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JOHN STUART MILL
Was das Nützlichkeitsprinzip ist

"Es ist zweifellos, daß dasjenige Wesen, dessen Genußfähigkeit eine geringe ist, die meisten Chancen einer vollständigen Befriedigung derselben besitzt, - und ein hochbegabtes Wesen wird immer fühlen, daß jede Glückseligkeit, die es als Ziel ins Auge fassen kann, so wie die Welt nun einmal ist, unvollkommen bleibt. Aber er kann lernen, ihre Unvollkommenheiten zu ertragen, sofern dieselben überhaupt erträglich sind, und sie werden ihn nicht bewegen können, dasjenige Wesen zu beneiden, welches sich dieser Unvollkommenheiten in der Tat nicht bewußt ist, aber nur aus dem Grunde, weil es überhaupt das Gute nicht zu fühlen befähigt ist, welches durch diese Unvollkommenheiten beschränkt wird. Es ist besser, ein unbefriedigtes menschliches Wesen zu sein als ein befriedigtes Schwein, - besser ein unbefriedigter Sokrates als ein befriedigter Tor. Und wenn der Tor oder das Schwein anderer Meinung ist, so rührt das eben daher, daß beide die Frage nur von ihrer eigenen Seite kennen; der andere der in Vergleich kommenden Teile kennt aber beide Seiten."

"Nächst der Selbstsucht liegt die Hauptursache, welche das Leben unbefriedigend macht, im Mangel geistiger Bildung. Ein gebildeter Geist - ich verstehe darunter nicht den eines Philosophen, sondern jeden Geist, dem der Born der Erkenntnis erschlossen, und der in leidlichem Grad gelehrt worden ist, seine Fähigkeiten zu üben - findet Quellen eines unerschöpflichen Interesses in allem was ihn umgibt, in den Gegenständen der Natur, in den Werken der Kunst, in den Schöpfungen der Dichtung, in den Begebenheiten der Geschichte, in den Zuständen der Menschheit in Vergangenheit und Gegenwart, wie in ihren Aussichten in die Zukunft. Allerdings ist es möglich, gegen all diese Dinge gleichgültig zu werden, und zwar schon bevor der tausendste Teil derselben erschöpft worden ist, aber doch nur, wenn einer von vornherein kein moralisches oder menschliches Interesse an diesen Dingen hatte und in ihnen nur die Befriedigung der Neugierde gesucht hat."

Nur beiläufig verdient eine Bemerkung die auf barer Unwissenheit beruhende Voraussetzung, als ob diejenigen, welche für die Nützlichkeit als für den Maßstab von Recht und Unrecht, eintreten, dieses Wort nur in jenem beschränkten Sinn gebrauchten, wie es eben nur in der Umgangssprache üblich ist, welche den  Nutzen  dem  Vergnügen  entgegensetzt. Ich muß hier die philosophischen Gegner des Nützlichkeitsprinzips um Entschuldigung bitten, damit es auch nicht einen Augenblick scheine, als verwechsle ich sie mit denen, welche eines so absurden Mißverständnisses fähig sind. Daß dieses Mißverständnis überhaupt möglich ist, scheint umso auffälliger, als gerade die gegenteilige Anklage, daß alles nur auf das  Vergnügen  bezogen werde, und sogar auf das Vergnügen in seiner gröbsten Form, eine andere allgemeine Beschuldigung gegen die Nützlichkeitstheorie ist, und als - wie ein geistvoller Schriftsteller beißend bemerkt hat - dieselbe Gattung von Personen, ja oft sogar ein und dieselben Personen, die Theorie als "in unpraktischer Weise trocken verklagen, wenn das Wort  Nutzen  dem Wort  Vergnügen  vorangeschickt wird, und als in zu praktischer Weise lustdienerisch, wenn das Wort  Vergnügen  dem Wort  Nutzen  voransteht". Diejenigen, welchen der Gegenstand nicht unbekannt ist, wissen, daß alle Schriftsteller, von EPIKUR bis auf BENTHAM, welche die Nützlichkeitstheorie verfochten, darunter nicht etwas verstanden, was dem Vergnügen entgegengesetzt ist, sondern das Vergnügen selber, verbunden mi dem Befreitsein von allem Leid, und daß sie, anstatt das Nützliche dem Angenehmen oder dem Gefälligen entgegenzusetzen, immer erklärt haben, daß unter dem Nützlichen außer anderen Dingen eben auch diese verstanden seien. Gleichwohl verfällt die große Menge - inbegriffen die Menge der Schriftsteller, und zwar nicht nur die, welche in Zeitungen und Zeitschriften auftreten, sondern auch diejenigen, welche der Welt Bücher von Gewicht und voll Ansprüchen schenken - immer wieder in dieses seichte Mißverständnis. Haben sie einmal das Wort  utilitarisch  aufgefaßt, so drückens sie, weil sie abgesehen vom Klang des Wortes sonst nichts darüber wissen, durch dasselbe in der Regel die Verwerfung oder Vernachlässigung des Vergnügens in einigen seiner Formen aus, nämlich des Schönen, des Gefälligen oder des Vergnüglichen. Auch findet dieser aus Unwissenheit entspringende Mißbrauch des Wortes keineswegs nur im Sinne des Tadels statt, sondern gelegentlich auch im empfehlenden, gleich als ob es das Erhabensein über die Frivolität und die bloßen Vergnügungen des Augenblicks in sich schließe. Und dieser verkehrte Gebrauch ist der einzige, in welchem das Wort allgemein bekannt ist, und der einzige, aus welchem die neue Generation ihre Kenntnis vom Sinn desselben schöpft. Diejenigen, welche das Wort eingeführt, dann aber durch Jahre unterlassen haben, dasselbe im Sinn einer unterscheidenden Bezeichnung zu gebrauchen, mögen sich wohl berufen fühlen, es wieder aufzunehmen, wenn sie hoffen können, auf diese Weise zur Rettung desselben vor der äußersten Entwürdigung etwas beizutragen. (1)

Die Lehre, welche als die Grundlage der Moral das Prinzip der Nützlichkeit oder der größten Glückseligkeit annimmt, hält dafür, daß Handlungen in dem Grad recht sind, als sie auf Förderung der Glückseligkeit abzielen, und unrecht, insofern sie das Gegenteil der Glückseligkeit bezwecken. Unter Glückseligkeit ist das Vergnügen und die Abwesenheit des Leidens verstanden, unter Unglückseligkeit das Leid und die Abwesenheit des Vergnügens. Um eine klare Einsicht in das Wesen der moralischen Richtschnur zu geben, welche durch diese Theorie aufgestellt wird, bedarf es noch einer viel weitläufigeren Auseinandersetzung: insbesondere, welche Dinge die Theorie unter den Begriffen Leid und Vergnügen begreift, und bis zu welchem Grad dies noch eine offene Frage bleibt. Aber diese ergänzenden Erläuterungen haben weiter keinen Einfluß auf die Lebenstheorie, auf welche sich diese Moraltheorie gründet, und die dahin lautet,  daß Vergnügen und Freisinn von Leid die einzigen Dinge bleiben, welche als Endzweck wünschenswert sind,  daß alle wünschenswerten Dinge (welche in der Darstellung der Nützlichkeitstheorie nicht weniger zahlreich sind als in jeder anderen) entweder wünschenswert sind um des Vergnügens willen, welches an ihnen haftet, oder als Mittel zur Förderung des Vergnügens und zur Verhinderung des Leids.

Nun erregt aber eine solche Lebenstheorie in vielen Menschen, und unter diesen auch in manchen der nach Denkart und Gesinnung schätzenswertesten, eine eingewurzelte Abneigung. Die Unterstellung, daß das Leben (wie sie sich ausdrücken) keinen höheren Endzweck habe als das Vergnügen, keinen besseren und edleren Gegenstand des Wünschens und Strebens, bezeichnen sie als im höchsten Grad niedrig und am Staube haftend, als eine Lehre, würdig der Schweine, mit denen ja schon in sehr früher Zeit die Jünger EPIKURs mit Verachtung verglichen wurden; und auch moderne Schildhalter der Lehre werden gelegentlich zum Gegenstand gleich höflicher Vergleichungen gemacht von Seiten ihrer deutschen, französischen und englischen Angreifer.

Auf solche Angriffe haben die Epikureer geantwortet, daß nicht sie, sondern ihre Ankläger diejenigen sind, welche die menschliche Natur in so entwürdigender Beleuchtung zeigen, sintemal [zumal - wp] die Anklage voraussetzt, daß menschliche Wesen keiner anderen Vergnügungen fähig seien als derjenigen, welcher die Schweine fähig sind. Wäre diese Voraussetzung richtig, so könnte die Beschuldigung allerdings nicht widerlegt werden, würde damit aber auch aufhören ein Vorwurf zu sein; denn wenn die Quellen des Vergnügens genau dieselben wären für menschliche Wesen und für Schweine, so müßte die Lebensregel, welche für die einen gut genug ist, es auch für die anderen sein. Die Vergleichung des epikureischen Lebens mit dem des Viehs wird als herabwürdigend empfunden, gerade weil Vergnügungen, wie das Vieh sie kennt, den Vorstellungen eines menschlichen Wesens von Glückseligkeit kein Genüge tun. Menschliche Wesen besitzen Fähigkeiten, welche über tierische Gelüste hinausgehen, und sind sie sich derselben erst einmal bewußt geworden, so vermögen sie die Glückseligkeit in nichts mehr zu erblicken, was nicht ihre volle Befriedigung enthält. Ich bin in der Tat nicht der Ansicht, als hätten die Epikureer in der Ausführung ihres Schemas der Ableitungen aus dem utilitarischen Prinzip durchaus keinen Fehler begangen. Um dies in genügender Weise zu tun, müssen zahlreiche stoische sowohl als christliche Elemente beigemischt werden. Es ist aber keine epikureische Lebenstheorie bekannt, welche nicht den Vergnügungen des Verstandes, der Gefühle und der Einbildungskraft wie der sittlichen Gesinnung einen weit höheren Wert beilegt, als denen der Sinne allein. Gleichwohl muß zugegeben werden, daß utilitarische Schriftsteller im allgemeien den Vorzug der geistigen vor den sinnlichen Vergnügungen hauptsächlich in die größere Dauerhaftigkeit, Ungefährlichkeit, Wohlfeilheit und dgl. der ersteren gelegt haben, das heißt nicht sowohl in deren innere Wesenheit als vielmehr in die mit ihnen verbundenen Vorteile. Und in all diesen Punkten haben die Utilitarier ihre Sache vollkommen bewiesen; aber sie hätten sich auch an den anderen und, wie man ihn nennen kann, höheren Standpunkt halten können, ohne sich selbst untreu zu werden. Recht wohl verträgt sich mit dem Prinzip der Nützlichkeit die Anerkennung der Tatsache, daß einige  Arten  des Vergnügens wünschenswerter und wertvoller sind als andere. Es wäre aber auch ungereimt vorauszusetzen, daß, während bei der Abschätzung aller anderen Dinge die Qualität ebensowohl in Betracht kommt als die Quantität, die Wertbestimmung des Vergnügens von der Quantität allein abhängig sei.

Wenn man mich nun fragt, was ich mir unter einem Unterschied in der Qualität der Vergnügungen denke, oder was das eine Vergnügen wertvoller macht als ein anderes, und zwar eben nur als Vergnügen betrachtet, abgesehen von seinem höheren Belauf [Betrag - wp] in der Quantität, - so ergibt sich nur eine mögliche Antwort.

Wenn von zwei Vergnügungen das eine derart ist, daß alle, oder nahezu alle, welche durch Erfahrung die Kenntnis beider haben, demselben einen entschiedenen Vorzug geben, und zwar ohne Rücksicht auf irgendein Gefühl moralischer Verpflichtung, dasselbe vorziehen zu sollen, so ist dieses das wünschenswertere Vergnügen. Wird von beiden eines von denjenigen, welche mit beiden hinlänglich bekannt sind, insoweit über das andere gesetzt, daß sie es demselben vorziehen, selbst wenn sie auch wissen, daß es mit einem höheren Betrag von Mißbehagen verbunden ist, und daß sie dasselbe auch nicht gegen die größte Quantität des anderen Vergnügens, deren ihre Natur fähig ist, vertauschen möchten, so sind wir berechtigt, dem vorgezogenen Vergnügen eine Überlegenheit in der Qualität zuzuschreiben, welche die Quantität so weit überwiegt, um sie vergleichsweise als etwas Geringfügiges erscheinen zu lassen.

Nun ist es aber eine unzweifelhafte Tatsache, daß diejenigen, welche mit zwei Vergnügungen in gleicher Weise bekannt und gleich fähig sind, dieselben zu schätzen und zu genießen, einen sehr entschiedenen Vorzug derjenigen Art des Seins geben, welche ihre hheren Fähigkeiten in Anspruch nimmt. Wenig menschliche Wesen würden einwilligen, sich in eines der niederen Tiere verwandeln zu lassen gegen die Zusicherung des vollsten Genusses tierischer Vergnügungen; kein intelligentes menschliches Wesen würde einwilligen, ein Tor zu werden; keine unterrichtete Person möchte unwissend sein, keine Person von Gefühl und Gewissen selbstsüchtig und niedrig denkend, - selbst wenn sie überzeugt wären, daß der Tor, der Unwissende, der Niederträchtige mit seinem Los zufriedener sei als sie mit dem ihrigen. Sie würden auf das, was sie mehr besitzen als jener, auch nicht gegen die vollständigste Befriedigung aller Begierden verzichten, die sie mit ihm gemein haben. Kommt jemals in ihnen die Vorstellung auf, daß sie es doch möchten, so geschieht dies nur in Fällen so extremen Unglücks, daß sie, um diesem zu entgehen, ihr Los fast gegen jedes andere vertauschen würden, so wenig wünschenswert dasselbe auch in ihren Augen erschiene. Ein Wesen von höheren Fähigkeiten verlangt mehr zu seiner Glückseligkeit, ist wahrscheinlich eines schärferen Leidens fähig und ist demselben gewiß an zahlreicheren Stellen ausgesetzt als irgendein Wesen anderer Gattung, kann aber, trotz dieser Fährlichkeiten [Gefährlichkeiten - wp], niemals wirklich wünschen, zu dem herabzusinken, was von ihm als eine niedrigere Stufe der Existenz erkannt wird. Wir haben die Wahl, welche Erklärung wir diesem Widerstreben geben wollen: wir knnen sie im  Stolz  finden, - eine Bezeichnung, die unterschiedslos einigen der schätzenswertesten, wie einigen der wenigst schätzbaren Gefühle, deren die Menschen fähig sind, beigelegt wird; wir können sie in der Liebe zur Freiheit und persönlichen Unabhänigkeit suchen, an welche die Stoiker am liebsten appellierten, um jenes Widerstreben in kräftigster Weise hervorzurufen, - ebenso in der Liebe zur Macht oder zur Aufregung, welche in der Tat beide in dieses Widerstreben übergehen und zu ihm beitragen, aber am passendsten dient das Wort zur Bezeichnung eines Gefühls von Würde, welches alle menschlichen Wesen in einer oder der anderen Form besitzen, und zwar in einem gewissen, wenn auch eben nicht im genauen Verhältnis zu ihren höheren Fähigkeiten, und welches einen so wesentlichen Teil der Glückseligkeit derjenigen ausmacht, in denen es große Stärke besitzt, das nichts, was zu ihm in einen Gegensatz tritt, anders als nur vorübergehend einen Gegenstand ihrer Wünsche abgeben kann. Wer voraussetzt, daß diese Bevorzugung auf Kosten der Glückseligkeit stattfinde, daß das höhere Wesen unter sonst ziemlich gleichen Umständen nicht glücklicher sei als das niedere, - der  vermischt  zwei sehr verschiedene Begriffe, den der  Glückseligkeit  und den der  Befriedigung.  Es ist zweifellos, daß dasjenige Wesen, dessen Genußfähigkeit eine geringe ist, die meisten Chancen einer vollständigen Befriedigung derselben besitzt, - und ein hochbegabtes Wesen wird immer fühlen, daß jede Glückseligkeit, die es als Ziel ins Auge fassen kann, so wie die Welt nun einmal ist, unvollkommen bleibt. Aber er kann lernen, ihre Unvollkommenheiten zu ertragen, sofern dieselben überhaupt erträglich sind, und sie werden ihn nicht bewegen können, dasjenige Wesen zu beneiden, welches sich dieser Unvollkommenheiten in der Tat nicht bewußt ist, aber nur aus dem Grunde, weil es überhaupt das Gute nicht zu fühlen befähigt ist, welches durch diese Unvollkommenheiten beschränkt wird. Es ist besser, ein unbefriedigtes menschliches Wesen zu sein als ein befriedigtes Schwein, - besser ein unbefriedigter SOKRATES als ein befriedigter Tor. Und wenn der Tor oder das Schwein anderer Meinung ist, so rührt das eben daher, daß beide die Frage nur von ihrer eigenen Seite kennen; der andere der in Vergleich kommenden Teile kennt aber beide Seiten.

Man kann hier einwenden, daß viele, welche höherer Vergnügen fähig sind, gelegentlich unter dem Einfluß der Versuchung denselben die niederen vorziehen. Aber dies ist mit einer vollen Würdigung der inneren Vorzüglichkeit der höheren recht wohl verträglich. Menschen entscheiden sich oft aus Charakterschwäche für die Wahl eines näherliegenden Gutes, obgleich sie wissen, daß es das weniger schätzbare ist; und dies geschieht ebensowohl, wenn die Wahl zwischen zwei körperlichen Vergnügen, als wenn sie zwischen körperlichen und geistigen stattfindet. Sie geben sich zum Schaden ihrer Gesundheit sinnlichen Genüssen hin, obgleich sie sehr wohl wissen, daß Gesundheit das höhere Gut ist. Desgleichen kann man einwenden, daß viele, welche mit jugendlichem Enthusiasmus für alles Edle beginnenm mit dem Vorschreiten der Jahre in Trägheit und Selbstsucht versinken. Aber ich glaube nicht, daß diejenigen, welche dieser sehr häufigen Wandlung unterliegen, die niedere Art der Vergnügungen der höheren aus freiwilligem Entschluß vorziehen. Ich glaube, daß sie bereits unfähig zu diesem geworden sind, bevor sie sich noch jenen ausschließlich hingaben. Die Fähigkeit für die edleren Gefühle ist in den meisten Naturen eine sehr zarte Pflanze, die leicht getötet wird, nicht nur durch feindselige Einflüsse, sondern auch durch den bloßen Mangel an Nahrung, und bei den meisten stirbt sie schon früh rasch ab, wenn die Beschäftigungen, zu welchen ihre Lebensstellung sie verpflichtet, und die Gesellschaft, in welche diese sie geworfen hat, der Übung jener höheren Fähigkeit nicht günstig sind. Menschen gehen ihres höheren Strebens ebenso wie ihrer Empfänglichkeit für geistige Genüsse verlustig, weil es ihnen an Zeit und Gelegenheit gebricht, sich denselben zu überlassen, und sie geben sich niederen Vergnügungen hin, nicht als ob sie dieselben mit Überlegung vorzögen, sondern weil sie entweder die ihnen einzig zugänglichen sind, oder die einzigen, zu deren Genuß sie noch fähig geblieben.

Man kan die Frage aufwerfen, ob irgendjemand, der für beide Arten des Vergnügens in gleicher Weise fähig geblieben ist, jemals wissentlich und mit ruhiger Überlegung die niederen vorgezogen hat, obgleich viele zu allen Zeiten bei dem Versuch, beide zu vereinigen, Schiffbruch gelitten haben.

Vor diesem Urteilsspruch der einzig kompetenten Richter kann, denke ich, keine Berufung stattfinden. Wenn die Frage lautet: Welches von zwei Vergnügungen ist das wertvollste? oder welche von zwei Arten des Daseins ist dem Gefühl die genehmste, abgesehen von ihren moralischen Attributen und von ihren Folgen, so muß das Urteil derjenigen, welche die Kenntnis beider besitzen, oder, wenn diese voneinander abweichen, das Urteil der Majorität unter ihnen als entscheidend gelten. Und man darf umso weniger zögern, diese Entscheidung rücksichtlich der Qualität der Vergnügen anzunehmen, da es sogar auch im Hinblick auf die Quantität kein anderes Tribunal gibt, an das man sich wenden könnte. Welche anderen Mittel besitzt man, um die Frage zu entscheiden, welche von zwei Leidempfindungen die schärfste oder von zwei Lustempfindungen die stärkste ist, als die allgemeine Abstimmung unter denjenigen, welche mit beiden vertraut sind. Weder die Empfindungen des Leids noch die des Vergnügens sind unter sich gleichartig, und Leid ist immer ungleichartig mit dem Vergnügen. Was anders also kann darüber entscheiden, ob es sich lohnt, ein bestimmtes Vergnügen um den Preis eines bestimmten Leids zu erkaufen, als das Gefühl und das Urteil derjenigen, die hiervon Erfahrungen haben? Wenn nun also dieses Gefühl und dieses Urteil sich dahin aussprechen, daß Vergnügungen, die aus unseren höheren Fähigkeiten fließen, der Art nach und ohne Rücksicht auf die Frage ihrer Stärke, denjenigen vorzuziehen sind, für welche die tierische Natur entkleidet der höheren Fähigkeiten, empfänglich ist, so können sie hierin die gleiche Anerkennung beanspruchen.

Ich habe bei diesem Punkt länger verweilt, da er zum völlig richtigen Verständnis der Nützlichkeit oder Glückseligkeit, betrachtet als Richtschnur des menschlichen Verhaltens, unentbehrlich ist. Derselbe ist aber keineswegs eine unerläßliche Bedingung für die Annahme des Nützlichkeitsmaßstabes; denn diesen gibt keineswegs des Handelnden eigene größte Glückseligkeit, sondern der größte Betrag an Glückseligkeit überhaupt ab; und wenn es möglicherweise bezweifelt werden kann, ob ein edler Charakter um seines Edelsinnes willen immer umso unglücklicher sei, so kann doch kein Zweifel darüber herrschen, daß dieser Edelsinn andere glücklicher macht, und daß die Welt als Ganzes dabei unermeßlich gewinnt. Die Nützlichkeitstheorie könnte demnach ihren Endzweck nur durch die allgemeine Pflege des Edelsinns im Menschen erreichen, selbst wenn jeder einzelne nur aus dem Edelsinn anderer Vorteile zöge, und sein eigener Edelsinn, so weit die Glückseligkeit dabei in Betracht kommt, für ihn ein barer Verlust wäre. Aber man darf eine so widersinnige Aufstellung, wie diese letzte, nur aussprechen, um ihre Widerlegung überflüssig zu machen.

Nach der Theorie von der größten Glückseligkeit, wie sie oben erklärt wurde, ist der letzte Endzweck, im Hinblick auf welchen und weswegen alle anderen Dinge wünschenswert sind (gleichviel ob wir unser eigenes Wohl oder das anderer ins Auge fassen): ein Dasein, welches soweit als möglich von Leid frei und so reich als möglich an Genüssen ist, sowohl hinsichtlich der Quantität als der Qualität, wobei den Prüfstein der Qualität und den Maßstab bei der Abwägung derselben gegen die Quantität der Vorzug abgibt, welcher von denjenigen gefühlt wird, die, von ihren besonderen Erfahrungen begünstigt und überdies zur Selbsterkenntnis und Selbstbeobachtung geschult, mit den Hilfsmitteln der Vergleichung am besten versehen sind. Da dies nach der Ansicht der Utilitarier der Endzweck des menschlichen Handelns ist, so enthält es notwending auch die Richtschnur der Moral. Diese letztere kann demnach definiert werden: als der Inbegriff der Regeln und Vorschriften für menschliches Verhalten, durch deren Befolgung eine Existenz, wie sie beschrieben wurde, in der größtmöglichen Ausdehnung allen Menschen gesichert wird, - und nicht nur diesen allein, sondern, soweit die Natur der Dinge es zuläßt, auch für die Gesamtheit der empfindenden Wesen.

Gegen diese Lehre erhebt sich jedoch eine andere Klasse von Gegnern, welche behaupteten, daß die Glückseligkeit in keiner Form der vernünftige Endzweck des menschlichen Lebens und Handelns sein könne, und zwar erstens, weil dieses Ziel unerreichbar sei; und verächtlich fragen sie: Welches Recht hast du, glücklich zu sein? - ein  Frage,  welche CARLYLE durch den Zusatz noch schärfer zuspitzt: und welches Recht hattest du noch vor kurzem, auch nur zu  sein?  Zweitens, sagen sie, kann der Mensch der Glückseligkeit entraten. Alle edlen menschlichen Wesen hätten das empfunden und ihren Seelenadel nur in der Schule des Entsagens und Verzichtens gewonnen, und eine derartige gründliche Schulung sei der Anfang und die notwendige Bedingung aller Tugen.

Der erste dieser  Einwürfe  würde, wenn er wohl begründet wäre, den Nerv der Sache treffen; denn wenn Glückseligkeit durch menschliche Wesen überhaupt nicht zu erreichen ist, so kann deren Erreichung auch nicht der Endzweck der Moral oder überhaupt irgendeines vernünftigen Verhaltens sein. Gleichwohl könnte man selbst in diesem Fall immerhin noch einiges zugunsten der Nützlichkeitstheorie vorbringen. Das Nützlichkeitsprinzip umfaßt nämlich nicht allein das Streben nach Glückseligkeit, sondern auch die Verhinderung und Milderung des Unglücks, und selbst wenn das erstere Ziel chimärisch sein sollte, so ist für das zweite das Feld umso größer und die Notwendigkeit umso zwingender, solange wenigstens die Menschen am Leben festhalten und nicht insgesamt ihre Zuflucht zum Selbstmord nehmen wollen, was NOVALIS unter gewissen Bedingungen empfiehlt. Wenn jedoch so geradezu die Unerreichbarkeit des Glücks für die Menschen behauptet wird, so ist dieser Ausspruch, wenn nicht ein Spiel mit Worten, doch zumindest eine arge Übertreibung. Wenn unter Glückseligkeit die ununterbrochene Fortdauer einer in hohem Grad vergnüglichen Erregung verstanden wird, so ist allerdings seine Unerreichbarkeit einleuchtend genug. Ein Zustand des überschwenglichen Vergnügens währt nur Augenblicke oder, in einigen Fällen und mit Unterbrechungen, durch Stunden oder Tage und ist nur das gelegentliche blitzartige Aufleuchten des Genusses, nicht seine dauernde und stetige Flamme. Das wissen die Philosophen, welche gelehrt haben, daß Glückseligkeit der Endzweck des Lebens sei, ebensogut wie diejenigen, welche sie darum schmähen. Die Glückseligkeit, welche sie meinten, ist nicht ein Leben der Entzückung, sondern nur Momente derselben in einer Existenz, die aus wenigen und vorübergehenden Leiden, vielen und mannigfachen Vergnügen, unter entschiedener Vorherrschaft der tätigen über die leidenden besteht, und in welchen es Grundbedingung ist, vom Leben nicht mehr zu erwarten als es zu bieten vermag. Ein aus solchen Elementen zusammengesetztes Leben hat denjenigen, welche glücklich genug waren, seiner teilhaftig zu werden, zu allen Zeiten würdig geschienen, ein glückseliges zu heißen. Und eine Existenz dieser Art ist selbst auch jetzt noch das Los vieler während eines beträchtlichen Teils ihrer Lebensdauer. Die gegenwärtige elende Erziehung und die elenden sozialen Einrichtungen bilden das einzige wirkliche Hindernis, daß es nicht von nahezu allen erreicht werden kann.

Die Gegner mögen vielleicht bezweifeln, ob menschliche Wesen, welche die Glückseligkeit als Endzweck des Lebens betrachten gelehrt wurden, durch einen so mäßigen Anteil an derselben zufriedenzustellen sind. Aber eine große Zahl von Menschen sind mit viel weniger zufrieden gewesen. Die hauptsächlichsten Elemente eines befriedigten Lebens scheinen zwei zu sein, deren jedes oft für sich allein als dem Zweck genügend befunden wird:  Ruhe  und  Erregung.  Viele finden, daß sie sich bei viel Ruhe mit sehr wenig Vernügen zufrieden geben können, und bei viel Erregung können sich viele mit einer beträchtlichen Menge von Leid aussöhnen. Es ist gewiß keine in der Natur der Sache liegende Unmöglichkeit vorhanden, selbst die große Masse der Menschen zur Vereinigung beider fähig zu machen, da ja beide, weit entfernt, unverträglich zu sein, vielmehr in einer natürlichen Verknüpfung untereinander stehen; denn eine Verlängerung des einen von beiden ist eine Vorbereitung für das andere und erregt den Wunsch nach demselben. Nur solche, bei denen die Trägheit bereits die Stärke eines Lasters gewonnen hat, empfinden nach einer Pause der Ruhe nicht das Verlangen nach Erregung; und nur solche, bei denen das Bedürfnis nach Erregung; und nur solche, bei denen das Bedürfnis nach Erregung bereits zur Krankheit geworden ist, finden die Ruhe, welche der Erregung folgt, dumf und reizlos, anstatt vergnüglich im geraden Verhältnis zur vorangegangenen Erregung. Wenn Menschen, die ihrem äußeren Lebenslos nach leidlich glücklich sind, im Leben nicht hinlänglichen Genuß finden, um es wertvoll für sie zu machen, so ist die Ursache davon insgemein die, daß sie an niemand anderem als ansich selbst Anteil nehmen. Denjenigen, welche weder der Teilnahme für öffentliche Dinge noch für Privatpersonen fähig sind, werden die Erregungen des Lebens sehr verkürzt und schrumpfen jedenfalls dem Wert nach in dem Maß zusammen, als der Zeitpunkt näherrückt, in welchem alle selbstsüchtigen Interessen durch den Tod ihr Ende finden, - während diejenigen, welche Gegenstände der persönlichen Zuneigung zurücklassen, und insbesondere die, welche ein brüderlich teilnehmendes Gefühl für die Gesamtinteressen der Menschheit in sich ausgebildet haben, noch am Rande des Grabes ein ebenso lebendiges Interesse am Leben behalten, wie in der Kraft der Jugend und Gesundheit. Nächst der Selbstsucht liegt die Hauptursache, welche das Leben unbefriedigend macht, im Mangel geistiger Bildung. Ein gebildeter Geist - ich verstehe darunter nicht den eines Philosophen, sondern jeden Geist, dem der Born der Erkenntnis erschlossen, und der in leidlichem Grad gelehrt worden ist, seine Fähigkeiten zu üben - findet Quellen eines unerschöpflichen Interesses in allem was ihn umgibt, in den Gegenständen der Natur, in den Werken der Kunst, in den Schöpfungen der Dichtung, in den Begebenheiten der Geschichte, in den Zuständen der Menschheit in Vergangenheit und Gegenwart, wie in ihren Aussichten in die Zukunft. Allerdings ist es möglich, gegen all diese Dinge gleichgültig zu werden, und zwar schon bevor der tausendste Teil derselben erschöpft worden ist, aber doch nur, wenn einer von vornherein kein moralisches oder menschliches Interesse an diesen Dingen hatte und in ihnen nur die Befriedigung der Neugierde gesucht hat.

Nun gibt es aber in der Natur der Dinge durchaus keinen Grund, weshalb ein gewisses Maß an geistiger Bildung, der ein verständiges Interesse an diesen Gegenständen der Betrachtung mitzuteilen geeignet ist, nicht das Erbteil eines jeden werden könnte, der in einem zivilisierten Land geboren ist. Ebensowenig ist eine in der Sache begründete Notwendigkeit vorhanden, daß irgendein menschliches Wesen ein selbstsüchtiger Egoist sein müßte, bar jeden Gefühls und jeder Sorge, die ihren Gegenstand nicht in seiner eigenen armseligen Person haben. Etwas viel Höheres ist selbst in unserer Zeit hinlänglich allgemein, um einen vollen Vorgeschmack von dem zu geben, was aus dem menschlichen Geschlecht gemacht werden kann. Innige persönliche Neigungen und eine aufrichtige Teilnahme am öffentlichen Wohl sind, wenn auch in verschiedenem Grade, für jedes menschliche Wesen möglich, das eine rechtschaffene Erziehung erhalten hat. In einer Welt, in welcher es so viel unsere Teilnahme Erregendes, so viel zum Genuß Einladendes, und zu gleicher Zeit so viel zu verbessern und zu berichtigen gibt, ist jedermann, der sein mäßiges Teil moralischer und intellektueller Erfordernisse besitzt, einer Existenz fähig, welche beneidenswert genannt werden kann, und wenn einer solchen Person nicht durch schlechte Gesetze oder durch Unterwerfung unter den Willen anderer die Freiheit benommen ist, die Quellen der Glückseligkeit zu benutzen, die in ihrem Bereich liegen, so wird es ihr gelingen, diese beneidenswerte Existenz zu finden, falls sie den wirklichen Übeln des Lebens, den großen Quellen körperlicher und geistiger Leiden, entrinnt - wie der Dürftigkeit, der Krankheit und der Lieblosigkeit, Unwürdigkeit oder dem vorzeitigen Verlust der Gegenstände ihrer Neigung. Die Hauptschwierigkeit der Aufgabe liegt also im Kampf mit diesen schweren Übeln, welchen gänzlich zu entrinnen ein seltener Glücksfall ist, - welchen wir, sowie die Dinge jetzt stehen, nicht vorbeugen, ja die wir oft sogar nicht einmal in einem erheblichen Grad mildern können. Gleichwohl kann niemand, dessen Meinung auch nur einen Augenblick Beachtung verdient, daran zweifeln, daß sehr viele der großen wirklichen Übel dieser Welt ihrer Natur nach beseitigt werden können und, sofern die menschlichen Dinge auch weiterhin im Fortschritt verharren, schließlich in enge Grenzen gebannt werden. Die Armut in einem Grad, welcher noch irgendwie Leiden in sich schließt, kann durch die Weisheit der Gesellschaft, verbunden mit Verständigkeit und Vorsicht der einzelnen, gänzlich aus der Welt geschafft werden. Ja sogar jener widerspenstigste unserer Feinde, die Krankheit, kann durch gute physische und moralische Erziehung und geeignete Vorkehrungen gegen schädliche Einflüsse dem Umfang nach in einem unbestimmten Grad eingeschränkt werden, während der Fortschritt der Wissenschaft für die Zukunft noch direktere Siege über diesen abscheulichen Feind verspricht. Und jeder Schritt nach vorwärts in dieser Richtung beseitigt eine der Möglichkeiten, welche nicht nur unser eigenes Leben kürzen, sondern, was uns viel näher geht, uns auch derjenigen berauben, in welchen unsere Glückseligkeit beschlossen ist. Was die Wechselfälle des Glücks und anderes Ungemach betrifft, das mit den äußeren Verhältnissen verknüpft ist, so sind dieselben entweder die Wirkung groben Unverstandes, ungeregelter Begierden oder schlechter oder unvollkommener sozialer Einrichtungen. Kurz, alle großen Quellen menschlicher Leiden sind in einem hohen Grad, viele derselben sogar nahezu gänzlich, durch menschliche Sorge und Anstrengung zu bewältigen; und wenn auch ihre Beseitigung bejammernswert langsam vorschreitet, wenn auch eine lange Reihe von Generationen in der Bresche ihren Untergang finden wird, bevor der Sieg ein vollständiger ist, und bevor diese Welt zu all dem wird, wozu sie, wenn es an Willen und Einsicht nicht gebräche, so leicht zu machen wäre, so wird doch jeder, der einen hinlänglichen Grad von Verständnis und Hochherzigkeit besitzt, um einen wenn auch noch so kleinen und unansehnlichen Teil der Aufgabe auf sich zu nehmen, edle Freude im Kampf selbst finden, eine Freude, die er nicht gegen irgendein Maß selbstsüchtigen Genusses in seiner verlockendsten Gestalt vertauschen möchte.

Und dies führt zu der richtigen Beurteilung dessen, was von den Gegnern rücksichtlich der Möglichkeit gesagt wurde und in Bezug auf die Verpflichtung, die Glückseligkeit entbehren zu lernen. Ohne Zweifel ist es möglich, der Glückseligkeit zu entraten. Es ist dies bei neunzehn Zwanzigsteln der Menschheit der Fall, ohne daß sie um ihren Willen gefragt worden wären, und zwar sogar in den Teilen der heutigen Welt, welche am wenigsten tief in der Barbarei stecken, und es muß dies auch oft freiwillig von Seiten des Helden oder Märtyrers geschehen, zulieb einem Etwas, das er höher stellt als seine eigene persönliche Glückseligkeit. Aber was sonst ist denn dieses Etwas als die Glückseligkeit anderer oder irgendeines der Erfordernisse der Glückseligkeit. Es ist edel, seinem eigenen Anteil an Glückseligkeit oder der Aussicht auf dieselbe gänzlich zu entsagen zu können; aber dieses Selbstopfer muß schließlich doch einen Endzweck haben; es ist nicht sein eigener Endzweck; und wenn man uns versichert, sein Endzweck sei nicht Glückseligkeit sei, so frage ich, ob das Selbstofper geleistet worden wäre, wenn der Held oder Märtyrer nicht im Glauben lebte, daß es für andere die Befreiung von ähnlichen Opfern zur Folge habe? Wäre das Opfer gebracht worden, wenn persönliche Glückseligkeit für einen seiner Mitmenschen eine ander Frucht bringen sollte, als daß ihr Los gleich dem seinigen, daß auch sie wieder zu solchen würden, die auf Glückseligkeit Verzicht geleistet? Alle Ehre denen, welche für ihre eigene Person dem Genuß des Lebens entsagen können, wenn sie durch diese Entsagung in würdiger Weise zur Vermehrung der Glückseligkeit auf der Erde beitragen; aber wer dies in anderer Absicht tut oder zu tun vorgibt, verdient nicht mehr Bewunderung als der Selbstpeiniger auf seiner Säule. Er mag ein erhebender Beweis für das sein, was Menschen tun  können,  aber sicherlich kein Beispiel für das, was sie tun  sollten. 

Obgleich es ein Beweis für einen höchst unvollkommenen Zustand der Einrichtungen auf unserer Erde ist, daß jemand der Glückseligkeit anderer durch völlige Verzichtleistung auf seine eigene dienen kann, so erkenne ich vollkommen an, daß, solange dieser unvollkommene Zustand dauert, die Bereitwilligkeit, ein solches Opfer zu bringen, die höchste Tugend ist, die in einem Menschen gefunden werden kann. Ich füge hinzu, daß unter den jetzigen Weltumständen - mag meine Behauptung auch paradox klingen - die bewußte Fähigkeit, der Glückseligkeit entraten zu können, die sicherste Aussicht auf die Verwirklichung derjenigen Glückseligkeit, welche für uns erreichbar ist, eröffnet. Denn nur dieses Bewußtsein kann ein Person über die Zufälligkeiten des Lebens erheben, indem es ihr die Sicherheit gewährt, daß, mögen auch Schicksal und Zufall ihr Schlimmstes tun, sie doch nicht die Macht haben, seiner Herr zu werden; und diese Sicherheit, einmal empfunden, befreit ihn vom Übermaß der Ängstlichkeit in Bezug auf die Übel des Lebens und macht ihn, wie so manchen Stoiker in den schlimmsten Tagen der römischen Kaiserzeit fähig, in Ruhe die ihm zugänglichen Quellen der Befriedigung zu pflegen, ohne sich die Unsicherheit ihrer Dauer mehr kümmern zu lassen als ihr unvermeidliches Ende.

Einstweilen aber mögen sich die Utilitarier nicht abhalten lassen, die Moralität der Selbstaufopferung als einen Besitz in Anspruch zu nehmen, der ihnen mit ebenso gutem Recht gehört, wir nur den Stoikern oder den Transzendentalen. Die utilitarische Moral erkennt menschlichen Wesen die Kraft zu, ihr eigenes höchstes Gut für das Gut anderer zu opfern. Sie weigert sich nur zuzugeben, daß dieses Opfer an und für sich ein Gut sei. Ein Opfer, welches die Gesamtsumme der Glückseligkeit nicht vermehrt oder sie nicht zu vermehren strebt, betrachtet sie als Verschwendung. Die einzige Art der Selbstentsagung, welcher die utilitarische Moral ihren Beifall zollt, ist die Hingebung für die Glückseligkeit, oder für einige der Mittel zur Glückseligkeit anderer, - sei es nun der Menschheit insgesamt, oder gewisser Individuen innerhalb der Grenzen, welche durch die Gesamtinteressen der Menschheit gesteckt sind.

Ich muß nochmals wiederholen, was die Angreifer des Nützlichkeitsprinzips selten anzuerkennen bereit sind: daß die Glückseligkeit, welche für den utilitarischen Moralisten den sittlichen Maßstab abgibt, nicht des Handelnden eigene Glückseligkeit, sondern die aller Mitbeteiligten ist. Um zwischen den Forderungen der eigenen Glückseligkeit und der anderer zu entscheiden, verlangt die utilitarische Moral vom einzelnen, daß er hier ebenso gänzlich unparteiisch verfahre wie ein Unbeteiligter und wohlwollender Zuschauer. In der goldenen Richtschnur, die JESUS von Nazareth gegeben hat, tritt uns der Geist der utilitarischen Moral voll und ganz entgegen. Tue so, wie du willst, daß andere dir tun - und: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst; - diese Forderungen sprechen nur das Ideal der utilitarischen Moral aus. Als Mittel, um uns diesem Ideal möglichst zu nähern, würde die Nützlichkeitstheorie zuerst verlangen, daß die Gesetze und sozialen Einrichtungen die Glückseligkeit oder (um praktisch zu reden) das Interesse eines jeden Einzelnen in möglichst große Harmonie mit den Interessen des Ganzen setzen; - und zweitens, daß Erziehung und Meinung, welche eine so unermeßliche Macht über den menschlichen Charakter haben, dieselbe in der Art gebrauchen, daß in der Anschauung eines jeden Einzelnen eine unlösbare Verknüpfung zwischen der eigenen Glückseligkeit und dem Wohl des Ganzen begründet werde, insbesondere zwischen seiner eigenen Glückseligkeit und solchen Verhaltensweise, in Tun und Unterlassen, wie die Rücksicht auf die allgemeine Glückseligkeit sie vorschreibt: so daß er nicht nur unfähig wird, seine eigene Glückseligkeit im Verein mit einem dem allgemeinen Wohl feindseligen Betragen als möglich zu denken, - sondern auch, daß ein direkter Trieb zur Förderung des allgemeinen Wohls in jedem einzelnen einer der gewöhnlichen Beweggründe des Handelns werde, und daß die hiermit verbundenen Gefühle einen weiten Raum und eine hervorragende Stelle im Gemütsleben eines jeden menschlichen Wesens ausfüllen. Wenn die Bekämpfer der utilitarischen Moral dieselbe in dieser ihrer wahren Gestalt ins Auge fassen wollten, so weiß ich nicht, welche Empfehlung, die irgendeine andere Moral besitzt, sie derselben möglicherweise absprechen könnten: welche schönere oder erhabenere Entwicklung der menschlichen Natur irgendein anderes ethisches System zu begünstigen scheinen kann, oder welche Triebfedern des Handelns solche Systeme denn in Bewegung setzen, um ihren Forderungen Wirksamkeit zu geben, die nicht auch den Utilitariern zugänglich wären.

Den Gegnern des Nützlichkeitsprinzips kann jedoch nicht unter allen Umständen vorgeworfen werden, daß sie dasselbe in einem herabwürdigenden Licht darstellen. Im Gegenteil: diejenigen unter ihnen, welche nur halbwegs eine richtige Vorstellung vom uneigennützigen Charakter desselben haben, finden zuweilen ihre Richtschnur insofern fehlerhaft, als sei sie für die Menschheit zu hoch. Sie sagen, es heiße zuviel verlangen, daß die Menschen in der Förderung der allgemeinen Interessen der Gesellschaft den einzigen Beweggrund ihrer Handlungen finden sollten. Aber das heißt, die wahre Bedeutung einer moralischen Richtschnur mißverstehen und eine Vorschrift für das Handeln mit einem Beweggrund desselben verwechseln. Sache der Ethik ist, uns zu sagen, welche unsere Pflichten sind, oder durch welches Prüfmittel wir sie zu erkennen vermögen, aber kein ethisches System verlangt, daß der einzige Beweggrund zu allem, was wir tun, ein Gefühl der Pflicht sei; im Gegenteil, neunundneunzig Hundertstel unserer sämtlichen Handlungen geschehen aus anderen Beweggründen, und zwar mit Recht, wenn die Pflichtregel diese nicht verurteilt. Es wäre umso ungerechter gegen die Utilitätstheorie, wenn dieses einzelne Mißverständnis einen Grund des Einwurfs gegen dieselbe abgeben sollte, da utilitarische Moralisten mit größerem Nachdruck als fast alle anderen behauptet haben, daß der Beweggrund mit der Moralität der Handlung nichts zu tun hat, wenn auch sehr viel mit dem moralischen Wert des Handelnden. Wer einen Mitmenschen vom Ertrinken rettet, tut, was moralisch recht ist, ob nun sein Beweggrund die Pflicht ist oder die Hoffnung, daß er für seine Mühe bezahlt werde; wer einen Freund betrügt, der ihm vertraut, macht sich eines Verbrechens schuldig, selbst wenn seine Absicht wäre, damit einem anderen Freund einen Dienst zu leisten, gegen den er größere Verpflichtungen hat. (2) Um aber hier nur von Handlungen zu sprechen, die aus dem Beweggrund der Pflicht getan wurden und aus unmittelbarem Gehorsam gegen das moralische Grundprinzip: so ist es ein Mißverstehen der utilitarischen Denkart, wenn man derselben die Voraussetzung unterschiebt, als ob die große Menge so weite Allgemeinbegriffe, wie die Welt oder die Gesellschaft als Ganzes, ins Auge fassen sollte. Die große Mehrzahl guter Handlungen hat nicht den Nutzen der Welt zum Zweck, sondern den vom Einzelwesen, deren Wohl sich zum Gesamtwohl wie der Teil zum Ganzen verhält, und die Gedanken des tugendhaftesten Mannes brauchen in diesem Fall nicht über die betreffenden Einzelpersonen hinauszugehen, außer so weit als notwendig ist, um ihn selbst darüber zu beruhigen, daß er durch seine Wohltätigkeit gegen jene nicht die Rechte - d. h. die gesetzmäßigen und rechtlich anerkannten Erwartungen - irgendeines anderen verletzt. Die Vermehrung der Glückseligkeit ist, nach den Forderungen der utilitarischen Ethik, der Gegenstand der Tugend: die Gelegenheiten, bei welchen irgendwer (von tausend nur einer ausgenommen) es in seiner Macht hat, dies in einem ausgedehnten Maßstab zu tun, mit anderen Worten, ein allgemeiner Wohltäter zu werden, sind nur Ausnahmen; und bei solchen Gelegenheiten allein ist er berufen, das öffentliche Wohl ins Auge zu fassen; in jedem anderen Fall ist der Privatnutzen, das Interesse oder die Glückseligkeit einiger weniger Personen alles, was er ins Auge zu fassen hat. Diejenigen allein, deren Handlungen in ihren Folgen die Gesellschaft als Ganzes beeinflussen, haben sich mit einem so großen Gegenstand in der Regel zu beschäftigen. Im Fall der Verbote - d. h. solcher Dinge, welche man aus moralischen Rücksichten verbietet, obgleich die Folgen derselben in einem bestimmten Einzelfall von Vorteil sein könnten - wäre es in der Tat eines einsichtig Handelnden unwürdig, sich dessen nicht vollkommen klar bewußt zu sein, daß die Handlung zu einer Klasse gehört, die, wenn allgemein geübt, allgemein schädlich wäre, und daß dies der Grund der Verpflichtung ist, sich ihrer zu enthalten. Der Grad von Rücksicht auf das öffentliche Interesse, welche diese Einsicht in sich schließt, ist nicht größer, als wie er von jedem Moralsystem verlangt wird; denn sie alle machen es zur Pflicht, sich dessen zu enthalten, was der Gesellschaft offenbar verderblich ist.

Dieselben Betrachtungen widerlegen auch einen anderen Einwurf, der gegen die Nützlichkeitstheorie erhoben wurde und auf einer noch gröberen Mißverkennung der Bedeutung einer moralischen Richtschnur und des eigentlichen Sinnes der Worte Recht und Unrecht beruth. Es ist oft behauptet worden, daß die Utilitätslehre die Menschen kalt und teilnahmslos mache, daß sie ihre moralischen Gefühle gegen andere abstumpfe, sie nur zu kalter und trockener Berechnung der Folgen der Handlungen hervorgehen, moralisch in Anschlag gebracht würden. Wenn diese Behauptung den Sinn haben soll, daß die Utilitarier ihr Urteil hinsichtlich des Rechts oder Unrechts einer Handlung nicht durch ihre Meinung über die Eigenschaften der Person beeinflussen lassen, welche dieselbe ausübt, so richtet sich diese Klage nicht gegen die Nützlichkeitstheorie, sondern überhaupt dagegen, daß man sich von irgendeiner moralischen Richtschnur beeinflussen läßt; denn in der Tat erklärt keines der bekannten ethischen Systeme eine Handlung für gut oder schlecht, weil dieselbe von einem guten oder einem schlechten Menschen verübt wurde, und noch viel weniger, weil sie von einem liebenswürdigen, einem tapferen, einem wohlwollenden oder von einem mit den entgegengesetzten Eigenschaften Behafteten ausging. Solche Rücksichten sind von Bedeutung, aber nicht für die Wertbestimmung von Handlungen, sondern von Personen; und kein Satz der Nützlichkeitstheorie widerspricht der Tatsache, daß es noch andere Dinge gibt, welche uns an Personen interessieren, als Recht oder Unrecht ihrer Handlungen. Die Stoiker allerdings, mit ihrem paradoxen Mißbrauch der Sprache, der mit zu ihrem System gehört, um mittels dessen sie sich über jede andere Rücksicht als die auf Tugend zu erheben strebten, gefielen sich in der Behauptung, daß der, welcher die Tugend besitzt, alles besitze, - daß er, und nur er allein, reich sei, schön sei, König sei. Die Nützlichkeitstheorie aber beansprucht für den tugendhaften Mann nichts der Art. Die Utilitarier sind sich darüber vollkommen klar, daß es noch andere wünschenswerte Güter und Eigenschaften außer der Tugend gibt, und sind vollkommen bereit, jeder derselben ihren ganzen Wert zuzuerkennen. Sie wissen auch recht wohl, daß eine gute Handlung nicht notwendig einen tugendhaften Charakter anzeigt, und daß Handlungen, die an und für sich tadelnswert sind, oft aus Eigenschaften entspringen, die auf Lob Anspruch machen können. Wenn dies in einem bestimmten Fall augenscheinlich ist, so beeinflußt es die Wertschätzung, sicherlich nicht der Handlung, sondern die des Handelnden. Bei all dem aber gebe ich zu, daß sie der Meinung sind, daß im Verlauf der Zeit der beste Beweis eines guten Charakters gute Handlungen sind, und daß sie es entschieden zurückweisen, irgendeinen Seelenzustand als gut gelten zu lassen, dessen vorherrschende Richtung sich in schlechtem Verhalten äußert. Das macht sie bei vielen unbeliebt; aber das ist eine Unbeliebtheit, die sie mit jedem teilen müssen, welcher die Unterscheidung zwischen Recht und Unrecht in einem ernsthaften Licht sieht; und es ist dies kein Vorwurf, den ein gewissenhafter Utilitarier ängstlich zurückweisen müßte.

Wenn mit dem Einwurf nichts anderes gemeint ist, als daß viele Utilitarier die Moralität der Handlungen, sowie dieselbe nach dem Maßstab des Nützlichkeitsprinzips bemessen wird, zu ausschließlich berücksichtigen und nicht hinlängliches Gewicht auf die anderen Charakterschönheiten legen, welche ein menschliches Wesen zum Gegenstand der Liebe oder der Bewunderung machen, so mag das zugegeben werden: Utilitarier, die ihre moralischen Gefühle, aber weder die sympathischen Triebe noch den ästhetischen Sinn in sich ausgebildet haben, begehen diesen Fehler; dasselbe tun aber unter denselben Voraussetzungen alle Moralisten. Was zur Entschuldigung für andere Moralisten gesagt werden kann, ist in gleicher Weise auch auf sie anwendbar, daß es nämlich, wenn schon einmal gefehlt wird, besser ist, daß nach dieser Seite gefehlt wird. Als Tatsache können wir bekräftigen, daß unter den Utilitariern, wie unter allen Anhängern anderer Systeme, jeder erdenkliche Grad von Strenge und von Laxheit in der Anwendung ihrer moralischen Richtschnur vorkommt: einige sind sogar von puritanischer Strenge, während andere so nachsichtig sind, wie es die Sünde oder die Sentimentalität nur wünschen kann. Im ganzen aber ist eine Doktrin, der zufolge in erster Linie das Interesse steht, welches die Menschheit an der Unterdrückung und Verhinderung der das Moralgesetz verletzenden Handlungen hat, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht weniger geeignet, die öffentliche Meinung zur Verurteilung solcher Verletzungen zu bewegen, als irgendeine andere Doktrin. Allerdings ist die Frage, wodurch das Moralgesetz verletzt wird, eine derjenigen, hinsichtlich deren die Anhänger verschiedener moralischer Grundprinzipien dann und wann voneinander abweichen werden. Aber Verschiedenheit der Meinung in Fragen der Moral ist nicht zuerst durch die Nützlichkeitstheorie in die Welt gebracht worden, während diese Leehre ein Mittel zur Entscheidung solcher Meinungsverschiedenheiten darbietet, das, wenn auch nicht immer leicht zu handhaben, so doch jedenfalls verständlich und greifbar ist.

Es ist wohl nicht überflüssig, noch auf einige andere landläufige Mißdeutungen der utilitarischen Ethik hinzuweisen, und selbst auch auf solche, die so augenfällig und grob sind, daß kaum ein ehrlicher und verständiger Mann in dieselben sollte verfallen können. Es geschieht aber oft, daß sich selbst Personen von großer geistiger Begabung so wenig bemühen, die Tragweite einer Lehre verstehen zu lernen, gegen die sie ein Vorurteil hegen, und die Menschen sind sich im allgemeinen dieser freiwilligen Unwissenheit so wenig als eines Fehlers bewußt, daß man fortwährend auf die gemeinsten Mißdeutungen ethischer Doktrinen selbst in sonst wohldurchdachten Schriften solcher Männer stößt, welche auf reine Grundsätze wie auf philosophisches Denken die größten Ansprüche machen. Es ist gar nichts Ungewöhnliches, daß wir die Nützlichkeitsdoktrin eine gottlose schelten hören. Wenn es überhaupt notwendig ist, etwas gegen eine so rein aus der Luft gegriffene Behauptung zu sagen, so ist des dies, daß sich die Frage um den Punkt dreht, welche Vorstellung wir vom moralischen Charakter der Gottheit haben. Wenn es ein wahrer Glaube ist, daß Gott vor allem die Glückseligkeit seiner Geschöpfe wünscht, und daß dies die Absicht war, weshalb er sie schuf, so ist die Nützlichkeitstheorie nicht nur keine gottlose, sondern sogar von tieferer Religiosität als jede andere. Wenn die Anklage aber so gemeint ist, daß diese Theorie nicht den offenbarten Willen Gottes als das höchste Moralgesetz anerkennt, so antworte ich, daß ein Utilitarier, der an die vollkommene Güte und Weisheit Gottes glaubt, auch notwendigerweise glauben muß, daß, was Gott auch immer hinsichtlich der Moral zu offenbaren für gut fand, die Forderungen der Nützlichkeit im höchsten Grad erfüllen muß. Nichtutilitarier so gut wie Utilitarier sind der Meinung gewesen, die christliche Offenbarung bezwecke und sei auch dazu geschickt, Herzen und Sinne der Menschen mit einem Geist zu erfüllen, der sie befähigt, für sich selbst das herauszufinden, was recht ist, und sie zugleich gewillt macht, das Rechte zu tun, wenn sie es gefunden haben, nicht aber es ihnen anders, als in einer sehr allgemeinen Weise zu sagen, was das Rechte ist, - und daß wir eine sorgfältigst durchgeführt ethische Doktrin benötigen, welche uns den Willen Gottes  erklären  soll. Ob diese Meinung richtig ist oder nicht, ist hier zu untersuchen überflüssig, da jede Unterstützung, welche die Religion, ob nun natürlich oder geoffenbart, den ethischen Untersuchungen gewähren kann, dem utilitarischen Moralisten ebenso zugänglich ist wie jedem anderen. Er kann sich derselben bedienen als eines Zeugnisses der Gottheit für die Nützlichkeit oder Schädlichkeit irgendeiner gegebenen Handlungsweise, und das mit ebenso gutem Recht, wie sich andere derselben als einer Hinweisung auf ein transzendentales Gesetz bedienen, welches mit Nützlichkeit oder Glückseligkeit nichts zu tun hat.

Andererseits wird die Utlitätslehre oft mit summarischem Verfahren als eine unmoralische Doktrin gebrandmarkt, indem man sie mit dem Namen Zuträglichkeitslehre belegt und hierbei zugleich aus dem populären Gebrauch des Wortes den Vorteil zieht, sie als Grundsatzlosigkeit erscheinen lassen zu können. Aber das Wort Zuträglichkeit in dem Sinne, wie es dem Rechten entgegengesetzt ist, bedeutet in der Regel das, was dem persönlichen Interesse des Handelnden selbst zuträglich ist, wie wenn z. B. ein Minister das Interesse seines Landes preisgibt, um sich selbst im Amt zu erhalten. Ist besseres darunter verstanden, so bezeichnet es etwas, was für einen gerade vorliegenden Zweck, eine zeitliche Absicht zuträglich ist, aber ein Gesetz verletzt, dessen Beobachtung in einem viel höheren Grad zuträglich ist. Das Zuträgliche in diesem Sinn, weit entfernt mit dem Nützlichen identisch zu sein, ist ein Zweig des Schädlichen. So würde es z. B. oft zuträglich sein, eine Lüge zu sagen, um über eine augenblickliche Verlegenheit hinauszukommen, oder um einen Zweck zu erreichen, der für uns oder andere von unmittelbarem Nutzen ist. Sofern aber die Erhaltung und Ausbildung eines feinen Gefühls für die Wahrhaftigkeit in uns eines der nützlichsten, und die Schwächung dieses Gefühls eines der schädlichsten Dinge ist, zu welchen unser eigenes Verhalten mittelbar führen kann; insofern als jede, auch die unabsichtliche Abweichung von der Wahrheit ihren Teil dazu beiträgt, die Glaubwürdigkeit der menschlichen Aussage zu schwächen, die nicht nur die Hauptstütze alles vorhandenen sozialen Wohlseins ist, sondern deren Unzulänglichkeit sogar mehr als irgendetwas nur Erdenkliches dazu beiträgt, das Wachstum der Zivilisation, der Tugend, kurz alles dessen, worauf die menschliche Glückseligkeit in weitester Ausdehnung beruth, zurückzuhalten, so fühlen wir, daß es nicht zuträglich ist, wenn wir um eines augenblicklichen Nutzens willen ein Gesetz von so unendlicher Nützlichkeit verletzen, und daß derjenige, welcher um seines eigenen oder fremden Nutzens willen nach Kräften darauf hinwirkt, die Menschen des Guten zu berauben und das Übel über sie zu bringen, welches an die größere oder geringere Glaubwürdigkeit geknüpft ist, die einer in des anderen Wort setzen kann, die Rolle eines unserer schlimmsten Feinde spielt. Gleichwohl ist es von allen Moralisten anerkannt, daß selbst dieses so heilige Gesetz Ausnahmen zulassen kann, deren vornehmste stattfindet, wenn die Verheimlichung einer Tatsache (wie z. B. einer solchen, welche die Absichten eines Übeltäters fördern könnte, oder schlimmer Nachrichten gegenüber einer gefährlich kranken Person) jemanden (zumal eine andere Person als die eigene) vor großem und unverdientem Schaden bewahren, und wenn die Verheimlichung nur durch Ableugnen erfolgen kann. Aber damit sich diese Ausnahme nicht weiter, als nötig ist, erstrecke und das Vertrauen auf die Wahrhaftigkeit möglichst wenig schwäche, so sollte dieselbe nochmals untersucht und womöglich ihre Grenzen fest abgesteckt werden; und wenn das Nützlichkeitsprinzip in irgendeinem Fall von Wert ist, so muß es geschickt sein, um diese sich widerstreitenden Nützlichkeiten gegeneinander abzuwägen und den Bereich abzustecken, innerhalb dessen die eine oder die andere vorwiegt.

Oft hinwieder sehen sich Verteidiger der Utilitätslehre veranlaßt, auf Einwürfe zu antworten, wie der ist: daß man, bevor es zum Handeln kommt, keine Zeit habe, um die Wirkung irgendeiner Verhaltensweise auf die allgemeine Glückseligkeit zu berechnen und abzuwägen. Das ist aber ebenso, als wenn einer sagen wollte, daß es unmöglich sei, uns in unserem Verhalten durch das Christentum leisten zu lassen, weil man nicht bei jeder Gelegenheit, wann gehandelt werden soll, die Zeit habe, das Alte und Neue Testament durchzulesen. Die Antwort auf diesen Einwurf lautet, daß allerdings reichlich Zeit dazu gewesen ist, nämlich während der ganzen Vergangenheit der menschlichen Gattung. Jene ganze Zeit hindurch lernte die Menschheit durch Erfahrung die Folgen von Handlungen kennen, und auf dieser Erfahrung beruth alle Klugheit sowohl wie alle Moralität des Lebens. Die Leute pflegen so zu reden, als ob diese Schule der Erfahrung erst jetzt eröffnet würde, und als ob einer in dem Augenblick, wo er sich versucht fühlt, in das Eigentum oder das Leben eines anderen zu greifen, zum erstenmal darüber nachzudenken anfangen müßte, ob Mord und Diebstahl der menschlichen Glückseligkeit nachteilig seien. Ich glaubte zwar auch in diesem Fall nicht, daß er die Lösung der Frage sehr schwierig finden würde, aber, wie die Dinge stehen, hat er die Entscheidung bereits fertig gefällt. Es ist gewiß eine wunderliche Voraussetzung, daß die Menschen, wenn sie erst darüber einig geworden sind, daß die Nützlichkeit als Prüfstein der Moralität zu betrachten ist, sich nicht sollten über die Frage einigen können,  was nützlich ist,  und daß sie keine Maßregeln ergreifen würden, damit ihre Kenntnisse über diesen Gegenstand der Jugend gelehrt und durch Gesetz und Meinung zur Geltung gebracht werden. Es hat keine Schwierigkeit zu beweisen, daß jeder moralische Maßstab, sei es welcher immer, nur schlecht wirken könne, wenn vorausgesetzt wird, daß allgemein verbreiteter Blödsinn neben ihm herrsche, aber unter jeder anderen Voraussetzung muß die Menschheit im Lauf der Zeit bereits ganz bestimmte Meinungen über die Wirkung einiger Handlungen auf ihre eigene Glückseligkeit erlangt haben, und ihre Ansichten, die so auf uns herabgekommen sind, bilden für die große Menge die Gesetze der Moral, und ebenso auch für den Philosophen so lange, bis es ihm gelungen ist, bessere ausfindig zu machen. Daß die Philosophen dies selbst jetzt noch in vielen Fällen leicht tun können, daß der überlieferte Moralkodex keineswegs göttliches Recht ist, und daß die Menschen hinsichtlich der Wirkungen von Handlungen auf die allgemeine Glückseligkeit noch viel zu lernen haben, gebe ich zu, oder vielmehr, ich behaupte es nachdrücklich. Die aus dem Nützlichkeitsprinzip herzuleitenden Korollarien [Zugaben - wp] sind, wie die Vorschriften einer jeden praktischen Kunst, unendlicher Verbesserung fähig, und in einem vorschreitenden Zustand des menschlichen Geistes ist ihre Verbesserung eine ununterbrochen fortschreitende. Aber die Gesetze der Moralität als der Verbesserung fähige zu untersuchen, und mit gänzlicher Beiseitelassung aller dazwischenliegenden Generalisationen eine jede einzelne Handlung unmittelbar am ersten Prinzip zu prüfen, sind zwei ganz verschiedene Dinge. Es ist eine befremdende Ansicht, daß die Anerkennung eines ersten Prinzips mit der Zulassung sekundärer unverträglich sei. Gibt man einem Reisenden Auskunft über den Ort seiner letzten Bestimmung, so wird ihm damit nicht verboten, daß er sich unterwegs auch nach den Grenzpfählen und Wegweisern richte. Wenn behauptet wird, daß Glückseligkeit der Endzweck und das Ziel der Moralität ist, so ist damit nicht gesagt, daß kein Weg nach diesem Ziel hingezogen, und daß Leute, die dorthin gehen, nicht beraten werden sollten, die eine Richtung lieber einzuschlagen als eine andere. Es wäre in der Tat Zeit, daß man aufhöre, über diesen Gegenstand eine Art Unsinn zu schwatzen, den man in Bezug auf andere Gegenstände von praktischer Bedeutung weder selbst reden noch anhören würde. Niemand wird behaupten, daß die Schiffahrtskunst nicht auf Astronomie begründet sei, weil die Seeleute nicht in der Lage sind, den nautischen Almanach zu berechnen. Da sie vernünftige Wesen sind, so gehen sie zur See mit dem bereits ausgerechneten Almanach in der Tasche, und alle vernünftigen Wesen gehen auf die See des Lebens mit einem über die gewöhnlichen Fragen von Recht und Unrecht ebensogut aufgeklärten Geist, wie über viele der weit schwierigeren Fragen nach dem, was weise und was töricht ist. Und so lange die Voraussicht eine menschliche Eigenschaft bleibt, ist auch anzunehmen, daß sie es immer so machen werden. Was wir auch immer als das erste Prinzip der Moral annehmen, so bedürfen wir noch untergeordneter Prinzipien, nach denen jenes anzuwenden ist: da die Unmöglichkeit, ihrer zu entraten, allen Systemen gemeinsam ist, so kann dieselbe nicht als Einwendung gegen ein besonderes gebraucht werden; vielmehr wäre die ernstliche Behauptung, als könne man solche sekundäre Prinzipien nicht finden, und als ob es der Menschheit bis auf den heutigen Tag nicht gelungen wäre und nie gelingen könnte, aus der Erfahrung des menschlichen Lebens allgemeine Schlüsse abzuleiten, meiner Meinung nach ein so hoher Grad von Widersinnigkeit, wie ihn die philosophische Kontroverse nur jemals zutage gefördert hat.

Die noch übrigen hauptsächlichsten Einwendungen gegen die Utilitätslehre bestehen meist darin, daß man ihr die gewöhnlichen Schwächen der menschlichen Natur und die allgemeinen Schwierigkeiten zur Last legt, durch welche gewissenhafte Personen bei der Führung ihres Lebensweges sich verwirren lassen. Man sagt uns, ein Utilitarier sei fähig, aus seinem eigenen besonderen Fall eine Ausnahme von den menschlichen Gesetzen zu machen und unter dem Einfluß der Versuchung in der Verletzung des Gesetzes einen größeren Nutzen zu erblicken als in dessen Beobachtung. Aber ist vielleicht die Nützlichkeitslehre die einzige, die uns Entschuldigungen für Schlechthandeln bieten kann und Mittel, unser eigenes Gewissen zu belügen, dieselben werden im Überfluß von allen Doktrinen dargeboten, welche in moralischen Dingen das Vorhandensein widerstreitender Erwägungen als Tatsache anerkennen, - und das tun alle Doktrinen, an die je von vernünftigen Personen geglaubt worden ist. Es ist nicht die Schuld irgendeiner Lehre, sondern der verwickelten Natur menschlicher Dinge, wenn Verhaltensgesetze nicht so formuliert werden können, daß sie keiner Ausnahme bedürften, und daß kaum eine einzige Art von Handlungen als entweder in jedem Fall verpflichtend oder in jedem Fall verdammenswert bezeichnet werden kann. Es gibt keine moralische Doktrin, welche nicht die Strenge ihrer eigenen Gesetze durch eine gewisse Freiheit, unter der moralischen Verantwortlichkeit des Handelnden, zur Anpassung an die Besonderheit der Umstände milderte, und es kommt unter den Anhängern einer jeden Lehre vor, daß durch das also geöffnete Pförtchen Selbstbetrug und unredliche Kasuistik ihren Einzug halten. Es gibt kein moralisches System, welches nicht ganz unzweideutige Fälle einander widerstreitender Verpflichtungen aufkommen ließe. Dies sind die wirklichen Schwierigkeiten, die Steine des Anstoßes sowohl für die Theorie der Ethik als in der gewissenhaften Führung des persönlichen Verhaltens. Ob man in der Praxis mit größerem oder geringerem Erfolg über dieselben hinauskommt, hängt von der Einsicht und der Tugend des Individuums ab, aber es kann schwerlich behauptet werden, daß einer umsoweniger befähigt sei, solche Konflikte zu lösen, weil er einen obersten Maßstab besitze, auf welchen einander widerstreitende Rechte und Pflichten zurückgeführt werden könnten. Wenn die Nützlichkeit die letzte Quelle moralischer Verpflichtungen ist, so darf man an die Entscheidung der Nützlichkeit appellieren, wenn ihre Forderungen untereinander unverträglich sind. Obgleich die Anwendung des Maßstabes ihre Schwierigkeiten haben mag, so ist es doch besser, diesen zu haben, als überhaupt gar keinen, während in anderen Systemen, nach welchen die moralischen Gesetze insgesamt eine ganz unabhängige Autorität beanspruchen, kein gemeinsamer Schiedsrichter vorhanden ist, der berechtigt wäre, zwischen ihnen zu entscheiden; ihre Ansprüche auf gegenseitigen Vorrang beruhen auf einer Grundlage, die nicht viel besser ist als Sophistik, und würden volle Freiheit gewähren, nach persönlicher Neigung und Vorliebe zu handeln, wären sie nicht in den meisten Fällen durch den nicht zugestandenen Einfluß von Überlegungen der Nützlichkeit bestimmt. Wir müssen uns erinnern, daß nur in diesen Fällen des Widerstreites unter sekundären Prinzipien der Appellation an erste Prinzipien geboten ist. Es gibt keinen Fall moralischer Verpflichtung, in welchem nicht irgendein sekundäres Prinzip mit in Betracht käme; und falls es nur  eines  ist, so kann im Geist einer Person, welche das Prinzip selbst anerkannt hat, selten ein wirklicher Zweifel stattfinden, was es für eines ist.
LITERATUR - John Stuart Mill, "Was das Nützlichkeitsprinzip ist" in Friedrich Ramhorst (Hg), Anthologie der neueren Philosophie, Bd. 1, Berlin 1919
    Anmerkungen
    1) Der Verfasser dieses Essays hat Grund zu glauben, daß er der Erste war, welcher das Wort  utilitarisch  (utilitarian) gebraucht hat. Er hat es nicht erfunden, sondern GALTs  Annals of the Parish  (Chronik des Pfarrsprengels), wo dasselbe gelegentlich vorkommt, entlehnt. Nachdem er es durch mehrere Jahre als unterscheidende Bezeichnung gebraucht, haben er selbst und andere es wieder fallen lassen aus einer wachsenden Abneigung gegen alles, was einem Abzeichen oder Losungsworte sektiererischer Unterscheidung ähnlich sieht. Aber als Bezeichnung für eine einzelne Meinung, nicht für eine Reihe von Meinungen - um nämlich im allgemeinen die Anerkennung des Nützlichkeitsprinzips als einer Richtschnur, nicht aber eine besondere Art der Anwendung derselben zu bezeichnen entspricht das Wort einem Bedürfnis der Sprache und gewährt in vielen Fällen ein passendes Mittel, ermüdende Umschreibungen zu vermeiden.
    2) Ein Gegner, dessen Verstandes- und Charakterehrlichkeit den wohltuendsten Eindruck macht (der Reverend J. LLEWELLYN DAVIES), hat gegen diese Stelle die folgende Einwendung erhoben: "Gewiß hängt Recht oder Unrecht einer Rettung vom Tod des Ertrinkens in hohem Maß vom Beweggrund ab, aus welchem sie geschah. Setzen wir den Fall: ein Tyrann, dessen Feind ins Meer sprang, um ihm zu entrinnen, rettet diesen vom Ertrinken bloß in der Absicht, um denselben noch ausgesuchtere Qualen erdulden zu lassen, - würde es zur Klarheit führen, wenn man von dieser Rettung als von einer "moralisch guten Handlung" reden wollte? Oder setzen wir, um eines der Lieblingsbeispiele ethischer Untersuchungen zu gebrauchen, wieder den Fall: Ein Mann begeht an einem Freund einen Vertrauensmißbrauch, weil, wenn er der Forderung des Freundes ein Genüge täte, dieser Freund selber oder einer seiner Angehörigen tödlich beschädigt würde, - könnte die Nützlichkeitslehre jemanden überreden, diesen Verrat ein Verbrechen zu nennen, ebenso als wenn er aus dem niedrigsten Beweggrund entsprungen wäre?" - Ich erwidere: Wer einen andern vom Ertrinken rettet, um ihn später durch Folterqualen zu töten, unterscheidet sich nicht allein im Beweggrund von demjenigen, welcher dasselbe aus Pflichtgefühl oder aus Wohlwollen tut: die Handlung selbst ist eine verschiedene. Die Rettung des Mannes ist im vorausgesetzten Fall nur das erste notwendige Glied einer Handlung, die weit grausamer ist, als die Unterlassung jedes Rettungsversuches es gewesen wäre. Hätte DAVIES gesagt: "Recht oder Unrecht einer Rettung vom Tod des Ertrinkens hängt in hohem Maße" - nicht vom Beweggrund, sondern - "von der Absicht ab", so würde kein Utilitarier dem widersprochen haben. DAVIES hat durch ein Versehen, welches zu häufig ist, um nicht vollkommen verzeihlich zu sein, in diesem Falle die Begriffe von  Beweggrund  und  Absicht  verwechselt. Es gibt keinen Gegenstand, zu dessen Aufhellung die Denker der utilitarischen Richtung (und BENTHAM in erster Linie) sich mehr bemüht hätten, als diesen. Aber der Beweggrund, d. h. das Gefühl, welches diesen Willen zum Sohandeln in ihm hervorruft, macht auch, wenn es nicht einen Unterschied für unsere moralische Wertschätzung des Handelnden begründet, zumal wenn es eine gute oder schlechte gewohnheitsmäßige  Neigung  anzeigt - einen Hang des Charakters, aus welchem der Wahrscheinlichkeit nach nützliche oder schädliche Handlungen fließen werden.