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DIMITRI MICHALTSCHEW
Philosophische Studien
[3/3]

"Der teleologische Kritizismus kommt zu der trostlosen Überzeugung, daß auf dem Boden eines vorstellenden Bewußtseins das Problem der Erkenntnis und der Wahrheit unlösbar ist. Nachher die Manipulationen mit dem Bewußtsein überhaupt und das Bestreben, dieses Bewußtsein als ein ausschließlich urteilendes aufzufassen und es jenem teleologischen Regime zu unterwerfen, dem vorher die individuelle Seele scheinbar unterworfen wurde, all das sind für die kritisch-teleologische Begründung der Objektivität höchst wesentliche Überlegungen - sie sind aber bloß Scharmützel. Das Hauptgefecht ist schon ausgefochten. Und es wurde ausgefochten aufgrund der echt psychologistischen Wahrheit, daß das Vorgestellte, das  Vorstellungsmäßige  (das Gegebene) nicht von einem Bewußtsein unabhängig sein kann."

"Die frühere psychologistische Theorie der Erkenntnis suchte das Richtunggebende als etwas, dem die Vorstellungen  entsprechen  sollten, aufzufassen. Der moderne, der teleologisch-kritische Psychologismus sucht den Finger des Transzendenten im Urteil zu erraten. Nach der alten Erkenntnistheorie erkenne ich den "Gegenstand" nachdem ich ihn mir vorgestellt habe, indem ich meinetwegen ein  Abbild,  eine  Wirkung  von ihm bekommen habe. Nach der  modernen  Erkenntnistheorie erkenne ich den  Gegenstand  (der Erkenntnis), indem ich ihn im Urteil anerkenne. Durch diese Umwandlung des Erkennens in eine Anerkennung verschwindet einer der uralten Gegensätze der psychologistischen Erkenntnistheorie: Gedachtes - Gegenstand der Erkenntnis."

"Worin diese mystische Verschmelzung des Ereignisses mit der Wahrheit besteht, weiß niemand. Man fragt, wie dieses Erlebnis der Wahrheit möglich ist, wie man sich das denken kann. Husserl antwortet: Die Wahrheit ist Erlebnis in jenem  total geänderten  Sinn, in dem ein Allgemeines, eine Idee ein Erlebnis ist. An einer anderen Stelle lesen wir bei ihm: Im Abstraktionsakt ... ist uns das Allgemeine selbst  gegeben;  ... wir erfassen es, wir  erschauen es.  Man kann auch stärkere Worte als  in total geändertem Sinn  aussprechen, doch wird das  Erfassen  der Wahrheit in der Evidenz, das  Erschauen  des Allgemeinen ewig ein Mysterium bleiben."


IV.
Die psychologistischen und dogmatischen
Grundlagen des teleologischen Kritizismus

14. Wir sahen oben, das Charakteristische für den Psychologismus ist die Entgegensetzung von Gegebenem und Gegenstand der Erkenntnis, der Dualismus des Immanenten und Transzendenten, im günstigsten Fall - des Bewußtseins und seines Inhaltes. Schon am Anfang des II. Kapitels haben wir festgestellt, nach dem teleologischen Kritizismus lautet das Grundproblem der Erkenntnistheorie: was ist der Gegenstand der Erkenntnis, oder wodurch erhält das Erkennen seine Objektivität? Diese Hauptfrage aber ist für unsere Philosophen gleichbedeutend mit der nach dem Transzendenten (1). Diese Problemstellung selbst genügt, uns zu zeigen, die heutige  "kritische"  Philosophie ist nicht nur nicht voraussetzungslos, oder "die voraussetzungsloseste", "die man sich überhaupt zu denken vermag", wie sie uns ihre Vertreter empfehlen, sondern sie geht von einem Vorurteil aus, von demselben, wie ihr Vorgänger, der  "dogmatische"  Psychologismus. Das "Richtunggebende", der Gegenstand der Erkenntnis ist nicht und kann nicht dem Bewußtsein gegeben sein, er ist etwas anderes als das Gegebne, von diesem Unterschiedenes; wenn man will: er kann nicht im Rahmen des Gegebenen verstanden werden. Dieser Satz wird als etwas Selbstverständliches betrachtet, und wir wissen, was diese Selbstverständlichkeit bedeutet. Wollte jemand einwenden, daß er von den teleologischen Kritizisten nicht von vornherein für etwas Zweifelloses gehalten wird, sondern Resultat ihrer Kritik gegen den erkenntnistheoretischen Realismus ist, so kann er sicher sein, von dieser Kritik hat er nichts begriffen. Diese Kritik ist gegen jenen  dualistischen  Realismus gerichtet, der die Wirklichkeit (das Richtunggebende) nicht in den "Grenzen" des Gegebenen verstehen möchte, sondern sie dem letzteren  entgegenstellt  und sie "außer" ihm, in etwas Transzendentem sucht: das ist besonders klar bei der Prüfung, der RICKERT die Ansichten ALOIS RIEHLs unterwirft. Die Meinung aber, es sei möglich, daß das Richtunggebende, der Gegenstand der Erkenntnis, als eine vom Subjekt unabhängige Wirklichkeit uns  zugleich  gegeben ist (und daß man nicht bloß "wissen" könne, daß sie  ist,  sondern sie als etwas "ganz Bestimmtes" haben könnte), das hält man von vornherein für Unsinn. Mit ihr befassen sich sogar unsere Philosophen nicht. Wie kommt es dann, daß die teleologischen Kritizisten, die so feinsinnig die Sünden der Gegner suchen, in anbetracht dieser Möglichkeit zur Tagesordnung übergehen können? Ist denn die Unmöglichkeit dieses Weges so selbstverständlich? Gewiß! Für einen folgerichtigen Psychologisten gibt es keine solche Möglichkeit. Kraft seines Standpunktes ist er nicht imstande zu begreifen, wie etwas irgendwie dem Bewußtsein gegeben und in derselben Zeit in seinem Bestehen von ihm unabhängig sein kann. Wo die Wurzeln dieser Lehrmeinung stecken, wissen wir scheon: alles, was dem Bewußtsein gegeben ist, ist etwas ihm Zugehöriges. Was vom Psychologismus überhaupt gilt, gilt auch vom teleologischen Kritizismus im besonderen. In dieser Lehre entspricht dem, was wir Gegebenes nennen, das Vorstellungsmäßige im Urteil, die Vorstellungen, die als solche selbstverständlich Vorstellungen eines Bewußtseins, einer Seele sind. Und weil das hier nichts anderes bedeuten kann, als: dem Bewußtsein (bzw. der Seele) zugehörige, so wäre es natürlich ein Unsinn, die Vorstellungen oder das Vorgestellte als etwas in seinem Bestehen vom Bewußtsein Unabhängiges auffassen zu wollen. Das geht nicht. Deshalb bedroht uns auch die erste Hälfte des Dilemmas (2), das eine dringende und entschiedene Antwort von jedem Psychologismus verlangt: Solipsismus (subjektiver Idealismus) oder Reform des Bewußtsein. "Idealistisch nämlich", sagt RICKERT, "ist unsere Ansicht insofern als sie in Übereinstimmung mit dem ... subjektiven Idealismus kein anderes als das in der Vorstellung (idea) unmittelbar gegebene Sein annimmt." Wenn aber alles, was dem Bewußtsein gegeben ist, ihm zugehörig wäre, dann wäre entweder auch das Körperliche eine Eigentümlichkeit des Bewußtseins: die Konsequenz FRIEDRICH ÜBERWEGs, oder das Räumliche wäre Psychisches, Seelisches. Der teleologische Kritizist wird diesem Einwand mit der Behauptung begegnen, eine solche Argumentation berührt seine Lehre nicht: sie kann höchstens nur gegen eine Erkenntnistheorie gültig sein, bei der man unter Subjekt "mein Bewußtsein", die Seele versteht. Bloß bei einer solchen Auffassung des Subjekts hat es einen Sinn zu sagen, daß "alles Gegebene" "Bestandteil" des Bewußtseins ist, und dadurch scheinen die Körper in der Tat, wie alle übrigen Bewußtseinsinhalte, zu psychischen Vorgängen zu werden." (Gegenstand d. Erk. Seite 67) Aber in der Auffasung des teleologischen Kritizismus vom erkenntnistheoretischen Subjekt, die bekanntlich sogar den psychischen Charakter des erkenntnistheoretischen Bewußtseins bestreitet, bedeutet das Wort "Vorstellung" (im Sinne von Bewußtseinsinhalt) nicht unbedingt etwas Psychisches: auch die Körper sind bei dieser Ansicht "Vorstellungen". "Es muß ein Unterschied gemacht werden zwischen psychischem Sein und dem Bewußtseinsinhalt, dem immanenten Sein."

Gewiß steckt in dieser Apostrophierung etwas Wahres, das unbedingt berücksichtigt werden muß. Es ist richtig, daß RICKERT unter Bewußtseinsinhalt ungefähr das versteht, was ich mit den Worten "Gegebenes schlechthin" ausdrücke, d. h. das Gegebene jenseits der Unterschiede: Wirkliches - Scheinbares, Ansichseiendes - Fürmichseiendes, Psychisches - Physisches etc. Andererseits kennt der teleologische Kritizismus, außer dem Gegebenen schlechthin, noch etwas, und das sind die "nichtvorstellungsmäßigen Elemente", die er im Urteil als solchem entdeckt zu haben glaubt. - Nun ist aber in unserem Fall all das ungenügend, um den Vorwurf, den wir gegen diese Lehre erheben, zu entkräften. Wenn man  den logischen Gang ihres Aufbaus  verfolgt - und gerade dies muß hier besonders stark betont werden, - wird man sehen, daß sie  zunächst  diese sogenannten "nichtvorstellungsmäßigen Elemente" im Urteilen als "Vorgang" der individuellen Seele, "meines Bewußtseins" entdeckt. Und in der Tat ist hier schon, auf dem Terrain des individuellen Bewußtseins, das Hauptgefecht ausgefochten. Hier nämlich kommt unser Kritizismus zu der trostlosen Überzeugung, daß auf dem Boden eines vorstellenden Bewußtseins das Problem der Erkenntnis und der Wahrheit unlösbar ist. Nachher die Manipulationen mit dem Bewußtsein überhaupt und das Bestreben, dieses Bewußtsein als ein ausschließlich urteilendes aufzufassen und es jenem teleologischen Regime zu unterwerfen, dem vorher die individuelle Seele scheinbar unterworfen wurde, all das sind für die kritisch-teleologische Begründung der Objektivität höchst wesentliche Überlegungen, sie sind aber - um uns mit einem Bild im Geist der obigen Analogie auszudrücken - bloß Scharmützel. Das Hauptgefecht ist schon ausgefochten. Und es wurde ausgefochten aufgrund der echt psychologistischen Wahrheit, daß das Vorgestellte, das "Vorstellungsmäßige" (das Gegebene) nicht von einem Bewußtsein unabhängig sein kann.

15. Auf dieser psychologistischen Wahrheit fußend, kommen unsere Philosophen zu dem Schluß, eine Erkenntnistheorie, die die Wahrheit und die Erkenntnis als etwas Objektives und vom (erkennenden) Bewußtsein Unabhängiges verstehen und begründen wollte, ausschließlich auf der Basis eines vorstellenden Bewußtseins, muß notwendigerweise Schiffbruch erleiden. Von Objektivität kann man nur da reden, wo etwas vom Subjekt Unabhängiges vorhanden ist. Es hat jedoch keinen Sinn vom "unabhängigen Bestehen" einer Vorstellung oder eines Aggregats von Vorstellungsmäßigem zu sprechen. Soweit der teleologische Kritizist immer und überall betont, daß die Wahrheit und die Erkenntnis nicht in den "Vorstellungen" gesucht und gefunden werden kann, will er damit einstweilen gar nichts anderes ausdrücken als das schlichte Dogma jenes Psychologismus, daß auf dem Gebiet des  Gegebenen  keine  Unabhängigkeit  verständlich ist, weil das, was dem Bewußtsein gegeben ist, nicht von ihm unabhängig sein kann. Deshalb würde, wenn es uns unmöglich wäre, aus dem Vorstellungsmäßigen, den "Vorstellungen", dem Gegebenen herauszugehen und "im Gegensatz zum subjektiven Idealismus" etwas Transzendentes aufzuweisen (Gegenstand d. Erk. Seite 165), die Objektivität der Erkenntnis ein leeres Wort, eine in erkenntnistheoretischer Hinsicht sinnlose Phrase sein.

Wenn wir dem, was der teleologische Kritizismus ausspricht, aufmerksam zuhören, werden wir sofort bemerken, dasselbe Lied (nur in anderer Melodie) sang auch die frühere, die vorkantische psychologistische Philosophie. Sie sagte auch (oder sie setzte voraus), wenn es außer dem Gegebenen (Vorgestellten) nichts anderes "gibt", dann verliere die Erkenntnis ihren Sinn, weil jede Objektivität (der Wahrheit) ruiniert und gestrichen würde (3). Dann würde der Subjektivismus, der Popanz jeder Erkenntnistheorie, auf den Thron gesetzt. Das Lied der "dogmatischen" psychologistischen Erkenntnistheorie und das der "kritisch" genannten Philosophie ist ein und dasselbe, wie gesagt, es gibt bloß einen Unterschied in der Weise, wie es gesungen wird. Während die früheren Philosophen das Richtunggebende (dasjenige, was unserer Erkenntnis Objektivität verleiht) in einem transzendenten  Sein  suchten, bemühen sich die modernen Psychologisten (teleologische Kritizisten genannt) das Richtunggebende in einem transzendenten  Sollen  zu finden. Das ist natürlich ein erheblicher Unterschied. Doch das  Wesentliche  jedes Psychologismus bleibt bestehen: das Richtunggebende, der Gegenstand der Erkenntnis ist nicht etwas Gegebenes und kann nicht als etwas Gegebenes verstanden werden. Die frühere psychologistische Theorie der Erkenntnis suchte das Richtunggebende als etwas, dem die Vorstellungen "entsprechen" sollten, aufzufassen. Der moderne, der teleologisch-kritische Psychologismus sucht den Finger des Transzendenten im Urteil zu erraten. Nach der alten Erkenntnistheorie erkenne ich den "Gegenstand" nachdem ich ihn mir vorgestellt habe, indem ich meinetwegen ein "Abbild", eine "Wirkung" von ihm bekommen habe. Nach der "modernen" Erkenntnistheorie erkenne ich den "Gegenstand" (der Erkenntnis), indem ich ihn im Urteil anerkenne. Durch diese Umwandlung des Erkennens in eine Anerkennung verschwindet einer der uralten Gegensätze der psychologistischen Erkenntnistheorie: Gedachtes - Gegenstand der Erkenntnis. Der alte Psychologismus gerät in einen unheilbaren Widerspruch mit der Annahme, daß der Gegenstand der Erkenntnis einerseits einen Gegensatz zum Gedachten bildet und andererseits, soweit er das Gedachte "reguliert", selbst etwas Gedachtes sein mß, also dasjenige sein muß, was er nach seiner Definition nie sein darf. Der kritisch-teleologische Psychologismus kennt diese Entgegenstellung nicht. Das logisch Gedachte (das Beurteilte) ist nicht etwas, was mit dem Gegenstand der Erkenntnis in einem Gegensatz steht, sondern ist der Gegenstand der Erkenntnis  selbst:  er wird erkannt (logisch gedacht), indem er anerkannt wird. - Und soweit die teleologischen Kritizisten sich bemühen, diesen Unterschied als eine unüberbrückbare Kluft zwischen der Vergangenheit und der Zukunft der Philosophie darzustellen, kann diese Behauptung einen Eindruck nur auf den machen, der sich noch gar nicht klar darüber ist, worin das Wesentliche, der Bazillus der psychologischen Epidemie besteht. Das ist nunmehr, wie wir bewiesen haben, der Dualismus von Gegebenem und Gegenstand der Erkenntnis. Die Dekorationen dieses Dualismus wechseln, aber der "Kern" bleibt bestehen. Für die vorkantische Erkenntnistheorie hatte dieser Kern folgende Schale: Denken - Sein, Gedachtes - Wirkliches, Vorstellung - Vorgestelltes, Wahrnehmung - Wahrgenommenes. Mit Recht finden die teleologischen Kritizisten diesen Ansatz voll von Schwierigkeiten, Widersprüchen und Voraussetzungen. Sie selbst wollen uns jedoch, wie bekannt, eine voraussetzungslose Theorie der Erkenntnis geben, sogar die "voraussetzungsloseste, die man sich zu denken vermag."

16. Deshalb schreibt auch RICKERT: "Die Erkenntnistheorie kann nicht wie der empirische Realismus vom Begriff einer ansich bestehenden objektiven Wirklichkeit  ausgehen"  (Gegenstand d. Erk. Seite 195). Gewiß, sie  darf  nnicht, aber eine psychologistische Philosophie  kann nicht anders  als von einem Dogma ausgehen. Ich stelle die Frage: welches ist denn ihr eigentlicher  Ausgangspunkt,  der des teleologischen Kritizismus? Eine klare und entschiedene Antwort auf diese Frage ist nicht zu finden. Man mußte erwarten, eine Philosophie, die "die logischen Voraussetzungen der Wirklichkeitserkenntnis" zu finden sucht, sollte von etwas absolut Zweifellosem ausgehen, was keinesfalls für ein Vorurteil, für eine Voraussetzung gehalten werden könnte, und sie ist wahrhaft eifrig bemüht, diesen Eindruck zu erwecken. Für den Aufmerksamen ist hier offenkundig der Ausgangspunkt wirklich nicht der Dualismus von Denken und Sein. Er ist also nicht der Gegensatz von Gegebenem und Wirklichem, doch an seine Stelle tritt ein anderes Dogma auf: die Entgegensetzung des Vorstellungsmäßigen und Aufgegebenen, bzw. die Scheidung zwischen Inhalt und Form; da liegt der Hase im Pfeffer! Wenn man die Beweisführung des teleologischen Kritizismus zu verfolgen sucht,  ohne vorauszusetzen,  daß dasjenige, was gültig ist, nie als Gegebenes und im Rahmen des Gegebenen begründet werden kann, dann würde man durch die Untersuchungen RICKERTs, der verhältnismäßig das abgerundetste "System" dieses Kritizismus gegeben hat, beständig von der Kraft schockiert, "die stets das Große will und stets das Kleine schafft". Natürlich werde ich diesen meinen "Eindruck" sofort begründen, damit er nicht "subjektiv" bleibt.


V.
Der Gegensatz zwischen Realem und Idealem
(bei Bolzano und Husserl)

17. Bevor wir zu der angekündigten Versprechung übergehen, darf man hier noch passend die Feststellung einfügen, daß im ganzen dasselbe Dogma fast in jeder Zeile der HUSSERLschen "Logischen Untersuchungen" zum Vorschein kommt. Auch er setzt den fundamentalsten erkenntnistheoretischen Gegensatz von Realem und Idealem, von "empirischem Erlebnis" und "idealer Möglichkeit" voraus. Zwischen beiden gähnt, wie er selbst sagt, eine unüberbrückbare Kluft. - Selbstverständlich ist es auch seine Überzeugung, wie oben bei den teleologischen Kritizisten, eine von allen "metaphysischen, psychischen und psychologischen Voraussetzungen" freie erkenntnistheoretische Untersuchung gegeben zu haben (4). Dieser Forscher ist in den letzten Jahren bekannt geworden als entschiedener Kämpfer gegen die psychologistische Erkenntnistheorie, und der ganze erste Band seiner "Untersuchungen" enthält fast nichts weiter als eine Polemik gegen die verschiedenen Formen des Psychologismus, gegen die psychologistischen Formen des Psychologismus, gegen die psychologistischen Auffassungen der Wahrheit. In dieser seiner Polemik hat er ohne Zweifel durchblicken lassen, daß in der Doktrin seiner Gegner etwas Widersinniges steckt. Was er aber als Positives gibt, als Erklärung dieser von uns nur gefühlten Widersinnigkeit und für ihre Überwindung, stellt noch lange keine tatsächliche Überwindung der psychologistischen Erkenntnistheorie dar, vielmehr ist es eine seltsame, interessante, jedoch völlig inkonsequente Variation des ursprünglichen Psychologismus, die im Geiste PLATONs (wie ihn LOTZE interpretierte) gemacht ist. In einer Auseinandersetzung mit HUSSERL sagt PAUL NATORP: Wenn man  will,  kann man auch bei HUSSERL Psychologismus finden. (5) Bei ihm, von seiner Polemik hingerissen, bedeuten diese Worte nicht viel. Ich meine aber, wenn man  weiß, was  eigentlich Psychologismus ist, so wird man ihn  unbedingt  bei HUSSERL finden. Obgleich er uns eine, von allen metaphysischen und psychologischen Voraussetzungen freie Untersuchung verspricht, ist doch seine Arbeit, wie ich auch oben schon betont habe, auf eine Voraussetzung gebaut, die von vornherein einen Schatten auf ihren philosophischen Wert wirft. Diese Voraussetzung ist nämlich: Reales  und  Ideales, ganz allgemein ausgedrückt: das Bewußtseiende bildet einen Gegensatz zum Gültigen. In der Tat ist die Art, in der dieser Gegensatz bei HUSSERL interpretiert wird, bzw. die Art und Weise, wie man mit ihm hier manipuliert, ziemlich verschieden von der, die wir bei den teleologischen Kritizisten finden. Hier hört man ganz selten das Wort von seiner Transzendenz. HUSSERL betont sogar ausdrücklich, daß nach ihm die sogenannte Frage nach der Existenz und Natur der Außenwelt mit der Erkenntnistheorie nichts zu tun hat, sie ist ein durchaus metaphysisches Problem (Log. Unt. II, Seite 20, 365). Nun besagen diese Worte noch nichts gegen eine  prinzipielle  Ähnlichkeit der Lehrmeinung, die wir in dieser Untersuchung speziell erörtern, mit der HUSSERLs. Zunächst ist beiden Gemeinsam, daß sie vom dem Punkt ausgehen, daß Bewußtseiendes (Gegebenes) und absolut Gültiges einen Gegensatz bilden müßten; sie gehen also von einem Dualismus des Realem und Idealen aus. (6) Wie die teleologischen Kritizisten  voraussetzten,  daß das zeitlos Gültige nicht  "ist"  und im Rahmen des Naturgesetzlichen nicht verstanden werden kann, so meint auch HUSSERL: das Ideale ist kein Phänomen unter Phänomenen (Log. Unt. I, Seite 128) und kann nicht als "psychisches Erlebnis" in seiner Idealität verstanden werden (Log. Unt. II, Seite 669-673). Für die teleologischen Kritizisten ist der Gegenstand der Erkenntnis kein "Phänomen" und kann nicht als Phänomen aufgefaßt werden. Was die Erkenntnis möglich macht, heißt bei ihnen Transzendentes, weil es nicht etwas "Phänomenales", Gegebenes ist; und diese seine Rolle, das objektive Denken, die Erkenntnis möglich zu machen, kann nicht in den Grenzen des Gegebenen, des "Phänomenalen" verstanden werden. Dasselbe findet sich bei HUSSERL-BOLZANO. Sie nennen wirklich das Richtunggebende für die Erkenntnis nicht "Gegenstand des Erkennens", und man wird überhaupt selten in ihren Schriften die Worte "immanent" oder "transzendent" finden. Trotzdem ist der  Sinn  ihrer Ausführungen derselbe wie bei den teleologischen Kritizisten. Auch nach diesen zwei Forschern ist das, was das richtige Denken, das Erkennen und die Wissenschaft möglich macht, (also der Gegenstand der Erkenntnis) etwas  Verschiedenes  von dem, was Gegebenes, was "psychisches Erlebnis" ist. Und wir hören HUSSERL noch im Anfang seiner Arbeit sich beklagen über die "fast unausrottbare Neigung, immer wieder von der phänomenologischen Denkhaltung in die schlicht objektive zurückzufallen ... , ja die intentionalen Gegenstände überhaupt als phänomenologische Bestandstücke ihrer Vorstellungen anzusehen (Log. Unt. II, Seite 365). Wie RICKERT und WINDELBAND von der Voraussetzung ausgehen, das Richtunggebende sei etwas anderes als das Gegebene und könne im Rahmen des Gegebenen nicht begründet werden, ebenso gehen HUSSERL und BOLZANO von einem Dualismus des Erlebnisses und des Gegenstandes der Erkenntnis ("Bedingungen der Wahrheit selbst", vgl. BOLZANO, Wissenschaftslehre I, Seite 64-65) oder von der Entgegensetzung von Realem und Idealem aus. Das Ideale ist etwas, was "überzeitlich" gilt, ganz gleich, ob es anerkannt wird oder nicht, ob wir imstande sind, es zu wissen oder nicht, ob wir es besitzen oder nicht. Etwas Ideales beispielsweise sind die Wahrheiten, die "Sätze ansich". Sie bilden einen unüberbrückbaren Gegensatz zu den "Tatsachen". Sie  sind  nicht, sie  gelten.  Die Sätze ansich schreibt BOLZANO, haben kein Dasein (keine Existenz oder Wirklichkeit). "Nur der gedachte oder behauptete Satz, d. h. nur der  Gedanke  an einen Satz, desgleichen das einen gewissen Satz enthaltende Urteil hat Dasein im Gemüt des Wesens, das den Gedanken denkt oder das Urteil fällt; allein der Satz ansich, der den Inhalt des Gedankens oder Urteils ausmacht, ist nichts  Existierendes dergestalt, daß es ebenso ungereimt wäre zu sagen, ein Satz habe ewiges Dasein, als, er sei in einem gewissen Augenblick entstanden und habe in einem anderen wieder aufgehört." (7).

Nach all dem ist es augenscheinlich, daß das Ideale - als das, was die Erkenntnis möglich macht, - fast genau in demselben Sinne transzendent ist, wie nach den teleologischen Kritizisten der "Gegenstand der Erkenntnis". In Bezug auf die Auffassungsweise, wie die beiden entgegengesetzten Momente die Erkenntnis, das objektive Denken schaffen, gibt es einen großen Unterschied zwischen den hier verglichenen Richtungen. Das sind Unterschiede in der gekünstelten Art, wie der im Anfang gebildete Abgrund überbrückt werden soll, dessen Überbrückung man für eine "ewige" und "großartige" Aufgabe der Erkenntnistheorie hält. (8) Doch stören diese Unterschiede die Einheit keineswegs. Dasjenige Dogma, von dem in allen psychologistischen Versuchen, die für die Lösung des Problems der Erkenntnis gemacht worden sind, ausgegangen wird, ist die von vornherein willkürlich postulierte Entgegensetzung des Gegebenen (Erlebten) und dessen, was die Objektivität der Erkenntnis und der Wahrheit möglich macht (d. h. des Wirklichen, das ansich Seienden, oder des ansich Gültigen, des Idealen). Und wenn als  Resultat  solcher Versuche immer die "ewige Wahrheit" erscheint, daß schließlich die Objektivität des Wahren unbegreiflich ist, und daß unmöglich eine starke Position gegen den unheilbaren Relativismus und Subjektivismus zu gewinnen ist, wenn nicht ein - nach einigen -  transzendentes  Sein, nach anderen  transzendentes  Sollen, ein absolutes Sein oder ein absolut Gültiges angenommen wird, so ist das bloß scheinbar ein "Resultat" solcher erkenntnistheoretischen Versuche. Eigentlich ist das, die ewige  Voraussetzung,  die nie gesagt wird, deren dogmatische Annahme oft bestritten wird, die sich aber dem Aufmerksamen nicht entziehen kann.

Etwas eigenartiger steht die Sache bei SCHUPPE. Er setzt auch voraus, der "Gegenstand der Erkenntnis", das, was die Objektivität der Erkenntnis möglich macht (das Bewußtsein überhaupt), steht dem "Gegebenen der Sinne" gegenüber. Bei ihm aber bilden sie als abstrakte Momente eines Ganzen von vornherein eine Einheit. Das Bewußtsein überhaupt ohne seinen Inhalt ist nichts und umgekehrt. Das Bewußtsein überhaupt  ist  eben nur dadurch, daß es sich seiner Inhalte bewußt ist. "Ist in dieser Identität von Subjekt und Objekt trotzdem", sagt SCHUPPE, "noch ein Rätsel, so ist es  das Rätsel der Welt"  (9). Während die allermeisten psychologistischen Versuche das Gedachte (das Bewußtseiende) dem "Gegenstand der Erkenntnis" entgegengesetzten und auf solche Weise sich vor ein Welträtsel stellten: Vereinigung der entgegengesetzten und für sich ausschließend angenommenen Momente, sich also an eine unlösbare Aufgabe machen, die sie lösen sollen, "identifiziert" SCHUPPE den "Gegenstand der Erkenntnis" mit dem Bewußtseienden (ohne aber damit den Gegensatz zwischen beiden zu vernichten: das ist eben das Scharfsinnige und zugleich Unbegreifliche bei ihm), und hiermit, statt sich zu bemühen, die unlösbare Aufgabe zu lösen, erklärt er die Einheit der zwei Momente für ein Rätsel der Welt oder, wie er "Erkenntnstheoretische Logik", Seite 145 sagt, für eine Urvoraussetzung.

18. Die Lehre HUSSERL-BOLZANOs ist auch in anderer Hinsicht besonders interessant. Als ein tiefer und energischer Denker, der unter der allgemeinen psychologistischen Welle seiner Zeit zu ertrinken droht, macht BOLZANO entschiedene und mutige Anstrengungen, sich an das sichere Ufer zu retten. Leider wußte er nicht, wo dieses Rettungsufer lag. Aus jeder Zeile seines großartigen Werkes - "Wissenschaftslehre" - atmet ein Haß gegen den Subjektivismus und Relativismus in den Theorien der Erkenntnis. - Etwas ist wahrhaft so, und es ist wirklich so, das sind immer gleichbedeutende Ausdrücke gewesen. Deshalb ist auch das Problem der Objektivität der Erkenntnis Jahrhunderte hindurch ein Problem der Wirklichkeit gewesen. Um die Unabhängigkeit vom Subjekt, die in der  Wahrheit  enthalten ist, zu verstehen, haben die Philosophen versucht, die Unabhängigkeit der  Wirklichkeit  in ihrem Bestehen von uns, den erkennenden Bewußtseinen, klar zu machen. BOLZANO fühlte, daß dies nicht ausgeführt werden kann. Auf dem Boden des Psychologismus stehend, sah er die Unmöglichkeit ein, daß mir etwas gegeben sein und zugleich von mir unabhängig sein kann. Man wird sich erinnern (weiter oben) an die Unterscheidung von "Haben" im Sinne von "Zugehörigsein", und "Haben" im Sinne von "Besitzen", die, wie wir dargestellt haben, auch von BOLZANO angedeutet war, obschon er sie nicht benutzt hat in Bezug auf ein Haben des Bewußtseins, und deshalb schließlich sagte: was immer gehabt wird, muß eine Beschaffenheit sein. Sodann sind die Manipulationen mit irgendeinem "Bewußtsein überhaupt" dem Meister ebenfalls wie dem Schüler zuwider gewesen (10). Doch wir haben gesehen, für einen  folgerichtigen  Psychologisten gibt es nur zwei  Hauptwege:  entweder Solipsismus oder Reform des Bewußtseins. Der letztere dieser beiden Wege scheint für diese Schule unannehmbar; der erste aber (für Leute, deren Ehrgeiz es war, gegen den Subjektivismus zu kämpfen) absurd. Was bleibt aber dann?  Das ist eben das Interessante dabei.  Es blieb, den ewigen Faden, der das Problem der  Wirklichkeit  mit dem von der Objektivität der  Wahrheit  verknüpfte, abzuschneiden. BOLZANO und sein Schüler haben das erste dieser beiden Probleme für metaphysisch erklärt, für etwas, was mit der Objektivität der Wahrheit nichts zu tun hat. Das zweite hat sich nunmehr in die wahrhafte Aufgabe einer Erkenntnistheorie, einer "reinen Logik" verwandelt. Damit war die Jahrhunderte alte Verwandtschaft der beiden Probleme zerstört. Jetzt interessiert uns nicht mehr die Frage, ob eine vom erkennenden Individuum unabhängige  Wirklichkeit  besteht, deswegen aber droht uns nicht mehr der Subjektivismus, zu dem dieses Problem führt, solange es mit den Augen der Psychologisten betrachtet wird. Jetzt ist von der Grundfrage der Erkenntnistheorie nur dies geblieben: Wie kann die Objektivität der  Wahrheit  verstanden und erklärt werden? Oder richtiger, die Frage nach der Objektivität der Wahrheit in Analogie der alten Problemstellung lautet jetzt: Gibt es (nicht Wirklichkeit, sondern)  Wahrheiten,  die als solche selbstverständlich vom erkennenden Subjekt unabhängig sein müssen? Wie können die Wahrheiten ansich, die Sätze ansich begreiflich gemacht werden?

19. Offenbar setze ich, wenn ich etwas für wahr halte, damit voraus, daß es nicht lediglich für mich wahr ist, sondern eben als Wahrheit für  jeden  gilt, daß es also von mir unabhängig ist. Es ist nicht wahr, weil ich oder irgend jemand es für wahr hält, sondern seine "Wahrhaftigkeit" ist etwas vom denkenden Individuum Unabhängiges. Dies würde heute niemand bestreiten, obschon BOLZANO am Anfang seiner Arbeit sich mit einem angeblich absoluten Skeptiker auseinanersetzt, den er in einem meisterhaften Dialog von der Unmöglichkeit, die Wahrheit zu leugnen, zu überzeugen weiß. Die "Wahrheit" aber ist immer etwasvon dem sie besitzenden Einzelwesen Unabhängiges. Das setzt jeder voraus, der ernst über die Wahrheit spricht. Wir sagen, viele Menschen besitzen  dieselben  Wahrheiten. Also unabhängig von den einzelnen "Denkakten", die es so oft gibt wie denkende Bewußtseine, ist die "Wahrheit", die in diesen verschiedenen "Denkakten" auftaucht, ein und dieselbe, sie ist identisch und sie bleibt Wahrheit, auch wenn sie von der Wissenschaft noch nicht entdeckt oder ermittelt ist: sie bleibt es dann sogar, wenn sie Millionen Menschen - kraft gewisser Umstände - nicht wüßten oder wissen könnten. So spricht jeder von uns gewöhnlich über die Wahrheit. Und daher ist es klar, was BOLZANO Anlaß gegeben hat, den Begriff von den "Wahrheiten  ansich"  in die Erkenntnistheorie einzuführen und hier zu entwickeln. Er wie HUSSERL unterscheidet streng Denk akte  von Denk inhalten.  Die ersten sind immer etwas Subjektives, Reales, Zeitliches, Einziges. Das andere, "der Denkinhalt", ist nach HUSSERL etwas  Allgemeines,  das schlechthin Eine, ganz gleich, in wie vielen Urteilsakten er auftaucht. "Man vermenge nicht", so schreibt er, "das Urteil als Urteils inhalt,  d. h. als die ideale Einheit, mit dem einzelnen realen Urteils akt.  Die erstere ist gemeint, wo wir vom Urteil  2 + 2  ist  4  sprechen, welches dasselbe ist, wer immer es fällt. Man vermenge auch nicht das wahre Urteil als den richtigen, wahrheitsgemäßen Urteilsakt, mit der  Wahrheit  dieses Urteils oder mit dem wahren Urteilsinhalt. Mein Urteilen, daß  2 + 2 = 4  ist, ist sicherlich  kausal bestimmt,  nicht aber die Wahrheit:  2 + 2 = 4"  (11). - Die Denkakte sind etwas Reales und als solche in ihrer Entstehung kausal bedingt. Aber die Wahrheit (der Urteilsinhalt), wie wir das auch bei BOLZANO gesehen haben, ist kein Reales, Wirkliches, Existierendes, deshalb ist es auch nach dieser Schule ein großer Irrtum, die  kausale Bedingtheit  der Entstehung eines Urteilsaktes mit der  Gültigkeit  der Wahrheit (des Denkinhaltes, der idealen Einheit) zu verwechseln. Diese kausale Bedingtheit kann uns erklären, warum ich (in einem Urteilsakt) eine Wahrheit  habe;  sie kann uns aber keinesfalls die Gültigkeit dieser Wahrheit, diesen im Fluß der psychischen Erlebnisse auftauchenden Denk inhalt,  begründen. Von Naturgesetzlichem kann man nur Naturgesetzliches ableiten, nicht auch Gültiges. Zwischen dem einen und dem andern gähnt ein Abgrund. Wir sind dort angelangt, von wo wir ausgingen. Wie bei den teleologischen Kritizisten, dreht sich auch hier alles um den vorausgesetzten Gegensatz zwischen Gegebenem ("Naturgesetzlichem") und absolut Gültigem.

Während wir früher Erkenntnis, wahres Denken in solchen Fällen hatten, wo wir die  unabhängig von uns existierende Wirklichkeit  besaßen, will heißen dort, wo ein Urteil der Wirklichkeit gemäß "gebildet" war, so sprechen wir jetzt - bei dieser philosophischen Richtung - nur dann von Erkenntnis, wo wir die von uns unabhängige Wahrheit besitzen, oder ein wahres Urteil heißt soviel wie ein Urteil, das einer "Wahrheit ansich" gemäß gebildet ist. "Ich verstehe unter dem Wort  Erkenntnis  ein jedes Urteil, das einen wahren Satz enthält, oder (was ebensoviel heißt) der Wahrheit gemäß oder richtig ist" (12). An die Stelle der von uns unabhängigen Wirklichkeit, die sich bei der alten psychologistischen Erkenntnistheorie dem Bewußtseienden entgegenstellte, tritt hier die von uns unabhängige und dem Bewußtseienden entgegengesetzte "Wahrheit ansich" ("Satz ansich"). Indem BOLZANO verschiedene Definitionen über die Wahrheit anführt, wie die des ARISTOTELES, der sich zuweilen so ausdrückte, das Wahre sei das Seiende, und andere ähnliche, fügt er hinzu: "Gegen diese Erklärungen nun glaube ich bemerken zu dürfen, daß Wahrheit nicht nur ansich nichts Existierendes ist, sondern sich nicht einmal auf etwas Existierendes bezieht. Das Erstere, weil nicht der Gegenstand, von dem in einem wahren Satz etwas ausgesagt wird, sondern nur  dieser Satz selbst,  der als solcher nichts Existierendes ist, die Wahrheit  ausmacht",  usw. (Log. Unt. I, Seite 126). Man wird aber vielleicht erfahren wollen: Worin besteht denn dieser "Satz  ansich",  diese "Wahrheit  ansich",  oder wie sich HUSSERL ausdrückt: der Urteilsinhalt, der Denk inhalt  (im Gegensatz zum Denkakt)? Wie kann man das alles fassen, wenn es mehr als ein Wort sein soll?

20. Die Wahrheiten, die Urteile sind mir gegeben, und soweit sie mir gegeben sind, verknüpfe ich sie mit gewissen Lauten; andererseits sind sie als Gegebenes ein Gedachtes, Bewußtseiendes, sie sind also irgendwie meine Erlebnisse. Was kann denn die sogenannte Wahrheit  ansich,  der Satz  ansich  bedeuten? Eine Wahrheit ansich, ein Satz ansich, eben als etwas "ansicht", etwas Ideales, muß von allem Subjektiven, Psychologischen, Einzelnen, Phänomenalen losgelöst werden. Und in der Tat meint diese Schule, Denken und Aussprechen seien an und für sich subjektive, reale Sache, seien ein durchaus subjektives Tun. Die Wahrheit aber muß das Objektive, das Ideale sein, das, was sich nicht in Bewußtseinserlebnisse auflösen kann. (13) Deshalb, um sie als ein ewig Gültiges begreifen zu können, als etwas, was mit jenen Bewußtseinserlebnissen, in derem Fluß sie auftaucht, nichts zu tun hat, müssen wir sie von all jenen "irdischen" Momenten, mit denen sie uns gegeben ist, befreien. Wir müssen sie vor allem trennen von den entsprechenden sprachlichen Symbolen, durch deren Medium sie uns gegeben ist. An zweiter Stelle muß sie auch vom Gedachtwerden befreit werden. Was von ihr (von der Wahrheit, vom Satz) bleiben wird - und es muß  unbedingt  etwas bleiben, indem sich die Wahrheit nicht  erschöpft  mit jenen realen Einzelheiten, Erlebnisse genannt, die entstehen und verschwinden, und in denen sie auftaucht - das ist ein Satz ansich, das ist der Denkinhalt, kurz, das ist der  Sinn  der Wahrheit.

Freilich fährt diese Philosohie fort, ist der Sinn, diese Essenz der Wahrheit, nicht etwas Wirkliches, von uns unabhängig Existierendes, es hat keine Realität, wohl aber  gilt  es unbedingt, für jedes Bewußtsein, es ist demnach eine "ideale Möglichkeit". "Was wahr ist, ist absolut, ist "ansich" wahr; die Wahrheit ist identisch Eine, ob sie Menschen oder Übermenschen, Engel oder Götter urteilend erfassen." (14)

21. Dies ist die Hauptstelle in der BOLZANO-HUSSERLschen Lehre. Welche Konsequenzen man daraus für die Logik, hauptsächlich für die Lehre von den Denkgesetzen zieht, will ich hier nicht weiter verfolgen. (Genaueres hierüber siehe weiter unten.) Ich erwähne lediglich, daß hier die sogenannten Denkgesetze (das Prinzip des Widerspruchs, das des zureichenden Grundes) uns nicht besagen, wie der einzelne Mensch, wie eine oder andere Spezies denkender Wesen, meinetwegen die Engel oder die Götter, denken, sondern welcher Zusammenhang unter den Wahrheit ansich selbst herrscht. In diesem Sinne sind die "Denkgesetze" nach HUSSERL gar nicht Gesetze des Denkens, des  realen  Denkens.

Wir haben oben ausgeführt, daß nach dem teleologischen Kritizismus der einzige Weg, auf dem man dem Psychologismus ein Ende bereiten kann, der Gegensatz zwischen Gegebenen und absolut Gültigem ist. Jeder, der nicht an dieses Dogma glaubt, der nicht den Abgrund zwischen beiden sieht, muß notwendigerweise in ihn hineinstürzen. Affekt kann nur durch Affekt beseitigt werden, lehrte einst SPINOZA. Der Dualismus kann nur durch Dualismus überwunden werden, so lautet das Rezept der modernen, "kritischen", "reinen" Philosophie gegen den Psychologismus. Im Geist unserer Analyse ausgedrückt, heißt das: Ein Dogma kann nur beseitigt werden, wenn an seine Stelle ein anderes gesetzt wird; gegen den Psychologismus führt man wieder einen Psychologismus ins Feld. "Die psychologischen Logiker", sagt nun HUSSERL, "verkennen den grundwesentlichen und ewig unüberbrückbaren Unterschied zwischen Idealgesetz und Realgesetz, zwischen normierender Regelung und kausaler Regelung, zwischen logischer und realer Notwendigkeit, zwischen logischem und Realgrund. Keine denkbare Abstufung vermag zwischen Idealem und Realem Vermittlungen herzustellen" (Log. Unt. I, Seite 68). In der Verwechslung dieser beiden "Sachen" liegt die Sünde jedes Psychologismus: das ist der Hauptton der sorgfältigen Kritik, die HUSSERL hauptsächlich über die Logik SIGWARTs und BENNO ERDMANNs ausführt (15). Indem sie "Sein" vom Gelten, Reales von Idealem, Naturgesetzliches von idealer Möglichkeit nicht unterscheiden, halten sie in letzter Instanz die Wahrheit und die logischen Grundgesetze für etwas Naturgesetzliches, Gegebenes, Phänomenales, Reales - und so stellt sich heraus, daß sie deswegen gültiger sind,  weil  sie so oder anders naturgesetzlich bestimmt sind. Einige verknüpfen die Geltung der Wahrheit mit der individuellen Organisation und kommen damit zum individuellen Relativismus; andere heften die Wahrheit an das Gattungsmäßige der menschlichen Natur überhaupt - im Großen und Ganzen ist es so bei SIGWART und besonders bei ERDMANN - und damit kommen sie zum spezifischen Relativismus oder Anthropologismus: "Wahr ist für jede Spezies urteilender Wesen (für die Menschen z. B.), was nach ihrer Konstitution, nach ihren Denkgesetzen als wahr zu gelten habe"; andere Spezies, andere Denkgesetze - andere Wahrheiten. So wird der Gegner dargestellt: der psychologistische Erkenntnistheoretiker. Die ganze Beweisführung HUSSERLs gegen den Relativismus kann in folgendem Satz zusammengefaßt werden: "Diese Lehre ist widersinnig. Denn es liegt in ihrem Sinn, daß derselbe Urteils inhalt  (Satz) für den  einen,  nämlich für ein Subjekt der Spezies  homo  wahr, für einen anderen, nämlich für ein Subjekt einer anders konstituierten Spezies falsch sein kann. Aber derselbe Urteilsinhalt kann nicht beides, wahr und falsch, sein. Dies liegt im bloßen Sinn der Worte  wahr  und  falsch.  Gebraucht der Relativist diese Worte mit ihrem zugehörigen Sinn, so sagt seine These, was ihrem eigenen Sinn zuwider ist".

Wenn wir versuchen wollten, uns in diesen Gedanken HUSSERLs zu orientieren, so müßten wir bemerken, daß zunächst zwischen dem, was er Psychologismus und Relativismus nennt, und dem, was wir als psychologistische Erkenntnistheorie charakterisiert haben, nichts Gemeinsames zu bestehen scheint. Dies aber ist nur auf den ersten Blick so. Er wirft dem Psychologismus vor, er unterscheide nicht Geltung der Wahrheit von Bedingtheit des Urteilsaktes, in dem die Wahrheit auftaucht; diese Lehre zeigt sich unfähig, der  Objektivität der Wahrheit  gerecht zu werden, weil sie sie schließlich relativiert, sie, wenn nicht von der Konstitution des Individuums, so wenigstens von der einer denkenden Spezies abhängig macht. So steht die Sache bei HUSSERL. Unsere Argumentation lautet etwas anders. Der folgerichtige Psychologismus stand nach uns vor folgendem Dilemma: entweder Solipsismus oder Reform des Bewußtseins.

Beim Solipsismus ist das Gegebene etwas dem Bewußtsein Zugehöriges, und deshalb gibt es keinen Sinn, von irgendeiner Unabhängigkeit (sei es der "Wahrheit" oder was auch immer) vom Subjekt zu reden. Alles Gegebene ist durchweg vom Bewußtsein bestimmt, weil es als Gegebenes nicht anders sein kann als etwas, was ihm zugehört. Also ist bedingt (von der Verfassung des individuellen Bewußtseins) nicht nur, daß ich etwas  habe,  sondern auch das  Gehabte:  Das Subjekt bestimmt nicht nur das "Haben" von etwas, sondern auch das, was es hat, (weil das, was es hat, seine  Beschaffenheit,  seine  Eigentümlichkeit  ist). Mit der HUSSERLschen Terminologie ausgedrückt, bedeutet dies: Das Subjekt bestimmt ("naturgesetzlich") nicht nur den Urteilsakt, in dem eine Wahrheit auftaucht, sondern auch die Wahrheit selbst, d. h. ihre Gültigkeit, was nichts anderes als eine Zersetzung jeder Wahrheit besagt. Nach uns: individueller Relativismus d. h. soviel wie Solipsismus, Streichen der  Wirklichkeit.  Etwas ist wahrhaft so, und es ist wirklich so - das haben wir als gleichbedeutende Aussagen festgestellt. Die Wahrheit haben heißt, die Wirklichkeit haben. Wie wir die Wirklichkeit "haben können", im Ureil oder in der Vorstellung, das ist eine Frage für sich. Wer sagt, es gibt keine Wahrheit (etwas, was für alle, was unabhängig von ihm gilt) will jedenfalls sagen, es gibt keine Wirklichkeit. Den alten Skeptikern, die gelehrt haben, daß wir vom Suchen der Wahrheit ablassen müssen, weil keine besteht, antwortete man mit einer Umdeutung ihrer Behauptung, die ihre Skepsis ad absurdum führen sollte: Es besteht also die Wahrheit, daß keine Wahrheit besteht. Doch dieses Argument gegen den Skeptizismus, dessen sich HUSSERL (Log. Unt. I, Seite 119) und BOLZANO (WL I, Seite 170) bedienen, ist sophistisch und kann lediglich gegen  den  Skeptiker entscheidend sein, der nicht vorsichtig genug ist, Objektivität oder Wahrheit für seine Meinung zu beanspruchen. Von unserem Standpunkt aus ist die Sache ganz klar: "Es besteht keine Wahrheit", - damit will der Skeptiker sagen, daß er in seinem Gegebenen keine Wirklichkeit findet. Aber mit diesem Sonderungsurteil selbst setzt er voraus, daß er weiß, was Wirkliches ist. er will bloß sagen, er findet das, was er weiß (und also als Wirkliches  hat)  in seinem Gegebenen nicht wieder. Das ist natürlich ein Widerspruch. Einmal setzt er voraus, daß er (selbstverständlich in seinem Gegebenen) das Allgemeine (den Begriff) des Wirklichen  hat,  und nachher behauptet er, daß es (im  ganzen  Umfang seines Gegebenen) Wirkliches  nicht gibt.  Hiermit ist der Solipsismus der Skepsis bloßgestellt. Nicht so steht die Sache bei HUSSERL. Der gegenwärtige Psychologist "fühlt", wenn "er die Wahrheit haben", "die Wirklichkeit haben" bedeutete, dann geriete die Erkenntnistheorie in eine Sackgasse, weil nicht zu begreifen wäre, wie man (etwas, in unserem Fall) die Wirklichkeit haben, und sie noch zugleich als ein Wirkliches, d. h. von uns  Unabhängiges,  betrachten kann. Deshalb ist es auch sehr symptomatisch für den psychologistischen Geist unserer Zeit, daß die sogenannte "reine Logik" versucht, den Begriff der Wahrheit von dem der Wirklichkeit zu trennen. Mit der Unabhängigkeit und mit der Natur der letzteren hat die Metaphysik zu tun; mit der Unabhängigkeit der Wahrheit jedoch, als einer  selbständigen  Frage, arbeitet jetzt die Erkenntnistheorie und die "reine Logik" (16). - Das ist der Grund, warum HUSSERL gegen den individuellen Relativismus kämpfend, gar nichts vom Solipsismus wissen möchte, während für uns das Schicksal des Solipsismus  untrennbar  mit dem des sogenannten individuellen Relativismus verknüpft ist. Aber nicht bloß das unterscheidet unsere Beweisführung gegen den Psychologismus von der HUSSERLs. Zwischen beiden gibt es auch einen erheblichen  methodologischen  Unterschied. Während ich dem Psychologismus Dogmatismus vorwerfe, weil er (in unserem fall seine individuelle Form, der Solipsismus) auf ein Dogma gebaut ist (das Bewußtsein kann nichts haben, ohne daß das, was es hat, von ihm abhängig wäre), auf eine Verwechslung von ganz Verschiedenem, wenn man will, auf eine petitio principii [es wird vorausgesetzt, was erst zu beweisen ist - wp] - bekämpft HUSSERL den Psychologismuus im Namen eines neuen Dogmas: Zwischen dem "Naturgesetzliche" und absolut Gültigen besteht eine Kluft. Während ich den Psychologismus im Namen der Voraussetzungslosigkeit bekämpfe, kämpft HUSSERL gegen denselben vom Standpunkt einer neuen Voraussetzung.

22. Ebenso steht es mit dem Anthropologismus. Alles, was das Bewußtsein hat, ist von seinen gattungsmäßigen Momenten abhängig; die Wirklichkeit und die Wahrheit sind durchaus vom Subjekt bedingt, nicht vom individuellen, sondern vom spezifischen, vom menschlichen Bewußtsein als solchem. Also auch hier bedingt das menschliche Bewußtsein nicht nur das "Haben", sondern gewissermaßen auch das Gehabte (die Wirklichkeit  als solche  z. B.) durch seine Verfassung. - Wie kommt man zu dieser Theorie? Auch hier setzt man dogmatisch voraus: was vom Bewußtsein gehabt wird, kann nicht ein vom ihm Verschiedenes und Unabhängiges sein, sondern trägt das Gepräge seiner Eigentümlichkeit. Für den absoluten - und deshalb offenkundig absurden - Skeptizismus ist die Wahrheit Geschmackssache des Einzelnen, soweit sie aus seiner individuellen Natur, aus seinem Bewußtsein "fließt". Für die Anthropologisten, (deren Urvater - nach GOMPERZ (17) - PROTAGORAS ist) fließen Wahrheit und Wirklichkeit aus der gemeinsamen Natur des Menschen (des menschlichen Bewußtseins überhaupt). Für die Konszientalisten (deren folgerichtigster Vertreter WILHELM SCHUPPE ist) "strömen" Wirklichkeit und Wahrheit aus der Natur des Bewußtseins überhaupt. In allen drei Fällen nun sucht man das, was dem Bewußtsein gegeben ist, - die Wahrheit und die Wirklichkeit einschließlich - als etwas dem Bewußtsein irgendwie Eigentümliches, seiner Natur Zugehöriges zu fassen. Mit welchem Erfolg, ohne daß ein logischer  salto mortale  gemacht wird, ist natürlich eine andere Frage, auf die unsere Kritik des Psychologismus, soweit er uns hier interessiert, Antwort gibt.

Wie leicht zu ersehen ist, ist das Erkennen in den anthropologistischen und konszientalistischen Versuchen eine Art von Anpassung des einzelnen Bewußtseins an das spezifisch Menschliche oder das Gattungsmäßige jedes Bewußtseins. Welches die Motive sind, die in der Erkenntnistheorie eine solche Reform des Bewußtseins - in anthropologistischer oder konszientalistischer Richtung - hervorgerufen haben, um die Objektivität der Wirklichkeit und der Wahrheit zu retten, haben wir schon ausgeführt. Sie beruhen eben auf einer petitio principii.

Meine Einwände gegen den Psychologismus, in seiner ursprünglichen, noch nicht gekünstelten Gestalt betrachtet, bestehen schließlich darin: Er geht dahin, von wo er tatsächlich ausgeht. Er kommt zu einem Streichen der Wirklichkeit und der Wahrheit, weil er schon im Ausgangspunkt erklärt, die Wirklichkeit (und die Wahrheit also) hat nichts mit dem Gegebenen zu tun, weil sie einen Gegensatz zu ihm bilden soll. Hier liegt der Widerspruch jeder derartigen psychologistischenn Erkenntnistheorie und die Wurzel jener Schwierigkeiten, die diese Richtung nicht überwinden kann. Heute sagt sie: das Wirkliche ist etwas andrees als das Bewußtseiende, es kann nichts Gegebenes sein. Morgen korriegiert sie ihre  Phrase  und widerlegt sich: das Bewußtsein kann nicht das Wirkliche (die Wahrheit)  haben,  d. h. im Gegebenen gibt es nichts Wirkliches und Wahres. Und ferner: der Zusammenbruch, zu dem jede psychologistische Lehre unbedingt führt, ganz gleich wie gekünstelt sie ist, hat seine Grundlage nach uns in einer willkürlichen Voraussetzung, im Gegensatz zwischen Gegebenem (Bewußtseiendem) und Gegenstand der Erkenntnis. Diese Voraussetzung ist widersinnig: denn die Erkenntnis mußte bestehen in der Vereinigung zweier auf dem Boden der Psychologie entstandener, wenn auch in ihrer späteren Variation als solche fast nicht mehr erkennbarer Momente, die von vornherein für verschieden, sich  ausschließend,  erklärt werden.

Im Zusammenhang mit dieser Entgegensetzung steht auch die ganze Entwicklung des Wahrheitsproblems in der psychologistischen Erkenntnistheorie. Die Wahrheit haben heißt: die Wirklichkeit haben. Weil aber der Psychologist nicht begreifen kann, wie die Wirklichkeit dem Bewußtsein gegeben und zugleich von ihm unabhängig sein kann, deswegen sucht er, um die Gefahr des Solipsismus zu umgehen, unser Erkennen entweder als ein "Abbild" dieser Wirklichkeit zu fassen, oder er heftet die letztere an ein "Bewußtsein überhaupt", als dessen notwendigen Inhalt, wie das SCHUPPE tut, oder sie ist gar, wie es bei den teleologischen Kritizisten heißt, eine "Aufgabe" für das individuelle Bewußtsein, und dieses "erkennt" das Wirkliche, indem es durch das Medium des urteilenden Bewußtseins ein transzendentes Sollen "anerkennt".

23. Was für eine amüsante Form dieses psychologistische Dogma annehmen kann, sieht man deutlich bei dem sonst als feiner Analytiker bekannten Professor der Philosophie in Graz, ALEXIUS MEINONG. Es scheint ja fast selbstverständlich, schreibt er, daß, "wer die Wirklichkeit erkennen, also auch vorstellen soll, wie sie eben ist, seinem Ziel umso näher kommen wird, je näher die Vorstellungen der vorzustellenden Wirklichkeit stehen." Das heißt "es scheint fast selbstverständlich," daß es kein Erkennen geben könnte, wenn zwischen der Vorstellung von der Wirklichkeit und der Wirklichkeit selbst keine  Adäquatheit  möglich wäre. Das geht aber nach dem österreichischen Philosophen nicht. Warum nicht? Wollte ich, meint er, "durch mein Denken" einen viereckigen Tisch "erfassen", so darf ich mir denselben z. B. nicht rund denken, auch nicht oval, sondern eben nur viereckig. Sollte nun eine "Adäquatheit" zwischen meiner Vorstellung und dem viereckigen Tisch bestehen, dann müßte die Vorstellung viereckig sein: eine viereckige Vorstellung! Meine Vorstellung, das ist etwas Psychisches, Nichträumliches, lehrt MEINONG. Andererseits ist der Tisch, der viereckige Tisch, ein Räumliches. Also soll eine Adäquatheit, eine Übereinstimmung zwischen Psychischem und Physischem bestehen? Einen größeren Widersinn als diese Forderung kann es kaum geben. Wie wird man zwei unvergleichbare, zwei inkommensurable "Sachen" vergleichen, um festzustellen, ob sie übereinstimmen oder nicht? Natürlich, das sieht MEINONG ganz klar ein und erklärt die "Übereinstimmung" oder auch nur die "Ähnlichkeit" für durchaus unpassend.

Freilich ist sein Schluß ganz richtig, und trotzdem ist der Ansatz dieses ganzen Problems vollständig falsch. Daß das Vorstellen des viereckigen Tisches etwas Psychisches ist, das wissen wir: es ist nach der heutigen Psychologie etwas zur Seele Gehöriges. Doch was hat das Vorstellen und "die *Vorstellung" mit dem Wirklichkeitsproblem zu tun? Die "Vorstellungen", Gefühle, Willensregungen usw. gehören zu den Domänen der Psychologie. Die "*Seinslehre" interessiert sich herzlich wenig dafür.

Nein, die Sache etwas anders aus. Unter "Vorstellungen" meint MEINONG das Gegebene. Und wie jeder Psychologist, setzt er von vornherein ganz dogmatisch das Gegebene, das Bewußtseiende dem Wirklichen entgegen. Wir wissen, daß die "großartigste" und "schwierigsten" Aufgabe der früheren psychologistischen Erkenntnistheorie war: Wie kann dasjenige, was seinem Begriff nach kein Gegebenes ist, ein Gegebenes werden? Auch MEINONG kommt (18) schließlich zu der trostlosen Behauptung, daß im Erfassen einer Wirklichkeit durch unser Erkennen doch etwas vorliegt, "was man ganz wohl das Wunder in der Erkenntnistheorie nennen könnte." Selbstverständlich, wenn ich von vornherein angenommen habe, daß Frauen keine 50 Jahre alt werden können, also den Gegensatz zwischen Frauen und einem Alter von 50 Jahren postuliere, dann wäre die Tatsache, daß Frauen ein Alter von 50 Jahren erreichen, das größte Wunder unseres Lebens.

Der psychologistische Ansatz wird bei MEINONG mit den Worten "Inhalt" und "Gegenstand" bezeichnet. das eine hat mit dem anderen nichts zu tun: das erstere ist das zur Seele Gehörige und als solches etwas Psychisches, "Vorstellungen"; der Gegenstand - etwas Transzendentes, auf das unsere Urteile "gerichtet" sind und das sie zu "erfassen" haben. Die "Vorstellungen sind das Gegebene und das Gegebene ist das zur Psyche Gehörige: Das ist das uns schon längst bekannte Dogma. Dieses Dogma bildet den Ausgangspunkt des obigen Problems: wie kann das Gegebene (die Vorstellung) mit dem Gegenstand der Erkenntnis übereinstimmen? Aus diesem  credo  rühren auch die "Schwierigkeiten" und die "Wunder" her, von denen MEINONG soeben erzählte.

Was aber bei diesem Denker besonders hervortritt und für uns interessant ist, ist der  deutliche salto mortale  seiner Beweisführung. Wir sprachen von einem Tisch. Ist denn der viereckige Tisch meinem Bewußtsein gegeben? Als Psychologist  muß  MEINONG die Frage verneinen. Was mir gegeben ist, ist zu mir, zu meiner Seele gehörig und kann als solches unmöglich von ihr unabhängig sein. Deswegen, hätte ich den viereckigen Tisch gehabt, dann müßte die Viereckigkeit zu meinem Bewußtsein gehören. Ein viereckiges Bewußtsein! - das geht nicht. Also ich habe nicht den viereckigen Tisch, sondern die Vorstellung  eines Viereckigen,  d. h. eben die Vorstellung eines viereckigen Gegenstandes, schreibt MEINONG. Diese ganze Argumentation ist  lediglich  unter der Voraussetzung möglich, daß das Bewußtsein nicht die Wirklichkeit haben kann (19), eben weil Bewußtsein und Gegenstand der Erkenntnis von vornherein - kraft des credo - in einem Gegensatz stehen müssen. Man setzt demnach das Demonstrandum voraus: das ist der springende Punkt. Die weiteren Schlüsse hängen hiervon ab: Weil die Vorstellung des viereckigen Tisches etwas Psychisches (d. h. hier Gegebenes, Bewußtseiendes) ist und deswegen nicht  der räumliche Tisch selbst  sein kann, so gibt das, nach MEINONG, "einen der handgreiflichsten Beweisgründe dafür" ab, daß man es beim Inhalt und im Gegenstannd einer Vorstellung mit  toto genere verschiedenen  Tatsächlichkeiten zu tun hat. - Durch derlei Erwägungen, meint er, ist zugleich "die Forderung der Übereinstimmung oder auch nur Ähnlichkeit zwischen Inhalt und Gegenstand mindestens für alle Vorstellungen physischer Gegenstände als unerfüllbar dargetan" (Über Annahmen, Seite 126).

Die Sache stellt sich nach unserem Verfasser folgendermaßen dar: Was mir gegeben ist, ist psychisch - das ist die Voraussetzung. Da ich jedoch in meiner Erfahrung auch von Räumlichem rede, da ich auch Körperliches "habe", so  muß  ich annehmen: was meinem Bewußtsein gegeben ist, ist nicht der viereckige Tisch, sondern die Vorstellung dieses Tisches, d. h. ich muß annehmen, daß der "Inhalt" und der "Gegenstand der Vorstellung" nichts miteinander zu tun haben, sondern einen Gegensatz bilden. - Der Schluß ist falsch, denn die erste stillschweigend angenommene Prämisse taugt nicht; das haben wir nachgewiesen. Man braucht nur die Frage so zu stellen: Wenn die Vorstellung des viereckigen Tisches etwas von dem Tisch selbst toto genere Verschiedenes sein soll, dann wollen wir im Interesse aller Wißbegierigen erfahren, worin sich diese beiden Momente  unterscheiden?  Auf eine solche Frage kann MEINONG entweder keine Antwort geben, oder er wird sein Dogma wiederholen:  die "Vorstellung" ist das Seelische,  der viereckige Tisch das Räumliche, also ... Nein, gerade die unterstrichenen Worte sind nicht bewiesen, denn das, was MEINONG mit dem psychologischen Terminus "Vorstellung" bezeichnet, ist noch lange nichts Eindeutiges. Entweder besagt "Vorstellung" eine Besonderheit des Vorstellens, dann sind auch die Dinge, dann ist auch der viereckige Tisch eine Vorstellung. Oder "Vorstellung" ist ein Wechselwort für Gegebenes, - wo steht dann geschrieben, daß jedes Gegebene etwas Seelisches ist? Im letzten Fall  setzt man voraus,  daß das Bewußtsein kein Räumliches hat und haben kann, stellt man das Räumliche (sofern es "Gegenstand der Erkenntnis" ist) von vornherein in einen  Gegensatz  zum Bewußtseienden oder Gehabten.

Wir haben inzwischen die "Adäquatheit" vergessen. Wir brauchen sie nicht, versicherte MEINONG. Doch wohl! Sein philosophisches Gewissen läßt ihm keine Ruhe. Trotz all dem, er möchte das "erkenntnistheoretische Wunder" etwas aufklären. Zwischen  Inhalt  und  Gegenstand  muß eine "Relation" bestehen: es ist ja zweierlei und die Erkenntnis soll eben außerhalb dieser Relation undenkbar sein. "Dazu, daß unser intellektuelles Tun eine Wirklichkeit oder Quasi-Wirklichkeit erreicht, dazu müssen ... gewisse qualitative Bedingungen erfüllt sein, einerseits von Seiten des in Frage kommenden Urteils, dann aber auch von Seiten der betreffenden Wirklichkeit oder Quasi-Wirklichkeit: Beide müssen ihrer Beschaffenheit nach sozusagen zueinander passen." Also das Bewußtseiende braucht nicht mit dem Gegenstand der Erkenntnis "übereinzustimmen", mit ihm "ähnlich" oder "gleich" zu sein, es genügt, wenn diese beiden Glieder des Gegensatzes "sozusagen" passen, sie stehen nicht in einer Realrelation, sondern nur in einer "Idealrelation". Eine Vorstellung ist in einer Wirklichkeit "adäquat", sofern es eine "evident gewisse" Affirmation gibt, die sie gleichsam legitimiert. Daß der Leser daraus klug geworden ist, steht mir fern zu bezweifeln. Ungeachtet der "Affirmation" jedoch, merkt man deutlich, daß wir wesentlich sehr nahe an HUSSERL herankommen und mit unserer Auseinandersetzung auf seinen fundamentalen Gegensatz stoßen. Und MEINONG will tatsächlich seine Verwandtschaft mit der "reinen Logik" gar nicht leugnen (20).

Die Polemik HUSSERLs gegen den Psychologismus in ihrer Gesamtheit kann nur den überzeugen, der offen oder heimlich sein Dogma von der Gegenüberstellung von Realem und Gültigem voraussetzt. Sonst hebt er die Widersinnigkeit in den Doktrinen der Psychologisten hervor, jeder fühlt nach der Lektüre seines Hauptwerkes, daß die psychologistische Theorie der Erkenntnis an etwas leidet, aber es bleibt unklar,  woran.  Es sei wiederholt: von ihm wird sich überzeugen lassen, daß die "Ursache" dafür in der Verwechslung des Realen und Idealen liegt, wer schon von der Stichhaltigkeit dieses Gegensatzes überzeugt ist. Es fehlt in den HUSSERLschen Ausführungen jeder Grund, der uns von der Richtigkeit dieses Dualismus überzeugen könnte. Ich bekämpfe den Psychologismus dadurch, daß ich seine dogmatische Natur bloßstelle, HUSSERL dagegen, indem er prinzipiell auf seinem dogmatischen Standpunkt steht. Und sein Streit wendet sich nicht gegen den Psychologismus  überhaupt,  sondern ist ein Streit einer Art des Psychologismus gegen eine andere.

24. HUSSERL mißversteht das  Wesen  des Psychologismus; er meint,  jede  psychologistische Lehre muß auch relativistisch sein. "In der Tat", sagt er, "ist der Psychologismus in  allen  seinen Abarten und individuellen Ausgestaltungen nichts anderes als Relativismus, nur nicht immer erkannter und ausdrücklich zugestandener." Nachdem unser Verfasser die Hauptfrage der Erkenntnistheorie, die nach der Unabhängigkeit des Wirklichen vom Bewußtsein, in die nach der Unabhängigkeit der Wahrheit von der Psyche umgewandelt hat,  mußte  er zu dieser Behauptung kommen. Wenn dies die eigentliche Frage der Erkenntnistheorie (und der "reinen Logik") ist, dann bleibt natürlich der Kampf gegen den Psychologismus ausschließlich in der Bekämpfung der Relativierung der Wahrheit bestehen. Und deshalb schreibt er: "Den Relativismus haben wir bekämpft, den Psychologismus haben wir natürlich gemeint." Es genügt aber ein einziges Beispiel, uns von der Unhaltbarkeit dieser Methode zu überzeugen: WILHELM SCHUPPE. Bei ihm gibt es keinen Relativismus. Die Wahrheit und die Wirklichkeit sind bei diesem Denker vom Bewußtsein abhängig, doch führt das noch keineswegs zu ihrer Relativierung. HUSSERL unterscheidet individuellen und spezifischen Relativismus. Im ersten Fall war die Wahrheit vom Wesen, der Verfassung des Individuums abhängig, im zweiten von der Natur und Konstitution einer Spezies denkender Wesen. SCHUPPE gehört weder zur ersten noch zur zweiten Gruppe. Bei ihm ist die Wahrheit (und Wirklichkeit) nicht von einer Gattung denkender Wesen, sondern vom Denken, vom Bewußtsein als solchem, abhängig. "Bewußtsein überhaupt" ist nicht das Gattungsmäßige der  menschlichen  Bewußtseine, es ist überhaupt nicht das Generische  einer  Spezies denkender Wesen, es ist auch nicht das menschliche Bewußtsein überhaupt, sondern, wie sein Name zeigt, das wesentliche  jedes  Bewußtseins, sei es von Menschen, Engeln, Tieren oder Göttern. Die Phrase HUSSERLs: andere Spezies - andere Wahrheiten, hat hier keinen Sinn. Und was noch mehr heißt, SCHUPPE und andere meinen, dies sei auch der Geist der  kantischen  Lehre gewesen; auch er wollte die Wahrheit und die Wirklichkeit im Wesen des Bewußtseins als solchem begründen. Hier ist jeder Relativismus ausgeschlossen. Was wahr ist, würde SCHUPPE sagen, ist wahr für  jedes  Bewußtsein, ganz gleich was für eins. Die Wahrheit ist "das zum Bewußtsein überhaupt Gehörige und aus ihm Notwendige," und der Irrtum als Störung desselben wird von SCHUPPE aus den Bedingungen der Entwicklung des individuellen Bewußtseins erklärt.

Trotzdem ist die SCHUPPEsche Lehre unzweifelhaft psychologistisch. Auch er geht wie jeder psychologistische Erkenntnistheoretiker von der Gegenüberstellung von Gegebenem und "Gegenstand der Erkenntnis" aus, obwohl er sie beide für "identisch" hält. Doch entweder sind sie identisch, und dann sind sie nicht mehr unterscheidbar, weder in Abstraktion noch irgendwie sonst überhaupt, und d. h. der Gegensatz ist aufgehoben, - oder sie sind unterscheidbar, dann aber können sie nicht mehr identisch sein: dieses Dilemma strömt aus dem eigentlichen Sinn der Identität. SCHUPPE bedeckt diesen Gegensatz durch ein, wenn ich sagen darf, Spiel mit dem Wort "Identität". Wenn ich meine:  A  ist identisch mit  A,  so besagt das nicht, das  eine A  ist dem  anderen  gleich (A = A), weil wir hier noch immer  zweierlei A  haben. Die eigentliche Formel der Identität ist, wie auch die Mathematiker schreiben  A ≡ A,  d. h. wir haben nicht  zwei,  sondern ein  A,  wie vielmal wir es auch niederschreiben wollten. Der bloße Umstand, daß SCHUPPE die Identität als eine  "Relation -begriff" fassen möchte, zeigt uns klar und deutlich, daß er unwillentlich mit  A = A,  oder meinetwegen mit einer Zusammengehörigkeit zweier Momente, nicht aber mit  A ≡ A  zu tun hat. Wenn ich zwei gleich rote Stellen, habe, meint er, so kann ich das Rote als dasselbe feststellen. Nein, wenn man zwei "ganz gleiche rote Stellen" hat, da hat man es eben mit  Gleichheit nicht aber mit "Identität" zu tun.  Zwei  Gegebene, die identisch wären, gibt es nicht; das ist ja ein Widerspruch in sich. Ein Relationsurteil haben wir bei der Gleichheit, ein Identitätsurteil kennen wir aber nicht. Und wenn trotzdem das Wort  Identität  nicht ganz ohne Bedeutung ist, so werden wir nachher bei der Lehre vom Urteilen sehen, wo es einen Sinn hat. Deshalb gehören Subjekt und Objekt bei SCHUPPE zusammen, sie bilden eine Einheit, sind aber keinesfalls  identisch.  Sie können es nicht sein, eben weil "Bewußtsein überhaupt" etwas anderes, will heißen, etwas Verschiedenes und Unterschiedenes, von seinem Inhalt  Gesondertes  ist, weil wir demnach  zweierlei  haben (21). - Das Bewußtsein überhaupt und sein Inhalt bilden eine "untrennbare Einheit". Das ist das Originelle und, wie gesagt, das Unbegreifliche. Eine solche Einheit kann keinesfalls klar gemacht werden. Das Einzelwesen mit seinen Bestimmtheiten bildet auch eine Einheit, "ein untrennbares Ganzes". Hier bilden die Bestimmtheiten das Einzelwesen, es ist  nichts weiter  als die  Einheit  dieser Bestimmtheiten. Wir können nicht das Einzelwesen als etwas anderes als die Einheit seiner Bestimmtheiten  unterscheiden  (22). Bei SCHUPPE aber ist das "Bewußtsein überhaupt", obwohl untrennbar von seinem Inhalt,  doch etwas anderes  als dieser Inhalt selbst. Übrigens hätten wir sogar angenommen, das Verhältnis zwischen Einzelwesen und Bestimmtheiten verdeutliche dasjenige zwischen Subjekt und Objekt, wie es SCHUPPE meint, dann müßten wir uns die Welt als ein unendlich großes Einzelwesen denken, in dessen Zentrum - graphisch dargestellt - das Ich stände, als Mittelpunkt in einem Kreis. Das ist augenscheinlich nur ein Bild und würde uns, weiter verfolgt, zu unüberwindlichen Schwierigkeiten führen. - Eigentlich habe ich hier nicht die Absicht, die Lehre SCHUPPEs zu kritisieren. Mit seiner Erkenntnistheorie steht er unserer Hauptaufgabe ganz fern. Ich wollte nur jene Merkwürdigkeit anführen, die in seinem Psychologismus enthalten ist. Daß er Psychologist ist, ist unzweifelhaft, soweit er das Gegebene (das Bewußtseiende) etwas anderem, von ihm Unterschiedenem, entgegenstellt.

Jedenfalls ist klar, daß HUSSERL nicht mit seiner Kritik gegen den Psychologismus entscheidend sein kann; denn er ist sich vor allem nicht darüber klar, worin das Wesentliche des Psychologismus besteht, und zweitens: nachdem er den Schwerpunkt der Erkenntnistheorie verschoben und das Problem der Unabhängigkeit der Wahrheit für ein selbständiges noetisches und logisches Problem proklamiert hat, sieht er sich gezwungen, den Psychologismus durch den Relativismus zu bekämpfen. Das ist nun unmöglich, weil es philosophische Lehren gibt, die auch dann psychologistisch bleiben, wenn sie nicht relativistisch sind.

Von all dem waren für uns besonders die psychologistischen Gründe wichtig, die, wie ich dargestellt habe, BOLZANO in seiner Umwälzung des alten Problems von der Objektivität und in der Verwandlung der Frage nach der Objektivität der Wahrheit in eine selbständige philosophische Aufgabe bewegt haben. Das ist außerordentlich  symptomatisch  für die psychologistische Spekulation unserer Zeit.

25. Es ist jetzt natürlich: wenn jede psychologistische Erkenntnistheorie von dem Ansatz ausgeht, daß sich zwischen dem Bewußtseienden und dem Gegenstand der Erkenntnis ein Gegensatz findet, dann kann die Hauptaufgabe dieser Philosohie hauptsächlich in einer Vereinigung des anfangs für unveinbar Erklärten bestehen. Daß dies wirklich eine verlockende Aufgabe gewesen ist, zeigt die Geschichte der Philosophie. Daß sie aber eine widersinnige Arbeit ist, beweist die Geschichte der menschlichen Irrtümer noch unzweifelhafter. Weshalb ist die vorkantische Erkenntnistheorie zugrunde gegangen? Weil sie annahm, daß die Wirklichkeit etwas Transzendentes ist, das nie Bewußtseiendes sein kann, bemühte sich sich nachher zu beweisen: obschond die Wirklichkeit nichts Gegebenes ist, besteht jedenfalls das  Erkennen  in einem Besitzen, Ergreifen der Wirklichkeit, einem Bewußtwerden des "ansich" Seienden, d. h. es besteht in der Verwandlung desjenigen in ein Gegebenes, was definitorisch kein Gegebenes ist und  sein kann.  In einigen der neuesten psychologistischen Richtungen - und das sind die weitsichtigsten von ihnen - ist diese Widersinnigkeit einigermaßen verwischt. SCHUPPE z. B., obwohl er Gegebenes überhaupt von Bewußtsein unterscheidet, setzt von vornherein die Einheit dieser beiden Momente und sagt uns: Wenn man will, so ist das das Rätsel der Welt. Wie weit dies haltbar ist, ist freilich eine Frage für sich. Jedenfalls ist es eine Vorsicht und ein Respekt vor der Lehre der Geschichte. Dieselbe Tendenz findet sich auch beim teleologischen Kritizisten unserer Zeit. Er fragt sich nicht: Wie kommen rein Vorstellungsmäßiges und zeitlos Gültiges zusammen, wie kommt der Inhalt und die Form dazu, eine Einheit zu bilden. Er beginnt nicht "mit dem Seienden, das zu erkennen ist, sondern mit den Erkenntnisakten". Er analysiert mit anderen Worten die Urteile und findet, daß sie eine Einheit von Vorstellungsmäßigem und Nichtvorstellungsmäßigem darstellen. Ob diese Einheit einen Sinn hat, und ob die Analyse des Erkenntnisaktes so etwas zeigt, werden wir übrigens sehen. Immerhin ist hier wie bei der immanenten Philosophie die Vereinigung der beiden Glieder des psychologistischen Gegensatzes vor anfänglichen Schwierigkeiten bewahrt. In dieser Hinsicht aber steht die Richtung BOLZANO-HUSSERL - für MEINONG gilt das in noch größerem Maße - weit  hinter  den ihr verwandten psychologistischen Strömungen unserer Epoche, sie stellt sich als verhältnismäßig bedeutend naiver heraus.

Die Wahrheiten, die Sätze ansich - das ist nach BOLZANO das Ideale. Das Ideale jedoch war  der Sinn  der Wahrheit, der Inhalt eines Satzes, das, was unabhängig von uns, von  jedem  Bewußtsein  gilt.  Es ist also das absolut Gültige. Wie kommt nun das absolut Gültige mit dem Bewußtseienden zusammen? Für die immanente Philosophie soll das Denkende und das Gedachte gewissermaßen eins sein. Für den teleologischen Kritizismus ist das Erkennen ein Anerkennen des Wahrheits wertes,  des zeitlos Geltenden. Wie ist es nun bei BOLZANO-HUSSERL? Was ich habe (das Bewußtseiende), ist nicht das  Ideale;  das letztere darf ja keine Existenz haben. Es ist nicht Bewußtseiendes, Phänomenales. Denn wenn es meinem Bewußtsein gegeben wäre, dann würde es sich in ein Reales, in etwas zum denkenden Subjekt Gehöriges verwandeln, und das ist bereits Subjektivismus. Deswegen ist das, was ich  habe,  nicht das Ideale und kann es nicht sein. Es kann höchsten etwas dem Idealen irgendwie "Entsprechendes", nach ihm Gerichtetes usw. sein. Jedenfalls können Ideales und Erlebnis des Idealen,, richtiger: das Ideale und das erlebte Ideale nicht identisch sein, sie sind verschieden, stehen sich gegenüber. - Einige haben die Vermutung ausgesprochen, daß BOLZANO sich in der Lehre von den Sätzen ansich im geheimen durch geometrische Analogien hat leiten lassen. Ein gedachter Satz verhält sich zu einem Satz ansich etwa so, wie eine mit Bleistift gekennzeichnet Linie zu einer mathematischen Linie, indem der ersteren eine Wirklichkeit zukommt, welche der letzteren abgeht. Wie ferner eine gezeichnete Linie zur Darstellung einer mathematischen Linie dient, so soll auch ein gedachter Satz eine bloße Darstellung, ein Zeichen des Satzes-ansich sein (23). Wenn die Vermutung richtig wäre, und wenn diese Analogie irgendeinen Sinn haben könnte, so müßte man zweierlei annehmen:  Entweder  sind nach BOLZANO eine mathematische Linie, Kreis, Million, Menschheit und dgl. uns gegeben, d. h. im Bewußtseienden (im Gegebenen) ist auch  Allgemeines  neben dem Einzigen zu finden - in diesem Fall ist aber nicht einzusehen, warum wir dieses allgemeine Gegebene losreißen, indem wir es aus einem Bewußtseienden in etwas verwandeln, was nicht  ist,  sondern unabhängig von jedem Bewußtsein  gilt.  Einmal aber in Bewußtseiendes, in Reales verwandelt, ist das Allgemeine nicht mehr Ideales: der Gegensatz wäre demnach völlig aufgehoben.  Oder  BOLZANO hält von vornherein das Allgemeine, "Begriffliche", "Logische" - als Gültiges - für etwas, was nicht  ist,  dann aber bleibt es, wie PAUL NATORP geschrieben hat, ein Aenigma [Rätsel - wp], wie zwischen dem überzeitlichen Bestand des Logischen und seiner zeitlichen Tatsächlichkeit im Erlebnis der Psyche eine Verbindung zustande kommt. Dann wird die Realisierung des Idealen zu einem schlimmen metaphysischen Mysterium. Und HUSSERL selbst ist, um die für "sich selbst ausschließend" erklärten Momente (das Ideale mit dem Realen) zu vereinigen, in einen offenen Widerspruch geraten, der fast von allen seinen Kritikern bemerkt wurde. "Insbesondere", sagt er, "wirken die Urteile gesetzlichen Inhalts des öfteren als  Denkmotive,  welche den Gang unserer Denkerlebnisse so bestimmen, wie es eben jene Inhalte, die Denkgesetze, vorschreiben (WL I, Seite 66). Das fundamentale Gebrechen des Psychologismus war, daß er das Ideale in Reales, das Gültige in "Naturgesetzliches" verwandelte. Doch wir sehen, daß HUSSERL schließlich selbst das Ideale als  Denkmotiv  in das Reich des Naturgesetzlichen führt, daß es auch bei ihm in die sogenannte  Kausation  eintritt. In seiner Lehre von der Evidenz verwandelt er seine logischen Sätze in psychologische Bedingungen für die Evidenz (24). - Nun hier gerade ist die Probe für seine Theorie, weil die Evidenz nach ihm nichts anderes als das Erlebnis der Wahrheit sein soll. Die "Wahrheit ist eine Idee, deren Einzelfall im evidenten Urteil ein aktuelles Erlebnis ist" (Log. Unt. I, Seite 190, II 594). Worin diese mystische Verschmelzung des Ereignisses mit der Wahrheit besteht, weiß niemand. Man fragt, wie dieses Erlebnis der Wahrheit möglich ist, wie man sich das denken kann. HUSSERL antwortet: "Die Wahrheit ist Erlebnis in jenem  total geänderten  Sinn, in dem ein Allgemeines, eine Idee ein Erlebnis ist" (Log. Unt. I, Seite 128, 190). An einer anderen Stelle lesen wir bei ihm: "Im Abstraktionsakt ... ist uns das Allgemeine selbst  gegeben;  ... wir erfassen es, wir  erschauen  es" (Log. Unt. II, Seite 634). Man kann auch stärkere Worte als "in total geändertem Sinn" aussprechen, doch wird das "Erfassen" der Wahrheit in der Evidenz, das "Erschauen" des Allgemeinen ewig ein Mysterium bleiben. Jeder Versuch, irgendein Licht auf dieses Geheimnis zu werfen, führt zu einer Streichung des Gegensatzes zwischen Gegebenem und Gültigem, wie es oben mit den Denkgesetzen als "Denkmotiven" der Fall war. Anders konnte der Dualismus HUSSERLs auch nicht enden. - Wie oben die Erkenntnistheoretiker anfangs das Wirkliche vom Gegebenen entfremden und es dann absolut nicht zu verstehen ist, wie das transzendente Sein in das Bewußtsein kommen kann, nachdem es nach seiner Definition als etwas angenommen wird, das verdammt ist, nie Bewußtseiendes zu sein, ebenso wird auch hier das Ideale (das Allgemeine, "Logische") von vornherein für etwas erklärt, das definitorisch nie Reales (Gegebenes) sein kann, und dann bemüht sich der "reine Logiker", aus ihm etwas zu machen, was es nicht ist, es in ein Erlebnis zu verwandeln, es in den Fluß der realen psychischen Erlebnisse zu treiben. Wie oben gesagt, hat die vorkantische Erkenntnistheorie mit einer Vernichtung des Erkenntnisbegriffs geendet, weil der Gegenstand der Erkenntnis sich als ein Nichtgegebenes herausgestellt hat, der sogar, wenn er gegeben wäre, aufhören würde, Gegenstand der Erkenntnis zu sein; so ist auch hier das Ideale kein Gegebenes, und umgekehrt ist das Gegebene (das Bewußtseiende, Reale, Phänomenale) kein Ideales und hat mit ihm nichts gemein. Das heißt aber, daß ihrer definitionsgemäßg die Sätze-ansich, die Wahrheiten-ansich nichts Gegebenes sein können, und daß sie schließlich dasselbe Schicksal erleiden wie das transzendente Sein: weil sie nichts Gegebenes sind, können wir eigentlich auch nichts von ihnen aussagen. (25)

26. Nach dem bisher Dargelegten ist es klar, daß der BOLZANO-HUSSERLsche Dualismus von der Geschichte der philosophischen Irrtümer viel Neues gelernt, aber auch viel Altes vergessen hat. Ähnlich wie die vorkantische Erkenntnistheorie konnte auch er nicht anders als mit einem Subjektivismus abschließen, weil der letztere mehr oder weniger schon im Ansatz jeder psychologistischen Philosophie steckt. Fürwahr ihr neuer Vertreter bemüht sich, diese unausbleibliche Konsequenz zu verdecken, sie kann jedoch keineswegs maskiert werden. "Alles Logische", schreibt HUSSERL, "muß, sofern es als Forschungsobjekt unser Eigen werden soll ..., in subjektiver Realisation gegeben sein". Die Wahrheiten und die Sätze ansich müssen Gegebenes, Bewußtseiendes sein, sofern sie Gegenstand unserer Untersuchung sind! Gewiß, das ist richtig. Aber gerade diese Behauptung stimmt absolut nicht mit den Folgerungen überein. Nämlich BOLZANO und HUSSERL wollen die absolute Objektivität und Gültigkeit der Wahrheit begründen. Das ist ihre Aufgabe, ihr Ziel. Nun gut. Was wir "wahre" Sätze und Behauptungen nennen, drückt ein Gegebenes, etwas Bewußtseiendes aus. Wie kann ich nunmehr wissen, daß in dem, was zum sprachlichen Ausdruck kommt, ein von  jedem  Bewußtsein Unabhängiges steckt, etwas, was nicht  ist,  wohl aber überzeitlich  gilt?  Das ist die entscheidende Frage, und auf sie sind BOLZANO und HUSSERL die Antwort schuldig geblieben. Zwar soweit ich mit einem Satz zu tun habe und ihn für wahr halte, will ich damit nicht Subjektives, sondern  Objektives  ausdrücken. Aber das heißt noch lange nicht, daß das zum Ausdruck Gebrachte ein  absolut  Gültiges ist in dem Sinne, daß es ein von  jedem  Bewußtsein Unabhängiges wäre. Es ist gar nicht ausgeschlossen, daß dieses "Objektive", das zum Ausdruck kommt, von einem "Bewußtsein überhaupt" Abhängiges, aus seinem Wesen Fließendes, auf ihm Ruhendes ist, wie es z. B. mit er immanenten Philosophie steht. Das "Bewußtsein überhaupt" ist nicht das Bewußtsein einer Spezies denkender Wesen, - es ist nicht das Spezifische des  menschlichen  Bewußtseins, sondern eben des  Bewußtseins  - und deshalb braucht man hier keine Angst zu haben vor Relativismus, vor einem Verderben des Sinns der Wahrheit. Ich betone nochmals, in dieser Richtung ist eine Lücke geblieben. Die Gründe, die HUSSERL gegen ein erkenntnistheoretisches Bewußtsein, wie es PAUL NATORP versteht, anführt, treffen kaum  das  Bewußtsein überhaupt, von dem bei der immanenten Philosophie die Rede ist. Und das heißt weiter: die  absolute  Geltung der Wahrheit, wie sie BOLZANO und HUSSERL wollen und meinen, ist nicht begründet. Ihr Gegensatz von Idealem und Realem - soweit sie ernsthaft vom Gegebenen ausgehen wollen - führt entweder zur Streichung des absolut Gültigen als Nichtgegebenem, was eine Katastrophe für diese Richtung bedeutet; oder (soweit sie bloß die Widersinnigkeit des Relativismus umgehen möchten) im günstigsten Fall zu einer "Abhängigkeit" der Wahrheit vom Bewußtsein  als solchem.  Wie im einen, so auch im andern Fall ist aber die Entgegenstellung, mit der BOLZANO und HUSSERL die Objektivität der Erkenntnis klar machen wollen, aufgehoben. - Es gibt noch eine Seite, von der wir uns über den Gegensatz zwischen Erlebnis und Idealem orientieren können. Wenn HUSSERL unter Erlebnis eine Bestimmtheit der Psyche, eine Eigentümlichkeit, einen "realen Bestandteil" des Bewußtseins versteht, - und er gibt Anlaß, gerade daran zu denken (Log. Unt. II, Seite 338-343 und 712f) - dann ist sein Kampf gegen die Verwandlung der "Wahrheit" in Phänomene unter Phänomenen ganz und gar verständlich. Ich würde  auch  sagen, das Wirkliche kann nicht als Erlebnis aufgefaßt werden, weil das Erlebnis das zur Seele Gehörige ist, während im Begriff der Wirklichkeit (des "Gegenstandes") die völlige Unabhängigkeit vom Bewußtsein liegt (26). Aber diese Unabhängigkeit muß doch  begründet,  klar und verständlich gemacht werden. Von HUSSERLs Standpunkt jedoch ist das unmöglich, da er als Psychologist keine andere Art von Gegebensein als das Zugehörigsein kennt. (27) Deshalb ist auch bei ihm "das Erlebnis" einmal das zur Psyche Gehörige. In diesem Fall kann das Ideale natürlich kein Phänomen sein; andererseits aber soll es das Gegebene bezeichnen, also soll zuweilen auch das Ideale "Erlebnis" werden, obschon in einem "total geändertem Sinn." Nein,  entweder  ist das Erlebnis das zur Psyche Gehörige, dann kann die "Wahrheit" (das Ideale) nie und nirgends ein Gegebenes sein, dann ist sie wirklich Wahrheit  ansich,  im Sinne von etwas Unerfahrbarem;  oder  Erlebnissein bedeutet, Besitz des Bewußtseins sein, dann  kann  auch die "Wahrheit" gegeben sein, ohne daß sie etwas Subjektives ist. Dann muß man aber die "Unabhängigkeit" dieses Gegebenen (Wahrheit genannt)  begründen.  Das Loßreißen der Frage nach der Wahrheit von der nach der Wirklichkeit (und ihrer Unabhängigkeit) macht diese Begründung unmögich: Etwas, was seinem Wesen nach nichts Existierendes ist, kann auch nicht Existierendes werden. Also eine Begründung der Objektivität (Allgemeingültigkeit) der Wahrheit als Ideales ist nicht gegeben und kann nicht gegeben sein.

27. Nicht nur die "alte", sondern auch die neue Erkenntnistheorie kann, meint RICKERT, "wenn sie neben einer  psychologischen,  d. h. spezialwissenschaftlich und "dogmatisch" verfahrenden Untersuchung des Erkennens überhaupt eine Bedeutung besitzen soll, nur die Aufgabe haben, die den spezialwissenschaftlichen Untersuchungen als selbstverständlich geltenden Voraussetzungen zum Problem zu machen. Sie soll im Gegensatz zu den auf ungeprüften Voraussetzungen ruhenden Wissenschaften "voraussetzungslos" sein (Gegenstand d. Erkenntnis, Seite 8). Ob die Aufgabe der  Philosophie  darin besteht, worin sie hier unser Verfasser sieht, darüber kann man streiten. Ganz richtig jedoch sagt er, daß sie - im Gegensatz zur Psychologie und den anderen Fachwissenschaften - voraussetzungslos verfahren muß. "Wo überhaupt gefragt werden  kann,  da soll die Erkenntnistheorie fragen." Wenn wir diese Methode RICKERTs auf seine eigene Philosophie anwenden wollten, müßte unsere erste Frage lauten: Warum kann der Gegenstand der Erkenntnis nicht ein Gegebenes, warum muß er etwas Transzendentes [die Grenzen der sinnlich erkennbaren Welt überschreitend - wp] sein? Woher diese Weisheit? Daß dieses selbstverständliche Dogma nur dort möglich ist, wo heimlich psychologistische Voraussetzungen mitunterlaufen, das ist uns schon bekannt. Allein das genügt nicht. Wir haben oben festgestellt, daß der teleologische Kritizismus ebenfalls wie die BOLZANOsche Schule von der Voraussetzung ausgeht, daß es außerhalb des Bewußtseienden noch etwas anderes, von ihm Unterschiedenes und Geschiedenes gibt, das einen Gegensatz zu ihm bildet: das zeitlos Gültige. Daß dieser Ansatz auf dem Boden der Psychologie  entstanden  ist, und daß er nicht etwas toto genere [völlig - wp] Verschiedenes vom Ausgangspunkt des alten Psychologismus ist, sondern bloß eine Verfeinerung desselben, das ist schon zum Teil hervorgehoben und wird in folgendem noch durchsichtiger werden. Daß außerhalb dieser  Voraussetzung,  die der teleologische Kritizist vielleicht energisch bestreiten würde, die Lehre RICKERTs voll von Widersprüchen und Absurditäten erscheint, das haben wir noch zu beweisen. Doch bevor wir an diese Aufgabe herantreten, müssen wir uns über den Ausgangspunkt unserer Erörterung einigen. Da wir den teleologischen Kritizismus als Psychologismus wegen seines  dogmatischen  Ansatzes bekämpfen und bekämpfen werden - und wir werden versuchen nachzuweisen, daß das, was er als Resultat bietet, eigentlich vorausgesetzt wird, - deswegen ist es höchste Zeit, zunächst zu sehen, ob es einen philosophischen Standpunkt gibt, der keine Voraussetzung, kein Vorurteil darstellt, an dessen Wahrheit man nicht zweifeln könnte, und wenn sich ein solcher finden läßt, welcher er ist. Das ist umso wichtiger, als wir gerade bei dieser Gelegenheit erfahren werden, in welchem Punkt die alte Erkenntnistheorie überwunden werden muß, und worin diese Überwindung des Psychologismus besteht.
LITERATUR - Dimtri Michaltschew, Philosophische Studien - Beiträge zur Kritik des modernen Psychologismus, Leipzig 1909
    Anmerkungen
    1) RICKERT, Gegenstand der Erkenntnis, Seite 16; WINDELBAND, Logik, Festschrift für Kuno Fischer, Bd. I, Seite 183
    2) Interessant ist in dieser Hinsicht das, was man auf den Seiten 167f und 662 der RICKERTschen "Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung", 1902, liest.
    3) Dieser Dualismus nimmt bei SCHUPPE z. B. die Form einer merkwürdigen Entgegensetzung von Bewußtseinsinhalt und Bewußtsein überhaupt an. Das letztere ist Träger jener logischen Bestimmtheiten (der Kategorien: Identität und Kausalität), die die Objektivität der Erkenntnis und der Wahrheit möglich machen. Doch bestehen hier die beiden verschiedenen und in abstracto entgegenstehenden Faktoren der Erkenntnis, wie ich das oben bereits angedeutet habe, nicht getrennt, sondern sie sind begriffliche Momente eines Ganzen. Das ist eben das Eigenartige in dieser philosophischen Richtung, die zu einem Monismus kommen will, nachdem sie einen dualistischen Gegensatz vorgesehen hat. Unabhängig von dieser Merkwürdigkeit der SCHUPPEschen Philosophie aber, hat das, was wir charakteristisch für jede psychologistische Theorie der Erkenntnis gefunden haben, volle Gültigkeit auf für die "immanente Philosophie". Auch für sie würde das Gedachte, das Bewußtseiende der Ordnung und Objektivität ermangeln, wenn es nicht einen "Gegenstand der Erkenntnis" gäbe - als etwas Verschiedenes, vom Gegebenen Gesondertes (obgleich mit ihm untrennbar verknüpft) - der die Objektivität möglich machte. "Wenn wir aus einem gegebenen Gedanken, egal ob Urteil oder Begriff, dasjenige, was darin dem Denken als Denken angehört, herausnehmen, so bleibt ein wüstes Chaos zusammenhangsloser, unverstandener und unverständlicher letzter, unmittelbar gegebener Elemente zurück" (Erkenntnistheoretische Logik, 1878, Seite 102). Allerdings wird SCHUPPE einwenden, daß sie doch bloß zwei "Momente" sind, die nur in Abstraktion einen Gegensatz bilden können. Es mag sein, doch hat das für das Wesen der Sache keine Bedeutung. Das Entscheidende ist, daß sie überhaupt einen Gegensatz bilden und daß man von einer solchen Scheidung ausgeht.
    4) HUSSERL, Logischen Untersuchungen II, Seite 19 - 22.
    5) PAUL NATORP, Zur Frage der logischen Methode, Kant-Studien 1901, Seite 280.
    6) Freilich gebrauchen weder die teleologischen Kritizisten noch die Anwälte der "reinen Logik" das Wort "Gegebenes in unserem Sinn. Bei den ersten bezeichnet es eine Prädikation des Urteils, soweit das letztere etwas Einziges, Einmaliges ausdrückt und deshalb - sofern das Urteilen ein Anerkennen des absolut Gültigen ist - kann von einem Gegensatz zwischen dem Gegebenen und Gültigen schwerlich die Rede sein. Dieser spezielle Sinn des Wortes "Gegebenes" geht uns aber hier nichts an. Mit dem Terminus "Gegebenes" meinen wir das, was das Bewußtsein besitzt, was ihm gegeben ist: das Bewußtseiende. Nun ist aber das "Vorstellungsmäßige", der "Ihnalt" des Urteils - bei WINDELBAND und RICKERT - etwas Bewußtseiendes. Ob es eine "Abstraktion" ist (wie es bei ihnen lautet), zu der wir erst nach einer Zergliederung des Urteils gelangen - das ist herzlich gleichgültig. Immerhin ist das Vorstellungsmäßige das zum Bewußtsein Gehörige, während  ihm  - in "Abstraktion" natürlich - das Gültige, ich meine hier das Sollen entgegensteht. Es ist nicht zum Bewußtsein gehörig, sondern etwas, was dieses (als urteilendes) anerkennt. Prinzipiell ebenso steht es auch mit dem "Realen" BOLZANO-HUSSERLs. Es ist das zur Psyche Gehörige, während das Gültige, ich meine das Ideale, - wieder in "Abstraktion" - einen Gegensatz zu ihm bildet. Diesen Gegensatz zum Gültigen nenne ich  Gegebenes,  denn das Reale mag noch so sehr "abstrakt" sein, es muß doch, wenn es nicht nur ein Wort sein soll - etwas Bewußtes sein. "Vorstellungsmäßiges", das nicht etwas Bewußtes, nichts Gegebenes wäre - das ist der größte Widersinn, den es gibt. Ausführlicheres hierüber im "Nachtrag".
    7) BERNARD BOLZANO, Wissenschaftslehre I, Seite 78
    8) "Wie denn das "ansich" der Objektivität zur Vorstellung kommen, also gewissermaßen doch wieder subjektiv werden mag; wie die Idealität des Allgemeinen als Begriff oder Gesetz in den Fluß der realen psychischen Erlebnisse eingehen und zum Erkenntnisbesitz des Denkenden werden kann"? (Log. Unt. II, Seite 9). Selbstverständlich unterscheiden sich diese Fragen prinzipiell nicht von den entsprechenden der früheren psychologistischen Erkenntnistheorie, die ebenso das Gedachte (das Erlebte) dem Gegenstand der Erkenntnis (damals das Seiende, das Wirkliche) gegenüberstellt und nachher sich mit der unlösbaren Aufgabe quälte: Wie kann das Denken das Sein "erfassen", d. h. es in den Fluß der realen psychischen Erlebnisse ziehen?
    9) WILHELM SCHUPPE, Grundriß der Erkenntnistheorie und Logik, Seite 19
    10) HUSSERL, Logische Untersuchungen II, Seite 341
    11) HUSSERL, Logische Untersuchungen I, Seite 119
    12) BOLZANO, Wissenschaftslehre I, Seite 163; vgl. auch HUSSERL, Logische Untersuchungen I, Seite 119
    13) HUSSERL, Logische Untersuchungen I, Seite 128
    14) HUSSERL, Logische Untersuchungen I, Seite 117
    15) Nachdrücklich betont das auch OSKAR EWALD, der in der Mitte zwischen HUSSERL und WINDELBAND steht. Vgl. "Kants Methodologie", 1906, Seite 81, 95, 105.
    16) An einigen Stellen (§ 33, Bd. 1) betont HUSSERL, man dürfe das Problem des Skeptizismus in erkenntnistheoretischer Wendung mit dem des Skeptizismus in metaphysischer Wendung nicht verwechseln, da die skeptischen Lehren, die an der Erkennbarkeit der Dinge ansich zweifeln, rein metaphysisch seien; "sie haben ansich mit dem eigentlichen Skeptizismus nichts zu tun, ihre These ist von allem logischen und noetischen  Widersinn  frei". Dieser Einwand betrifft gar nicht unsere Behauptung und beruth auf einem Mißverständnis. Unsere These ist nämlich, daß das Problem der Wirklichkeit - als etwas vom Bewußtsein Unabhängigen - untrennbar verknüpft ist mit dem der Wahrheit und ihrer sogenannten Unabhängigkeit vom Bewußtsein. Doch zeigt dies, daß wir immer im Auge haben müssen, in welchem Sinn eine Philosophie vom Ding-ansich spricht. Bei KANT z. B. "erklärt" uns das Affizieren des Bewußtseins von seiten der Dinge-ansich die Genesis der Empfindungen. Aber seine Dinge-ansich sind nicht der "Gegenstand der Erkenntnis", sie sind für ihn nicht die Wirklichkeit, die vom individuellen Bewußtsein unabhängige  Wirklichkeit.  Bei anderen (nämlich bei den psychologistischen Erkenntnistheoretikerns der früheren Zeit, bei denen das Denken als bloßes Wahrnehmen, Vorstellen, Abbilden aufgefaßt wurde) haftet das Problem der Dinge-ansich untrennbar an dem der Wahrheit. Deshalb können wir auch sagen: die Frage nach der Objektivität der Wahrheit und der Erkenntnis ist unlösbar verbunden, ich möchte sagen  identisch  mit der nach der Wirklichkeit, wo man unter Wirklichkeit das versteht, was jeder meint, wenn er sagt, etwas ist wirklich so, nämlich den "Gegenstand der Erkenntnis". Die Behauptung HUSSERLs behält einen Schein von Berechtigung, solange wir nicht die Wirklichkeit (das Ding-ansich) im Sinne von Gegenstand der Erkenntnis (wie das bei der früheren psychologistischen Erkenntnistheorie von DEMOKRIT bis HUME und HELMHOLTZ sogar der Fall war)  unterscheiden  von der Wirklichkeit (Affizierendes, Ding-ansich) im Sinne von Ursache für die Entstehung unserer Empfindungen, ohne daß diese Wirklichkeit zugleich das Richtunggebende, der Gegenstand der Erkenntnis, wäre. Im letzten Fall ist es gewiß richtig, daß die Frage nach der Wirklichkeit direkt nichts Gemeinsames mit der nach der Objektivität der Erkenntnis hat. Im ersten aber ist dies augenscheinlich  ein und dasselbe Problem. 
    17) HEINRICH GOMPERZ, Griechische Denker. Bd. 1, Leipzig, Seite 362f
    18) ALEXIUS MEINONG, Über Annahmen, Leipzig 1902, Seite 94-95.
    19) Ausführlicher über die Verwechslung von  Bestimmtheit,  Eigentümlichkeit des Bewußtseins (= Vorstellen) - die selbstverständlich in einem unüberbrückbaren Gegensatz zum Ding (dem viereckigen Tisch) steht - und  Besonderheit  dieser Bestimmtheit (Vorstellung), die ganz gut auch etwas Räumliches sein kann, kurz über die Verquickung von Vorstellen und Vorstellung, sie im "Anhang" über den Empiriokritizismus.
    20) Siehe MEINONG, Über Annahmen, Seite 189, besonders und ausdrücklich aber Seite 197
    21) "In der Reflexion finden wir uns als Objekt, aber diesem Objekt steht immer das Ich als Subjekt gegenüber, und dieses Subjekt gehört nicht dem Gegebenen an, da es ja im Gegensatz zum Objekt steht und - auch wenn wir es zum Gegenstand der Beachtung und Betrachtung machen - doch sofort als das beachtende und betrachtende Subjekt wieder dem Objekt gegenübersteht" (Erkenntnistheoretische Logik, Seite 699, auch 146). - Wollte SCHUPPE unserer Behauptung mit dem Einwand begegnen, wir lassen außer auch, daß die Analyse des  Ganzen,  das er vorfindet, zweierlei Solches zeigt, so überwindet dies unsere Bedenken gegen das Unlogische und Widerspruchsvolle im "Welträtsel" nicht.
    22) Nach uns ist das Einzelwesen eine Einheit von Bestimmtheiten. Wenn man aber die letzteren wegdenkt, so muß doch - wird jemand meinen - die Einheit bleiben. Nein, wenn wir in diesem Wegdenken oder Abstrahieren die Bestimmtheiten  auseinanderlegen  könnten, so wäre eben die Einheit  nicht  mehr da.
    23) MELCHIOR PALAGYI, "Kant und Bolzano", 1902, Seite 39
    24) Vgl. dazu PAUL NATORP, a. a. O., Seite 276; MELCHIOR PALAGYI, Der Streit der Psychologisten und Formalisten, 1902
    25) Die Wahrheiten ansich gelten, ganz gleich, ob wir sie "haben", und ob wir sie überhaupt besitzen können: so lautet der Grundgedanke dieser Richtung. "Es kann auch sein", schreibt HUSSERL, "daß sich in einer Spezies unrteilsfähiger Wesen überhaupt keine Erkenntnisse entwickeln, daß alles, was sie für wahr halten, falsch, und alles, was sie für falsch halten, wahr ist. In sich bleiben Wahrheit und Falschheit aber ungeändert; sie sind wesentlich Beschaffenheiten der bezüglichen Urteilsinhalte, nicht solche der Urteilsakte; sie kommen jenen zu, obgleich sie von niemandem anerkannt werden ..., egal ob jemand in aller Welt es jemals erkennen mag oder nicht" (Log. Unt. II, Seite 151). In dieser Phrase nimmt der Dualismus HUSSERL-BOLZANOs ein so paradoxes Ende, daß er sich selbst den Garaus macht. Es kann nämlich die Frage gestellt werden: Woher können wir denn erfahren, daß nicht ausgerechnet  wir,  die Menschen, eine von diesen "unglücklichen" Spezies urteilsfähiger Wesen sind? Woher können wir wissen, und wo ist die Garantie, daß all das, was wir für wahr halten, nicht falsch ist? Ich glaube, daß der Skeptiker kaum etwas gegen einen solchen Feind zu bemerken hätte.
    26) In letzter Zeit, wie ich das oben ausgeführt habe, fühlt auch ALEXIUS MEINONG, daß das Gegebene in seiner Gesamtheit nicht als ein zur Psyche Gehöriges aufgefaßt werden kann, und er spricht ebenfalls von einem "Gegenstand" (und einer "Gegenständlichkeit"), den er im Bewußtseienden entdeckt zu haben glaubt, undder als etwas von Unabhängiges verifiziert werden müsse (vgl. Zeitschrift für Philosophie, 1907, "Über die Stellung der Gegenstandstheorie im System der Wissenschaften", Seite 40f, bes. 43). In diesem Punkt berührt er sich mit HUSSERL. Beide Forscher hatten sich bis jetzt ganz im Fahrwasser des Psychologismus bewegt, und wenn sie jetzt gerade die sogeannte "Gegenständlichkeit" als etwas irgendwie Gegebenes und  zugleich  von der Seele Unabhängiges betonen - ganz gleich wie sie sie verstehen und begründen wollen - so ist das ebenfalls symptomatisch: Sie stoßen mit dem Kopf gerade an die Wand, die die Grundwissenschaft von der Psychologie trennt: die  Verwechslung  von "Haben" im Sinne der Zugehörigkeit und im Sinne von Besitzen. - Eine etwas andere, nicht weniger interessante Wendung nimmt diese Reaktion gegen die psychologistische Verwechslung bei THEODOR LIPPS an "Inhalt und Gegenstand", 1906, Seite 519f, bes. 522-3. Vgl. auch "Psychologische Untersuchungen von demselben.
    27) Er spricht allerdings von verschiedenen Arten des "Habes" (Log. Unt. 330) sucht alle möglichen Äquivokationen klarzulegen, er fingt - durch einen ungeheuer komplizierten terminologischen Apparat - tapfer und gelegentlich mit großem Scharfsinn gegen das Verderben der psychologistischen Verquickung, doch in letzter Instanz unterliegt er: der  Gegensatz  zwischen dem Erlebnis und dem "Gegenständlichen", das "erscheint", siegt. Das heißt das Objektive wird wirklich nicht gehabt in dem Sinne, daß es ein "reales Bestandstück" des Bewußtseins, will heißen zur Seele Gehöriges ist. Wie denn? Es "erscheint". Das Objektive selbst kann demnach schließlich nicht gehabt werden. Die Tatsache, daß HUSSERL eine  Phänomenologie  geschrieben hat, zeigt deutlich, er will das Gegebene zergliedern, indem er  voraussetzt,  daß in ihm etwas zu entdecken ist, was Erscheinung (Phänomen) von einem Nichtgegebenen ist: Gegebenes und Gültiges - das war das Dogma. Nach dem absolut Gültigen kann das Bewußtsein  gerichtet  sein, doch das Gültige selbst kann nie gehabt werden, weil es dann aufhören müßte, ein von der Psyche Unabhängiges zu sein. Und das heißt ferner, trotz aller Versicherungen und terminologischer Subtilitäten. HUSSERL kennt bloß die  Zugehörigkeit,  nicht auch das  Besitzsein.