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MURRAY EDELMAN
Metaphern und Sprachformen
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Politik als Ritual
Politik als symb. Form
"Wer in einer komplizierten Materie feste Orientierungspunkte sucht, empfindet einen eindringlichen Einzelfall, sei er wirklich oder hypothetisch, als bedeutungsstiftend und akzeptiert ihn bereitwillig als typisch."

Sprachformen sind ein entscheidendes Element bei der Bildung von Überzeugungen, sie wirken auf eine uns nicht bewußt werdende Weise und sind daher nicht offensichtlich.

Metaphern und Mythen dienen dazu, komplizierte und verwirrende Beobachtungen auf einen einfachen Sinnzusammenhang zu reduzieren. Politische Ereignisse und Entwicklungen sind in der Regel kompliziert und zweideutig und erzeugen damit Angst. Im folgenden erörtern wir Beobachtungen, die darauf hindeuten, daß für die Formung politischer Werte, Einstellungen und Wahrnehmungen, ja mitunter sogar für die Persönlichkeitsbildung metaphorische und mythische Sichtweisen der politischen Szene zentral sind. Wir befassen uns vor allem mit der Hypothese darüber, durch welche Mechanismen diese Sprachformen eine Konformität gegenüber Organisationen, Bewegungen und der politischen Führung fördern - wie sie andererseits auch bei Aufwiegelung und Rebellion eine Rolle spielen.

Es ist schwer, in der Politik zu erkennen, was die Ursache von was ist und welches Gruppeninteresse die letzte Schlacht, geschweige denn den letzten Krieg gewonnen hat. Schlimmer noch: innere Ängste werden auf politische Gegenstände verschoben, so daß es möglich wird, einen angeblichen Feind verantwortlich zu machen und sich auf diese Weise sozialen Rückhalt zu verschaffen. Politische Ereignisse können so mit einem starken Affekt geladen werden, der seinen Ursprung in psychischen Spannungen hat, in der Wahrnehmung von wirtschaftlichen, militärischen oder sonstigen Bedrohungen und im Zusammenspiel von sozialen und psychologischen Reaktionen.

Diese politischen "Ereignisse" selber freilich sind weithin Ausgeburten jener Sprache, in der sie beschrieben werden. Für die Masse der politischen Zuschauer vollziehen sich reale Entwicklungen an einem weit entfernten Schauplatz, so daß weder direkte Beobachtung noch eine unmittelbare Kontrolle an der Realität möglich sind. Das verwirrende politische Universum bedarf jedoch der Strukturierung und Sinngebung. Menschen, die ängstlich sind und "nicht mehr durchblicken", brennen darauf, daß man sie mit einer organisierten politischen Ordnung - einschließlich simpler Erklärungen für die Bedrohungen, die sie fürchten - und mit der Gewißheit versorgt, daß den Bedrohungen begegnet wird.

Eine entscheidende Funktion bei der Stiftung gemeinsamer Bedeutungen, Wahrnehmungen und Gewißheiten in der Öffentlichkeit fällt Sprachformen zu. Zu interessanten Thesen über diese Funktion von Sprache gelangt man, indem man bestimmte allgemein anerkannte Theorien über sprachliche Symbole anwendet und gewisse geläufige Beobachtungen über politische Meinungen und politisches Verhalten.

Wichtige Forschungsarbeit über den dynamischen Einfluß von Sprache auf soziale Beziehungen (im Gegensatz zu Sprache als einem Index für Einstellungen und Wahrnehmungen) haben Anthropologen, Sozialpsychologen und Symbolforscher geleistet. Zentrales Thema dieser Arbeiten ist die Fähigkeit von Mythos und Metapher, gewisse Wahrnehmungen zu verstärken und andere zu verhindern. Die Sprache spiegelt nicht eine objektive "Realität", sondern schafft sie, indem sie von einer komplizierten und verwirrenden Welt bestimmte Wahrnehmungen abstrahiert und sie zu einer Sinnstruktur organisiert.
    "Denn auch das Wesen und die Funktion der sprachlichen Begriffe erfaßt man nicht, wenn man sie als Kopien, als Abschilderungen einer festen Dingwelt denkt, die den Menschen von vornherein in starrer Abgrenzung ihrer einzelnen Bestandteile gegenübersteht." - Ernst Cassirer, An Essay on Man, NY 1946, Seite 37

    "Was einmal im Wort oder Namen festgehalten ist, das erscheint nunmehr nicht nur als ein Wirkliches, sondern geradezu als  das Wirkliche.  Die Spannung zwischen dem bloßen  Zeichen  und dem  Bezeichneten  hört auf: an die stelle des mehr oder minder angemessenen  Ausdrucks  ist ein Verhältnis der Identität, der völligen Deckung zwischen  Bild  und  Sache,  zwischen den Namen und den Gegenstand getreten." - Cassirer, ebd. Seite 58
Die Wirklichkeit, die durch Sprache geschaffen ist, ist keineswegs zufällig oder zusammenhanglos. Was den Prozeß der Sinnstiftung so besonders wichtig für das politische Verhalten macht, ist der spezifische Zwang, unter dem er steht, denn Begriffe werden dadurch bedeutungsvoll, daß sie mit den affektiven Wünschen der Menschen in Einklang stehen:
    "Was für das Wünschen und Wollen, für das Hoffen und Sorgen, für das Tun und Treiben in irgendeinem Sinne bedeutsam erscheint: dem allein wird der Stempel der sprachlichen  Bedeutung  aufgedrückt ... denn nur dasjenige, was sich irgendwie auf die Mittelpunkte, auf die Zentren des Wollens und des Tuns bezieht, was für das Ganze des Tuns und des Lebens sich als fördernd oder hemmend, als wichtig und als notwendig erweist - nur das wird aus der fließend immer gleichen Reihe der Sinneseindrücke herausgehoben, wird innerhalb ihrer  bemerkt  - d.h. mit einem besonderen sprachlichen Akzent, mit einem Merkzeichen versehen." - Cassirer, ebd. Seite 37f
In diesem Kapitel betrachten wir Sprache als wichtiges Moment eines umfassenderen Prozesses, durch den Erkenntnisse bei den Menschen erzeugt, nachhaltig verstärkt oder verändert werden. Andere Momente dieses Prozesses sind Handlungen, die einen Konflikt eskalieren oder ritualisieren, begleitende Emotionen und die Ausbildung eines Selbstverständnisses.

Obwohl alle diese Phänomene einzeln erfahren und analysiert werden, hängen sie dynamisch miteinander zusammen und verstärken sich gegenseitig, ganz im Sinne HERBERT MEADs, der gezeigt hat, daß signifikante Symbole (sinnhafte Kommunikation), Identität (self), Geist und Handlungen Aspekte eines gemeinsamen gesellschaftlichen Geschehens sind. Daß alle diese Momente denselben kognitiven Inhalt erzeugen und verstärken, hilft uns, die Wirkung von sozialen Deutungsmustern und die Leichtigkeit zu verstehen, mit der diese mitunter über die nachprüfbare Wirklichkeit dominieren. Nur der Mensch kann sich unter allen Lebewesen einer symbolischen Sprache bedienen. Sprachformen sind ein entscheidendes Element bei der Bildung von Überzeugungen, sie wirken auf eine uns nicht bewußt werdende Weise und sind daher nicht offensichtlich.

Unser Hauptargument lautet also, daß innere oder äußere Konflikte und Leidenschaften als Katalysator unserer Bindungen an einen ausgewählten Bereich von Mythen und Metaphern wirken, der Wahrnehmungen der politischen Welt formt.


Tatsachenprämissen in politischen Metaphern

Das Denken ist metaphorisch, und Metaphern durchsetzen die Sprache; denn man erfaßt das Unbekannte, Neue, Unklare und Entfernte durch die Wahrnehmung von Identität mit bereits Vertrautem. Die Metapher legt also das Wahrnehmungsmuster fest, auf das die Menschen reagieren. Spricht man von Abschreckung und Schlagkraft, so bedeutet dies, daß der Krieg als Wettkampf wahrgenommen wird; spricht man von legalisiertem Mord, so bedeutet dies, daß der Krieg als Menschenschlächterei wahrgenommen wird; spricht man von einem Kampf für die Demokratie, so bedeutet das, daß der Krieg als vage definiertes Mittel zur Erreichung eines erwünschten Zieles wahrgenommen wird. Jede dieser Metaphern intensiviert selektive Wahrnehmungen und ignoriert andere. Das ermöglicht es einem, sich auf die erwünschten Folgen der jeweils favorisierten Politik zu konzentrieren und deren unerwünschte und jeweils irrelevante Voraussetzungen und Nachwirkungen zu übersehen.

Jede Metapher kann ein subtiles Mittel sein, das hervorzuheben, was man gerne glauben möchte, und das zu umgehen, was man nicht wahrhaben will. SAPIR und andere Anthropologen und Psychologen in seinem Gefolge haben darauf hingewiesen, daß sich die Kulturen wesentlich danach unterscheiden, wie sie Gegensatzpaare benennen und daß die Realitätswahrnehmung des Menschen und seine Fähigkeit, begriffliche Unterscheidungen im Gedächtnis zu behalten, ja nach der Feinheit der Abstufung der Benennungen variieren.

Die Metapher ist daher ein Mittel zur Formung politischer Loyalitäten (und politischer Opposition), zur Formung der Prämissen, unter denen Entscheidungen gefällt werden. Sie kann auch die Reaktionen auf politische Akte affektiv aufladen. Ausgehend von FREUDs Untersuchung des Witzes, in der er eine Theorie der Sprache am nächsten kam, haben psychoanalytisch orientierte Sprachforscher die Aufmerksamkeit auf das Vorherrschen von Verdrängung und Tabuisierung in der Metapher wie in der Sprache überhaupt gelenkt. Dieser Schluß könnte z. T. die scheinbar unangemessen emotionale Reaktion auf gewisse Definitionen strittiger Fragen sowie auf Infragestellun einmal akzeptierter Definitionen erklären.

Für manche Leute scheint schon das Ansprechen gewisser Streitfragen eine Metapher für verdrängte Ängste zu sein. Eine Bemerkung über die Fluorisierung des Trinkwassers hat für manche die Konnotation des Giftanschlags. Die Einschränkung des freien Zugangs zu Schußwaffen hat die Konnotation der Impotenz und vielleicht der Kastration. Die Todesstrafe weckt offenbar in manchen Leuten einen höchst angenehm empfundenen Sadismus, während die Abschaffung der Todesstrafe eine unerträgliche Einschränkung dieser Befriedigung darstellt.

Es sind dies Beispiele für immer wiederkehrende politische Streitfragen, die dementsprechend zu besonders intensiven emotionalen Begleitumständen bei manchen Menschen führen. Sie sind insofern aufschlußreich, als sie klarmachen, daß Sprache keine unabhängige Variable, sondern ein Katalysator bei der Bildung von Wahrnehmungen ist. Für jemanden, dessen Ichbedürfnisse eine besondere metaphorische Ausdrucksweise brauchen, ist selbst eine "unverblümte" Sprache metaphorisch. Häufiger noch könnten die Menschen potentiell ein Problem in unterschiedlicher Beleuchtung sehen, währdend die Sprachform selbst eine dieser Möglichkeiten evoziert.

Annahmen über die politische Realität und über das politische Ursache-Wirkung-Verhältnis, die allgemein akzeptiert werden, bestehen häufig aus vereinfachten oder verzerrten Perspektiven in Metapherngestalt. Hat man seinen Blick für die Fehlerquelle einmal geschärft, so bringt jeder Tag mit seinen Meldungen über politische Reden, Statements und neue Ereignisse neue und eindrucksvolle Beispiele hierfür. Ein Politiker bringt ein bestimmtes Bild der Realität überzeugender zur Geltung, wenn er es in seiner Ausdrucksweise implizit unterstellt, anstatt es explizit festzustellen. So kann er z.B. davon sprechen, daß in Vietnam die Freiheit gegen die kommunistische Aggression aus dem Norden verteidigt wird, und damit das Bild eines tapferen, freiheitsliebenden Volkes zeichnen, das im Widerstand gegen den Fremden Eindringling einmütig zusammensteht. Das ist das Realitätsmodell, das das militärische Eingreifen Amerikas in Vietnam rechtfertigt. Für TAUBEN evoziert Vietnam dagegen die Vision historischer Uneinigkeit und aufkommender Bürgerkriegsstimmung in Südvietnam, ein allgemeines Desinteresse an demokratischen oder kommunistischen Ideologien als solchen, eine ausgeprägte Kriegsmüdigkeit sowie anti-amerikanische Ressentiments.

Ähnlich fühlt man sich, wenn Politiker von einem ermutigenden Umschwung des "Kriegsglücks" in Vietnam reden, an die Schützengräberfelder des 1. Weltkrieges erinnert, wo es in der Tat noch möglich war, militärische Erfolge oder Rückschläge säuberlich zu verzeichnen. Eine nichtmetaphorische würde dagegen die komplizierte und sprunghafte Guerillatätigkeit mit taktischen Rückzügen hervorheben, die oft täglichen Schwankungen unterliegen, das Kaleidoskop örtlich begrenzter Gewinne und Verluste, die Unmöglichkeit zu erkennen, wer was für wie lange gewinnt. Was es in dieser Auffassung eindeutig nicht gibt, ist eine "Wende des Kriegsglücks". Umso wichtiger wird es daher, die Moral der Zivilbevölkerung und der Truppe sowie den politischen Rückhalt dadurch zu stabilisieren, daß man eben doch vom "Kriegsglück" redet und davon, daß es sich "wendet". Im Gegensatz dazu beschrieben Gegner des Krieges die Militäraktion dadurch, daß sie den Abwurf von Bomben und Napalm gegen unbeteiligte Frauen und Kinder hervorhoben.

Wer in einer komplizierten Materie feste Orientierungspunkte sucht, empfindet einen eindringlichen Einzelfall, sei er wirklich oder hypothetisch, als bedeutungsstiftend und akzeptiert ihn bereitwillig als typisch. Agiert dagegen der Betreffende bewußt in der Rolle des Wissenschaftlers oder des Opponenten, so stellt er Fragen bezüglich der Verallgemeinerungsfähigkeit des Falles und sucht nach Beweisen. Wird ein Einzelfall explizit als typisch oder ausschlaggebend hingestellt, dann rückt ihn allein diese Behauptung ins Bewußtsein der Hörer, die ihn nun erörtern und vielleicht diskutieren, revidieren oder verwerfen. Jede politische Rede evoziert also bestimmte kognitive Einstellungen in einem großen Teil der Zuhörerschaft (und im Redner selbst!) durch stillschweigend metaphorische Unterstellungen und nicht die expliziten Ausführungen.

Solche impliziten Metaphern, die in der Rede politischer Aktivisten wie Zuschauer immer wiederkehren, stellen auf der Verhaltensebene Beweise für die Wirklichkeit von Normen dar. Es handelt sich dabei sogar um besonders eindrucksvolle Beweise, insofern etwa politische Verfahrensregeln oder Taktiken von Interessenverbänden wie in einem Ritual den Eindruck vermitteln, in Wirklichkeit bestimmten ganz andere und weitaus weniger umstrittene gemeiner akzeptierbare Normen ihr politisches Handeln. Für das Selbstverständnis und die Rechtfertigung des Sprechers und des sich einfühlenden Publikums sind die Metaphern unabdingbar. Ohne sie würde die Diskrepanz zwischen den gegenwärtigen Vorstellungen über die Realität und den Vorstellungen über das wünschenswerte politische Vorgehen zu einem gravierenden Störfaktor werden. Das ist normalerweise nicht bewußte Täuschung, es ist tiefer verwurzelt und basiert auf sozialer Rollenübernahme.


Wertprämissen in politischen Metaphern

In den bisherigen Beispielen verdanken die Metaphern ihre Wirkung vornehmlich der Umschreibung scheinbarer Tatsachen-Prämissen. Die und die Situation, die und die Elemente mit festgelegten Eigenschaften ließen die und die Strategie im Interesse einer wünschenswerten Zukunft geraten erscheinen.

Aber auch Wertprämissen können durch politische Metaphern gesetzt bzw. herausgefiltert werden. Dann beleuchten letztere den Nutzen, der sich aus einem bestimmten Handlungsverlauf ergibt, und verwischen dessen unwillkommene Begleitumstände. Das hilft dem Sprecher wie den Hörern, störende Implikationen vor sich selbst zu verbergen. Es den Leuten leicht zu machen, ihr Wunschdenken aus einer zweideutigen Wendung in einer politischen Äußerung herauszulesen, ist wahrscheinlich der älteste politische Trick, den es gibt. Solche Ausdrücke schaffen, wenn ihre Adressaten sich bedroht fühlen, eine Welt, aus der schmerzliche und unbequeme Tatsachen verbannt und eigennützige Handlungsabläufe gerechtfertigt sind.

Eine derartige Funktion erfüllt etwa die gängige Redewendung "amerikanische Präsenz". Ausgedrückt wird das freundschaftliche Interesse für ein fremdes Land. Normalerweise bedeutet es aber die Stationierung von Streitkräften zur Abschreckung politischer Gruppen im Inland oder in Nachbarländern. Auch die Rede von der "Schlagkraft" - was man mit Tötungspotential übersetzen könnte - ist ein Beispiel für die metaphorische Verwischung störender Prämissen.

Nicht weniger geläufig ist diese Methode in der Innenpolitik. Beim politischen Betrachter hat der Ausdruck "Gleichstellung" lange die Vorstellung einer gerechten Verteilung von Kosten und Nutzen auf Bauern und Verbraucher geweckt. In Wirklichkeit hat diese Parole ein System legitimiert, das großzügige Subventionen an große Farmen verband mit geringer oder gar keiner Unterstützung der kleinen bäuerlichen Familienbetriebe und einem höchst lückenhaften Schutz des Verbrauchers. Aber wer könnte gegen eine Gleichstellung opponieren? Sie fördert den Quietismus der Massenöffentlichkeit ebenso wirksam, wie sie eine Rechtfertigung für die materiellen Vergünstigungen bietet, welche die Agrarpolitik austeilt.

Der "Krieg gegen die Armut" weckt die Vorstellung einer massiven Mobilmachung gegen einen allerorts verhaßten Feind und dient damit der Gewinnung politischer Unterstützung. Er gibt der Bevölkerung das befriedigende Gefühl, sich als Förderer eines Kreuzzugs gegen das Böse zu sehen. Genauso wirkungsvoll gestattet er es ihnen aber, andere Werte zu ignorieren, die im Programm implizit enthalten sind und in den Metaphern der Programm-Kritiker dominieren: daß die wesentlichen Nutznießer bisher die prosperierenden Empfänger öffentlicher Vorträge gewesen seien; daß die in den Krieg gesteckten Mittel nicht ausreichten, um dem "Feind" etwas anhaben zu können, geschweige denn den Krieg zu gewinnen; und daß der Krieg gegen die Armut zum Objekt administrativer Auseinandersetzungen wurde und zeitweise in einer Stadt nach der anderen eingestellt wurde.

Zur Begründung seiner Forderung nach "Law and order" machte Präsident NIXON 1969 in einer Rede in South Dakota die folgende Feststellung:
    "All jenen im Lande, die sich an der Romantik einer gewaltsamen Revolution berauschen, mag die kontinuierliche Revolution der Demokratie reizlos erscheinen."
Wie schon die andern hier als Beispiel angeführten Metaphern, evozieren auch die Redefiguren dieses Satzes eine bestimmte Welt für ein Publikum, das aufgrund seiner Ängste geneigt ist, die Welt aus der Sicht dieser Rede zu interpretieren. Wer abweichende Meinungen hat, gegen Eigentumsrechte verstößt oder als Schwarzer oder Student an Demonstrationen teilnimmt, wird in der so interpretierten Welt zu einem "berauschten" potentiellen oder wirklichen Revolutionär und Gewalttäter. Ein Regime, das nach Auffassung mancher den Status Quo mit Repressionen stützt und sich verbreiteten Änderungswünschen verschließt, wird in einer solchen Welt zu einem Regime umstilisiert, das dermaßen aufgeschlossen ("Demokratie") ist, daß es sich kontinuierlich selber revolutioniert. Das Wesen der Metapher liegt darin, durch einen Teil ein neues Ganzes zu evozieren. Politische Metaphern können auf überzeugende Weise veränderte Welten herbeizaubern, in denen die Rezepte gegen die Ängste klar ersichtlich sind und eigennützige Handlungsstrategien die höheren Weihen erhalten.

In einem gewissen Umfang konkurrieren alternative Metaphern bei der Definition bestimmter politischer Gegebenheiten, doch verzeichnet diejenige metaphorische Ausdrucksweise, die offiziell in Umlauf gesetzt wird, für gewöhnlich einen bedeutsamen Vorteil. Es ist meistens die erste Definition eines Problems, die die Menschen akzeptieren. In dem Maße, in dem die Öffentlichkeit Angst hat, will sie auch beschwichtigt sein und sich einer verbreiteten Auffassung anschließen. Der Mythos vom Führer als dem Beschützer gegen die Feinde trägt zusätzlich dazu bei, die offizielle Lesart zu akzeptieren. Die Metapher fungiert damit als wirksame Legitimation der etablierten Politik, und nimmt Protesten den Wind aus den Segeln.

Einmal akzeptiert, wird eine metaphorische Auffassung zum begrifflichen Kristallisationspunkt, um den herum die Öffentlichkeit in der Folge passende Informationen organisiert und in dessen Licht sie diese Informationen interpretiert. Auf diese Weise wird eine bestimmte Auffassung verstärkt und scheint sich für diejenigen, deren Einstellungen sie formuliert, immer wieder neu zu bewahrheiten. Sie beginnt, sich selbst zu perpetuieren.

Die politische Opposition hinwiederum organisiert sich natürlich häufig um eine konkurrierende metaphorische Definition. Für den, der dieser Definition anhängt, wird sie in ähnlicher Weise zu einem dauernden Bollwerk der Konformität mit dem Standpunkt der betreffenden Gruppe. Metaphern verhelfen also allen Gruppen zu der Überzeugung, ihre politischen Glaubensbekenntnisse und Loyalitäten seien rational, und sie verhelfen zu deren Aufrechterhaltung.

Gelegentlich kommt es zu einer Änderung einer bis dahin sehr weit verbreiteten Auffassung. Ein derartig weitreichender Wandel einer akzeptierten Metapher scheint sich für gewöhnlich relativ rasch, als Folge eines dramatischen Ereignisses zu vollziehen: ein Bus-Boykot in Montgomary, ein Börsenkrach, ein Pearl Harbor, das Erscheinen von  Onkel Toms Hütte,  der Erfolg eines Sputnik. Eine neuartige Bedrohung, ein neuer Entwurf künftiger Möglichkeiten oder einfach das Vorhandensein empirischer Tatsachen sorgen für eine neue Metapher, um die sich Wahrnehmung und Leidenschaft kristallisieren können, und legen so den Grund für eine neue politische Führung und eine neue Orthodoxie.

Jedes der aufgezählten Ereignisse bezeichnete den Höhepunkt eines vielschichtigen Trends, der sich schon lange abgezeichnet hatte. Gerade der Umstand, daß viele Leute den Trend erst dann als politisch bedeutsam einzustufen begannen, nachdem ein dramatisches oder schockierendes Ereignis eingetreten war, spricht für eine Rigidität von politischer Meinung und Einstellung, die durch die metaphorische Betrachtungsweise der politischen Szene noch gefördert wurde. Eine derartige Rigidität fördert ferner die Konformität gegenüber akzeptierten Positionen und Blindheit gegenüber Gegebenheiten, die das Bedürfnis nach einem Orienttierungswandel nahelegen. Das liegt zum Teil daran, daß die etablierte Auffassung affektiv aufgeladen ist. Die Stabilität konträrer Auffassungen verstärkt wiederum die Wahrnehmung einer Bedrohung und steigert somit in einem wechselseitigen Prozess die Konformität auf beiden Seiten.


Sprache und soziale Identitätsbildung

Zwischen Sprache und Denken herrscht eine so enge Verflechtung, ein so vollständiger und subtiler gegenseitiger Verweisungs- und Formungszusammenhang, daß man sich der Sprache als eines empfindlichen empirischen Indikators für Werte und für soziale, organisations- und statusmäßige Identifikationen bedienen kann. Der Beamten- und Bürokraten-Jargon ist für diese Verknüpfung ein besonders aufschlußreiches Beispiel. Es hat immer wieder zu Scherzen wie zu Verzweiflung Anlaß gegeben, daß die Ausdrucksweise, in der die Angehörigen großer Behörden untereinander und mit ihrer Klientel zu kommunizieren behaupten, sich weithin zusammensetzt aus abgegriffenen, formelhaften und stereotypen Phrasen und Klischees sowie aus pseudotechnischen Ausdrücken für allgemein geläufige Zusammenhänge. Ein derartiger Jargon ist ein bemerkenswert ineffektives Medium zur Weitergabe von Fakten, Ideen und Instruktionen - im Extremfall so ineffektiv und unscharf, daß er an die totale Bedeutungslosigkeit grenzt. Wieso konnte er sich dann in großen Organisationen derartig ausbreiten, daß er geradezu zum Symbol für sie wurde?

Die Antwort liegt zum Teil sicherlich darin, daß der Bürokratenjargon systematisch etwas kommuniziert, das für die Stabilität der Statusbeziehungen und Ziele aller Bürokratien notwendig ist. Seine Universalität ist kein Zufall, sondern funktional begründet. Er gibt zu verstehen, daß sich sein Urheber an die Zielvorstellungen und Werte einer bestimmten Organisation und ihrer Führung angepaßt hat - daß er mit ihnen konform geht und die Gewähr bietet, nichts zu tun, was die etablierte Ordnung gefährdet oder deren grundlegende Wertprämissen in Frage stellt. Durch die stilisierte Sprachform verbreitet er die Botschaft, daß seine Worte ebenso "normal" sind wie seine Ideen. Sein Wirken ist vorhersagbar und konventionell, seine Loyalität und seine Unterstützung der Autorität unterliegen keinem Zweifel.

Und in dem Maße, in dem der Empfänger von Botschaften in diesem Sprachstil sie entgegennimmt, ohne mit der Wimper zu zucken, schamrot zu werden oder zu protestieren, signalisiert dieses Einverständnis dieselbe Bedeutung. HANNAH ARENDT hat darauf hingewiesen, daß sich ADOLF EICHMANN weithin in Klischees ausdrückte. Im Licht der erörterten Erwägungen erscheint die Annahme begründet, daß diese sprachliche Unzulänglichkeit EICHMANNs systematisch mit seiner unkritischen Bereitschaft zusammenhing, sich den Zielen der bürokratischen Maschinerie, deren Rädchen er war, zu unterwerfen und sich blind zu machen gegen die in deren Politik sich reflektierende entsetzliche Wertstruktur. Der Fall EICHMANN ist ein Extremfall, aber wie so viele extreme Fälle enthüllt er die Bedeutung eines Elementes im normalen Verhalten, das nicht ohne weiteres durchschaubar ist.

Aber auch das Umgekehrte gilt. Wer in unverbrauchten oder unkonventionellen Ausdrücken spricht oder schreibt, während seine Organisation vom Jargon widerhallt, gibt damit definitiv zu verstehen, daß er die akzeptierten Werte der anderen nicht übernimmt und sich nicht fraglos der Autorität fügt. Der Unterschied zwischen beiden Ausdrucksweisen ist zum Teil eine Frage der übermittelten Informationsmenge. Der Jargon ist weithin ritualisiert und vorhersagbar: der Zuhörer erlebt keine Überraschungen. Das Verhältnis von Informationsmenge zu Anzahl der Wörter ist niedrig, weil der Jargon im wesentlichen aus der ritualisierten Beschwörung von Werten, Überzeugungen und Regeln besteht, die ohnehin akzeptiert und etabliert sind. Seine Funktion besteht weniger darin, nach optimalen Lösungen für anstehende Probleme zu suchen, als darin, die etablierte Organisation im Zustand der Stabilität und Unversehrtheit zu erhalten.

Wer dagegen nach Lösungen für Probleme sucht, anstatt seine Loyalität gegenüber der Organisation zu bekräftigen, muß in einer Sprache kommunizieren, die nicht ritualisiert ist und einen hohen Informationsgehalt hat. In großen Organisationen geht man davon aus, daß es zwar gewisse Arten von Spezialisten gibt, die sich bei ihrer professionellen Problemlösungsarbeit in der Tat so verhalten und ausdrücken. Man erwartet aber auch, daß dieselben Spezialisten bei ihrer nichtechnischen Kommunikation in den akzeptierten Jargon zurückfallen und damit ihren Vorgesetzten zu verstehen geben, daß ihr Status nicht bedroht ist und sie auf Loyalität rechnen können. Bei der Lösung technischer Probleme kann sich der Spezialist auf die einschlägigen Fakten konzentrieren und sich eines - verbalen oder mathematischen - Sprachstils bedienen, der diesem Zweck entspricht. Äußert er sich über Werte, erwartet man von ihm, daß er die Unabhängigkeit meidet und symbolisch seine Loyalität gegenüber der etablierten Ordnung bezeugt.
LITERATUR - Murray Edelman, Politik als Ritual, Frankfurt/NY 1990