ra-2R. StammlerR. StolzmannA. MengerI. Kornfeld    
 
RUDOLF STOLZMANN
Die soziale Kategorie
in der Volkswirtschaftslehre

[2/2]

"Die Volkswirtschaft ist eben in einem ewigen Fluß begriffen und es ist beinahe unmöglich, dem Geist am Rand der Gegenwart halt zu gebieten. Karl Marx liefert hier ein lehrreiches Exempel; wohl Dutzend mal betont er, nur die  bestehende  Volkswirtschaft schildern zu wollen, was mit der  Ethik  nichts zu schaffen habe. Ich fordere aber den Leser auf, der von Marx nur etwas gelesen hat, selbst zu beurteilen, ob dieser Schriftsteller nicht auf jeder Seite  moralisiert  und, wenigstens unbewußt, Tendenz treibt, er, der Rodbertus den  Tendenzökonomen  nennt."

"Im wirklichen Leben, in der  bestehenden Volkswirtschaft,  hat jedes einzelne Gut auch nur  einen Wert  und  einen  Preis. Es gibt nur einen Wert und das, was man Gebrauchswert und Tauschwert nennt, sind nimmermehr Unterarten dieses Wertes, sondern nur  wissenschaftliche Hilfsbegriffe  zur Erfassung und Bemessung dieses  einen  begrifflich unteilbaren Wertes."

"Die Ricardosche Wertlehre steckt der Wissenschaft noch heute wie ein Pfahl im Fleisch. Der Satz, daß aller Wert auf Arbeit beruhe, ist in Wahrheit nichts, als eine von einem großen Mann einmal erzählte und von einer gläubigen Menge seither nachgesprochene  Fabel." 

Grundlegende Betrachtungen in Anschluß an die
Smith-Ricardo'sche Arbeitskostentheorie


Erster Hauptabschnitt


§ 1.
Die begriffliche Scheidung der sozialen
von der rein ökonomischen Kategorie.
Die Hypothese des sozialen Zukunftsstaates.

Die erste mit Bewußtsein vorgenommene begriffliche Ausscheidung der sozialen aus der rein ökonomischen Kategorie ist von den sozialistischen oder doch den Sozialismus behandelnden Schrifstellern ins Werke gesetzt worden, indem sie teils in ideologischer und deduktiver Weise, rein theoretisch hypothetisch, teils mit praktischer und politischer Tendenz, den "reinen Sozialstaat" als "Zukunftsstaat" ins Auge faßten.

Die Untersuchungen darüber, wie dieser Staat prinzipiell aussehen müsse, haben sie, im Gegensatz zu den seit Jahrhunderten von Theologen und Moralphilosophen formulierten "Utopien", nunmehr von einem mehr oder minder streng nationalökonomischen Standpunkt aus durchgeführt. In der Weise besonders, daß sie, nach vorausgesetzter Beseitigung des Grund- und Kapitaleigentums, sowohl die Teilung der Arbeit als die Verteilung des Erarbeiteten durch einen höheren Staatswillen und durch eine Zentralgewalt nach einem einheitlichen großen Plan sich als "organisiert" und geleitet vorstellten und so die soziale Kategorie gewissermaßen als einziges und ausschließliches Prinzip zum grundsätzlichen Ausgangspunkte erhoben.

Diesen Untersuchungen über das Problem des rein sozialen Staates haben methodisch ungemein angeregt und das nationalökonomische Denken aus dem bisherigen Schlendrian zu jugendfrischer und begeisterter Forschung aufgerüttelt. Wer diese sozialstaatliche Hypothese nicht geistig selbst durchgearbeitet oder wer nicht wenigstens die von RODBERTUS zuerst ausgeführten diesbezüglichen Untersuchungen in dessen "sozialen Briefen", besonders im 4., "Das Kapital" betitelten Brief oder den III. Band von SCHÄFFLEs "Bau und Leben des sozialen Körpers", 12. Hauptabschnitt, oder doch mindestens seine "Quintessenz des Sozialismus" mit ganzer Hingebung gelesen hat, der ist meines Erachtens unfähig, über die soziale Frage überhaupt mitzureden; denn wie kann man sich mit dem Sozialismus innerlich und äußerlich abfinden wollen, wenn man ihn nur aus seinem Zerrbild kennt, wie es in der Tagespresse vorgeführt wird und wenn man die prinzipielle, rein logisch und begrifflich entwickelte "Quintessenz" desselben nicht ausgedacht hat.

Auch micht hat die "Idee" des sozialen Staates, schon vor langen Jahren, so mächtig ergriffen, daß ich vielfach den Plan in mir erwog, den sozialen Staat in seinen Prinzipien neben dem modernen individualwirtschaftlichen Staat vergleichsweise in seinen einzelnen Funktionen und Materien synoptisch zu betrachten und gleichsam vom modernen Staat aus im Geist eine Linie in jenen "Zukunftsstaat" zu ziehen, um aus dieser Untersuchung zu sehen, wie sich die moderne Volkswirtschaft in schrittweiser Reform und geschichtlichen Übergangsetappen in den rein sozialen Staat umwandeln könne.

Auch der umgekehrte Weg lag für diese Untersuchung nahe, nämlich zu prüfen, wie man hypothetisch von der fingierten Existenz des bis in das extremste Prinzip ausgedachten reinen Sozialstaates ausgehen, die gar zu extremen und deshalb schon auf den ersten Blick überflüssigen und wahnwitzigen Übertreibungen und Spitzen des Prinzips für Glied für Glied in der Richtung nach dem Standpunkt des Individualismus sukzessive abtragen könne. Soweit dieser Individualismus in seiner historischen Ausgestaltung unschädlich oder sogar nützlich ist und praktisch unentbehrlich erscheint, müßte er respektiert werden. Es wär so der "gute Kern" des einen und des anderen Prinzips zu konservieren, die Gegensätze harmonisch zu vereinigen und die notwendigen genetischen Entwicklungen gleichsam aus den jeweiligen zweckmäßigen mittleren Punkten der verbindenden Linie abzulesen. Aber ich habe diese "ideologischen" Standpunkt bald verlassen und ich spreche von diesen "Wandlungen" nur deshalb, weil sie, glaube ich, typisch für den Zeitgeist sind und mancher Leser bei sich fühlen wird, daß auch er sich schon einmal in gleiche "Ideen" versenkt habe. Ich persönlich wandte mich von diesen Untersuchungen deshalb ab, weil sie gar zu leicht zu einer verwerflichen petitio principii [es wird vorausgesetzt, was erst zu beweisen ist - wp] führen, ganz besonders aber, weil ich bei näherer Betrachtung merkte, daß jene spekulativen Vergleichungen nach dem jetzigen Stand der dogmatischen Wissenschaft noch unmöglich sind und zwar keineswegs bloß deshalb, weil etwa nur der eine Pol der Betrachtung, der "Zukunftsstaat", in seiner wissenschaftlich ausgedachten Hypothese zu nebelhaft ist, nein merkwürdigerweise besonders auch deshalb, weil der jetzige Volkswirtschaftskörper, obgleich er doch anscheinend so klar vor unseren Augen daliegt und arbeitet, in der Wissenschaft nach seinen grundlegenden und grundbewegenden Prinzipien noch gar zu unklar und bestritten geblieben ist. Wie soll man an die rationelle Heilung jenes Körpers gehen können, wenn er selbst noch nicht anatomisch und physiologisch begriffen ist.

Ich merkte zu meinem Erstaunen, daß von den beiden zu jner vergleichenden Untersuchung erforderlichen "festen Punkten" nicht einmal dieser erste fest sei und also die ökonomische Welt von ihm aus nicht bewegt werden könne. Während ich mich der Untersuchung dieser Welt ganz hingab, bemerkte ich endlich zu meiner Freude, daß es der theoretischen Utopien gar nicht bedarf, daß es vielmehr nur gilt, den vorhandenen, überreichlich vorhandenen Sozialismus in seiner eigenartigen Wirksamkeit zu erkennen und seiner historischen naturgmäßen Weiterentwicklung nachzugehen.

Gleiches läßt sich nur mit Gleichem im Parallele ziehen, der Unterschied zwischen dem Sozialismus der denkbaren Wirtschaftsstadien und mithin "Reformlinien" der angedeuteten Art, lassen sich nur erkennen, wenn man die Stadien typische gewissermaßen zuvor auf einen gleichen Nenner gebracht hat. Dieser Nenner bildet sich nun aber aus einem zweifachen Element:  Einmal  ist jeder wirtschaftliche Organismus an gewisse ewig gleichbleibende Bedingungen gebunden, denen weder die isolierte Wirtschaft, noch die antike Gesellschaftsform, noch die moderne, noch der reine Sozialstaat und sämtliche denkbaren Zwischenstufen entrinnen konnten und entrinnen werden, weil jene Bedingungen eben auf unabänderlichen Naturgesetzen beruhen. Diese Bedingungen bestehen darin, daß zur gegebenen Zeit aus dem gegebenen Urmaterial der Mutter Erde, nach dem jeweiligen Stand der menschlichen Kultur und der technischen Wissenschaft mit den gegebenen Arbeitskräften nur bestimmte Quantitäten und Qualitäten von Gütern zu erzeugen sind, die ihrer Natur und der bedürftigen Natur der Menschenkinder entsprechend, bestimme Bedürfnisbefriedigungszwecke erfüllen -  dieses sind die rein ökonomischen Bedingungen.  - Auf der  anderen  Seite wird jedes arbeitsteilig gegliederte wirtschaftliche Kollektivgebilde, im Gegensatz zur isolierten Wirtschaft, wo nur die rein ökonomische Kategorie zur Herrschaft gelangt, in ihrer Gesetzmäßigkeit von solchen Elementen berührt und beeinflußt, die aus der  gesellschaftlichen  Natur des Menschen, aus den jeweilig wechselnden historischen Gesetzen des Zusammenlebens und Zusammenarbeitens, sowie aus den konstituierten Macht- und Rechtsverhältnissen herfließen, welche sich die Menschen als willensfreie Wesen im Grunde selbst gesetzt haben, die also weil und soweit sie Menschenwerk sind, auch von den Menschen geändert werden können - diese Elemente sind also im Gegensatz zu den ersterwähnten  konstanten  Elementen  variabler  Natur, sie vor allen Dingen sind es, bei denen das soziale Studium und die soziale Reform einsetzen kann.

Die Vernachlässigung der ersteren, der rein ökonomischen Kategorie, gebiert die Utopien aller Art und jene Sorte von blindem Sozialismus, der nicht erkennen will, daß der arme Erdenwurm Mensch von der Materie abhängt und nicht in Luftschlössern wohnen kann, daß vielmehr dem Verteilen ein Produzieren vorangehen muß.

Die Vernachlässigung der zweiten Kategorie verführt den individualistischen Ökonomen, den Fortschritt nur von erfinderischer Produktionsvermehrung, vom "Sparen", von übermäßiger Anspannung der Arbeitskräfte, von unermüdlicher Häufung der Warenballen zu erhoffen, er bedenkt nicht, daß der Mensch nur arbeitet, um zu leben, daß nur bei gesunder Organisation der Verteilung das Richtige nach Art und Menge produziert werden und das Produzierte seinen Zweck erfüllen kann, ohne auf der einen Seite Hypertrophie, Überproduktion und Krisen, auf der anderen Seite Arbeitslosigkeit, Hunger und Elend hervorzurufen.


§ 2.
Die Vorgänger in der sozialen Methode.
Die Doppelnatur der wirtschaftlichen Grundbegriffe.
Terminologie der beiden Kategorien.
Die Bedeutung des Wertbegriffs.

Was bisher auf diesem Feld geleistet worden, ist meines Erachtens fast durchgehend zu einseitig ausgefallen. Zwar gebührt, wie oben anerkannt, den Sozialisten der Ruhm, auf die soziale, oder wie man häufig sagt, "historische" Kategorie, zuerst systematisch und energisch hingewiesen zu haben. Selbst die Gegner werden KARL MARX dieses Verdienst nicht absprechen können, und auch RODBERTUS hat gleichzeitig und selbständig neben ihm (der Hader darüber, wer der erste gewesen, ist wohl unerheblich) jene Kategorie in vielleicht noch faßlicherer systematischerer Weise, besonders in der Lehre vom Wert und dem Kapital, aus der rein ökonomischen Kategorie wissenschaftlich ausgeschieden. Doch hoffe ich in den folgnden Untersuchungen zu zeigen, wie MARX sowohl wie RODBERTUS extrem über das Ziel hinausgeschossen sind, indem sie das Kind mit dem Bade ausschütteten: Beide haben die  andere  Kategorie über Gebühr vernachlässigt, der Erstere hat die bestehende Volkswirtschaft übertreibend und einseitig in den verzerrten "historischen Charaktermasken der kapitalistischen Produktionsweise" vorgeführt und RODBERTUS hat, obgleich er vielfach richtig gesondert, durch blinde Akzeptierung der RICARDOschen Werttheorie, die, wie wir sehen werden, beide Kategorien in bunter Mischung unterscheidungslos zusammengewürfelt, Maß und Boden unter den Füßen verloren.

Erst ADOLF WAGNER hat in Anlehnung an RODBERTUS das bestimmte Postulat einer methodischen Scheidung der beiden Kategorien an die Spitze seiner "Grundlegung" gestellt und sie in seiner "sozialrechtlichen" Theorie, wie er sie nennt, für die Lehre vom Wert, Vermögen und Kapital auf das Geistreichste fruktiziert. Aber wenn er auch das richtige Prinzip aufgestellt und den "Grund gelegt", so hat er doch der dogmatischen Wissenschaft sicherlich noch viel für den Ausbau zu tun übrig gelassen. Es tritt bei WAGNER zumeist die Frage:  Wie soll es sein?  in den Vordergrund und über der Erwägung der historisch-rechtlichen und sozialpolitischen Momente wird von ihm die methodische Untersuchung über die einzelnen Grundbegriffe der Wissenschaft und zwar insbesondere nach der rein ökonomischen Seite, einigermaßen vernachlässigt, es fehlt ja auch noch in seinem Werk die wichtige Preislehre und die Grundrentenlehre. Doch ich will mit ihm nicht darüber rechten, ob es überhaupt richtig ist, wenn er Seite 136 der "Grundlegung" sogar zur grundsätzlichen Verwerfung der Trennung der "Volkswirtschaftslehre" und der "Volkswirtschaftspolitik" gelangt und für die Volkswirtschaftslehre nicht nur die  Darstellung  der Entwicklungen (Anatomie und Physiologie der Volkswirtschaft, ROSCHER), sondern auch zugleich die "Postulierung bestimmter Entwicklungen" und die Untersuchung der Frage:  Was soll sein?  vindiziert. Es wird schließlich auch hier sein eigenes treffliches Wort gelten müssen, was er, gegen eine gewisse Intoleranz der sogenannten "exakten" historisch-statistischen Schule sich auflehnend, verteidigend ausspricht: "Nach Lage, Neigung, subjektiver Wertlegung und nach äußeren Umständen wird der Eine sich mehr dieser, der Andere jener Richtung hingeben. Mit vollem Recht und im Interesse des allseitigen wissenschaftlichen Fortschritts."

Meine Neigung und oben schon berührte Umstände haben mich bewogen, mit der Untersuchung der Frage:  Was ist?  ausschließlich zu beginnen. Ich glaube so besser für die ROSCHERsche "Rettungsinsel" zu arbeiten, auf der sich alle Parteien zunächst einträchtig die Hand reichen sollten und meine, daß so von Haus aus der Verdacht abgeschnitten wird, als solle eine Parteitendenz in die wissenschaftliche Theorie hineingetragen werden. Ganz allerdings wird der Mensch und sei er noch so abstrakt und dogmatisch veranlagt, die Tendenz nicht ausziehen können. Verstand, Gemüt - und Wille wohnen eng nebeneinander in  einer  Seele. Besonders soweit die "variable" soziale (historische) Kategorie mitspielt, läuft die Volkswirtschaftslehre ja begrifflich schon auf eine gewisse "Teleologie" hinaus und nur bezüglich der rein ökonomischen Kategorie tritt das Prinzip der "Kausalität" zum größten Teil an die Stelle. Die Volkswirtschaft ist eben in einem ewigen Fluß begriffen und es ist beinahe unmöglich, dem Geist am Rand der Gegenwart halt zu gebieten. KARL MARX liefert hier ein lehrreiches Exempel; wohl Dutzend mal betont er, nur die "bestehende" Volkswirtschaft schildern zu wollen, was mit der "Ethik" nichts zu schaffen habe. Ich fordere aber den Leser auf, der von MARX nur etwas gelesen hat, selbst zu beurteilen, ob dieser Schriftsteller nicht auf jeder Seite "moralisiert" und, wenigstens unbewußt, Tendenz treibt, er, der RODBERTUS den "Tendenzökonomen" nennt.

Es ist umso befremdlicher, daß die Wissenschaft die beiden Kategorien so wenig auseinandergehalten hat, als sie doch in der oberflächlichsten Betrachtung auf Schritt und Tritt entgegentreten. Beinahe jeder nationalökonomische Begriff zeigt uns sein widerspruchsvolles Doppelgesicht und zwingt uns zu einer doppelseitigen Betrachtung. Im Licht dieser verschiedenen Betrachtung wollen wir nur einmal die vier Hauptobjekte der Wissenschaft beschauen. Ich meine zuerst die fertigen Konsumtionsmittel, um deren schließliche Herstellung sich alle Wirtschaft dreht und dann die drei sogenannten Produktionsfaktoren, durch welche und aus denen alle Güter in letzter Linie hergestellt werden, nämlich
    1. Grund und Boden (kurz die "Natur"),
    2. die menschliche Arbeit und
    3. das Kapital.
Ein Stück Brot also, ein Grundstück, eine Tagesarbeit, eine Maschine haben auf der einen Seite eine ganz bestimmte rein ökonomische natürliche Bedeutung, indem das Stück Brot eine bestimmbare naturale Funktion auf die Lebenserhaltung des Menschen ausübt und das Grundstück einen ebenso bestimmten technischen Produktionseffekt erzeugt wie die Maschine und wie die Arbeitskraft, die der landwirtschaftliche oder der Fabrikarbeiter für einen gewissen Zeitraum seinem Arbeitgeber zur Verfügung stellt. Die Funktion der vier Objekte in diesem rein ökonomischen Sinn geht nun ausschließlich dahin, möglichst viele und große konkrete Nützlichkeiten für die materielle Versorgung der Menschheit zu schaffen; Konsumtion und Produktion schlechthin ist ihr ausschließliches Ziel. Wie das fertige Produkt unter die Produzenten und Konsumenten verteilt wird, ist hier gleichgültig, auf Produktion zum Zweck der naturalen Konsumtion und so gewissermaßen auf das Wohl der  Nation,  auf ihre Versorgung in allgemein volkswirtschaftlichem Sinn und abgesehen von den historisch wechselnden Rechts- und Verteilungsformen, kommt es hier an und man hat deshalb diese rein ökonomische Kategorie wohl auch die "allgemein-volkswirtschaftliche" oder nationalwirtschaftliche gemeint, man spricht in Anlehnung an eine von RODBERTUS zuerst angewandte Ausdrucksweise besonders von "Nationalkapital", welches als rein-ökonomisches Kapital, als Kapital "ansich" oder als "Naturalkapital" dem privatwirtschaftlichen Kapital (Privatkapital) gegenüber gestellt wird. Ob diese letztere Terminologie zutreffend und empfehlenswert, darüber werde ich gleich nachher handeln.

Wie anders erscheinen doch jene vier Objekte unserer Betrachtung von der anderen Seite her! Was frägt der Bäcker als Verkäufer der "Ware" Brot danach, welche Bedeutung sein Produkt für die Lebenshaltung des anderen hat, was frägt dieser bis auf die letzten Tage deswegen so viel gescholtene Mann danach, wie groß das Brot ist, er, der Ärmste schiebt ja nicht, er wird geschoben und zwar vom ganzen Volkswirtschaftsorganismus, von den anderen "Verteilern", vom Hauswirt, von der Konkurrenz usw. Er kann nur fragen, wieviel Geld und damit andere Güter er mit dem Broterlös einzutauschen imstande ist.  Ware  ist sein Brot für ihn und nichts als Ware. Ebenso gleichgültig ist dem mit Kapital wirtschaftenden Unternehmer, was für Konsumtionszwecke seiner Mitmenschen er mit den von ihm produzierten Industrieartikeln befriedigt; auf den Gewinn, auf den Zins kommt es ihm an, ebenso wie dem Grundstückseigentümer auf Rente und Pacht. Und selbst der Arbeiter, der darüber klagt, daß jene drei anderen Männer nur auf "Profit" sehen und die Waren, ihr Kapital, ihre Grundstücke nur als Machtmittel gebrauchen, um sich aus dem großen nationalen Warenmarkt möglichst viel "herauszufischen und für sich zu ergattern" (MARX), besonders aber ihn, den armen "Enterbten" um die Früchte seiner Arbeit zu bringen - wozu benutzt er sein einziges Pfund, seine Arbeitskraft? Etwa nur, um möglichst viel nützliche Güter für seine Mitmenschen zu schaffen? Nein, der Lohn allein ist sein Leitstern. Die Macht, die ihm die Nachfrage nach dem "indispensablen" [unentbehrlichen - wp] Produktionsfaktor Arbeit gibt und die er heute erst in ihrer vollen Bedeutung zu erkennen und durch Koalitionen zu verdoppeln lernt, die Macht, vermöge dieser sozialen Position auch für sich bei der Verteilung des erarbeiteten Nationalprodukts ein gewichtiges Wort in die Wagschale zu werfen, diese soziale Kategorie ist etwas Grundverschiedenes gegenüber dem technischen Produktionsfaktor Arbeit.

Während also auf der erstgedachten Seite der Betrachtung überall die "Produktivität" maßgebend ist, kommt es auf der anderen Seite nur auf die "Rentabilität" an, zwei Begriffe, deren Vermischung den Nationalökonomen bisher so große unentwirrbare Rätsel aufgegeben hat. Bei der Lehre vom "Kapital" beginnt man schon wenigstens hier und da zu ahnen, daß mit diesem Begriff zwei Sachen zusammengeworfen sind, die sich begrifflich scheiden, daß z. B. ein Hammer, eine Maschine in ihrer Bedeutung als naturaltechnische Produktionsgegenstände nichts gemein haben mit etwa dem Kapital, mit welchem im Komptoir von ROTHSCHILD in der Gestalt von Wechseln, Hypotheken, Staatspapieren und Aktien gewirtschaftet wird, daß es also ganz unzulänglich und falsch ist, das Kapital nach der noch heute herrschenden Definition allein als "produziertes Produktionsmittel" zu betrachten und die Gesetze von der Bedeutung, Entstehung und Vermehrung des Kapitals unterschieds- und kritiklos in gleicher Weise auf naturale Produktionsgegenstände, wie auf das, was man auf der Effektenbörse verhandelt und überhaupt auf all das, was SCHÄFFLE treffend  "Aneignungskapital"  nennt, anzuwenden. Um Mittel zur naturalen Produktion, um naturale sinnlich und körperlich wahrnehmbare Sachgüter handelt es sich auf der einen Seite, um soziale Machtbegriffe, Verteilungs- und Rechtsbegriffe auf der anderen. Die soziale Kategorie ordnet die wirtschaftliche Beziehung der einzelnen Individuen in ihrem Verhältnis zueinander, sowie zum Staat und den anderen Gemeinwirtschaften, sie ist deshalb wohl auch eine privatwirtschaftliche Beziehung genannt worden. (1)

Was nun die begriffliche Scheidung beider Kategorien auf dem Gebiet der Grundrentenlehre betrifft, so ist die historischsoziale Kategorie hier bisher noch viel weniger berücksichtigt worden, wie in der Lehre vom Kapital und doch hoffe ich zu zeigen, daß die Lehre von der Grundrente, noch in höherem Maße wie die Lehre vom Kapital, nur mit Hilfe der Verteilungskategorie einer endlichen Klärung zugeführt werden kann. Wir werden sehn, daß jene berühmte RICARDOsche Grundrententheorie, die bis heute meistens als ein  noli me tangere  [Rühr mich nicht an! - wp] angesehen und behandelt wird, ihrem Hauptgrund nach noch in der bloßen rein ökonomischen Kategorie befangen ist, indem sie die Grundrente von dem Unterschied, dem Mehr der naturalen Produktionserträge der besseren Grundstücke ableitet und die Entstehung und sukzessive Erhöhung der Rente auf das rein naturale Moment der abnehmenden Produktivität des Grund und Bodens zurückführt, während doch hier, wie die Rnte der städtischen Grundstücke, aus denen so häufig Nichts "produziert" wird, zeigt, ganz besonders bloße "Aneignungsmomente" in Frage kommen. Schon das Wort Grund "rente"  sollte darauf aufmerksam machen, daß hier die  "Rentabilität",  nicht die Produktivität entscheidend ist.

Ich hoffe ferner, im Verlauf der folgenden Untersuchungen zu zeigen, wie beinahe alle bisherigen nationalökonomischen Theorien, nicht nur auf dem einzelnen Gebiet der Kapitalslehre, der Grundrentenlehre und weiterhin der Lehre vom Vermögen, Einkommen und Eigentum, sondern auf allen anderen Teilgebieten und in ihrer ganzen Methode, entweder an der einseitigen oder übertriebenen Betonung der rein ökonomischen Kategorie kranken oder umgekehrt nur der anderen Kategorie ihre Aufmerksamkeit zuwenden und endlich, wie diejenigen Lehrmethoden, welche  beide  Kategorien in ihrem Unterschied ausdrücklich anerkennen, oder welche doch unbewußt und ohne sie zu nennen, mit ihnen operieren, es über die gesonderte Betrachtung derselben im Einzelnen nicht zustande gebracht haben, deren richtiges Verhältnis  zu einander  klarzustellen und die dadurch entstehenden dissonierenden und scheinbar unlöslichen Widersprüche, Antinomien und contradictions économiques (PROUDHON) auf die versöhnende Einheit zu bringen. Und doch kann die Bedeutung aller einzelnen ökonomischen Begriffe, das Maß aller wirtschaftlichen Dinge nur in einer Einheit gefunden werden, die beide Kategorien in sich vereinigt.

Das Maß und die Bedeutung aller wirtschaftlichen Dinge ist nun  der Wert.  Da man aber als einen Maßstab nur ein solches Ding gebrauchen kann, welches schon selbst die Eigenschaft hat, welche man an dem zu untersuchenden Gegenstand messen will, wie ein Längenmaß z. B. oder ein Gewichtsmaß selbst ein langer oder schwerer Gegenstand sein muß, so ist es erforderlich, daß der Maßstab, der an die wirtschaftlichen Begriffe zu legen ist, schon selbst die beiden Kategorien enthält, die an allen zu bemessenden wirtschaftlichen Größen vorhanden sind und ihnen ihre Bedeutung geben. Es ist deshalb meine Aufgabe, vor allem die Wertlehre kritisch und dogmatisch einer Revision im Licht der gesonderten Bedeutung der beiden Kategorien zu unterziehen. Auf diesem Gebiet scheint mir die dogmatische Wissenschaft sich einer ganz besonderen und nicht länger zu verantwortenden Unterlassung schuldig gemacht zu haben. Mit Recht ist der Wert der Zerberus genannt worden, der von den Hallen der Nationalökonomie stehe und dessen Bewältigung erst notwendig sei, um in die ungetrübte Erkenntnis dieser dunklen und schweren Wissenschaft einzugehen. Beinahe alle Differenz und aller Hader der verschiedenen Schulen ist auf die verschiedene Auffassung des Wertbegriffs zurückzuführen. Die Untersuchung des letzteren ist also keine müßige graue Theorie, sie ist die lebendige Grundlage der Volkswirtschaftslehre und eine Fundamental-Bedingung nicht nur der eigentlichen Volkswirtschaftslehr, sondern auch der Volkswirtschaftspolitik und der Sozialreformtheorie. Beginnt doch beinahe jede bedeutendere nationalökonomische Theorie mit einem größeren oder kleineren Dithyrambus [Hymnus zu Ehren Dionysos - wp] auf die Bedeutung des Wertbegriffes.

Schon RICARDO meint, daß aus keiner Quelle so viele Irrtümer und Meinungsverschiedenheiten für die Wissenschaft entstehen, als aus der unbestimmten Bedeutung, welche man dem Wort Wert beilegt, auch KARL MARX hält den Wertbegriff für den "Eckstein" jeder Theorie und auch seiner eigenen; er gibt zu, daß mit seiner Werttheorie auch sein ganzes übriges Lehrgebäude stehe und falle.

Überaus anschaulich schildert endlich HERMANN die Bedeutung des Wertbegriffs: Im Gegensatz zur Technik, sagt er, betrachte die Wirtschaftslehre die Dinge nicht ansich, sondern als Inbegriffe, welche sie im Wert auf Größen gleicher Einheit reduziere; sie sehe ab von den tausendfältigen Qualitäten und Verschiedenheiten der einzelnen Güter, betrachte sie vielmehr als gleichartige Quantitäten, so daß sie wohl die  Größenlehre der Güter  genannt werden können. Das ist richtig und es muß also der Nationalökonom vor allen Dingen sich einen richtigen Wertbegriff als Größenmaßstab zueignen, um ihn auf allen seinen Wegen, wie der Zimmermann den Zollstab, mitzuführen.


§ 3.
Die Doppelnatur des Wertes. Gebrauchswert - Tauschwert.
Gebrauchswertschule - Arbeitskostentheorie.

Das oben berührte Gleichnis mit dem Höllenhund läßt sich nun dahin weiter führen, daß der Zerberus "Wert" zwei Köpfe hat, die in ihrem schon oft angestaunten Dualismus den Forschern von Anbeginn als ein unverstandenes und deshalb unbezwungenes rätselhaftes Wunder entegenstarrt haben. Und doch, wenn wir nur genauer hinschauen, siehe da, es sind eben nur die besprochenen beiden Kategorien, aus denen sich jenes Doppelhaut zusammensetzt. Denn was bedeutet die besonders seit ADAM SMITH und RICARDO geübte Unterscheidung von  Gebrauchswert  und  Tauschwert  anderes, als die Schätzung der wirtschaftlichen Dinge einmal nach dem Maßstab ihrer rein ökonomischen, naturalen Nützlichkeit für die menschliche Bedürfnisbefriedigung, und auf der anderen Seite nach der Bedeutung, welche jene Dinge dadurch erhalten, daß man durch ihren Besitz die Arbeiten und Produkte anderer Mitglieder des sozialen Wirtschaftsorganismus erkaufen oder eintauschen und sich seine Mitmenschen dadurch materiell untertänig machen kann.

Statt aber die erkannte Dissonanz dieser beiden Begriffe dadurch zu überwinden und auf die befriedigende harmonische Einheit zu bringen, daß man den Zerberus beherzt da im Nacken faßte, wo sich seine beiden Häupter vereinigen und ihre gemeinschaftliche Wurzel zeigen, haben sich SMITH und RICARDO damit begnügt, auf die Divergenz des Gebrauchswerts, d. h. "der Nutzbarkeit eines besonderen Gegenstandes" und des Tauschwerts, d. h. "des Vermögens jenes Gegenstandes, andere Güter eintauschen zu können", bloß kühl akademisch hinzuweisen. "Die Dinge", sagen sie, "welche den größten Gebrauchswert haben, besitzen häufig wenig oder gar keinen Tauschwert; und, umgekehrt, diejenigen, welche den größten Tauschwert besitzen, haben wenig oder gar keinen Gebrauchswert. Wasser und Luft sind über alle Maßen nützlich; sie sind in der Tat zum Leben unentbehrlich und doch kann man, unter gewöhnlichen Verhältnissen, für sie im Tauschverkehr gar nichts erlangen. Gold dagegen, wenngleich von unbedeutendem Nutzen im Vergleich mit Luft oder Wasser, vermag man gegen ein große Menge anderer Güter auszutauschen".

"Die Nutzbarkeit", so folgert RICARDO hieraus weiter, "ist  darum  nicht der Maßstab des Tauschwerts, obgleich sie für ihn  unbedingt wesentlich  ist."

In den beiden hervorgehobenen Worten: "darum" und "unbedingt wesentlich" liegt die ganze Schwäche der RICARDOschen Theorie. Weil es RICARDO nicht gelungen ist, die Bedeutung der beiden Beziehungen zueinander aufzudecken, sagt er:  Darum  ist die Nutzbarkeit überhaupt kein Maßstab des Tauschwerts. Und obgleich er sogar anerkennt, daß sie unbedingt wesentlich für jenen Wert ist, lehnt er es dennoch ab, dieses "Wesen" des Begriffs auch für die "Größenlehre der Güter" (HERMANN) d. h. für die  Größen bestimmung von konkreten Gütermengen zu benützen, d. h. letzteren durch den  Grad  oder näheren Inhalt dieser Nutzbarkeit zu bemessen. In dem nun folgenden kleinen Konditionalsatz gar: "Die Güter leiten,  wenn  sie Nutzbarkeit besitzen, ihren Tauschwert von zwei Quellen ab: nämlich von ihrer Seltenheit und von der Menge Arbeit, die erforderlich ist, um sie zu erlangen" - vergräbt er die fundamentale rein ökonomische Kategorie mit einem kurzen Worte leichthin für die ganze Wissenschaft. Er vernachlässigt sie sein ganzes großes Werk hindurch und beschließt letzteres merkwürdigerweise durch den Ausdruck desselben Grundirrtums, mit dem er es begonnen: "Eine Art von Bedürfnissen und Bequemlichkeiten läßt mit der andern keine Vergleichung zu, der Gebrauchswert kann durch keinen  bekannten  Maßstab gemessen werden, er wird von  verschiedenen Personen  verschieden geschätzt."

Zu diesem unbefriedigenden Resultat gelangt RICARDO in Folge einer falschen Dialektik, welche durch die Wahl der irrführenden Beispiel von Luft, Wasser und Gold unterstützt wird. Es waren nicht Güter einander gegenüberzustellen, wie die Luft, Licht und Wasser  nur  Nutzbarkeit liefern und solche, die wie Gold scheinbar gar keine große "wahre" Nutzbarkeit und umso größeren Tauschwert besitzen, sondern es kommt in der exakten Wissenschaft darauf an, einen Maßstab für den Wert derjenigen Güter zu finden, die eben heute einen allgemeinen tatsächlichen Verkehrswert haben und deshalb geschätzt sind, also einen Wertmaßstab für diejenigen Güter, mit denen man "Haus hält", das heißt für die sogenannten "ökonomischen" oder "wirtschaftlichen" Güter. Luft und Licht sind gar sehr Gegenstände der technischen, aber nicht der ökonomischen oder gar sozialökonomischen Wertschätzung, es sind sogenannte  "freie"  Güter.

Das richtige Thema für das bisher ungelöste Rätsel der Wertbestimmung lautet vielmehr: Wodurch  wird  ein Gegenstand wirtschaftliches Gut und nach welchem Maßstab wird der Grad seines Werts gemessen? Worin besteht sein  Wesen  überhaupt, das ihm den Wert verleiht und wodurch wird die Größe des letzteren, wie er sich äußerlich besonders im Preis ausdrückt, im Einzelnen gemessen? Hic Rhodus! [Hier ist Rhodos! - wp] Untersuchungen darüber, ob Güter ein größeres oder kleineres "wahres" menschliches Bedürfnis befriedigen, soll man getrost den Theologen und Moralphilosophen überlassen. Es ist ökonomisch ungereimt, sich darüber zu wundern, daß ein Pfund Eisen, obgleich enorm "nützlich", einen verschwindend kleinen Wert gegen ein Pfund Gold besitzt, welches letztere, ethisch betrachtet, nur höchst zweifelhaften menschlichen Leidenschaften seinen Wert verdanke. Am einzelnen konkreten "wirtschaftlichen Gut", dargestellt in einer bestimmten konkreten Quanität, waren jene beiden Beziehungen, die RICARDO Gebrauchswert und Tauschwert nennt, gleichzeitig und einheitlich zu untersuchen.

Es genügt nicht, die Güterarten als solche rein generisch als Güter von gar keinem oder von größerem oder kleinerem Wert zu betrachten und zu sondern. Die  generische  Betrachtung kann in unserer realistischsten aller Wissenschaften, in der "Größenlehre der Güter", nicht viel nützen, denn nicht abstrakte Güterarten kommen auf den Markt, sondern konkrete Gütermengen. Die Bedeutung und Größe der menschlichen Bedürfnisse und also auch der Befriedigungsmittel derselben, der Güter, kann nicht nach dem spezifischen Gewicht der Zollpfunde gemessen werden, Lumpen sind soviel wert wie Gold, wenn man nur die erforderlichen Quantitäten in die Gleichung einsetzt. Eisen ist soviel wert wie Diamanten wenn man berücksichtigt, daß beide Güterarten ganz verschiedene Bedürfnisse befriedigen und Diamanten schon im geringsten Volumen das Bedürfnis des Prunks und der Schaustellung befriedigen. Eisen aber nur in großen kompakten Massen seine Zwecke erfüllt.

Im wirklichen Leben, in der "bestehenden Volkswirtschaft", hat jedes einzelne Gut auch nur  einen Wert  und  einen  Preis. Es gibt nur einen Wert und das, was man Gebrauchswert und Tauschwert nennt, sind nimmermehr Unterarten dieses Wertes, sondern nur  wissenschaftliche Hilfsbegriffe  zur Erfassung und Bemessung dieses  einen  begrifflich unteilbaren Wertes.

Ich muß es als einen klärenden und wahrhaft bahnbrechenden Gedanken bezeichnen, den RODBERTUS ausspricht und den ADOLF WAGNER rühmend hervorhebt: "Es gibt  nur eine Art  Wert und das ist der Gebrauchswert. Dieser ist entweder  individueller  Gebrauchswert oder  sozialer  Gebrauchswert. Der erstere besteht dem Individuum und seinen Bedürfnissen gegenüber ohne alle Berücksichtigung einer sozialen Organisation. Der zweite ist der Gebrauchswert, den ein aus vielen individuellen Organismen (bzw. Individuen) bestehender  sozialer  Organismus hat". ADOLF WAGNER (Grundlegung a. a. O. § 35) verwirft denn auch die "übliche  unlogische  Einteilung" des Werts in Gebrauchswert und Tauschwert, indem er sich dem RODBERTUSschen Satz anschließt: "Der Tauschwert ist nur der historische Um- und Anhang des sozialen Gebrauchswerts aus einer bestimmten Geschichtsperiode. Indem man dem Gebrauchswert einen Tauschwert als logischen Gegensatz gegenübergestellt, stellt man zu einem logischen Begriff einem historischen Begriff in logischen Gegensatz, was logisch nicht angeht". WAGNER fügt hinzu: "Der Tauschwert ist daher nicht eine dem Gebrauchswert koordinierte Art des Werts, kein logischer Gegensatz zum Gebrauchswert, sondern er ist ein  historischer Begriff,  der bestimmten geschichtlichen Perioden des Verkehrs entspricht und der im  Taxwert  einen anderen historischen Wertbegriff neben sich hat".

In der Sache trete ich, wie gesagt, diesen Sätzen unbedingt bei, doch muß ich, um mich mit ihnen vom Standpunkt des von mir aufgestellten Prinzips systematisch abzufinden, sie im Ausdruck des Gedankens folgendermaßen modifizieren. Ich frage: Wenn es, wie RODBERTUS sagt, nur  einen  Wert gibt, weshalb nennt er diesen dann den "Gebrauchswert" und gliedert ihn erst wieder in individuellen und sozialen? Wenn gerade ich im Folgnden zu dem Resultat gelangen werde, daß, im Gegensatz zu der RICARDOschen Auffassung, das rein ökonomische Element der Brauchbarkeit nicht nur eine überaus wichtige, sondern ein in letzter Linie sogar ausschlaggebende Bedeutung für die Wertbemessung äußert, so würde ich trotz alledem raten, diese begriffliche Gleichsetzung von Wert und Gebrauchswert zu unterlassen, sie führt zu leicht zum Verdacht einer petitio principii. Ob die Nützlichkeit, also die rein ökonomische Kategorie oder umgekehrt die soziale Kategorie mit ihren Verteilungsmomenten den Ausschlag gibt, das ist ja erst die zu untersuchende, bisher von der Wissenschaft nicht befriedigend gelöste Frage. Und gerade z. B. vom WAGNERschen Standpunkt aus, den er in den weiteren Paragraphen seines Werkes zu vertreten scheint, ist jene Terminologie, meiner Auffassung nach, bedenklich; denn WAGNER führt den Wert meistens auf die "konstitutiven Elemente": Arbeit und Kapitalgewinn, also (wie ich später zeigen werde) auf "Verteilungsmomente", auf die "Kosten" zurück (vgl. §§ 7, 47, 82 a. a. O.), und es tritt dagegen in seinen Untersuchungen das Moment des "Gebrauchswerts" erheblich zurück. Und was gar RODBERTUS betrifft, so werden wir bei der Erörterung seiner Wertlehre sehen, daß er den "Wert in der Gesellschaft, im Gegensatz zur isolierten Wirtschaft, als  nichts Anderes  als das  Medium der Verteilung"  ansieht und den "Gebrauchswert" tatsächlich gänzlich vernachlässigt.

Ferner möchte ich auch aus einem anderen Grund abraten, den Wert, der doch nach RODBERTUS und WAGNER ein  einheitlicher  ist, dennoch wieder hinterhin in "individuellen und sozialen" (Gebrauchswert) zu gliedern. Es ist nämlich in der zu untersuchenden gesellschaftlichen Wirtschaft der  eine  Wert, dessen Gesetze gefunden werden sollen,  immer zugleich  auch ein sozialer. Nur in der isolierten Wirtschaft gibt es rein individuellen Gebrauchswert, in der arbeitsteiligen Volkswirtschaft dagegen kommt er begrifflich nie rein und abgesondert  neben  dem sozialen Wert zur Erscheinung, kann deshalb auch nicht als solcher gemessen werden, noch selbst ein exaktes Größenmaß abgeben; denn wie das einzelne Individuum irgendeinen Gegenstand, welchen es nicht etwa selbst konsumiert, bewerten und verwerten kann, hängt von der Art der sozialen g, den sozialen Gliederungen und Machtverhältnissen ab. Nicht der Eigenkonsum, sondern der Konsum des sozialen Marktes bestimmt, wie das Individuum seine Waren schätzen darf. Nicht  das  Individuum, sondern die Gesamtheit  der  Individuen, ihre gleichartigen Bedürfnisse in der Gesamtheit betrachtet, die Uniformität der sozialen Lebens- und Produktionsbedingungen sind es, die bestimmte gesetzmäßige Erscheinungen und Bedingungen verursachen, welch, in untrennbarer Verbindung mit den rein ökonomischen Bedingungen, auf die Bildung des  einen  Werts ihren zwingenden Einfluß ausüben.

Ich würde hiernach das Wertproblem so formulieren: Es gibt nur eine Art von Wert und das ist derjenige, welcher im jeweiligen volkswirtschaftlichen Zustand organisch von zwei Momenten bestimmt wird:
    1. vom Moment der rein ökonomischen Kategorie des natürlichen Zwecknutzens, auf welchen sich der Wert von jeher und also auch schon in der isolierten Wirtschaft gegründet hat, und welches Moment man allenfalls auch mit dem gebräuchlichen Ausdruck "Gebrauchswert"  benennen  kann und

    2. durch das weitere Moment, welches man nicht nur heutzutage und künftig, sondern überhaupt, sobald Arbeitsteilung und Produktion für fremden Gebrauch entsteht, als  gleichzeitigen  Bestimmungsgrund hinzunehmen muß.
Dieses letztere Moment, welches sich eben aus dem sozialen Wesen des Wirtschaftsorganismus und den durch den letzteren gegebenen Machtverhältnissen der einzelnen Produzenten ergibt, heißt, da es historisch variabel ist, das historische Element, die historische Kategorie und man mag es, und zwar für die heutige Gesellschaft, den "Tauschwert" weiter  nennen. 

Erst nachdem ich diese Erläuterungen und Modifikationen vorgenommen habe, halte ich mich für berechtigt, die beiden Kategorien im Folgenden der Kürze halber mit den einmal hergebrachten Ausdrücken Gebrauchswert und Tauschwert bezeichnen; aber, um es noch einmal zu betonen, es handelt sich nicht um Unterarten, sondern um rein theoretische Hilfsbegriffe für die Betrachtung und Bestimmung des  einen  Wertes. Einen Gebrauchswert  neben  dem Tauschwert gibt es nicht, sondern man muß der ersteren mit DÜHRING als eine "veraltete Tradition der modernen Lehrbücher, als einen wissenschaftlich überwundenen Begriff" dann erklären, wenn er als selbständige Wertunterart gelten soll. Nicht als wissenschaftlich überwundener Begriff kann dagegen der ökonomische Kategorie", betrachtet; und es bleibt ein dauerndes und unsterbliches Verdienst der alten und neuen deutschen "Gebrauchswertschule", im Gegensatz zur englischen Schule dieser Kategorie wieder zu dem ihr gebührenden Platz verholfen zu haben. Es war auch höchste Zeit, daß die deutsche Gebrauchswertschule die rein ökonomische Kategorie zu Ehren brachte; denn die englische Schule, die seit Anfang dieses Jahrhundersts ihren unwiderstehlichen Siegeszug über das ganze Festland Europas unternahm, drohte jene Kategorie in ewige Vergessenheit zu begraben, indem sie sich nicht scheute, Sätze aufzustellen, wie folgenden: "Was kann der (Tausch-)wert mit der Fähigkeit zu kleiden und zu ernähren gemein haben?" (RICARDO, 28. Hauptstück).

Hiergegen trat eine naturgemäße Reaktion ein. Es drängte sich von selbst der Gedanke auf, daß der schließliche vernünftige Zweck aller Wirtschaft gerade die Befriedigung der menschlichen materiellen Bedürfnisse sei und daß das Wesen und der Wert dieser Bedürfnisbefriedigungsmittel, also der wirtschaftlichen Güter, doch in einer ganz unvermeidlichen und sogar entscheidenden Beziehung zu dem Maß stehen müsse, in welchem diese Güter jenen ihren begrifflichen Zweck erfüllen: den Menschen zu ernähren und zu unterhalten, daß jene Beziehung also den genießenden Menschen und nicht allein den arbeitenden Menschen zum Ausgangspunkt nehmen müsse und so den Zweck über die Mittel zu stellen habe.

Indessen ist die Gebrauchswertschule in ihren Hauptvertretern MENGER, von WIESER und von BÖHM-BAWERK heute nahe daran, sich durch die übertriebene Betonung des Gebrauchswertes in das entgegengesetzte Extrem wie in eine sandige Sackgasse zu verlaufen. Welche Verkennung des sozialen Gefüges unseres modernen Staates spricht sich z. B. im folgenden Satz MENGERs "Grundsätze der Volkswirtschaftslehre", Seite 80 aus: "Der Wert der Güter ist, gleich wie der ökonomische Charakter derselben,  unabhängig  von der menschlichen Wirtschaft in ihrer  sozialen  Erscheinung, unabhängig auch von der Rechtsordnung, ja vom Bestand der Gesellschaft. Er ist  auch  in der isolierten Wirtschaft zu beobachten und  kann demnach!  nicht in der Rechtsordnung wurzeln."

ADAM SMITH stellte den Satz an die Spitze seines großen Werkes: "Die Arbeit eines Volkes ist der Fonds seiner Güterversorgung und die Arbeit also auch der Maßstab des Wertes der Güter." Der in diesem Satz ausgedrückte Gedanke hat ein Jahrhundert lang seinen bestechenden Einfluß auf das wirtschaftliche Denken ausgeübt. Die Kostenwertslehre, insbesondere die  Arbeits kostenwertslehre, ist zur Zeit noch immer die wesentlich herrschende; auch die sozialistische Schule in ihren Hauptvertretern MARX und RODBERTUS hat sich ihr blindlings in die Arme geworfen, nennt sie den "Eckstein der Theorie", und auch die sogenannten Kathedersozialisten (die "sozialrechtliche" Schule) haben sich nicht von ihr voll emanzipiert. So will z. B. WAGNER, der neben der ausführenden Arbeit (Lohnarbeit) auch noch die "kapitalbildende" und leitende Arbeit als ebenfalls "konstitutives", wertbildendes Element anerkannt wissen. Und glaube man nur nicht, daß die Theoretiker, welche die Arbeitskostentheorie, besondern in ihrer von RICARDO formulierten Fassung, als einseitig und als einen überwundenen Standpunkt hinstellen, denselben tatsächlich überwunden haben; denn damit, daß sie  neben  den Produktionskosten auch den Gebrauchswert so eklektisch-beiläufig in seiner Bedeutung schildern, ist nichts getan. Und schon wer die RICARDOsche Grundrententheorie als richtig anerkannt hat, der unterschreibt damit die Kostenwerttheorie, denn auf die letztere ist die erstere ausschließlich gegründet. Die RICARDOsche Wertlehre steckt der Wissenschaft noch heute wie ein Pfahl im Fleisch. "Der Satz", sagt von BÖHM-BAWERK gar, "daß aller Wert auf Arbeit beruhe, ist in Wahrheit nichts, als eine von einem großen Mann einmal erzählte und von einer gläubigen Menge seither nachgesprochene  Fabel." 

So geht es hin und her: Fable convenue [stillschweigende Übereinkunft - wp] einerseits - Eckstein der Theorie andererseits! Wo liegt nun die Wahrheit? - In der Mitte wird sie wohl liegen, aber das sagt gar nichts und wir werden später sehen, wie viele juste-milieu-Theorien [richtige-Mitte-Theorien - wp] sich an der Lösung der Frage vergebens versucht haben. Am einleuchtendsten noch erscheint mir die Problemstellung, wenn man mit KNIES von vornherein einen solchen theoretischen Ausgangspunkt wählt, wonach die wertbildende Bedeutung der Arbeitskosten oder wie man sich seit KARL MARX ausdrückt, der gesellschaft notwendigen  Arbeitszeit "nur für die effektive Wirkungssphäre der Arbeit"  in Betracht zieht, während die anderen wertbestimmenden Elemente eine besondere Berücksichtigung und Erklärung erfordern (KNIES, Geld, Seite 159).


§ 4.
Die effektive Wirkungssphäre der Arbeitskosten
für die Wertbestimmung. Der Adam Smith'sche Urtypus.

Worin besteht nun jene "effektive Wirkungssphäre der Arbeit"? Eine richtige und erschöpfende Beantwortung dieser wichtigen und am Ende wichtigsten aller sozioökonomischen Fragen könnte vielleicht mit  einem  Schlag den ganzen Grund und Ungrund der Arbeitskostentheorie aufdecken und zeigen, was die SMITH-RICARDOsche Lehre Wahres und Falsches enthält und was sie Gutes und Böses gewirkt hat. Sie könnte zeigen, ob jene Lehre den harten Titel "Fabel" und den Vorwurf verdient, daß sie die Wissenschaft so lange Zeit hindurch auf gänzlich unfruchtbare Pfade abseits geführt habe oder ob nicht doch jene großen Engländer mit dem ihrem Volk eigenen praktischen Instinkt mechanisch das Rechte getroffen, allerdings vielleicht ohne die tieferen organischen Gründe ihrer eigenen Lehre erkannt, sondern anstelle des eigentlich wirkenden Prinzips nur  eine  Erscheinungsform und  eine  wichtigste Äußerung und Betätigung des Prinzips aufgefunden und in den Vordergrund gestellt zu haben.

Die von mir vorgeschlagene Methode der kritischen Sonderung aller sozialökonomischen Begriffe nach der rein ökonomischen und der sozialen Kategorie mag nun gerade hier ihre erste Probe bestehen.

Die Arbeit hat, wie schon oben bei der aphoristischen Betrachtung der drei sogenannten Produktionsfaktoren ins Auge sprang, zwei grundsätzlich verschiedene Bedeutungen und also effektive Wirkungssphären, eine rein ökonomische und eine soziale. Die erstere stellt die Arbeit in eine Linie koordiniert neben die beiden anderen zur Herstellung der Wertgüter erforderlichen indispensablen natürlichen, technischen Produktionsfaktoren, nämlich neben Natur und produzierte Produktionsmittel (Kapitalgüter); als soziale Kategorie dagegen tritt die Arbeit lediglich in der Funktion eines Verteilungsfaktors auf, nicht also als materiell sich betätigende positiv schaffende lebendige Arbeitstätigkeit, also als ein  Mittel  zur materiellen Versorgung der zu einem sozialen Organismus verbundenen Individuen, sondern erstellt und hergegeben für die Produktion von einem Subjekt, einem Rechtssubjekt, einem Menschen, nämlich dem Arbeiter und zwar zu einem ausgesprochenen  Zweck,  nämlich der Erlangung eines Lohns, einer Vergeltung für seine Leistung. Nicht also ausschließlich diese nützliche Leistung ansich kommt in Betracht, sondern nicht minder das, was für diese Leistung dem Arbeiter vermöge seiner jeweiligen sozialen Stellung als Mensch und Partizipient am produzierenden Organismus gegeben werden muß, um ihn in dieser seiner  nützlichen Funktion  als dauerndes Werkzeug zu erhalten. Demnach ist es ganz natürlich, daß auch das, was der Arbeiter für die Hergabe dieses notwendigsten aller notwendigen Produktionsmittel, nämlich seiner Arbeitskraft, vermöge seiner ihm aus dem Besitz derselben erwachsenen  Machtstellung  verlangen und ertrotzen kann, von jeher, aber besonders bei der fortschreitenden Entwicklung der Nationalwirtschaft zu einem immer mehr sozialen Einheitsorganismus, auch einen mehr und mehr überwältigenden Einfluß auf alle wirtschaftlichen Dinge, insonderheit auf den Wert der Güter, ausgeübt hat.

Auf welche von beiden Kategorien gründet denn nun die Arbeitskostentheorie den Wert und damit ihr ganzes System der Nationalökonomie? Die Frage scheint wahrhaft berechtigt und wichtig genug zu sein, um sie gründlich zu beantworten und zwar umso mehr, als die Schule der Arbeitskostentheorie hier so karg ist und statt dem tiefsten und innersten Grund nachzugehen, aus dem sie ihre Existenzberechtigung herleitet und von dem ihr Sein und Nichtsein abhängt, mit beinahe axiomatischer Naivität es bei der bloßen stolzen Behauptung bewenden läßt oder den Leser mit einigen apodiktischen Bemerkungen abspeist.

Zwar gegen SMITH und RICARDO, mit dem Schein einer gar gründlichen und historischen Untersuchung ab ovo [von Ei weg - wp] auf die "Uranfänge" der menschlichen Wirtschaft zurück. Sie sagen: Schon im frühesten rohesten Zustand der Gesellschaft, welcher beiden, sowohl der Anhäufung von Vermögensstamm, als auch der Aneignung von Grundeigentum vorausging,  scheine  das gegenseitige Verhältnis der Arbeitsmengen, welche zur Erlangung verschiedener Gegenstände erforderlich waren, der  einzige  Umstand gewesen zu sein, der eine  Regel  für den gegenseitigen Austausch des Einen gegen das Andere abgeben konnte. Wenn z. B. bei einem Jägervolk das Erlegen eines Bibers zweimal so viel Arbeit kostet, als die Erlegung eines Hirsches, so werde ein Biber  natürlich  gegen zwei Hirsche vertauscht werden oder zwei Hirsche wert sein; denn es ist  sachgemäß,  daß was gewöhnlich das Erzeugnis zweier Tage oder Stunden Arbeit sei, auch doppelt soviel wert sein  muß,  als dasjenige, was üblicherweise das Ergebnis eines Tages oder einer Stunde sei. (ADAM SMITH, Buch I, Hauptst. 5 und RICARDO, 1. Hauptstück)

Man sieht, bis hierher nichts, als "Behauptungen eines großen Mannes", keine Begründung. Den Anflug zu einer solchen könnte man höchstens im Ausspruch von ADAM SMITH finden: "Der  Sachpreis  eines jeden Dings,  mit anderen Worten,  was ein jedes Ding dem  Menschen,  der es bedarf,  kostet,  ist die Beschwerde und Mühe, die er ausstand, um sich dasselbe zu beschaffen. Was eines jeden Dings ... wirklich  wert  ist,  besteht  in dieser Beschwerde und Mühe, welche er sich durch dessen Eintausch ersparen und auf einen anderen überwälzen kann." Der Gedankengang, der augenscheinlich durch den Doppelsinn des Begriffs "kosten" beeinflußt ist, geht also dahin: Sachpreis, Wert,  Kosten wert ist identisch,  gekostet  aber habe das Gut nur Arbeit, "das heißt", wie RICARDO im 20. Hauptstück die Worte DESTUTT de TRACYs zitierend sagt, "die Anwendung unserer Natur und sittlichen Anlagen, welche allein unser  ursprüngliches  Vermögen sind".

Auch RODBERTUS und MARX, die bedeutendsten Anhänger der RICARDOschen Arbeitskostentheorie, fügen keine wesentlich neue Begründung hinzu. RODBERTUS (z. B. Kreditnot II, Seite 160) umschreibt den RICARDOschen Gedanken mit folgenden Worten:  Wirtschaftlich  kommt alles Produkt, das durch Arbeit in ein Gutsverhältnis zu uns kommt, auf  alleinige Rechnung  der menschlichen Arbeit,  weil  Arbeit die  einzige  Urkraft und auch der einzige  Uraufwand  ist, mit dem die menschliche Wirtschaft "Haus hält". - Noch mehr vermißt man bei MARX die Angabe eines Grundes,  weshalb  Arbeit den Wert ausmacht. Seine vielbesprochene Deduktion am Anfang des "Kapital" geht nur dahin: Der Tauschwert erscheine lediglich als das Austauschverhältnis, als die Gleichung, worin der  Gebrauchswert  einer Art in Gebrauchswerte anderer Art ausgetauscht werden, z. B. besage die Gleichung: 1 Quarter Weizen gleich 1 Zentner Eisen, daß beide Dinge einem  Dritten  gleich sind. Dieses Dritte, die Werteinheit, könne der Gebrauchswert  nicht  sein. Die  Substanz  des Werts müsse vielmehr als ein von diesem Gebrauchswert, von dieser  physisch handgreiflichen Existenz  der Ware etwas  durchaus  Verschiedenes und  Unabhängiges  sein, es werde gerade durch die  Abstraktion vom Gebrauchswert  charakterisiert. Denn als Gebrauchsgegenstände oder Güter seien die Waren körperlich verschiedene Dinge. Die Werteinheit entspringe  demnach  nicht aus der  Natur,  sondern aus der  Gesellschaft.  Die gemeinschaftliche  Substanz,  die sich in verschiedenen Gebrauchswerten nur verschieden  darstelle, sei nun aber die Arbeit.  Als Werte (Tauschwerte) seien die Waren nichts als  kristallisierte  Arbeit", weil Arbeit in ihnen vergegenständlicht oder  "materialisiert"  sei.

Ich wiederhole nun meine Frage, worauf stützen jene Autoren ihre Behauptung, daß die Arbeit den Wert bestimme? Auf den rein ökonomischen Begriff Arbeit als naturalen Produktionsfaktor oder auf den sozialen Begriff Arbeit als Verteilungsfaktor?

Man möchte zunächst versucht sein anzunehmen, daß das erstere der Fall sei. Denn die Ausdrücke:  "Substanz  des Werts", "Arbeit, die zur  Hervorbringung angewendet,  die im einzelnen Gut enthalten ist  kristallisierte, materialisierte  Arbeit", enthalten nichts von einem Verteilungsmoment, andererseits sind doch aber die Worte zu beachten: die Werteinheit entspringt nicht aus der  Natur,  sondern aus der  Gesellschaft.  Und weiterhin drückt sich RODBERTUS an anderen Stellen viel deutlicher und bezeichnender dahin aus: "Die isolierte Wirtschaft ist die reine  Negation  der  Teilung  und deshalb auch des Tausches, der nur eine Form der  Verteilung  des Produkts ist. Die isolierte Wirtschaft hat nur  ökonomische  Begriffe, keine  national-vökonomischen, sie ist der Zustand des vollendeten Individualismus (Das Kapital - in der WAGNER-KOZAKschen Ausgabe - Seite 72, 73, 74). "Die Nationalökonomen, ihren großen Lehrer an der Spitze, haben in der "Teilung der Arbeit" nicht bloß nur immer die  individualistische  Seite in den Vordergrund gestellt, dieselbe nicht bloß nur immer lokal und  technologisch  aufgefaßt, sondern auch hauptsächlich nur deren  produktive  Wirkung hervorgehoben, wie sich z. B. in dem von ihnen angezogenen Beispiel der Stecknadelproduktion die Auffassung sehr gut dokumentiert, als werde lediglich die  vermehrte Herstellung  betont, während die  Staatswirtschaft  nicht diese Vermehrung der  Produktion,  sondern die  Verteilung  des durch gemeinschaftliche Arbeit hergestellten Produktes, die  Teilung des Erarbeiteten  ausmacht" (Seite 80, a. a. O.).

In der  Gesellschaft,  sagt RODBERTUS weiter, im Gegensatz zu isolierten Wirtschaft, ist der Wert demgemäß nichts, als das  Medium der Verteilung,  der Verteilung des in Teilung der Arbeit gemeinschaftlich hergestellten Produkts unter die Partizipienten, er ist im Wesentlichen die Geltung, die das Arbeitsresultat des Individuums für die  Gemeinschaft  hat. Er ist das  Richtmaß  der  Geltung und Vergeltung  des Individuums aus dem Arbeitsresultat der Gemeinschaft (Kapital passim).

In allen diesen Auseinandersetzungen schildert RODBERTUS vollbewußt und scharf den Gegensatz der beiden Kategorien und ich glaubte sie dem Leser auszugsweise wörtlich vorführen zu sollen, um ihn gleichzeitig methodisch an die stete Unterscheidung der beiden Kategorien zu gewöhnen.

Und so behaupte ich denn, daß auch schon den Engländern ADAM SMITH und RICARDO ebensogut wie RODBERTUS die soziale Kategorie bei Aufstellung ihrer Arbeitskostentheorie, wenn auch nur dunkel und unbewußt, vorgeschwebt haben muß, ich behaupte, daß denn auch,  insoweit  dies der Fall, die RICARDOsche Theorie einen großen und bedeutsamen richtigen Kern enthält und daß sie bloß deshalb im dogmatischen Resultat falsch ausgefallen ist, weil RICARDO die soziale Kategorie nicht scharf von der anderen gesondert und vielmehr beide durcheinander gewürfelt hat. Ich will versuchen, das zu beweisen und den verwirrten Knäuel zu entwirren.

SMITH und RICARDO erinnern bei der Aufstellung jenes Urtypus menschlicher Wirtschaft, wo "Arbeit der uranfängliche Preis" gewesen sein soll, an FAUST, der wie so viele vor und nach ihm das, was sie nach ihrer vorgefaßten Lehrmeinung als Grundelement erkannt zu haben glauben, gleich für den Anfang der Entwicklung als wirkend präsumieren. "Im Anfang war" - so heißt es dann auf unserem Feld: - die Arbeit. So legt man die eigenen Gedankendinge der Entwicklung als Schöpfungsidee unter. Jenen angeblichen Urtypus der Wertbildung sehen sie als wohlberechtigten Ausgangspunkt ihrer Betrachtung an, weil jene Wertbildung "in jenen  einfachen  Verhältnissen, die zur Erklärung der primitiven Prinzipien vorausgesetzt werden mußten, (angeblich) überhaupt noch nicht alteriert sein  konnte,  weil die ihn alterierenden Momente, die Teilung des Bodens und Kapitals unter mehrere Grund- und Kapitalbesitzer bei ungleicher Produktivität ... usw., erst später ihre Stelle und Bedeutung finden" (RODBERTUS a. a. O. Seite 22, 23). Dorthin, wo ihre theoretischen Kreise noch nicht durch die Einflüsse der  später  auftretenden  Partizipienten,  der Grund- und Kapitaleigentümer, gestört sind, in dieses Land der eigenen theoretischen Phantasie, in diesen hypothetischen Zufluchtsort flüchten sie sich, um dessen angebliche Gesetze dann einfach in die moderne Wirtschaftswelt hinüberzuretten.

Und doch ist jener "Urtypus", wenn man ihn nun näher betrachtet und ihn auf seine wahrhaft möglichen und notwendigen Grundprinzipien zurückführt, faktisch keineswegs so "einfach", so "primitiv" wie jene ihn sich vorstellen. Er ist logisch nur denkbar und zur Erklärung der modernen Sozialökonomie verwendbar, wenn man in ihm bereits eine organisierte soziale Arbeitsvereinigung und Arbeitsteilung, wenn auch nur weniger, so doch wenigstens so vieler Individuen voraussetzt, daß sie nach einem ausdrücklich verabredeten oder durch die Natur der Verhältnisse sich von selbst ergebenden  Plan  der Arbeitsteilung die materielle Versorgung des in Betracht kommenden sozialen Personenkreises so regeln, daß nach dem vorhandenen Vorrat (Fonds) von bleibenden originären Produktionselementen - Natur und Arbeitskraft nämlich - diejenigen konkreten und bestimmten "leibhaftigen" Güter hergestellt werden, welche den Kreis der menschlichen Nahrungs- und Notdurftmittel, und, wenn angängig, auch des Wohlbehagens und Luxus, einheitlich und ganz befriedigen.

SMITH und RICARDO haben übersehen, daß erst in einem  solchen  Zustand menschlicher Wirtschaft von Tauschverkehr, von Tauschwert in dem hier brauchbaren und für die Methode verwendbaren Sinn die Rede sein kann; denn, wie RODBERTUS richtig an anderen Stellen ausführt, die vorausgehende isolierte Wirtschaft ist die reine Negation der Arbeitsteilung und des Tauschwerts und auch bloß isolierte Tauschfälle, bei sonst im übrigen vorwiegender Wirtschaft für den eigenen Gebrauch, diese  zufällig und partiell  entstehenden, plötzlich wieder verschwindenden Arbeitsteilungen, lassen das Maß der  Vergeltung,  also des Tauschwerts von der Dringlichkeit des Bedürfnisses und dem Vorrat des Produkts bei jedem der Tauschenden, d. h. vom individuellen Begehr und Angebot abhängen, so daß man die Gesetze des Tauschwerts nur untersuchen und finden kann bei der  regelmäßigen  Arbeitsteilung, die den Einzelnen ihre besonderen immer gleichen Lebensbeschäftigungen zuweist, aus deren Zusammenwirken erst wieder der  Lebensunterhalt  für alle resultiert.


§ 5.
Der Begriff der Nahrungseinheit
als notwendige Ergänzung des Urtyps.

Ich denke, wir haben nun die Bausteine zu einem umfassenden und zeitgemäßen, dem jetzigen Stand der Wissenschaft entsprechenden Um- und Ausbau des "Urtyps" zusammen, sie sind in den oben bezeichneten Voraussetzungen gegeben, die ich, um den Schein einer willkürlichen persönlichen Erfindung zu vermeiden, in den Worten anerkannter Autoritäten vorgeführt habe. Holen wir denn also die wilden SMITHschen "Hirsch- und Biberjäger" herein aus ihren unwirtlichen  isolierten  Gefilden, Göttin CERES mit ihren himmlischen Genossen geselle den Menschen zum Menschen und heiße sie nach vernünftigen  Plan  arbeiten. Um ihr Treiben zu übersehen, nehmen wir eine kleine Zahl und zwar eine Zahl von 10 arbeitenden Menschen an. Angenommen also, diese kleine, aber begrifflich schon  soziale  Wirtschaftsorganisation richte ihren Plan darauf, zur Herstellung des Lebensunterhaltes ihrer 10 Mitglieder die Güter zu produzieren, welche nach der Produktivität des zur Verfügung stehenden Bodens und Urmaterials und nach dem Stand der Kultur und Technik zu erzielen sind. Sinnlich (rein ökonomisch) betrachtet, werden es also 10 menschliche Gesamtbedarf sein, deren Herstellung der Wirtschaftsplan zu seinem Ziel hat, oder - um diesen meines Erachtens wichtigsten wissenschaftlichen Begriff schon hier einzuführen -  10 "Nahrungseinheiten".  Jede dieser konkreten Nahrungseinheiten muß nun aus ganz bestimmten Quantitäten verschiedener Güterarten bestehen, nämlich solcher, welche die Nahrungs-, Wohnungs-, Kleidungs- und Erwärmungsbedürfnisse und fernerhin solcher, welche die anderweitigen vorhandenen und erfüllbaren Bedürfnisse befriedigen sollen. Nehmen wir gleichfalls 10 solcher Güterarten an, aus denen die erzielbare Nahrungseinheit besteht und setzen wir die Produktion als so eingerichtet voraus, daß jedes der 10 Individuen eine jener 10 Güterarten und Gütermengen von Anfang bis zu Ende fertig stelle, so daß also bei  A  schließlich für jede Konsumtionsperiode 10 Stück des Gutes  1  zum Verbrauch daliegen, bei  B.  10 Stück des Gutes 2 und so fort bei  K.  10 Stück der zehnten Gütersorte, so würde im vorausgesetzten Zustand die Verteilung des Erarbeiteten so vor sich gehen, daß  A, B, C  bis  K  je 1/10 der von ihnen persönlich gefertigten Gütersorte behalten und die übrigen 9/10 gegen je 1/10 des Produkts der anderen an letztere abgeben oder, wenn die Gesellschaft mehr sozialistisch gefärbt wäre, jeder Genosse sein ganzes Produkt in das gemeinsame Magazin schafft, von welchem aus die schließlich Verteilung doch wieder nach  denselben  Grundsätzen zu erfolgen hätte.

Ich bin nun allerdings mit RICARDO der Ansicht, daß in diesem von ihm doch schließlich selbst gemeinten und oben von mir nur näher ausgestalteten hypothetischen Zustand der Tauschwert der gegeneinander umgesetzten Güter vollständig mit dem Maß der auf sie verwendeten verglichenen  Arbeit  korrespondiert, indessen, muß ich als neu hinzufügen,  auch  korrepondiert mit dem Maß der durch jene Arbeit hergestellten Bedürfnisbefriedigungsqualität.  Zwei  begriffliche  Maßeinheiten  stehen sich hier gegenüber. Auf der  einen  Seite der Begriff der lebendigen produzierenden Arbeit, gemessen an einem Arbeitstag, einem Arbeitsjahr, demnach die einheitlich zusammengefaßte Menge Arbeit, die dem eintätigen, einjährigen Leben des Arbeiters entspricht, auf der  anderen  Seite: der Begriff der erarbeiteten konkreten Nahrungsmittelmengen, (Nahrung im weitesten Sinn des gesamten Unterhaltungsbedarf gemeint), welche der Arbeiter für sein Leben während eines Tages, eines Jahres oder einer beliebigen anderen Zeitspanne seines Daseins verbraucht.

Ebensogut und so schlecht wie RICARDO sagt, das eine Gut sei so viel wert als ein anderes, weil gleich viel Arbeit auf dasselbe verwendet worden und "in ihm steckt", gerade so gut bin ich von der anderen Seite berechtigt, zu sagen, die beiden Güter sind deshalb gleich viel wert, weil sie beide ermöglichen, in jenem vorausgesetzten Zustand der Arbeitsteilung gleiche Mengen oder Quoten von Nahrungseinheiten einzutauschen. Jedenfalls aber kann man sagen, die  Summe  von Gütern, welche jeder Einzelne jener jener 10 Menschen den Zeitraum hindurch fertig gestellt hat, ist deshalb eine Nahrungseinheit wert, weil es ihm durch den Austausch seines Produkts gelingt, ebenfalls eine solche Einheit, d. h. die 10 verschiedenen Güterquantitäten für seinen Lebensunterhalt einzuholen und die anderen können ihm die Nahrungseinheit stellen, weil eben das  Zusammenwirken  der 10 Arbeiter ermöglicht, 10 Nahrungseinheiten zu schaffen und ihm eine davon abzutreten.

Wären also jene 10 Menschen rein sozialistische, etwa vermöge einer freien Vereinbarung, eines  "contrat social",  konstituiert, so bekäme jeder aus dem gemeinschaftlichen Maganzin einfach eine Nahrungseinheit zusammengestellt und es wäre hier eine ganz überflüssige Spielerei, die einzelnen Teil dieser Nahrungseinheit, die 10 Gütersorten, ihrem Wert nach noch extra nach der in ihnen enthaltenen Arbeitsmenge zu bestimmen, die richtige und naturgemäße Verteilung erfolgte "rein ökonomisch" in natura. Keine Spielerei aber, sondern eine bittere Notwendigkeit für die individualistische Verständigung und Austragung des wirtschaftlichen Kampfes ist es, den relativen Wert der einzelnen, von örtlich zerstreuten und durch egoistische Sonderinteressen geleiteten Individuen hergestellten Bestandteile von Nahrungseinheiten dann haarscharf und streng zu bestimmen, wenn so ein gemeinschaftlicher Zentralwille, der als "Verteiler" die Einigkeit der Arbeiter durch mehr oder minder strengen Zwang herbeiführt, fehlt und erst dadurch ersetzt werden muß, daß sich die tauschenden Personen mit fremder kalter do-ut-des-Politik [Ich gebe, damit du gibst. - wp] gegenübertreten. Denn nichts Geringeres, als einen bestimmten Teil und zeitlichen Abschnitt seiner Lebenskraft gibt der Verkäufer fort und muß, um leben zu können, imstande sein, für einen gleichen Abschnitt seiner Lebenszeit eine entsprechende Quote und Maß einer Nahrungseinheit als Befriedigungsmittel zur Erhaltung seines Lebens dafür einzutauschen. Und warum geht es auch hier, warum stimmt auch hier der aliquote [vereinzelte - wp] Teil der Arbeitseinheit mit dem gleichen aliquoten Teil der Nahrungseinheit zusammen? Eben doch aus dem nämlichen Grund, weil trotz des fehlenden politischen Sozialismus ein wirtschaftlicher Sozialismus der Arbeitsvereinigung und Arbeitsteilung besteht und nur insoweit er besteht, ist die wirtschaftliche Harmonie und Kongruenz erricht, während beim blinden Zufallstausch die Wertbestimmung von Willkür, Laune und Not abhängt. Das ist ja das Großartige und Erhebende des sozialen Zusammenschlusses der Individuen auch auf wirtschaftlichem Gebiet, daß ihnen die Möglichkeit gegeben wird, erst voll und ganz Mensch zu sein. Während sie scheinbar ein Stück ihres Lebens und ihrer Freiheit fortgeben, indem sie für andere streben und arbeiten und die anderen dasselbe für sie tun, potenzieren sie ihre individuelle macht, statt sie zu verkleinern. Der Mensch selbst gibt jetzt das Maß ab für die Dinge der Außenwelt, der Mensch kann jetzt, wie neuere Nationalökonomen so schön hervorgehoben haben, der wirkliche Ausgangspunkt aller Wirtschaft sein, der Mensch ist das Maß aller Dinge, der Mensch als ein Ganzes bestimmt die Werteinheit und zwar sagt RICARDO und die alte Schule: Der Mensch als arbeitendes Wesen; der Mensch als genießendes Wesen dagegen - sagt  die  Schule, die jetzt nach Herrschaft ringt und die da meint, daß der Mensch nur arbeitet, um zu leben und nicht lebt, um nur zu arbeiten.

In jener begrifflich ergänzten Hypothese des SMITH-RICARDOschen "Urzustandes" decken sich also Genuß- und Arbeitseinheit noch in schöner Harmonie, aber der  genießende  Mensch macht doch hauptsächlich, ja im letzten Grund ausschließlich, auch dort schon die Werteinheit aus. Daß dieselbe hier mit der Kostenarbeit zusammenfällt, ist nichts als eine zufällige Eigentümlichkeit dieser besonderen Hypothese. Nicht weil in jener kleinen Welt eine bestimmte Arbeit auf ein Gut verwendet worden ist, hat es den geschilderten Wert, sondern weil die Nahrungseinheit als Werteinheit a priori den Produzenten teleologisch bestimmend bei ihrem ganzen Wirtschaftsplan vorgeschwebt und sie bewußt oder unbewußt geleitet hat. Erst a posteriori findet, durch den Notbehelf des Wertansatzes beim Tausch, die Wertbemessung nach Arbeit statt. Zeitlich und kausal geht die Arbeit voran, teleologisch aber bestimmt der Wert der Güter die auf ihre Erzeugung zu verwendende und verwendete Arbeit. Die Unterscheidung und Bemessung der einzelnen Güter der Nahrungseinheit in ihrem gegenseitigen Arbeitskostenwert ist nur "das Medium der Verteilung". Weil das Individuum nicht volle Nahrungseinheit gegen volle Nahrungseinheit vertauscht, muß es sich die zerstreuten Teile derselben von den einzelnen Wirtschaftsgenossen heran- und zusammenholen, wobei die Arbeit als bloße Verteilungskategorie in diesem speziellen  "historischen"  Zustand das  scheinbare  Maß des Wertes abgibt, aber die Arbeit nicht als naturaler rein ökonomischer Produktionsfaktor, sondern als  historische Kategorie. 

Das ist es nun gerade, was die RICARDOsche Schule übersah und bei der unvollständigen und unorganischen Vorstellung vom "Urtypus" übersehen mußte. Indem sie nur zufällige Tauschfälle betrachtete, entgingen ihr all die Elemente, die die Grundlagen der Arbeitsteilung und Arbeitsvereinigung in einem  sozialen  Organismus ausmachen, wo es sich nicht um zufällig erlegte Hirsche und Biber handelt, deren gesonderte Wertbemessung überhaupt schlechterdings unmöglich ist, sondern wo die einzelnen produzierten und zur Verteilung gelangenden Güter in ihrer "leibhaftigen" sinnlichen Nutzbarkeit als fest, integrierende Bestandteile der planmäßig erzeugten bestimmten Nahrungseinheiten ihren bestimmungsmäßigen und bestimmten Platz einnehmen. In einem solchen Organismus sind nicht nur die demselben zur Verfügung stehenden bereiten Arbeitskräfte der einzelnen Individuen, sondern, da über dies die von ihnen zu bearbeitenden und auszunutzenden Naturkräfte gegebene sind, auch der Umfang und Inhalt der nach dem jeweiligen Stand der Technik, Kultur und Produktivität erzielbaren und zu verteilenden Nahrungseinheiten eine zur gegebenen Zeit bestimmbare und bestimmte  absolute Größe. 

Die effektive Wirkungssphäre der  Arbeit  für den Wertbildungsprozeß dagegen ist nur von  relativer,  wenn auch eminent wichtiger Bedeutung. Im geschilderten Zustand würde sie darin bestehen, daß sie den  relativen  Wert der einzelnen Güter als Bestandteile der Nahrungseinheit "anzeigt"; "bestimmt" kann man kaum einmal sagen oder man muß wenigstens hinzusetzen: vorausgesetzt, daß die Nahrungseinheit als solche, nämlich als Werteinheit, vorher feststeht.

Herausgerissen aus diesem organischen Zusammenhang muß die Arbeit eine unerklärliche mystische "Substanz" des Werts bleiben, wie MARX sie nennt und wie so viele Philosophen, wenn sie ein Ding nicht erklären können, von seiner "Substanz" reden.

Will man die Gesetze ergründen, die für einen komplizierten Organismus, wie die Volkswirtschaft, gelten, so darf man nur Wirtschaftstypen benutzen, welche, seien sie auch noch so einfach, dennoch in nuce [in knapper Form - wp] latent schon auch die heute maßgebenden Grundelemente enthalten, sonst läuft man Gefahr, statt einen Typus aufzustellen, eine Utopie zu erfinden und dann, was für die Anwendung noch schlimmer ist, diese Utopie in die Erklärung des heutigen Wirtschaftsorganismus hineinzutragen. Vor allem muß man bei der Aufstellung eines solchen Urtypus sich klar machen, daß es sich doch nur um eine theoretische Abstraktion und eine begriffliche Abbreviatur [Abkürzung - wp] des wirklichen Zustandes handelt. Die einzelnen Abbreviaturen müssen genau darauf untersucht werden, ob sie nicht etwa wesentlich indispensable Grundprinzipien enthalten, die zwar im vorausgesetzten Typus  scheinbar  zurücktreten, aber doch vielleicht im Laufe der historischen Ausbildung des Organismus als wesentlich hervortreten und so verursachen, daß das Prinzip umwandelnde Modifikationen erleidet.

Was ganz anderes wäre es, wenn der viel genannte Urtypus geschichtlich wäre. Dann könnte man einfach  induktiv  seine Gesetze ergründen und induktiv-historisch aus der Empirie die Fortbildung jener Gesetze erkennen. Diesen Anspruch als historische Tatsache und Wahrheit kann ja doch aber der "Urtypus" nimmermehr erheben, vielmehr ist man sich längst darüber einig, daß sich die sozialen Wirtschaftsformen geschichtlich nicht aus jenen geschilderten kleinen freien und gleichen, also gewissermaßen auf Grundlage eines contrat social gebildeten Arbeitsvereinigungen, sondern umgekehrt aus Zuständen der Gebundenheit und Unfreiheit herausgebildet haben. Die RICARDOsche Hypothese ist eine rückwärts aus dem heutigen Zustand künstlich herausgeschälte, unvollkommene und einseitige  Deduktion,  in welcher von einer ganzen Reihe der wichtigsten heute mitspielenden  Elemente  abstrahiert wird, sie setzt eine große Reihe von Umständen voraus, die in Wirklichkeit wohl niemals überhaupt zusammengetroffen sind, sie setzt voraus: gleiche naturale Produktionsbedingungen für jedermann, also beliebige Füllen von gleich fruchtbarem Boden gleich günstiger lage, gleiche persönliche Leistungen, gleiches Produktionsresultat, ferner in sozialer Beziehung: unbedingte Freiheit und Gleichheit, Aufhebung allen Grundeigentums oder doch allgemeine Zugänglichkeit der Naturalfaktoren und teilweise infolgedessen: Fortfall jedes Zwangsverhältnisses, letzteres wenigstens scheinbar, eben weil im künstlichen Gebilde RICARDOs die historische Kategorie in ihren Wirkungen für die oberflächliche Betrachtung latent bleiben muß; denn der Umfang der einzelnen Nahrungseinheiten im vorausgesetzten Zustand hängt nur von der jeweilig gegebenen Produktivität des Bodens und der Arbeit, also von lauter rein ökonomischen Elementen ab. Da die zehn Arbeiter das gesamte Produkt ihrer Arbeeit noch mit keinen anderen Partizipienten zu teilen haben, vielmehr alles behalten, tritt das soziale Element der Macht und des Zwangs zurück, es wird hier ersetzt durch die Freiheit, Gleichheit und den Gerechtigkeitssinn der Mitglieder des vorausgesetzten wirtschaftlichen Zustandes und durch die Tatsache, daß, wenn man einem Genossen nicht den seinem Arbeitseinsatz entsprechenden Anteil, d. h. eine gleiche Nahrungseinheit, wie den anderen, gewährt, er davonläuft, hierdurch "zwingt" er seine Genossen allein. Aber dieser Zwang ist der sanfte, gerechte und harmonische Zwang der hypothetisch gedachten Verhältnisse, er ist mehr ethischer und deshalb problematischer Natur.

Diese Harmonie, über welche RICARDO das Vorhandensein und die Wirkungssphäre der historischen Kategorie ganz vergißt, schwindet nun aber später und es liegt der große Verstoß der Arbeitskostentheoretiker gerade darin, daß sie nicht untersuchen, ob sich nicht mit der Änderung jener hypothetischen Grundbedingungen in den späteren Wirtschaftsperioden jene einfachen "ursprünglichen" zwingenden Momente geändert haben und in ganz anders geartete historische Kategorien übergegangen sind.

RICARDO übersieht, daß jetzt jenen ursprünglich erforderlichen Nahrungseinheiten der Arbeiter, welche letzteren noch Kapitalisten, Grundeigentümer und Arbeiter gewissermaßen in  einer  Person waren,  neue  Nahrungseinheiten hinzutreten, die eine ganz andere wirtschaftliche Betrachtung notwendig machen. Früher war die  eine  Arbeiternahrung die  selbstverständliche  umfassende Werteinheit, deren einzelne Bestandteile nur aufzuteilen und zu bewerten waren.

Der Arbeiter mußte sich diese Bestandteile von den einzelnen Genossen, wo sie zerstreut bereit lagen, zusammenholen. Auf diese wichtige Zusammenholung der Bestandteile, auf das Resultat, daß er dann die gleiche Nahrungseinheit wie die anderen Genossen zusammenbrachte, konnte sein ausschließliches Bestreben gerichtet bleiben.

Die neuen kapitalistischen Bodenbebauer und Industrieunternehmer haben eine Sorge mehr, sie müssen darauf sehen, daß die von den Arbeitern während der Produktion verzehrten und ihnen vorgeschossenen Nahrungseinheiten wieder erzeugt und zusammengebracht werden, es entsteht aber für die kapitalistischen Unternehmer zugleich ein anderes Postulat: Die Erzeugung und Zusammenbringung ihrer  eigenen  Nahrungseinheiten und damit die weitere Sorge, nicht nur, daß die Arbeiter genug zum Leben erhalten, sondern auch daß sie nicht zuviel erhalten und daß ihnen selbst als Unternehmern das Genügende übrig bleibt.

Im früheren hypothetischen Wirtschaftszustand war die Arbit der Produzenten der alleinige praktische Verteilungs- und Wertmaßstab, indem sie den relativen Wert der einzlnen Bestandteile der feststehenden Nahrungseinheit ausmachte. Die eigentliche  absolute  Bewertung war noch nicht erforderlich, die Arbeit war nur das Medium für die Zuteilung der einzelnen Bestandteile der in ihrer Größe und in ihrem Wert  gegebenen  Nahrungseinheiten.

Anders heute. Da geht es nicht an, die Werte zu verteilen, ohne den Wert des zu Verteilenden selbst zu kennen. Heute kann der Wert  nicht  bloßes Medium der Verteilung sein, d. h. es kann sein Wesen aus bloßen Verteilungskategorien nicht ergründet werden, heute müssen die Nahrungseinheiten erst in sich nach ihrer absoluten Bedeutung bewertet werden, ehe man an die Bewertung der einzelnen Bestandteile derselben gehen kann. Wenn man für den früheren Zustand die Arbeit als den alleinigen Verteilungsfaktor ansehen konnte, da sie allein den Divisor für den  gegebenen  Dividendus [Teiler - wp] ausmachte, wie kann man denn diesen Verteilungsmaßstab nun von seinem früheren zufälligen Anwendungsfeld blindlings übernehmen und mit ihm in einen ganz anderen komplizierten und in sich jetzt unbestimmten Dividendus, d. h. in die Arbeiter-  und  Kapitalisten-Nahrungseinheiten hineindividieren.

Die alten gleichen Verteilungsmaximen wären nur bei Aufteilung der gleichen alten Nahrungseinheiten anwendbar, sie wären denkbar, wenn die Arbeit auch noch heute gleich viele und gleich große Nahrungseinheiten produzierten, so viel die gegebene Produktivität der Kulturstufe es erlaubt und zwar, wie früher, nur in Rücksicht auf ihre eigene Ernährung und nun -  hinterher  etwa die Kapitalisten wie Vampyre oder Schmarotzer von einem jeden einzelnen Bestandteile dieser nämlichen Einheiten einen gleichprozentigen Abspliss [Abspaltung - wp] fortsaugten. In dieser fehlerhaften Anschauung, der RICARDO zuerst sich schuldig gemacht hat, wurzelt noch heute der theoretische Sozialismus, besonders die MARXsche (und auch RODBERTUSsche) Theorie vom "Mehrwert". Mögen die Sozialisten doch alles Produkt zusammen, einschließlich der Nahrungseinheiten der Kapitalisten, auf die Arbeit, als alleiniges wahres und verdienstliches Produktionsmittel, zurückführen, d. h. den Arbeitern das gesamte Produkt als ihr wahres, ihnen geraubtes Eigentum  vindizieren  [Eigentümer fordert die Herausgabe einer Sache vom Besitzer - wp]. Diese mehr ethische als ökonomische Betrachtungsweise kann Ihnen ja niemand verwehren. Wenn sie sich aber darauf stützen, daß die Handarbeit allein als produzierendes Element  faktisch  - und nach dem richtigen Dogma - den Wert der einzelnen Güter bestimme, daß der Gewinn nur einen Abzug vom Wert des einzelnen nur als  Arbeitsprodukt  gedachten Gutes ausmache, so segeln sie unter falscher Flagge, sie mißbrauchen die Wissenschaft als Deckmantel für ihre  Verteilungs bestrebungen, selbst wenn man letztere ansich, aber aus ganz anderen Gründen, für  gerecht  ansehen wollte.

Wenn man, wie z. B. MARX wiederholt verspricht, die Gesetze der  bestehenden  Volkswirtschaft darlegen will, muß man sich vor allem hüten, ethische Forderungen mit faktischen Bestimmungsgründen zu verwechseln.

Man vergegenwärtige sich doch recht genau die volle Absurdität der RICARDO-MARXschen Gedankenfolge: Im ursprünglichen Zustande bestimmt die Arbeit allein den Wert, dieser Wert stammt nur aus der Verteilung, deren "Medium" derselbe ist, also wäre doch die Arbeit als wertbildendes Element nur in ihrer Gestalt als historische (Verteilungs-)Kategorie gedacht. Wir haben gesehen, die ist in jenem vorausgesetzten eigenartigen Urtypus auch zufällig zutreffend, da überall gleiche Produktionsbedingungen und gleiche Produktionseffekte in Gestalt gleicher Nahrungseinheiten vorausgesetzt sind und keine anderen "Verteiler" als die Arbeiter da sind. Statt nun zu untersuchen, wie im späteren Zustand die historische Kategorie, die als solche ja schon  begrifflich  variabel ist, sich in ihren Wirkungen auf die Wertbestimmung ändert und ob nicht das Hinzutreten der zwei neuen "Verteiler", der Grund- und Kapitaleigentümer, neue Verteilungskategorien hinzufügt, vergessen jene Schriftsteller den Unterschied zwischen Produktions- und Verteilungsfaktoren und handeln überdies nur von  einem  Faktor, der Arbeit. Statt, wie es jetzt richtig wäre, 6 Faktoren zu unterscheiden, nämlich Arbeit, Natur und Kapital, je in ihren doppelten Funktionen als Produktions- und als Verteilungsfaktoren, übernehmen sie aus dem alten Zustand den  einen  Faktor, Arbeit, allein und zwar werfen sie die beiden Funktionen dieser letzteren noch überdies zusammen und unterscheiden nicht, ob die Arbeit als Produktions- oder als Verteilungsfaktor wirkt, sie sprechen nur von der Quantität Arbeit, die in den Produkten "steckt", nennendas "Substanz des Wertes" und operieren so mit einem ich möchte sagen "mystischen Agens", welches auf eine unerklärliche Weise den Wert inhärent mit dem Stoff hervorzaubert.

Auf diesem Standpunkt der logischen Verwirrung angelangt, ist dann für die Sozialisten der Schluß von selbst gegeben: Da der Wert des ganzen Produkts ausschließlich durch die Größe der auf dasselbe verwandten produzierenden Arbeit bestimmt wird, so ist jede Art von Gewinn und Rente ein Abzug vom Wert, ein Raub am "Eigentum" der Arbeit - ein Diebstahl.
LITERATUR - Rudolf Stolzmann, Die soziale Kategorie in der Volkswirtschaftslehre, Berlin 1896
    Anmerkungen
    1) Die letztere Bezeichnung führt notwendig auf die Prüfung der schon oben als zweifelhaft angedeuteten Terminologie für die beiden in diesem Buch behandelten und unterschiedenen Kategorien. Was sachlich mit den beiden letzteren von mir und meinen Vorgängern, denen der Ruhm der "Entdeckung" derselben allein zukommt, gemeint ist, habe ich bisher nur in allgemeinen Umrissen, zur Einführung des Lesers in die Materie, mir vorzuführen erlaubt, es wird hoffentlich im Folgenden immer klarer werden und Fleisch und Blut erhalten. Ich lege deshalb auf die Benennung keinen großen Wert und könnte dieselbe den Entdeckern, wie es üblich ist, füglich überlassen. Aber doch möchte ich, zur Vermeidung falscher Auffassungen vorschlagen, den beiden jüngsten erst seit einigen Jahrzehnten mühsam eingeführten Schmerzenskindern der Wissenschaft von vornherein einen möglichst zweifelsreinen Namen auf ihren Weg mitzugeben. Ich habe oben schon anerkannt, daß die z. B. von ADOLF WAGNER, in Anlehnung an RODBERTUS, festgehaltenen Ausdrücke: volkswirtschaftliche, allgemein-volkswirtschaftliche oder auch nationalwirtschaftliche Kategorie, wie sie besonders in der Bezeichnung für die eine Kapitalsorte, für das "Kapital ansich" mit dem Wort "Nationalkapital", als rein ökonomische Beziehung gebraucht werden, eine gewisse Berechtigung haben. Denn, wie gesagt, die rein ökonomischen Elemente, das "Kapital ansich", die zur Gütererzeugung erforderlichen Produktionsgegenstände, sind ein Erfordernis  jeder  Produktion und jeder Volkswirtschaft, sei es im Staat mit Kapital- und Grundeigentum, sei es im reinen Sozialstaat, wie ihn RODBERTUS schildert. RODBERTUS ist auch der eigentliche Vater jener Ausdrücke, besonders des Ausdrucks: Nationalkapital. In seinem rein sozialen Staat gibt es nämlich nur Nationalkapital, es fällt dieses dort mit dem rein ökonomischen Kapital zusammen. Und da nimmt nun RODBERTUS den dort zufällig zutreffenden Ausdruck einfach in den modernen Staat mit hinüber. Gewisse Kapitalgegenstände sind allerdings schon auf den untersten Kulturstufen unentbehrlich gewesen, sie sind in jeder Volkswirtschaft erforderlich, daher "allgemein-volkswirtschaftlicher" Natur - aber eben  deshalb  ist es meines Erachtens nun gerade besser, man nennt sie  nicht:  volkswirtschaftliches Kapital. Man "abstrahiert" hier gerade von der Volkswirtschaft als solcher und, was mir der wichtigste Gegengrund zu sein scheint: die rein ökonomische Kategorie kommt ja auch in der "isolierten" Wirtschaft vor, die doch den Gegensatz zu aller Volkswirtschaft bildet. Und weiter: Volkswirtschaftslehre, Nationalökonomie ist identisch mit  Sozialökonomie,  welches Wort jetzt häufig von den Nationalökonomen sehr zutreffend und den Kern erfassen, anstelle von: Nationalökonomie gewählt wird. Nationalökonomie,  Sozial ökonomie entsteht nach dieser Auffassung erst bei der sozialen Betrachtung der Volkswirtschaft, also wäre das Wort: volks- oder national- oder  sozial wirtschaftlich für die rein ökonomische Kategorie nicht angebracht. - Auch möchte umgekehrt auf der anderen Seite vor der Bezeichnung "privatwirtschaftlich" für die soziale Kategorie ernstlich zu warnen sein, da die letztere in der reinsten Form der Privatwirtschaft, nämlich in der isolierten Wirtschaft überhaupt nicht vorkommt, auch der Grund ihrer Entstehung nicht in der Privatwirtschaft, sondern gerade in der Sozialwirtschaft, in der Volkswirtschaft zu suchen ist. Ich werde daher im weiteren Verlauf die eine Kategorie durchweg nur die  rein ökonomische, natürliche  oder  naturaltechnische,  die andere die  soziale,  die  historische,  die  Verteilungskategorie  nennen.