F. PaulsenR. EislerE. ZellerA. RiehlW. Freytag | |||
Das Problem der Außenwelt [3/3] 6. Präzisierung des Problems der Außenwelt Der Begriff der objektiven Realität, wie er eben gesagt dargelegt wurde, kann aber bis jetzt nicht mehr sein, als eben diese rein begriffliche Modifikation. Seine Bedeutung kann über die einer rein begrifflichen Unterschiedenheit von der Wirklichkeit des Einzelbewußtseins nicht hinausgehen. Der empirische Realismus vollzieht diese Unterscheidung aber gerade mit dem Anspruch, über die Wirklichkeit damit zu urteilen, eine Begriffsstimmung der Wirklichkeit damit zu geben. - Darf er aber das? - Das ist das Problem der Außenwelt. Was gibt dieser Modifikation ihre Berechtigung? Woraus erwächst ihre Notwendigkeit? Darf sie als gültig angesehen werden? - In diesen quaestiones iuris [Frage der Berechtigung - wp] muß sich die quaestio facti [Tatsachenfrage - wp] des Außenweltproblems lösen. Welche Bedeutung der Begriff einer objektiven Realität hat, welche Gültigkeit, darin liegt das Problem der Außenwelt. Es ist daher Frage nach der objektiven Realität, als dem ontologischen Korrelat des Außenweltbegriffes, nach ihrer Möglichkeit und Gewißheit. Es ist die Frage, ob die Dinglichkeit und Objektivität bloß in der Begrifflichkeit besteht, ob die objektiven Dinge bloß Begriffe, bloß funktionelle Einheiten sind oder ontologische Einheiten. Es ist die Frage, ob noch eine andere - eine objektive! - Wirklichkeit erweisbar ist als jene, welche in dem Gewühl der Objekt, der Bewußtseinsinhalte, den einzelnen Subjekten unmittelbar gegeben ist. Es handelt sich somit um die erkenntnistheoretische Bedeutung des Bewußtseins und damit des Psychologischen überhaupt für die Erkenntnis. Das Problem der Außenwelt besteht nicht im Problem der unwahrgenommenen Existenz, sondern es stellt die tiefere Frage, ob alle Wirklichkeit bloß relativ ist, bloß als Objekt für ein Subjekt vorhanden, immer durch ein Subjekt bedingt; es ist das Problem der Objektivität in der Existenz. Objektivität im Begriff ist gesichert; sie ist ja die Voraussetzung und Grundlage aller Wissenschaft. Aber Objektivität in der Existenz ist bis jetzt problematisch. Im Mittelpunkt des Außenweltproblems besteht daher die subjektive Bedingtheit des Wirklichen, welche in der objektiven Realität überwunden werden soll. Objektive Existenz ist gleichbedeutend mit der Aufhebung der Korrelation von Objekt und Subjekt, sie fordert die Ausschaltung des Einzelsubjekts, sie ersetzt das Objekt durch das Ding. Gerade aber in der Bedingung für diese Auflösung der tatsächlichen Korrelation liegt das Problem. Nur für das Erkennen gründet sich die Beziehung des Objektes auf ein Subjekt auf eine innere, logische Notwendigkeit, für das Erkennen sind sie beide untrennbar aneinander gebunden. Dagegen kommt ihr hinsichtlich des Daseins logisch nur der Wert einer empirischen Tatsache zu, hier kettet sie kein innerer, logischer Grund aneinander, der ihre gegenseitige Bedingtheit als notwendig ergäbe. Für das Dasein der Dinge ist das Einzelsubjekt begrifflich vollkommen gleichgültig. Bewußt-sein ist nur die notwendige Bedingung des Erkennens; ob aber auch des Daseins, darin liegt das Problem. Ist Bewußtsein analytisches oder bloß synthetisches Merkmal der Erkenntnisgegenstände der objektiven Außenwelt? Hat die Scheidung zwischen ihrem Dasein und ihrem Objekt-sein, zwischen esse in re [Sein als Sache - wp] und esse = percipi [Sein = Wahrnehmung - wp], überhaupt einen Sinn, eine Möglichkeit? Oder erschöpft sich das Dasein der Außenwelt in ihrem Erkanntwerden? Das ist die große und tiefe Frage des Außenweltproblems; und damit ist das Problem der objektiven Realität das des Verhältnisses von Immanenz und Idealismus. Es ist eine Frage, in welcher das Problem der Außenwelt zu einer ungeheuren Bedeutung emporwächst. Denn so leitet es hinüber zum erkenntnistheoretischen Grundproblem, zur Frage nach dem Verhältnis von Sein und Erkennen und damit nach dem Wesen der Erkenntnis selbst. Das Außenweltproblem ist in keiner Weise das Problem einer ontologischen Transzendenz. Es war wiederholt mein Bestreben, einerseits nochmals die Gründe zusammenzufassen, welche jedes Hinausgreifen über die Erfahrungswelt als unmöglich verbieten, vor allem aber andererseits darzulegen, daß der Begriff der objektiven Außenwelt die Erfahrung nach keiner Richtung überschreitet, transzendiert. So kann dem Problem der Außenwelt nichts ferner liegen, als die Frage nach der Erweisbarkeit eines erfahrungsjenseitigen Daseins, einer ontologischen Transzendenz. Damit ist aber nur die eine, aber historisch so mächtige Bedeutung des Außenweltproblems aufgehoben. Das Außenweltproblem liegt aber auch nicht im Wahrnehmungsproblem. Denn der Weg zu ihm geht nicht von der Wahrnehmung aus, nicht von ihrer Subjektivität und ihrer Zurückführung auf ein objektives Substrat, sondern von der allgemeinen Erwägung, was der Begriff einer objektiven Außenwelt bedeutet. Das Außenweltproblem ist eben kein psychologisches, sondern ein erkenntnistheoretisches Problem und zwar von prinzipieller Bedeutung. Es erhebt sich weit über die psychologisch-metaphysische Frage, ob uns die Wahrnehmung die Welt nur so gibt, wie sie uns erscheint oder so, wie sie ist. Und die Art dieser Frage bringt es ja mit sich, daß sie vergeblich auf ihre Antwort wartet. (41) Das Problem der Außenwelt ist vielmehr das Problem der objektiven Realität. Diese Präzisierung verleiht ihm nun einen ontologischen Charakter. Aber es mußte gestellt werden als die Frage nach der objektiven und vom Einzelsubjekt unabhängigen Existenz. Denn diese ist die Voraussetzung aller unserer Erfahrungsurteile, am klarsten der Existenzialurteile. Raum und Zeit, die Dinge und die Naturgesetze erschöpfen ihr Wesen als die objektiven Formen der Ordnung, der Einheit für die subjektiven Inhalte der Wahrnehmung. Die ganze unmittelbare Wirklichkeit ist nur eine relative, nur Wirklichkeit für ein bestimmtes Subjekt zu einer bestimmten Zeit; die objektive Außenwelt, die Natur, besteht nur im System der Begriffe. Sie wird erst durch das erkennende Subjekt konstituiert; sie bedeutet eine unendliche Aufgabe für dasselbe." KANT scheidet (im § 18 der Prolegomena) die empirischen Urteile in Wahrnehmungs- und Erfahrungsurteile, Urteile, die einen bloß subjektiven und die einen objektiven Inhalt aussagen. (42) Die Wahrnehmungsurteil bleiben hinsichtlich ihres Inhaltes immer im Bereich der unmittelbar gewissen Wirklichkeit; denn sie beschreiben, was augenblicklich Objekt ist; sie drücken eine gegebene Empfindungsmannigfaltigkeit allgemeingültig aus, teils indem sie diese als Ganzes unter einem Gattungsbegriff subsumieren, teils indem sie von den analysierten einzelnen Elementen derselben die entsprechenden Prädikate aussagen. (43) Objektive Erkenntnis liegt aber nur in den Erfahrungsurteilen. Ihre objektive Gültigkeit verpflichtet diese aber, eben als Realurteile, zu einem Wirklichkeitswert; sie löst ihren Aussageinhalt nicht bloß vom Einzelsubjekt los, sondern nimmt für ihn auch den Charakter der Wirklichkeit in Anspruch. Und dadurch ist dessen objektive Existenz gefordert. Denn Bestimmungen der Wirklichkeit zu geben, "daß es nicht bloß eine Beziehung der Wahrnehmung auf ein Subjekt, sondern eine Beschaffenheit des Gegenstandes ausdrücke", (44) ist ja das spezifische Merkmal des Realurteils, ist ja gerade jenes Merkmal, das es vom Beziehungsurteil unterscheidet, welches bloße Verhältnisse von Begriffen festlegt. Und da die Erfahrungsurteile die objektiven Bestimmungen der Wirklichkeit geben, so fordern sie damit objektive Realität. Sie fordern damit die Entthronung des Einzelsubjekts, die Aufhebung der individuellen Korrelation für die Wirklichkeit auch hinsichtlich der Existenz; sie fordern die ganze objektive Außenwelt als Realität und nicht bloß, was augenblicklich Objekt ist; sie fordern, daß die Wirklichkeit weiter reicht als das aktuelle Bewußtsein. In der objektiven Geltung der Naturgesetze liegt es schon impliziert, daß sie für Dinge gelten und nicht für Objekte eines Subjekts. Denn für die Reihenfolge dessen, was für irgendein Subjekt Objekt wird, gibt es keine immanente Gesetzlichkeit, keine innere Notwendigkeit.' Der Wechsel der Objekte ergibt nur Geschichte, kein Naturgeschehen. Und die Erkenntnis des faktischen Geschehens in der Außenwelt macht immer die Voraussetzung, daß die Korrelation, das Einzelbewußtsein, für dessen Ablauf gleichgültig ist, daß er auch dann ungeändert fortfließt, wenn bloß das eine oder andere oder kein Glied seiner Kette als Objekt einem Subjekt bewußt wird. Alle diese Momente konzentrieren sich im Existenzialurteil, das die objektive, von jeder Korrelation unabhängige Existenz von einem Ding (oder einem Vorgang) aussagt. Es gewinnt dadurch paradigmatischen Wert und tritt in den Mittelpunkt der Untersuchung. Aber objektive Existen, objektive Realität ist eben Problem und entbehrt der unmittelbaren Gewißheit, welche nur die jeweiligen Inhalte des Bewußtseins aufzuweisen vermögen. Es erhebet sich infolgedessen die Frage, was die Erfahrungsurteile, vor allem die Existenzialurteile bedeuten, wenn man psychologisch-idealistische die Wirklichkeit bloß auf das aktuelle Bewußtsein, auf die faktisch gegebenen Objekte einschränkt. Dann können die Erfahrungsurteile nur die gesetzmäßige Bedingtheit der Objekt ausdrücken, die funktionale Gebunden der Wahrnehmungen. (45) Sie können dann nur die Bedingungen aussagen, unter welchen bestimmte Bewußtseinsinhalte auftreten und die Abhängigkeit des einen von den anderen. Sie haben dann bloß eine objektive Gesetzlichkeit zum Inhalt, kein objektives Sein. Ihre Bedeutung ist damit dann völlig verändert. Welche ist aber die richtige? - In welchem Sinn sind Existenzialurteile möglich? In diese spezielle Frage läßt sich daher das ganze Problem der Außenwelt zusammendrängen; sie enthält den Kern des Problems. Wie sind Existenzialurteile möglich? Betreffen sie bloß einen objektiven gesetzmäßigen Zusammenhang der Wahrnehmungen oder objektive in der Zeit beharrende Dinge? Bezeichnen sie eine vom Einzelsubjekt unabhängige Gesetzlichkeit oder ein vom Einzelsubjekt unabhängiges Sein? Das heißt aber: Ist das objektive Ding und damit die objekte Außenwelt Begriff oder Realität? Bedeuten Dinge und damit Raum und Zeit notwendige und allgemeingültige Formen der synthetischen Ordnung der gegebenen Empfindungsinhalte oder reale Einheiten? Kurz: Ist die objektive Außenwelt eine formale Ordnungsfunktion oder eine materiale Erkenntnis? Die objektive Existenz der Außenwelt würde besagen, daß sie nicht dadurch existiert, daß sie erkannt wird, sondern das sie erkannt wird, weil sie existiert. Damit mündet aber das Problem der objektiven Existenz in das fundamentalste erkenntnistheoretische Problem, in das Problem des Verhältnisses von Erkennen und Sein, in das Problem der Erkenntnis selbst. Es erhebt sich damit die tiefste aller Erkenntnisfragen: Was ist der Begriff des Erkennens, der Erkenntnis? Wenn das Sein erst durch das Erkennen konstituiert wird, so kommt damit das Erkennen die logische Priorität zu, ein Resultat, zum dem RICKERT tatsächlich gelangt ist. (46) Das Erkennen ist dann der höchste und universellste Begriff, nicht des Seins, wie man gewöhnlich voraussetzt. Was das Sein dem Erkennen gegenüber bedeuten kann, das ist die große grundlegende Frage, an welche das Problem der Außenwelt nun geknüpft ist. Es ist dieselbe Frage wie jene, auf welche KANTs Erkenntniskritik die Antwort suchte: Was ist die Beziehung der Erkenntnis auf ihren Gegenstand? Erst die Entscheidung dieses Fundamentalproblems der Erkenntnis kann dem Problem der Außenwelt seine Lösung geben. Trotzdem nun das Problem der Außenwelt sich als eine Frage des Seins, als eine ontologische Frage darstellt, ist sie doch nicht notwendig metaphysisch, sondern vollkommen "transzendental", d. h. auf die logische Möglichkeit des Denkesn der Erfahrung bezogen. Durch Erfahrung, a posteriori, kann immer nur entschieden werden, ob etwas im speziellen Fall existiert; nur die tatsächliche Feststellung der Existenz hängt von der Erfahrung und Wahrnehmung ab. Was aber existieren überhaupt heißt, in welchem Sinn' etwas überhaupt als existierend gesetzt werden kann, - das betrifft die notwendigen Voraussetzungen und Prinzipien der Erfahrung, das reiht sich unter die grundlegenden Fragen: was als Bedingung gefordert wird, damit Erfahrung als wissenschaftliches System - nicht: als psychologisches Erlebnis! - möglich ist. Der logische Begriff des Daseins und der Wirklichkeit, ob er jetzt objektive Gesetzlichkeit der Wahrnehmungen bedeutet oder objektive Realität, ist immer die logische Voraussetzung für die faktische empirische Feststellung der Existenz, für das Existenzialurteil. Und darum ist das Problem der Außenwelt, so wie es formuliert wurde, streng erkenntniskritisch "transzendental". Sobald die objektive Realität ganz den Charakter des Problems annimmt, kann Objektivität gültig und gewiß nur in der Begrifflichkeit liegen. Wenn die Objektivität in der Existenz erst eine Frage ist, so hat sie im Begriff ihre einzige Geltung. Diesen Standpunkt der prinzipiellen Beschränkung auf die Inhalte des Bewußtseins versucht nun die Immanenzphilosophie und auch der Positivismus tatsächlich festzuhalten; aber auch KANT muß hinsichtlich der phänomenalen Welt wohl auf der gleichen Basis stehen. (47) Sie lassen die objektive Realität als außerbewußte Existenz gänzlich fallen; in den Bewußtseinsinhalten, in den Objekten der Subjekte, erschöpft sich ihre Wirklichkeit; aus Wahrnehmung und Begriff bauen sie die Natur auf. Die Daten der Wahrnehmungen ergeben allein das Reale, das deshalb immer Subjektivitätscharakter trägt. Die Dinge gehen auf in ihren Begriffen; sie sind nicht mehr als die Formen des gesetzmäßigen Zusammenhangs der Wahrnehmungen. Sie sind funktionelle, rein begriffliche Einheiten, keine Existenzen. Auch der absolute Raum und die absolute Zeit sind nichts als die Formen der Ordnung für die Inhalte der äußeren und inneren Erfahrung; sie haben keine Realität. (48) Der Raum stellt die allgemeine und notwendige Ordnungsform für die Koexistenz dieser Inhalte dar, das gemeinsame objektive Schema, auf welches die subjektiv verschiedenen Seh- und Tasträume bezogen werden. Ebenso die absolute Zeit für die Sukzession derselben, für die Einordnung des psychologischen Zeitbewußtseins. Diese allgemeinen Formen stehen der Wahrnehmung zugleich (in der früher ausgeführten Weise) als Korrektive gegenüber, als die Prinzipien für die Ausschaltung ihres Subjektivitätsmomentes. Raum und Zeit, die Dinge und die Naturgesetze erschöpfen ihr Wesen als die objektiven Formen der Ordnung, der Einheit für die subjektiven Inhalte der Wahrnehmung. Die ganze unmittelbare Wirklichkeit ist nur eine relative, nur Wirklichkeit für ein bestimmtes Subjekt zu einer bestimmten Zeit; die objektive Außenwelt, die Natur, besteht nur im System der Begriffe. Sie wird erst durch das erkennende Subjekt konstituiert; sie bedeutet eine unendliche Aufgabe für dasselbe. (49) Die erkenntnistheoretische Grundlage der Immanenzphilosophie ist damit nun unleugbar der psychologische Idealismus, welcher außer den jeweiligen Objekten der Einzelsubjekte keine andere Wirklichkeit anerkennt. (50) Daß darin keine Mißdeutung liegt, beweist wohl am klarsten die Begründung, mit der KANT diesen BERKELEYischen Idealismus von sich abweist, nämlich der Hinweis auf die Dinge an sich. (51) Da diese Art der Argumentation für die Vertreter der Immanenzphilosophie aber ausgeschlossen ist, so kann ihr Standpunkt gegenüber der Außenwelt kein anderer als der des psychologischen Idealismus sein - auch wenn sie selbst sich darüber täuschen und einen "reinen Realismus" vertreten wollen. (52) Wenn sie das Einzelbewußtsein und das Einzelsubjekt dadurch überwunden zu haben glauben, daß sie die Welt als Inhalt des Bewußtseins überhaupt bezeichnen, (53) so fließt ihnen die Möglichkeit hierfür nur aus einer gänzlichen Vermengung des logischen und des psychologischen Momentes. Daß die Außenwelt als Objekt überhaupt gedacht werden muß, ist eine rein begriffliche Beziehung, bezeichnet nur das rein begriffliche Verhältnis des Außenweltbegriffes zum Begriff der Erfahrung, aber es ist kein reales Verhältnis der Abhängigkeit; daß sie jederzeit faktisch Objekt sein muß, ist davon durchaus nicht die Folge. Denn für das rein logische Gebiet hat Dasein, Wirklichkeit keinen Sinn. Diese begriffliche Beziehung würde sich nur dann in eine reale verwandeln, wenn man den Fehler beginge, das "Bewußtsein überhaupt" nicht als Begriff, sondern als Realität zu fassen, als ein tatsächlich vorhandenes ens concretum. Aber die allgemeine Bedingtheit der Außenwelt durch das Bewußtsein überhaupt drückt nichts anderes aus, als den prinzipiellen Charakter der Erfahrbarkeit; es ist das Verhältnis der rein logischen Immanenz. Ein Verhältnis der realen Bedingtheit der Außenwelt durch ein Subjekt ist aber nur das der psychologischen Immanenz. Nur wer seine Wirklichkeit prinzipiell bloß innerhalb des Einzelbewußtseins findet, bewahrt in ontologischer Hinsicht diese psychologisch gefaßte Immanenz. Wer dieses überschreitet, wer eine vom Einzelbewußtsein unabhängige Außenwelt setzt, für den muß ihre Existenz durchaus problematisch sein. Wenn die Immanenzphilosophie also die Wirklichkeit auf das aktuelle Bewußtsein beschränken, wenn immanent für sie nur das ist, was faktisch bewußt ist, was innerhalb der einzelnen Korrelation bleibt, statt überhaupt innerhalb der Erfahrung, so faßt sie eben den Begriff der Immanenz rein psychologisch. Sie basiert eben dann den wichtigsten erkenntniskritischen Gegensatz, den Gegensatz von immanent und transzendent, auf das bewußt-sein statt auf die Erfahrung, d. h. auf ein psychologische, statt auf ein logische, rein begriffliches Kriterium, nämlich auf das der Bewußtheit statt der prinzipiellen Erkennbarkeit. Sie gibt ihm einfach eine psychologistische Wendung. Infolgedessen bedingt aber die begriffliche Forderung der Immanenz, welche ja eine erkenntniskritische Notwendigkeit ist, absolut nicht den psychologischen Idealismus. Und das ist ein Ergebnis, das nach zwei Seiten hin einen besonderen Wert beanspruchen darf. Denn zunächst erweist sich damit, daß die Negaton der transzendenten Realität nicht notwendig zum psychologischen Idealismus führen muß, daß die Beschränkung des erkennbaren Seins auf das Immanente noch nicht zugleich eine Beschränkung auf die aktuellen Inhalte des Einzelbewußtseins zu bedeuten braucht. Dann aber wird es auch offenbar, daß das Problem der Außenwelt nicht bereits durch die Immanenzphilosophie gelöst, sondern vielmehr von ihr gar nicht aufgefunden worden ist. Denn das "immanente Objekt", der Bewußtseinsinhalt überhaupt im Gegensatz zum Subjekt des Bewußtseins, (54) ist nicht einfach die Außenwelt, wie sie ihrem Begriff nach gedacht wird. (Das nachzuweisen war ja die Aufgabe aller späteren Abschnitte dieser Untersuchung!) Die Immanenzphilosophie vertritt damit eben nicht einen Realismus, sondern einen Korrelativismus; und das Problem der objektiven Realität bleibt darum auch für die strenge Immanenz aufrecht. Die objektive Realität läßt sich für die Immanenzphilosophie auch nicht dadurch retten und sichern, daß die Dinge als Komplexe von Wahrnehmungsmöglichkeiten (55) erklärt werden. Denn Wahrnehmungsmöglichkeit sagt nur dasselbe wie die gesetzmäßige Bedingtheit der Wahrnehmungen in ihrem Auftreten. Gesetze sind aber keine entia, Möglichkeiten keine Wirklichkeit. Und eine dauernd und unabhängige Realität ist damit noch keineswegs gegeben, daß die Möglichkeit einer Wahrnehmung dauernd vorhanden ist. Für das Einzelbewußtsein ist nur wirklich, was eben erlebt wird; bloße Wahrnehmungs möglichkeiten außerhalb des Einzelbewußtseins können aber nicht erlebt werden und bilden daher keine Realität. Die ganze Theorie der Wahrnehmungsmöglichkeiten kennzeichnet sich aber als eine ausgesprochen psychologistische Wendung; und bei empiristischen Psychologen hat sie ja auch ihre Ausbildung gefunden. Sie gibt die psychologische Tatsache wieder, daß wir uns die Existenz der Dinge immer nur als mögliche Wahrnehmungen vorstellen können. Was aber logisch im Begriff des Dinges liegt, seine Objektivität, seine Identität, das läßt sie ganz unbeachtet. Mögliche Wahrnehmung ist nur das Mittel, dadurch das Dasein eines Dinges erkannt wird, aber nicht dieses Dasein selbst. Für den Begriff des objektiven Dinges ist das Wahrgenommenwerden eine bloß akzidentielle Bestimmung; und sie kann nur durch die ausschließliche Basierung auf den psychologischen Tatbestand zur essentiellen, zum entscheidenden und erschöpfenden Merkmal der Dinglichkeit emporgehoben werden. Vor allem gilt das aber für die psychologistische Erklärung des Existenzialurteils als reine Aussage einer Wahrnehmungsmöglichkeit. (56) Denn die Behauptung einer außerbewußten, einer objektiven Existenz spricht ihrem tatsächlichen und ihrem logischen Sinn nach weit mehr aus, als bloß die Überzeugung, unter bestimmten Bedingungen einen bestimmten Inhalt vorzufinden. Aber um die Notwendigkeit und Berechtigung dieser Basierung der Wirklichkeit auf das Einzelbewußtsein dreht sich eben das Problem der Außenwelt. Und diese ganze Frage der Beschränkung auf das aktuelle Bewußtsein führt eben zum tieferen und fundamentaleren Problem von Sein und Erkennen. Das Problem der Außenwelt hat - so hoffe ich - eine endgültige Bestimmtheit gewonnen. Es ist in eine präzise und entscheidende Fragestellung überführt worden und damit ist die notwendige Klarheit über das Problem der Außenwelt erreicht. Es wird nun von Vorteil für die Durchsichtigkeit des Zusammenhangs sein, die Leitlinien des ganzen Gedankengangs nochmals übersichtlich nachzuzeichnen. Daß für das Problem nur die immanente Außenwelt in Betracht kommen kann, war der eine richtunggebende Hauptgedanke der Untersuchung. Daß die immanente Außenwelt aber vom "immanenten Objekt", den allein unmittelbar gewissen Bewußtseinsinhalten, begrifflich verschieden ist und daher in ihrer Existenz zum Problem wird, war die andere entscheidende Determination des Problems. Sein erstes Ziel war dabei die Begriffsbestimmung der Außenwelt, die Apodeixis [Beweis - wp] ihrer konstitutiven Merkmale mit Hilfe ihres Kriteriums der Dinglichkeit, welches der logisch-genetischen Konstruktion des Außenweltbegriffes den empirischen Dingbegriff als Ausgangspunkt gebot. Erst dadurch gewann die Frage nach der Realität der Außenwelt überhaupt einen bestimmten Inhalt, was eigentlich als real gefordert wurde, war damit erst klargelegt. Aber so wenig Dasein Merkmal eines Begriffes ist, so wenig kann es auch in der bloßen Position des Inhalts eines Begriffes bestehen. Denn der Begriff ist das Allgemeine, Wirklichkeit aber immer individuell, immer das Besondere. Realität der empirischen Außenwelt bedeutet demnach eine Wirklichkeit, welche die konstitutiven Merkmale des festgestellten Außenweltbegriffes trägt. Was wir aber als wirklich unmittelbar vorfinden, ist nur die psychologische Mannigfaltigkeit unserer Bewußtseinsinhalte, welche naturgemäß immer nur als Objekte für ein Subjekt auftreten. Sie sind weder stets objektiv noch jemals unabhängig vom Einzelsubjekt; sie bilden nur eine relative Wirklichkeit. Daraus entspringt das Problem der Außenwelt als das der objektiven Realität: Ist die Wirklichkeit eine relative, jederzeit vom Subjekt bedingte oder eine objektive, vom Einzelsubjekt abhängige? (Geht ihr Sinn im Objekt-sein im Erkannt-werden auf?) Besteht daher die objektive Außenwelt (mit Raum, Zeit und den Dingen in ihrer gesetzmäßigen Wechselwirkung) in der Begrifflichkeit oder in der objektiven Realität? Das heißt: Bedeutet sie bloß eine vom Einzelsubjekt unabhängige Gesetzlichkeit oder ein objektives Sein? Und dieses Dilemma konzentriert sich wieder in der Frage: In welchem Sinn sind Existenzialurteile möglich? Damit gleitet aber das Problem der Außenwelt in die fundamentale Frage nach dem Verhältnis von Sein und Erkennen hinüber und es kann erst eine Antwort finden, wenn über diese Frage, was das Sein der Erkenntnis gegenüber bedeuten kann, Klarheit herrscht. Es ist keine Landung, wenn die Untersuchung in eine Frage ausklingt. Aber die grundlegende Aufgabe in der ganzen Außenweltfrage, die Klarstellung dessen, was eigentlich problematisch ist hoffe ich gelöst zu haben. Und BACON anerkennt bereits: "prudens interrogatio iam dimidium scientiae." [Eine kluge Frage ist schon die halbe Wissenschaft. - wp]
41) Alle die Spezialarbeiten über die Realität der Außenwelt suchen das Problem in einer der eben abgewiesenen Formulierungen; die Art der Fragestellung des Problems wird aber überhaupt nirgends scharf und klar entwickelt. - Für ZELLER (Vorträge und Abhandlungen III, Seite 255) ist das Außenweltproblem die Frage nach dem Recht, unsere Wahrnehmungen von anderen Ursachen als unserer eigenen Geistestätigkeit herzuleiten. - Ganz im Anschluß an ZELLER gilt es auch für HANSEN (Das Problem der Außenwelt, Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, Bd. XV, Seite 42) die Erklärung des "objektiven Gepräges" der Empfindungen und ihres Ursprungs "aus einem zureichenden Grund (Ich oder Ding an sich) zu geben. - Ebenso sucht HARTMANN (Das Grundproblem der Erkenntnis, letzter Abschnitt) das Problem in der Erweisbarkeit einer - erkennbaren! - Ursache der Empfindungen. - WUNDT, Über naiven und kritischen Realismus, Philosophische Studien XII, Seite 373) faßt das Außenweltproblem als Wahrnehmungsproblem: "Es besteht in der ... Existenz vieler "Bewußtseinskonkretionen" mit einem übereinstimmenen Wahrnehmungsinhalt." - Ebenso scheidet MARVIN (Die Gültigkeit unserer Erkenntnis der objektiven Welt, Abhandlungen zur Philosophie und ihrer Geschichte XI, Seite 36/37) das Außenweltproblem nicht vom Wahrnehmungsproblem; es ist für ihn das Problem der unwahrgenommenen Existenz. (Seite 14 und 17). - Für DILTHEY dagegen ist die Außenwelt durch die Erfahrung der Hemmung des Willensimpulses unmittelbar gewiß; das Problem der Außenwelt resultiert nach ihm nur aus der einseitig intellektualistischen Fragestellung, es besteht eigentlich nicht (Beiträge zur Lösung der Frage vom Ursprung unseres Glauben an die Realität der Außenwelt un seinem Recht, Sonderbericht der preußischen Akademie der Wissenschaften, Bd. XXXIX, 1890). - Von ihm ausgehend hat RUDOLF EISLER (Unser Bewußtsein von der Außenwelt) eine psychologistische Metaphysik gezimmert, indem der die Dinge als "Gegen-Iche" erklärt. - Auch für REHMKE (Unsere Gewißheit der Außenwelt, Seite 45) ist die Außenwelt kein Problem, sondern unmittelbar gegeben. "Außenwelt und Innenwelt sind die abstrakten Stücke einer Welt." 42) KANT sagt übrigens jedoch: "Empirische Urteile, sofern sie objektive Gültigkeit haben, sind Erfahrungsurteile, die aber, so nur subjektiv gültig sind, nenne ich bloße Wahrnehmungsurteile." Jedes Urteil beansprucht aber nun objektive Gültigkeit; das liegt schon in der Form des Urteils. Der Unterschied liegt vielmehr im verschiedenen Charakter des Inhaltes. Den Erfahrungsurteilen entsprechen nach der besonders klaren und übersichtlichen Einteilung von KRIES (in Bd. XVI. der Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, Seite 253f) die Realurteile, welche er als die eine große Klasse der Urteile den Beziehungs urteilen gegenübergestellt. Den Sinn der Realurteile bildet die Prädikation der Wirklichkeit, die Beziehungsurteile dagegen sagen bloß Beziehungen von Vorstellungen (in weitesten Sinn) aus. 43) SIGWART, Logik I, § 47, Seite 346 44) KANT, Prolegomena, § 18 (Ausgabe KIRCHMANN, Seite 51) 45) Vgl. die ausführliche Darlegung dessen im nächsten Abschnitt. 46) RICKERT, Gegenstand der Erkenntnis, Seite 82f 47) Vgl. Kritik der reinen Vernunft, Postulate des empirischen Denkens (Ausgabe KIRCHMANN, Seite 244): die Grundsätze der Modalität (Möglichkeit, Wirklichkeit, Notwendigkeit) zeigen nur die Art an, "wie der Begriff von Dingen überhaupt mit der Erkenntniskraft (Denken, Anschauung) verbunden wird." "Da die Möglichkeit bloß eine Position des Dinges in Beziehung auf den Verstand war, so ist die Wirklichkeit zugleich eine Verknüpfung derselben mit der Wahrnehmung." 48) WILHELM SCHUPPE, Begriff und Grenzen der Psychologie, Zeitschrift für immanente Philosophie I, Seite 65 49) SCHUPPE, ebenda, Seite 69 und 49 50) wirklich sein = bewußt sein, Objekt = Vorstellung, spricht M. KAUFFMANN in der Einführung in die Zeitschrift für immanente Philosohie im Bd. I, Seite 10 offen aus. 51) KANT, Prolegomena, Anmerkung II (Ausgabe KIRCHMANN, Seiten 39 und 40): "So müssen auch alle Körper mitsamt dem Raum, darin sie sich befinden, für nichts als bloße Vorstellungen in uns gehalten werden und existieren nirgend anders als bloß in unseren Gedanken. Ist dieses nun nicht der offenbare Idealismus? Der Idealismus besteht in der Behauptung, daß es keine anderen als denkende Wesen gebe, die übrigen Dinge, die wir in der Anschauung wahrzunehmen glauben, wären nur Vorstellungen in den denkenden Wesen, denen in der Tat kein außerhalb davon befindlicher Gegenstand korrespondierte. Ich dagegen sage: Es sind uns Dinge als außer uns befindliche Gegenstände unserer Sinne gegeben, allein was sie an sich selbst sein mögen, wissen wir nicht, sondern kennen nur ihre Erscheinungen, d. i. die Vorstellungen, die sie in uns wirken, indem sie unsere Sinne affizieren." 52) SCHUPPE, Die Bestätigung des reinen Realismus, Offener Brief an Herrn Prof. Dr. Avenarius, Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, Bd. XVII, 1893, Seite 364 53) SCHUPPE, Begriff und Grenze der Psychologie, Zeitschrift für immanente Philosophie I, Seite 49; RICKERT, Der Gegenstand der Erkenntnis, Seite 28 54) Vgl. den dritten der drei Gegensätze von Objekt und Subjekt in RICKERTs "Gegenstand der Erkenntnis", Seite 8 55) Zuerst bei JAMES MILL, Analysis of the Phenomena of Human, Mind, Appendix: The Psychological Theory of the Belief in an External World (Neue Ausgabe, London 1869, Seite 445); bei TAINE, de l'intelligence II, Kap. I, V, Seite 32; bei CORNELIUS, Psychologie als Erfahrungswissenschaft, Seite 6 56) HANS CORNELIUS, Psychologie als Erfahrungswissenschaft, Seite 113f |