cr-4p-4p-4SulzerW. SchuppeHarmsSchubertG. Moskiewicz    
 
JOHANN NICOLAS TETENS
Philosophische Versuche
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"Der Augenblick, in welchem der Gedanke in uns entsteht: ich sehe den Mond; oder der Mond sieht so aus; kurz: der Augenblick der Reflexion fällt in den Moment der Nachempfindung. Nicht während des ersten von außen entstehenden Eindrucks, wenn wir noch damit beschäftigt sind, die Modifikation von außen anzunehmen und zu fühlen, geschieht es, daß wir gewahrnehmen und mit  Bewußtsein empfinden, sondern in dem Moment, wenn die Nachempfindung in uns vorhanden ist. Die Überlegung verbindet sich mit der Empfindungsvorstellung, aber nicht unmittelbar mit der Empfindung selbst."

"Was jetzt in mir gegenwärtig ist, in dem Moment, da ich in mich zurück sehe, und eine stille Heiterkeit des Geistes gewahrnehme, ist nicht mehr die erste Empfindung dieses Zustandes; es ist schon eine Fortsetzung, oder die Wiederkehr eines anderen vorhergegangene, der im gegenwärtigen, als in seiner Abbildung fortdauert und auf diesen letzteren eben eine solche Beziehung hat, wie die Nachempfindung von einem gegenwärtigen sichtbaren Objekt zur ersten Empfindung desselben. Die erste Empfindung ist schon vergangen, wenn man über sie reflektiert."


IV. Weitere Erläuterung des ersten Charakters der Vorstellungen,
daß sie zurückgebliebene Spuren vorhergegangener Veränderungen
sind. Ob sich dies bei allen Arten der Vorstellungen so verhalte?

Der erste wesentliche Charakter der Vorstellungen ist, daß sie  zurückgelassene bleibende Folgen  anderer vorhergegangener Seelenveränderungen sind. Dies ist auch die Grundidee von ihnen im System des Hernn BONNET; nur mit dem Unterschiede, daß Herr BONNET diese Folgen oder Abdrücke ins Gehirn setzt. In den Fibern des Organs soll die sinnliche Bewegung, wenn wir empfinden, eine gewisse Disposition hinterlassen, wodurch die einmal so modifizierte Fiber in ihre vorige Bewegung durch eine Ursache wieder versetzt werden kann, die innerlich in ihr ist, ohne daß ein Eindruck von außen, wie das erstemal, dazu erforderlich ist. Wenn die Disposition wieder rege gemacht, und die vorhergegangene sinnliche Bewegung, obgleich in einem schwachen Grad, erneuert wird; so ist der Seele, der tätigen Kraft des Gehirns, eine Vorstellung gegenwärtig. Über diesen Sitz der Vorstellung entscheide ich hier nichts. Es sei und geschehe all das im Gehirn, was Herr BONNET sich darin vorstellt: Ich sehe es so an, als wenn es in einem  vorstellenden Ganzen  ist, und nenne dieses Ganze hier die  Seele. 

Hierzu kommt eine andere Verschiedenheit. Herr BONNET nahm den  Weg der Hypothese.  Er nahm willkürlich seine Grundsätze an, und erklärte daraus die beobachteten und zergliederten Vorstellungen. Ich habe den  Weg der Beobachtung  gewählt; der doch sicherer, wenngleich etwas länger ist. Beides bei Seite gesetzt; so sah Herr BONNET die Beziehung auf eine vorhergegangene Veränderung, als ein Unterscheidungsmerkmal der Vorstellungen an, wie sie es ist. Dadurch wird viele unnötig, was hierüber sonst zu sagen wäre; da ich nicht wiederholen will, was diser scharfsinnige Mann deutlich und auffallender, als ich es tun kann, auseinandergesetzt hat.

Aber ist diese Eigenschaft eine Eigenschaft  aller  Vorstellungen? Auch bei den Vorstellungen, die wir von unseren eigenen Gemütsbewegungen haben? Hierbei stößt man auf manche Dunkelheiten, die ich nicht gerne zurücklassen möchte. Um es zur Evidenz zu bringen, daß es aus unseren Empfindungen zurückgebliebene Spuren, als ihre Nachbildungen sind, welche in allen Arten von Vorstellungen vorkommen, will ich mich der Induktion bedienen.

Unsere Vorstellungen können auf zwei allgemeine Klassen gebracht werden. Sie sind entweder aus den  äußeren Empfindungen  entstanden, oder aus den  inneren.  Zu jenen gehören die Vorstellungen aus den Gesichtsempfindungen; die  Gesichtsvorstellungen,  die, sozusagen, oben an stehen. Diese Art von Empfindungen und Vorstellungen sind uns am meisten bekannt, und sind es zuerst geworden. Sie haben uns auf die Bahn gebracht, auf der wir auch die übrigen Arten von Vorstellungen kennengelernt haben. Gehen wir auf sie zurück, und bemerken es da deutlich, wie die ersten  Empfindungsvorstellungen  während der Empfindung, und nachher die  Einbildungen  aus ihnen entstehen; so haben wir ein Ideal für die Untersuchung bei den übrigen. Und dann wird es, im Fall daß nicht auch bei den letzteren dieselbigen Beschaffenheiten unmittelbar beobachtet werden können, genug sein, so viel an ihnen anzutreffen, daß ihre Analogie mit den Gesichtsvorstellungen erkannt wird. Aus dieser ist es dann erlaubt, ihre ähnlieh Beziehung auf Empfindungen, und ihre ähnliche Beziehung auf Empfindungen, und ihre ähnliche Natur als Vorstellungen betrachtet, zumindest mit vieler Wahrscheinlichkeit zu bestimmen.

Zu den  Vorstellungen des inneren Sinnes  gehören

1. Die  Vorstellungen,  die wir von den inneren  Seelenzuständen,  von Lust und Unlust, und dergleichen haben, die man zum Unterschied von den übrigen  Gemütszustände  nennt. Wir kennen diese Modifikationen unseres Wesens, und unterscheiden sie voneinander; aber bei der Frage: Ob wir eine Vorstellung von der Freude und vom Verdruß haben, wie wir eine vom Mond und einem Baum haben? stutzt mancher und ist in Zweifel, ob er Ja oder Nein sagen soll. Was ist die Vorstellung im letzteren Fall? Was ist sie im ersten? Die Beobachtung und die Vergleichung muß entscheiden.

2. Wir haben Vorstellungen des  inneren Sinns  von den  Selbstbestimmungen unserer Kräfte,  von unseren  Tätigkeiten  und von ihren Wirkungen; von solchen, die man der  erkennenden Kraft  der Seele zuschreibt, von  Fühlen  und  Empfinden,  von den  Denkarten,  und selbst von den  vorstellenden Tätigkeiten,  desgleichen von anderen Tätigkeiten, Trieben, Bestrebungen, und ihren Wirkungen, die auf eine Veränderung unseres inneren oder äußeren Zustandes hinauslaufen, und die unter der gemeinschaftlichen Rubrik der  Willensäußerungen  gewöhnlich zusammen genommen werden.


V. Von den Gesichtsvorstellungen. Entstehungsart derselben.
Unterschied zwischen Empfindung und Nachempfindung. Einbildung.

Eine gespannte Saite eines Instruments fährt eine Weile fort,  nachzuschwingen,  wenn sie einmal angeschlagen oder gedrückt worden ist, und der Perpendikel, welcher angestoßen worden ist, setzt noch seine Schwingungen fort, obwohl er nun nicht mehr von der Hand, die ihn anstieß, berührt wird. Die Saite nimmt im ersten Augenblick die Bewegung auf, und wirkt zugleich zurück auf den Körper, der sie anschlägt und erschüttert. Dieser Empfang der Bewegung, und die damit verbundene Rückwirkung mag eine Tätigkeit sein, oder nur etwas leidendes; so ist beides schon nicht mehr vorhanden, wenn die Saite zu zittern fortfährt. Der stoßende Körper hat sich alsbald entfernt, und die Rückwirkung hat aufgehört. Ihre Bewegung im folgenden Augenblick ist die Fortsetzung derjenigen, welche sie von der wirkenden Kraft empfangen hat. Jene ist ein nachgebliebener Zustand der Saite, in welchem sie nichts mehr von außen aufnimmt, und auch nicht mehr auf die äußere Kraft zurückwirkt. Da ist also ein anderer vom ersteren unterschiedener, und wesentlich unterschiedener Zustand in ihr.

Diese  Nachschwingungen  hören in der Saite allmählich auf, teils durch den Widerstand der äußeren Luft, teils der Hindernisse wegen, welche in der Steifigkeit der Saite selbst liegen. Schließlich kommt die Saite dem Ansehen nach gänzlich wiederum zu ihrer ersten Ruhe. Alsbald ist alle Spur des ersten Schlages verloschen. So scheint es wenigstens zu sein. Es ist aber nicht völlig so. Die Kunstverständigen sagen, ein Instrument muß vorher recht ausgespielt worden sein, ehe es seine Töne am vollkommensten und reinsten angeben kann. Die Saite muß auch nach einigem Gebrauch von neuem wieder gestimmt werden, und zuletzt verliert sie bloß durch den allzuhäufigen Gebrauch den nötigen Grad der Elastizität. Es muß also von der ersten Bewegung eine gewisse Wirkung im Körper und in der Kraft der Saite zurückgeblieben sein, die in den einzelnen Schwingungen unbemerkbar war, aber sich in der Folge offenbarte. Gleichwohl hat die Saite, wie es oben schon erinnert worden ist, keine Kraft, sich selbst wieder in einen ihrer vorigen Schwünge zu versetzen. Dieses Beispiel soll nichts beweisen; sondern nur auf den Unterschied zwischen den  Empfindungen  und den  Nachempfindungen,  als den zuerst entstehenden Empfindungsvorstellungen aufmerksam machen.

Wir richten die Augen auf den Mond. Die Lichtstrahlen fallen hinein, durchkreuzen sich in ihnen, laufen auf der Netzhaut in ein Bild zusammen, rühren den Sehnerv sinnlich; und im Innern von uns, in der Seele, entsteht, auf welche Art auch immer, eine Modifikation, ein Eindruck, den wir  fühlen.  Da ist die  Empfindung des Mondes,  aber noch nicht die  Vorstellung  desselben.

Diese Modifikation besteht eine Weile  in  uns, wenngleich kein Lichtstrahl mehr ins Auge hineinfällt. Da ist die  Nachempfindung,  oder die  Empfindungsvorstellung des gegenwärtigen  Objekts, oder auch die  Empfindung  selbst, als eine  Vorstellung  des Gegenwärtigen betrachtet. Dieses Fortdauern des sinnlichen Eindrucks ist außer Zweifel. Es ist die Ursache, warum eine schnell in einem Kreis herumgedrehte glühende Kohle den Schein eines ganzen leuchtenden Kreises hervorbringt. Diese und andere gemeine Erfahrungen lehren uns, daß der  Eindruck,  den man von einem  gesehenen  Gegenstand erlangt hat, ein gewisses Zeitmoment,  ohne Einwirkung der äußeren Ursache  in uns fortdauert. Man kann sogar die  Länge dieser Dauer in den Nachempfindungen  bestimmen. Wenn man solche nimmt, die am geschwindesten wieder vergehen, aber auch stark genug gewesen sind, um wahrgenommen zu werden; so ist die  kleinste Dauer  in den Gesichtsempfindungen 6 bis 7 Terzen, bei den Nachempfindungen des Gehös nur 5 Terzen und noch kürzer bei den Nachempfindungen des Gefühls. (2)

Der Augenblick, in welchem der Gedanke in uns entsteht: ich sehe den Mond; oder der Mond sieht so aus; kurz:  der Augenblick der Reflexion fällt in den Moment der Nachempfindung.  Nicht während des ersten von außen entstehenden Eindrucks, wenn wir noch damit beschäftigt sind, die Modifikation von außen anzunehmen und zu fühlen, geschieht es, daß wir gewahrnehmen und mit  Bewußtsein  empfinden, sondern in dem Moment, wenn die Nachempfindung in uns vorhanden ist. Die Überlegung verbindet sich mit der  Empfindungsvorstellung,  aber nicht unmittelbar mit der Empfindung selbst.

Man kann sich auch geradezu aus Beobachtungen hiervon versichern. Wenn wir z. B. die Augen starr auf einen Gegenstand hinrichten, um sein Bild in uns aufzufassen; so denken wir in diesem Augenblick nicht, daß wir ihn sehen. Sobald wir über den Gegenstand reflektieren; so finden wir ihn zwar vor uns gegenwärtig, und sein Bild ist in uns, aber wir sind nicht mehr damit beschäftigt, es in uns aufzunehmen. Überdies kann die Bemerkung einiger anderer Umstände den Unterschied zwischen der ersten  Empfindung  und der  Nachempfindung  außer Zweifel setzen.

Beim Sehen ist es entschieden, daß der Eindruck vom Gegenstand selbst seine Zeit haben muß, ehe er hell und stark genug wird, um gewahrgenommen zu werden. Die Kugel, die aus einer Büchse geschossen wird, bewegt sich vor unseren Augen vorbei, und wird nicht gesehen, weil das Licht, das von ihr ins Auge kommt, nicht stark genug ist, eine bemerkbare Nachempfindung hervorzubringen. Aus derselben Ursache sehen wir die voneinander abstehenden Spitzen eines gemachten Stern nicht mehr, wenn der Stern schnell herumgedreht wird und allemal ist der Schein, den ein schnell herumgedrehter Körper verursacht, nur ein matter Schimmer, wenn es nicht ein für sich selbst leuchtender Körper ist. Jeder Punkt im Umfang des Raums, durch den die äußersten Enden des Körpers geschwind herumbewegt werden, gibt einen Schein; aber weil der Körper sich nicht lange genug in einem festen Punkt des Raums aufhält, um lebhaft gesehen werden zu können, so gibt er in jedem dieser Punkte auch nur einen schwachen Schein von sich. Daher kann auch die schnellste Vorstellungskraft einen Gegenstand nicht mit  einem  und dem ersten Blick schon fassen; sondern es ist eine Zeit dazu erforderlich, und eine Wiederholung der ersten Eindrücke, wenn die nachbleibenden Züge bis zu einer gehörigen Tiefe eindringen und die nötige Festigkeit erlangen sollen.

Hierzu kommt beim Sehen, daß der  Eindruck  nicht allein nur nach und nach, sondern auch  unterbrochen  hervorgebracht wird, so, daß zwischen den kleineren aufeinanderfolgenden Eindrücken gewisse Momente der Zeit vergehen, während welcher das, was in uns ist, eine  Nachempfindung  ist, oder eine bestehende Folge von demjenigen, was durch die vorhergegangene Einwirkung hervorgebracht wurde.

Die  Nachempfindung  verliert sich bald wieder, wenn man aufhört, die Augen auf den Gegenstand zu richten, obgleich sie in einigen Fällen, wo der Eindruck lebhafter gewesen ist, etwas länger und merklicher als in anderen fortdauert. Man wird z. B. das Bild der Sonne, wenn man sie angesehen hat, nicht sogleich wieder aus den Augen los, aber es wird doch bald so weit geschwächt, daß diese  Nachempfindung des zweiten Grades,  wenn ich so sagen soll, von der ersten, welche während des fortgesetzten Anschauens vorhanden ist, leicht unterschieden werden kann.

Die Beobachtungen und Untersuchungen der Optiker über das Sehen, führen zu noch mehreren Bemerkungen über die Beziehung der  Nachempfindungen  auf die  Empfindungen,  oder die erst  empfundenen Eindrücke,  davon etwas ähnliches auch bei den übrigen Empfindungsarten vorhanden ist. Sehr oft hängt die Beschaffenheit des Eindrucks von einer vorhergegangenen Modifikation des Organs ab; und ist nicht immer derselbe, wenngleich er von einerlei Gegenständen entspringt. Was die  Nachempfindungen  betrifft, so  entsprechen  sie zwar gemeinhin den  Empfindungen,  wovon sie die Fortsetzungen sind; aber es gibt auch Fälle, wenn z. B. die Empfindung allzu lebhaft gewesenist, in welchen sie davon abweichen. So zeigen sich z. B. zuweilen nicht ebensolche Farben an den Gegenständen in der Nachempfindung, wie in der Empfindung gesehen wurden (3). Und das nämlich kann in den schon vorher erwähnten geschwächten Bildern, die uns nach dem Anschauen der Sonne noch eine Zeitlang vor Augen schweben, bemerkt werden; denn diese verändern ihre Gestalten. Viele andere Erfahrungen bestätigen eben dasselbe.

Die  Nachempfindung,  die erste nämlich - die folgenden Veränderungen der Bilder beiseite gesetzt - ist die Vorstellung, welche in der Empfindung erzeugt wird. Und diese ist also zumindest ebensosehr von der Empfindung selbst unterschieden, wie die Nachschwingungen in einer elastischen Saite von ihrer ersten Bewegung im ersten Augenblick sind, da sie der Wirksamkeit der äußeren Ursache noch ausgesetzt ist. In dem Augenblick, da wir empfinden,  leiden  wir, und  wirken zurück im Gefühl.  Aber in der  Nachempfindung  wird nichts mehr angenommen, und es wird auch nicht zurückgewirkt, sondern nur unterhalten, was schon hervorgebracht ist. Und darum kann eben dann die Seele umso freier mit ihrer Überlegungskraft sich bei einem Bild beschäftigen.

Es läßt sich hieraus begreifen, wie zuweilen der sinnliche  Eindruck,  und auch das  Gefühl  desselben oder die  Empfindung  völlig, stark, lebhaft, deutlich und scharf genug von anderen unterschieden sein können, ohne daß die in uns bestehende  Nachempfindung  es auch ist. Es kann die letztere verwirrt und matt sein, wo die erste Empfindung es nicht ist. Sollte sich dergleichen nicht auch wirklich bei den Kindern ereignen? Hat nicht vielleicht ihr innerliches Gesichtsorgan noch zu wenig Festigkeit, um Eindrücke, die es wie ein weicher Körper aufnimmt, auch die Zeit durch in sich zu erhalten, wie es nötig ist, um feste Empfindungsbilder zu erlangen? Mir ist dies nicht unwahrscheinlich, und das, was den Erwachsenen zuweilen unter gewissen Umständen begegnet, bringt jene Mutmaßung fast zur Gewißheit.

Die Nachempfindungen sind Modifikationen in der Seele, so wie es die Empfindungen sind. Als Nachempfindungen sind sie zurückgebliebene und durch  innere  Ursachen und Kräfte fortdauernde Veränderungen. Hierin sind sie von den sinnlichen Eindrücken unterschieden, welche Wirkungen von  äußeren  Ursachen sind. Aber sollten jene auch Seelenbeschaffenheiten sein? Sind es die Organe, und beim Gesicht die Sehnerven, welche durch eine ihnen beiwohnende Kraft die empfangenen sinnlichen Bewegungen, wie die Saite auf dem Instrument ihre Schwingungen, fortsetzen, und solche der Seele zum Empfinden und Fühlen vorhalten? Wenn es so ist; so wird  in der Seele  die Nachempfindung und die Empfindung selbst einerlei sein. Denn so kann die erstere in der Seele nichts anderes, als ein fortgesetztes oder wiederholtes Aufnehmen des Eindrucks sein, wobei sie selbst nur ihre Reaktion gegen das Gehirn, oder ihr Gefühl fortsetzt, ohne in sich durch ihre Selbsttätigkeit etwas zu unterhalten. Oder ist die Nachempfindung, insofern sie eine unterhaltene Folge des Eindrucks ist, vielmehr in  der Seele?  Gibt diese etwa die tätige Kraft dazu her? Oder schließlich, ist sie in beiden zugleich? Das erste in ein Prinzip im System des Herrn BONNET. Ich setze aber diese Fragen nur her, wie ich es schon vorher mit anderen ähnlichen getan habe, um die Erinnerung zu geben, daß man nicht unmittelbar in die Beobachtungen das psychologische System hineinbringen soll. Es ist genug, daß es sich so, wie es hier angegeben worden ist, im Menschen, dem sehenden Ding, verhält.

Die wieder hervorgezogenen ersten  Empfindungsvorstellungen,  die man  Phantasmata  oder  Einbildungen  nennt -  Wiedervorstellungen  kann man sie nennen, wenn es nicht besser wäre, die letztere Benennung allgemeiner auf alle Arten von wiederhervorgebrachten Vorstellungen auszudehnen, sie mögen Empfindungsvorstellungen sein oder nicht. - Die  Einbildungen  sind also offenbar nichts anderes, als die ersten Nachempfindungen in einem weit schwächeren Grad von Licht und Völligkeit, und wir nehmen sie im Schlaf und auch zuweilen im Wachen für Empfindungen. Aber es zeigt sich auch sodann doch der erste Unterschied zwischen Empfindungen und Nachempfindungen, wenn sie sich beide nur gleich wieder erneuert als Einbildungen darstellen. Im Schlaf glauben wir zu sehen. Nun ist zwar kein Eindruck von außen auf das Auge vorhanden, und deshalb ist auch keine wahre Nachempfindung da. Aber es ist doch eine Nachbildung, sowohl von der Empfindung, als auch von der Nachempfindung vorhanden. Es ist nämlich wiederum ein Unterschied vorhanden, zwischen dem ersten Entstehen des sinnlichen Bildes, welches hier ein Wiederhervorbringen ist, wobei wir mit dem Gefühl ebenso reagieren, wie bei der wahren Empfindung; und zwischen dem Fortdauern des wiederhervorgebrachten Bildes, womit die Reflexion über das Objekt verbunden ist.

Am deutlichsten zeigt sich dies in den sogenannten  unechten äußeren Empfindungen.  Das Auge kann aus inneren Ursachen im Körper mit einer gleichen, oder doch jener in der wahren Empfindung nahekommenden Stärke sinnlich gerührt werden, auf eine ähnliche Art, wie es bei der wahren Empfindung durch das hineinfallende Licht geschieht. Es gibt mehrere Ursache, die solche falsche Empfindungen veranlassen können. (4) Aber dennoch ist in diesen Fällen die Empfindung selbst von ihrer Nachempfindung ebenso offenbar unterschieden, wie sie es bei den echten Empfindungen ist. Wer ein Gespenst sieht, wo nichts ist, empfängt einen Eindruck auf das Innere seines Sehwerkzeugs, und nimmt die damit vergesellschaftete Modifikation in der Seele auf, fühlt sie. Bis so weit geht die falsche Empfindung. Nun unterhält sie diesen Eindruck in sich, und empfindet nach. Sodann nimmt er sie gewahr, und reflektiert darüber, wie über eine Empfindungsvorstellung eines äußeren gegenwärtigen Dings.

Die  Einbildung  eines gesehenen Gegenstandes ist also die wieder erweckte Nachempfindung desselben, in einem schwächeren Grad ausgedrückt. Die Einbildungen gehören daher zu den  Empfindungsvorstellungen,  oder zu den  ursprünglichen  Vorstellungen; obgleich sie nicht mehr die ersten selbst sind, sondern ihre Wiederholungen. Die Stufen der Lebhaftigkeit aber und der Deutlichkeit und Völligkeit in den Einbildungen sind unendlich mannigfaltig: man mag entweder die Einbildungen unter sich vergleichen, oder auf das Verhältnis sehen, worin die Lebhaftigkeit und Deutlichkeit einer jeden Einbildung mit der Lebhaftigkeit und Deutlichkeit der Empfindung steht, zu welcher sie gehört. Zuweilen sind sie die mattesten Nachbildungen, und enthalten nur einige wenige Züge von der Empfindung. Zu einer anderen zeit sind sie deutlichere Bilder, und so kenntliche Schatten, wie AENEAS in den elisäischen Feldern antraf. Öfters besteht fast die ganze Reproduktion mehr in einem  Bestreben,  eine ehemalige Empfindung wieder hervorzuziehen, als daß sie eine wirklich wiedererweckte Empfindung selbst genannt werden könnte. Oft sind es nur rohe Umzüge der Sachen, oft nur die eine oder die andere Seite; nur die eine oder die andere Beschaffenheit, Verhältnis und dergleichen, was bis dahin wieder erneuert wird, daß es wahrgenommen werden kann; zuweilen sind es die stärksten Gemälde, die den Empfindungen nahe kommen, je nachdem die reproduzierende Kraft mehr oder weniger auf sie gerichtet und verwendet wird. Da wir dem kürzesten und leichtesten Weg von der Natur nachgehen; so geschieht es, daß  anstatt  einer Empfindung, die mehrere Anstrengung erfordert, wenn sie reproduziert werden soll, eine andere wieder erneuert wird, welche mit jener vergesellschaftet gewesen ist, und der Reproduktion leichter und geschwinder geschehen kann. Der Name vertritt die Stelle der Sache. Die Einbildung des Worts ist völlig und lebhaft, aber die begleitende Einbildung der mit dem Wort bezeichneten Sache, ist oft so schwach, daß sie nur ein Ansatz zur völligen Wiederdarstellung genannt werden kann.


VI. Die nämliche Beschaffenheit der Vorstellungen bei den Empfindungsvorstellungen des Gehörs und der übrigen äußeren Sinne.

Alles ist im Allgemeinen dasselbe bei den Vorstellungen aus dem  Gehör,  dem  Gefühl,  dem  Geschmack  und dem  Geruch,  wie bei den  Gesichtsvorstellungen.  Die äußeren Gegenstände modifizieren die Seele. Es entsteht ein sinnlicher  Eindruck,  der gefühlt wird, die  Empfindung.  Die Empfindung hinterläßt eine  Nachempfindung,  und die Einbildungen aus diesen Sinnen sind geschwächte Nachgepräge der ersten Nachempfindungen und der sinnlichen Eindrücke. Diese drei unterscheidbaren Modifikationen haben in allen Arten der Empfindungsvorstellungen im Allgemeinen dieselbe Beziehung aufeinander; sie sind in derselben Analogie miteinander und entsprechen sich. Der Unterschied geht hierin nicht weiter, als auf das Mehr oder Weniger, auf Schwäche und Stärke, auf die längere oder kürzere Dauer, auf die mindere oder größere Leichtigkeit, womit die Selbstkraft der Seele das, was sie dabei zu bewirken hat, hervorbringen kann.

Die  Vorstellungen des Gesichts  haben große Vorzüge vor den Vorstellungen aus den übrigen  äußeren  Sinnen, wodurch vielleicht einige Philosophen in ihren Untersuchungen über den menschlichen Verstand verleitet worden sind, gegen die letztern ungerecht zu sein. Die Griechen benannten die Vorstellungen, wenn man sie als Zeichen ihrer Gegenstände gebraucht,  Ideen  vom  Sehen,  und es ist gewöhnlich zu glauben, man habe erst dann eine Vorstellung von einer Sache, wenn man so ein Bild davon in sich hat, das man erhält, wenn man sie sehen kann. Die übrigen Vorstellungen scheinen vom Wesentlichen der Ideen und  Bilder  von Gegenständen wenig oder nichts an sich zu haben. Nun ist es zwar offenbar, daß der Vorzug der Gesichtsvorstellungen in mancher Hinsicht allein sehr groß ist; das Gesicht ist der Sinn des Verstandes. Aber diese Vorzüge bestehen doch nur in  Graden,  und nicht im  Wesentlichen,  insofern sie nämlich Vorstellungen für uns sind. Denn die Vorstellungen des Geruchs und des Geschmacks sind in eben dem Sinn Vorstellungen, wie es die Bilder des Gesichts sind und haben dieselbe Natur als Vorstellungen; nur so vollkommene, so auseinandergesetzte, so leicht reproduzible, und daher so allgemein brauchbare Vorstellungen sind sie nicht.

Unter die Vorzüge des Gesichts gehört zuerst folgender, der zugleich ein Grund von mehreren anderen ist. Die Nachempfindungen dieses Sinnes bestehen eine längere Zeit in uns, nachdem die sinnlichen Einwirkungen der äußeren Gegenstände schon aufgehört haben, wie die Nachempfindungen des Gehörs und des Gefühls. Die einzelnen beobachtbaren Eindrücke auf das Gefühl erhalten sich kaum durch eine halb so lange Zeit, wie die Nachempfindungen des Gehörs, und diese letzteren verschwinden eher, als die Nachempfindungen des Gesichts, wie ich oben schon bemerkt habe. Die  Nachempfindungen des Gehörs  haben eine  mittlere  Dauer. Wenn diese Verschiedenheit auch weiter keine Folgen hätte, als daß der Reflexion dadurch eine längere oder kürzere Dauer verstattet wird, um die Empfindung zu beobachten und Denktätigkeiten mit ihr zu verbinden; so ist auch dies schon so erheblich, daß es Aufmerksamkeit verdient.

Aber dieselben Erfahrungen, woraus wir diesen Vorzug der Gesichtsempfindungen erlernen, sind zugleich der offenbarste Beweis, daß es dergleichen einige Momente in uns bestehende Nachempfindungen auch bei den Empfindungen des Gehörs und des Gefühls gibt. Man kann, ohne viele künstliche Veranstaltungen zu machen, ein kleines Rad schnell herumdrehen, und mittels eines feinen biegsamen elastischen Drahtes, bei jedem Umlauf, die Hand oder das Gesicht auf eine sanfte aber bemerkbare Art berühren lassen. Wenn die Geschwindigkeit des Umlaufs bis zu einer gewissen Größe kommt; so wird die Empfindung  in eines fortgehend  zu sein scheinen, ungeachtet daß es doch gewiß ist, daß die Eindrücke von außen eine  unterbrochene  Reihe ausmachen, und durch eine Zwischenzeit voneinander abgesondert sind, welche so große ist, wie die Zeit, in der das Rad umläuft, und der Draht die Hand wieder berühren kann, nachdem er sie das nächste mal berührt hat. Daß es sich bei den Empfindungen des Gehörs auf die nämliche Art verhält, nehme ich hier an, als etwas, das schon bekannt ist.

Die Einbildungen der Töne, der verschiedenen Geruchsarten usw. beweisen es unwidersprechlich, daß aus den ersten Empfindungen in uns etwas zurückgeblieben ist. Es mag so wenig sein, wie es will; so kann es durch eine innere Ursache in uns, ohne den empfundenen Gegenstand vor uns zu haben, wieder hervorgezogen, entwickelt, und bis zu einer bemerkbaren Nachbildung der ersten Empfindung bearbeitet wreden. Hierin hat wiederum die Empfindung des Gesichts den Vorzug, daß sie  leichter  und mit einer größeren Deutlichkeit reproduziert werden kann, als die übrigen. Ein Teil dieses Vorzugs hat in einem natürlichen und notwendigen Verhältnis der Sinne seinen Grund; aber ein großer Teil ist hinzugekommen, indem der natürliche Vorzug die Veranlassung gegeben hat, bei der Verbindung der Vorstellungen ihn auf diese Weise größer zu machen. Die dunkleren Vorstellungen der niederen Sinne, des Geschmacks, des Geruchs, des Gefühls, und auch wohl des mittleren Sinnes, des Gehörs, werden mit den Vorstellungen des Gesichts verbunden; die Idee vom Geschmack der Zitrone mit der Vorstellung von ihrer Figur und Farbe; die Vorstellung vom Geruch der Rose mit der mehr klaren Vorstellung von ihr, die das Anschauen gibt. Nun ist der erste natürliche Vorzug an leichterer Reproduzibilität, den die Gesichtsempfindung hat, die Veranlassung, daß wir am meisten auf die letzteren die Aufmerksamkeit verwenden, und dadurch jenen ersten Vorzug noch größer machen. Wir legen nämlich die übrigen Vorstellungen gleichsam um die Gesichtsvorstellung herum, und machen aus allen zusammen ein Ganzes, wobei die Gesichtsvorstellung die Grundlage oder das Mittel ausmacht. Und wenn nun dieses Ganze eingebildet werden soll; so überheben wir uns öfters der Mühe, die dunklen Vorstellungen der übrigen Sinne selbst wieder hervorzubringen. Die letzteren lassen eine größere Menge von kleinen Modifikationen in sich, und erfordern eine größere Selbsttätigkeit bei der Reproduktion, weswegen wir es dabei bewenden lassen, wenn nur die begleitende Gesichtsvorstellung in uns erneuert werden, und höchstens die ersten kennbaren Anfänge von den übrigen zurückkommen. Es ist genug, an die Figur der Rose und an ihre Farbe zu denken, um uns zugleich zu erinnern, daß ihr Geruch vom Geruch einer anderen gegenwärtigen Blume unterschieden ist, weil mit der reproduzierten Gestalt auch ein merkbarer Ansatz verbunden ist, die assoziierte Empfindung des Geruchs wieder zu erwecken. Bis auf diesen Anfang oder Ansatz zur Wiederker des ehemaligen Zustandes lassen wir es kommen. Sobald aber dieser bis dahin bemerkbar wird, wie es unsere Absicht erfordert, so bemühen wir uns nicht, die Einbildung noch lebhafter zu machen.

Bei Menschen mit allen fünf Sinnen haben die Gesichtsvorstellungen diesen beschriebenen Vorzug; aber die Rangordnung der übrigen, so fern sie von der Einrichtung der Natur abhängt, ist schwerer zu bestimmen. Es ist bekannt, wie sehr sich einige Blinde an die Reproduktion der Gefühlsempfindungen gewöhnt haben, und wie kunstfertig sie darin geworden sind. Der Sehende wird es nicht, weil er nicht genötigt ist, so vielen Fleiß darauf zu verwenden. Aber so weit wie die leichtere oder schwerere Reproduzibilität von der Gewohnheit abhängt, so weit ist dieselbe auch veränderlich und nicht bei allen Menschen von der selben Größe. Der Tonkünstler faßt und behält es leichter, feiner und vollständiger, wie der Kanarienvogel singt, als der Maler, der seine Farbe und Gestalt genauer und deutlicher bemerkt. Ein Koch und ein Kellermeister und der Mann mit einem delikaten Gaumen haben wahrscheinlicherweise lebhaftere und völligere Wiedervorstellungen von den Empfindungen des Geschmacks, als andere Menschen, die es nach dem Genuß der Speise bald zu vergessen pflegen, wie sie geschmeckt haben.


VII. Die Vorstellungen des inneren Sinns
haben dasselbe Unterscheidungsmerkmal der Vorstellungen.
Beweis davon aus Beobachtungen.

Bei den Vorstellungen, die wir uns von uns selbst, von unseren  inneren  Veränderungen, von unseren Tätigkeiten und Vermögen haben, überhaupt bei solchen, die zu den  Vorstellungen des inneren Sinnes  gehören, treffen wir eine größere Dunkelheit an. Sollten auch diese Vorstellungen wohl Vorstellungen in demselben Verstand heißen können, wie die Vorstellungen von  äußeren  Gegenständen? WOLFF nahm das Wort  Vorstellung  in einer so weiten Bedeutung, daß er freigiebig mit dieser Benennung sein konnte, und dennoch hat er in seiner größeren Psychologie, da wo von den Vorstellungen des inneren Sinnes die Rede ist, sich dieser Benennung selten, oder gar nicht bedient. Er sagt nicht: wir haben Vorstellungen von dem, was in uns vorgeht, von unseren Denkarten, Gemütszuständen und Tätigkeiten, sondern er bedient sich der Ausdrücke,  wir empfinden dergleichen in uns, wir sind uns dessen bewußt.  Und doch nannte er die Empfindungen des äußeren Sinnes, und ihre Einbildungen  sinnliche Vorstellungen  von Gegenständen außerhalb von uns. War dies etwa eine Wirkung seines Gefühls, daß der Name  Vorstellung  jenen nicht in derselben Bedeutung zukommt, als diesen? denn deutlich hat er, so viel weiß ich, sich darüber nicht erklärt. Wie weit haben wir denn auch Vorstellungen von jenen?

Zuerst ist hier nur von der ersten Eigenschaft der Vorstellungen die Rede, daß sie sich auf vorhergegangene Modifikationen beziehen, wovon sie als ihre Abdrücke in uns zurückgelassen sind, und durch die Kraft der Seele wieder hervorgezogen werden können, ohne daß dieselbe Ursache, die sie das erstemal bewirkte, wiederum gegenwärtig ist. Was ist hier die erste Empfindung? Was ist die Nachempfindung? Gibt es dergleichen? Und wie verhält sich die wiedererweckte Empfindungsvorstellung, oder das Phantasma gegen jene? Einige Beobachtungen, die deutlich genug sind, werden uns zum Leitfaden an solchen Stellen dienen, wo es dunkel ist. Kann man nicht in das Innere einer Sache hineinkommen, so läßt sich doch wohl von außen in sie etwas hineinsehen. Ich will einige solcher Bemerkungen voranschicken, und dann versuchen, wie weit die Parallele zwischen unseren Vorstellungen aus  dem inneren Gefühle,  und zwischen den  äußerlichen  sinnlichen Vorstellungen gezogen werden kann.

1. Es ist beobachtet worden, und es läßt sich unmittelbar und deutlich genug beobachten, daß man in eben demselben Augenblick, in dem wir uns einer Sache bewußt sind, in dem wir über sie reflektieren, und unsere Denktätigkeit auf sie anwenden, nicht daran denken, daß man denkt. Man ist sich nicht bewußt, daß man sich einer Sache bewußt ist; jenes nämlich nicht in demselben Augenblick, worin man dieses ist. Über unsere eigene Reflexion reflektieren wir nicht in demselben Augenblick, in dem wir mit ihr bei einem Gegenstand beschäftigt sind. (5) Die Ursache davon fällt uns gleich auf. Wenn die Denkkraft der Seele mit dem Bewußtsein, mit dem Unterscheiden, mit dem Überlegen der Idee, die sie vor sich hat, beschäftigt ist; so ist sie schon als Denkkraft tätig, und wirkt auf eine vorzügliche Art nach einer bestimmten Richtung hin. Sollte sie nun in demselben Augenblick auch über diese ihre Tätigkeit reflektieren, so müßte sie die selbe Arbeit zugleich auf diese Tätigkeit verwenden. Kann sie aber ihr Vermögen des Bewußtseins zerspalten, und mit  einem  Teil desselben bei der Idee von der Sache, und mit dem andern zugleich bei der Anwendung, die sie vom Vermögen macht, wirksam sein? Sie müßte dann noch mehr tun, als auf zwei Sachen auf einmal aufmerken. Das letztere läßt sich noch wohl auf eine gewisse Weise tun, aber wenn sie ihre Aufmerksamkeit und ihr Wahrnehmungsvermögen auf eine Idee verwendet, wie will sie solche denn zugleich auf ihre eigene Aufmerksamkeit und auf ihr eigenes Gewahrnehmen verwenden? Indem wir denken, und dies zeigt sich am deutlichsten, wenn wir mit Anstrengung und mit einem glücklichen Fortgang denken, wissen wir nichts davon, daß wir denken. Sobald wir auf das Denken selbst zurücksehen, so ist der Gedanke entwischt, wie das gegenwärtige Zeitmoment, das schon vergangen ist, wenn man es ergreifen will.

Ebenso verhält es sich bei allen übrigen  selbsttätigen  Äußerungen unserer Denkkraft: ebenso beim Urteilen, beim Folgern und den Schlüssen. Der Zeitpunkt der Handlung schließt die Reflexion über dieselbe Handlung aus. Diese letztere folgt erst auf jene. Herr MERIAN hat hierauf seine Kritik über des DESCARTES Grundsatz:  ich denke  gebaut, stattdessen es seiner Meinung nach heißen müßte:  ich habe gedacht.  Jenes ist ein Ausdruck des Bewußtseins, das wir von unserem Denken haben, und stellt dieses als gegenwärtig in uns dar, in dem Augenblick, da wir uns dessen bewußt sind. Aber so ist es nicht, sagt Herr MERIAN, es ist schon vergangen,wenn wir danach umsehen und es beobachten. Aber obgleich ich gegen die Erfahrung nichts einwende, aus welcher diese Folge gezogen wird, so deucht mir doch, eine solche Erinnerung gegen DESCARTES ist mehr eine Spitzfindigkeit als eine scharfsinnige Kritik. Ich kann auch in der gegenwärtigen Zeit sagen:  ich denke;  denn dies soll nur den Aktus des gegenwärtigen Denkens ausdrücken; nicht aber so viel heißen, wie:  ich denke, daß ich denke,  oder:  ich weiß, daß ich denke. 

2.  Jede Aktion der Denkkraft hat sogleich ihre unmittelbare Wirkung in der Vorstellung der Sache,  mit der sie verbunden worden ist, und prägt sich sogleich in ihr ab. Die Vorstellung, die gewahrgenommen worden ist, steht abgesondert, herausgehoben, mit mehrerer und mit vorzüglicher Helligkeit vor uns. Haben wir eine Überlegung, ein Nachdenken, eine Demonstration beendet, so gibt es Wirkungen von diesen Arbeiten in den Ideen. Hier sind sie tiefer eingedruckt, lebhafter, schärfer abgesondert, mehr entwickelt, dort sind neue Ideen bemerkbar geworden; die Ordnung, ihre Lage und Verbindung hat sich geändert. So etwas, das man nach einem anhaltenden Nachdenken in sich gewahr wird, läßt sich, obgleich in einem geringeren Maß, nach jedweder einzelnen einfachen Denktätigkeit wahrnehmen. Das anhaltende Betrachten ist nichts, als eine, und in der Tat eine unterbrochene, Reihe einzelner kleinerer Denktätigkeiten, deren jede ihre eigenen bleibenden, und nachbestehenden Folgen in uns hat.

In dem Augenblick, da wir wahrnehmen, werden wir es nicht gewahr, daß wir wahrnehmen; aber in dem unmittelbar darauf folgenden Augenblick kann dies geschehen. Die Folge der ersten Tätigkeit besteht in uns von selbst, wenigstens ohne eine in eins fortgehende Anwendung unserer Denkkraft. Da ist also der Zeitpunkt für die  Empfindung  und für die  Reflexion  über die vorhergegangene Arbeit. Diese nächsten Wirkungen der Aktion sind mit der Aktion selbst in einer so unmittelbaren Verbindung, daß soe wie die Aktion die Wirkung zuerst hervorgebracht hat, so kann auch die letztere wiederum ihre Aktion wieder erregen. Indem wir also die Folge des vorhergegangenen Denkens in uns gewahr werden, so sehen wir unser Denken gleichsam von hinten, wir halten es vor uns durch seine gegenwärtig in uns bestehende Wirkung, und suchen es wieder zurückzubringen und zu erneuern.

3. In den Vorstellungen entsteht keine Veränderung, die nicht mit einer gewissen dazu gehörigen  Modifikation des Gehirns  verbunden ist, so wie auch umgekehrt eine jede Modifikation in dem Organ, als dem Sitz der materiellen Ideen, mit einer Art von Rückwirkung auf die Seele verbunden ist, wodurch in dieser eine Empfindung oder ein Gefühl verursacht wird. Ich gebrauche hier diesen Satz weniger zu einem Beweis, als zu einer Erläuterung, und wer das Gehirn und die Seele noch als ein  einziges  Wesen betrachtet, der darf nur die Redensarten abändern, so bleibt alles bestehen, was hier behauptet wird. Wenn also von einem auswärts gerichteten Bestreben der Denkkraft eine Veränderung in den Vorstellungen verursacht wird, so ist hiermit eine Veränderung in den Organen verbunden, die wiederum von der Seele empfunden werden kann. So ist es begreiflich, wie eine Empfindung der Aktion auf die Ideen in der Seele selbst auf die selbe Art entstehen kann, wie von einem Eindruck auf das Organ, den ein äußeres Objekt hervorbringt, eine Empfindung verursacht wird. Dies würde das  Gefühl des Denkens  sein, das Gefühl nämlich von der Wirkung, die aus der unmittelbar vorhergegangenen Tätigkeit entstanden ist. Die Augenblicke des tätigen Denkens und des Gefühls dieser Tätigkeit sind verschieden, oder lassen sich so ansehen. Diese Empfindung des Denkens kann nun auch ihre  Nachempfindung  haben, und hat sie, und mit dieser  Nachempfindung  kann das Gewahrwerden und die Reflexion verbunden werden.

Also haben wir  Empfindungsvorstellungen  von den einzelnen  Tätigkeiten  unseres Denkens, in eben dem Verstand, wie wir solche von den körperlichen Gegenständen haben, die auf unsere äußere Sinnglieder wirken. Hier befindet sich das selbsttätige Prinzip des Denkens, von dem die Seele modifiziert wird,  in der Seele  selbst; bei den äußeren Empfindungen kommt die Modifikation von einer äußeren Ursache. In beiden Fällen aber wird die neue Veränderung aufgenommen, gefühlt und empfunden; in beiden besteht sie, und dauert einen Augenblick in uns fort, und muß zumindest weiter fortdauern, wenn sie bemerkbar sein soll. Dies macht eine  Nachempfindung,  oder die erste Empfindungsvorstellung aus. In diesem Stand kann sie wahrgenommen werden, mit Bewußtsein empfunden, mit andern verglichen und von anderen unterschieden werden.

Wird die Empfindungsvorstellung in der Folge von der Einbildungskraft reproduziert, so finden wir, daß jene erste Nachempfindung, obgleich auf eine unvollkommene und schwache Art, wieder erneuert wird, und daß zugleich ein Anfang oder ein  Ansatz,  die vorige Denktätigkeit zu erneuern, damit verbunden ist. Laßt uns eine Reihe von Reflexionen und Schlüssen, die wir angestellt haben, ins Gedächtnis zurückrufen; sie nicht von Neuem wiederholen, sondern wie schon angestellte und vergangene Räsonnements uns vorstellen; und wir werden bemerken, daß mit den Ideen und deren Stellung allenthalben Anfänge der ehemaligen Tätigkeiten und Regungen sie zu wiederholen verbunden sind; welche man eben so füglich schwache  Nachahmungen  jener ersten Reflexionen nennen kann, wie überhaupt die Einbildungen wiederzurückkehrende geschwächte Empfindungen sind.

4. Darf man wohl Bedenken tragen, anzunehmen, dasselbige was die vorige Zergliederung bei einer Art von Tätigkeiten gezeigt hat, dasselbe wird bei übrigen, die man Äußerungen des Willens nennt, auf eine ähnliche Weise stattfinden, und daß auch diese letztere empfunden, und nachempfunden werden, und ihnen entsprechende Spuren in der Seele hinterlassen, wie jene?

Es ist nicht die Analogie allein, worauf man sich hier berufen kann, sondern auch die Induktion aus unmittelbaren Erfahrungen bestätigt es. Zwar ist es nicht möglich, in allen einzelnen Fällen ein solches offenbar vorzulegen. Beim größten Teil unserer Kraftäußerungen ist das, was dabei vorkommt, so stark in einander gewickelt, und die verschiedenen Absätze in ihrem Entstehen sind so undeutlich und verworren, daß man jeden für sich allein nicht gut bemerken kann. Aber dies ist auch zur Überzeugung nicht erforderlich. Wenn es aus Erfahrungen dargetan wird, daß es sich so, wie es angegeben worden ist, in allen Fällen verhält, worin man etwas deutlich erkennen kann; wenn nur kein einziger Fall angetroffen wird, aus dem sich völlig erweisen läßt, daß es Ausnahmen gibt; und wenn sodann noch hinzukommt, daß die sonstigen Kenntnisse von den nicht beobachteten und nicht verglichenen einzelnen Fällen ihre analogische Natur mit den übrigen bestätigen, oder ihr wenigstens nicht entgegen sind; wenn alle diese Umstände, sage ich, beysammen sind, so ist man völlig berechtigt, besondere Erfahrungssätze, die aus einigen Beobachtungen gezogen wurden, nach der Analogie auf andere ähnliche auszudehnen. Es ist freilich bei einer solchen Verallgemeinerung der Beobachtungssätze Behutsamkeit erforderlich, und besonders dann, wenn es an einer oder mehreren der vorgedachten Bedingungen noch fehlt. Die Analogie hat uns in der Körperwelt oftmals mißgeleitet. Aber dadurch wird ihr guter Gebrauch nicht aufgehoben, und wenn alle Bedingungen vorhanden sind, welche ich hier erwähnt habe, so können die analogischen Schlüsse eine solche Wahrscheinlichkeit erlangen, welche Gewißheit genannt zu werden verdient.

Alle Arten von Bestrebungen und Handlungen, die wir von der Seele kennen, haben wir gefühlt und empfunden. Alle, so viele wir kennen, haben in uns eine gewisse Veränderung hervorgebracht. Dies war ihre Wirkung in uns, aus der wir sie erkannten; diese Wirkung war etwas, das eine Weile in uns fortdauerte, und wahrgenommen wurde. Dies gab die erste ursprüngliche Empfindungsvorstellung von ihnen. Es bliebt eine Spur davon in uns zurück, die durch die Kraft unserer Seele wieder hervorgezogen wird, wenn wir uns ihrer, als einer vergangenen Handlung erinnern. Dies alles ist außer Zweifel bei denen, welche wir genauer untersuchen können.

Die Reproduzibilität ist bei den Empfindungsvorstellungen der äußeren Sinne nicht gleich und etwas kann die Gewohnheit, auf einige vor anderen mehr aufmerksam sein, daran ändern, wie oben erinnert worden ist. Kein Wunder also, wenn sie auch nicht bei allen Empfindungen des inneren Sinnes von gleicher Größe ist. Auch hier wirkt die Gewohnheit. Im Kopf des Mannes, der viel denkt, und noch mehr, wenn er zugleich sein Denken fleißig beobachtet, müssen auch die Spuren, die seine Denktätigkeit hinterlassen, ein größeres Licht haben, und leichter wieder erweckbar sein, als bei andern. Dasselbe findet bei den übrigen  Empfindungsvorstellungen des inneren Sinnes  statt, von welchen nun nocht etwas zu sagen ist; ich meine die Vorstellungen, die wir von unseren eigenen Gemütszuständen, und überhaupt von allen  passiven  Seelenveränderungen haben.

5. Es ist Erfahrung, daß wir die Gemütszustände und Affekte, die Zufriedenheit, das Vergnügen, die Begierde, den Unmut, die Abneigung, den Zorn, die Liebe und dergleichen, dann, wenn sie in uns vorhanden sind, in ihrer Gegenwart wahrnehmen können, sie zumindest etwas leichter wahrnehmen können, als es bei den Denktätigkeiten angeht, die sich dem Bewußtsein in demselbigen Augenblick entziehen, wenn es sie fassen will. Wir fühlen z. B. daß wir zornig sind, indem wir es sind. Diese Zustände der Seele bestehen, wenn sie einmal hervorgebracht sind, eine Weile in der Seele ohne ihr selbstätiges Zutun, wie die Wallungen im Wasser, welche noch fortdauern, wenn sich der Wind schon gelegt hat. Dann hat die Überlegungskraft Zeit, sich mit den Nachwallungen des Herzens zu beschäftigen. Die  leidenden  Gemütszustände stehen also in einer anderen Beziehung auf das Bewußtsein, als die Selbsttätigkeiten. Die letzteren sind nicht sowohl selbst unmittelbare Gegenstände des Gefühls, als vielmehr in ihren nächsten Folgen und Wirkungen, die etwas passives in der Seele sind. Jene hingegen werden unmittelbar gefühlt.

Was wir  Begierden  und  Affekte  nennen, sollte von den Gemütszuständen, vom Vergnügen und Verdruß, und von dem, was der Seele, insofern sie  empfindsame  ist, zukommt, unterschieden werden. Die Begierden und Affekte enthalten tätige Bestrebungen, wirksame Triebe, Aktionen, und also Äußerungen der tätigen Kraft der Seele, wozu diese durch Empfindnisse gereizt wird. So würde auch die lebhafte Freude, selbst das Entzücken kein Affekt sein. Indessen sind die  Tätigkeiten  und die  leidenden  Gemütszustände genau miteinander verbunden. Aus beiden wird ein Ganzes, welches, je nachdem das eine oder das andere von ihnen das meiste davon ausmacht, zu den Willensäußerungen oder zu den Gemütszuständen gerechnet wird.

Solch  erleidenden  Seelenveränderungen werden durch Empfindungen und Vorstellungen hervorgebracht oder veranlaßt. Aber sie sind diese Vorstellungen und Empfindungen nicht selbst, sondern eine besondere Art von inneren Veränderungen der Seele. Dieselbe Vorstellung ist zu einer Zeit angenehm, zu einer anderen gleichgültig, und noch zu einer anderen widrig. Der Anblick und der Geruch der Speise bringt dem Hungrigen Begierde bei und verursacht beim Übersatten Ekel.

Es ist nicht schwer, es gewahr zu werden, daß auch bei diesen  passiven  Seelenveränderungen - die  Empfindung  und die  Nachempfindung  unterschiede ist, und daß der Augenblick, in welchem wir sie in uns gewahrnehmen, nicht der Zeitpunkt der ersten Empfindung, sondern der  Nachempfindung,  oder der Empfindungsvorstellung ist, in welcher das, was gegenwärtig ist, sich auf eine vorhergegangene Modifikation bezieht. Was jetzt in mir gegenwärtig ist, in dem Moment, da ich in mich zurück sehe, und eine stille Heiterkeit des Geistes gewahrnehme, ist nicht mehr die erste Empfindung dieses Zustandes; es ist schon eine Fortsetzung, oder die Wiederkehr eines anderen vorhergegangene, der im gegenwärtigen, als in seiner Abbildung fortdauert und auf diesen letzteren eben eine solche Beziehung hat, wie die Nachempfindung von einem gegenwärtigen sichtbaren Objekt zur ersten Empfindung desselben. Die erste Empfindung ist schon vergangen, wenn man über sie reflektiert. In den lebhaften Gemütsbewegungen und Affekten ist dieser Unterschied am deutlichsten. Begreift die Seele sich so weit, daß sie zu dem Gedanken kommt: Siehe, wie vergnügt bist du, wie traurig, wie zornig usw. so hat die Bewegung schon angefangen nachzulassen, der Sturm bricht sich, und wir fühlen es in diesem Augenblick, daß er schon geschwächt ist, wenn er auch bald darauf von neuem mit größerer Stärke hervordringt und die Seele überwältigt. Das Bewußtsein verbindet sich nicht mit der ersten Aufwallung des Gemüts; es ist offenbar nur eine Nachwallung von jener, welche wir in uns gewahrnehmen.

Und nicht anders verhält es sich in den schwächeren  Empfindnissen.  Sie bestehen eine Weile, und dann können wir sie gewahrnehmen, nicht in ihrem Anfang, sondern in ihrer Mitte; dagegen andere Veränderungen, die keine Dauer in uns haben, die durch das Herz fahren, wie der Blitz durch die Luft, und in dem Augenblick vergehen, in welchem sie entstanden sind, auch niemals beobachtet werden können. Wir fühlen sie, indem sie hindurch fahren, und aus ihren Spuren erkennen wir, daß sie da gewesen sind, aber die betroffene Seele kann im Augenblick ihrer Gegenwart nicht zur Besinnung kommen, noch sich ihrer bewußt werden, und noch weniger kann sie mit dem Bewußtsein bei ihnen sich verweilen und ihre Verhältnisse aufsuchen.

6. Laßt uns nun solche vorhergehabte  Empfindnisse  als abwesende mit der  Einbildungskraft  uns wieder vorstellen. Wir finden sogleich, daß diese Wiedervorstellungen zu jenen ersten Empfindungsvorstellungen ein ähnliches Verhältnis haben, wie die Einbildungen von Körpern auf ihre Empfindungen. So wie wir durch jedes Phantasma in den ersten Zustand der Empfindung bis auf einen gewissen Grad zurückversetzt werden; so geschieht es auch hier. Wir können niemals eine Vorstellung davon haben, welch ein Vergnügen wir an einem Ort oder im Umgang mit einer Person genossen haben, ohne von neuem eine Anwandlung von Vergnügen in uns zu empfinden. Wir erinnern uns niemals eines vergangenen Verdrusses, ohne ihn von neuem in uns aufkeimen zu sehen. Und je lebhafter, je stärker, je anschauender die Wiedervorstellung eines ehemaligen Zustandes jetzt ist, desto mehr nähert sich das Gegenwärtige dem Vergangenen, und der gegenwärtige wiederhervorgezogene Abdruck seinem ersten Original. (6)

So wie jeder Gemütszustand seine Ursachen in Empfindungen und Vorstellungen der Seele hat, die ihm vorhergehen, so hat auch jedweder Zustand seine Wirkungen und Folgen in und außerhalb von uns; er hat solche in den Vorstellungen und Gedanken, in den Trieben und Handlungen, und im Körper; unmerkbare und bemerkbare, mittelbare und unmittelbare. Und ein großer Teil von diesen Folgen wird als besondere von neuem hinzukommende Veränderungen der Seele empfunden und gewahrgenommen. Solche vorhergehende und nachfolgende Modifikationen reihen sich an die Empfindnisse in unterschiedlichen Richtungen an, und werden so viele  assoziierte  Vorstellungen, bei deren Wiedererweckung auch die Empfindnisse selbst wiedererweckt werden können. Aber dennoch ist die Einbildung oder Wiedervorstellung der ehemaligen Gemütsverfassung von den Einbildungen der übrigen vorhergegangenen, der jene umgebenden und auf sie folgenden Empfindungen, ebenso unterschieden, als sie selbst in der Empfindung es war. Ein Mensch, dessen Herz noch nie die Vaterliebe empfunden hat, kann sich eine solche ebensowenig wieder vorstellen, wie ein Blindgeborener die Farbe. Nur weil in seinen übrigen Empfindnissen mehrere von den Ingredenzien dieser besonderen Neigung enthalten sind, wie der Blinde zur Vorstellung der Farbe in sich hat, so kann die selbsttätige Dichtungskraft eine Vorstellung machen, die der Vorstellung von Vaterliebe zumindest nahe kommt, oder auch fast ganz dieselbe ist.


VIII. Dunkelheiten bei den Vorstellungen aus dem inneren Sinn.
Ob die Empfindungen des inneren Sinns eigene bleibende Spuren hinterlassen, die sich ebenso auf jene Empfindungen beziehen, wie die Vorstellungen aus dem äußeren Sinn auf ihre Empfindungen? Einwurf dagegen aus der Ideen Assoziation und Beantwortung desselben.

Bei dem letzterwähnten Umstand, nämlich bei der Wiedererweckung der  inneren  Empfindungen stoßen wir auf eine Schwierigkeit, wenn wir sie genauer ansehen. Am Ende mag es gar unentschieden bleiben, ob das, was wir hier Vorstellungen nennen, diesen Namen auch führen kann? Eine zum zweitenmal  wiederholte Empfindung  ist keine  Vorstellung der ersteren Empfindung,  wenn sie jedesmal durch  dieselbe  Ursache und durch denselben Eindruck hervorgebracht wird. Die zweite Empfindung kann sehr viel schwächer, als die erste ist, und ihr dennoch sonst ähnlich sein, wie ein Ton, den ich zum zweitenmal in einer größeren Ferne sehr schwach vernehme; kann deswegen die letztere wiederholte Empfindung eine  Vorstellung  von der ersten genannt werden? Auf den Namen kommt es nicht an, aber darauf, ob der Sache die Beschaffenheit wirklich zukommt, die man ihr beilegt, wenn man sie so benennt. Die Seelenveränderungen, die Tätigkeiten, die Leiden werden empfunden, diese für sich, jene in ihren Wirkungen, die sie hervorbringen. Es entstehen gewisse  bleibende Zustände,  die man gewahrnimmt; dies sind Nachempfindungen. Und dann hinterlassen sie Spuren in der Seele. Dies ist es nicht alles, was bei den Vorstellungen aus den äußeren Sinnen gefunden wird. Die Nachempfindungen würden keine Vorstellungen sein, wenn sie nicht durch die Eigenmacht der Seele wiedererweckt werden könnten, ohne daß dieselbe Ursache wiederum wirkt, welche sie das erstemal hervorbrachte. Die Nachschwingungen einer elastischen Saite, die man angeschlagen hat, sind keine Vorstellungen. Auch ist nicht eine jede Disposition, eine ehemals erlittene Veränderung von derselben Ursache nun leichter aufzunehmen, eine  Vorstellung.  Die elastischen Saiten erlangen eine gewisse Geschwindigkeit durch den Gebrauch, wodurch sie geschickt werden, leichter ihre tonartigen Bewegungen anzunehmen, welche sie sich vorher schwerer beibringen ließen? Sie verlieren ihre anfängliche Steifigkeit, und ein äußeres Hindernis der Schwungbewegung wird gehoben. Aber dessen ungeachtet ist keine  nähere Disposition,  kein größerer Grad von selbsttätigem Bestreben, aus einem inneren Prinzip den ehemaligen Zustand zu erneuern, in der Elastizität der Saiten vorhanden. So eine aus der ersten Veränderung aufbehaltene Disposition oder Leichtigkeit in der inneren Kraft muß es aber sein, wenn sie eine  Vorstellung  von der vorhergegangenen Veränderung heißen soll, in dem Verstand nämlich, worin unsere Vorstellungen von den Körpern, die wir durch das Gesicht und die übrigen äußeren Sinne erlangen, so genannt werden.

Hier kommen wir auf eine Untersuchung, die mit ihren Folgen tief in die Natur der Seele hineingeht. Die  Empfindungen des inneren Sinnes  sind besondere Modifikationen der Seele; unterschieden sowohl von den äußeren Empfindungen, wie auch von den Vorstellungen, wodurch sie selbst verursacht werden. Sind nun die Spuren, welche von ihnen zurückbleiben, die  Leichtigkeiten  in der  Empfindsamkeit  und in der  tätigken Kraft,  gleichfalls  besondere  Dispositionen in der Seele, welche von den Dispositionen, äußere Empfindungen und andere Vorstellungen zu reproduzieren, unterschieden sind? dies ist der Mittelpunkt der Untersuchung. Wenn ein ehemaliger Gemütszustand, oder eine ehemalige Aktioni als eine abwesende und vergangene Sache, wieder vorgestellt wird, wie ein gesehenes Objekt in der Einbildung, ist denn der Übergang von der Disposition zur wirklichen Wiedervorstellung des ehemaligen Zustandes eine Wirkung, welche jene Disposition im Innern voraussetzt, und erfordert, und ohne sie nicht entstanden sein würde? Oder ist hier die Einbildung bloß eine nochmalige schwache Empfindung, welche eine ähnliche Ursache hat, wie die erste Empfindung gehabt hat?

Das Bild vom Mond, das ich in Abwesenheit des Gegenstandes in mir habe, wird durch eine innere Ursache in der Seele wiedererweckt, bei der Gelegenheit, da eine andere damit verbundene Idee vorhanden ist. Jenes ist aber keine wiederaufkommende Empfindung von außen her. Das Bild wird erneuert, weil eine  Leichtigkeit,  oder eine Disposition dazu, aus der vorhergegangenen Empfindung zurückgeblieben war, welche die Eigenmacht der Seele wieder hervorziehen, entwickeln, und als Abbildung des vorigen Zustandes bemerkbar machen kann.

Wenn das lebhafte Vergnügen und die warme Zuneigung gegen eine Person in mir wiederhervorkommt, da ich ihr Bild vor mir habe, ohne sie selbst zu sehen; ist diese  wiederkommende Gemütsbewegung,  oder die wiederaufsteigende Neigung eine ähnliche  Wiedererweckung  einer aus der Empfindung zurückgelassenen Spur? Kann sie nicht vielleicht eine neue jetzt hervorgebrachte Wirkung sein? kann diese  wiederholte Empfindung  im Verhältnis mit der Lebhaftigkeit der Einbildung, wodurch sie hervorgebracht wird, nicht selbst lebhaft oder matt sein, ohne Bezug darauf, daß sie vorher in uns gegenwärtig gewesen ist? Wenn ein Vergnügen über eine Sache das erstemal durch ein Anschauen entstanden ist, muß nicht auch die Einbildung, als ein heruntergesetztes Anschauen, aus einem ähnlichen Grund die Ursache von einer schwachen Gemütsbewegung sein, welche sich zum Vergnügen aus der Empfindung auf dieselbe Art verhält, wie die Einbildung selbst zur Empfindung? Und dann ist es unnötig, eine aufbehaltene Spur des ehemaligen Gemütszustandes anzunehmen.

Die Vorstellung von einem äußeren Gegenstand kann wiedererweckt werden mittels einer anderen Vorstellung, die mit ihr verbunden ist und von der man es weiß, daß sie die physische Ursache von derjenigen nicht ist, deren Wiederentwicklung sie veranlaßt. Die Idee von einem Esel erweckt in mir die Idee von dem Menschen, der auf ihm saß. Hier ist jene gewiß nicht mehr als eine Veranlassung zu dieser. So wenig wie in der Empfindung eine der assoziierten Ideen die andere der Seele einprägt, ebensowenig kann sie in der Reproduktion die Ursache von der letzteren sein. Es mag ihre Verbindung in der Phantasie, vermöge welcher eine die Wiederhervorziehung der anderen veranlaßt, bestehen, worin sie will, so ist doch die Reproduktion eine Wirkung, welche darüber hinaus ein dazu besonderes disponiertes Vermögen in der Seele erfordert. Verhält es sich bei den wiedererweckten Vorstellungen aus  inneren  Empfindungen auf dieselbe Weise?

Man kann allerdings viele Wiedervorstellungen von  inneren  Empfindungen so erklären, daß sie aufhören, wahre Vorstellungen zu sein. Die inneren Empfindungen, welche in uns unter gewissen Umständen entstehen, haben in der dermaligen Verfassung der Seele ihre inneren Ursachen; dagegen eine neue Empfindung des äußeren Sinnes eine besondere äußere Ursache erfordert. Diese Verschiedenheit ist wichtig. Die inneren Modifikationen sind dann, wenn sie zuerst empfunden werden, Wirkungen, welche aus der Seele selbst, aus ihrer Empfindsamkeit durch eine innere Kraftäußerung hervorgebracht werden, nachdem die Vermögen und Kräfte durch die Empfindungen äußerer Objekte bestimmt und geformt sind. So oft wir uns solcher ehemaligen inneren Empfindungen wieder erinnern, geht eine wiedererweckte Vorstellung des Objekts der zurückkehrenden Empfindung vorher in derselbigen Ordnung, in der sie in den ersten Empfindungen aufeinander folgten: es sind jedesmal entweder dieselben oder doch ähnliche Empfindungen, oder auch dieselben Einbildungen wieder da, wenn das vormalige Vergnügen, der Verdruß, die vorher empfundene Neigung, die Abneigung usw. wiedererweckt wird. So ist es öfters. Das Vergnügen aus der Musik, die angenehme Wallung in der Seele, die wir in einem Garten empfunden haben, wird nicht in Gedanken erneuert, wie wenn die Vorstellungen von der Musik und von dem Garten wiederum gegenwärtig sind. Läßt sich nun die Sache so erklären, so bedarf es keiner besonderen von der Gemütsbewegung in uns zurückgebliebenen Spur, und keiner Disposition, sie leichter wieder anzunehmen. Die Disposition, die bewegenden Vorstellungen von äußeren Objekten zu reproduzieren, ist genug; denn auf diese erfolgen die Anwandlungen zu Veränderungen, welche die Stelle der Einbildungen von inneren Empfindungen vertreten. Herr SEARCH hat in uns besondere  Zufriedenheitsfibern  angenommen, so wie es Gesichts- oder Gehörsfibern gibt. Jene sollen die Organe des Gemüts sein, welche modifiziert werden, wenn der Gemütszustand, den wir die Zufriedenheit nennen, empfunden wird. Die Beobachtung lehrt uns von solchen Organen nichts; aber man kann sich dieser Erdichtung hier bedienen, um die Idee von der Sache durch eine bildliche Vorstellung deutlicher zu machen. Und ich würde noch zu derselben Absicht besondere Aktionsfibern hinzusetzen, die nur dann sinnlich bewegt werden, wenn die selbsttätige Kraft der Seele entweder außer sich in den Körper wirkt, oder sich selbst und ihre eigenen Vermögen bestimmt und neue Modifikationen in sich selbst hervorbringt.

Die Vorstellungsfibern, solche nämlich, die zu den Vorstellungen äußerer Objekte gehören, erhalten aus den Empfindungen gewisse Dispositionen, leichter die sinnliche Bewegung von neuem anzunehmen. Ob nun nicht dasselbe bei den Zufriedenheitsfibern und bei den Tätigkeitsfibern stattfindet oder ob diese immerfort so bleiben, wie sie sind, und niemals Bewegungen annehmen, wie wenn dieselbe Ursache von neuem auf sie wirkt? Dies ist die vorige Frage in einer anderen Sprache vorgetragen.

Im Hinblick auf die Vorstellungen des  äußeren  Sinnes wissen wir mit Gewißheit, daß Dispositionen aus den Empfindungen zurückgeblieben sind, und daß die Wiedervorstellungen der abwesenden Objekte von diesen Dispositionen abhängen. Wir können uns darüber leicht versichern, daß die vorigen Ursachen zur Empfindung bei der Vorstellung des Abwesenden nicht vorhanden sind, und daß auch keine andere da ist, die ihre Stelle, als wirkende Ursache, vertreten könnte. Die assoziierte Idee vom Turm, wobei die Idee von einem Haus wiedererweckt wird, ist offenbar keine physische Ursache, welche die letztere Vorstellung der Seele beibringen könnte. Die Idee von einem Haus müßte also in der Phantasie fehlen und bei der Abwesenheit des Gegenstandes unwiederhervorbringbar sein, sofern sie in der Empfindung nicht vorhanden gewesen ist, und nicht aus dieser eine nähere Anlage dazu entstanden wäre. Hiervon hängt also die Entscheidung in der gedachten Untersuchung ab, daß man aus Beobachtungen zeigt, ob und wie weit die Gemütszustände und andere  innere  Empfindungen und deren Einbildungen jenen von äußeren Gegenständen ähnlich sind?

Oftmals bemerkt man, daß die vorige Lust oder Unlust an einer Sache, so wie sie in der Empfindung der Empfindung der Sache, welche das Objekt der Affektion ist, nachfolgt, auch dann, wenn sie wiedererweckt wird, in derselben Ordnung die Einbildung jenes Objekts  vor sich  hat. Aber es ist doch auch gewiß, daß es in vielen anderen Fällen nicht so ist. Da, wo eine Neigung zur Leidenschaft, und ein bloßes Vermögen zur Fertigkeit geworden ist, zeigen sich die Ausnahmen am deutlichsten. Es assoziieren sich die Gemütsbewegungen mit anderen äußeren Empfindungen und Vorstellungen, von welchen sie nur  begleitet  werden, die aber nicht zu den Ursachen gehören, von welchen sie hervorgebracht sind. Sie legen sich an ihre Wirkungen und Folgen, die aus ihnen entstehen, und an Zeichen, Worte und Ausdrücke, worin sie äußerlich hervorbrechen. Herr SEARCH nennt dies ein  Übertragen der Empfindungen  von einer Idee auf eine andere, die mit jener verbunden ist. Ohne diesem Philosophen in den Anwendungen, die er davon macht, durchgehend Beifall zu geben. Ist doch seine Bemerkung eine richtige Beobachtung. Gemütszustände und Neigungen vereinigen sich mit fremden Vorstellungen und Empfindungen, mit welchen sie in keiner verursachenden Verbindung stehen, das ist, mit solchen, die weder ihre Ursachen, noch ihre Wirkungen sind.

Durch solche fremde assoziierte Empfindungen und Vorstellungen werden sie auch wiederum erweckt, wie die Vorstellung der Kirche durch die Vorstellung von einem Turm, nämlich als durch bloß veranlassende, nicht aber wirkende Ursachen. In vielen Fällen können wir uns hiervon ebensosehr versichern, wie bei den Reproduktionen sichtbarer Gegenstände. Dem Verliebten, der eben ruhig ist, fällt etwas in die Augen, das sich auf seine Geliebte bezieht; sogleich klopft ihm das Herz. Zuweilen haben sich eine Menge von anderen Vorstellungen zu dieser Idee hinzugesellt, welche mitwirken, zuweilen aber wird die Neigung unmittelbar bei solchen unwirksamen Vorstellungen erweckt, ohne daß eine andere Reihe von Vorstellungen dazwischen tritt, dergleichen gemeinhin erst nachher hinzukommen, und die Bewegung lebhafter machen. Das ist es, was in jeder Fertigkeit und in jeder Gewohnheit gefunden wird. Die geringste entfernteste Vorstellung, jeder äußere Ausbruch, jede Wirkung von ihr führt auf sie zurück, was ohne eine Disposition dazu in der Empfindsamkeit und im Tätigkeitsvermögen nicht geschehen könnte.

Die Wiedervorstellung eines gesehenen und nun abwesenden Gegenstandes hält sich gewöhnlich so in den Schranken der Einbildung, daß, wenn sie mit anderen gleichzeitigen Empfindungen derselben Art verglichen wird, sie sogleich als das erkannt werden kann, was sie ist, nämlich ein Schatten von der Empfindung: sie ist nicht die volle und starke Empfindung selbst. Die Ursachen, die ihr diesen Grad der Stärke geben müßten, liegen nicht im Innern der Seele, sondern sind außerhalb von ihr, jedenfalls nicht in ihrer Gewalt. Etwas verhält es sich anders bei den Seelenveränderungen, die aus einem inneren Prinzip hervorgehen, wenn sie Empfindungen sind. Hier sind zwar auch die Einbildung und die Empfindung stark genug unterschieden: ein anderes ist es, wenn wir uns nur  erinnern,  wie uns ehemals zumute gewesen ist, und ein anderes, wenn uns  jetzt wieder von neuem ebenso zumute wird:  jenes ist die  Vorstellung  des abwesenden Zustandes; dieses ist eine nochmalige Empfindung; und der Unterschied zwischen beiden fällt auf, und besteht in Graden der Stärke und Lebhaftigkeit. Aber die Einbildung kann hier - ich will nicht sagen leichter - aber öfter, weil es auf innere Ursachen in der Seele ankommt, in eine Empfindung übergehen. Das Andenken an die geliebte Person macht das Herz so voll, daß die zurückgekehrte Affektion nicht mehr eine bloße Einbildung bleibt, sondern zu einer vollen gegenwärtigen Empfindung wird. Denn obgleich jetzt nur Einbildungen vom abwesenden Objekt, nicht aber Empfindungen von ihm vorhanden sind, und also auch durch jene nur Einbildungen von den ehemaligen Zuständen veranlaßt werden, so können solche veranlassenden Einbildungen doch mehrere zusammen kommen, deren vereinigte Macht so stark ist, wie eine Empfindung; oder der Hang zu einer solchen Affektion im Innern der Seele kann so stark geworden sein, daß nichts mehr als eine geringe Veranlassung nötig ist, um diese innere Ursache zur Wirksamkeit zu bringen. Was von der Idee hinzukam, brauchte ihr nur gewisse Reize und Bestimmungen zu geben. Ein schwacher Funken kann also zünden, wenn das Gemüt den empfänglichen Zunder in sich hat, und durch vorhergegangene Empfindungen so leicht entzündbar geworden ist.

So scheint also die Sache entschieden zu sein, wenn man bei den Beobachtungen stehen bleibt. Was ist einfacher? und analogischer?

Aber durch eine Anwendung, die einige neuere Philosophien von der  Ideenassoziation  gemacht haben, werden alle solche aus Empfindungen entstandenen Dispositionen zu inneren Veränderungen, nur die Vorstellungen aus den äußeren Sinnen ausgenommen, hinwegerklärt.

Die Gemütszustände, die Neigungen, Bestrebungen, und alles, was zu den passiven und aktiven inneren Seelenveränderungen gehört, das soll nicht anders wieder hervorkommen, als durch dieselben Ideen, oder ihnen ähnliche, durch welche sie das erstemal in der Seele hervorgebracht worden sind. Wenn es den Anschein hat, als Würde eine vorige Lust bloß durch eine Nebenidee, die weiter keine Beziehung auf sie hatte, als daß sie mit ihr verbunden war, wieder hervorgebracht, so soll es nicht diese Nebenidee sein, welche für sich selbst auf die Seele wirkt; aber sie soll andere assoziierte Ideen wieder herbeiführen, in denen die bewegende Kraft enthalten ist, und die in der ersten Empfindung die wirkende Ursache des Gefallens gewesen sind. Der Spieler sieht die Karten nur an, und dem Geizigen schimmert nur eine Goldmünze in die Augen. So ein Anblick bringt nach der gedachten Erklärungsart die ehemaligen angenehmen Empfindungen, die mit dem Spielen und mit dem Genuß des Geldes verbunden gewesen sind, und somit eine lange Reihe von Ideen wieder zurück. Und die letzteren von ihnen, die nun die Zwecke und Absichten vorstellen, sollen es sein, von welchen das Herz ergriffen, und zur vorigen Begierde gespannt wird. Dies ist dann eine neue Wirkung, ohne daß eine anderweitige Aufgelegtheit im Vermögen der Seele oder in ihrer Empfindsamkeit vorhanden ist, welche hierin einen Einfluß haben dürfte.  Fertigkeit  und Gewohnheit und Stärke in  Empfindungs- und Handlungsarten  sind also nichts als Fertigkeiten, die Ideen solcher Gegenstände in einer Verbindung zu erwecken, welche die Reize enthalten, wodurch die Seele so zu empfinden und so zu handeln bestimmt worden ist, und nun auch in der Reproduktion bestimmt werden muß. Die  Fertigkeiten  sind  Fertigkeiten, Ideen zu verbinden,  und in der Verbindung wiederum darzustellen; Ideen nämlich von Gegenständen, welche aus den äußeren Sinnen entstehen.

Diese Art, die Wiedervorstellungen von Gemütsbewegungen, Bestrebungen und Handlungen der Seele, zu erklären, ist im System der Ideenassoziation des Engländers HARTLEY eine notwendige Folge seiner ersten Grundsätze. Aber es ist unnötig, sie von einem Ausländer zu holen. Sie liegt auch in der WOLFFischen Psychologie. Herr PRIESTLEY muß diese letztere nicht gekannt haben; er würde sonst das Lob, das er HARTLEYs System so freigiebig beilegt, nämlich es sei dadurch ein so einfaches, allgemeines und noch fruchtbares Prinzip in die moralische Welt eingeführt, wie durch NEWTONs  Attraktion  in die Körperwelt, auch dem System des deutschen Philosophen nicht versagt haben. Denn abgerechnet, daß HARTLEY die Ideen  Nervenschwingungen  nennt, und sie wie Herr BONNET in die Organe im Gehirn setzt, dagegen WOLFF die Ideen für Modifikationen der Seele selbst ansah, so ist gewiß die  vorstellende Kraft  im System des letzteren ein ebenso einfacher und so weit sich erstreckender Grundsatz, wie HARTLEYs  Ideenassoziation,  und kann auch auf eine ähnliche Art auf die psychologischen Beobachtungen, und besonders auf die, wovon hier die Rede ist, angewendet werden. Man braucht nur die Sprache und Ausdrücke umändern, so wird die Erklärung aus einem System in eine Erklärung nach dem andern übergehen. Hier ist es meine Absicht nicht, diese Hypothesen zu beurteilen, welche, weil sie von ihren scharfsinnigen Verfassern gut genug durchdacht sind, auch Ausflüchte genug in sich fassen, um Angriffen auszuweichen, welche man aus der Erfahrung auf sie tun kann. Mögliche Erklärungsarten geben sie genug her, wie die Hypothesen überhaupt, die vernünftig sind. Fragt man aber, womit sie selbst bestätigt sind, so stehen sie in der nackten Blöße der Hypothesen da. Ich will hier nur einige Anmerkungen anfügen, die jene aus der Assoziation der Ideen gezogene Erklärung von den Wiedervorstellungen inneren Empfindungen betreffen.

Erstens  ist zu bedenken, daß hier noch nicht die Frage ist, worin die Seelenveränderungen, welche der  innere  Sinn empfindet, eigentlich bestehen. Ob das, was wir  Vergnügen  nennen, etwas anderes ist, als ein Phänomen, das, wenn es deutlich auseinandergesetzt werden kann, vielleicht nichts ist, als ein Aktus der  vorstellenden  Kraft oder des Vermögens, Ideen zu verknüpfen, und zwar ohne daß die Seele andere Ideen besitzt, als von äußeren Objekten, die sie aus den äußeren Sinnen empfangen hat? Mag es doch so sein, so ist dieser  Aktus,  oder diese Tendenz der Kraft, den wir das Vergnügen nennen, auch eine besondere Modifikation der Seele; eine Wirkung, zwar von anderen vorhergegangenen Empfindungen und Vorstellungen, aber doch immer eine besondere  Wirkung,  welche für sich allein einen fühlbaren Zustand ausmacht, und den wir von andern unterscheiden und gewahrnehmen. Der Anblick der Speise bewirkt beim Hungrigen den Appetit. Die Begierde ist aber nicht mit dem Anblick der Speise einerlei.

So darf die Sache hier nur am Anfang gesehen werden. Es ist die Frage, ob dieser  besondere  Zustand nicht eine Folge in der Seele hinterläßt, wodurch sie mehr aufgelegt wird, in eben denselbigen wiederum versetzt zu werden, als sie es sonst nicht gewesen sein würde?

Zweitens  scheint mir die obige Erklärung doch in vielen Fällen zu weit hergeholt und unzulänglich zu sein.

Wir erinnern uns oft, aus einer Sache Vergnügen geschöpft zu haben, oder verdrießlich über sie gewesen zu sein, ohne es jetzt noch zu wissen, was es eigentlich gewesen ist, das uns der zu jener Zeit affiziert hat. Wir sind jetzt nicht mehr in der vorigen Gemütsbewegung, aber an gewissen äußeren Handlungen des Körpers, welche die Ausbrüche des inneren Zustandes waren, und die in unserem Gedächtnis hell genug mit der Idee der Sache wieder hervorkommen, wissen wir es nichtsdestoweniger gewiß, daß so ein Zustand im Gemüt zu dieser Zeit vorhanden gewesen ist. Die Wiedervorstellung des vorigen Zustandes enthält dann so viel von der ehemaligen Empfindung in sich, wie die Einbildung vom Geschmack einer Birne von ihrer Empfindung in sich hat.

Man sagt, die Wiedervorstellung des Verdrusses soll von Vorstellungen abhängen, die uns jetzt nicht genug gegenwärtig sind, denn eine Vorstellung kann wirksam sein, ohne daß wir sie wahrnehmen. Die  bewegenden  Vorstellungen sollen wirklich in uns reproduziert werden, ohne daß wir uns ihrer bewußt sind. Jenen Satz leugne ich nicht. Aber da ich nach der genauesten Untersuchung keine von den  ehemals bewegenden  Vorstellungen jetzt in mir antreffe, und vielmehr sehe, ich würde vom derzeitigen Gemütszustand nicht einmal wissen, daß er vorhanden gewesen ist, wenn ich nicht auf diese Wiedererinnerung durch Vorstellungen gebracht wäre, welche nicht die  Ursachen,  sondern die  Folgen  und Äußerungen von ihm gewesen sind, so ist es viel gefordert, daß ich die gegebene Erklärung als die wahre annehmen soll.

Die vorigen  verursachenden  Vorstellungen sind entweder jetzt nicht vorhanden, oder doch so dunkel, daß ich sie nicht wahrnehme; und doch sollen sie in dem Grad tätig sein, daß sie von  neuem  einen Ansatz zur ehemaligen Gemütsbewegung hervorbringen.

Dies nicht allein. Mir deucht, in solchen Fällen kann man es oftmals wissen, daß wir uns der ehemaligen Gemütsbewegungen nicht wieder erinnern würden, wenn nicht solche Vorstellungen ihr Andenken erneuerten, welche der Zeit keine wirkenden Ursachen von ihr gewesen sind; wie z. B. die Vorstellungen von äußeren Ausbrüchen der Freude in Bewegungen des Körpers. Verlangt man mehr, um sich zu überzeugen, daß ein solcher vergangener Gemütszustand wieder vorgestellt wird, durch die Assoziation mit anderen Vorstellungen, von denen er nicht mehr abhängt, als die Idee vom Turm von der Idee der Kirche? daß also die Wiedervorstellung hier eben so etwas ist, wie sie es bei den Vorstellungen äußerer gesehener Objekte ist?

Es scheinen mir ferner  überhaupt alle  Beobachtungen mit der gedachten Erklärung unvereinbar zu sein, wo die Reproduktion eines ehemaligen Gemütszustandes, oder auch die Wiederversetzung in diesen Zustand, durch die Vorstellungen ihrer äußeren Folgen und Wirkungen veranlaßt wird. Solche Fälle sind häufig. Die Einbildungskraft nimmt in der Reihe der Vorstellungen den Weg rückwärts, von den Wirkungen auf die ursachen; sie wird es zumindest leicht gewohnt, ihn zu nehmen, und sie wird es auch da gewohnt, wo die  Ursache  eine Gemütsbewegung war und die  Wirkung  von dieser eine Gebärde des Gesichts, ein Ton der Stimme oder eine Bewegung mit der Hand ist.

Man darf nur lustige Töne wiederholen, nicht eben solche, die uns wirklich ehedem vernügt gemacht haben, sondern solche welche wir angaben, weil wir vergnügt waren, und in die das heitere Herz fast unwillkürlich, zumal in jüngeren Jahren, sich zu ergießen pflegt, oder man darf nur lebhaft an sie denken, und die Reproduktion des Vergnügens, als ihrer Quelle, ist mit ihnen verbunden.

Will man sagen, diese Vorstellungen müßten zuerst andere hervorbringen, die der Gemütsbewegung vorhergegangen sind; so kann man zweierlei antworten. Es lehrt die Empfindung dies nicht. Und dann so sind die  vorhergehenden  wirkenden Vorstellungen nicht anders angereiht, als allein  mittels  der  zwischen ihnen liegenden  Gemütsbewegung. Sie haben sonst keine hier in Betracht kommende Ähnlichkeit unter sich; sind auch in keiner wirkenden Verknüpfung miteinander; und auch in keiner Folge aufeinander in der Empfindung gewesen, als nur in solchen Reihen, in denen zugleich die  innere  Seelenveränderung das  Verbindungsglied  zwischen ihnen war. Da muß also auch nach dem bekannten Gesetz der Assoziation die Einbildungskraft, die bei der Reproduktion mit den  nachfolgenden  Vorstellungen anfängt, den Weg über jenes Glied in der Reihe nämlich über die Gemütsbewegung genommen haben, ehe sie zur Reproduktion der vorhergehenden verursachenden Vorstellungen hinkommen können. Das heißt, sie muß die Gemütsbewegung unmittelbar bei Ideen wiedererwecken, die solche nicht verursachen, und die Wiedervorstellung von jener zu einer neuen Empfindung machen können.

Schließlich  müßte folgen, daß die  Übertragung der Neigungen  von einer Idee auf andere, die durch viele Beobachtungen bestätigt ist, ein bloßer Schein ist. Ist sie gegründet, so kann eine Neigung unmittelbar in der Verknüpfung mit einer Vorstellung gebracht werden, mit der sie sonst nur auf eine entfernte Art zusammenhängt. Finden sich nun dergleichen Übertragungen wirklich, so gibt es ja Fälle, in denen die Neigung zunächst durch Ideen wiedererweckt wird, wovon es sich nicht einmal vermuten läßt, daß sie sie als wirkende Ursachen hervorbringen. Dergleichen Übertragungen sind gewöhnlich. Wenn wir eine fremde Sprache erlernen, so übersetzen wir ihre Wörter zuerst in die Wörter unserer Muttersprache, und durch diese Vermittlung erregen wir die damit verbundenen Gedanken. Am Ende verliert sich das. Wir gewöhnen uns daran, die Ideen mit den fremden Wörtern unmittelbar zu verbinden, und bedürfen dann jener Zwischenvorstellungen nicht mehr. Mir deucht, man muß vielen Beobachtungen Gewalt antun, wenn man es leugnen wollte, daß wir es nicht mit dem Vergnügen und Verdruß sehr oft ebenso machen, uns sie mit den gleichgültigsten Vorstellungen unmittelbar zusammenbringen.

Dies sei genug, um einen Einwurf abzuwehren, den ich nicht ganz zurücklassen konnte, ohne gleich am Anfang auf meinem Weg aufgehalten zu werden. Das mindeste, was aus dem vorhergehenden geschlossen werden kann, will ich hier nur herausziehen. So viel ist, wie ich meine, entschieden. Solange man nur den Beobachtungen nachgeht, und sich noch in keine feine psychologischen Hypothesen einläßt, findet man, das, was wir  Vorstellungen von unseren inneren  erleidenden und tätigen  Seelenveränderungen  nennen, zeigt sich uns ebenso, wie die Vorstellungen von  äußeren  Dingen. Die Empfindung hinterläßt Dispositionen, wovon die Reproduktion abhängt, und die noch nicht vorhanden sind, wo die Empfindung nicht vorhergegangen ist. Dieser Leitung der Beobachtungen laßt uns zu Beginn nachgehen. Kommen wir weiter in das Innere der Seele hinein, in eine tiefer liegende Schicht, wo sich die Natur der inneren Veränderungen deutlicher aufdeckt, so wird es dann Zeit sein, zu fragen, ob und wie weit das, was in den Beobachtungen angetroffen worden ist, nur ein Schein ist, der die Eigenheit nicht an sich hat, die wir anfangs nach der verwirrten Vorstellung darin antrafen?
LITERATUR: Johann Nicolas Tetens, Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwicklung, Berlin 1913
    Anmerkungen
    2) Die Gefühlseindrücke dauern kaum halb so lange wie die Eindrücke auf das Gehör, wie ich aus einigen Versuchen weiß, die ich hierüber angestellt habe, deren weitere Anzeige hier aber nicht her gehört.
    3) SCHERFFER, Diff. de coloribus accidentalibus diss. Vindob. 1761, § XVII. Die von Herrn von BUFFON so genannten  zufälligen  Farben, oder die  bloß erscheinenden ausrücken fehlt Farben gehören zwar nicht alle, aber doch größtenteils hierher.
    4) Man sehe des Herrn von UNZERs "Physiologie der tierischen Körper", § 148, Seite 378
    5) Man sehe Herrn MERIANs Abhandlung darüber in den Schriften der Berlinischen Akademie der Wissenschaften, 1762.
    6) Die Einwürfe, die Herr BEATTIE gegen diesen wahren Satz in HUMEs Skeptizismus vorbringt, dürfen uns nicht irre machen. Sie beruhen, wie so vieles andere bei diesem Verfasser, auf einem Mißverständnis. Die Vorstellung des Essens macht den Hungrigen nicht satt, und die Einbildung von Hitze erwärmt den nicht, der vor Kälte erstarrt. Nein, diese Ideen können das Bedürfnis noch empfindlicher machen und die Begierdenzur Abhelfung desselben vergrößern. Und dennoch wird der Hungrige sich schwerlich recht lebhaft vorstellen, wie ihm zumute ist, wenn er sich sättigt, ohne daß ihm der Speichel in den Mund tritt und der Erkältete wird schwerlich recht lebhaft sich die Erwärmung einbilden können, ohne daß in seinen gespannten Fibern ein Ansatz zu sanfter Erschlaffung entstehen wird, welche die Wärme bei der Empfindung in ihnen bewirkt.