150 x 22. November seit 1849 (Eine Erinnerung an Fritz Mauthners Beitrag zu einer Kritik der Sprache) Jahrestage sind oft der Anlaß, um an Personen oder Ereignisse zu erinnern. Fritz Mauthner's Geburtstag jährt sich am 22. November zum 150-sten mal. Ich will diese Gelegenheit nutzen, um weniger seinen Namen, als sein Anliegen in Erinnerung zu rufen. Seine Bücher werden im Abstand von 20-30 Jahren immer wieder aufgelegt. Das Philosophische Wörterbuch gibt es jetzt auch auf CD-Rom. Die Sache ist anscheinend nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Mauthner hat sich das Problem des menschlichen Geistes zur Aufgabe gemacht und er hat seine Finger in viele Wunden illusionärer Propaganda gelegt. Die Krankheit des geistigen Betrugs ist nicht mehr ganz so mysteriös. Sprachkritik ist für Mauthner gleichzusetzen mit Erkenntniskritik und damit gleichzeitig Ideologiekritik und somit das kritische Unternehmen schlechthin. Es liegt aber nicht in meinem Interesse, hier Wichtigkeit und Notwendigkeit einer erkenntnistheoretisch fundierten Sprachkritik zu begründen. Dafür gibt es einen anderen Rahmen. Ich möchte den verbleibenden Platz nutzen, um meine eigene Sicht des kritischen Prinzips zu belichten: Die Tendenz der heutigen Zeit geht immer mehr dahin, physische Gewalt durch psychologischen Zwang zu ersetzen - in der Kindererziehung wie in der großen Politik. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Ideologien und Theorien, mit denen man in den Köpfen der vielen Leute das erwünschte Verhalten produzieren will. Physische Gewalt soll nur noch in den Fällen eingesetzt werden, wo die ideologische Manipulation keine Wirkung zeigt. Auf materielle Gewalt kann verzichtet werden, wo sich die eigenen Ziele auch erreichen lassen, in dem man die Leute an der Nase herumführt. Manipulation läßt die Leute etwas tun, was "eigentlich" nicht in ihrem Interesse liegt. Sie werden über die Vor- und Nachteile und Folgen ihres Denkens und Handelns getäuscht, ohne daß das jemandem in seiner ganzen Perfidie auffällt. Diese Art von semantischer Verblödung setzt schon in frühester Kindheit ein und es braucht niemanden zu wundern, daß es vielen Menschen in ihrem ganzen Leben nicht gelingt, die Lügengebäude zu durchschauen, in denen sie von den Machthabern dieser Welt irregeführt werden. Logische Sprachkritik muß als Methode geistiger Prüfung verstanden werden, die es ermöglicht, sich einen klaren Kopf zu verschaffen, um Informationen und Theorien so zu beurteilen, daß die dahinterliegenden Interessen deutlich werden, so daß sich fadenscheinige Begründungen als irrelevante Manöver entlarven. Ohne Beurteilungskraft ist kein Gedanke etwas wert [was nicht heißen soll, daß man nicht auch Unsinn erzählen darf, aber die Beteiligten sollten sich dann auch im Klaren sein, daß es sich um Unsinn handelt]. Wer nicht kritisch denkt, denkt eigentlich gar nicht und glaubt nur ganz selbstverständlich an eine allgemein verbreitete Geltung von Wörtern. Gerade dieser naive Realismus eines stupiden Wortaberglaubens ist im 21. Jahrhundert noch dieselbe Krankheit, an der schon die alten Griechen und Römer litten, ohne die eigentlichen Quellen ihres Irrtums ergründen zu können. Die Welt würde heutzutage anders aussehen, würden die Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik keine prinzipiellen Fehler machen, was die Feststellung von sogenannten Tatsachen angeht. Auch wenn die Sprachkritik kein Allheilmittel ist, so sind derartige Methoden doch sehr hilfreich bei der Prüfung von Ansprüchen und Interessen. Der mündige Bürger einer globalisierten Welt kommt nicht mehr ohne die Fähigkeit aus, Informationsmüll von sinnvoller Aufklärung zu unterscheiden. Die Ideologie, das Interesse, der böse Wille, steckt in den Wörtern, aber auch in der Abwesenheit von Diskussionen an der richtigen Stelle. Sprachkritisch denken heißt, versteckte Interessen offenbaren. Und das gilt gleichermaßen für alle politischen, wissenschaftlichen, rechtlichen, moralischen oder künstlerischen Zwecke. Soll der Gewalt und dem Streit auf demokratischem Wege ein Ende gemacht werden, dann müssen Interessen wohl begründet sein, sonst herrscht weiter das Faustrecht des Stärkeren. Um die Schlaumeiern dieser Welt daran zu hindern, einfältige Naturen mit ihrer hinterhältigen Logik zu täuschen, halte ich es für einen großen Vorteil, die große Masse der Bevölkerung dieses Planeten mit den erforderlichen Kenntnissen zu befähigen, um aus dem Sammelsurium der kursierenden Datenflut sinnvolle Prioritäten zu filtern und zwar auf der Basis einer Wertlogik, in der Interessen verantwortungsvoll gerechtfertigt sind. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis die erforderliche Einsicht in die grundlegenden logischen Mängel der offiziellen Weltanschauungen zu den verantwortlichen Entscheidern vorgedrungen ist, um die Bildungsinstitute dieser Welt mit vernünftigeren Lehrmethoden zu reformieren und bis dahin wird die allgemeine Verblödung einer unzulässigen Vermengung von Tatsachen und Interessen weiter die Vorteile gieriger Schlaumeier mehren, die ihre "natürliche" Macht erfolgreich auszunutzen wissen. Gottseidank produzieren die Widersprüche der etablierten Systeme aber auch zusehends mehr allgemeine Verwirrung, so daß eine eskalierende Verblödung auch schneller an entscheidende Wegmarken führt, an denen dem aufmerksamen Teil einer Bevölkerung die eigentliche Lage klar werden kann. Der Gedanke der Kritik an überkommenen Zuständen ist es, den auch Friedrich Maximilian Baldachin Mauthner in erheblicher Tragweite konzentriert hat und der zum Segen einer vernünftigen Welt weiterhin zersetzend, aber auch aufbauend wirken wird. |