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Über Humes Stellung zu Berkeley und Kant [3/3]
Wenn der vortreffliche Herausgeber BERKELEYs mit den letzten Worten nichts anderes gemeint hat, als daß der Stil der philosophischen Schriften HUMEs ein anderer als der seiner historischen ist, und daß sich derselbe in jenen gelegentlich die Einmischung eines nicht bloß scherzhaften, sondern satirischen und spöttischen Tones gestattet hat, die er in diesen sich versagt, so wird man ihm Recht geben müssen. Sowohl der erste wie dieser zweite angebliche Angriff ist in einem Ton gehalten, daß man deutlich fühlt, der angebliche Angreifer habe einem inneren Bedürfnis Genüge getan, sich über ein Objekt, das seine Lachlust herausfordert, lustig zu machen; keineswegs aber folgt daraus ebenso gewiß, als es SIMON zu sein scheint, daß dieser fragliche Gegenstand eben die Lehre BERKELEYs gewesen ist. Wie im ersten Angriff, wo er nach SIMONs Versicherung sein wahres Gesicht, so hat er im zweiten, wo er nach dieser eine Maske zeigt, für die Lehre BERKELEYs als wissenschaftliche Meinung nicht nur Anerkennung, sondern (nach SIMONs eigenem Ausdruck) sogar Hochschätzung (estimate). Dort räumt er ein, daß der Philosoph in seiner Studierstube ein Recht hat zu denken und zu lehren, wie BERKELEY denkt und lehrt, hier nennt er die Lehre desselben nicht nur wahr, sondern deren Basis geradezu unwiderleglich (irrefragable). Wenn letzterer Ausdruck Verstellung heißen soll, so muß entweder obiges Zugeständnis, daß der Philosoph in seiner Studierstube Recht behält, auch Maske heißen, oder, wenn HUME an jener Stelle im Ernst spricht, so ist kein Grund abzusehen, warum seine Versicherung, die Lehre sei wahr, kein Mensch von nur ein bischen Urteil könne sie leugnen (least discernment), hier ironisch gemeint sein sollte. Daß nun HUME, der im ersten Angriff BERKELEYs Lehre von dem Augenblick an für augenscheinlich falsch, ja absurd erklärt, sobald der Philosoph auf die Straße hinaustritt und mit Anderen verkehrt, an demselben Ort und in demselben Sinn deren Falschheit und Ungereimtheit behauptet hat, solange der Philosoph in seiner Studierstube bleibt und sich ausschließlich der Erwägung und Betrachtung wissenschaftlicher Schlußfolgerungen hingibt, hat SIMON selbst nicht statuiert; andererseits hat HUME dort, wo er BERKELEYs Lehre für wahr und deren Fundament für unwiderleglich erklärt, nicht gesagt, daß sie dies anders denn als wissenschaftliche Meinung und aus wissenschaftlichen Gründen (für die Studierstube), und daß sie weder mit dem Augenschein, noch mit der Praxis des täglichen Lebens im Widerstreit ist. Hat nunr HUME in seinem ersten attack zugegeben (was SIMON nicht leugnet), daß BERKELEYs Lehre, ihrem Widerstreit gegen die Anschauungsweise des gemeinen Bewußtsein und des praktischen Lebens zum Trotz, von einem rein philosophischen Gesichtspunkt aus betrachtet, richtig ist oder doch sein kann, so braucht seine ausdrückliche Behauptung im zweiten attack, daß dieselbe wahr, ja unwiderlegbar ist, nicht (wie SIMON annimmt) eine Maske, seine Zustimmung zu derselben weder ironisch noch sarkastisch d. h. der vermeintliche zweite attack braucht ebensowenig wie der erste als Angriff auf BERKELEYs Lehre, wenn auch vielleicht, wie es sich zeigen kann, auf BERKELEYs Person gemeint zu sein. Daß der scharfsinnige Denker und scharfsichtige Satiriker zwischen letzteren beiden einen Unterschied wird gemacht haben, läßt sich voraussetzen. Wie im ersten sogenannten attack HUME zwischen der wissenschaftlichen Denkweise des Philosophen, welcher an der Bestätigung durch den Augenschein ebensowenig wie an der Brauchbarkeit derselben für das gemeine Leben gelegen ist, und jener des sogenannten gesunden Menschenverstandes unterscheidet, der alles dasjenige, was dem Augenschein widerstreitet oder den für unumgänglich erachteten Voraussetzungen des praktischen Alltagslebens zuwider läuft, als falsch und absurd verwerfen zu dürfen glaubt: so unterscheidet derselbe im zweiten attack zwischen der Lehre BERKELEYs, die, wie HUME überzeugt ist und dartut, zum Skeptizismus führt, und dem Urheber der Lehre, d. h. BERKELEY selbst, der den Skeptizismus nicht will und denselben durch jene Lehre unmöglich gemacht zu haben wähnt. Für den, der wie HUME selbst die wissenschaftliche Denkweise am höchsten stellt, muß der gemeine Menschenverstand, der seinen (unzureichenden) Maßstab an jene legt, töricht und daher in den Augen des Besserwissenden lächerlich erscheinen. Ebenso bietet für denjenigen, der wie HUME aus wissenschaftlichen Gründen überzeugt ist, daß die unausbleibliche Folge des Phänomenalismus der Skeptizismus sein muß, derjenige, der nicht nur das Gegenteil glaubt, sondern vielmehr den Phänomenalismus für ein Bollwerk gegen den Skeptizismus ansieht, um dieser seiner, mit der eigenen (wahren und vermeintlichen) Scharfsichtigkeit verglichen, in die Augen fallenden Blödsinnigkeit will, einen komischen Anblick dar. Dieser Eindruck steigert sich, wenn, wie im vorliegenden Fall, der in Bezug auf die Konsequenzen einer gewissen Denkweise so augenscheinlich Kurzsichtige zugleich der Erfinder und erste Begründer dieser Denkweise selbst ist und folglich, wie BERKELEY in den Augen HUMEs, zugleich als Entdecker einer von diesem für unwiderleglich gehaltenen Weltansich als sehend und für die unvermeidlichen aber von ihm ungeahnten Konsequenzen derselben als blind sich herausstellt. Der Jünger BERKELEYs hat richtig gesehen. Sowohl in der ersten wie in der zweiten Stelle hat HUME seinen Hang zur Ironie, zum Sarkasmus und zur Satire freien Lauf gelassen, aber der Gegenstand derselben ist nicht BERKELEYs Lehre. COLLYNS SIMON erblickt in der ersten Stelle einen ironisierenden Angriff auf den Phänomenalismus, aber nicht dieser, sondern der Angriff wird ironisiert. Wie SOKRATES als der Wissende dem Unwissenden gegenüber selbst den Unwissenden spielt, so stellt sich HUME, der die Grundlage des Phänomenalismus für unwiderleglich hält, zum Schein auf die Seite des gemeinen, d. h. unwissenschaftlichen Bewußtseins, um in dessen Namen und mit dessen vermeintlichen Argumenten BERKELEYs Lehre zum Schein für widerlegt gelten zu lassen. In der zweiten Stelle hält COLLYNS SIMON HUMEs Anerkennung der Wahrheit und Unwiderleglichkeit des Phänomenalismus für Ironie, aber derjenige, der nicht wissentlich wie der Ironiker den Unwissenden spielt, sondern unwissentlich wie die komische Person der Unwissende ist, ist hier BERKELEY selbst. Der gute Bischof (the good bishop) von Cloyne gerät durch die unwiderlegliche Entdeckung, die er gemacht hat, und die für die Gegenstände des Glaubens der Kirche, deren Glied er ist, geradezu vernichtenden Folgerungen daraus, welche (nach HUME) unvermeidlich sind und die er übersehen hat, in die fatale Lage, in HUMEs Augen entweder für einen beschränkten Kopf, welcher die Tragweite seiner eigenen Prinzipien nicht zu überschauen vermag, oder, was schlimmer wäre, für einen Heuchler zu gelten, der sie verleugnet. Erstere Annahme, bei welcher nur eine Schwäche des Verstandes bloßgelegt wird, könnte nicht verfehlen, von Seiten des Klügeren den Spott, und weil der Verstand, der sich in Anbetracht der Folgerungen so schwach zeigt, derselbe ist, der sich in Anbetracht der Grundlegung so stark erwiesen hat, die beissendste Form desselben, den Sarkasmus, letztere Annahme, bei welcher vielmehr eine moralische Schwäche offenbar werden würde, müßte dahin führen, von Seiten des Bessergesinnten moralischen Unwillen, und zwar, da die wirksamste aber zugleich für den Bestraften unschädlichste Bestrafung darin besteht, dessen üble Willensbestrebungen dadurch zur vereiteln, daß man sie bloßlegt, die Satire herauszufordern. Scherz, Hohn und Spott also finden sich in beiden Stellen reichlich aufgefhäuft, in der ersten über die Unphilosophie, welche den Philosophen, in der zweiten über den schwachherzigen Denker, der die Vernunft (in HUMEs Sinn) meistern will. In beiden Stellen wird nicht BERKELEYs Philosophie, sondern in der ersten deren unphilosophischer Angreifer, in der zweiten BERKELEY selbst, deren schwachsichtiger oder schwachmütiger Verleugner, angegriffen. Nicht HUMEs Bekenntnis zum Phänomenalismus, sondern gerade umgekehrt dessen scheinbare Bekämpfung desselbe ist Ironie. Mit der Anerkennung derselben und noch mehr ihrer Folgerungen ist es ihm völliger Ernst. Und warum sollte auch HUME jenen und dessen Folgen nicht ernst gemeint haben? Etwa darum, weil der Inhalt dieser Folgerungen von der Art ist, daß sie von einem ernsthaften Denker überhaupt nicht festgehalten werden könnten? Oder weil diese Folgerungen von der Art sind, daß sie BERKELEY niemals als Konsequenzen seiner Lehre würde zugegeben haben? In ersterer Hinsicht muß daran erinnert werden, daß kein noch so paradox scheinender Inhalt eines Lehrsatzes, zu welchem ein Denken auf dem Weg ernsten Nachdenkens mit logischer Notwendigkeit gelangt zu sein versichert, zum Verdacht berechtigt, derselbe habe sich mit dem wissenschaftlichen Publikum einen irreführenden Scherz zu treiben erlaubt. In letzterer Hinsicht muß zugestanden werden, daß die Kurzsichtigkeit des Urheber eines Prinzips, dessen weitere Folgen zu überschauen, oder die Abneigung eines solchen sich dieselben gefallen zu lassen, diese Folgerungen selbst weder zu verhüllen, noch zu verhindern vermag. In ersterer Hinsicht würde der Verdacht, daß eine paradox scheinende Lehre von ihrem Urheber nicht ernst gemeint ist, in erster Linie den Phänomenalismus selbst, d. h. BERKELEYs eigene Lehre treffen. Denn was kann in den Augen des sogenannten gesunden Menschenverstandes und der mit diesem mehr oder weniger in diesem Punkt harmonierenden materialistischen und selbst der realistischen Philosophie Paradoxeres behauptet werden, als daß die Materie, welche derselbe mit Händen greifen zu können wähnt, ein bloßes Phänomen, ein Gaukelspiel ist, worin doch nach SIMONs eigenen Worten der Kern der Lehre BERKELEYs, die spezifische Doktrin BERKELEYs (Berkleian Doctrine) besteht? Wenn BERKELEY ein Recht hat zu fordern, daß seine Lehre von der Phänomenalität der Materie, so sehr dieselbe der herkömmlichen Ansicht widerstreitet und die allgemein verbreitete nicht bloß unter Laien, sondern auch unter fast allen (englischen) Philosophen, ihn allein ausgenommen, übliche Auffassung derselben als eines gänzlich Unphänomenalen und den Sinnen Unzugänglichen (entirely unphenomenal and inaccessible to the senses) auf den Kopf stellt, von Männern der Wissenschaft in wissenschaftlichen Ernst genommen und als Ergebnis eines ernsten wissenschaftlichen Nachdenkens respektiert wird, so kann HUME das gleiche Recht bezüglich der von ihm aus dieser Lehre gezogenen Folgerungen, so sehr dieselben, wie z. B. die Leugnung der Realität des Ich, nicht bloß dem Dafürhalten des gemeinen Bewußtseins, sondern auch dem philosophisch gebildeter Geister und unter diesen vor allem des Begründers und des Jüngers von BERKELEYs Phänomenalismus selbst zuwiderlaufen mögen, unmöglich verweigert werden, umso weniger, da HUME, wie das von COLLYNS SIMON selbst, wenn auch zu einem entgegengesetzten Zweck angezogene Beispiel seiner einstigen Vorliebe und vertrauten Freundschaft für und mit ROUSSEAU beweist, nicht der Mann war von Wahrheiten, die (nach JEAN PAUL) "um ein Jahrhundert zu früh kommen", um ihrer scheinbaren Abenteuerlichkeit willen sich abschrecken zu lassen. Näher läge es ihn zu beschuldigen, daß vermöge der ganzen Anlage seiner Natur gerade das auffällige Paradoxale und vom Herkömmlichen Abweichende für ihn einen besonderen Reiz besessen und auf ihn eine bestrickende Anziehungskraft ausgeübt hat, wonach sich dann eher eine geheime auf Wahlverwandtschaft gegründete Hinneigung zu der ihren Zeitgenosssen und Landsleuten paradox erschienenen und darum von diesen fast gänzlich beiseite geschobenen und vergessenen Lehre BERKELEYs, als eine zum Spott über dieselbe um ihrer scheinbaren Kuriosität und Seltsamkeit willen aufgelegte feindselige Gesinnung bei im voraussetzen ließ. War HUME kein Mann, vor einem Paradoxon, wie die Lehre von der Phänomenalität der Materie eines war, zurückzuschrecken, so war er es noch weniger, um Folgerungen, wie jene waren, die sich ihm mit unvermeidlicher Notwendigkeit daraus zu ergeben schienen, aus dem Weg zu gehen. Dieselben machen nach COLLYNS SIMONs eigenem Ausdruck die Substanz dessen aus, was HUME schließlich gelehrt hat, und welches darin besteht, daß er die Nicht-Existenz nicht nur der materiellen endlichen wie eines unendlichen Geistes behauptete. Letztere schien ihm mit ersterr so eng verbunden, daß erstere nicht ohne letztere behauptet, letztere dagegen von ersterer so unabhängig, daß sie auch ohne die erstere gelehrt werden kann. Wer von der Phänomenenalität (d. h. von der Nicht-Existenz) der Materie überzeugt ist, kann seiner Meinung nach nicht umhin, auch von der Phänomenalität (d. h. der Nicht-Existenz) des Immateriellen (sowohl des menschlichen wie auch des göttlichen Geistes) überzeugt zu werden. Wer dagegen von der Nicht-Existenz des Immateriellen überzeugt ist, kann daneben immer noch an die (und zwar dann ausschließliche) Existenz der Materie glauben. Wem daher am Glauben an die Nicht-Existenz des Immateriellen gelegen ist, für den bietet dem Vorangehenden zufolge die Überzeugung von der Phänomenalität der Materie unter allen denkbaren das sicherste Mittel dar, um dadurch auch der Nicht-Existenz des Immateriellen gewiß zu werden, und dies ist der Dienst, welchen BERKELEY (sehr gegen seinen Willen) nach HUMEs Meinung der lustigen Sekte (jocose Sect), zu der sich dieser zählt, geleistet hat. Schon dieser Ausdruck weist darauf hin, wer unter den Skeptikern (sceptics) verstanden wird. Offenbar hat HUME dabei diejenigen im Auge, welchen vor allem an der Leugnung der Wahrheiten der sogenannten natürlichen Religion, d. h. der Existenz Gottes und der Unsterblichkeit der Seele gelegen ist. Diese Sekte, die er die lustige (jocose) nennt, weil sie, um das Leben nach Art der Epikuräer zu genießen, wie diese an den Glauben an ein künftiges Leben und eine überweltliche Macht zu beseitigen sucht, bedarf zu diesem Zweck einer Metaphysik, die so beschaffen ist, daß sie den Glauben an die Existenz dieser beiden unmöglich macht. Dieselbe hat sich, meint HUME, bisher dem Materialismus angeschlossen aus dem Grund, weil die Überzeugung von der Ausschließlichkeit der Existenz der Materie die Möglichkeit des Glaubens an die Existenz und Unsterblichkeit der Seele und das Dasein Gottes von selbst aufhebt. Dieselbe, fährt er fort, könnte sich aber aus demselben Grund ebenso gut dem Phänomenalismus anschließen, weil die Überzeugung von der Phänomenalität der Materie den Glauben an die Phänomenalität des Ich und Gottes notwendiger- und logischerweise im Gefolge hat. BERKELEYs Phänomenalismus hebt daher zwar den Materialismus, aber hebt die Folgen desselben, die Überzeugung von Nicht-Existenz des Immateriellen so wenig auf, daß er vielmehr seinerseits dazu wesentlich beiträgt, dieselben zu befestigen. Materialismus und Phänomenalismus, die Lehre von der Realität und jene von der bloßen Phänomenalität der Materie stünden, was den Inhalt der natürlichen Religion, die Lehre von der Existenz und der Unsterblichkeit der menschlichen Seele und vom Dasein Gottes angeht, auf ganz derselben Stufe; keine von beiden hat in diesem Punkt auch nur das Geringste vor der anderen voraus. Die Nichtigkeit des Inhalts der natürlichen Religion, die Nicht-Existenz des menschlichen wie des göttlichen Geistes folgt aus der einen wie aus der anderen mit gleicher Unwiderstehlichkeit. Wo ist in diesem ganzen Raisonnement [Argumentation - wp] etwas, was HUME nicht ernst gemeint haben könnte? Davon, daß es HUME mit seinem Unglauben an die Existenz der Unsterblichkeit der Seele sowie an das Dasein Gottes ernst gewesen ist, ist wohl COLLYNS SIMON selbst überzeugt. Da er nun in BERKELEYs Phänomenalismus eine Lehre erblickt hat, welche ihm diesen Unglauben wissenschaftlich zu begründen schien, wie sollte er dieselbe nicht ernsthaft genommen haben und seine Versicherung, dieselbe sei wahr, eine bloße Vorstellung gewesen sein? Wenn wir in Betracht ziehen, daß neben den beiden einander ausschließenden Fällen der Realität oder der bloßen Phänomenalität der Materie kein dritter möglich ist, aber einer von beiden notwendig stattfinden muß, so wird, wenn sich herausstellt, daß sowohl in dem einen, wie im andern Fall die Existenz der menschlichen Seele und die Gottes ausgeschlossen bleibt, dieselbe schlechterdings und ein für allemal unmöglich gemacht. Darin bestand der große Dienst, den BERKELEY in HUMEs Augen den Gegnern der Existenz und Unsterblichkeit der Seele und des Daseins Gottes erwiesen hat. Bisher hatten denselben zu diesem Zweck nur die Materialisten gedient; HUME glaubte bewiesen zu haben, daß auch die Immaterialisten zu diesem Ende verwendbar sind. Allerdings wider Willen, und das ist der Punkt, über den sich HUME lustig macht. Keinem Leser der Principles of human knowledge kann es entgehen, daß der Urheber der neuen Lehre von der Phänomenalität der Materie nicht nur bemüht ist, deren völlige Ungefährlichkeit für den Inhalt der Lehre der natürlichen Religion, sondern auch deren Brauchbarkeit zur entscheidenden Vernichtung der dem Inhalt dieser letzteren entgegengesetzten Lehre der Gottes- und Seelenleugner in volles Licht zu setzen. Nicht nur die Existenz des eigenen Ich, samt dessen Unsterblichkeit oder wenigstens Inkorruptibilität (incorruptibility) ist nach BERKELEYs Theorie a priori, sondern auch die Existenz anderer Geister und die Gottes selbst ist, wenn auch nur a posteriori (by inference), durch ihre Wirkungen oder die von ihnen in uns erzeugten Ideen (by their operatione, or the ideas by them excited in us), aber mit Evidenz gewiß. Durch den Erweis, daß die Materie als solche keine Realität hat, sondern bloß ein Phänomen ist, aber sei der Behauptung des Materialismus, daß dieselbe das ausschließlich Existierende, und was, wie Geist und Gott nicht materiell, auch nicht existierend ist, von vornherein der Boden unter den Füßen entzogen. Welcher Triumph nun für HUME, wenn er erweisen zu können glaubt, daß die zum Verderben der Gottes- und Seelenleugner auszuschlagen bestimmte Lehre die der Absicht ihres Urhebers gerade entgegengesetzte Wirkung übt und durch ihre ungewollten aber unvermeidlichen Konsequenzen die schlimmsten Theorien der letzteren "auf das Wunderbarste rechtfertigt" (justifies most wonderfully)! BERKELEY hat, sagt HUME, der lustigen Sekte der Gottes- und Seelenverächter und Unsterblichkeitsspötter die beste Methode, viel besser als irgendeiner von ihnen und als HUME selbst, an die Hand und durch den unwiderleglichen Nachweis, daß die Materie nicht existiert, einen unschätzbaren Wink gegeben, wie sich beweisen läßt, daß auch sowohl Seele als auch Gott keine Realität besitzen! Der gegen die Gottes- und Seelenleugner abgeschossene Pfeil springt auf den Schützen zurück; der zur Vernichtung des Materialismus ersonnene Phänomenalismus verwandelt Gott und Geist, wie dieser, in bloße Phänomene! Nicht mit der Lehre BERKELEYs trieb HUME Spott: mit dem Spott über BERKELEY, den Gottesmann, kann es beinahe als ein tragikomisches Verhältnis gelten, durch sein System den Gegnern Waffen, die zu ihrer Vernichtung bestimmt waren, zur Selbstverteidigung in die Hand zu geben. HUME, der Gottesleugner, mochte eine Art diabolischen Vergnügens darüber empfinden, daß der zur Parierung des Angreifers geführte Hieb dem zu Beschützenden selbst die tödliche Wunde versetzt hat. Obgleich, sagt er, nicht der mindeste Zweifel darüber herrschen kann, daß BERKELEY nicht der Meinung war, den Skeptizismus zu lehren, so tut er es und tut es in bewunderungswürdiger Weise (admirably). Oder kann der Skeptizismus überhaupt weiter getrieben werden als bis zum Zweifel an der eigenen Existenz? Letztere nun leugnet er zwar nicht selbst und nicht mit ausdrücklichen Worten; ja mit solchen behauptet er vielmehr das Gegenteil und erklärt die Gewißheit der eigenen Existenz für eine Erkenntnis a priori, d. h. eine unmittelbare; aber diese Enthaltsamkeit ist nur die Folge einer Inkonsequenz im Denken, und wenn er folgerichtig verfahren würde, so müßte er sie leugnen. Durch den Wink, den er uns gibt, und der darin besteht, daß alles, von dem wir als Materiellem und Materie reden, bloße Vorstellung und eine Materie, die mehr oder etwas anderes als Vorstellung wäre, gar nicht vorhanden ist, zeigt er klärlich (clearly), daß dasjenige, von dem wir als unserem Ich reden, auch nichts weiter als Vorstellung und ein Ich, das mehr oder etwas anderes wäre als bloße Vorstellung, nicht vorhanden sein kann. Da wir daher nach seiner eigenen Versicherung, wenn wir an die Existenz der Materie glauben, uns einer Selbsttäuschung (delusion) hingeben, d. h. nach Art Geistesgestörter einen Wahn für Wahrheit, den Inhalt einer Halluzination für Wirklichkeit nehmen würden, so hätte er folgerichtig hinzufügen müssen, daß, wenn wir an die Existenz des Ich d. h. des eigenen Selbst glauben, wir gleichfalls unter dem Einfluß einer optischen Täuschung, eines zwar, wie es bei der Materie der Fall ist, unvermeidlichen, aber grundfalschen Selbstbetrugs ständen, also wie der Halluzinant einfach Narren (fools) wären. Wer um des Vorstehenden willen der Ansicht wäre, HUME könne die Versicherung, daß er den Phänomenalismus für unwiderlegbar und wahr hält, nicht im Ernst gemeint haben, würde dadurch behaupten, daß der Skeptizismus an der Gewißheit der eigenen Existenz seine Grenze finden muß. DESCARTES hat gezeigt, daß das Gegenteil der Fall ist. Die Gewißheit des eigenen Seins ist weder eine unmittelbare noch die letzte Gewißheit, von der alle übrige abhängt. Dieselbe setzt als Bedingung die Gewißheit des eigenen Denkens, die Gewißheit des sum jene des cogito voraus. Indem HUME die Existenz des eigenen Ich für aufgehoben, den Glauben an dieselbe zu einer Selbsttäuschung erklärt, wird von ihm zwar der Inhalt der Ich-Vorstellung als von dieser unterschiedenes reales Objekt verneint, aber die Tatsache der Ich-Vorstellung als Akt des Vorstellens und dadurch dieses selbst als Tatsache bejaht. Mit anderen Worten: das Ich, d. h. das vorstellende Individuum als solches, ist zwar ein bloßes Phänomen, aber das Vorstellen, dessen Phänomen d. h. dessen Vorstellung es ist, selbst ist kein Phänomen. Wie die Skepsis des Cartesianismus beim cogito, so macht die Skepsis HUMEs bei Vorstellen als solchem Halt. So wenig nach dem ersteren das cogito, so wenig kann nach dem letzteren das Vorstellen bezweifelt werden. Jenes wie dieses sind Tatsachen, welche durch den Versuch der Leugnung derselben nur Bestätigung erfahren könnten: das cogito, weil das dessen Tatsächlichkeit bezweifelnde dubito selbst ein Denken, das Vorstellen, weil jedes dessen Faktizität bestreitende Zweifeln selbst ein Vorstellen wäre. Weder DESCARTES noch HUME haben dadurch, daß ihr Zweifel sich auch auf die Realität des eigenen Seins erstreckt, den Anspruch verwirkt, ihr Denken als ernst und sich selbst als ernste Denker betrachtet zu sehen. Weder der auf die Tatsache des cogito sich stützende Rationalismus des einen, noch der auf die Tatsache des Vorstellens gebaute Phänomenalismus des anderen kann, weil die Grundlage des einen nicht die Gewißhzeit des eigenen Seins und die Basis des anderen das noch nicht zum vorstellenden Individuum kristallisierte Vorstellen ausmacht, der (im ersten Fall) logischen Halt- oder (im zweiten) der metaphysischen Bodenlosigkeit beschuldigt und ebensowenig dürfen deren Urheber deswegen verdächtigt werden, mit der wissenschaftlichen Wahrheit ein frivoles Spiel getrieben zu haben. Kaum wird die, wie COLLYNS SIMON selbst einräumt, allgemein herrschende Meinung, daß HUME BERKELEY gegenüber ernsthaft zu nehmen ist, durch die im Vorstehenden gewürdigten Argumente erschüttert worden sein. Indem HUME, wie oben gezeigt, die unphilosophischen Gegner von BERKELEYs Lehre verspottet und die aus derselben seiner Ansicht nach mit logischer Notwendigkeit sich ergebenden Folgerungen sich aneignet, erscheint er so wenig als Gegner des Phänomenalismus, daß er vielmehr als dessen auch vor den äußersten Konsequenzen nicht zurückweichender Fortsetzer und (im wissenschaftlichen Sinne) dreister Vollender gelten muß. Sowohl das nihilistische Element wie das skeptische des Phänomenalismus erreicht durch ihn seinen Gipfelpunkt: jenes dadurch, daß zur Nicht-Existenz der Materie die Nicht-Existenz des individuellen Geistes, des menschlichen wie des göttlichen, sich gesellt, dieses dadurch, daß zu der Einsicht in die Unmöglichkeit einer Erfahrung dem Stoff, die weitere der Unmöglichkeit derselben der Form nach hinzutritt. Die Erweiterung des nihilistischen Elements durch HUME bedarf nach den vorangegangenen Erörterungen keines Beweises mehr; die Erstarkung des skeptischen aber zeigt sich in unwiderleglicher Weise in den HUME allein angehörigen Untersuchungen über die Kausalitätsform in der Erfahrung, die seinen Ruhm begründet hat. Daß die Kausalität, den Gesichtspunkt des Phänomenalismus einmal als gültig angenommen, nicht mehr eine physische sein kann, sagt er in der ersten seiner drei Folgerungen deutlich. Eine solche setzt sowohl von Seiten des Verursachenden wie des Verursachten eine Materialität oder zumindest Realität voraus, welche bloße Phänomene eben nicht besitzen. Daraus folgt, daß, wenn zwischen Phänomenen ein Kausalverband überhaupt stattfinden soll, derselbe nur in einer Weise beschaffen sein kann, wie es die bloß phänomenale Natur des dadurch Zusammenhängenden gestattet. Phänomene nun vermögen einander nicht zu erzeugen, denn dieses würde erfordern, daß sie mehr als Phänomene, d. h. daß sie Wirklichkeiten, also nicht bloß fähig Wirkungen hervorzubringen, sondern wirkend sind. Wohl aber können sie (wie dies z. B. bei den Phänomenen des Bewußtseins der Fall ist) das eine das andere nach sich ziehen, so daß mit dem Eintreten des einen das Eintreten des anderen erfolgt, ohne daß doch das eine durch das andere im strengen Sinn des Wortes hervorgebracht, sondern lediglich das Auftreten des einen durch das Auftreten des anderen herbeigeführt wäre. Der Unterschied beider Fälle besteht darin, daß bei der Erzeugung das Erzeugende und das Erzeugte dem Stoff nach identisch sein müssen, dagegen beim bloßen Nachsich-Ziehen das Nachziehende und das Nachgezogene ihrem Inhalt nach völlig verschieden sein können. Daher läßt sich wohl aus dem Inhalt des Erzeugenden auf den des Erzeugten, nicht aber aus dem des Nachsichziehenden auf den des Nachgezogenen jedesmal mit Sicherheit schließen. Letzteres ist nur dann der Fall, wenn der Inhalt des Nachgezogenen dem des Nachziehenden gleich oder in demselben eingeschlossen, dagegen nicht, wenn er demselben völlig ungleich ist. Da nun das Erzeugtwerden die Materialität oder zumindest die Realität des Erzeugenden und des Erzeugten voraussetzt, eine solche im Phänomenalismus, welcher die Realität sowohl der Materie als auch der Objekte leugnet, ausgeschlossen wird, so bleibt für die Welt der Phänomene als einzig mögliche Art eines Verbandes derselben untereinander nur diejenige übrig, durch welche das Nachgezogenwerden des einen oder mehrerer durch eines oder andere herbeigeführt wird. Diese Art des Verbandes ist aber keine andere als die Assoziation, von welcher die sogenannte Ideenassoziation in Bezug auf die Phänomene des individuellen Bewußtseins ein Beispiel gibt. Wie in diesem die Ideen nach dem sogenannten Gesetz der Ähnlichkeit, des Kontrastes, der Gleichzeitigkeit und der Sukzession sich untereinander in der Weise und mit dem Erfolg verbinden, daß die gleiche die gleiche, oder die entgegengesetzte die entgegengesetzte, die ungleiche die ungleiche nach sich zieht, so assoziiert sich in der Welt der Phänomene das gleiche mit dem gleichen, das ungleiche mit dem ungleichen aber gleichzeitigen oder darauf folgenden Phänomen, was zur Folge hat, daß mit dem gleichen das gleiche, mit dem ungleichen das ungleiche aber gleichzeitige gleichzeitig, oder das darauf gefolgte nach demselben eintritt. Das gleiche Phänomen wird daher sein gleiches immer, das ungleiche aber das ihm ungleiche nur dann mit sich führen, wenn dasselbe mit ihm gleichzeitig gewesen oder auf dasselbe gefolgt ist. Auch hängt die Verknüpfung des gleichen mit dem gleichen nicht von einem bestimmten Zeitpunkt, d. h. überhaupt nicht von der Zeit ab, da das gleiche mit dem gleichen stets gleichzeitig ist; dagegen beginnt die Assoziation des ungleichen mit dem ungleichen erst in demjenigen Zeitpunkt, in dem beide gleichzeitig aren oder auf den das andere gefolgt ist. Während daher gleiche Phänomene auf eine von der Zeit unabhängige, sind dagegen ungleiche auf eine von der Zeit abhängige Weise untereinander verknüpft, oder mit anderen Worten: die Verknüpfung gleicher Phänomene ist eine zeitlose (ewige), die ungleicher Phänomene eine zeitliche (in der Zeit entstandene); jene eine solche, von der sich, da sie von der Zeit unabhängig ist, nicht sagen läßt, daß sie zu irgendeiner Zeit nicht sein wird, diese eine solche, die, weil sie in der Zeit entstanden ist, zumindest vor dieser Zeit nicht da war. Verbindungen der ersten Art sind ausnahmslos, weil sie die Annahme eines Zeitpunkts, in welchem sie nicht stattfinden, ausschließen; Verbindungen der zweiten Art dagegen lassen Ausnahmen zu, weil sie die Annahme einer Zeit, zu der sie noch nicht bestanden haben, einschließen. Jene können daher mit Fug und Recht notwendige, diese dürfen nicht anders als zufällige, weil durch den Zufall der Gleichzeitigkeit oder der Aufeinanderfolge (ohne welchen sie gar nicht entstanden wären), herbeigeführte Verknüpfungen heißen. Der Gegensatz apriorischer, d. h. vom Eintritt in eine was auch immer zu welchem Zeitpunkt geknüpften Tatsache unabhängiger und empirischer, d. h. durch eine Tatsache, die auch nicht oder anders als sie erfolgt ist, hätte erfolgen können, geknüpfter Gesetze in der materiellen Körper- oder realer Substanzenwelt kommt als Gegensatz notwendiger und zufälliger Verbindungen unter den Phänomenen in der phänoemenalen Welt wieder zum Vorschein. Wie die Naturgesetze das bleibende, die Freiheitsgesetze das veränderliche Element in der materiellen und realen, so bilden die notwendigen Zusammenhänge der Phänomene das apriorische, deren zufällige das empirische Element der phänomenalen Welt. Wie jene zusammengenommen die Form der materiellen oder realen Welt, deren Material im ersten Fall die Materie, im zweiten die realen Substanzen ausmachen, so bestimmen die letzteren zusammengenommen die Form der phänomenalen Welt, deren Material die (noch unverbundenen) Phänomene, d. h. singulären Akte des Vorstellens ausmachen. Von diesen Verbindungen von Phänomenen sind die notwendigen mit Verbindungen gleicher (identischer), die zufälligen mit jenen ungleicher, entweder infolge von Gleichzeitigkeit oder von Sukzession miteinander assoziierter Phänomene gleichbedeutend. Beide Arten sind so beschaffen, daß infolge der Assoziation (als antecedens [Vorhergehendes - wp]) das andere (als consequens [Nachfolgendes - wp]) nach sich zieht. Ungeachtet daher das Band der Phänomene in jedem der beiden Fälle ein anderes, in dem einen die Gleichheit oder Ähnlichkeit, in dem anderen die bloße Gleichzeitigkeit oder Sukzession [Aufeinanderfolge - wp] der Phänomene ist, so werden dieselben doch in Folge der Assoziation sämtlich in sukzedierende verwandelt, indem sowohl das gleiche das gleiche, wie das ungleiche das ungleiche nach sich zieht, d. h. dasselbe als späteres sich als dem früheren nachfolgend macht. Diese Aufeinanderfolge selbst aber erzeugt abermals eine neue Art der Assoziation unter den beiden aufeinander gefolgten Phänomenen nach dem Gesetz der Sukzession, in deren Folge das vorangegangene Phänomen bei seinem Wiedererscheinen umsomehr das ihm gefolgte abermals als folgendes nach sich ziehen wird, ein Prozeß, der mit jeder erneuerten Wiederholung die Stärke des Assoziation und dadurch den Grad der Kraft, mit dem das vorangehende Phänomen das nachfolgende nach sich zieht, erhöht, so daß jene zuletzt unzerreißbar und diese unwiderstehlich wird, wie es bei jeder durch häufige Wiederholung allmählich erleichterten und durch Übung und Gewöhnung bis zur unvermeidlichen Gewohnheit sich steigernde Denk-, Gefühls- und Handlungsweise der Fall ist. Ein Verband dieser Art zwischen Phänomenen ist es nun, der von HUME als Kausalverband bezeichnet wird. Derselbe hat mit der physischen Kausation das gemein, daß das eine Phänomen jedesmal als vorangehendes, das andere jedesmal als nachfolgendes auftritt, und diese Ordnung niemals umgekehrt wird, sowie in der physischen Welt die Ursache stets früher als die Wirkung erscheint und diese Ordnung immer dieselbe bleibt. Dagegen unterscheidet sich dieselbe von jener dadurch, daß sie ein Band zwischen bloßen Phänomenen, diese dagegen ein solches zwischen materiellen Körpern oder doch realen Substanzen ausmacht, also in jener das spätere auf das frühere zwar folgt, aber nicht durch dieses erzeugt wird, in dieser dagegen das spätere durch das frühere erzeugt wird und daher auf dasselbe folgt. HUME selbst ist sich dessen, daß die von ihm sogenannte Kausalität von dem, was in der Naturansicht der Materialisten und Realisten mit diesem Namen belegt wird, von Grund auf verschieden ist, vollkommen bewußt; jede Art physischer Kausation, sowie die Existenz irgendeines im physischen Sinn des Wortes als Ursache anzusehenden Etwas ist der ersten seiner drei Folgerungen nach aus dem System des Phänonomenalismus ein- für allemal ausgeschlossen. Zwar stellt die Welt der Phänomene ebenso wie jene der materiellen Körper oder der realen Wesen ein im Fortschritt der Zeit sich veränderndes Ganzes dar, allein mit dem Unterschied, daß in der ersteren das Neue (d. h. die neuen Phänomene) auf das Alte (d. h. auf die alten) nur folgt, in diesen dagegen das Neue (d. h. die neuen Körper und neuen Realitäten) durch das Alte (d. h. die vorangegangenen Körper und vorangegangenen Realitäten) erzeugt wird. Der Szenenwechsel ist, um ein Beispiel aus der poetischen Welt heranzuziehen, in der Welt des Phänomenalismus ein epischer, in jener des Materialismus und Realismus ein dramatischer. In jener verläuft derselbe einfach am Faden der Zeitlinie, in dieser treibt die vorangehende Szene die nachfolgende mit innerer Notwendigkeit aus sich hervor, daher SCHILLER in diesem, nicht aber im Sinne HUMEs die Kausalität für die Kategorie des Dramas erklärt. Folge dieser Verschiedenheit des Verhältnisses, in welchem das Spätere zum Früheren in der phänomenalen, von demjenigen, in welchem es in der materialen und realen Welt steht, ist nun die Verschiedenheit des Grades der Zuversicht, mit welcher das künftige Eintreten des Späteren aufgrund des Eingetretenseins des Früheren erschlossen und vorhergesagt zu werden vermag. Dasselbe erfolgt in der materialen und realen Welt aufgrund des Vorhandenseins der physischen, d. h. der erzeugenden Ursachen, deren Erzeugtes, die Wirkung, nicht ausbleiben kann, und der Grad der Zuversicht, mit welcher das Eintreten des Künftigen erwartet werden darf, ist folglich der höchste, der sich überhaupt denken läßt. Dagegen erfolgt dasselbe in der phänomenalen Welt aufgrund der durch die wiederholte Erneuerung im direkten Verhältnis zur Zahl der Wiederholungen eingetretenen Verstärkung der Assoziation zwischen den Phänomenen mit demjenigen Grad der Zuversicht, welcher der eingetretenen Verstärkung proportional und daher wie diese einer stetigen Zunahme fähig ist. Erste heißt, da sie nicht vermehr werden kann, absolute, diese, da sich stets ein höherer Grad an Zuversicht, als der ihrige ist, denken läßt, relative Zuversicht; jene gewährt apodiktische, diese nur problematische Gewißheit (Wahrscheinlichkeit). Wie in der Aufhebung der Existenz des individuellen, sei es endlichen, sei es unendlichen Geistes die Erweiterung des nihilistischen, so liegt in der Ausschließung apodiktischer und alleinigen Zulassung problematischer Gewißheit die Verstärkung des skeptischen Elements, welche der Phänomenalismus durch HUME erfahren hat. Letztere wird dadurch, daß die Phänomene, deren eines das andere nach sich zieht, ursprünglich sowohl das gleiche wie auch ungleiche gewesen sein können, zwar modifiziert, aber nicht aufgehoben. Die Verbindung gleicher Phänomene ist zwar eine notwendige, insofern als der Grund, infolgedessen das eine das andere nach sich zieht, nicht deren Gleichzeitigkeit, sondern deren Gleichheit ist; allein die Zuversicht, mit welcher nach dem Eintreten des einen das Eintreten des anderen erwartet werden darf, bleibt nichtsdestoweniger der Menge der Fälle proportional, in welchen durch den wirklichen Eintritt die Assoziation beider Phänomene verstärkt und dadurch die Kraft des vorangehenden, das nachfolgende nach sich zu ziehen, erhöht worden ist. Verbindungen ungleicher Phänomene aber sind ansich schon zufällig und der Grad der Zuversicht, mit welchem nach dem Eintreten des einen jenes des anderen erwartet werden darf, kann daher gar nicht anders als der Zahl der Wiederholungen proportional sein, in welchen der wirkliche Eintritt des einen Phänomens nach dem andern das Band der Sukzession zwischen beiden befestigt und dadurch die Kraft des vorangehenden, das nachfolgende abermals nach sich zu ziehen, zum Wachsen gebracht hat. Der Unterschied der verschiedenen, obgleich unter beiden Voraussetzungen niemals anders als problematischen Gewißheit in dem einen und in dem andern Fall besteht darin, daß, sobald die Phänomene gleiche sind, ihre Verbindung untereinander daher von der Zeit unabhängig ist, ein Zeitpunkt, zu welchem dieselbe nicht stattgefunden hat, niemals angegeben werden kann, folglich die Tatsache, daß das eine das andere nach sich zieht, sich so oft wiederholen muß, als überhaupt Momente in der Zeit gegeben sind; während, sobald die Phänomene ungleiche, ihre Verbindung eine erst in der Zeit entstandene ist, sich jedesmal eine Zeit angeben läßt, in welcher dieselbe nicht vorhanden war, folglich die Anzahl möglicher Wiederholungen obiger Tatsache notwendigerweise kleiner sein muß als jene der in der ganzen Zeit enthaltenen Momente. Wie daher, gegen die absolute, d. h. einer Vermehrung unfähige Gewißheit gehalten, die relative komparativ [vergleichsweise - wp], d. h. jederzeit der Vermehrung fähig ist, so ist von obigen beiden relativen Gewißheiten die eine umso viel größer als die andere, als die Menge der Zeitpunkte überhaupt größer als die der von einem gegebenen an ablaufenden ist. Wie durch die Phänomenalität der Materie das Material der Natur, so gerät durch die ausschließliche Relativität der Gewißheit deren Form, die Naturgesetzlichkeit des Zusammenhangs ihrer Teile, ins Schwanken. Jene ersetzt die materiellen Körper oder doch realen Substanzen durch bloße Phänomene, diese führt an der Stelle apodiktischer, d. h. von der Zahl der sie bestätigenden Fälle unabhängiger Zusammenhänge, welche die Möglichkeit der Nichtbestätigung ausschließen, und dergleichen allein den Namen von Naturgesetzen führen und verdienen, problematische, d. h. mit der Zahl der bestätigenden Fälle an Vertrauenswürdigkeit wachsende, aber auch die Möglichkeit der Nichtbestätigung zulassende Zusammenhänge, d. h. bloße Naturregeln ein. Wie infolg des ersteren an die Stelle wirklicher der bloße Schein einer Materie, so tritt durch das letztere an die Stelle wirklicher der Schein von Naturgesetzen, durch beides zusammengenommen dem Material und der Form nach an die Stelle wirklicher der bloße Schein einer Natur. Dieser Punkt, der äußerste, zu welchem der Phänomenalismus durch HUME über dessen Vorgänger und seinen ursprünglichen Urheber, BERKELEY, hinausgeführt hat, bezeichnet zugleich denjenigen, von welchem An HUMEs Nachfolger KANT von diesem abgeführt worden ist. Aus der Verwandlung der Materie wie der realen Substanz in Schein ist schließlich eine solche der natürlichen in eine Scheinwelt geworden. IN der Rückverwandlung dieser in eine naturgesetzlich geordnete Erscheinungswelt besteht die Umbildung, welche KANT an HUMEs Lehre vollzogen hat. Jene beginnt mit dem Material der Natur und erstreckt sich zum Schluß auch auf deren Form. Diese beginnt mit der Form der in Schein verwandelten Natur und erstreckt sich zum Schluß auch auf deren Material. Während der Phänomenalismus durch BERKELEY das reale Substrat der phänomenalen Welt in ein bloß vermeintliches auflöst, durch HUME die Naturgesetze zu bloßen Naturregeln herabsetzt, geht KANT darauf aus, nicht nur die letzteren wieder zu Naturgesetzen zu erhöhen, sondern auch der phänomenalen (sensiblen) wieder eine noumenale (intelligible) Welt als reales Substrat (Ding-ansich) unterzulegen. Ersteres Bestreben, das, wie man sieht, die Form der in Schein verwandelten Natur betrifft, macht dasjenige aus, was man die Widerlegung HUMEs durch KANT, letzteres, welches durch die Wiederherstellung einer realen Grundlage des Scheins mit dem Material der in Schein verwandelten Natur sich zu tun mach, begreift dasjenige in sich, was man die Widerlegung BERKELEYs durch KANT zu nennen ein Recht hat. KANTs Mittel zur Erreichung des Erfolgs in ersterer Richtung besteht darin, den Grund gewisser Zusammenhänge unter den Phänomenen, statt, wie HUME, in deren Assoziation, in das Vorstellen selbst oder vielmehr in eine diesem eigentümliche Disposition zu verlegen. Treten nach HUME gewisse Phänomene infolge der Assoziation, so bringt sie nach KANT das Vorstellen, dessen Phänomene sie sind, vermöge einer ihm innewohnenden Disposition in einen solchen Verband, daß sie nicht mehr voneinander getrennt werden können. Während daher nach HUME jener Verband der Phänomene mit der Assoziation steht und fällt, mit deren Eintreten beginnt, mit der Zahl ihrer Wiederholungen an Stärke wächst, also zwar sich steigernde, aber niemals mehr als relative (problematische) Gewißheit zu erlangen vermag, steht und fällt er nach KANT mit der Natur des Vorstellens selbst, dessen Phänomene sie sind, und da mit dem Wegfallen des ersteren auch die Phänomene selbst wegfallen würden, so besteht er so lange und so oft, als diese selbst bestehen, also mit absoluter (apodiktischer), d. h. von der Zahl der bestätigenden Fälle unabhängiger, weder einer Vermehrung noch einer Verstärkung fähiger Gewißheit. Verbände dieser Art unter Phänomenen, welche von einer dem Vorstellen eigenen Disposition geschaffen werden, haben daher diejenige Gewißheit, welche wahren Naturgesetzen eigen und dadurch über jene infolge bloßer Assoziation entstandenen Naturregeln so weit erhaben ist, als das Unbedingte jeder Art über Bedingtes, Apodiktisches über Problematisches sich erhebt. Gerade den für den naturgesetzlichen Zusammenhang einer Welt, mag sie im Übrigen phänomenal oder real sein, wichtigsten Verband, den Kausalverband, welchen HUME als einen bloß infolge der Assoziation (ex post) entstandenen (a posteriorischen) betrachtet, rechnet KANT zu denjenigen, welche infolge einer dem Vorstellen innewohnenden Disposition durch dieses selbst zwischen gewissen Phänomenen desselben hergestellt, also diesen gleichsam von Haus aus (a priori) geschaffen werden. Die Aufeinanderfolge gewisser Phänomene in der Ordnung, daß jedesmal dasselbe vorhergeht und dasselbe nachfolgt, besitzt unter dieser Voraussetzung, aber auch nur unter dieser, dieselbe Unverbrüchlichkeit und Ausnahmslosigkeit, welche im Sinne des Materialismus und Realismus die physische Kausation, d. h. der Erzeugungsprozeß oder die Aufeinanderfolge der Zeitfolge des Erzeugten auf das Erzeugende verleiht, und die dadurch zum Kennzeichen eines Naturgesetzes wird. Wenn daher KANT dasjenige, was in seiner Auffassung als Kausalverband zwischen gewissen Phänomenen figuriert, die unverbrüchliche und ausnahmslose Aufeinanderfolge derselben in gleichbleibender Ordnung des Vorher und Nachher in der Zeit, ungeachtet dieselbe nur eine Auf- und keine Auseinanderfolge ist, als Naturgesetz bezeichnet, so hat er dazu insofern ein Recht, als jene Unverbrüchlichkeit und Ausnahmslosigkeit wenigstens eines und zwar ein wesentliches derjenigen Merkmale ausmacht, welche zum Begriff eines solchen gehören, jedenfalls ein größeres Recht als HUME, die nur infolge immer wiederkehrender Assoziation allmählich entstandene Gewohnheit der Aufeinanderfolge gewisser Phänomene, welche bei ihm ein Kausalverband zwischen denselben heißt, mit jenem Namen zu belegen. Die Unverbrüchlichkeit und Ausnahmslosigkeit gewisser Zusammenhänge unter den Phänomenen des Vorstellens war es, welche KANT der durch HUMEs Assoziationsprinzip herbeigeführten Lockerung aller Bande zwischen denselben in den Weg zu stellen sich bemühte. Nicht nur der Kausalverband zwischen Phänomenen sollte dem durch HUMEs Theorie begünstigten Verdacht, daß derselbe der Unterbrechung durch Ausnahmefälle jederzeit fähig ist, entrissen, d. h. der Satz, daß keine Wirkung ohne Ursache ist, zu einem wirklichen Naturgesetz erhoben werden, sondern auch andere Gedankenzusammenhänge, welche infolge von HUMEs Skeptizismus einer nur problematischen Gewißheit anheim fallen, sollten derselben, deren wahre Naturgesetze sich erfreuen, d. h. der absoluten Gewißheit teilhaftig werden. Unter den letzteren lagen KANT die Zusammenhänge der mathematischen Gedanken (d. h. der Phänomene der reinen Mathematik) am nächsten am Herzen, deren apodiktische Geltung gewahrt und vor dem infolge des HUMEs Theorie drohenden Schicksals einer bloß problematischen für immer geschützt werden sollte. Zwar hatte HUME dieselben für analytische Verbände, d. h. für Verbindungen gleicher (identischer) Phänomene erklärt und ihnen dadurch vor von ihm sogenannten synthetischen Verbänden, d. h. vo Verbindungen ungleicher (nicht identischer) Phänomene insofern einen Vorzug eingeräumt, als, wie am vorangegangenen Ort gezeigt worden ist, ersteren jederzeit eine größere (wenngleich ebenfalls nur problematische) Gewißheit zukommen muß als letzteren. KANT aber war weder gewillt, sich betreffs der Geltung der Mathematik überhaupt mit einer nur problematischen Gewißheit zu begnügen, noch war er imstande, seinerseits zu deren Gunsten von dem den analytischen Gedankenverbänden durch HUME eingeräumten relativen Vorzug Gebrauch zu amchen, da seinem (von mir an einem anderen Ort: "Über Kants mathematisches Vorurteil und dessen Folgen", Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse, Bd. 67, 1871, Seite 7 dargelegten) mathematischen Vorurteil zufolge dieselben nicht (wie HUME gemeint hatte) analytischer, sondern synthetischer Natur sein sollten. KANT befand sich daher vor der Alternative, entweder die ihm vor allen anderen Wissenschaften teure Mathematik dem Los nur problematischer, und zwar jener zweifelhafteren problematischen Gewißheit welches nach HUME sämtliche auf synthetischen Gedankenverbänden beruhende Wissenschaften treffen müßte, auszuliefern, oder Mittel und Wege zu schaffen, durch welche die Verbände mathematischer Gedanken ihrer synthetischen Natur zum Trotz die Unverbrüchlichkeit und Ausnahmslosigkeit wahrer Naturgesetze zu erlangen fähig würden. Er erreichte diesen Zweck auf dieselbe Weise, wie er es HUME gegenüber bei der Verwandlung des Kausalverbandes aus einer bloßen Naturregel in ein echtes Naturgesetz getan hatte, indem der den Grund der Synthese der mathematischen wie dort der als Ursache und Wirkung verknüpften Phänomene, statt wie HUME, in die Assoziation dieser Phänomene selbst, in eine ursprüngliche Disposition des Vorstellens, dessen Phänomene sie sind, verlegte. Wie die ursprüngliche Disposition des Vorstellens, welche dem Kausalverband zugrunde liegt, in der transzendentalen Analytik der "Kritik der reinen Vernunft" als apriorische Urteilsform des reinen Verstandes, so erscheint die ursprüngliche Disposition, welche der mathematischen Synthese den Charakter der Unverbrüchlichkeit und Ausnahmslosigkeit eines echten Naturgesetzes verleiht, in der transzendentalen Ästhetik derselben als apriorische Anschauungsform der reinen Sinnlichkeit. Das Vorstellen, das im Phänomenalismus der Träger sämtlicher Phänomene, aber bei BERKELEY und HUME nach BACONs und LOCKEs Vorgang selbst tabula rasa, d. h. als solches ohne ursprüngliche (angeborene) sowohl Ideen als Anlagen und Dispositionen ist, nimmt durch KANT den Charakter einer nach verschiedenen Seiten hin bestehenden Prädisposition für bestimmte Verbände und Zusammenordnungen der dasselbe erfüllenden Phänomene an, welcher dasselbe dem von LEIBNIZ (gegen LOCKE) gebrauchten Bild eines geäderten Marmors ähnlich macht. Wird dabei, wie KANT im Anschluß an WOLFFs (oder vielmehr BAUMGARTENs) psychologische Seelenvermögenstheorie tut, das Vorstellen selbst in ein niederes, dem unteren Erkenntnisvermögen (Sinne), und höheres, dem oberen (Verstand und Vernunft) entsprechendes geschieden, so gehört obige Prädisposition teilweise dem ersten, teilweise dem zweiten an. Jene faßt das durch die Sinne gegebene rohe Empfindungsmaterial zu einer räumlich und zeitlich geordneten Welt anschaulicher, diese zu einer einander inhärierender oder ursächlich bedingender Erscheinungen zusammen. Erstere besteht nun (nach KANT) aus den (zwei) sogenannten reinen (apriorischen) Anschauungsformen der Sinnlichkeit (Raum und Zeit), durch welche das Anschauliche im Neben- und Nacheinander angeschaut, letztere einerseits aus den (zwölf) sogenannten reinen (apriorischen) Urteilsformen des Verstandes, durch welche das Angeschaute im Verhältnis des Trägers (Substanz) und seiner Eigenschaften (Akzidenzen), des Bedingenden (Ursache) zum Bedingten (Wirkung) usw. stehend gedacht, andererseits der (drei) sogenannten reinen (apriorischen) Schlußformen der Vernunft, durch welche das in jedem der obigen Verhältnisse Stehende zur Einheit erhoben und als Träger der Totalität aller Eigenschaften, als Totalität aller Ursachen und Wirkungen usw. zusammengefaßt wird. In dieser Neuerung und der dadurch herbeigeführten Erhebung gewisser nach HUME lediglich aposteriorischer Synthesen, denen nur problematische, zu apriorischen, denen apodiktische Geltung zukommt, besteht die Berichtigung, welche HUMEs Phänomenalismus durch KANT oder, wenn man will, die Widerlegung, welche dessen Skeptizismus durch KANTs Kritizismus wirklich erfahren hat. COLLYNS SIMON, der die angebliche Widerlegung HUMEs durch KANT in einer von der obigen ganz verschiedenen Richtung sucht, kann folgerichtig nicht zugeben, daß ihm eine solche gelungen ist. Ihm zufolge, der, wie wir gesehen haben, HUMEs vermeintlichen Phänomenalismus als Maske betrachtet, hat KANT schon darin einen Irrtum begangen, daß er HUMEs Deduktionen aus BERKELEYs Lehre ernst genommen hat, einen Irrtum freilich, der, wie SIMON selbst zugibt, ihm als Ausländer weniger zur Schuld angerechnet werden kann, da alle Landsleute HUMEs von einst und jetzt in dem gleichen befangen waren und noch sind. Diesen jedoch einmal zugegeben, hat KANT die von HUME aus BERKELEYs Lehre (wie SIMON meint, im Scherz, wie KANT gemeint hat, im Ernst) gezogenen Folgerungen zwar widerlegen wollen, aber nicht widerlegt. Vielmehr sei das Umgekehrte eingetreten. KANT hält im Ernst wie HUME im Scherz an der Lehre von der Phänomenalität der Materie fest, aber statt die von HUME, um sich über dieselbe lustig zu machen, daraus gezogenen Folgerungen, daß erstens keinerlei Ursache, zweitens keinerlei reales Ich und drittens keinerlei intelligente Weltursache existiert, zu bestreiten, stimmt er selbst "in aller Würde und Ernsthaftigkeit" (in all seriousness and gravity) mit dem "spaßhaften jungen Juristen" (jocular young lawyer) darin überein (agrees),
Letzteres ist in der gegenwärtigen Abhandlung wenigstens nicht die Frage. Dieselbe hatte lediglich zum Zweck, zu untersuchen, nicht ob HUMEs aus BERKELEYs Lehre gezogenen Folgerungen wahr, sondern ob dieselben von ihm in ernsthafter oder, wie SIMON meint, in nur scherzhafter Weise aus dieser gezogen worden sind. Die ausschließlich auf eine historische Darlegung gerichtete Absicht derselben ging nicht dahin, die Wahrheit des Phänomenalismus, sondern dessen Entstehung und allmähliche Entwicklung aus und im Gegensatz zum Materialismus und Realismus darzulegen und die im Gegensatz zu SIMON ernsthaft gemeinte Lehre HUMEs als die natürliche Fortsetzung, Erweiterung und Vollendung der Lehre BERKELEYs offenzulegen. Wie sie dadurch ihrem Vorhaben gemäßt die Stellung HUMEs zu BERKELEY, so glaubt sie durch die Darstellung der Umbildung welche HUMEs Phänomenalismus von Seiten KANTs durch die Einführung apriorischer anstatt ausschließlich aposteriorischer Synthesen erfahren hat, die Stellung HUMEs zu KANT in ähnlicher Weise klargestellt zu haben, wie ich es an einem anderen Ort ("Über Kants Widerlegung des Idealismus von Berkeley, Sitzungsbericht LXVIII der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, phil-hist. Klasse, Wien 1871, Seite 713) bezüglich der Stelleung KANTs zu BERKELEY versucht habe. In die Erörterung des Mißverständnisses näher einzugehen, das dem Verteidiger BERKELEYs begegnet, wenn er KANTs behauptete Unerkennbarkeit jenseits der Grenzen der Erfahrung gelegener Dinge für eine Leugnung derselben ansieht, und welches auf einer Verwechslung des Standpunkts kritischer Enthaltsamkeit mit jenem dogmatischer Verneinung beruth, ist in dieser Abhandlung nicht der Ort. Ihr Zweck ist erreicht, wenn es gelungen ist zu zeigen, daß nicht nur HUMEs, sondern auch KANTs phänomenale Welt eine natürliche Tochter des Phänomenalismus und des letzteren Erscheinungswelt (to phainomenon), wie von der Scheinwelt BERKELEYs durch ihr reales Substrat (to noumenon, Ding-ansich), so von jener HUMEs durch den Apriorismus ihrer Formen (Zeit, Raum, Kausalität) unterschieden ist. |