterer befiehlt dem Schuldner, seine Schuld zu bezahlen, - tut er es nicht, so lehnt er sich gegen ihn auf. Der Zweck des Strafgesetzes ist kein anderer, als der eines jeden Gesetzes: Sicherung der Lebensbedingugnen der Gesellschaft, nur die Art, wie es diesen Zweck verfolgt, ist eine eigentümliche, es bedient sich dabei der Strafe. Warum? Etwa, weil jede Nichtachtung eines Gesetzes eine Auflehnung gegen die Autorität der Staatsgewalt enthält und darum Strafe verdient? Dann müßte jede Rechtswidrigkeit bestraft werden, die Weigerung des Verkäufers, den Kontrakt zu erfüllen, des Schuldners, das Darlehen zurückzuzahlen und unzähliges andere und es könnte dann konsequenterweise nur eine einzige Strafe geben: die wegen Nichtachtung des Gesetzes und nur ein Verbrechen: das der Widersetzlichkeit des Untertanen gegen die Gebote oder Verbote der Staatsgewalt. Worin liegt der Grund, daß das Gesetz, während es einerseits gewisse Handlungen, die sich mit ihm in Widerspruch setzen, bestraft, andere ohne Strafe läßt? Bei diesen wie bei jenen handelt es sich um eine Nichtachtung des Rechts, also, wenn letzteres der Inbegriff der Lebensbedingungen der Gesellschaft ist, um eine Antastung derselben. Wenn die Kaufkontrakte nicht erfüllt, die Darlehen nicht zurückgezahlt werden, so kann die Gesellschaft ebensowenig bestehen, als wenn einer den andern schlägt oder ausplündert. Warum hier Strafe, dort nicht? Auch die Selbsterhaltung, die Fortpflanzung und die Arbeit sind Lebensbedingungen der Gesellschaft: warum sicher sie sich dieselben nicht durch Gesetz? Die Antwort lautet: weil sie es nicht nötig hat. Dieselbe Erwägung, welche sie veranlaßt, zum Gesetz überhaupt ihre Zuflucht zu nehmen: die Erkenntnis, daß sie dessen bedarf, leitet sie auch in Bezug auf das Strafgesetz. Wo die sonstigen Mittel zur Verwirklichung des Rechts ausreichen, wäre die Anwendung der Strafe unverantwortlich, weil die Gesellschaft selber darunter zu leiden hätte, die Frage, für welche Fälle die Gesetzgebung eine Strafe festsetzen soll, ist eine reine Frage der sozialen Politik, ich meine nicht derjenigen, welche ihr Augenmerk bloß auf die äußeren Güter richtet, sondern der Politik im vollen Umfang des Wortes, welche gleichbedeutend ist mit der praktischen Würdigung und Sicherung aller, auch der moralischen Bedingungen des Gedeihens der Gesellschaft. Das römische Recht hat es aus gutem Grund für geboten gehalten, der Freigiebigkeit der Ehegatten gegeneinander in ihrem eigenen Interesse und in dem der Kinder Schranken zu setzen, es untersagt aus diesem Grund die Schenkung unter Ehegatten. Aber auf die Übertretung dieser Vorschrift setzt es keine Strafe. Warum nicht? Die Nichtigkeit der Schenkung reicht für den Zweck vollkommen aus, eine Strafe wäre zwecklos. Dasselbe gilt für den Fall, daß der Verkäufer sich weigert, den Kaufkontrakt zu erfüllen oder der Schuldner, das Darlehen zurückzuzahlen; der Zwang zur Erfüllung reicht vollkommen aus, einer Strafe bedarf es nicht. Dort wie hier endet die Nichtachtung des Gesetzes, die obige Auflehnung des partikulären gegen den allgemeinen Willen, mit der Machtlosigkeit des individuellen Willens, es behält beim bloßen Versuch sein Bewenden. Die Voraussicht dieses Erfolges reicht im Leben regelmäßig aus, diesen Versuch selber im Keim zu ersticken - auf einen Fall des versuchten Widerstandes kommen Millionen der widerstandslosen Unterwerfung unter das Gesetz, der Widerstand ist in geordneten Rechtszuständen regelmäßig nur da zu besorgen, wo entweder das Faktum oder die rechtliche Beurteilung desselben Gegenstand des Streites sein kann. Angenommen aber, dieses Verhältnis änderte sich und das Zivilrecht nähme in gewissen Richtungen z. B. in Bezug auf die Zuverlässigkeit des Gewichts oder die Echtheit der Ware Dimensionen an, welche die nationale Ehrlichkeit und Solidität im Ausland in Mißkredit brächten und folgeweise den Absatz nach außen schmälerten, was würde hier der Gesetzgeber zu tun haben? Etwa die Hände in den Schoß legen aus dem doktrinären Grund, weil es sich hierbei lediglich um Zivilunrecht, nicht um Kriminalunrecht handle? Der Gegensatz beider und die Grenzen zwischen ihnen bestimmt er selber, nicht er hat sie von der Theorie, sondern sie dieselben von ihm entgegen zu nehmen - das Kriminalunrecht beginnt da, wo die Strafe durch die Interessen der Gesellschaft geboten ist und wenn Treue und Ehrlichkeit im Verkehr sich sonst nicht aufrecht erhalten lassen, so muß zur Strafe gegriffen werden. In einer solchen Lage befinden wir uns heutzutage in Deutschland. Zu lange schon hat unsere Gesetzgebung müßig mit zugesehen, wie Unzuverlässigkeit, Unehrlichkeit, Betrug in Vertragsverhältnissen immer frecher ihr Haupt erhoben und einen Zustand herbeigeführt haben, der einem ehrlichen Menschen schier das Leben verleiden kann. Der Begriff echt ist in Deutschland bei den meisten Artikeln - nicht bloß bei den Lebensmitteln - nahezu verloren gegangen, fast alles, was wir in die Hand nehmen, ist unecht, nachgemacht, gefälscht. Deutschland hatte einst einen schwungvollen Leinwandhandel nach dem Ausland - jetzt ist die deutsche Leinwandindustrie auf fremden Märkten fast überall verdrängt und mit vollem Recht. Die Tausende, welche unredlich Weber oder Fabrikanten durch Beimischung von Baumwolle gewonnen haben, haben der deutschen Nation Millionen gekostet, von der Schädigung unseres guten Namen im Ausland ganz abgesehen. Hätte man diesen Fälschern rechtzeitig Zuchthausstrafe angedroht, es stände besser um uns. Unsere Vorfahren in den freien Reichsstädten, simple Handwerke und Kaufleute, ohne Kenntnis des Unterschiedes zwischen Zivil- und Kriminalunrecht, bewährten in dieser Beziehung eine ungleich richtigere Einsicht von dem, was Not tat, als wir mit aller unserer theoretischen Bildung, sie besannen sich nicht, den Vertragsbruch mit Strafen und zwar unter Umständen sehr schweren Strafen, z. B. selbst mit Landesverweisung und Ausstellung an den Schandpfahl zu belegen und durch Einrichtungen aller Art für solide Arbei, gute Nahrungsmittel und Ehrlichkeit in Handel und Wandel zu sorgen. Wir werden mutmaßlich noch viele bittere Erfahrungen machen müssen, bis wir wieder so verständig geworden sind wie sie und uns von dem doktrinären Vorurteil, als sei das Gebiet der Verträge ein privilegierter Tummelplatz für das Zivilunrecht, das der Strafe prinzipiell verschlossen sei, befreit haben werden. Also nochmals: Die Frage von der legislativen Verwendung der Strafe ist eine reine Frage der sozialen Politik im obigen Sinne, sie faßt sich in die Maxime zusammen: Strafe überall da, wo die Gesellschaft ohne sie nicht auskommen kann! Da dies Sache der historischen Erfahrung, der Lebenszustände und Sittlichkeit der verschiedenen Völker und Zeiten ist, so ist demgemäß die Geltungssphäre der Strafe gegenüber der des Zivilrechts oder, was dasselbe, des Verbrechens im weiteren Sinne eine historisch wandelbare, ebenso wie die des Rechts im Verhältnis zur Sittlichkeit. Es gab eine Zeit in Rom, wo gewisse Vertragsverhältnisse, wie z. B. die Fiducia, das Mandat des Rechtsschutzes völlig entbehrten und lediglich auf den Schutz der Sitte (Infamie) angewiesen waren, dann kam der Zivilrechtsschutz (die actio fiduciae, mandati) und endlich der Kriminalrechtsschutz (crimen stellionatus). Aber so wandelbar auch das Ausdehnungsgebiet des Verbrechens sein möge, der Begriff desselben ist überall derselbe. Überall vergegenwärtigt uns derselbe von Seiten des Verbrechers einen Angriff auf die Lebensbedingungen der Gesellschaft, auf Seiten der Gesellschaft ihre in Form Rechtens zum Ausdruck gebrachte Überzeugung, daß sie sich desselben nur durch Strafe erwehren könne - Verbrechen ist die von Seiten der Gesetzgebung konstatierte nur durch Strafe abzuwehrende Gefährdung der Lebensbedingungen der Gesellschaft.' Der Maßstab, nach dem der Gesetzgeber diesen Charakter des Verbrechens bemißt, ist nicht die konkrete Gefährlichkeit der einzelnen Handlung, sondern die abstrakte der ganzen Kategorie von Handlungen. Die Bestrafung der einzelnen Handlung ist nur die notwendige Folge der einmal geschehenen Strafandrohung, ohne sie würde letztere wirkungslos sein; ob die einzelne Handlung die Gesellschaft gefährdet oder nicht, ist vollkommen gleichgültig, es gibt keinen verhängnisvolleren Abweg im Kriminalrecht, als dem Standpunkt der Strafandrohung den der Strafvollziehung zu substituieren. Auch das Zivilunrecht setzt sich mit den Lebensbedingungen der Gesellschaft in Widerspruch, aber es ist der Versuch eines Ohnmächtigen gegen den Mächtigen, der wirkungslos an ihm abgleitet; die Mittel des Zivilrechts (Klage und Nichtigkeit) reichen für die Gesellschaft vollkommen aus, sich jenes Angriffs zu erwehren, die völlige Erfolglosigkeit desselben macht die Strafe überflüssig. Das Strafrecht zeigt uns überall eine Abstufung der Strafe nach Verschiedenheit der Verbrechen. Man wird mir zugeben, daß eine Definition des Verbrechens, welche den Schlüssel für die Erklärung dieser Tatsache und zugleich den Maßstab für die Schwere der Strafe darbietet, den Vorzug verdient vor jeder andern, welche dies zu leisten nicht imstande ist. Ich glaube dies der meinigen nachrühmen zu können. Der Gesichtspunkt der Gefährdung der Lebensbedingungen der Gesellschaft schließt zwei der Abstufung fähige und damit für die legislative Strafzumessung zu beachtende Momente in sich: die Lebensbedingungen - nicht alle stehen in Bezug auf ihre Dringlichkeit auf einer Linie, die einen sind wesentlicher, als die andern - und die Gefährdung - nicht jede Verletzung derselben gefährdet die Gesellschaft in gleicher Weise. Je höher uns ein Gut steht, desto mehr nehmen wir Bedacht auf seine Sicherung. Ebenso macht es die Gesellschaft mit ihren Lebensbedingungen - ich will sie die sozialen Güter nennen - hinsichtlich des zu ihrer Sicherung aufgebotenen Rechtsschutzes. Je höher das Gut, desto höher die Strafe. Der Tarif der Strafe ist der Wertmesser der sozialen Güter. Was der Preis für den Verkehr, das bedeutet die Strafe für das Kriminalrecht. Wer auf die eine Seite die sozialen Güter und auf die andere Seite die Strafen stellt, hat die Wertskala der Gesellschaft und wer dies für die verschiedenen Völker und Zeiten tut, wird finden, daß dieselben Wertschwankungen, welche der Verkehr in Bezug auf die durch den Preis bezifferten ökonomischen Güter aufweist, sich auch im Kriminalrecht bei den durch die Strafe bezifferten sozialen Gütern wiederholen - das Leben, die Ehre, die Religion, die Sittlichkeit, die militärische Disziplin usw. haben nicht überall denselben Kurs gehabt (10); bei uns steht tief, was früher sehr hoch stand und umgekehrt, das Urteil der Gesellschaft über die höhere oder geringere Dringlichkeit gewisser Lebensbedingungen variiert. In aller Naivität tritt uns dieser Gesichtspunkt der strafrechtlichen Wertung der verletzten Güter in den Bestimmungen der altgermanischen Recht über Körperverletzung und Totschlag entgegen. Alle Körperteile waren genau abgeschätzt. Nase, Ohren, Zähne, Augen, Fuß, Hand, Finger, alles hatte seinen bestimmten Preis - "strafrechtliche Preiscourante", wie man sie genannt hat. (11) Ebenso das Leben des Edlen, des Freien, des Sklaven. Es war die Tarifierung des Menschen vom Standpunkt des Kriminalrechts. Die Gesellschaft, in ähnlicher Weise tarifiert, ist das Strafrecht. Wie hoch steht das Menschenleben, die Ehre, die Freiheit, das Eigentum, Die Ehe, die Sittlichkeit, die Sicherheit des Staates, die militärische Disziplin usw.? Schlage das Strafgesetzbuch auf und du wirst es finden. Im Verkehr ermöglicht das System des Geldes, d. h. die Wertverschiedenheit von Gold, Silber, Kupfer, Nickel und die Teilbarkeit der Metalle die Fixierung der minimalsten Wertdifferenzen. Das Strafrecht löst dieselbe Aufgabe ebenfalls teils durch die Verschiedenheit der Strafen (Lebens-, Ehren-, Freiheits-, Geldstrafen), teils durch ihre Teilbarkeit (Freiheits- und Geldstrafen, dauernde oder vorübergehende Entziehung der bürgerlichen Ehrenrechte - die Ehre kann nicht vorübergehend aberkannt werden. Inmitten der niedersten Geld- oder Freiheitsstrafe und der Todesstrafe liegt ein weiter Spielraum, weit genug, um die feinste strafrechtliche Nuancierung und Individualisierung zu ermöglichen. Zum objektiven Moment des bedrohten Gutes auf Seiten der Gesellschaft gesellt sich auf Seiten des Verbrechers noch das subjektive Moment der aus seiner Willensbestimmung und der Art der Ausführung des Verbrechens sich ergebenden Gefährlichkeit desselben für die Gesellschaft hinzu. Nicht jeder Verbrecher, der dasselbe Verbrechen begeht, gefährdet sie in gleicher Weise. Vom rückfälligen Verbrecher oder dem Gewohnheitsverbrecher hat die Gesellschaft mehr zu fürchten, als vom Neuling im Verbrechen, vom Komplott, von der Bande mehr, als vom Einzelnen, die Verschlagenheit droht ihr eine höhere Gefahr als vom Jähzorn, vom Vorsatz oder der Fahrlässigkeit. Ich wende mich nun der Klassifikation der Verbrechen nach Verschiedenheit des Subjekts zu, gegen welches sie sich richten. Es wird keinem Mißverständnis ausgesetzt sein, wenn ich der Kürze wegen auch beim Verbrechen von einem Zwecksubjekt spreche, während ich richtiger sagen müßte: Zwecksubjekt in Bezug auf das Verbot des Verbrechens. Das Zwecksubjekt beim Verbrechen kann sein: a) das Individuum Die gegen das Individuum gerichteten Verbrechen hat die kriminalistische Theorie unter dem Namen der Privatverbrechen längst zur Einheit des Begriffs zusammengefaßt. Ich unterscheide drei Klassen derselben, je nachdem dieselben nämlich entweder die physischen oder die ökonomischen oder die idealen Lebensbedingungen des Subjekts bedrohen. Die physischen Lebensbedingungen werden bedroht und zwar in ihrer Totalität (Leben) durch Mord und Totschlag, Aussetzung hilfloser Personen (über Kindesabtreibung und Duell), partiell durch Körperverletzung (Verstümmelung des Körpers, Beschädigung der Gesundheit, der Geisteskräfte). Die ökonomischen, d. i. das Vermögen durch Raub, Diebstahl, Unterschlagung, Sachbeschädigung, Grenzverrückung, Erpressung, strafbaren Eigennutz, Betrug, Untreue. Unter den idealen Lebensbedingungen verstehe ich alle diejenigen Güter, welche nicht äußerlich sichtbar, sondern nur in der Vorstellung existieren und ohne deren Sicherung nach den Begriffen der Gesellschaft ein befriedigendes sittliches Dasein nicht möglich ist. Es sind die Freiheit (Verbrechen wider dieselbe: Menschenraub, Entführung, Notzucht, Beraubung des Gebrauchs der persönlichen Freiheit, ungesetzliche Verhaftung, Nötigung, Hausfriedensbruch), die Ehre (Beleidigung, falsche Anschuldigung, Verletzung fremder Geheimnisse, Verleitung zum Beischlaf), die Familie (Ehebruch, Bigamie, Verbrechen in Beziehung auf den Personenstand, insbesondere Kindesunterschiebung); b) der Staat Die Verbrechen, welche sich gegen ihn richten, beschränken sich keineswegs auf die Staatsverbrechen der kriminalistischen Theorie, sondern sie erstrecken sich ebenso weit, als die Lebensbedingungen des Staates reichen, welche durch sie bedroht werden können. Der Ausdruck: öffentliche Verbrechen ist für sie meines Erachtens nicht geeignet, da er ebenso wie der lateinische: publicus (publica utilitas, publice interest) auch in Anwendung auf die Gesellschaft gebraucht wird (Verbrechen wider die öffentliche Sicherheit). Um diese Verbrechen von den gesellschaftlichen zu unterscheiden, bediene ich mich des Ausdrucks: politische. Das politische Verbrechen charakterisiert sich als ein Angriff auf die Lebensbedingungen des Staates. Lassen letztere sich klassifizieren? Wenn es möglich wäre, so gewännen wir damit zugleich eine Klassifikation der gegen sie gerichteten Verbrechen. Am nächsten liegt die Übertragung der oben bei dem Individuum aufgestellten Einteilung, die, wie wir unten sehen werden, auch bei der Gesellschaft ihre Brauchbarkeit bewährt. Das Bedenkliche besteht nur darin, daß der Staat keine physische Existenz im eigentlichen Sinne des Wortes hat. Physisch betrachtet ist er nichts als die Summe der sämtlichen Staatsangehörigen. Aber auch der Staat existiert und die unerläßlichen Bedingungen dieser seiner Existenz können wir mit denen des Individuums auf eine Linie stellen, nur daß wir auch bei ihm, wie beim letzteren, die ökonomischen Lebensbedingungen von den physischen trennen, obschon das physische Leben ohne die ökonomischen Mittel zur Erhaltung desselben beim Staat ebenso wenig möglich ist, wie beim Individuum. Unerläßlich in diesem Sinne des durch den Begriff des Staates mit absoluter Notwendigkeit Gesetzten, also metaphorisch gesprochen: eine physische Lebensbedingung des Staates, ein sein Wesen konstituierendes Moment ist der Eigenbesitz eines Territoriums. Sodann der Besitz der höchsten Gewalt, also die Organisation der Staatsgewalt (die Verfassung, das Beamtentum, den Landesherrn als höchsten durch die Geburt bestimmten Beamten des Staates mit inbegriffen, das Heer. Alle Handlungen, welche die Entziehung oder Bedrohung dieser mit der Existenz des Staates gesetzten Gewaltstellung desselben zum Zweck haben, würde ich unter den Gesichtspunkt der Gefährdung der physischen Lebensbedingungen des Staates bringen, mithin: Landesverrat, Hochverrat, Aufruhr, Reisauflauf, feindliche Handlungen gegen befreundete Staaten. Sodann die eigentümlichen Verbrechen der Beamten, auf deren pflichtmäßigen Verhalten das ganze Gewaltsystem des Staates beruht und der Soldaten, von deren Dienstpflicht (Umgehung der Wehrpflicht, Desertion) und Gehorsam (Insubordination, Meuterei) ganz dasselbe gilt. Die ökonomischen Lebensbedingungen des Staates werden bedroht durch Steuerverweigerung, Defraudationen, Unterschlagung öffentlicher Gelder. Als die idealen Lebensbedingungen des Individuums habe ich die Freiheit, Ehre, Familie genannt. Von einem Verbrechen wider die Ehre läßt sich auch beim Staat sprechen (Beleidigung des Landesherrn, der Amtsehre). Unter Verbrechen gegen die Freiheit des Staates verstehe ich diejenigen, welche seine Willensaktion d. i. die zu dem Zweck nötigen Funktionen seiner Organe oder der Staatsbürger hindern, also die Widersetzlichkeit gegen die Obrigkeit, die Dienstverweigerung der Geschworenen und Zeugen, Verbrechen in Beziehung auf die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte u. a. Ich darf nicht verschweigen, daß ich bei diesem Versuch, den für das Individuum und die Gesellschaft zutreffenden Gegensatz der physischen, ökonomischen und idealen Lebensbedingungen auch auf den Staat zu übertragen, das Gefühl gehabt habe, daß dies nur in gezwungener Weise möglich ist; ich selber werde mich freuen, wenn diese Einteilung durch eine andere, der Eigentümlichkeit des Staates mehr entsprechende ersetzt wird. Das Zwecksubjekt beim Verbrechen kann schließlich sein c) die Gesellschaft Ich bezeichne diese Verbrechen als die gesellschaftlichen. Es sind diejenigen, durch welche weder das Individuum, noch der Staat, sondern die Masse, die Gesellschaft bedroht wird ( gemeingefährliche Handlungen). Die physischen Lebensbedingungen der Gesellschaft, d.h. die äußere Sicherheit ihrer Existenz' wird bedroht durch Brandstiftung, Herbeiführung einer Überschwemmung, Zerstörung von Deichen, Dämmen, Eisenbahnen und auch durch Landfriedensbruch - es ist nicht dieser oder jener, den der Täter dabei im Auge hat oder wenn dies auch der Fall ist, der dabei leidet, sondern eine unbestimtte Vielheit von Personen, die Masse. Die ökonomischen Lebensbedingungen der Gesellschaft, d. i. die Sicherheit des Verkehrs' wird bedroht durch Münzfälschung und Urkundenfälschung. Es ist meines Erachtens völlig verkehrt, das erste Verbrechen zu den Staatsverbrechen zu stellen, denn der Staat wird dadurch in keiner Weise geschädigt, selbst nicht als Inhaber des Münzregals, denn welchen Schaden fügen ihm die falschen Münzen zu? Das Münzregal hat mit dem Wesen des Staates, d. h. seiner Machtstellung nichts zu schaffen, statt seiner könnten auch Banken Münzen prägen, wie sie ja in der Tat Banknoten ausgeben, deren Fälschung im Interesse des Publikums ganz so gestraft werden muß und gestraft wird, wie die des vom Staat ausgegebenen Papiergeldes oder der von ihm geprägten Münzen. Beschädigt durch falsches Geld wird lediglich die Gesellschaft. Nicht der Einzelne, der es gerade eingenommen hat, denn das falsche Geld geht aus einer Hand in die andere. Der Verkehr im Ganzen leidet, das Sicherheitsgefühl hört auf. Ebenso durch falsche Urkunden. Der Verkehr kann nicht bestehen, wenn man jede Münze und jede Urkunde erst auf ihre Echtheit prüfen muß. Die idealen Lebensbedingungen der Gesellschaft werden bedroht in ihren sittlichen und religiösen Grundlagen z. B. durch den Meineid, durch Vergehen gegen die Sittlichkeit und Religion. Kann man ein Verbrechen begehen gegen die Religion und die Sittlichkeit? Nur in demselben Sinne wie gegen das Eigentum oder die Ehre, d. h. das Verbrechen wird nicht gegen diese Begriffe begangen, was ein eben solches Unding wäre als ein Verbrechen gegen die Luft, die man verpestete, oder das Wasser, das man vergiftete, sondern stets nur gegen die Person. Bei den Verbrechen gegen die Ehre und das Eigentum ist das Individuum, bei den oben genannten ist die Gesellschaft die Person, welche dadurch verletzt wird. Nicht Gott, wie man früher rücksichtlich der religiösen Vergehen und des Meineids annahm, - man kann Gott nicht schädigen, - und der Umstand, daß das Verbrechen einen Abfall von Gott, d. h. eine Sünde enthält, gilt nicht bloß für gewisse, sondern für alle Verbrechen. Ebensowenig der Staat, denn seine Machtstellung wird durch sie nicht bedroht. Zur Kategorie der gesellschaftlichen Verbrechen im weiteren Sinne gehören auch die meisten Polizeiverbrechen; die Polizei ist recht eigentlich die Vertreterin der Interessen der Gesellschaft in unserem hier zugrunde gelegten engeren Sinn des Wortes. Ich habe zwei Verbrechen zweifelhafter Art im Bisherigen übergangen; über sie noch einige Worte. Zunächst das Duell. Man kann darin einen Eingriff in die Justizhoheit des Staates erblicken, indem die Duellanten ihren Streit, den sie durch die Gerichte entscheiden lassen sollten, selber ausfechten. Täten sie es statt mit tödlichen Waffen mit Stöcken oder Wasserspritzen oder mittels eines Zweikampfes im Laufen, so würde niemand darin etwas Strafwürdiges erblicken. Das Entscheidende sind die tödlichen Waffen und die dadurch hervorgerufene gegenseitige Gefährdung des Lebens. Darum gehört das Duell nicht zu den politischen, sondern zu den Privatverbrechen (Gegenseitige Bedrohung des Lebens). Sodann die Kindesabtreibung. Wer ist das Zwecksubjekt derselben? Das künftige Kind? Es existiert als Person noch nicht, es ist, wie das römische Recht richtig sagt, zur Zeit noch Teil der Mutter. Zwecksubjekt bei der Kindesabtreibung ist also nicht das Kind, sondern die Gesellschaft; das Strafwürdige derselben besteht darin, daß sie eine Gefährdung des Nachwuchses enthält, wobei letzterer zu den Lebensbedingungen der Gesellschaft gehört. Daß einige der oben von mir klassifizierten Verbrechen sich nicht auch in eine andere Kategorie bringen lassen, will ich nicht in Abrede stellen; ich habe sie geordnet nach dem meines Erachtens maßgebenden Gesichtspunkt. Die im Bisherigen versuchte Klassifikation der Verbrechen nach Maßgabe des Zwecksubjekts erhebt nicht den Anspruch, auf die Systematik des Kriminalrechts einen bestimmenden Einfluß auszuüben, sondern sie ist lediglich in der Absicht aufgestellt, die Verwendbarkeit meines Gesichtspunktes des Zwecksubjekts auch in Bezug auf das Verbrechen darzutun, und das, hoffe ich, wird mir gelungen sein. Der Kriminalist mag diese Einteilung für seine Zwecke als unbrauchbar zurückweisen, ebenso wie es der Zivilist mit meiner Auffassung der Stiftungen tun wird und tun muß - es gibt eben verschiedene Standpunkte der Betrachtung und jeder ist gerechtfertigt, bei die Sache irgendwelche Förderung erhält und dies glaube ich dem meinigen nachrühmen zu können. Ich schließe hiermit meine Ausführungen über das Zwecksubjekt im Recht ab. Ob dieselben in allen Einzelheiten Bestimmung finden werden, daran liegt mir nicht viel, um so mehr Gewicht lege ich darauf, der Grundidee, daß daß Zwecksubjekt in rechtsphilosophischer Hinsicht das höchste Klassifikationsprinzip des Rechts enthält und daß neben dem Individuum und dem Staat (Kirche, Vereine) auch die Gesellschaft im engeren Sinn als Zwecksubjekt des Rechts anzuerkennen ist, Eingang zu verschaffen. Je weniger der Jurist sich mit diesem dritten Zwecksubjekt, das sich unter seine Kategorie der Rechtssubjekte nicht unterordnen läßt, befreunden wird, für um so gebotener halte ich es, das Gewicht des oben erbrachten Nachweises seiner Berechtigung dadurch zu verstärken, daß ich ihm einen historischen Geleitbrief mit auf den Weg gebe, der ihm von niemandem Geringeren ausgestellt worden ist, als vom Mustervolk des Rechts: den Römern. Letztere haben den Begriff der Gesellschaft im obigen Sinn mit einer Klarheit, Schärfe und Konsequenz erfaßt und in ihrem Staatswesen zur Ausprägung gebracht, als hätte es sich dabei um ein theoretisches Problem, um eine durch keinerlei praktische Rücksichten beengte abstrakte, systematisch korrekte Begriffsformulierung gehandelt. Ich bin am Ende. Nicht bloß am Ende meiner Ausführungen über das Zwecksubjekt im Recht, sondern meiner ganzen Entwicklung des Rechtsbegriffs. Zum formalen Moment desselben: der äußeren Form des Rechts, mit der wir begonnen haben, hat die spätere Ausführung das inhaltliche oder, da der ganze Inhalt des Rechts durch den Zweck bestimmt wird, das Zweckmoment hinzugefügt und uns damit zu einer erschöpfenden Definition des Rechts geführt, mit der wir nunmehr unsere ganze Betrachtung desselben abschließen. Recht ist der Inbegriff der mittels äußeren Zwanges durch die Staatsgewalt gesicherten Lebensbedingungen der Gesellschaft im weitesten Sinn des Wortes. Vom Standpunkt der Gesellschaft, den wir im Bisherigen eingenommen haben und einnehmen mußten, um das inhaltliche oder teleologische Moment des Rechts darzulegen, lassen wir uns nunmehr hinab, um das Individuum ins Auge zu fassen. Die Gesellschaft ist nichts, als die Summe der Individuen und wenn man auch, um die Bedeutung des Rechts als eines Stückes der gesamten menschlichen Ordnung im Großen und Ganzen darzulegen, vom Einzelnen absehen und ihm die Gesamtheit substituieren mag, so ist es doch schließlich das Individuum, an dem das Recht seine Wirksamkeit äußert, ihm kommt es zugute, ihm legt es Beschränkungen auf. Machen sich für das Individuum die Beschränkungen, die es sich im Interesse der Gesellschaft gefallen lassen muß, bezahlt durch die Vorteile, die sie ihm dafür bietet? Die folgende Darstellung soll die Antwort darauf erteilen, sie bezweckt die Abrechnung des Individuums mit der Gesellschaft in Bezug auf die Einrichtung des Rechts, indem sie Kredit und Debet gegenüber stellt. Wir bringen mit dem Preis, den das Individuum bezahlen muß, um der Vorteile des Rechts teilhaftig zu werden; ich bezeichne ihn als Rechtsdruck auf das Individuum.
1) Nach dieser Volksklage haben die Byzantiner ganz zutreffend das ihr zu Grunde liegende Recht als Volksrecht bezeichnet. 2) Von den mittellateinischen spendere (expendere = ausgeben, expensa, spensa, spesa = Aufwand, Spesen, womit auch unser deutsches: Speise, spise, spisa zusammenhängt). In Rom waren derartige Spenden (largitiones) oder Almosen ans Volk (Getreide, Fleisch, Wein, Öl usw.) bekanntlich sehr häufig. Moderne Formen derselben sind die Verabreichung von Suppen, Brennholz u. a. in Zeiten der Not durch eigene Vereine (in früheren Zeiten durch Klöster, deren Aufhebung eine empfindliche Lücke für die Armenpflege hervorgerufen hat). 3) Für den nichtjuristischen Leser bemerke ich, daß Fiduziar derjenige ist, dem ein Recht in der Absicht gewährt ist, nicht zu dem Zweck, damit er selber Nutzen davon habe, sondern damit er es für einen Andern verwende, er ist Inhaber des Rechts nicht zu eigenem Interesse, sondern lediglich zum Zweck der Stellvertretung. 4) Wäkf om = Weihung, Widmung zu gemeinem Besten oder Gott wohlgefälligen Zwecken. Eine zweite Art des Wäkf ist das für die Nachkommen (wäkf ewlod), wir würden es Familienfideikommiss nennen. Das moslemitische Recht betont ausdrücklich das Moment der Dauerhaftigkeit und der Sittlichkeit des Zwecks, es verbietet z. B. die Widmung zum Besten der Ungläubigen. Siehe von TORNAUW, Das moslemitische Recht, Leipzig 1855, Seiten 155 - 159. 5) Althochdeutsch: fliht, mittelhochdeutsch: phliht von pflegen = sorgen, walten, verwalten, daher der "Pfleger" (= Vormund, insbesondere der "Güterpfleger"), "Pflegekind, Pflegeeltern". 6) Staatsbürgerpflicht, Pflichten der Geschworenen, Richter, Beamten, steuerpflichtig, wehrpflichtig, pflichtig u. a. Alle diese Ausdrücke finden sich in unseren neuen deutschen Reichsgesetzen. Ich habe letztere in Bezug auf den von ihnen beobachteten Sprachgebrauch einer Vergleichung unterworfen und bin zu folgendem Resultat gelangt. In den Gesetzen, welche das öffentliche Recht betreffen (Verfassung des deutschen Reichs, Gerichtsverfassungsgesetz, Strafprozeßordnung) findet sich: "Pflichten, pflichtig, verpflichten, Verpflichtung, verpflichtet", dagegen, soviel ich mich erinnere, nie "Verbindlichkeit", in denjenigen, welche das Privatrecht betreffen (allgemeine deutsche Wechselordnung und deutsches Handelsgesetzbuch) "Verbindlichkeit, Wechselverbindlichkeit, verpflichtet, Pflicht z. B. Haftungspflicht, Pflicht zur rechtzeitigen Präsentation, Pflichten der Handelsmakler, des Vorstandes der Aktiengesellschaft" u. a. m. Für die vertragsmäßige Begründung des Obligationsverhältnisses gebrauchen beide regelmäßig das Wort: "Verbindlichkeit" (eingeben, übernehmen), aber auch "Verpflichtung" (eingehen, übernehmen). Verpflichtung ist demnach der generelle, Verbindlichkeit der spezielle, lediglich aufs Privatrecht beschränkte Ausdruck. Die Verwendung welche vom Ausdruck Pflicht gemacht wird, ordnet sich dem unten im Text aufgestellten Gesichtspunkt unter. 7) Eine "obligatio lege introducta" ist ein Produkt der späteren Zeit; beide Begriffe, der der Obligation wie der des Pfandes setzen der ursprünglichen Auffassung nach einen Willensakt des Subjekts voraus. Auf dieser altnationalen Auffassung beruhte die Notwendigkeit der vielen Kautionen des römischen Prozesses - Kläger, Beklagter, Stellvertreter mußten sich selber verpflichten durch eigene Tat; bei uns legt das Gesetz ihnen die entsprechende Verpflichtung auf, - die Verbindlichkeit ist zur Pflicht geworden. 8) Der römische Begriff der multa im Gegensatz der poena. Das Beispiel der Römer, welche für die multa ein Maximum festsetzten, bei dessen Erreichung von ferneren Zwangsmitteln abgesehen ward, ist in der Zivilprozeßordnung des deutschen Reiches §355 beim Zeugniszwang nachgeahmt worden. - Die Nachteile, welche dieselbe über den widersetzlichen Zeugen verhängt, haben nicht die Bedeutung einer Strafe, sondern die von Pressionsmitteln zum Zweck der Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeit. 9) Etymologisch charakterisiert sich das Ver-brechen als das Brechen der Ordnung, das Ver-gehen als Hinaus-gehen, die Über-tretung als das Hinaus- treten aus der Bahn des Rechts; ebenso das römische delictum von de-linquere, linquere,' dem Verlassen des vom Gesetz vorgeschriebenen Weges. 10) Exemplifiziert in meinem Kampf ums Recht, 7. Auflage, Seite 32; ich lasse den Passus hier abdrucken: "Die Theokratie stempelt die Gotteslästerung und Abgötterei zu einem todeswürdigen Verbrechen, während sie in der Grenzverrückung nur ein einfaches Vergehen erblickt (mosaisches Recht). Der Ackerbau treibende Staat dagegen wird umgekehrt letztere mit der ganzen Wucht der Strafe heimsuchen, während er den Gotteslästerer mit mildester Strafe davon läßt (altrömisches Recht).Der Handelsstaat wird Münzfälschung und überhaupt Fälschung, der Militärstaat Insubordination, Dienstvergehen usw., der absolute Staat das Majestätsverbrechen, die Republik das Streben nach königlicher Gewalt an die erste Stelle rücken und alle werden an dieser Stelle eine Strenge betätigen, die mit der Art, wie sie andere Verbrechen verfolgen, einen schroffen Gegensatz bildet. Kurz, die Reaktion des Rechtsgefühls der Staaten und Individuen ist da am heftigsten, wo sie sich in ihren eigentümlichen Lebensbedingungen unmittelbar bedroht fühlen." 11) WILDA, Strafrecht der Germanen, Halle 1843, Seite 729 |