ra-1Höhere Mysterien zweiter KlasseWilliam JamesGeschichte des Teufels    
 
ADAM WEISHAUPT
(1748 - 1830)
Materialismus und Idealismus
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"Ich kann kraft meiner gegenwärtigen Rezeptivität mir unmöglich alle Teile einzeln vorstellen. Ich fasse also mehrere dieser Teile zusammen, und denke sie als ein Ganzes. Dieses Zusammenfassen der Teile, so wie jede Vorstellung eines Ganzen, ist eine Verrichtung des Verstandes, des Vorstellungs- und Erkenntnisvermögens, eine Idee. Oder wollen wir leugnen, daß jede Vorstellung eine Ganzen eine Idee sei, gibt es ein Ganzes ohne vorstellenden Kräfte? Was ist ein Kriegsheer ohne einem vorstellenden Wesen, das seine Teile in ein einziges Bild zusammendrängt, und das, was es auf diese Art zusammenfaßt, mit einem einzigen Ausdruck bezeichnet? Jede Vorstellung eines Ganzen ist nichts reelles, sie ist bloß ein  modus, individua zu erkennen, zu betrachten. Da nun alle Materie und Zusammensetzung ebenfalls ein Ganzes und jede Idee des Ganzen nichts weiter, als eine Idee ist; so können auch Materie und Ausdehnung nichts weiter sein. Man bediene sich noch zum Überdruss des Beispiels von Farben. Ist etwas in der ganzen Natur wirklich und an sich selbst gefärbt? Sind diese Farben etwas reelles, für sich bestehendes? Oder drücken sie nur die Idee aus, die bei uns durch die Einwirkung gewisser Gegenstände auf uns so empfängliche Wesen entsteht?"

Daß wir selbst ein denkendes Wesen sind, daß wir Begriffe und Vorstellungen haben, daran hat wohl meines Wissens noch niemand gezweifelt. Aber! ob dieses Wesen, welches diese Begriffe, und Vorstellungen hat, eine von unserem sichtbaren Körper ganz verschiedene Kraft sei, ob nicht vielmehr der Grund dieses Denkens im Bau und Mechanismus dieses Körpers selbst liege, darüber kommen die Meinungen der Menschen schon von den ältesten Zeiten her weniger überein. Man wurde sehr frühzeitig gewahr, daß keine einzige vorstellende Kraft in der ganzen weiten Natur ohne einen tierischen Körper wirklich sei: daß sich jede dieser Vorstellungskräfte auf das allergenaueste nach diesem ihren Körper richte, daß sie sich mit solchem entwickle: daß dieser Körper die Verrichtungen der Seele erleichtere, oder verhindere; man glaubte, in den sogenannten Temperamenten die Gewalt des Körpers sehr anschaulich zu finden; man sah endlich, wie mit dem animalischen Leben zugleich alle Verrichtungen der Seele sich mit einemmal endigen, und aufhören; man bemerkte weiter, daß gewisse Teile unseres Körpers vorzüglich geschickt wären, die Eindrücke der äußeren Gegenstände aufzunehmen, und zu bewahren. Dazu kam noch, daß man nicht begreifen konnte, wie sich die materielle Natur in einem immateriellen Subjekt abdrücken, welche Veränderungen in einem Wesen ohne alle Teile sich entwickeln und vorgehen könnten. Zwar konnte man selbst nach dieser Vorstellungsart ebensowenig begreifen, wie sich das Bild des ungeheuren nächtlichen Himmels in dem so kleinen Raum eines Auges zusammendrängen und abdrücken könne; es blieben immer noch Schwierigkeiten ohne Ende, deren Auflösung weniger befriedigend war. So gerecht und quälend diese Zweifel waren, so beruhigte man sich doch mit dem Nichts erklärenden Gedanken, daß wir mit allen Eigenschaften der Materie noch nicht hinlänglich bekannt wären; man betrachtete von nun an den Körper selbst als den Grund unserer geistigen Veränderungen und man verwarf ohne weiteres jede vom Körper ganz unterschiedene denkende Kraft.

Dieses System ist das System des gröberen Materialismus. Sehr mittelmäßige Verstandeskräfte waren hinreichend, dieses System zu erfinden, so sehr hängt darin alles an der äußersten Schale: so sehr erscheint daraus, daß die ersten unmittelbaren Eindrücke ganz allein ohne allem Mitwirken der Vernunft dieses Urteil bestimmen. Und doch werden wir gewahr, daß sich die Anhänger dieses Systems damit ungemein gefallen, sich darin fühlen, und mit dem Besit einer ganz vorzüglichen Weisheit schmeicheln und hervortun. Diese Weisheit wurde unter den älteren durch die so berufene Epikureische Schule am meisten verbreitet. Unter den neueren haben sie LAMETTRIE und der Verfasser des  Systeme de la Nature  mit vielem Schein der Beredtsamkeit erneuert und unter sinnlichen, seichten und gemächlichen Denkern haben sie häufige Anhänger und Bekenner gefunden.

Daß mit dieser Vorstellungsart kein Glaube an die Zukunft und die Fortdauer unser selbst bestehen könne, leuchtet jedem von selbst ein. Es ist eine Folge, welche von keine wahren Anhänger dieses Systems widersprochen wird. Aber eben dieses Quälende und Unangenehme einer solchen Folge hat verursacht, daß ein anderer ungleich vernünftigerer Teil der Menschen das denkende Prinzipium von unserem sichtbaren Körper sorgfältig unterschieden, und in einer feineren unzerstörbaren Materie oder Zusammensetzung gesucht hat. Zu dieser Vorstellungsart hatten die älteren Kosmogonien das meiste beigetragen. Die Seelen der Menschen waren nach den Lehren dieser Systeme entweder unmittelbare Ausflüsse der Gottheit oder sie waren Teile der Weltseele, welche mit gröberen Körpern vereinigt wurden; man unterschied von nun an zwischen Geist, Seele und Körper; ersterer allein war aus Gott oder der Weltseele geflossen, wohin er dereinst wieder zurückkehren sollte. Er allein war folglich himmlischen Ursprungs, von einer unvergänglichen Natur und nur insofern unkörperlich, als er der gröberen Materie entgegen gesetzt wurde. Da man sich selbst Gott nicht weiter unkörperlich dachte, als er aus der feinsten Materie zusammengesetzt war, so konnten auch diese ausgeflossenen Teile keine von ihrer Urquelle verschiedene Natur haben. Diese Lehre war beinahe die allgemeine Lehre der ältesten, nicht bloß der heidnischen Welt. Selbst die Kirchenväter stellten sich die Natur Gottes, der Engel, und der menschlichen Seelen als körperlich vor. Dem ganzen Altertum samt allen seinen Religionen und Schulen der Weltweisen war der heutige geläuterte Begriff einer reinen Immaterialität bis auf DESCARTES und LEIBNIZens Zeiten unbekannt und fremd. Nach der Verschiedenheit dieser Schulen und Systeme wurde nun die Seele bald das feinste ätherische Feuer, bald ein Hauch, bald eine Entelechie, dann eine Zahl, eine Harmonie. Das Bild eines Hauchs, dessen sich selbst die Schrift Genesis 1,2 sowie im 2. Kapitel Vers 7 bedient, scheint schon darum eines der ältesten und vorzüglichsten gewesen zu sein, weil es sich bis auf unsere Zeiten in den meisten älteren und neueren Sprachen erhalten hat.  Pneuma  kommt offenbar vom  pneuo, spiritus  von  spirare, Anima  und  Animus  kommen mit einer sehr geringen Abänderung von  Anemos, ventus,  Wind. Diese Worte und Ableitungen verraten sehr deutlich, welche Begriffe die ältere Welt mich solchen verbunden, was sie sich bei den Worten  Geist  und  Seele  gedacht habe.

Wenn ich dieses zweite System über die Natur unserer Seele genauer prüfe, so muß ich zwar gestehen, daß es mit der Fortdauer unser selbst besser als das vorhergehende könne vereinigt werden: daß es in den Zeiten, wo die Begriffe von Geist und Materie noch so wenig bestimmt und entwickelt waren, sehr wesentliche Dienste geleistet habe, indem es die Menschen von den Verirrungen des gröberen Materialismus zurück gehalten und in dem so nutzbaren Glauben an die Zukunft befestigt hat. Doch kann ich nicht leugnen, daß alle Hoffnung von Unsterblichkeit, welche dieses System gibt und erweckt, sich nicht so fast auf der Unvergänglichkeit dieser feinen Materie als auf der sehr willkürlichen und falschen Voraussetzung gründe, daß alle Seelenausflüsse einer unvergänglichen Gottheit seien; daß also alle diese Hoffnungen mit dieser grundlosen Voraussetzung verschwinden müßten, wenn nicht die Religion sowohl als die Vernunft bessere Beweise in Bereitschaft hätten; daß also dieses System den Grund des Materialismus auf keine Art entkräfte, daß es folglich im Grund ganz materialistisch, daß es also mit dem gröberen Materialismus einen und denselbigen Schwierigkeiten unterworfen sei. Ich kann auf keine Art einsehen, warum man, da doch beide Materien Zusammensetzungen sind, von der gröberen Zusammensetzung verneinen wolle, was man ohne Bedenken von einer feineren bejaht. Entweder denkt jede, oder keine Zusammensetzung. Der gröbere Materialismus kann sich ganz derselbigen Gründe bedienen, welche die Denkungskraft des feineren beweisen, so wie einerlei Gegengründe beide Systeme zugleich widerlegen. Mir scheint es sogar, wer von der feineren Materie die Kraft zu denken bejaht, der muß sich außerstand sehen, diese Kraft von der gröberen zu verneinen. Genug! die Zusammensetzung, die Materie kann denken, darin kommen beide Systeme überein. Und wie wollten wir beweisen, daß Denken nur eine Eigenschaft der feineren Materie sei? Sollte nicht diese Voraussetzung willkürlich, und nur zum Ende erdacht sein, um die Unsterblichkeit der Seele zu retten, und um das zu bewirken, was muß man abermals tun? Man muß die Unzerstörbarkeit einer feineren Materie behaupten und wo sind die unumstößlichen Beweise dazu?

Diese Schwierigkeiten haben einige Neuere, welchen reine Unkörperlichkeit unbegreiflich war, nicht weniger gefühlt. Sie glaubten zu diesem Ende einen Mittel- oder Ausweg zu finden, wenn sie eine Ausdehnung oder Materie ohne alle Zusammensetzung annehmen würden. - Ich will zuerst diese Meinung untersuchen und sodann beide oben angeführte Systeme des gröberen und feineren Materialismus nach meinen Kräften widerlegen. Alles hängt hier von der Frage ab: Gibt es eine Materie, oder Ausdehnung ohne alle Zusammensetzung und Teile?

Ich frage zuerst, wie konnten denkende Menschen auf einen so sonderbaren Einfall verfallen? - Ich vermute, der Abscheu vor den Folgen des Materialismus und das Unvermögen eine reine Unkörperlichkeit zu denken, mußten sie dazu verleiten. - Sie wollten dadurch erklären und begreiflicher machen, wie der Körper in die Seele wirke, wie sich in der Seele die materielle Welt abbilde. Kurz! sie wünschten von beiden Systemen das Gute beizubehalten und die Schwierigkeiten zu entfernen. - Nun frage ich, erreichen wir auf diese Art diesen Zweck? Wird es nun begreiflicher, wie sich die materielle Welt in einer Ausdehnung ohne Teile abbilde und abdrücke? Haben wir nicht vielmehr die Schwierigkeiten vermehrt? Denken wir uns wirklich etwas bei einer Materie, oder Ausdehnung, welche keine Teile hat? Täuschen uns hier nicht die mathematischen Begriffe von Ausdehnung und Raum, welche in der Metaphysik so große Verwirrungen verursachen, sobald sie zur Erklärung nicht idealischer, sondern wirklicher Dinge gebraucht werden? Ist dieser Begriff nicht offenbar aus dieser Wissenschaft entlehnt? Wer von allen Menschen hat jemals eine Materie oder Ausdehnung ohne Teile gesehen oder empfunden? Und wenn wir sie nicht empfunden haben, wie kommen wir sodann zu diesem so sonderbaren Begriff, dessen Realität in der ganzen Natur keine Mensch jemals erfahren hat? Warum wenden wir deise Worte  Ausdehnung  und  Materie,  die wir ganz allein von teilbaren Dingen abgesondert haben, auf Gegenstände an, die gar keine Teile haben sollen? Heißt das nicht den Sinn und die Bedeutung der Worte verändern, sich ohne Not von allem Sprachgebrauch entfernen und die Begriffe verwirren? Warum sagen wir nicht lieber geradezu, wir kennen die Natur unserer Seele nicht, wir wissen bloß, daß sie nicht materiell ist. Sagen alle unsere Verdrehungen der Begriffe im Grunde nicht ebensoviel? - Aber nein! Da tritt der menschliche Stolz, der so gern alles wissen und entscheiden will, in das Mittel; dieser will durchaus bestimmen, was solche Wesen sind, von welchen wir nichts weiter wissen, als was sie nicht sind und um etwas zu sagen, nimmt er seinen Zuflucht zu einem Ding, das ganz unmöglich ist, wovon wir in der ganzen Natur das Gegenteil sehen; er behauptet, was nicht sein kann, die Wirklichkeit einer Materie und Ausdehnung, die keine Teile hat und glaubt nun heller, als vorher zu sehen.

Aber werden die Verteidiger dieser Meinung sagen, soll denn ein Wesen ohne alle Ausdehnung begreiflicher sein, als eine Ausdehnung ohne alle Teile? denken wir bei ersteren nicht ebensowenig? Ich antworte - wenigstens enthält ein solches Wesen keinen Widerspruch. Es muß, wie ich späterhin zeigen werde, Wesen dieser Art geben, weil es zusammengesetzte Wesen gibt; ihr Dasein ist unleugbar; nur die Art ihres Daseins; und ihrer Einwirkung ist uns bekannt und unbegreiflich. Aber eine wirkliche Materie oder Ausdehnung ohne Teile ist ein Widerspruch in der Sache selbst. Nach dieser Meinung wird von der Seele eine Eigenschaft bejaht, in dem System des reinen Spiritualismus wird sie bloß allein verneint. Ein wahrer Spiritualist behauptet auf keine Art, daß die Seele einfach oder zusammengesetzt sei: er sagt bloß, daß sie keine Materie, daß sie immateriell sei. "Aber was ist sie sodann?" - Nichts von dem allen, was wir sehen, oder empfinden "also gar nichts?" - Diese Folgerung ist zu stark. Es kann und muß noch tausend andere Arten des Daseins geben, die wir gar nicht kennen: denn wir erkennen und sehen derweil nicht mehr, als unsere Sinne erlauben; aber der Wirkungskreis Gottes und der Natur übertrifft unendlich das Gebiet unserer Sinne. Uns kann es hier schon genug sein, daß die Seele keine Materie ist. Schon auf dieser Überzeugung allein gründen sich die für unsere Tugend so nötige Aussichten auf unsere Unsterblichkeit und Dauer. - Im Grund scheint also dieser ganze Streit nichts weiter als ein Wortstreit zu sein. Beide Teile kommen darin überein, daß unsere Seele keine Materie von der Art sei, wie wir solche sehen und erkennen: nur der eine will wissen, was sie ist, wo sich der andere eher mit seiner Unwissenheit als mit Träumen und Hypothesen begnügt.

Eins von beiden muß also sein; die Seele des Menschen muß materiell oder immateriell sein. Nun kommts auf die Frage an, kann die Materie oder besser, kann die Zusammensetzung denken? Dies wollen und bejahen beide oben angeführte materialistischen Systeme, das größber, sowie das feinere. Ich gehe in der Beantwortung auf den Grund der Sache, mit ihm fallen alle seine Folgen. - Gibt es wirkliche eine Materie? Dies ist, was ich untersuchen soll. Ist sie etwas reelles? Oder drückt dieses Wort nur die Art und das sinnliche Bild aus, unter welchem wir uns die darunter verborgene Kräfte vorstellen, wodurch wir ihr Dasein erkennen? Was ist denn diese Materie? Ist sie etwas mehr, als ein zusammengesetztes Wesen, als ein Aggregat vieler Teile, als ein Gedanke der Geister, der diese Teile zusammenfaßt?

Es scheint nötig zu sein, daß ich auf eine einleuchtende Art beweise, daß jede Materie aus sehr vielen kleinsten Teilen bestehe. Davon hängt der Grund unseres Streits ab. Es wird nötig sein, die falschen Begriffe, welche sich die Menschen so gewöhnlich von der Materie machen, zu schwächen. Sie unterscheiden noch immer die Form von der Materie; sie denken sich diese beiden untrennbaren Dinge abgesondert; sie betrachten alle Materie als etwas, das erst unter der Bearbeitung des Schöpfers, oder der Kunst eine bestimmte Form erhalten soll: sie denken sich anbei ein Chaos, einen ursprünglichen abgesonderten Urstoff, von welchem alle Körper nur abgerissene Teile und Modifikationen sind. Auf diese Voraussetzungen gründet sich eine Menge von älteren und neueren Träumereien. - Also was ist diese Materie?

Ich denke, alle Menschen sind zum Begriff der Materie durch die Sinne gekommen, sie haben solchen aus dieser sinnlichen Welt abgesondert und entnommen. Da aber in dieser Welt alles, was wir gewahr werden, zusammengesetzt ist, so muß alle Materie von derselbigen Natur, sie muß ein sinnliches physisches Ganzes sein, das aus Teilen besteht. Diese sind die eigentliche, wahre, und letzte Bestandteile der Materie, diese fassen wir in ein einziges sinnliches Bild, dieses Bild nennen wir Materie. Wer also sagt, daß die Materie denkt, der muß entweder sagen, dieses sinnliche Bild, unsere Vorstellungsart denkt, oder die Teile selbst denken, aus welcher die Materie besteht. - Wenn nun aber diese Teile denken, so kann ich nicht einsehen, was der Materialist dabei gewinnt. Diese Teile können doch nicht ewig unteilbar sein. Jede Materie muß also aus Teilen bestehen, die keine weitere Teile enthalten, die folglich immateriell sind und diese allein denken. Der Materialist kann nicht begreifen, wie ein einziges immaterielles Wesen denke und er glaubt nun heller zu sehen, wenn er von mehreren dieser Wesen behauptet, was er von keinem einzeln begreifen konnte? - Also denkt nicht die Materie, es denken ihre Teile:

Ich sehe neue Einwürfe vorher. Noch drei Auswege öffnen sich dem Gegner um meine Beweise zu entkräften; er muß entweder behaupten, daß alle Materie in das unendliche teilbar sei oder er muß annehmen, daß aller Grund des Denkens nicht so fast in den Teilen, als in der Zusammensetzung liege: oder endlich er muß leugnen leugnen, daß der letzte Grund aller Wirksamkeit in den immateriellen Teilen der Materie liege, daß diese die einzige wirksamen Kräfte der Natur sind. - Sollte es mir gelingen, jeden dieser Einwürfe gründlich zu widerlegen, so scheint mir der Ungrund des Materialismus eine erwiesene Sache zu sein.


1.

Es gibt keine in das unendliche teilbare Materie. Wäre die Materie in das Unendliche teilbar, so würde der kleinste Weltteil so viele Teile enthalten, als der größte, als das Universum selbst, oder es gäbe, was ebenso unmöglich ist, ein unendliches, das kleiner großer wäre. Es gibt sodann ein Ganzes ohne Teile, oder ich muß auf letzte Teile kommen; es gibt sodann Dinge z. B. Figur, Zusammensetzung, die vor sich nicht bestehen können, die bloße Prädikate und Eigenschaften ohne Subjekt, dessen Prädikate und Eigenschaften sie sind; alle Körper bestehen im Grund aus nichts, denn ich stoße auf keine Grundteile, aus welchen sie bestehen; ich teile bloß in das unendliche fort, um den Zuhörer zu ermüden, damit er die Auflösung nicht abwarte. Kurz! es gibt ein Ganzes ohne Teile: es gibt ein Prädikat ohne Subjekt; es gibt ein Akzidenz ohne Substanz. - Wer kann diese sonderbare Folgen bejahen? Die Materie ist also nicht in das Unendliche teilbar, jede derselben, sie sei gröber oder feiner, besteht aus Teilen, die nicht weiter zusammengesetzt sind: sie ist ein Aggregat dieser kleinsten Teile; sie ist das sinnliche Bild, unter welchem mir solche erscheinen und vernehmlich werden: sie ist außer diesen wirkenden Teilen nichts weiter, als eine Idee, als ein Gedanke der Geister.

Aber kann nicht diese Materie aus Atomen oder solchen Teilen bestehen, die obschon zusammengesetzt, doch durch keine endlichen Kräfte teilbar sind?

Ich antworte: was gewinnen wir, wnn wir so weit sind? Hier, wenn die Rede von der Denkkraft der Materie ist, fragt sichs nicht, ob diese Atome durch keine Kräfte teilbar sind, es fragt sich vielmehr, ob sie Teile enthalten. Da dies nicht geleugnet wird, so sind wir gerade so weit, als wir bei jeder Zusammensetzung waren. Es gibt also doch selbst nach dieser Voraussetzung Elemente, aus welchen alle Körper sowie jede Materie besteht, nur einige derselben können auf keine Art, und durch keine endliche Kraft getrennt werden. Um was ist nun das Denken eines solchen Atoms begreiflicher als das Denken einer jeden anderen Materie? Wenn sich einmal die Welt in fünf oder sechs so eng vereinigten Elementen abdrücken kann, warum kann dies nicht weit leichter in der gröberen Materie geschehen? Wozu brauchen wir nun diese unzerstörbaren Atome? Sind diese Wirkungen eines solchen Atoms nicht ebensogut die Wirkungen seiner Teile? Warum suchen wir nicht vielmehr den Grund allen Denkens in der Quelle selbst, in den Teilen, aus welchen jedes Atom besteht? Das atomistische System führt also selbst auf die entgegengesetzte Seite. - Oder sind vielleicht diese Atome nicht weiter zusammengesetzt? - Sie sind sodann immateriell, sie sind das, was ich will, und wir streiten nur über Worte. Alle Materie, sie sei feiner oder gröber, teilbar oder unteilbar, muß am Ende aus Teilen bestehen, die keine weiteren Teile enthalten.

Wenn nun der Materialist, wie ich denke, durch die Kraft der obigen Gründe eingestehen muß, daß alle Materie, alle Zusammensetzung aus Teilen bestehe, welche nicht weiter zusammengesetzt sind: so bleibt hier nichts übrig, als daß er den Grund des Denkens in der Zusammensetzung selbst suche; daß er dieses Denken, das nach seiner Lehre in keinem der Teile einzeln gefunden wird, als ein Resultat ihrer Vereinigung betrachte. Diese Behauptung hat den größten Anschein für sich; es können aus der sichtbaren Welt häufige Fälle angeführt werden, aus welchen offenbar erscheint, daß die Teile durch die Vereinigung Eigenschaften erhalten, welche sie vor dieser Vereinigung nicht hatten. Der Materialist kann meine Waffen gegen mich wenden: er kann sagen, wenn aus Teilen, deren keiner einzeln genommen, eine Figur uns Ausdehnung hat, Figur und Ausdehnung entstehen kann, warum soll es nicht ebensogut geschehen können, daß aus der Vereinigung von Teilen, deren keiner einzeln denkt, ein denkendes Wesen entstehe? Dieser Einwurf ist von großem Gewicht, er kann ganz allein durch idealistische Gründe widerlegt werden, und die wenigsten Leser haben Geduld genug, ihren Verstand so sehr anzustrengen, als hier nötig ist. Also


2.

keine Zusammensetzung kann denken, oder der Grund des Denkens liegt nicht in der Vereinigung einzelner Teile, welche nicht denken.

Ich will diesen Satz zuerst mit den eigenen Worten des Herrn Professor GARVE aus seinen vortrefflichen Anmerkungen zu FERGUSONs Moralphilosophie beweisen, weil sie, wie ich denke, alles erschöpfen und in Kürze vereinigen, was man antworten soll.
    "Was entsteht durch die Zusammensetzung neues? Zehn Elemente will ich setzen, haben vorher in der Welt an zehn verschiedenen Orten existiert, jetzt existieren sie in einem beisammen, so nahe beisammen, daß mein Auge nicht mehr weiß, wo ihre Grenzen sind. In dieser Nähe gegeneinander dauern sie fort, durch Kräfte, die ich nicht weiß und die ich Kohäsion nenne. - Bisher also ist nichts, als der Ort jedes Elements verändert worden. - Abr der Einfluß, den der Ort über die Sache hat, den hat er auch hier: er bestimmt nämlich, welche die Gegenstände sein sollen, auf welche die Sache zunächst wirkt und von welchen auf sie gewirkt wird. Jedes der zehn Elemente ist also durch die neun andern etwas umgebildet worden, (es hat andere Gegenstände erhalten, in welche es wirkt, welche entgegen wirken, sein Wirkungskreis ist verändert) jedes hat wieder etwas beigetragen, einander umzubilden. - Aber immer ist noch keine Eigenschaft (denn die Umbildung ist nur in jedem einzeln vorgegangen) vorhanden, die sozusagen, aus der Mitte von allen hervorspränge, allen gemeinschaftlich wäre, und in keinem der Elemente besonders existierte, (und dies ist gerade der Fall, worüber wir streiten, was der Materialist vorgibt und sucht) es ist also kein neues Ding entstanden, es ist nur an jedem der Dinge, die vorher da waren, etwas geändert worden."

    "Wo soll ich mich also unter den Elementen, die mich zusammensetzen, finden? (entweder in den einzelnen Teilen, oder in der Zusammensetzung dieser Teile oder in der bloßen Lage der Teile ohne Rücksicht auf ihre Einwirkung. Kein vierter Fall ist hier möglich.) Nicht in den einzelnen Teilen denn diese denken nicht. Nicht in etwas, das aus ihrer Zusammensetzung entstanden ist, denn das sind nur Eigenschaften dieser einzelnen Teile. - Eigenschaften, die ebenfalls viele, und voneinander getrennt sind, wie die Teile selbst, denen sie zukommen; auch nicht in der bloßen Lage der Teile ohne Aussicht auf ihre Einwirkung. Denn, wenn ich hiervon abstrahiere, so ist ihre Lage eine bloße Idee, die der Verstand sich macht, welcher die Dinge anschaut."

    "Was vor dem Zusammenhang da war, das sind mehrere einzelne Dinge, jedes mit seinen Kräften und Eigenschaften, was in den Zusammenhang vorhanden ist, das sind eben diese mehrere Dinge; aber jedes mit anderen Handlungen, weil es andere Vorwürfe (Objekte) hat, gegen welche es handelt, jedes mit einem anderen Zustand, weil es andere Einflüsse bekommte. - Wo ist denn nun der Punkt der Vereinigung? wo ist das dem ganzen Kompositum gemeinschaftliche, das entstanden ist? wo ist das aus den vielen erwachsene neue?"

    "Wenn also aus zwei Dingen, welche zusammenkommen, in Ewigkeit kein drittes wird, sondern nur zwei bleiben, so bin ich entweder gar kein wirkliches Ding (sondern nur eine unter die vielen verteilte Eigenschaft, die keine abgesonderte Existenz hat) oder ich bin eines der einzelnen, welche zusammenkommen; (alle übrigen sind nicht Ich) ich kann vielleicht Kräfte haben, die ich nicht anders äußern kann, als wenn andere Dinge zu mir hinzu kommen, gegen welche ich sie äußere; ich kann eines Zustandes fähig sein, in dem ich doch erst durch die Wirkung anderer versetzt werden muß."
Soweit GARVE. Ich muß gestehen, so wie ich die Sache verstehe, hat diese Stelle für mich so viel überzeugendes, so viel Gepräge der höchsten Wahrheit, daß ich mir nicht vorstellen kann, was auch der erklärteste Freund des Materialismus darauf antworten könnte, wenn es nicht einzelne Beispiele aus der Analogie wären, hinter die er sich steckt, um diese Gründe auf eine indirekte Art zu entkräften. Er könnte also sagen, was ich zum Teil schon oben angeführt habe: gleichwie aus Dingen, deren keines zusammengesetzt oder ausgedehnt ist, zusammengesetzte oder ausgedehnte Wesen entstehen, ebenso könne aus der bloßen Vereinigung undenkender Wesen ein denkendes Wesen zur Wirklichkeit gebracht werden.

Hier ist die einzige mögliche Antwort, und ich fordere jeden auf, eine befriedigendere zu geben. Die Zusammensetzung oder Ausdehnung, so wie jede andere sinnliche Eigenschaft, ist keine innere wirkliche Bestimmung der einzelnen Wesen, deren Vereinigung die Zusammensetzung oder Ausdehnung hervorbringt. Alle Zusammensetzung, Ausdehnung und Vereinigung ist eine bloße Idee eines denkenden Wesens, die Art, wie ihm diese Naturkräfte kraft seiner Rezeptivität erscheinen. Wir erkennen und bemerken diese Eigenschaften an Dingen, deren keines einzeln genommen diese Eigenschaften hat, aus der Ursache, weil wir mehrere dieser einzelnen Dinge, die wir uns im Grunde alle dunkel vorstellen, nicht so genau unterscheiden können, weil wir sie daher in ein einziges sinnliches Bild zusammendrängen. Dieses unser Bild, diese unsere Vorstellungsart nennen wir Materie, Körper, Zusammensetzung, Ausdehnung, Farbe, Feuer, Wasser etc. Aber Denken ist etwas, das nicht bloße Vorstellung, etwas, das im vorstellenden Subjekt selbst sein soll: es ist jene Eigenschaft, die nicht bloß in der Idee eines anderen wirklich ist. Die Zusammensetzung oder besser zu sagen, mehrere einzelne Dinge können veranlassen, den Grund enthalten, daß bei einem denkenden Wesen das sinnliche Bild von Zusammensetzung, Ausdehnung und Figur, daß die Vorstellung dieser Eigenschaften entstehe; aber diese Zusammensetzung kann niemals machen, daß die Kraft selbst hervorgebracht werde, welche diese Vorstellung hat, daß die zusammengesetzten Teile selbst wissen, daß sie diese Vorstellung bei sich und bei anderen erwecken. Es soll ein Ich entstehen und wie können viele, deren keines einzeln genommen Ich ist, und sich von anderen unterscheiden kann, dieses Ich werden.  Ich bin nicht viele.  Kein Gedanke, kein Wort schließt seiner Natur nach alle Vielheit so sehr aus, als -  Ich. 

Denn denkt ein jedes der vielen, die mich ausmachen sollen, den ganzen Gegenstand, oder nur einen Teil? Ist das letzte, in welchem dieser Teile, die mich ausmachen, erscheint denn das Ganze, denn ich habe ja die Vorstellung davon? denkt aber jeder Teil den ganzen Gegenstand, so denkt ihn jeder entweder auf dieselbige, oder auf eine verschiedene Art. - Denkt ihn jeder verschieden, woher entsteht sodann die gemeinschaftliche Idee, welche ich habe? wo ist der Punkt der Vereinigung, das Subjekt zu diesem Prädikat, wenn es in keinem der einzelnen Teile ist? Die Eigenschaft, welche entstehen soll, muß ein Subjekt haben, dessen Eigenschaft sie ist. - Kommen aber alle Teile in ihrer Vorstellung durchaus überein, jeder denkt das Ganze auf dieselbige Art; so haben wir ja, was wir suchen; das Denken ist keine Eigenschaft der Materie, sondern einzelner immaterieller Wesen und alle Wiederholungen der übrigen Teile sind ekelhaft und unnütz; sie sind sogar unmöglich, weil es unmöglich ist, daß so verschiedene vorstellende Kräfte an verschiedenen Orten von demselbigen Gegenstand ganz denselbigen Begriff haben. In keinem Fall denkt die Zusammensetzung, es denken ihre Teile.

Aber wie werde ich beweisen, daß die Materie Ausdehnung und Zusammensetzung ein Gedanke, eine Vorstellungsart der Geister sei? - Hier indessen bis ich unten diesen Gegenstand vollständiger behandle, mag folgendes zum Vorgeschmack dienen.

Jeder muß eingestehen, daß alles, was wir Materie nennen, was wir uns unter diesem Namen vorstellen, aus einer unglaublichen Menge kleinerer Teile bestehe; wenn ich also einen materiellen Gegenstand erkennen wollte, wie er an und für sich ist, so müßte ich alle diese Teile zu gleicher Zeit einzeln und deutlich erkennen. Nun frage ich: würde ich auf diese Art noch das nämliche gewahr werden? Oder wer denkt das Ganze, wenn er nur die Teile denkt? Nun kann ich aber kraft meiner gegenwärtigen Rezeptivität mir unmöglich alle Teile einzeln vorstellen. Ich fasse also mehrere dieser Teile zusammen, und denke sie als ein Ganzes. Dieses Zusammenfassen der Teile, so wie jede Vorstellung eines Ganzen, ist eine Verrichtung des Verstandes, des Vorstellungs- und Erkenntnisvermögens, eine Idee. Oder wollen wir leugnen, daß jede Vorstellung eine Ganzen eine Idee sei, gibt es ein Ganzes ohne vorstellenden Kräfte? Was ist ein Kriegsheer ohne einem vorstellenden Wesen, das seine Teile in ein einziges Bild zusammendrängt, und das, was es auf diese Art zusammenfaßt, mit einem einzigen Ausdruck bezeichnet? Jede Vorstellung eines Ganzen ist nichts reelles, sie ist bloß ein  modus, individua  zu erkennen, zu betrachten. Da nun alle Materie und Zusammensetzung ebenfalls ein Ganzes und jede Idee des Ganzen nichts weiter, als eine Idee ist; so können auch Materie und Ausdehnung nichts weiter sein. Man bediene sich noch zum Überdruss des Beispiels von Farben. Ist etwas in der ganzen Natur wirklich und an sich selbst gefärbt? Sind diese Farben etwas reelles, für sich bestehendes? Oder drücken sie nur die Idee aus, die bei uns durch die Einwirkung gewisser Gegenstände auf uns so empfängliche Wesen entsteht?

Wenn die Materialisten z. B. das Feuer, so sich im Brennpunkt entzündet, zum Beweis anführen, daß aus Dingen etwas werden könne, was sie selbst nicht sind, so beweist dieses Beispiel nicht, was es beweisen sollte. Dieses Feuer entsteht, wenn wir seine Entstehung physisch erklären wollen, aus sehr vielen zusammengedrängten schnell bewegten Lichtteilen. Aber noch immer kommt auf diese Art nichts neues hervor, etwas, das nicht in den Teilen selbst war; denn das Feuer ist eine Modifikation, eine stärkere in einem engeren Raum schneller bewegte Masse des Lichts. Aber wenn Kräfte zusammengedrängt werden sollen, deren keine einzeln genommen denkt, wie kann aus dieser Vereinigung ein Denken entstehen, etwas das in keinem der Teile ist? - Betrachte ich noch ferner, wie es bei Untersuchungen dieser Art notwendig ist, das Feuer im metaphysischen Sinn, so ist das Feuer als solches eine bloße Idee, eine Wirkung mehrerer verborgener Kräfte, welche bei uns so empfänglichen Wesen unter dem sinnlichen Bild des Feuers erscheint, die ohne diese so organisierten Wesen nichts sein würde, als eine bloße Veränderung des Ortes, eine veränderte Lage und Einwirkung dieser Kräfte. Aber denken, sich seiner bewußt sein, sich von anderen Gegenständen, von jedem Gegenstand außer sich unterscheiden, ist ungleich mehr.  Dieses Denken ist hier keine bloße Vorstellung einer anderen vorstellenden Kraft: es ist diese Kraft selbst, die uns fähig macht, diese Vorstellungen zu haben; es ist die Kraft, die sich von allen Wesen der ganzen Natur unterscheidet; es ist etwas, das selbst vorstellt, nicht bloß vorgestellt wird; es ist etwas das nicht von außen hinzukommt, etwas, das in uns selbst ist.  Der Gedanke  ich  schließt alle subjektive Vielheit aus. Er duldet keinen Teilnehmer, er unterscheidet sich von allem, was nicht er selbst ist  und nichts ist er selbst, ich, was außer ihm ist: was viel ist, ist auseinander oder es hört auf, viel zu sein. 

Dies glaube ich, sei die einzige mögliche Auflösung, und Beantwortung dieses sehr schweren Einwurfs. Ich wünschte, daß die Worte meinem Willen und Begriffen so zu Gebote stünden, als ich nötig hätte, meine Gedanken meinen Lesern mit derjenigen Überzeugung begreiflich zu machen, mit welcher ich sie selbst denke: sie würden mich sodann besser verstehen, und wahrer finden, was ich schreibe. - Ich eile nun zur Beantwortung des dritten oben angeführten Einwurfs. Hier behaupte ich:


3.

Der Grund aller Wirksamkeit liegt in den Elementen und Kräften, aus welchen jede Materie und jede physische Zusammensetzung besteht.  Hier ist der Beweis.

Es ist doch unleugbar, daß es in der Natur Dinge gibt, die nicht vor sich bestehen können, die nur in und durch andere wirklich sind, die sozusagen die Prädikate von den Subjekten sind, an und in welchen sie existieren. Die Gedanken der Menschen sind von dieser Art; alle Form und Figur erfordert ein Subjekt, dessen Form oder Figur sie ist. Es muß also auch Dinge geben, welche dieses Subjekt sind, in und durch welche die Prädikate wirklich werden. Keine Zusammensetzung ist von dieser Art; keine derselben kann ohne Teile bestehen, welche diese Zusammensetzung gestalten; jede Zusammensetzung ist ein Prädikat, eine Eigenschaft dieser Teile, sie wird sogar durch diese Teile gewirkt. Jede Materie ist eine solche Zusammensetzung, jede Materie ist also nur ein Akzidenz, ein Prädikat von einem verborgenen Subjekt; dieses Subjekt kann unmöglich abermal zusammengesetzt, es muß immateriell sein. Diese immateriellen Wesen sind also die einzigen Kräfte der Natur; keine Materie als solche wirkt; alle Wirkungen der Materie sind also Wirkungen der immateriellen Kräfte, aus welchen sie besteht. Denken ist also unmöglich eine Eigenschaft der Materie; alle Eigenschaften der Materie sind Eigenschaften ihrer immateriellen Kräfte; und aus dem Dasein dieser Eigenschaften erkennen wir das Dasein dieser Kräfte.

Hier wären nun meine Gründe, welche ich allen materialistischen Systemen den feineren, wie den gröberen entgegen stelle; aber sie sind, wie jeder leicht gewahr werden kann, ganz im idealistischen Geschmack, und des gewinnt sogar das Ansehen, daß der Materialismus an den Idealismus seinen stärksten, wo nicht einzigen Gegner habe. Es scheint, daß, wenn die Wahrheit des letzteren auf eine unumstößliche Art dargetan werden könnte, der Materialismus vom Grund aus vernichtet würde. Oder wenn: alle Materie nichts reelles, wenn sie eine bloße Erscheinung, eine bloße Idee ist, wie ist es möglich noch weiter zu streiten, ob diese Materie denke, deren Wirklichkeit geleugnet wird? Dieser Ausdruck,  daß die Materie denkt,  würde also im Grund nichts weiter heißen;  als meine Vorstellung von der Materie denkt.  Die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele würde dadurch unendlich gewinnen: neue, stärkere, sehr einleuchtende Beweise würden sich aus der bloßen Vernunft für diese Lehre darbieten, und da die Lehre von der Unsterblichkeit eine Grundlehre der Moral ist, so würde zugleich dabei die Sittlichkeit unendlich gewinnen.

So paradox aber auch das System der Idealisten scheinen, so sehr es allen Erfahrungen in unserem innersten Gefühl beim ersten Anschein widersprechen, und auffallen mag: so denke ich doch die Vorteile, (1) die man sich davon versprechen kann, verdienen, daß ein Denker den Versuch wage, es näher zu prüfen und zu untersuchen. Ich bekenne gern, es ist nicht für alle Menschen: aber diese beruhigen sich sodann mit den Gründen der Religion. Diese leistet Ihnen diesen wesentlichen, so wenig erkannten Dienst, daß sie der Schwäche des größeren Haufens zu Hilfe kommt, daß sie über denselben Gegenstand vielen Menschen Gründe darbietet, die ihren Fähigkeiten sowie ihrem ganzen Fassungsvermögen angemessen sind. Der Denker erkennt dieses Verdienst der Offenbarung mit Dank: denn auch er hat seine Schwächen, so wie der Verstand des größten Weisen seine Schranken hat, wodurch seine Aussichten begrenzt werden. Aber eben das macht, daß er sich selbst kraft der Religion berechtigt glaubt, seine Kräfte so weit zu nützen, als sie ihm zureichen, ohne darum ihren hohen Wert in Rücksicht auf andere so wie auf sich selbst zu bezweifeln. Er fühlt sich berechtigt, seinen Vernunftbegriffen sowohl, als jenen der Religion den Grad von Gewißheit und Überzeugung zu geben, den seine Kräfte erlauben; er fühlt sich sogar verbunden, sich nicht bei einseitigen Beweisen zu beruhigen. Er, dem mehr gegeben ist, kennt die Pflicht, die kein schwächerer haben kann, die Gründe beider Teile zu vergleichen, eine Vereinigung zu versuchen und sich eben dadurch den höchsten Grad von Gewißheit zu verschaffen. Für ihn hat diese Untersuchung noch weitere Vorteile: sie dient ihm, den Stolz und Vorwitz des Menschen zu demütigen, ihn auf das, was ihm näher liegt, aufmerksamer zu machen, zum tätigen Leben aufzumuntern und von Spekulationsgeist, von Träumen und Verirrungen zurückzuhalten; sie dient ihm, den Menschen zu zeigen, was sie nicht wissen, was sie in diesem Leben auf keine Art jemals erfahren werden; sie dient ihm, manches ungereimte und willkürliche unserer Lieblingssysteme aufzudecken, Menschen vor Irrwegen zu warnen, die Herrlichkeit Gottes und seiner Werke auf eine neue eigene unwiderlegliche Art vor Augen zu legen, die Menschen bis an die Grenze allen menschlichen Wissens zu führen und ihnen begreiflich zu machen, daß sie, die sich auf ihre Vernunft so vieles zu gut tun, manches unbegreifliche ohne Ursache verlachen, daß vielleicht sogar gewisse Unmöglichkeiten sehr mögliche Dinge seien; sie dient ihm also eher, die Offenbarung zu bestärken, ihre Notwendigkeiten fühlbarer und anschaulicher zu machen, als solche zu entkräften.

Die ernsthaftere Betrachtung dieser Vorteile hat bei mir den Gedanken erweckt, diese Untersuchung zu unternehmen. Aber, wer jemals über den Idealismus gedacht oder idealistische Schriften gelesen hat, der muß auch mit mir die Schwierigkeit fühlen, sich über diesen Gegenstand seinen Lesern verständlich und begreiflich zu machen, wie schwer es halte, mit Menschen von und über Gegenstände zu sprechen, für welche unsere Sprachen keine Worte haben, wo diese Sprachen vielmehr auf das Gegenteil lauten, wo sie folglich verwirren und Mißverstand verursachen, wo die Eindrücke der Sinne uns von unseren ersten Jahren an das Gegenteil versichern, alle unsere abstrakten Begriffe, Verstand, Logik und Vernunft darauf gebaut sind, wo unser ganzes Gedankensystem selbst unser innerstes Bewußtsein im Grunde erschüttert werden, wo alle unsere Gedanken, Empfindungen, Urteile, Wissenschaften, ja sogar unsere ersten Grundsätze als zweifelhaft erscheinen, wo es Raserei scheint, das Gegenteil gegen eine ganze Welt, gegen sein inneres und äußeres Gefühl zu behaupten.

Und doch, sind einmal gewisse Voraussetzungen, gewisse schwer zu leugnende Grundsätze und Erfahrungen eingestanden, so wird es schwer fallen, sich der Folgen, welche ich daraus ziehen werde, mit Grund zu erwehren. Es mag sein, daß sich das ganze innere Gefühl dagegen empört: aber dieses sich dagegen empörende Gefühl kann nichts weiter beweisen, als daß unsere vorige Art zu denken zu sehr mit unserer Natur auf das innigste vereinigt sei, als daß man hoffen, oder glauben könnte, daß gegenwärtiger Vortrag viele Bekenner oder Verteidiger erhalten sollte. Es beweist, daß wir nicht streng genug schließen, daß wir keinen Schluß bis auf seine letzten Schlüsse verfolgen, daß wir unsere Vordersätze schon vergessen haben, wo die Anwendung zu machen wäre. -

Wer kann sich darüber wundern; die Täuschung der Sinne ist zu groß, der Unterschied und die Nuancen sind zu fein, die Verwirrung zu möglich, als daß man sich von vielen die Anstrengung versprechen könnte, welche so nötig ist, um den wahren und eigenen Sinn dieses Vortrags zu fassen. Ich sehe dies vorher, ich bin davon im Voaus lebhaft überzeugt, ich kenne sogar die Einwürfe, die dagegen zu machen sind; und ich gestehe, daß ich bei manchen derselben die Widerlegung besser fühle, als ich sie vortragen und deutlich entwickeln kann. Ich möchte sagen, es sei ein eigener Sinn notwendig, um dieses System gehörig zu verstehen; und wem dieser fehlt, wer sich nicht selbst die Auflösung machen kann, dem sei alle Erklärung ebensoviel, als keine, weil uns jede Sprache zu sehr verläßt, (denn ihre Erfinder waren keine Idealisten) weil die uns geläufigen, so unendlich mal wiederholten Urteile der Sinne sich zu häufig auch dorthinein mischen, wo wir sie am wenigsten vermuten. Ich weiß nicht minder, daß unter der sinnreichen Feder eines Witzlings und Schöngeistes nichts so lächerlich könne dargestellt werden, als eben dieses System der Idealisten. Zum Teil ist dieses schon öfter auf eine sehr plumpe Art geschehen. Man kennt den triumphierenden Einfall so vieler Lehrer, die Idealisten durch Stockstreiche zurecht zu führen; und wie viele sind, die nicht glauben, daß dieser Beweis unwiderleglich sei? Ich sehe noch weiter sehr deutlich ein, daß es töricht sein würde, wenn Menschen im gemeinen Leben die Sprache der Idealisten sprechen, oder gar vollends danach handeln wollten. Solche Lehren sind nur für solche, welche sich den höchsten Betrachtungen der Natur widmen, welche bis an die Grenze des menschlichen Wissens vorzurücken gedenken. Die Mathematik, Physik, Metaphysik und Moral haben jede ihre eigene Sprache, ihre eigenen Begriffe; sobald die Sprache und Begriffe der einen in die andere dieser Wissenschaften verpflanzt werden, so entsteht Verwirrung, Undeutlichkeit, Irrtum. Die Mathematischen Begriffe dienen hierüber in der Metaphysik zum redenden Beweis: mehr als eine Verwirrung ist aus dieser Vermischung entstanden; wenn ich als Naturforscher, der die Erfahrungen der Sinne bei seinen Untersuchungen als ausgemacht ohne Folgen für seine Wissenschaft voraussetzen kann, die Natur des Feuers erkläre, so erkenne ich das Feuer als ein wirkliches Ding, ich betrachte es nicht als Erscheinung. Es würde also töricht sein, die Sprache der Idealisten zu führen, um alle näheren Erklärungen zu vermeiden. Ich kann als Arzt nicht sagen, die Krankheit sei eine Erscheinung, folglich sei alle Arznei samt aller Hilfe eine überflüssige Anstalt; denn, wenn sie gleich Erscheinung ist, so erfahren wir doch, daß es möglich sei, eine unangenehme Erscheinung durch eine angenehmere zu ersetzen. Die idealistische Sprache im Mund eines Arztes würde also ebenso toll lauten, als wenn ich aus der sehr wahren idealistischen Voraussetzung von der Nichtigkeit und Jllusion der Farben folgern wollte, alle Färberkünste und Malerei seien unnütz, eitle Beschäftigungen der Menschen. - Ich möchte sagen, der Idealismus sei die Ontologie der Physik. Der Physiker nimmt die Sachen, welche der Idealist bezweifelt und zu anderen Endzwecken noch weiter untersucht, schon als ausgemacht an; auf diese Voraussetzungen baut er, und zieht seine Folgen und Systeme daraus, die sich auf sinnliche Erscheinungen und Erfahrungen gründen, und so lange wahr sind, als wir Sinne und diese empfindende Natur haben. Er bekümmert sich wenig um die letzten Grundursachen aller Dinge; diese liegen außerhalb seines Gebietes. Er erforscht die nächste, unmittelbare und sinnliche Ursache. Aber der Metaphysiker und Idealist gehen weiter; diese sagen: diese Schlüsse und Erklärungen des Physikers sind wahr für uns, welche diesen Sinnenbau, diese Rezeptivität haben: sie sind es aber nur für uns, und selbst für uns, nur so lang und insofern, als wir diesen Sinnenbau haben, sie sind also das Innere der Sache nicht. Hierdurch leistet jeder von beiden der menschlichen Vernunft den großen und unerkannten Dienst, (2) daß er alle Irrtümer aufdeckt und bestreitet, die sich auf den Satz gründen, daß unsere sinniche Erkenntnis das Innere der Sache selbst sei. Diesen Irrtümern, welche bei so vielen Teilen unserer Erkenntnis zum Grund liegen, welche andere weitere falsche Schlüsse veranlassen, und uns in Erforschung so vieler Wahrheiten hindern, will er vorbeugen: er will nicht gestatten, daß man verschiedene Ursachen einerlei Folge, verschiedenen Folgen einerlei Ursache zuschreibe. Wenn er mit diesen Untersuchungen zu Ende ist, dann kehrt er wieder zurück in das Gebiet der Sinne, deren Wert er nun erforscht hat; er findet sodann, daß es ihm zu seiner Glückseligkeit hier unten nötig sei, so zu handeln, als ob keine Täuschung, als ob alles real wäre, er spricht und handelt sodann, wie jeder andere seiner Art. Nur alsdann nimmt der Idealist seine Grundsätze wieder zuhilfe, wenn er auf Schwierigkeiten stößt, welche über das Gebiet der Sinne sind, wenn er Widersprüche gewahr wird, die auf keine andere Art zu heben sind; als z. B. wenn die Unfehlbarkeit seiner Sinne bezweifelt wird; wenn die Unmöglichkeit auf beiden Seiten einleuchtend ist, und folglich ein drittes vermutet werden muß; wenn er über Verhältnisse und Lagen z. B. den Zustand der Seele nach dem Tod urteilen soll, wo ihm das Urteil der Sinne gänzlich unbrauchbar ist; wenn er das Innere der Kräfte näher untersuchen und bestimmen will, inwiefern diese Eigenschaft und Äußerung der Kraft einem gegebenen Ding unter jeder, oder nur unter dieser bestimmten Lage und Form wesentlich sei; wenn die Rede über Wesen höherer Art, oder über die Grundursachen der Dinge ist, wenn er aufgefordert wird, sophistische oder epikureische Grundsätze zu bestreiten, den Wert der sinnlichen Güter herabzusetzen, den Vorzug der intellektuellen Vergnügungen vor jenen der Sinne zu beweisen, wenn er z. B. theosophische Systeme widerlegen soll, die auf die Wirklichkeit und Verderbnis der Materie ihre ganze Lehre gründen und daraus den Ursprung des Übels samt allen sittlichen Verderben ableiten; wenn er die Immaterialität der geistigen Kräfte, und aus solcher die Unsterblichkeit der Seele beweisen soll. Hier und in ähnlichen Fällen spricht der Idealist als solcher, und enthält sich bei seinen Untersuchungen, soviel er kann, aller physischen Ausdrücke auf die nämliche Art, als es dem Physiker geziemt, sich bei seinen physischen Untersuchungen innerhalb seiner Grenzen zu halten, und die Sprache des Idealisten zu vermeiden.

Der reine Idealismus ist ein Kind des vorigen Jahrhunderts, eine Geburt der kartesianischen und vorzüglich der LEIBNIZschen Schule. Zwar hatten HERAKLIT, die Eleaten, die Kyniker und die Pyrrhonisten und andere beinahe ähnliche Grundsätze; sie erkannten alle, daß die Gegenstände das nicht seien, was sie uns scheinen: sie schlossen daher auf die Relativität der Ideen, und die Trüglichkeit der Sinne. Aber weiter bis zur gänzlichen Verleugnung der Materie gingen sie nicht; und das konnten sie auch nicht. - Sie, denen Reinheit und Körperlichkeit eine ganz ungedenkbare Sache war, sie, die sich selbst die Gottheit als körperlich dachten, und nur im Gegensatz mit der gröberen Materie und körperlich. Alles blieb hiermit innerhalb der Grenzen des Skeptizismus. Und eben dieser Skeptizismus, den man sich vom Idealismus unzertrennlich vorstellt, gibt den Gegnern der Idealisten Gelegenheit, ihre Lehre als gefährlich zu verschreien. Zwar gestehe ich, daß durch den Idealismus unser Gedankensystem so ziemlich erschüttert werde; ich gestehe weiter in, daß noch kein idealistisches System den logischen Gebrauch und die Anwendung auf die Gewißheit unserer Begriffe und Urteile gemacht hat. Aber immer sind es sodann Fehler der Personen, die sich dazu bekennen, keine Fehler des Systems. Das System, wie ich es hier vortrage, geht zwar mit allen idealistischen Systemen von denselbigen Tatsachen und Voraussetzungen aus: aber es entfernt und teilt sich in den Folgen, die ich weiter hinausziehe; es wird die verschiedene Gattungen und Arten von Wahrheiten auseinandersetzen; es wird beweisen, daß uns unsere Sinne, ob sie uns gleich nicht in das Innere der Sache selbst führen, doch nicht hintergehen; es wird Grundsätze namhaft machen, die selbst in dieser Täuschung einen sehr hohen Grad der Gewißheit haben; es wird die Verbindung unserer abgeleiteten Wissenschaften mit den ersten Grundsätzen unserer Erkenntnis zeigen. Die Sittenlehre und die Gründe unseres Rechtsverhaltens sollen dabei nichts verlieren; sie werden vielleicht einen Zuwachs von Gewißheit erhalten.

In dieser Zuversicht wage ich es diese Gedanken vorzutragen, mich über Gegenstände zu erklären, die so sehr im Dunklen liegen, daß wir sie kaum durch unsere reinste Vernunft mehr als vermuten. Ich will es versuchen, ob ich Stärke genug habe, mich von dieser Täuschung loszureißen, mich auf einige Zeit von meinem Körper und Sinnen zu trennen, in eine ganz verschiedene Welt hinein zu denken, und auf diese Art zu verklären. Ich tue, soviel ich kann, und ich tröste mich mit dem Ausspruch des Dichters  In magnis jam voluisse sat est.  [Bei bedeutenden Vorhaben ist es genug, einen guten Willen zu zeigen. - wp]
LITERATUR, Adam Weishaupt, Materialismus und Idealismus, Nürnberg 1787
    Anmerkungen
    1) Im 61sten Stück der so beliebten Gothaischen gelehrten Zeitung des vorigen Jahrgangs sind diese Vorteile bezweifelt worden. Obgleich in diesem Text selbst dieser sowohl, als der vorigen Auflage von diesen Vorteilen einige Meldung geschieht, so säume ich nicht, solche deutlicher und näher zu entwickeln. Ich wähle zu diesem Ende die eigenen Worte des Herrn Rezensenten, um solchen meine Antwort und Gegenerinnerung beizufügen. - "Rezensent glaubt also, so vortrefflich, sinnreich und tiefsinnig dieses dem Verfasser allein eigene idealistische System abgefaßt ist, daß doch der Grund des materialistischen Systems dadurch noch nicht untergraben worden: und daß, obgleich zugegeben werden kann, daß sich bei veränderten Organisationen auch die Form der Materie nach der Beschaffenheit der Rezeptivität des Subjekts ändere, doch in Ansehung unserer gegenwärtigen Erkenntnis und Einsicht in die Beschaffenheit der Dinge dadurch nichts wesentliches geändert werde. Denn ich mag einen Gegenstand als Erscheinung, oder als etwas wirkliches betrachten, so bleiben die Verhältnisse, wie sie sind, Ursache und Wirkung, Grund und Folge bleiben dieselben, wie dies der Verfasser auch selbst behauptet. Ich substituiere bloß statt des wirklichen Erscheinung." - Ich leugne auf keine Art, daß diese Untersuchungen auf die meisten Wissenschaften und übrigen Arten unserer Erkenntnis, so wie auf das Betragen der Menschen in ihrem Leben, und bürgerlichen Verhältnissen entweder gar keinen, oder sehr entfernten Einfluß haben. Ich habe dies sogar an mehr als einem Ort selbst eingestanden. In der Physik, Chemie, Arzneiwissenschaft, in der Handlung, Ökonomie, Legislation und Politik bleibt ganz gewiß alles, wie vor dem: es ist eben soviel, als ob dieser Schein reell wäre. Aber bei anderen Untersuchungen, die uns nicht minder notwendig sind, in der Logik, Metaphysik, Moral, können wir gewahr werden, daß diese Untersuchungen von einem sehr erheblichen Nutzen sind. Ohne sie sind wir nicht imstand eine Menge von Meinungen, die auf die öffentliche sowohl, als Privatrije den größten Einfluß haben, gehörig zu prüfen. Man kennt den sehr quälenden Streit über die Gewißheit unserer Erkenntnis, über die Täuschung der Sinne, über die Relativität der Ideen. Sollte es nicht der Mühe wert sein, zu bestimmen, inwiefern diese Erkenntnis gewiß ist; inwiefern uns die Sinne täuschen; was an unseren Begriffen relativ, oder reell ist? Hängt nicht davon alle unsere endliche Beruhigung ab? Haben nicht manche Zweifler diese Zweifelsucht sogar auf die Grundsätze der Moral ausgedehnt? Welches System ist geschickter, diese quälende Unruhe und Ungewißheit zu vermindern? Wo werden die Grenzen unseres Wissens, über deren Bestimmung sich der menschliche Verstand in so mancherlei Hypothesen so gewaltig verirrt, richtiger bestimmt? Soll es für die Sittenlehre, und unser moralisches Verhalten ganz ohne Nutzen sein, daß wir dadurch am meisten instand gesetzt werden, die so sehr um sich greifende Lehre des Materialismus von Grund auf zu vernichten? Wir wissen, welche grundlosen Systeme ältere und neuere theosophische Schwärmer auf das Dasein und das ursprüngliche Verderben der Materie gegründet; wie sehr sich diese Irrtümer selbst der Religion bemächtigt, den Mut und das Vertrauen der Menschen niedergeschlagen, und diese zu den zweckwidrigsten Handlungen verleitet haben. Wie kann ich diese Schwärmer kürzer und richtiger widerlegen, sie vom Ungrund ihres Vorgebens überführen, als wenn ich das, worauf sich ihr ganzes Gebäude gründet, wenn ich das Dasein dieser Materie leugne? Werden sie nicht um diese Lücke zu füllen, genötigt, andere vernünftigere Erklärungsarten zu suchen? Um wieviel leichter nähern wir uns sodann der Wahrheit, wenn solche allgemeine, uralte, sehr praktische Irrtümer auf diese Art ihr Macht, und Einfluß verlieren? Wieviel muß nicht die Überzeugung von der Unsterblichkeit der Seele, von einem Reich der Geister gewinnen, wenn die Materie so wenig ist, wenn die Geister alles sind? - Ich denke, diese Vorteile sind groß, und ich kann mir nicht vorstellen, wie sie einem so scharfsinnigen Rezensenten so ganz entgehen und unbemerkt bleiben konnten. Einem solchen Mann konnte doch unmöglich unbekannt sein, daß der größte Teil unserer tiefsinnigsten wissenschaftlichen Entdeckungen ganz unnötig und überflüssig wäre, wenn in Beurteilung ihres Werts ihre unmittelbaren Vorteile das einzige Augenmerk wären. Was würde sodann aus so vielen metaphysischen, kritischen, antiquarischen, historischen und philosophischen Untersuchungen? - Selbst NEWTONs Theorie von den Farben, wozu ist sie gut, wenn wir sie nach diesem Maßstab beurteilen? Was kann es uns nutzen, ob sich die Erde oder die Sonne bewegt! So lange unsere Schulen über diese Gegenstände streiten, solange alle Kompendien voll von diesen Fragen sind, so lange die Auflösung dieser und ähnlicher Aufgaben die größten Köpfe aller Zeiten beschäftigt, solange denke ich, sollte eine neue, und weitere Untersuchung und Prüfung nicht unter die überflüssigen gerechnet werden. Selbst in unseren Tagen sind durch MENDELSSOHN- und JAKOBIschen Streitigkeiten alle diese Gegenstände neuerdings zur Sprache gekommen. Dieser ganze Streit gründet sich auf diese Ideen und kann nur aus diesen oder ähnlichen Begriffen entschieden werden. Auch die Fortschritte der Kantischen Philosophie scheinen mir zu beweisen, daß es in unseren Zeiten auf keine Art an Menschen mangle, welchen Untersuchungen dieser Art wert und willkommen sind, welche das Bedürfnis danach fühlen. Meine Begriffe scheinen mir mit den Ideen dieser Philosophie ganz von derselben Art zu sein, so verschieden auch meine Methode ist, diesen Gegenstand zu behandeln. Ich habe diese Ideen den Kantischen Schriften so wenig abgeborgt, daß ich aufrichtig versichern kann, daß ich diese Schriften zur Zeit, wo ich dieses System entworfen, weder gesehen noch gekannt habe. Ich wurde durch den im Jahr 1780 erfolgten Hintritt meiner Frau auf diese Gedanken gebracht. Ich hatte sie sehr geliebt, und ich war nach meiner damaligen Überzeugung noch ein sehr eifriger Materialist; aber der Gedanke mich ewig von ihr getrennt zu sehen, hatte mich so sehr beunruhigt, daß ich von diesem Augenblick an auf beruhigendere Vernunftgründe für die Unsterblichkeit unserer Seele dachte. Ich dachte so lang, bis endlich noch in in eben diesem Jahr dieses System zur Welt kam. Die eheliche Liebe war also die eigentliche Erfinderin dieses Systems, und ich mußte eine sehr geliebte Frau verlieren, um auf diese Gedanken zu verfallen. - Ich gestehe also sehr gern ein, für den größten Teil der Menschen haben diese Untersuchungen gar keinen Wert: aber für jene, welche auf die ersten Grundsätze unseres Wissens, auf die Entstehungsgründe aller Dinge zurückgehen wollen, die ihr Amt oder Beruf auffordert, gewisse Streitigkeiten zu prüfen etc. für alle diese, welche sich mit der Untersuchung solcher Wahrheiten beschäftigen, welche über das Gebiet der Sinne hinaus sind, welche auf die Zukunft Bezug haben, können System dieser Art erheblich, nutzbar, und sogar von Wichtigkeit sein. Die Fälle, wo dieser Nutzen einleuchten ist, wo solche Betrachtungen notwendig wären, sind in diesem Text nicht enthalten. Um also überflüssige Wiederholungen zu vermeiden, verweise ich den Leser auf alle dahin abzweckende Stellen.
    2) Dies sowohl als die gleich darauf folgende Stelle mag zur weiteren Bestätigung meiner oben angeführten Anmerkung dienen. Da diese Stellen schon in der ersten Ausgabe enthalten waren, so wundere ich mich sehr, daß sie der Aufmerksamkeit des Gothaischen Herrn Rezensenten entgangen sind.